Vertrauensverlust von Kerstin-san ================================================================================ Kapitel 1: Vertrauensverlust ---------------------------- Sie kann es ihm nicht verziehen. Egal, wie sehr sie versucht, es auszublenden, Clara kann den Moment einfach nicht vergessen. Wie der Doctor sie kurzerhand auf dem Mond hat stehen lassen, in seine TARDIS gestiegen und alleine davongeflogen ist. Als wäre es für ihn nur eine unbedeutende Kleinigkeit, dass der Mond gerade dabei war auseinanderzubrechen und womöglich die ganze Menschheit mit ihm ausgelöscht wird. Wie konnte er sie nur so im Stich lassen und ihr, ihrer fünfzehnjährigen Schülerin und einer Astronautin die Entscheidung über das Leben und Sterben einer womöglich einzigartigen Kreatur aufbürden und ihnen damit zeitgleich auch noch die Verantwortung für die völlig ungewisse Zukunft der ganzen Erde und all ihrer Bewohner übertragen? Es spielt keine Rolle, dass sie es letztendlich nicht über ihr Herz gebracht hat, das unschuldige Mondwesen zu töten, was sich Gott sei Dank als die richtige Entscheidung herausgestellt hat. Es ändert nicht das Geringste daran, dass der Doctor gefühllos und kalt reagiert hat. Er hat sich nicht wie der Freund, der er ihr sonst immer gewesen ist, verhalten, sondern wie ein unbeteiligter Fremder. Und das kann sie ihm einfach nicht verzeihen. In dem Moment, als sie seinen Rat und seine Unterstützung am meisten gebraucht hat, hat er sie im Stich gelassen. Er hat sie mit einer Entscheidung zurückgelassen, die sie nie treffen wollte und für die sie ganz sicher auch nicht qualifiziert war. Er hat ihr die Verantwortung für die Zukunft ihrer ganzen Rasse in die Hände gelegt und wenn sie daran denkt, dass sie eineinhalb Stunden in Hilflosigkeit und Panik gelebt hat, weil sie befürchten musste, dass ihre Entscheidung letztlich alle töten würde... Wütend wischt Clara sich einige Tränen aus den Augen. So etwas tun Freunde nicht. Sie zwingen einem nicht solche Entscheidungen auf und lassen einen dann alleine im Regen stehen.   Zitternd atmet sie aus. Clara weiß nicht, wie oft sie in den letzten Wochen über diesen Vorfall nachgedacht hat und bei dem Gedanken an die Rolle des Doctors zwischen maßloser Wut, tiefer Trauer und bitterer Enttäuschung hin- und hergerissen war, aber trotzdem kann sie das, was geschehen ist, noch immer nicht einfach bei Seite schieben. Eigentlich dachte sie, dass sie das Erlebte mittlerweile relativ gut verarbeitet hat, aber nachdem der Doctor sie vorhin angerufen hat und die Erinnerungen jetzt mit neuer Wucht wieder zurückkommen, muss sie sich wohl oder übel eingestehen, dass das nicht stimmt. Nicht nur, dass sie sich Sorgen um die Erde, das Mondwesen und Courtney, die nur zufällig in diese Situation geraten war, machen musste. Sie selbst hatte auch fürchterliche Angst. Todesangst. Natürlich gab es bei all den Abenteuern mit dem Doctor schon die ein oder andere brenzlige Situation, in der sie befürchten musste, verletzt oder sogar getötet zu werden, aber sie hat sich bisher - bis auf eine einzige unrühmliche Ausnahme - immer sicher bei dem Doctor gefühlt, weil sie wusste, dass sie sich auf ihn verlassen kann und sie beide ein eingespieltes Team sind. Bis jetzt. Als er mit seiner Zeitmaschine verschwunden ist, blieb ihnen nur die Wahl das Mondwesen mit nuklearen Sprengsätzen umzubringen, was Courtney, Captain Lundvik und sie selbst im Kreuzfeuer der Explosion ebenfalls getötet hätte oder sie hätten darauf warten können, dass die Mondkreatur schlüpft und sie alle sterben, weil der Mond unter ihren Füßen auseinanderbricht. Für sie drei gab es keine Möglichkeit ohne den Doctor lebend vom Mond zu entkommen, was ihn aber nicht davon abgehalten hat, einfach zu verschwinden und sie mit einem 90-minütigen Countdown zurückzulassen. Unwillkürlich muss Clara an ihr erstes Abenteuer mit dieser Inkarnation des Doctors zurückdenken, als er sich gerade regeneriert hatte. Auch damals hat sie sich verraten und allein gelassen gefühlt, aber das war trotzdem etwas anderes. Verglichen mit dem Vorfall auf dem Mond, kommt ihr das jetzt beinahe lächerlich vor. Zwischen diesen beiden Abenteuern ist so viel Zeit vergangen und sie hat sich so an ihn gewöhnt, dass sie wirklich geglaubt hat, dass so etwas nie wieder passieren würde. Sie hat es nicht für möglich gehalten, dass irgendetwas geschehen könnte, was ihr Vertrauen in Den Doctor derart fundamental erschüttern würde. Das Schlimmste ist, dass er sich nicht einmal bewusst war, irgendetwas falsch gemacht zu haben. Wenn sie an sein ratloses Gesicht zurückdenkt, muss sie beinahe hysterisch auflachen. Stattdessen beißt Clara sich auf ihren Fingerknöchel, um jedes Geräusch zurückzuhalten. Er sah so schrecklich verwundert aus, während sie in Tränen aufgelöst vor ihm stand. Mein Gott, nie war ihr deutlicher bewusst, dass der Mann vor ihr ein Alien ist und noch nie hat sie ihn heftiger verabscheut, als an diesem Tag.   Trotzdem... Sie wird das Reisen mit ihm vermissen. All die Orte, die sie schon gesehen hat und die noch auf sie warten könnten. Die unterschiedlichen Kulturen, die es zu bestaunen gäbe. Die fremdartigen Außerirdischen, denen sie noch begegnen könnte. Aber am meisten wird sie die Abenteuer vermissen. Den Adrenalinrausch, wenn sie beide mal wieder Hals über Kopf aus heiklen Situationen entkommen müssen und die Euphorie, wenn sie es geschafft haben, jemanden zu retten. Es ist wie eine Droge. Einmal davon gekostet, kommt man nur schwer wieder davon los, aber Clara ist fest entschlossen, einen Schlussstrich zu ziehen. Sie wird auf der Erde bleiben, bei Danny, und den Doctor alleine weiter reisen lassen.   Nachdenklich starrt Clara aus dem Fenster. Und dennoch... Warum hat sie trotz allem dem Vorschlag des Doctors zugestimmt, noch eine allerletzte gemeinsame Reise zu unternehmen? Sie hat wochenlang nichts von ihm gehört, bis er heute auf einmal angerufen hat. Und irgendwie hat sie es nicht über sich gebracht, ihm das zu verweigern. Vielleicht um der guten alten Zeiten willen? Weil sie einen friedlichen Schlussstrich ziehen möchte und sich nicht im Streit von ihm trennen will? Weil sie tief in ihrem Inneren doch noch auf eine Entschuldigung von ihm hofft? Sie weiß es nicht. Andererseits... Was kann es schon schaden? Ein allerletztes gemeinsames Abenteuer, ehe sie den Doctor alleine weiter ziehen lässt. Das sollte doch eigentlich kein Problem sein, oder? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)