Zartbitterschokolade von konohayuki (Naruto - Fanficwichteln: Valentinstagswichteln) ================================================================================ Kapitel 1: Zartbitterschokolade ------------------------------- Tenten stand vor einem Problem. Obwohl nein, es war kein Problem, Gai-sensei hatte einmal gesagt, dass man sich das Leben nur schwer machte, wenn man etwas als Problem bezeichnete. Dadurch machte man sich viel mehr Angst vor der Herausforderung, die vor einem lag. Und Herausforderungen waren immer etwas Gutes, zumindest, wenn es nach Gai-sensei ging. Hätte sie die Zeit dafür gehabt, hätte Tenten vermutlich still über sich selbst gegrinst. Auch, wenn ihr Sensei manchmal ein wenig anstrengend sein konnte, besonders dann, wenn Lee sich in unmittelbarer Umgebung befand: Das, was er sagte, hatte Hand und Fuß. Und Tenten hatte sich schon mehrfach in Alltagssituationen befunden, in denen ihr ein Rat oder eine Aussage ihres Sensei durch den Kopf geschossen war, die ihr weitergeholfen hatte. In diesem Moment hatte sie jedoch nicht besonders viel Zeit, sich solchen Gedanken hinzugeben. Viel wichtiger war es, dem Kunai auszuweichen, welches geradlinig auf ihren Kopf zuflog. Sie hob ihre Hand, um die Waffe mit ihrem eigenen Kunai von ihrem Pfad abzulenken und schenkte dem Werfenden ein breites Grinsen. „Guter Wurf“, lobte sie. „Ein weniger aufmerksamer Gegner wäre vielleicht nicht schnell genug gewesen.“ Nejis Mundwinkel zuckte amüsiert, als er nach einem weiteren Kunai griff. Andere Shinobi hätten vermutlich mit einem in ihren Augen coolen Spruch reagiert, seine Antwort bestand allerdings daraus, sie in kurzen zeitlichen Abständen aus verschiedenen Winkeln mit weiteren Kunai und Shuriken zu attackieren. Neji brauchte einfach keine Sprüche, um cool zu sein. Zumindest sah Tenten das so. Womit sie wieder bei ihrem ursprünglichen Gedanken angekommen war, wegen dem sie sich eindeutig weniger auf ihr Abwehrtraining konzentrierte als sie sollte. Der Valentinstag stand kurz bevor. Es war nicht zu übersehen, ob sie nun einkaufen ging oder einfach so durch die Straßen Konohagakures schlenderte. Überall wurde Schokolade in den verschiedensten Formen und Geschmäckern zu horrenden Preisen angeboten und auch an anderen Leckereien oder als „romantisch“ angepriesenen Waren kam man ebenfalls nicht vorbei. Normalerweise machte sich Tenten daraus nichts, dieses Jahr allerdings … Sie hatte beschlossen, dass es an der Zeit war, Neji ihre Gefühle zu gestehen. Aber da sie es leicht unromantisch fand, ihm einfach nach dem Training zu sagen, was sie ihm gegenüber empfand, war ihr Plan nun, Neji zum Valentinstag Pralinen zu schenken. Selbstgemacht, natürlich. Gerade zu diesem Anlass kam es gar nicht in Frage, Pralinen zu kaufen. Das allerdings stellte sie vor mehrere Proble… nein, Herausforderungen. Die erste Herausforderung, der sie sich gegenübersah: Sie konnte nicht nur Neji etwas schenken. Wenn sie ihr Team am Valentinstag sah, musste sie auch für Gai-sensei und Lee etwas mitbringen, sonst würde der Tag in Tränen auf der einen und stark strapazierten Nerven auf der anderen Seite enden. Und auch, wenn beide manchmal anstrengend waren – Tenten mochte die Beiden und wollte ihnen nicht einfach gekaufte Schokolade schenken. Also hatte sie beschlossen, auch für Gai-sensei und Lee Pralinen zu machen. Das brachte sie zur nächsten Hürde, die sie überwinden musste: Sie hatte noch nie in ihrem Leben selbst Pralinen gemacht. Zwar hatte sie Rezepte dafür gefunden, aber von einigen ihrer Freundinnen und Kolleginnen gehört, dass sich die Zutaten manchmal mehr sträubten als gehofft. Da sie durchaus Geschick in der Küche besaß war sie zwar sicher, dass sie etwas Gutes zustande bringen würde, aber sie wollte nicht nur etwas Gutes, sondern das Beste. Manchmal war ihr Perfektionismus ihr einfach im Weg. Während diese Punkte aber sicherlich in irgendeiner Weise zu bewältigen waren, war da noch diese eine Sache, die ihr am meisten Kopfzerbrechen bereitete: Was für Pralinen sollte sie für Neji machen? Natürlich hatte sie versucht darauf zu achten, was er gerne aß und was er unbeachtet ließ, aber bis jetzt hatte sie einfach noch keine Idee, welche Süßigkeiten er mochte. Und fragen konnte sie ihn ja auch nicht einfach. Das würde ihr zum einen den Spaß am Versuch nehmen, herauszufinden was er mochte, und zum anderen fand sie es einfach nicht passend. Wenn sie selbst solche einfachen Dinge nicht herausfinden konnte, wie konnte er da denken, dass sie es ernst meinte mit ihren Gefühlen und es sich nicht nur um eine Schwärmerei handelte? Plötzlich stand Neji neben ihr, ein Kunai beängstigend nah an ihrem Hals. Sie wusste, dass er sie nicht ernsthaft verletzen würde, aber diesen Angriff hätte sie voraussehen müssen. Gerade noch rechtzeitig blockte sie die Waffe ab und brachte einen komfortablen Abstand zwischen Neji und sich. Der runzelte die Stirn. „Du bist unkonzentriert“, stellte er fest. Er klang nicht anklagend, aber da war ein Unterton in seiner Stimme, der Tenten aufhorchen ließ. „Ist alles in Ordnung?“ „Ja“, antwortete Tenten mit etwas Verzögerung. Eigentlich war ja auch alles in Ordnung, und über das, worüber sie gerade nachdachte, konnte sie ja schlecht mit Neji reden. Sie spürte, wie sich ihre Wangen rot färbten. Das konnte sie eventuell noch auf das Training und das noch kühle Februarwetter schieben, aber sie war sicher, dass Neji sie durchschauen würde, und das konnte sie so gar nicht gebrauchen. Im schlimmsten Fall würde er nicht nachbohren, aber Lee fragen, ob er etwas wusste. Und Lee würde hundertprozentig nicht aufhören zu fragen, bis er eine Antwort erhalten hatte, die ihn zufriedenstellte. Eine Ablenkung musste also her. Vielleicht sollte sie eine Pause vorschlagen? „Möchtet ihr einen Tee?“ Tenten atmete noch ein paar Mal tief ein und aus, um ihren Puls zu beruhigen. Wenn sie nicht schon in das Übernatürliche geglaubt hätte, spätestens nun hätte sie damit angefangen. Hinata war genau im richtigen Augenblick aufgetaucht, als wäre sie als Rettung geschickt worden. Viel wahrscheinlicher war zwar, dass sie das Training beobachtet und gesehen hatte, dass sie ihre Übung offensichtlich unterbrochen hatten, aber Tenten fand es schöner, an eine glückliche Fügung des Schicksals zu glauben. Hinata sah währenddessen fragend zwischen ihr und Neji hin und her, offensichtlich wartete sie auf eine Antwort. Und wenn Tenten ehrlich war, begann die Kälte bereits in ihre Glieder zu kriechen, jetzt, da sie sich nicht mehr bewegte … „Ein Tee wäre großartig“, antwortete sie deshalb, ohne sich mit Neji abzusprechen. Aber sie war sich sicher, dass er ebenfalls nicht abgeneigt war. „Und ich glaube, eine Pause wird sicherlich helfen, wieder zu Konzentration zurückzufinden.“ Tenten konnte beinahe sehen, wie Neji mit dem Drang kämpfte ihr zu sagen, dass ein Gegner ihr auch keine Pause gönnen würde. Da er aber wusste – oder zumindest hoffte Tenten, dass er es wusste –, dass sie in einem echten Kampf mit einem ganz anderen Fokus an die Sache herangehen würde, sagte er nichts. Und vielleicht kaufte er ihr tatsächlich ab, dass sie einfach eine kurze Pause brauchte, bevor sie sich wieder ganz auf das Training fokussieren konnte. Hinata nickte und wollte sich gerade abwenden, als Tenten erneut die Stimme erhob. „Lass mich dir helfen.“ Hinata schien über das Angebot ein wenig überrascht zu sein, nickte dann aber. Erleichtert schloss sich Tenten Hinata an, als diese sie durch das Anwesen in die Küche führte. Dort angekommen war Tenten überrascht über die verschiedenen kleinen Formen und Zutaten, die über die ganze Arbeitsfläche verteilt waren, aber scheinbar einer bestimmten Ordnung zu folgen schienen. „Ich mache Schokolade für den Valentinstag“, sagte Hinata, die ihren Blick offenbar bemerkt hatte. „Für mein Team. Das mache ich jedes Jahr.“ Mit dieser Information machten die in drei Gruppen eingeteilten Zutaten Sinn. So wie es aussah, stimmte Hinata die Schokolade auf die Vorlieben der einzelnen Teammitglieder ab. Während Hinata Wasser für den Tee aufsetzte, studierte Tenten genauer, was hier eigentlich verarbeitet wurde – vielleicht konnte sie ja sogar erraten, welche Zutaten welchem von Hinatas Teammitgliedern zuzuordnen waren. Am Einfachsten konnte sie zuordnen, woraus wohl die Süßigkeiten für Kurenai-sensei werden sollten. Tenten bezweifelte stark, dass eines von Hinatas gleichaltrigen Teammitgliedern über Alkohol in seiner Schokolade erfreut sein würde, der Sake gehörte also eindeutig zu keinem von ihnen. Die anderen beiden Zutatenkonstellationen bereiteten ihr allerdings Kopfzerbrechen. Bei einer war sie sicher, dass kandierte Wintermelone in irgendeiner Form ihren Weg in oder auf die Schokolade finden würde, und bei der dritten hatte sie keine Ahnung, was daraus einmal werden sollte, sie konnte sich nur vorstellen, dass es verdammt süß, klebrig und zäh werden würde. Um hier allerdings herauszufinden, ob der Inuzuka- oder der Aburame-Sprössling auf Wintermelone oder klebrige Süßigkeiten stand, hätte sie mehr Informationen gebraucht. Und da sie mit beiden Clans wenig bis keine Berührungspunkte hatte, war dies in diesem Moment ein Ding der Unmöglichkeit. Tenten fragte sich, ob noch eine weitere Zutatengruppe auf der Arbeitsfläche zu finden wäre, wenn Naruto im Dorf und nicht auf Trainingsreise wäre. Sie war relativ sicher, dass dem nicht so wäre, es war zwar ein offenes Geheimnis, dass Hinata Gefühle für ihn hegte, allerdings hatte Naruto diese Information offensichtlich noch nicht aufgeschnappt. Und Hinata war in seiner Gegenwart einfach zu schüchtern. Trotzdem hoffte Tenten, dass Hinata irgendwann den Mut finden würde, Naruto ihre Liebe zu gestehen. „Jedes Jahr?“, fragte sie, die Stille zwischen ihnen war schon beinahe unangenehm geworden, während Tenten ihren Gedanken nachgehangen hatte. „Da freuen sich deine Teammitglieder bestimmt.“ „Zumindest haben sie sich noch nicht beschwert“, antwortete Hinata, ein leichter Rotschimmer war auf ihren Wangen erkennbar. Tenten konnte sich nicht erinnern, ob sie jemals so viele Worte mit ihr gewechselt hatte. „Ich überlege, dieses Jahr Pralinen zu machen“, fuhr sie fort. „Aber es ist so schwer zu entscheiden, welche Füllung und was für Schokolade ich verwenden soll. Und ich hab noch nie Pralinen selbstgemacht, aber das ist irgendwie … persönlicher.“ Hinata nickte. „Im ersten Jahr war ich auch etwas überfordert, da habe ich erst einmal einfache Pralinen mit Ganachefüllung gemacht“, sagte sie. „Du solltest ein wenig mehr Zutaten einplanen, für den Fall, das etwas schief geht.“ Tenten nickte. Diesen Gedanken hatte sie tatsächlich auch schon gehabt, aber nun hatte sie Bestätigung, dass es keine schlechte Idee war. Sie wollte gerade ansetzen und Hinata ihren Dank für den Tipp aussprechen, als diese plötzlich einen Rat aussprach: „Nimm dunkle Schokolade.“ Kaum hatten die Worte ihren Mund verlassen, sah sie aus, als hätte sie die Worte zwar denken, aber nicht laut aussprechen wollen. Für einen Moment schien sie zu zögern, doch augenscheinlich beschloss sie, dass sie nun auch weitermachen konnte, wenn sie schon angefangen hatte zu reden. „Normalerweise wird ja Vollmilchschokolade geschenkt, aber wenn du Neji eine Freude machen willst, nimmst du dunkle Schokolade. Die mag er lieber, hat er mal gesagt. Und … wenn du nach einer Dekoration suchst, mit der du ihm eine besondere Freude machst, dann schlage ich kandierte Orangenschalen vor.“ Offensichtlich war Hinata immer noch ein wenig peinlich berührt von ihrem plötzlichen Redeschwall, entspannte sich aber merklich, als Tenten sie dankbar anlächelte. Eigentlich wäre sie Hinata gerne um den Hals gefallen, aber sie befürchtete, dass sie ihre Gesprächspartnerin damit überfordern würde. Und das wollte sie nun wirklich nicht, nun, da ihr die für sie so wichtigen Informationen praktisch auf dem Silbertablett serviert worden waren. Trotzdem konnte Tenten nicht umhin, sich zu wundern, was Hinata dazu bewog, diese Informationen mit ihr zu teilen. War die Information tatsächlich nur so aus ihr herausgeplatzt oder verfolgte sie einen bestimmten Plan? „Warum erzählst du mir das alles?“, fragte sie. Sie vermutete keine bösen Absichten, nicht bei Hinata, aber trotzdem … „Ich möchte, dass Neji glücklich ist.“ Tenten hielt einen Moment inne und wandte ihre ganze Aufmerksamkeit Hinata zu. Diese druckste einen Moment herum, dann sammelte sie sich wieder. „Weißt du“, begann Hinata, und der ernste Ausdruck, der auf ihrem Gesicht auftauchte, sorgte dafür, dass Tenten sich ein wenig anspannte. „Er hat schon so viel in seinem Leben erleiden müssen, nicht zuletzt, weil er diesem Clan angehört.“ Tenten meinte, einen Anflug von Traurigkeit in Hinatas Augen zu erkennen. Sie wusste, dass auch Hinata die Zugehörigkeit zum Clan bei weitem nicht nur Freude bereitet hatte. Es war bekannt, dass sie von ihrer jüngeren Schwester Hanabi als zukünftiges Clanoberhaupt ersetzt worden war – auf Geheiß ihres eigenen Vaters. Tenten hatte Hinata als sehr empathischen und gefühlsbetonten Menschen kennengelernt, sie wollte sich gar nicht ausmalen, was diese Zurückweisung mit ihr gemacht hatte. Ihre Aufmerksamkeit kehrte zu Hinata zurück, als diese weitersprach: „Für mich ist eindeutig, dass ihm etwas an dir liegt. Wie viel, das kann ich natürlich nicht sagen, aber er verhält sich anders, wenn du in der Nähe bist. Du tust ihm gut. Und er bedeutet dir ebenfalls viel, das kann ich sehen. Ich glaube, dass er dich ebenfalls glücklich machen kann.“ Sie hielt für einen Moment inne, dann erlaubte sie sich ein Kichern. „Aber ich bin mir auch ziemlich sicher, dass er nicht den ersten Schritt machen wird.“ Mit einem Mal hatte Tenten das Gefühl, in einen Verkupplungsversuch hineingeraten zu sein. Sie würde sich nicht beschweren, immerhin hegte sie ja Gefühle für Neji, aber irgendwie war es trotzdem ein wenig belustigend für sie, dass gerade Hinata diesen Verkupplungsversuch unternahm. Vor ein paar Jahren, da war sie sich sicher, wäre dieses Szenario unvorstellbar gewesen. „Danke“, sagte sie, ein warmes Lächeln auf ihrem Gesicht. Obwohl das Verhältnis zwischen Neji und Hinata sich erst vor kurzem gewandelt hatte und die Vergangenheit sicher noch nicht vollkommen überwunden war, konnte Tenten doch sehen, dass Hinata sich mit ihm auseinandersetzte und versuchte, mehr über ihn zu erfahren. Dabei schien sie nicht nur ihn, sondern auch seine Teamkameraden zu beobachten und dabei mehr aufzuschnappen, als Tenten gedacht hatte. Die Beobachtungsgabe der Kunoichi vor ihr war bemerkenswert und definitiv nicht zu unterschätzen. „Ich werde deine Ratschläge auf jeden Fall beherzigen.“ Hinata lächelte. „Und ich hoffe, dass ich Recht behalte.“     Tenten atmete tief durch, als sie ihre Kochschürze zusammenband. Sie hatte verschiedene Rezepte studiert, ihre Mutter nach Tipps und Tricks befragt und hatte sogar die alte Dame eingehend ausgehorcht, die in der Stadt einen Süßigkeitenladen führte. Die alte Dame war begeistert über ihre Fragen und ihr Interesse gewesen und hatte ihr sogar besonders hochwertige Schokolade besorgt, „damit Sie das Herz des jungen Mannes ganz bestimmt für sich gewinnen, meine Liebe“. Doch nun, da sie sich vor der Aufgabe sah, tatsächlich mit der Herstellung ihrer eigenen Pralinen zu beginnen, fühlte sie sich doch auf einmal etwas überfordert. Um sich zu beruhigen, atmete sie ein paar Mal tief durch. Sie hatte bis jetzt jede Waffe gemeistert, die ihren Weg gekreuzt hatte – Pralinen würden sie da bestimmt nicht einfach so unterkriegen! Und sie konnte ja bereits erste Erfolge im Rahmen der Mission Zartbitterschokolade vermelden: Sie hatte am Vortag ihre eigene Ganache hergestellt. Der Weg dorthin war allerdings doch beschwerlicher gewesen, als sie gehofft hatte. Ihren ersten Versuch konnte sie nur als Desaster beschreiben. Ein sehr klumpiges und ungenießbares Desaster. Tenten war sehr froh gewesen, dass sie Hinatas Rat beherzigt und mehr Zutaten gekauft hatte, als sie tatsächlich laut Rezept benötigte, sonst hätte sie ihren ganzen schönen Plan auf das nächste Jahr verschieben müssen. Versuche Nummer zwei und drei waren ihr dann überraschend gut geglückt, sie hatte sich sogar getraut, der Ganache mit dunkler Schokolade ein wenig Orangenaroma beizusetzen und es bei der Dosierung nicht übertrieben. Für die Füllung der Pralinen für Gai-sensei und Lee hatte sie sich für eine Standardvollmilchganache mit Vanillearoma und einer Vollmilchhülle entschieden. Da Tenten noch nie gesehen hatte, dass die beiden irgendeinem Essen etwas Schlechtes hätten abgewinnen können, selbst auf dieser einen Mission … Die Dame, bei der sie damals untergekommen waren, war eine herzensgute Frau mit vielen Talenten gewesen, Kochen zählte allerdings nicht dazu. Und während Neji und sie ihre Anstandsportionen irgendwie heruntergewürgt hatten, war Lee sogar so todesmutig gewesen, um Nachschlag zu bitten. Doch sie schweifte ab. Pralinen. Das war, worauf sie sich konzentrieren musste. Wenigstens wusste sie schon, dass die Hüllen für sie kein Problem darstellen würden. Nachdem nämlich gestern die Ganache so grandios danebengegangen war, hatte sie sicherheitshalber auch einen Schwung Schokoladenhüllen angesetzt. Diese hatten wunderbar gehalten, und, was Tenten noch viel mehr gefreut hatte, sie hatte fast keine Löcher ausmachen können. Die alte Dame im Süßigkeitenladen hatte ihr gesagt, dass sie darauf besonders achten musste. „Was bringt die leckerste Füllung, wenn sie direkt wieder aus den Pralinen herausläuft?“, hatte sie gefragt, um dann selbst die Antwort zu geben. „Gar nichts, meine Liebe. Deshalb tragen Sie die Schokolade für die Seitenwände ruhig etwas dicker auf, das wird Ihnen sicherlich zum Erfolg verhelfen.“ Der Tipp hatte tatsächlich Früchte getragen, und so war ein Teil der Arbeit bereits erledigt. Zeit, den Rest der Hüllen vorzubereiten, sodass sie mit dem Füllen und Schließen der Pralinen fortfahren konnte. Der zusätzlichen Dekoration an Nejis Pralinen würde sie dann ganz zum Schluss den letzten Schliff verleihen und sie an den Pralinen anbringen. Voller Tatendrang wandte sich Tenten den Zutaten und Utensilien auf der Arbeitsfläche zu, die sie vorsorglich zusammengesucht und dort ausgebreitet hatte. Sie war gerne vorbereitet, und Stress war wirklich das Letzte, was sie gerade gebrauchen konnte. Zuerst musste sie ein Wasserbad ansetzen, also schnappte sie sich einen großen Topf, den sie auch gestern schon verwendet hatte. Da ihre Mutter ihr gesagt hatte, dass sie dringend darauf achten musste, wie die zwei Töpfe zueinander passten, die sie nutzen wollte, hatte sie ein weiteres Missgeschick vermeiden können. „Als ich das erste Mal für deinen Vater Pralinen gemacht habe, war der Topf mit dem Wasser einfach zu groß“, hatte ihre Mutter ihr erzählt und dabei fast albern gekichert. Tenten hatte der Geschichte gespannt gelauscht, sie hatte sie vorher noch nicht zu hören bekommen. „Und der Topf, in dem ich die Schokolade geschmolzen habe, war so klein, dass ich ihn nicht sicher auf dem Rand des großen Topfs ablegen konnte. Wenn du dir jetzt vorstellst, dass da einfach ein Topf auf warmem Wasser schwimmt und das Wasser schwappt herum … Naja, sagen wir es mal so, geschmolzene Schokolade und Wasser tun der Konsistenz der Hüllen nicht gut.“ Also hatte Tenten bei der Auswahl genau auf die Topfgrößen geachtet und am Vortag feststellen können, dass sie die richtige Wahl getroffen hatte. Wohlweislich hatte sie die Töpfe nach ihrem Versuch direkt auf der Arbeitsfläche deponiert, um sich die Sucherei am nächsten Tag sparen zu können. Nachdem sie Wasser in den großen Topf gefüllt, diesen auf den Herd gestellt und die Herdplatte auf niedrige Stufe gestellt hatte, sodass sich das Wasser leicht erwärmen konnte, wandte sie sich den bereits fertigen Hüllen zu. Da diese aus Vollmilchschokolade waren, holte sie die Vollmilchganache aus dem Kühlschrank. Für einen Moment hielt sie inne. Wie war das nochmal gewesen? Sie durfte die Hüllen nicht komplett füllen, damit sichergestellt war, dass der Boden die Füllung auch richtig einschloss, oder? Da dieser Gedankengang für sie Sinn machte, entschloss sie, genauso vorzugehen. Nachdem die Hüllen befüllt waren, verstaute Tenten sie gemeinsam mit der restlichen Ganache rasch wieder im Kühlschrank. Das Wasser für das Wasserbad war inzwischen warm genug, um mit dem Schmelzen von Schokolade zu beginnen. Und erst einmal schien alles nach Plan zu laufen. Sie füllte eine weitere Pralinenform mit Schokolade und stellte diese zur Kühlung ins Eisfach, und auch das Verschließen der bereits befüllten Pralinen funktionierte ohne Probleme. Sie hatte sich sogar schon davon überzeugen können, dass das Ergebnis hervorragend schmeckte, eine Tatsache, die sie noch einmal stark beruhigt hatte. Wenn die Vollmilchversion der Pralinen schmeckte, dann konnte bei den für sie wirklich wichtigen Zartbitterpralinen doch nichts mehr schief gehen. Oder? Tenten versuchte, diesen Gedanken schnellstmöglich aus ihrem Kopf zu vertreiben. Wer daran glaubte, dass ihm etwas Schlechtes passieren würde, dem würde es auch passieren. Sie würde auch die Zartbitterschokoladepralinen so schön hinbekommen wie die Vollmilchvariante, wenn sie nicht sogar noch schöner werden würden. Gerade, als die Schokolade soweit geschmolzen war, dass sie mit der Befüllung der Herzformen zur Erstellung der Pralinenhüllen beginnen wollte, klingelte die Eieruhr, die sie sich gestellt hatte, um zu wissen, wann sie die nächste Runde Ganachebefüllung vornehmen konnte. Jetzt war nur die Frage, was sie als erstes tun sollte. Tenten überlegte nicht lange. Den Hüllen, die sie bereits befüllen konnte, würden ein paar zusätzliche Minuten im Gefrierfach nicht schaden. Und tatsächlich war dieses Vorgehen genau richtig, wie sie feststellte – als sie die neuen Hüllen ins Gefrierfach und die bereits dort lagernden Hüllen herausnehmen wollte stellte sie fest, dass diese tatsächlich noch nicht ganz den Festigkeitsgrad erreicht hatten, den sie anstrebte. Also konnte sie ihre Eieruhr erneut stellen und sich dem letzten noch fehlenden Teil ihres heutigen Plans widmen. Die kandierten Orangenschalen hatte sie ebenfalls am Vortag angesetzt. Hier hatte sie sogar auf ein Familienrezept zurückgreifen können, denn nicht nur Neji, sondern auch ihre Mutter mochte diese Süßigkeit. Und da sie nicht einsah, diese immer kaufen zu müssen, hatte sie irgendwann gelernt, sie selbst zu machen. Mit der Zeit hatte Tentens Mutter eigene Kniffe entwickelt, um das Rezept zu verfeinern, mit dem sie begonnen hatte. Wie ihre Mutter gesagt hatte, waren die Orangenschalen, die sie erst in selbstgemachtem Sirup getränkt und dann vierundzwanzig Stunden auf einem Backblech hatte trocken lassen, noch leicht klebrig. Das hieß, sie konnte jetzt die Extrazutat hinzufügen, von der ihre Mutter geschwärmt hatte: Zucker. Eigentlich war der Zucker selbst nicht so spektakulär, aber wenn man die noch leicht klebrigen Orangenschalen darin wälzte, bekamen sie noch einmal eine andere Konsistenz, die aus ihnen ein ganz besonderes Geschmackserlebnis machten. Tenten lächelte, als sie das Blech mit den Orangenschalen auf dem Tisch abstellte, dann drehte sie sich zur nun schon fast leeren Arbeitsfläche um, sich die bereitgestellte Schüssel und den Zucker zu nehmen. Die Schüssel stand zwar dort, der Zucker allerdings … Sie fühlte einen leichten Anflug von Panik. Wenn die Orangenschalen nicht mehr klebrig waren, konnten sie nicht mehr gewälzt werden. Und wenn sie den Zucker jetzt nicht fand … Bevor sie vollends in Panik verfallen konnte, atmete sie ein paar Mal tief durch. Sie hatte den Zucker doch gestern erst benutzt, als sie den Sirup hergestellt hatte. Das hieß, es gab genug Zucker im Haus. Vermutlich hatte sie ihn nur zurück an seinen Platz gestellt, weil sie nicht daran gedacht hatte, dass sie ihn noch einmal brauchen würde. Mit diesen beruhigenden Gedanken im Kopf machte sie die wenigen Schritte, die sie zu dem Schrank brachten, in dem sie normalerweise den Zucker aufbewahrten. Und tatsächlich, dort stand er. Mit einem erleichterten Seufzen machte Tenten sich erneut an die Arbeit. Und als die Eieruhr erneut klingelte wusste sie, dass sie den Großteil der Arbeit nun hinter sich hatte. Sie musste nur noch die letzten Hüllen füllen, verschließen, und die kandierten Orangenschalen auf den Pralinen für Neji drapieren. Dann galt es nur noch, sich der vielleicht schwierigsten Herausforderung zu stellen: Dem Übergeben der Pralinen.     Tenten hatte kein Problem damit zuzugeben, dass sie nervös war, als sie am Valentinstag am Trainingsplatz ankam. Glücklicherweise hatten sie keine Mission, sie wollte sich gar nicht ausmalen, was den kleinen, aber aufwendig und mit viel Herzblut hergestellten Süßigkeiten passieren würde, wenn sie einen ganzen Tag während einer Mission in einer Tasche gequetscht wurden. Ihr Herzschlag beschleunigte sich noch einmal als sie sah, dass bis jetzt nur Neji am Trainingsplatz wartete – die perfekte Gelegenheit, um ihr Geschenk ohne Kommentare über das Feuer der Jugend oder ähnliches zu übergeben. Trotzdem zitterten ihre Hände ein wenig, als sie neben Neji zum Stehen kam. „Hallo“, sagte sie. Sie hatte das Gefühl, ihr Herz würde gleich aus ihrer Brust springen. Warum waren Herzensangelegenheiten eigentlich immer so kompliziert? Bevor Neji etwas sagen konnte, hatte sie eine rote Box aus der Tasche geholt, die sie extra für den Transport mitgenommen hatte. Als sie sich dem Basteln der Boxen gewidmet hatte, war sie für einen Moment versucht gewesen, die Box selbst mit Herzen zu verzieren. Letztendlich war die Entscheidung aber gegen die Herzen gefallen – das hatte sie als etwas zu kitschig empfunden. Und die Pralinen hatten ja schon Herzform, ihre Intention würde also sicher verständlich sein. „Für dich“, sagte sie, sie war stolz, dass sie die nicht über ihre eigenen Worte stolperte. „Zum Valentinstag.“ Für einen Moment fürchtete sie, dass Neji das Geschenk nicht annehmen würde. Warum sonst sollte er sie mit diesem Blick anschauen? Dann jedoch stahl sich ein kaum wahrnehmbares Lächeln auf sein Gesicht. Vorsichtig nahm er ihr die Box ab. „Danke“, sagte er. Die Stille, die sich plötzlich zwischen ihnen ausbreitete, war kurz davor, unangenehm zu werden, als sich der Rest ihres Teams ankündigte. „Oh, Neji! Sehe ich da etwa ein liebevoll verpacktes Geschenk in deinen Händen?“ Tenten musste sich sehr zurückhalten, nicht mit den Augen zu rollen. Gai-sensei übertrieb mal wieder. „Ich habe auch etwas für euch“, sagte sie, um die Aufmerksamkeit von Gai-sensei und Lee auf sich zu ziehen. Sie nahm die Boxen für beide heraus und überreichte sie ihnen. Und machte sich gleichzeitig fluchtbereit, weil sie bei beiden schon ein verdächtiges Glitzern in den Augen erblickt hatte. Wenn sie den Tränen der Rührung so nahe waren, war es immer sinnvoll, eine potenzielle Fluchtroute in petto zu haben. „Sie ist sogar selbstgemacht“, stellte Gai-sensei fest, als er den Deckel der Box anhob. Das Glitzern in seinen Augen intensivierte sich, trotzdem konnte Tenten nicht verhindern, dass ein stolzes Grinsen auf ihrem Gesicht auftauchte. „Kaufen kann jeder“, sagte sie, während sie einen geschickten Schritt zur Seite machte, um der enthusiastischen Umarmung von Gai-sensei zu entgehen. Trotzdem freute es sie sehr, dass ihre Pralinen gut ankamen – und dass, obwohl noch keiner von ihnen tatsächlich eine probiert hatte. „Guck mal, Neji!“, rief Lee, während er seine Box vor Nejis Gesicht hielt, sodass die Pralinen in Form des Zeichens von Konohagakure sichtbar waren. „Die Box ist sogar auf das Grün von Gai-senseis und meinem Anzug abgestimmt.“ „Natürlich ist es das“, erwiderte Tenten, bevor Neji etwas sagen konnte. „Ich habe die Boxen ja auch selbst gemacht, wie hätte ich da eine andere Farbe für eure nehmen können?“ Neji äußerte sich nicht, trotzdem konnte Tenten ihm ansehen, dass es in seinem Gehirn weiter zu arbeiten begonnen hatte. Der Unterschied zwischen seiner Box und der von Gai-sensei und Lee war ja auch nicht zu übersehen. Sicher würde er die richtigen Schlüsse ziehen. Aber während Tenten versuchte, Gai-sensei und Lee ein wenig zu beruhigen und mit Komplimenten überhäuft wurde, wie gut die Pralinen schmeckten, sah sie, wie er kurz in seine Box linste. War das ein Ausdruck der Freude auf seinem Gesicht? Sicher würde sie es früh genug herausfinden. Aber erst einmal konnte sie sich auf die Schulter klopfen. Sie hatte es geschafft. Sie hatte Pralinen selbst gemacht und sie übergeben. Jetzt blieb nur zu hoffen, dass Hinata Recht behalten würde. Und vielleicht würde Neji ihr am vierzehnten März ja ein verspätetes Geburtstagsgeschenk machen … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)