Dead End von Lichtregen (Endeavor x Hawks) ================================================================================ Kapitel 12: Bad Company ----------------------- Das Geräusch der zufallenden Haustür hallte noch in seinen Ohren nach, als Hawks das Anwesen verließ und auf die Straße trat. Ohne dass er merkte, wohin ihn seine Schritte trugen, machte er sich auf den Weg durch die inzwischen eingetretene Dunkelheit, die nur hin und wieder von dem Schein einer Laterne durchbrochen wurde. Der Mond war von dunkelgrauen Wolken verhangen, die baldigen Regen verhießen. Doch an das nahende Unwetter verschwendete Hawks keinen Gedanken; der Sturm tobte vielmehr in ihm. Verdammt, er hatte es sowas von verkackt! In einem Anflug auflodernder Wut trat er gegen einen Laternenpfahl und atmete zischend aus, als ihm der Schmerz durch den Fuß fuhr. Auch seine verletzte rechte Schulter brannte wie Feuer. Doch diese Schmerzen waren nichts im Vergleich zu demjenigen, der seine Brust durchbohrte. Er hatte es seit dem Beginn seiner Mission befürchtet, fast schon erwartet, dass seine Tarnung früher oder später auffliegen würde. Doch nicht im Traum hatte er sich ausgemalt, dass er in diesem Szenario zum einen nicht mehr auf die Unterstützung der Yakuza zählen konnte, und zum anderen, dass ihn die Offenbarung der Wahrheit persönlich derart hart treffen würde. Die Liga, deren Aufträge er stets verabscheut, die aber trotz allem eine Art Zuhause geboten hatte, zu dem er stets hatte zurückkehren können. Zwar hätten sie ihn im Falle des Versagens nicht mit offenen Armen empfangen; doch einen derart fähigen Handlanger, der er nun einmal war, ließen sie auch nicht einfach so gehen. Diese Option hatte er sich jedoch in dem Moment verspielt, als er sich zwischen Endeavor und das Messer geworfen hatte. Denn die Yakuza duldete keine Illoyalität und hatte mit Sicherheit schon von Toga erfahren, dass er einem Polizisten das Leben gerettet und sich dadurch auf dessen Seite geschlagen hatte. Da ihr Misstrauen ihm gegenüber ohnehin schon gesät war, wie ihm bei dem letzten Treffen durch Dabis Äußerungen unmissverständlich klar gemacht worden war, würden sie diesen Akt als Bestätigung seines Verrats interpretieren. In Sorge vor einer unmittelbar auf dem Fuße folgenden Bestrafung für seine Illoyalität hatte er sich daher dagegen entschieden, seine Stichverletzung im Krankenhaus behandeln zu lassen, wäre er dort doch leichte Beute für einen spontanen Racheakt gewesen. Ein schwerwiegender Fehler, wie er sich nun schmerzlich eingestehen musste. Denn er hatte nicht mit Endeavors Beharrlichkeit, seine Wunde zu versorgen, gerechnet. Er gab es ungern zu, aber dass seine wahre Identität aufzufliegen und alles, was er sich mit Endeavor und der Polizei aufgebaut hatte, in sich zusammenzufallen gedroht hatte, hatte ihm Angst eingejagt. Die Angst, dass er an einem Tag nicht nur seinen Schutz durch die Yakuza, sondern auch Endeavors Vertrauen verlieren würde, hatte ihn förmlich gelähmt. Umso mehr hatte es ihn verwundert, dass ihm, als die Offenbarung seines Tattoos nicht mehr zu vermeiden gewesen war, die Lüge, die er für diesen Fall schon vor Monaten vorbereitet hatte, so leicht über die Lippen gekommen war. Hawks wusste, dass er ein überzeugender Lügner war, doch dass Endeavor ihm diese Geschichte so leicht abkaufen würde, schien schon fast zu viel des Guten zu sein. Doch mehr noch, als dass ihn die Reaktion des Rothaarigen überrascht hatte, war ihm mit einem Mal klar geworden, dass nicht Endeavor derjenige gewesen war, der auf seine Lüge hereingefallen war… sondern dass er sich selbst die ganze Zeit über belogen hatte. Erst in dieser Situation, als er Endeavor gegenüber seine Gründe dafür, dass er sich an seiner statt das Messer eingefangen hatte, hatte erklären müssen, hatte er seine eigenen wahren Beweggründe verstanden. Er hatte realisiert, dass er schon viel zu tief in sein doppeltes Spiel verstrickt war, um diesem noch heil entkommen zu können… dass er tief in seinem Inneren schon weit vor Endeavors Rettung am heutigen Abend seine Seite gewählt und eine Entscheidung getroffen hatte… dass er für den Rothaarigen mehr empfand, als es in seiner Situation gesund gewesen wäre… dass er ihn aus diesem Grund nicht hätte sterben lassen können… dass er seinem Verlangen, Endeavor zu küssen, einfach nachgeben musste… und dass er es leid war, sich verstellen zu müssen, er nicht länger mit dieser Lüge, die die letzten Monate über ihn bestimmt hatte, leben konnte. Das Spiel war gewagt gewesen, denn er hatte bereits die Unterstützung der Yakuza verloren. Sollte ihn die Wahrheit über seine Identität auch Endeavors Rückhalt und damit den der Polizei kosten, könnte er nirgendwo mehr hin, hätte er sich gewissermaßen selbst zum Abschuss frei gegeben. Vielleicht war er von dem Kuss noch zu berauscht gewesen, davon, wie Endeavor diesen nach anfänglichem Zögern erwidert und ihn zu sich herangezogen, ihre Körper aneinandergepresst hatte. Er hatte jedenfalls die törichte Hoffnung gehegt, dass Endeavor ihn verstehen, er ihm glauben und sich nichts zwischen ihnen ändern würde. Doch diese Hoffnung hatte der andere im Keim erstickt. Noch immer flackerte mit jedem seiner Schritte das Bild von Endeavors Gesicht vor ihm auf, wie angewidert ihn dessen stechend blaue Augen angesehen hatten. Er hatte hoch gepokert und verloren. So war das Spiel und deswegen, auch wenn ihm der Gedanke an Endeavors enttäuschtes Gesicht einen tiefen Stich versetzte, würde er keine Tränen darüber vergießen. Das Weinen hatte er ohnehin bereits vor langer Zeit verlernt. Stattdessen seufzte er nur einmal schwer, fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und setzte ein schiefes Lächeln auf, das für einen Passanten eher gruselig als einladend gewirkt hätte. Das Leben musste immerhin weitergehen. Auch zehn Minuten später wusste er nicht, wohin ihn seine Schritte eigentlich trugen. Er hatte kein Ziel, konnte schließlich nirgendwo mehr hin. Seine Wohnung war sowohl der Yakuza als auch der Polizei bekannt und da beide Parteien ihn nun als Verräter betrachteten, blieb nur die Frage, welche Seite ihn zuerst in die Finger bekommen würde. Die Jagd war eröffnet. Als wäre seine Situation, ohne Ziel und ohne Dach über dem Kopf, nicht schon elend genug, fing es schließlich auch noch an zu regnen. Nach wenigen Minuten war er durchnässt bis auf die Haut, während ihm das Wasser von den Haaren tropfte und in seine Augen lief. Hawks blinzelte, wischte sich mit dem Handrücken über die Lider. Er dachte, er hätte in der Seitenstraße einen Schatten gesehen, doch seine Augen hatten ihm in der verregneten Dunkelheit wohl einen Streich gespielt. Denn als er wieder klarer sehen konnte und er erneut in die Richtung blickte, war dort nichts als Leere. Angespannt, unwissend, ob er seinen Sinnen trauen konnte, und auf jeglichen Hinterhalt bereit, marschierte er weiter durch den Wolkenbruch. Durch den dichten Regen, der auf das Pflaster trommelte, meinte er, Schritte zu hören. Doch auch als er sich umdrehte, blieb er allein, sodass er seinen Weg, wenn auch wachsam, fortsetzte. Nicht einmal fünfzig Meter weiter blieb er abrupt stehen, als er aus dem rechten Augenwinkel eine plötzliche Bewegung wahrnahm. Blitzschnell und mit einem Ruck, der ihm einen schmerzhaften Stich durch seine verletzte Schulter jagte, drehte er sich zur Seite und bückte sich gleichzeitig. Und das keine Sekunde zu früh, denn den Bruchteil einer Sekunde später sah Hawks das Projektil einer offensichtlich mit Schalldämpfer ausgestatteten Waffe vor sich auf den Boden einschlagen. Der nächste Schuss verfehlte Hawks, der sich wieder in Bewegung gesetzt hatte und gleichzeitig nach der Richtung, aus der der Schuss gekommen war, Ausschau hielt, ebenfalls nur knapp. Die dritte Kugel drang mit einem metallischen Geräusch in das Gehäuse des Getränkeautomaten ein, der schummriges Licht in die Gasse warf und hinter dem Hawks in letzter Sekunde Schutz gesucht hatte. Während er sich hinter dem Automaten verschanzte, seine Möglichkeiten abwog, schlugen zwei weitere Geschosse in den Automaten ein, von denen eine die Beleuchtung traf, sodass die Gasse schlagartig wieder ins Halbdunkle getaucht war. Noch eine Kugel, dann würde sein Gegenüber das Magazin wechseln müssen. Diesen Moment würde er dazu nutzen, entweder zu fliehen oder einen Gegenschlag zu setzen. Denn – und er dankte dem Schicksal dafür, dass er diesen Trumpf noch hatte – er selbst war auch nicht unbewaffnet, hatte Endeavor wohl im Moment ihres Abschieds nicht daran gedacht, ihm seine Dienstwaffe abzunehmen, die er für den Einsatz bei sich getragen hatte. Hawks, der ein scharfes Auge für solche Dinge hatte, war sich sicher, dass die Schüsse aus der Schlucht zwischen zwei Häusern schräg gegenüber gekommen waren. Er machte sich innerlich bereit, in dem Moment, in dem der sechste und letzte Schuss fallen würde, aus seinem Versteck zu sprinten und dem Angreifer mit gezogener Waffe zu kontern. Die Hand bereits auf dem regennassen Holster, wartete er auf den Schuss, der jedoch nicht kam. Stattdessen hatte wie aus dem Nichts eine dunkle Silhouette in der Mitte der Gasse Gestalt angenommen. „Ich will dir nichts tun, Hawks, bitte lass uns reden“, vernahm er die Stimme des anderen, vom Regen fast übertönt, aber dennoch laut genug, dass er sie verstehen konnte, ehe der andere schnarrend und mit verstellter Tonlage weitersprach: „Von wegen ‚nichts tun‘, er ist ein Verräter! Wir müssen ihn umlegen!“ „Aber vielleicht hatte er einen guten Grund, …“ „Bubaigawara?“ Hawks lugte vorsichtig um die Ecke und sah einen ganz in Schwarz gekleideten und maskierten Mann, der, offensichtlich mit sich selbst im Gespräch, wild mit seiner rechten Hand, an der drei Finger fehlten, gestikulierte. Ohne Zweifel, dies war Bubaigawara, der innerhalb der Yakuza wegen seiner Persönlichkeitsspaltung lediglich „Twice“ genannt wurde. Da Twice die Waffe gesenkt hatte, entschied sich Hawks, sein Versteck zu verlassen. Der andere war leichtgläubig und hatte ihm stets vertraut, vielleicht könnte er ihn ja auf seine Seite ziehen und die Yakuza überzeugen, dass er ihnen immer noch loyal war. Sollte Twice dennoch überraschend seine Pistole heben, würde der andere diese nicht so schnell hochbekommen, wie dass er seine eigene Waffe gezogen und abgefeuert hätte. Zumindest ohne seine Schulterverletzung nicht, aber er konnte ja auch schlecht einen nicht kampfbereiten Mann über den Haufen schießen, nur weil dieser ihm unbedachterweise eine Schwachstelle präsentiert hatte. „Du willst reden?“, fragte Hawks, trat aus dem Schatten des Getränkeautomaten und näherte sich dem anderen bis auf wenige Schritte, dabei jederzeit darauf bedacht, Twice keinen Anlass zum Angriff zu geben, während er selbst jederzeit die Waffe zu ziehen bereit war. Twice, der ganz überrascht, aber auch froh über sein Entgegenkommen schien – unter der Maske war dies nur anhand seiner Körpersprache zu erahnen –, nickte enthusiastisch. Doch im nächsten Moment schüttelte er den Kopf und sagte düster: „Toga hat mir erzählt, was im Keller der Pachinko-Halle passiert ist. Du hast nicht nur nichts dagegen unternommen, dass unser Unterschlupf auffliegt, du hast sogar geholfen, in den Keller einzudringen… und dem rothaarigen Polizisten das Leben gerettet, indem du dich an seiner statt in Togas Messer geworfen hast! Erkläre dich!“ „Du warst an der Pachinko-Halle?“, stellte Hawks eine Gegenfrage, ohne auf die Anschuldigung einzugehen. „Dabi hat Shigaraki überzeugt, dass es doch das Beste wäre, dich im Auge zu behalten, und hat mich dafür abgestellt“, fuhr Twice in versöhnlicherem Tonfall fort. „Ich war dagegen, dich zu bespitzeln, weil wir dir doch vertrauen, aber die anderen waren nicht umzustimmen. Nun ja, seitdem verfolge ich dich auf Schritt und Tritt. Und nachdem du zunächst im Keller verschwunden warst und wenig später Toga auftauchte, wollte ich ihr erst nicht glauben…“ Er stockte, schluckte schwer, und sprach dann weiter: „Ich sagte ihr, dass das ein Versehen gewesen sein muss, da du uns doch niemals hintergehen würdest. Dass das alles zu deiner Maskerade gehören und sie dich ja, da sie erst seit kurzem Mitglied ist, noch gar nicht kennen würde. Aber dass du zugelassen hast, dass Moonfish angeschossen wird, und ohne Not auch noch den Polizist gerettet hast, hat mich dann doch zweifeln lassen… Und als ich dir zum Haus des Polizisten gefolgt bin, hast du auch nicht den Eindruck gemacht, als hättest du Togas Werk bei ihm Zuhause vollendet. Hast du uns echt verraten, Hawks?!“, rief er den letzten Satz, bei dem sich seine belegt klingende Stimme überschlug. „Du musst mir glauben, ich wollte nicht, dass jemand verletzt wird“, meinte Hawks beschwichtigend und wischte sich mit einer Hand den Regen aus dem Gesicht. „Aber ich konnte auch nicht gefährden, dass meine Tarnung auffliegt, also musste ich den Polizisten unterstützen.“ „Du hattest also wirklich einen guten Grund“, seufzte Twice erleichtert. „Dann tut es mir leid, dass ich auf dich geschossen habe, ich dachte nämlich –“ „Alles Lügen!“, schnitt ihm die schnarrende Stimme das Wort ab. „Merkst du es nicht, er redet sich raus! Unterstützung ist ja das Eine, aber er hat sich freiwillig in Togas Messer geworfen! Selbst ein verdeckt eingeschleustes Yakuzamitglied würde nicht so weit gehen!!“ „Das stimmt, aber…“ „Nichts aber! Hawks ist ein Verräter und wir haben die Aufgabe, den Verräter zu eliminieren!“ Twice zuckte mit der Waffe und Hawks war schon im Begriff, seine eigene zu ziehen, als der andere sie wieder sinken ließ. „Aber wir sind doch Freunde… oder, Hawks?“, wandte sich Twice nunmehr flehentlich an ihn. „Du bist ein guter Kerl, Bubaigawara“, entgegnete Hawks, dessen ganzer Körper bis zum Zerreißen gespannt war. „Ich möchte dir nicht wehtun…“ „Lügner! Verräter!“, platzte es plötzlich aus dem anderen hervor, nachdem er zuvor noch freudig genickt hatte, und er riss die Waffe hoch. Hawks, dessen Bewegungsradius durch seine Verletzung doch eingeschränkter war als angenommen, reagierte, so schnell es ihm seine Schulter erlaubte. Noch ehe Twice seinen letzten Schuss abfeuern konnte, hatte Hawks den Griff um seine Waffe geschlossen, sie in einer einzigen fließenden Bewegung aus dem Holster gezogen und in seine zweite Hand vor dem Körper gebracht, sodass sie gegenseitig in die Mündung der jeweils anderen Waffe schauten. Doch Twice war den Bruchteil einer Sekunde schneller. Hawks hörte nur, wie aus weiter Ferne, ein gebrülltes „Nein!“, zielte und schoss, während er spürte, wie das Projektil des anderen knapp unterhalb seines linken Schlüsselbeins eindrang. Er stürzte zu Boden, verlor die Waffe aus den Händen und nahm nur noch am Rande wahr, wie auch der Körper des anderen auf der regennassen Straße aufschlug und die Pachinko-Kugeln, die er noch in der Hosentasche trug, aus dieser herausfielen. Ihm wurde schwarz vor Augen und er fühlte den nicht enden wollenden Blutstrom aus der Schusswunde fließen, doch er musste sich zusammenreißen. Wenn ihn die Yakuza in diesem Zustand fand, war es aus mit ihm. Doch an wen sollte er sich wenden, der ihn weder erledigen wollte noch unangenehme Fragen stellen würde? Schlussendlich blieb nur eine Option, obwohl er nicht damit rechnete, dass er von dieser Seite Hilfe erwarten konnte… Unter Schmerzen und mit zusammengebissenen Zähnen richtete er sich auf, suchte in seiner Hosentasche nach dem Handy. Dabei glitt sein Blick hinüber zu Twice, der wenige Meter weiter lag, reglos und mit einem kreisrunden Loch mitten auf der Stirn. Da Hawks den Anblick weder ertragen konnte noch wusste, wie lange er der Ohnmacht noch widerstehen konnte, wandte er den Blick von dem Toten ab und zog sein Handy heraus. Vor seinen Augen verschwammen die Buchstaben auf dem Display, als er mit letzter Kraft das Versenden-Feld betätigte. Das Letzte, an das er dachte, bevor er das Bewusstsein verlor, war der aufkeimende Zweifel, ob der Empfänger seiner Nachricht technisch überhaupt versiert genug war, um diese zu verstehen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)