Dead End von Lichtregen (Endeavor x Hawks) ================================================================================ Kapitel 11: Bad Liar -------------------- Alles, was er sah, war Blut. Die rote Flüssigkeit floss pulsierend aus der Wunde, rann in einem schier nicht enden wollenden Strom über seine Hände und tropfte von dort auf den Boden, auf dem sich bereits eine Lache gebildet hatte. Er hatte nach einem Blick auf den glatzköpfigen Mann, der wimmernd in einer Ecke kauerte und sich den blutenden Oberschenkel hielt, seine Waffe gesichert und zurück ins Holster gesteckt und hielt Hawks nun in seinen beiden Armen. Dessen Augen flackerten leicht, doch er war bei Bewusstsein. Seine vordergründigste Aufgabe war es daher, die Blutung zu stillen. Er betrachtete das Messer, das aus Hawks‘ rechter Schulter ragte, und schluckte. Sie konnten von Glück sagen, dass keine lebenswichtigen Organe verletzt worden waren, aber wenn er nicht schnell etwas unternahm, konnte Hawks auch daran verbluten. Dass erneut jemand aufgrund seiner Untätigkeit Schaden nahm, konnte er nicht zulassen. „Ich muss das Messer herausziehen“, raunte er und eine tiefe Furche bildete sich zwischen seinen Augenbrauen. „Wir brauchen einen Druckverband, um die Blutung zu stoppen.“ Hawks zuckte nur kurz mit den Lidern und gab ein kurzes Stöhnen von sich. Enji rechnete schon nicht mehr damit, dass der andere noch reagieren würde, als er schließlich ein kaum wahrnehmbares Flüstern vernahm. „Tu es…“ Hawks verstummte kurz, hustete und öffnete eines seiner glasig schimmernden Augen, mit dem er durch ihn hindurchzusehen schien. „Ich vertraue dir.“ Enji nickte, obwohl er sich längst nicht bereit fühlte, das zu tun, was getan werden musste. „Du musst dich aufrichten“, forderte er Hawks auf und half ihm unter schmerzerfülltem Stöhnen in eine aufrechte Position. Enji hob kurz den Blick, ließ ihn suchend durch den Raum wandern, bis er an der Wand neben der Tür einen kleinen mit einem Kreuz versehenen Kasten entdeckte. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Hawks nicht drohte, im Sitzen umzukippen, schritt er zum Erste-Hilfe-Kasten, der zu seinem Leidwesen alles andere als gut bestückt war. Lediglich eine Kompresse und ein Wundpflaster, das kaum die ganze Einstichstelle abdecken würde, fand er dort vor. Ernüchtert nahm er alles, was er gefunden hatte, an sich, verärgert darüber, dass er ohne Desinfektionsmittel und Verbände Hawks‘ Verletzung nur sehr dürftig würde versorgen können. „Versuch stillzuhalten“, brummte Enji durch zusammengebissene Zähne und legte Hawks, so behutsam es ihm möglich war, eine Hand auf den Rücken, während die andere den Griff des Messers packte. „Das wird gleich wehtun.“ „Ich hab‘ schon… Schlimmeres erlebt“, gab Hawks gespielt fröhlich, aber in dem offensichtlichen Versuch, seine eigenen Schmerzen zu überspielen, von sich und zuckte leichthin mit den Schultern. Die Bewegung jagte ihm jedoch einen Schauder durch den Körper und ließ ihn gequält aufstöhnen. „Okay, ganz so schlimm vielleicht doch nicht“, gab er widerwillig zu. „Also lass es uns hinter uns bringen…“ „Bist du sicher?“ „Ja“, erwiderte Hawks mit einer Festigkeit in der Stimme, die ihm in dieser Situation all seine Willenskraft abverlangen musste. Enji nickte erneut, merkte, wie seine Handfläche um den Messergriff vor Aufregung feucht und rutschig wurde, sodass er sie rasch an seinem Hemd abwischte. Auch vergrößerte er das Loch, das das Messer in Hawks’ Oberteil hinterlassen hatte, zumindest so weit, um die Wunde versorgen zu können, ohne das Messer zu berühren. Das Zittern seiner Hände unterdrückend, drückte er schließlich mit der freien Hand kurz Hawks‘ andere Schulter, um ihm zu signalisieren, dass er sich bereit halten sollte. Langsam, behutsam und bemüht, das Messer gerade zu halten, um nicht weitere Bereiche zu verletzen, zog er die Schneide schließlich aus der Schulter. Sobald die Blutgefäße durch den Gegenstand nicht mehr abgeklemmt waren, trat ein frischer Schwall hellroten Blutes aus der offenen Fleischwunde, die nun Hawks‘ Haut zierte. Enji, der darauf vorbereitet war, griff prompt nach der Kompresse und drückte sie durch den Riss in Hawks’ Hemd auf den Stich, in der Hoffnung, die Blutung so stoppen zu können. Nach einer gefühlten Ewigkeit nahm Enji die Kompresse herunter und als er sah, dass die Wunde nur noch ein wenig blutete, klebte er das Pflaster auf die Stelle. Hawks hatte unterdessen keinen Laut von sich gegeben und stillgehalten, entspannte sich aber merklich, als das Messer entfernt worden war, und zischte nur leicht, als Enji das Tuch auf die Wunde gepresst hatte. „Danke“, nuschelte er heiser und atmete hörbar erleichtert aus. „Ohne dich wäre ich jetzt nicht hier.“ „Ohne mich wärst du erst gar nicht in diese Lage gekommen“, knurrte Enji ungehaltener, als er es beabsichtigt hatte. „Aber das ist jetzt nicht der richtige Augenblick, um darüber zu reden. Ich habe die Blutung nur notdürftig stoppen können. Die Wunde muss ärztlich versorgt werden. Ich bringe dich ins Krankenhaus.“ „Nein“, widersprach Hawks leise röchelnd, aber bestimmt. „Nicht ins Krankenhaus.“ „Sei nicht unvernünftig“, schalt Enji ihn mit erhobener Stimme. „Das könnte sich entzünden und muss mit Sicherheit genäht werden. Wenn du keine Sepsis erleiden willst…“ „Ich brauche keinen Arzt“, beharrte Hawks und drehte sich zu ihm um, schaute ihm fest in die Augen. Enji zögerte. Ihn irritierte die Vehemenz, mit welcher der Blonde eine ärztliche Behandlung ablehnte, obwohl er doch ebenso einsehen musste, dass er dieser bedurfte. Wenn sich sein Partner jedoch etwas in den Kopf gesetzt hatte, war es, so wusste er, ein Ding der Unmöglichkeit, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. So seufzte er schließlich resigniert. „Wie du meinst. Aber wenn du dich schon nicht ins Krankenhaus begeben willst, wirst du mich zu mir nach Hause begleiten, damit ich mir deine Wunde noch genauer ansehen und sie ordentlich verbinden kann.“ Enji sah Hawks an, dass dieser über sein Angebot nachdachte, innerlich mit sich zu ringen schien. Er wollte gerade den Mund öffnen, als Enji, der erwartet hatte, dass Hawks auch diesen Vorschlag ablehnte, ihm zuvorkam. „Keine Widerworte!“ Hawks schloss den Mund wieder, zögerte und nickte schlussendlich. „Gut“, kommentierte Enji zufrieden und stand auf, streckte Hawks die Hand entgegen. „Wir sollten hier verschwinden, ehe das blonde Mädchen mit Verstärkung zurückkommt. Wir zwei können es allein nicht gegen die Yakuza aufnehmen, besonders nicht in deinem Zustand.“ „Du hast Recht“, stimmte Hawks zu und ließ sich von Enji an dem gesunden Arm auf die Beine ziehen. Er zitterte und schwankte etwas, hatte sich aber schnell wieder gefangen. „Was machen wir mit unserem glatzköpfigen Freund in der Ecke?“, fragte Hawks und ruckte mit dem Daumen in die Richtung, aus der weiterhin wimmernde Geräusche kamen. „Ich benachrichtige Yagi, damit er den Rettungsdienst alarmieren und den Ort sichern kann. In den Ordnern an den Wänden befinden sich vielleicht interessante Informationen, zum Beispiel über die ausländischen Kunden oder die Zahlungswege“, erklärte Enji und deutete in Richtung der Aktenschränke. „Unser Freund hier hat lediglich einen Schuss in die Außenseite des Oberschenkels abbekommen. Er blutet und jammert zwar und kann sich kaum bewegen, da die Kugel noch in seinem Fleisch steckt, die Blutung ist aber nicht stark. Und ohne ärztliche Hilfe oder die entsprechende Ausrüstung können wir die Kugel ohnehin nicht entfernen.“ Er zuckte die Achseln und wandte sich an den wimmernden Glatzkopf, der wie ein Häufchen Elend am Boden lag. „Es kommt gleich Verstärkung. Halte dich bis dahin ruhig, dann verlierst du nicht zu viel Blut.“ „Fahrt doch zur Hölle, ihr verfickten Bullen!“, keifte der andere zurück und spuckte aus. „Ihr werdet noch sehen, was ihr davon habt, dass ihr uns in die Quere kommt! Aufschlitzen, ausweiden bis auf die Knochen werden wir euch und dann –“ „Wir gehen, Hawks“, überging Enji den Ausbruch und griff den Blonden unter der linken Achsel. Hawks hakte sich mit dankendem Kopfnicken bei ihm ein, warf noch einen letzten Blick zurück in den Raum und sie stiegen zusammen die Treppe hinauf. Die darauf folgenden Ereignisse verschwammen ineinander, sodass sich Enji später nicht mehr daran erinnern konnte, wie er es geschafft hatte, unbemerkt mit dem offensichtlich lädierten Hawks die Pachinko-Halle zu verlassen. Er wusste nur noch, dass er dem besorgt klingenden Yagi am anderen Ende der Leitung ihre Situation geschildert, Hawks irgendwie in ein Taxi gehievt und die fragenden Blicke des Taxifahrers ignoriert hatte. Es kam ihm dennoch wie eine Ewigkeit vor, bis sie das Taxi endlich vor seinem Anwesen absetzte und sie zusammen durch die Eingangstür stolperten. Drinnen angekommen ließ Enji Hawks von seiner Schulter auf das Sofa gleiten, wo dieser mit schmerzunterdrücktem Stöhnen in sich zusammengefallen liegen blieb. „Du bist sicher, dass du nicht ins Krankenhaus willst?“, schnaubte Enji skeptisch. „Jaja, ich bin sicher. Mir geht’s gut“, entgegnete der Blonde mit Tapferkeit in der Stimme, scheiterte aber bei dem Versuch sich aufzurichten kläglich. Verständnislos schüttelte Enji den Kopf, half Hawks aber dennoch dabei, sich in eine aufrechtere Position zu begeben, ehe er sich abwandte und Richtung Badezimmer schritt. „Wohin gehst du?“, krächzte Hawks mit einer Stimme wie ein Reibeisen. Er hielt inne und drehte sich noch einmal zu Hawks um, um an seinem Gesichtsausdruck beurteilen zu können, ob es diesem tatsächlich so gut ging, dass er ihn für wenige Minuten allein lassen konnte. Denn er fragte sich allmählich, ob sich Hawks nicht womöglich den Kopf angeschlagen hatte, so wirre Erklärungen, wie dieser von sich gab. „Desinfektionsmittel und Verbandszeug holen“, erklärte er das Offensichtliche und wandte sich wieder zum Gehen um. „Das ist wirklich nicht nötig!“ Fing der Jüngere jetzt tatsächlich schon wieder mit dieser Leier an? „Das hatten wir doch schon geklärt“, gab er daher nur knapp zurück. „Entweder du gehst zum Arzt oder –“ „Jaah, schon gut, ich hab’s verstanden…“, gab sich Hawks schließlich geschlagen, während über seine Miene ein Ausdruck huschte, den Enji nicht zu deuten vermochte. Er erschien ihm wie eine Mischung aus Angst und Wehmut, was so gar nicht zu der aktuellen Situation zu passen schien. Doch ohne sich über derlei Nebensächlichkeiten weiter Gedanken machen zu wollen, zuckte Enji kurz die Achseln und machte sich auf den Weg zum Arzneimittelschrank. Ausgestattet mit medizinischer Nadel und Faden, Tüchern, Desinfektionsmittel und anderen Utensilien, in deren Umgang er dank seiner Ausbildung zumindest Grundkenntnisse besaß und die wegen Hawks‘ Sturheit in den gegebenen Umständen ausreichen mussten, kehrte Enji wenig später ins Wohnzimmer zurück. Hawks hatte sich derweil kaum bewegt, sondern verharrte immer noch in der Position, in der er ihn zurückgelassen hatte. Enji desinfizierte den Couchtisch und legte sämtliche Gegenstände darauf ab, ehe er sich gegenüber von Hawks auf dem Sofa niederließ und diesen mit aufforderndem Blick ansah. „Du musst dein Shirt ausziehen, sonst kann ich die Wunde nicht versorgen.“ Hawks machte keine Anstalten, der für jedermann offensichtlich notwendigen Aufforderung Folge zu leisten, starrte nur scheinbar gedankenverloren vor sich hin. Zierte sich der andere etwa? Kaum vorstellbar, wo dieser doch sonst verbal kein Blatt vor den Mund nahm und alles andere als verklemmt zu sein schien. „Hawks“, sagte Enji noch einmal mit Nachdruck, was diesen aus seinen Gedanken zu reißen und in die Realität zurückzuholen schien. „Oh ja, klar, das Shirt…“, murmelte der Blonde, immer noch leicht geistesabwesend und offenbar bemüht darum, seinen Blick zu meiden. Doch immerhin griff er sich, wenn auch so zögerlich, dass Enji, dessen Geduldsfaden zum Reißen gespannt war, kurz davor war nachzuhelfen und ihm das verdammte Teil vom Leib zu zerren, an den Kragen. Stück für Stück, vielleicht auch, weil er dabei Schmerzen hatte, schälte sich Hawks aus seinem Oberteil, dabei bedacht, die Schulterpartie und den Rücken nicht zu sehr zu strapazieren. Als sich Hawks schließlich gänzlich von seinem Shirt befreit hatte und mit nacktem Oberkörper vor ihm saß, konnte Enji nicht umhin zu bemerken, dass der Jüngere unter seinen ganzen Kleidungsschichten tatsächlich deutlich trainierter war, als es zunächst den Anschein machte. Sein Blick blieb kurz an den gut geformten Brustmuskeln und dem flachen Bauch hängen, ehe er sich an eine ähnliche Situation in der Umkleidekabine vor nicht allzu langer Zeit erinnerte und rasch seinen Blick abwandte. Er schalt sich innerlich dafür und fragte sich zugleich erneut, wieso es scheinbar gerade Hawks‘ Körper war, der ihn derart zu fesseln schien, dass er ins Starren verfiel. Zumal er jetzt dringlichere Aufgaben zu erledigen hatte. Er räusperte sich, hoffte, dass Hawks seinen kurzen unprofessionellen Ausfall nicht bemerkt hatte. „Du musst dich umdrehen“, stellte er, so nüchtern wie es ihm mit leicht hämmerndem Herz möglich war, fest. „Muss das sein? Ich –“, versuchte es Hawks erneut, doch er fuhr ihm dazwischen. „Je weiter du es hinauszögerst, desto länger dauert es!“, grollte Enji ungeduldig, der wahrlich keine Lust mehr auf die Verzögerungstaktik des anderen hatte. „Ist ja gut, Boss“, murmelte Hawks zerknirscht und erhob sich ein wenig von der Sitzfläche, um ihm seinen Rücken zuzudrehen. Doch noch ehe Enji über die ungewohnt betonte Anrede stolpern konnte, blieb ihm jede Erwiderung im Hals stecken, als sich Hawks schließlich ganz zu ihm umgedreht hatte. Das konnte doch nicht… Sein Kopf war wie leergefegt, als sein Blick langsam über den Rücken des anderen glitt, er jeden Zentimeter der blutroten Schwingen, die sich von Schulter zu Schulter und bis hinunter zum Steißbein erstreckten, zu erfassen, das Gesehene zu begreifen versuchte. Geschockt von dem, was er sah, vergaß er sogar zu atmen. Auch Hawks war ganz still, gab nicht ein Geräusch von sich, wartete womöglich auf seine Reaktion. Was hatte das alles zu bedeuten? Seine Starre hielt jedoch nicht lange an, wurde abgelöst von einem Gefühl unbändiger Wut und Enttäuschung. Er hatte Hawks sein Vertrauen geschenkt, ihm intime Geheimnisse aus seiner Vergangenheit anvertraut und dieser spielte – nur das konnte das großflächige Tattoo auf seinem Rücken bedeuten – ein doppeltes Spiel mit ihm und der Polizei. Innerlich lodernd vor Zorn brach dieser plötzlich seinen Bann. Er konnte und wollte sich nicht mehr beherrschen und sprang auf, woraufhin sich Hawks zu ihm umdrehte. „Du!!“, entfuhr es ihm wutentbrannt und er zeigte anklagend auf den anderen. „Du bist Teil der Yakuza!“ „Es ist nicht so, wie du denkst!“, versuchte sich Hawks zu erklären und hob beschwichtigend die Hände. „Ach nein?!“, polterte er spöttisch. „Dann erkläre mir mal, was ein riesiges Tattoo, das Erkennungszeichen unter den Mitgliedern der japanischen Mafia, auf deinem Rücken zu suchen hat!“ „Ich hätte es wissen müssen“, fügte er beinahe flüsternd und mehr zu sich selbst als zu Hawks hinzu. Erinnerungsfetzen an ein rotes Aufblitzen, das er für die Reflexion der Lampe gehalten hatte, als sich Hawks in seiner Küche für ein Glas Wasser gestreckt hatte, flammten in ihm auf und ein Schmerz, den er seit Jahrzehnten nicht mehr, wenn gar noch nie, verspürt hatte, durchfuhr seine Brust. „Du hast uns… du hast mich verraten“, schloss er kalt und bedachte Hawks mit einem Blick voller Verachtung, der diesen zusammenzucken ließ. „Endeavor-san…“, begann Hawks langsam, doch Enji wollte seine lahmen Ausreden am liebsten gar nicht hören. Wie konnte er diesem Mann je wieder vertrauen, wenn er ihm so ein großes Geheimnis vorenthalten hatte? „Du hast Recht, ich hätte es dir sagen müssen“, gestand Hawks und suchte nun seinen Blick, den er jedoch nur eisig erwiderte. „Aber ich wusste nicht, wie du reagierst… beziehungsweise dachte ich mir schon, dass du so reagieren und mich verurteilen und mir nicht glauben würdest. Daher habe ich es für mich behalten, in der Hoffnung, dass –“ „Dass es nicht herauskommt?“, blaffte Enji, in dem neben Wut auch Ekel aufkam. Denn außer Verrat empfand er nichts so schlimm wie falsche Feigheit. „Nein“, widersprach Hawks ruhig. „In der Hoffnung, dass es keinen Unterschied macht.“ Enji blinzelte irritiert. Er wollte wissen, wie der andere das meinte, war aber zu wütend und zu stolz, danach zu fragen. Doch die Antwort auf seine Frage nahm Hawks ihm ab. „Wie du weißt, war ich in Fukuoka zwei Jahre lang als verdeckter Ermittler bei der Yakuza tätig“, fing Hawks an und Enji brummte nur, nicht sicher, ob er diese Geschichte nicht auch als Ammenmärchen abstempeln musste. „Ich war nicht ganz ehrlich zu dir, als ich sagte, dass ich diesen Job bekommen habe, weil ich der Beste meines Jahrgangs war. Tatsächlich war ich der Einzige, der bereit war, das zu tun, was getan werden musste, um von der Yakuza aufgenommen und als Mitglied akzeptiert zu werden. Ein Yakuzamitglied ohne Tätowierung wäre gleich am ersten Tag aufgeflogen und so musste ich, um meiner Rolle gerecht zu werden, diesen Schritt gehen. Es tut mir leid, dass ich nicht mit offenen Karten gespielt habe, aber ich fürchtete, du würdest schlecht von mir denken, wenn du wüsstest, dass ich mir ihr Erkennungszeichen habe eintätowieren lassen, nur um Karriere zu machen.“ Hawks verstummte und wartete gebannt auf seine Reaktion. Enji zögerte, war hin- und hergerissen, ob er dieser Geschichte Glauben schenken sollte. Sie erschien ihm plausibel, aber seine durch die Wut geschürten Zweifel waren längst nicht ausgeräumt. Nicht umsonst hatte er sich häufig gefragt, woher Hawks stets so viele Informationen über die Yakuza aus dem Hut hatte zaubern können. Zudem würde Hawks‘ Zugehörigkeit zur Yakuza erklären, wieso nahezu alle seine Fährten in Sackgassen endeten. Andererseits hatte sich Hawks auch sein Vertrauen verdient, ihn in Notlagen wie seiner Alkoholeskapade unterstützt… Er hatte ihm heute sogar das Leben gerettet. Und das wog mindestens genauso schwer wie sämtliches Misstrauen, das er zunächst gegenüber dem Neuen aus Fukuoka gehegt hatte. Welches Interesse hätte ein bei der Polizei eingeschleustes Mitglied der Yakuza schon, sich in ein Messer zu werfen, um Schaden von einem führenden Polizisten, der gegen diese besagte Organisation ermittelte, abzuwenden? Enji fiel kein Grund ein. „Ich weiß nicht, ob ich dir glauben kann“, gab Enji schließlich nach einiger Überlegung zu und setzte sich wieder neben Hawks auf die Couch. „Aber ich kann nicht leugnen, dass du mir heute Abend das Leben gerettet und dich dafür selbst in erhebliche Gefahr gebracht hast.“ „Das war doch selbstverständlich!“, tat Hawks das Ganze lächelnd mit einer Handbewegung ab. „Nein, war es nicht“, widersprach Enji. „Nicht jeder meiner Kollegen würde sich für mich eine Kugel oder ein Messer einfangen. Doch du hast dies, ohne mit der Wimper zu zucken, getan. Du hast mich sogar noch versucht zu warnen, da du die Gefahr, die von diesem Mädchen ausging, eher gespürt hast als ich, obwohl ich die Anzeichen hätte richtig deuten müssen. Auch wenn es mir nicht gefällt, aber… dafür stehe ich in deiner Schuld, Hawks.“ „Ich hätte dich nicht einfach sterben lassen“, murmelte Hawks und senkte den Blick, als ob ihm der Grund dafür peinlich sei. „Wie meinst du das?“, fragte Enji irritiert und in dem, auch wenn er immer noch misstrauisch war, die Wut nach seinem Ausbruch immer mehr abflaute. „Ich…“, begann Hawks, zögerte und schaute schließlich hoch und ihm direkt in die Augen, mit einem so intensiven Blick, dass er ihm fast schon unangenehm war. „Ich weiß nicht, wie ich…“ Was Hawks nicht wusste, erfuhr Enji nicht. Denn im nächsten Moment spürte er nur noch, wie ihn zwei kräftige und doch deutlich kleinere Hände als seine eigenen auf die Couch drückten. Noch ehe sich Enji darüber wundern oder dagegen protestieren konnte, überwand der andere den geringen Abstand zwischen ihnen und legte die Lippen auf die seinen. Eine Welle aus Emotionen brandete über ihn hinweg, als sein Hirn realisierte, dass Hawks ihn küsste. Er erstickte beinahe daran und schnappte kurz nach Luft, die Augen aufgerissen und nicht in der Lage zu begreifen, was da gerade passierte. Doch weder Hawks noch sein restlicher Körper schienen sich von dieser Reaktion beeindrucken zu lassen. Ohne darüber nachzudenken, was er tat, reagierte sein Körper instinktiv und scheinbar so, als hätte er sich förmlich nach diesem Moment verzehrt. Wie ausgehungert nach körperlicher Nähe, reagierte sein Körper auf die einzige Weise, zu der er in dieser Situation im Stande war. Er schloss die Augen, ging den Lippen des anderen entgegen, öffnete diese einen Spalt. Der Druck auf seinen Lippen und die Hitze, die sich zwischen ihren Leibern bildete, wurden nur noch feuriger, als sein Gegenüber merkte, dass er den Kuss erwiderte. Gefangen in einer Woge aus Leidenschaft und Verlangen, nicht mehr Herr seiner Sinne und unschlüssig, wohin er mit seinen Händen sollte, schlossen sich seine Pranken um Hawks‘ Hintern, zogen den anderen noch näher an sich heran, was diesem ein leises Keuchen entlockte. Ob der Kuss eine Minute, zehn oder eine halbe Ewigkeit dauerte, konnte Enji nicht sagen. Als sich Hawks, halb über ihm liegend, wieder von ihm löste, war es jedenfalls, als würde er aus einem Traum gerissen. Einem Traum, den er schon seit ewig langer Zeit nicht mehr zu träumen gewagt hatte. Ein kleiner nagender Teil seines Verstandes sagte ihm zwar, dass das hier unangemessen war. Ihre Altersdifferenz, ihr Rang, ihr Geschlecht. Aber verdammt nochmal, hatte er sich nach der ganzen Scheiße nicht auch ein wenig Glück verdient, selbst wenn es nur für einen kurzen Moment war? Diese Gedanken beiseite drängend, um den Moment nicht zu zerstören, öffnete er die Augen und der Blick, der ihm begegnete, sagte mehr, als Worte es je vermocht hätten. Hawks sah ihn auf eine Weise an, auf die ihn schon seit langer Zeit... oder vielleicht sogar noch nie jemand angesehen hatte. Es lag so viel Wärme, Zuneigung und – was Enji verwunderte – Trauer in seinen bernsteinfarbenen Augen, dass es ihm die Kehle zuschnürte. Und er merkte selbst, wie er diese Gefühle erwiderte. Verdammt, in was war er hier hineingeraten? „Entschuldige…“ brach Hawks schließlich die angenehme Stille zwischen ihnen. „Du musst dich dafür nicht entschuldigen“, erwiderte Enji sofort, der – noch berauscht von den Gefühlen, die ihn durchströmten – mit keiner einzigen Faser bereute, was geschehen war. „Das… meine ich nicht“, sagte Hawks stockend und fuhr sich mit den Fingern durch sein Haar, sich offensichtlich unschlüssig, wie er fortfahren sollte. Wenige Sekunden später seufzte er schließlich schwer und fixierte ihn erneut mit einem durchdringenden Blick, in dem neben einer Unsicherheit, die er von Hawks sonst gar nicht kannte, auch etwas Flehentliches lag. „Ich weiß, es ist viel verlangt, aber ich bitte dich, mir erst zuzuhören, bevor du dir eine abschließende Meinung bildest.“ Diese Bitte überraschte Enji, hatte er immerhin erwartet, nach der Offenbarung mit dem Tattoo heute keine weiteren Überraschungen mehr erleben zu müssen. Doch es klang ganz so, als hätte Hawks ihm noch nicht alles erzählt. Abwartend der Dinge, die da kommen würden, jedoch auch mit einer Spur Misstrauen, das er von ihrer Unterhaltung vorhin noch nicht abgelegt hatte, nickte er jedoch nur brummend. „Ich habe dir vorhin nicht ganz die Wahrheit gesagt“, rückte der Jüngere schließlich mit der Sprache heraus. „Nun, ich… ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich…“ Hawks hielt inne, um sein Gestammel zu unterbrechen, und holte tief Luft für seine weiteren Worte. „Ich habe das Gefühl, dass das zwischen uns etwas Ernstes sein kann, und ich… möchte das Ganze nicht auf einer Lüge aufbauen.“ Enji horchte auf, einerseits gespannt auf das, was der andere ihm mitteilen wollte. Ein anderer, noch viel größerer Teil von ihm wollte es jedoch am liebsten nicht wissen. Denn wie Hawks gesagt hatte, je mehr er in sich hineinhorchte, desto eher konnte auch er den Wunsch in sich spüren, einen Neuanfang zu starten. Und wenn er dieses neue Kapitel mit Hawks aufschlagen könnte, warum nicht? Die zarte Pflanze von Was-auch-immer-da-zwischen-ihnen-war eingehen zu sehen, behagte ihm daher nicht unbedingt. Da seine Ehe mit Rei jedoch auch nicht gerade auf gegenseitiger Rücksichtnahme und Vertrauen aufgebaut gewesen war, rang er sich schlussendlich dazu durch, dass er die Wahrheit erfahren musste. So unschön sie auch sein mochte. „Was meinst du?“, fragte er den anderen daher geradeheraus, um ihn dazu zu bewegen fortzufahren. Hawks atmete erneut schwer aus, wich seinem Blick jedoch nicht aus. „Ich habe das Tattoo nicht im Rahmen von polizeilichen Ermittlungen bekommen. Seit ich klein war, war mein größter Traum zwar immer, Polizist zu werden. Doch mir war klar, dass mir dieser Weg versperrt ist.“ „Wie meinst du das? Du bist doch Polizist, oder etwa nicht?“, bohrte Enji nach und fixierte Hawks mit einem stechenden Blick. „Nun, technisch gesehen schon“, lenkte Hawks ein. „Zumindest auf dem Papier. Tatsächlich habe ich jedoch nie eine Ausbildung abgeschlossen, geschweige denn begonnen.“ Enji starrte Hawks ungläubig an, ahnte, in welche Richtung sich das Gespräch entwickeln würde, wollte es jedoch aus Hawks‘ eigenem Mund hören, ehe er ihm ins Wort fiel. „Vielleicht erinnerst du dich daran, wie ich dir erzählte, dass mein Vater den Spielautomaten mehr zugetan war als mir…“, fuhr Hawks nach einer Pause fort. „Nun, mein Vater war spielsüchtig und geriet, um sich für seine Sucht weiter Geld leihen zu können, schnell in die falschen Kreise. Er stand bei seinen Kreditgebern schließlich so tief in der Kreide, dass er, um seine eigene Haut zu retten, die Drecksarbeit für diese erledigen musste. Ich weiß nicht, was genau er getan hat, da ich zu dem Zeitpunkt noch zu jung war… Aber mein Vater kam nicht nur einmal mit blutiger Kleidung und einem gehetzten Blick, der mir als Kind jedes Mal eine gehörige Angst einjagte, nach Hause. Mein Vater machte letztendlich einen folgenschweren Fehler, der dafür sorgte, dass er und ein Dutzend weiterer Gefolgsleute der Polizei in die Hände fielen. Und während mein Vater seitdem womöglich irgendwo in einer Zelle verrottet, behielten sie mich als Pfand für sein Versagen.“ Enji hatte gebannt zugehört und erst gar nicht realisiert, dass Hawks zu sprechen aufgehört hatte. Seine Gedanken überschlugen sich, denn obwohl Hawks immer noch um den heißen Brei herumredete, ließ ihn eine spezielle Information nicht los. „Wie ist der Name deines Vaters?“ „Takami Hanji.“ Takami Hanji… Enji zermarterte sich das Hirn, wo er diesen Namen schon einmal gehört hatte. Der Name klang auf merkwürdige Weise vertraut und der Zusammenhang mit dem knappen Dutzend anderer Leute… Es konnte doch nicht sein, dass Hawks‘ Vater…? Und dann fiel bei ihm der Groschen. „Ich war derjenige, der deinen Vater festgenommen hat“, stellte Enji stoisch fest, während es in seinem Inneren zu brodeln begann. „Damals, bevor… und aus Rache haben sie meinen Sohn…“ Enji verstummte, konnte nicht mehr weiterreden. Zu groß war der Kloß in seinem Hals, zu rasend die in ihm aufkeimende Wut, dass er kaum noch klar denken konnte. Wenn es das bedeutete, was es den Anschein machte, dann stand Hawks‘ Vater in direkter Verbindung zu Touyas Entführung und das hieß… „Du bist Mitglied der Yakuza.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Auch wenn in ihm noch ein Funken Hoffnung aufkeimte, dass er mit seiner Aussage falsch lag, machte Hawks diesen mit einem Schlag zunichte, indem er nickte. „Ja, ich bin, nachdem mein Vater festgenommen worden war, von ihnen mitgenommen worden und bei ihnen aufgewachsen“, gestand Hawks tonlos. „So ein elternloser, achtjähriger Junge ist, musst du wissen, äußerst praktisch für die Yakuza. Sie können einen formen und einem alles beibringen, was man für die wirklich üblen Geschäfte so braucht. Da man sonst nirgendwohin kann, schaffen es die wenigsten, sich der Yakuza später zu entziehen… und wenn sie es versuchen, werden sie nicht mehr lange Gelegenheit haben, davon zu erzählen“, schloss Hawks bitter. „Da ich meinen Vater und seine Machenschaften in jungen Jahren stets offen verabscheut habe und mein Vater bei der Yakuza in Ungnade gefallen war, blieb ich jedoch immer nur ein kleines Licht. Für das Einsammeln von Schutzgeldern und das Ausspionieren anderer Organisationen war ich für sie gut genug, aber sie vertrauten mir nie so weit, dass ich Informationen aus dem inneren Kreis bekam. Ich wurde lediglich so weit von der Leine gelassen, wie sie mich noch kontrollieren konnten, ohne mir zu viel verraten zu müssen, und war für sie im Grunde nichts wert.“ Hawks zuckte die Achseln. „Bis zu dem Tag, als sie sich entschieden, jemanden, der für sie entbehrlich war und nichts Wichtiges über sie preisgeben konnte, bei der Polizei einzuschleusen, um deren Arbeit von innen zu sabotieren. Mit den Verbindungen der Liga, auch zur Polizei in Fukuoka, war es für sie ein Kinderspiel, mich mit falschen Papieren und Qualifikationen auszustatten.“ „Du hast uns also die ganze Zeit belogen“, schlussfolgerte Enji mit Bitterkeit in der Stimme, zu paralysiert, um Enttäuschung zu spüren, auch wenn in ihm innerlich statt einem „uns“ ein „mich“ widerhallte. „Kein Wunder, dass alles, was wir anpackten, keinen Erfolg hatte. Wahrscheinlich hast du sogar Spinner gewarnt, den Unfall provoziert, damit er entkommt, und gewusst, dass die Spur im Stripclub tot war… Und das Mädchen, das mich heute abstechen wollte, kanntest du mit Sicherheit auch, weshalb du schon geahnt hast, dass sie mit einem Messer angreifen könnte. Du hast von Anfang bis Ende dein doppeltes Spiel mit uns getrieben und das, ohne mit der Wimper zu zucken.“ „Das ist nicht wahr!“, protestierte Hawks, dessen Stimme sich kurz überschlug. „Ich gebe zu, zu Beginn habe ich die Anweisungen der Liga befolgt und die ein oder andere falsche Fährte gelegt… und ja, auch deine anderen Vermutungen sind richtig. Wobei ich Toga lediglich vom Sehen her kannte, sie mich aber nicht. Wie gesagt, ich bin nur ein kleiner Fisch im großen Teich…“ Enji schnaubte, doch Hawks kam ihm zuvor, bevor er etwas entgegnen konnte. „Aber ich… hatte Angst vor dem, was mir drohen würde, sollte ich Ungehorsam zeigen. Das soll jetzt nicht wie eine lahme Entschuldigung klingen, aber ich… hatte keine Wahl.“ Enji verschränkte die Arme vor der Brust, hatte im Grunde keine Lust mehr, den Lügengeschichten des anderen weiter zuzuhören. Doch dieser redete einfach weiter. „Und wie schon gesagt, wollte ich eigentlich immer zur Polizei. Denn obwohl ich noch vor Beginn meines Einsatzes erfahren habe, dass der derzeit leitende Ermittler meinen Vater überführt und damit mein Schicksal bei der Yakuza besiegelt hatte, hegte ich nie einen Groll. Ich wusste, dass mein Vater es nicht anders verdient hatte. Und als ich die Arbeit der Polizei… und dich… näher kennenlernte, wollte ich das alles nicht mehr“, schloss Hawks schließlich lahm. Es trat eine Pause ein, in der Enji Hawks musterte, dieser seinen Blick erwartungsvoll erwiderte. „Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass ich deiner Geschichte auch nur einen Funken Glauben schenke“, unterbrach Enji knurrend die Stille. „Dass du geläutert bist und der Yakuza den Rücken gekehrt hast. Und das nur wegen mir.“ Er spuckte das letzte Wort förmlich aus, konnte seinen brodelnden Zorn über Hawks‘ Vertrauensmissbrauch kaum noch zügeln. „Ich hätte bei deinem Namen gleich wissen müssen, dass mit dir etwas nicht stimmt. Aber die Namen derjenigen, die ich damals festgenommen hatte, habe ich erst nach Touyas Entführung erfahren, als es mir gleichgültig war, und sie nicht direkt mit dir in Verbindung gebracht. Ich hätte auf mein Gefühl hören und mein Misstrauen dir gegenüber bewahren sollen. Stattdessen lasse ich dich in mein Haus, erzähle dir von meinem Sohn und fange sogar an, ...“ Enji schüttelte den Kopf und blickte angewidert von sich selbst drein. „Und das bei einem von der Yakuza.“ „Ich kann verstehen, dass du sauer bist, aber –“ „Ich bin nicht sauer“, widersprach Enji. „Zumindest nicht auf dich, sondern auf mich. Dass ich auf dein Lügenkonstrukt hereingefallen bin… und mich auf das vorhin eingelassen habe.“ Es störte ihn, dass in seiner Stimme außer Herablassung und Bitterkeit nun auch Enttäuschung mitschwang, aber das war gerade seine geringste Sorge. „Kannst du denn nicht verstehen, dass ich nicht anders konnte… es tun musste?“, fragte Hawks, dessen flehentlicher Unterton Enji noch mehr anwiderte. „Nein, kann ich nicht“, erwiderte Enji schroff. „Einmal Yakuza, immer Yakuza.“ Hawks‘ Gesicht fiel für einen kurzen Moment in sich zusammen, doch er hatte sich schnell wieder gefangen und setzte nun eine stoische Miene auf. „Versteh mich nicht falsch“, fügte Enji noch hinzu und Hawks horchte auf. „Ich bin dir nicht undankbar, dass du dir heute Abend für mich eine Stichverletzung zugezogen hast. Aber… das ändert nichts.“ Die darauffolgende Stille zwischen ihnen wog schwer wie Blei und Enji fiel es schwer, dem Blick des anderen standzuhalten. Da war ein Ausdruck in Hawks‘ Augen, der nicht zu der emotionslosen Miene passen wollte – und sich ihm den Magen umdrehen ließ. Doch er konnte seine Worte nicht zurücknehmen. Nicht nach allem, was Hawks soeben offenbart hatte. „Wenn das so ist…“, sagte Hawks sodann tonlos und stand auf, griff sich sein Shirt und streifte es sich über, „…werde ich dann mal gehen.“ Enji widersprach nicht und ohne, dass er oder Hawks sich noch einmal zu dem anderen umdrehte, schritt Hawks zur Haustür, die schwer hinter ihm ins Schloss fiel und Enji in der Stille seiner Gedanken alleine zurückließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)