Heimgesuchter Heiratskandidat von Maru ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Als Rinne Rokudo an diesem Mittag zur Wetterstation auf dem Schulcampus ging, um die Wünsche der Schüler nebst Opfergaben aufzusammeln, fand er einen seltsamen Brief vor. „Ich werde seit Wochen verfolgt und ich glaube jemand will mich verkuppeln! Bitte hilf mir!“, las Rinne den Brief vor. „Verkuppeln? Das ist aber speziell…“, merkte Rokumon an. Rinne nickte stumm und steckte den Brief in seinen Haori. Er sah sich um, doch niemand sah besonders gestresst aus. Wer immer den Brief verfasst hatte, musste wohl nicht mehr in unmittelbarer Nähe sein. Seine Augen funkelten und seine Hand griff nach dem Yakisobapan, das als Opfergabe bereitlag. Für so eine großzügige Opfergabe würde er den schwierigsten Fall annehmen. Nach Schulschluss betrat Sakura Mamiya Rinnes spärliche Behausung im alten Clubhaus der Schule. Der bettelarme „so etwas wie Shinigami“ lebte dort, da die Schulden, die ihm sein Vater aufgebürdet hatte, ihm jede Chance auf eine normale Wohnung nahmen. „Du wolltest mich sprechen, Rokudo-kun?“, begann Sakura und Rinne nickte, während er den Brief hervor holte. „Kennst du jemanden, der in letzter Zeit über Probleme mit Beziehungen geklagt hat?“ Sakura sah ihn an und schwieg für einige Sekunden, ehe sie erwiderte: „Möchte Tamako-san, dass du dir eine Freundin suchst?“ Rinne knüllte den Brief zusammen und schlug auf den Boden. „Nein, Sakura Mamiya! Du verstehst das völlig…!“ Doch Sakura fuhr unbekümmert fort wie immer. „Ich denke, ich könnte Rika-chan fragen. Sie kennt sich mit solchen Dingen besser aus als ich.“ Rinne weinte derweil Tränen aus Blut, während Sakura weiter sinnierte. „Vielleicht… oh ja, Oyama-kun schien in letzter Zeit auch solche Probleme zu haben.“ Rinnes Tränen versiegten schlagartig. „Bring mich zu ihm, Sakura Mamiya!“ „Es ist so… seit ein paar Tagen fühle ich mich ständig verfolgt und dann begann es noch verrückter zu werden“, begann Oyama auf Rinnes Nachfrage zu erzählen. „Mein Foto war plötzlich am Schwarzen Brett ausgehängt und daneben hing ein Zettel, auf dem stand, dass ich dringend eine Freundin suchen würde.“ Rinne sah ihn ernst an. „Und…? Suchst du eine?“ „Natürlich nicht!“, protestierte Oyama sofort, „Ich habe längst alles was ich will mit meiner geliebten Yuri-chan!“ Er hielt eine tragbare Spielekonsole nach oben, auf der ein Mädchen aus einer Dating Sim zu sehen war, das freundlich in die Kamera strahlte. Oyamas Wangen waren gerötet und sowohl Rinne als auch Sakura sahen ihn etwas mitleidig an. Scheinbar waren sie auf einen erstklassigen Nerd gestoßen, der nicht im geringsten Interesse an der 3D-Welt hatte. Rinne räusperte sich und setzte erneut an: „Also… suchst du nicht wirklich nach einer Freundin, weil du… ‚Yuri-chan‘ hast, richtig?“ „Absolut richtig! Ich würde niemand anderen wollen!“, gab Oyama bereitwillig zu Protokoll. „Aber wenn du niemanden suchst, wer würde dann für dich suchen wollen?“, fragte Sakura vorsichtig. Oyama legte seine Konsole beiseite und legte seine Hand an sein Kinn, als müsse er scharf nachdenken. Schließlich schüttelte er den Kopf. „Ich wüsste niemanden. Selbst meine Eltern haben es akzeptiert, dass Yuri-chan und ich zusammengehören.“ Rinne entgleisten die Gesichtszüge ein wenig, ehe er sich wieder fangen konnte. ,Wohl eher resigniert als akzeptiert…‘, dachte er im Stillen. „Rinne-sama“, flüsterte Rokumon, der auf Rinnes Schulter saß in dessen Ohr, „so kommen wir nicht weiter.“ Rinne nickte seinem Partner zu. In diesem Fall würde es wohl viel mehr helfen, Oyama zu observieren und zu beobachten, was ihn wirklich verfolgte. Sakura, die wie Rinne die Fähigkeit besaß Geister zu sehen, begleitete ihn auf seiner Mission. Rinne trug seinen Haori der Unterwelt, der es ihm erlaubte Oyama in sämtlichen Situationen zu verfolgen, ohne von ihm oder jemand anderem dabei bemerkt zu werden. Ein wirklich praktisches Utensil speziell für Shinigami. „Rokudo-kun, schau mal!“ Rinne wandte den Blick in die Richtung, in die Sakura zeigte und bemerkte ein älteres Pärchen, das besorgt hinter der nächsten Straßenbiegung hervorschaute. Sie hatten den Blick fest auf Oyama geheftet. Als Oyama an ihnen vorbei ging, ergriff der alte Mann dessen Schulter. „Junge, du musst dir eine richtige Freundin suchen!“, rief er. „Du machst dich nur unglücklich“, ergänzte die alte Dame mit einem Nicken und leichten Tränen in den Augen. „Wir meinen es doch nur gut mit dir!“ Oyama durchfuhr ein Schauer und als er den Blick zu den Geistern wandte, die er natürlich nicht sehen konnte, entfuhr ihm ein Schrei und er rannte aufgeregt davon. Für ihn war es so, als hätte jemand unsichtbares seine Schulter berührt. Rinne sah ihm nach und nickte dann Sakura zu. Sie gingen auf das alte Pärchen zu. „Ich bin ein Shinigami. Wie kann ich euch helfen, damit ihr euren Frieden findet?“, begann Rinne. Die alte Dame brach in Tränen aus, während ihr Mann schwer seufzte. „Siehst du, Jungchen, der Bursche eben, das war unser Urenkel. Wir sehen uns schon eine ganze Weile an, wie er mit diesem komischen Miniaturfernseher spricht und ihm seine Liebe erklärt.“ „Das kann so nicht weitergehen! Seine Eltern sind völlig fertig und auch wir machen uns große Sorgen“, ergänzte die alte Dame. „Wir wünschen uns nur, dass er eine nette Freundin findet.“ „Eine Echte“, ergänzte der alte Mann. Rinne nickte wissend. Oyama war tatsächlich ein schwieriger Fall und es würde sicher einiges brauchen, um ihn von 3D-Mädchen zu überzeugen, aber Rinne hatte sich der Sache angenommen und nun war er in der Verantwortung. Als Shinigami konnte er diese beiden Geister weder ignorieren noch sich selbst überlassen. „Ich werde tun, was ich kann, um eurem Enkel zu helfen“, sagte er schließlich. „Yu-Yuri-chan!!“ Vor Oyama stand plötzlich das Mädchen aus seinem Spiel. Er sah aus, als traute er seinen Augen nicht, doch dann umarmte er sie stürmisch. „Oh, Yuri-chan!“ Um Yuri-chan in diese Welt zu holen, hatte sich Rinne eines weiteren Shinigami-Utensils bedient, der Geisterpuppe. Mit 1110 Yen war es ein für Rinne sehr kostspieliges Unterfangen, aber wenn es half Oyamas Obsession zu heilen, würden die beiden Geister ihren Frieden finden. Rinne und Sakura begaben sich mit Oyama und seiner „Traumfrau“ in ein Café und beobachteten gespannt, wie sich die Situation entwickelte. „Denkst du, sie wird ihn wirklich abweisen, Rokudo-kun?“, flüsterte Sakura. „Sollte sie das nicht tun, haben wir ein Problem“, gab Rinne trocken zu Protokoll. Der Plan war gewesen, dass Yuri, als die vernünftige junge Frau, als die Oyama sie beschrieben hatte, von selbst einsehen würde, dass die Beziehung zwischen ihr und Oyama keinen Sinn ergeben könnte, da sie in verschiedenen Welten lebten. Was jedoch, wenn Yuri das anders sah? Für den Moment blieb ihnen nichts als abzuwarten. Als am späten Nachmittag das Date der beiden noch immer kein Ende gefunden hatte, gesellten sich die beiden Geister erneut zu ihnen. „Es hilft nicht, oder?“, schluchzte die alte Dame. „Er ist ein hoffnungsloser Fall…“, merkte ihr Mann bestätigend an. „Noch ist es nicht vorbei.“ Rinne sah auf Sakuras Armbanduhr. „Bald ist es zuende.“ Und so, als merke auch die unechte Yuri, was vor sich ging, erhob sie sich plötzlich panisch von ihrem Platz und rannte davon. Oyama sah ihr schockiert nach und rief nach ihr, doch sie blieb nicht stehen. Statt jedoch erst seine Rechnung zu begleichen, lief Oyama ihr nach, ohne darüber nachzudenken. „H-hey!!“, rief Rinne ihm hinterher, doch Oyama war bereits in seiner eigenen Welt verschwunden. Der Kellner erschien prompt neben ihnen. „Sie bezahlen für den jungen Herrn und seine Freundin mit?“, fragte er mit einem Lächeln. Rinne biss sich auf die Lippen und blutige Tränen rannen seine Wangen hinab, als er mit zitternden Händen nach seinem spärlich gefüllten Portemonnaie griff. „Ist schon ok, ich übernehme das.“ „Sa-Sakura Mamiya!!“ Rinne durchfuhr eine wohlige Wärme. Sakura Mamiya war ein Engel! Sie bezahlte die Rechnung für Oyama und Yuri, als auch für Rinne und sich selbst. Der Kellner bedankte sich mit einer Verbeugung und verschwand. Schließlich stand auch Sakura auf, während Rinne sie immer noch wie seine Erlöserin ansah. „D-Danke, Sakura Mamiya“, brachte er hervor. „Wir müssen los, Rokudo-kun“, erwiderte sie und Rinne erlangte die Fassung wieder. Oyama und Yuri waren bereits in einiger Entfernung verschwunden und Sakura und Rinne hatten Mühe ihren Vorsprung wieder aufzuholen. Schließlich warf Rinne seinen Haori über und nahm Sakura auf die Arme, um mit ihr einen Überblick von oben zu erlangen. Als beide über die Straßen glitten, sahen sie sie endlich. Oyama und Yuri rannten auf eine Straßenkreuzung zu. Yuris Körper hatte bereits beträchtlich angefangen sich aufzulösen. Der Zauber der Geisterpuppe verlor seine Wirkung immer mehr. Bald würde Yuri vollends verschwinden. Die beiden Geister waren ihnen ebenfalls gefolgt. „Oh Gott, der Junge bringt sich um!!“, entfuhr es dem alten Mann schließlich. Seine Frau schlug sich die Hände vor den Mund und Rinne setzte sofort zum Sturzflug an. Oyama war so von Yuri besessen, dass er dabei war mitten auf die Kreuzung zu laufen, in die gerade ein LKW aus einer Seitenstraße einbog. Wenn jetzt nicht etwas unternommen würde, dann würde Oyama der nächste Geist werden, der Rinnes Geleit benötigte. „OYAMA, HALT!“, rief Rinne, doch Oyama schien ihn gar nicht zu hören. „YURI-CHAN! WARTE!“ Im nächsten Moment stieß Oyama unvermittelt mit jemandem zusammen. Der LKW bog in die Kreuzung ab und Rinne landete mit Sakura und den beiden Geistern im Schlepptau wieder auf dem Gehweg. „Alles ok bei dir? Tut mir leid, ich hab dich nicht gesehen…“ „Nein, wegen dir hab ich Yu…!“, setzte Oyama zu einem Protest an, doch als er das Mädchen sah, gegen das er gestoßen war, stockte ihm der Atem. „Yu-Yuri-chan…?“ „Woher kennst du meinen Namen?“, erwiderte das Mädchen verwundert und reichte ihm die Hand zum Aufstehen. Rinne und Sakura sahen einander an und wirkten sichtbar perplex. Das Mädchen sah Yuri zum Verwechseln ähnlich. Es handelte sich jedoch nicht um die Illusion aus dem Spiel, sondern um ein echtes Mädchen. Die falsche Yuri stand mitten auf der Kreuzung und sah zu den beiden hinüber. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. „Du brauchst mich nicht mehr, Oyama-kun… ich wünsche dir alles Gute!“ Mit diesen Worten verschwand die falsche Yuri endgültig. Die Wirkdauer der Geisterpuppe war überschritten und ihre Zeit in dieser Welt damit vorbei. Oyama schien jedoch gar nicht mitbekommen zu haben, dass „seine“ Yuri ihm ihren Segen gegeben hatte. Er war zutiefst in das Gespräch mit seiner neuen Bekanntschaft vertieft und schien sichtlich Spaß zu haben. Ein lautes Schluchzen ertönte hinter Rinne. Als er sich umsah, sah er das ältere Pärchen wie sie sich weinend in den Armen lagen. „Der Junge ist doch nicht verloren, Oma!“, schluchzte der alte Mann. „Jetzt wird alles gut werden, Opa! Wir können endlich in Frieden ruhen!“ Rinne lächelte als die beiden Geister sich ihm zuwandten, sich vielmals für seine Hilfe bedankten und sich schließlich auflösten. Sie würden nun endlich ihren Frieden finden und zum Rad der Wiedergeburt gehen können. Oyama tauschte indes Nummern mit dem Mädchen aus und beide verschwanden kichernd und miteinander plaudernd in der Dämmerung. Sakura und Rinne waren für sie völlig vergessen. „Ist das wirklich in Ordnung so?“, durchbrach Sakura die Stille. „Ich meine, wenn er nur Yuri in ihr sieht, wird das nicht gut gehen…“ Rinne sah sie an und dachte einen Moment nach. Es war schon richtig, dass Oyama lernen musste, Yuri loszulassen, um dieses Mädchen kennenzulernen, doch so wie die Situation sich entfaltet hatte, hatte er das Gefühl, als würde für Oyama nun auch ein neues Leben in der 3D-Welt beginnen. „Ich denke, er wird schon klarkommen.“ Sakura wirkte noch nicht überzeugt, lächelte dann jedoch. „Hauptsache, das Pärchen hat seinen Frieden gefunden.“ Rinne nickte. „Tamako-san findet bestimmt auch für dich eine Freundin, Rokudo-kun.“ „Wa-?! Sakura Mamiya!! Ich habe doch bereits versucht zu erklären, dass…“ Sie kicherte leise und Rinne stutzte. „War nur ein Spaß“, sagte sie lachend. „Gute Nacht, Rokudo-kun! Ruf mich, wenn es wieder etwas zu tun gibt.“ Mit diesen Worten verschwand sie ebenfalls hinter der nächsten Straßenecke und ließ einen perplexen Rinne zurück. „Sa… Sakura Mamiya…“, stammelte er leise, doch sie konnte ihn schon nicht mehr hören. „Rinne-sama, du solltest ihr nachgehen.“ Rokumon war plötzlich auf Rinnes Schulter aufgetaucht. Rinne war zu vertieft in seine eigenen Gedanken gewesen, sodass ihn Rokumons plötzliche Anwesenheit ein wenig erschreckte. „Du willst ihr doch noch etwas sagen, oder?“ Rokumons Stimme verbarg sein breites Grinsen in keiner Weise und Rinne errötete. Er räusperte sich verlegen und wandte sich in die andere Richtung. „Wir gehen nach Hause, Rokumon.“ „Waaas? Aber Sakura-sama ist doch in die andere Richtung…!“, protestierte Rokumon. „Sakura Mamiya ist nach Hause gegangen. Ihr nachzulaufen wäre nur Stoff für Missverständnisse“, gab Rinne trocken zu Protokoll, doch seine Wangen glühten immer noch. Vielleicht sah Sakura in ihm doch mehr als nur einen Klassenkamerad. Seine Lippen formten ein leichtes Lächeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)