Holidate von WeißeWölfinLarka (Adventskalender des Yuka-Zirkels - Türchen Nummer 24) ================================================================================ +1 -- „Kai!“ Hiromi eilte den Korridor in Richtung Hinterausgang entlang und erwischte Kai gerade noch rechtzeitig. Er trug bereits seinen Mantel über dem Arm und seinen Schal, als wäre er bereit aufzubrechen. Verdammt, warum hatte sie auf hochhackigen Schuhen bestanden? Kai musterte sie überrascht. „Was ist?“, fragte er. „Wo willst du hin? Es ist noch nicht mal Mitternacht!“, brachte Hiromi außer Atem hervor. Sie gestikulierte zum Mantel. „Gehst du etwa?“ „Nein, ich ... wollte nur kurz an die Luft.“ Kai sah sie bewusst nicht an - das war ein typisches Zeichen dafür, dass er log. Hiromi runzelte die Stirn. „Verarschen kann ich mich auch alleine“, erwiderte sie grob und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie machte einen Schritt zur Seite, um den Blick des anderen zu finden und streng festzuhalten. „Rennst du wieder mal vor deinen Problemen weg, die du dir selber eingebrockt hast?“ Kai senkte den Blick. Ein klares Zeichen dafür, dass sie ins Schwarze getroffen hatte. Hiromi schüttelte den Kopf.  „Wie alt bist du eigentlich?“, fragte sie eher rhetorisch und stampfte mit dem Fuß auf. „Uns so hinters Licht zu führen - uns alle! Sowas hätte ich von Takao oder Max erwartet, aber nicht von dir!“ Hiromi klang wirklich enttäuscht. Kai zuckte mit den Schultern, ohne aufzusehen. „Ich hab' nie behauptet ich wäre besser als sie“, brummelte er, was sie nicht beruhigte. „Und dann der Stunt auf dem roten Teppich! Spinnst du? Ich fasse es nicht, dass Yuriy das überhaupt mitgemacht hat!“, brauste sie weiter auf. Oh. Hiromi wusste es. Kai begegnete ihrem Blick. „Das war Yuriys Idee, nicht meine.“, erklärte er trotzig. Hiromi gab einen Laut der Frustration von sich. „Das macht es nicht wirklich besser“, erwiderte sie und fügte, beinah an sich selbst gewandt hinzu: „Ihr seid echt so viel schlimmer als Takao und Max, Mann. Was soll der ganze Mist?“ Als Kai nicht gleich darauf antwortete, seufzte die Brünette. „Was mich am meisten enttäuscht, ist dass du aus irgendeinem Grund glaubst, du müsstest uns anlügen, was deine Beziehung angeht.“, stellte sie beinahe traurig fest. Oh, fuck. Sie drückte aufs schlechte Gewissen - und während Kai vielleicht von außen so wirken mochte als tangiere ihn sehr wenig, war es ihm durchaus wichtig, was seine Freunde von ihm dachten. „Hiromi, ich-“, setzte er an, doch wusste er nicht, wie er weitermachen sollte. Sie schwiegen einen Moment im klinisch-hellen Licht der Neonröhren. „Ihr habt mich so genervt!“, platzte er schließlich heraus. „Jedes Mal die gleiche Frage: Warum bringst du kein Date mit? Was ist mit deinem Liebesleben los? Sollen wir dich verkuppeln, Kai? Dies, das - alles ohne Ende, als wäre eine Beziehung das einzige, was zählt! Das war unerträglich, du hast ja keine Ahnung. Und - und da ist mir das einfach rausgerutscht!“ Hiromi war fassungslos. „Was zum Teufel, Kai?“, presste sie hervor. „Und dann - was? Habt ihr gewettet, wie lange du und Yuriy diese Scharade aufrecht halten könnt?“ Kai biss sich auf die Lippen. „Nein“, antwortete er leise und beschloss, dass die Wahrheit es nicht schlimmer machen konnte. „Ich ... ich hatte einen Gefallen gut bei Yuriy. Den hab ich eingelöst.“ „Du bist echt so ein Ficker“, platzte es aus Hiromi heraus. Dies entlockte Kai ein schmales Lächeln, während Hiromi sich erschrocken die Hand vor den Mund schlug. „Dein Freund färbt auf dich ab, hab ich das Gefühl“, triezte der Silberhaarige. Er sah Hiromis Mundwinkel zucken und deutete es als gutes Zeichen. „Hör mal ... Es tut mir echt Leid. Das war eine selten dumme und kindische Aktion.“ Seine Entschuldigung klang in der Stille zwischen ihnen seltsam laut. Kai gab ihr noch einen Moment länger, ehe er hinzufügte: „Ich weiß nicht, ob es ein Trost ist, aber der Deal war, die ganze Sache nach heute Abend eh zu beenden. Und ... ich gehe jetzt. Das heißt die ganze Sache ist vorbei. Und ... ja. Niemand muss sich mehr damit beschäftigen.“ Kai versuchte zu ignorieren, dass gerade der letzte Satz ein unangenehmes Flackern in seiner Magengrube hinterließ, insbesondere nach der Erkenntnis, dass er vielleicht doch ein bisschen mehr von Yuriy wollte als ihm bewusst gewesen war. Hiromi bedachte ihn mit einem langen Blick. „Das konnte doch von Anfang an nicht gut gehen. Ich hab' gesehen, wie du Yuriy heute angeschaut hast.“ Kai schluckte nervös. „Was soll das heißen?“   Yuriy fischte sein Handy aus der Hosentasche als es vibrierte. Sein Gesicht verfinsterte sich, während er die Nachricht antippte, las und nochmal las. „Fuck“, fluchte er und presste dann die Lippen zusammen. „Was ist los? Schlechte Nachrichten?“, fragte Boris von der Seite her. Yuriy wandte sich ihm zu. Natürlich war seinem besten Freund sein abrupter Stimmungswechsel nicht entgangen. Natürlich hatte er es von Anfang an besser gewusst. „Nichts ist los“, blockte er nichtsdestotrotz ab. „Ich kann Kai nicht mehr finden und er hat mir gerade eine seltsame Nachricht geschrieben. Ich glaube, er ist grad gegangen als ich nicht hingeschaut hab.“ Eigentlich sollte er froh sein. Durch Kais frühzeitigen Abgang war der Gefallen gelaufen und das nicht-wirklich-Daten-das-sich-anfühlte-wie-Daten damit auch. Oder? Yuriy wusste nicht so recht, was er sich vom heutigen Abend erwartet hatte - jedenfalls nicht, dass Kai ihn ohne weiteres einfach stehen ließ. Boris zuckte mit den Schultern. „Und?“, fragte er nach, sprach damit einen von Yuriys Gedankengängen aus. „Das heißt, es ist vorbei und du kannst wieder von weitem schmachten.“ „Laber keinen Scheiß, ich hab noch nie geschmachtet, und schon gar nicht von weitem! Und-“ Yuriy brach ab, presste die Lippen zusammen. Was und? Er war so dumm gewesen, sich auf den ganzen Mist einzulassen. Jetzt würde er mit den Konsequenzen leben müssen. Er schüttelte den Kopf. „Vergiss es.“ „Das kannst du von mir aus dem kleinen Springinsfeld von den BBA-Schnarchnasen erzählen, aber nicht mir“, entgegnete Boris und hob spöttisch eine Augenbraue. „Willst du für immer schmachten?“ „Ich schmachte nicht!“, protestierte Yuriy heftig, ehe er kurz innehielt und hinzufügte: „... nein“ „Na eben“, gab Boris von sich und grinste schief. „Weißt du, es gibt eine Möglichkeit, dass du nicht mehr mit großen, verliebten, blauen Äugelein hinter ihm her hechelst.“ Sein Gegenüber gab einen frustrierten Laut von sich. „Ich hasse es, wenn du Recht hast ... Ich muss los“, murmelte er nur und ließ Boris ohne weitere Erklärung stehen. Dieser prostete dem Flüchtenden zu. „Na geht doch ...“         „Das soll heißen, dass du und Yuriy vielleicht mal ein ernstes Gespräch führen solltet.“, erklärte Hiromi geduldig. „So ein Gespräch bringt ein Ungleichgewicht in unsere Freundschaft“, prognostizierte Kai mit dunkler Miene. „Genauso viel Ungleichgewicht wie eure vorgespielte Beziehung“, schoss Hiromi zurück, die Hände in die Hüften gestemmt. „Verdammt, red' einfach mit ihm, Kai!“ Kai murrte unwillig und zog seinen Mantel an. „Morgen.“, versprach er. „Wirklich, Hiromi.“ Hiromi fing seinen Blick kampfeslustig ein und streckte den Rücken durch. „Das will ich hoffen.“ Kai nickte ihr zu - und sie vertraute darauf, dass er sein Wort hielt. Mit strengem Blick sah sie ihn das Gebäude durch die Hintertür - die eigentlich ein Notausgang war - verlassen. Sie seufzte und schüttelte den Kopf, ehe sie den entgegengesetzten Weg einschlug. „Ich hoffe wirklich, er verkackt das nicht“, murmelte sie mehr für sich selbst und sah auf, als sich ihr hastige Schritte näherten. „Hiromi!“, Yuriy sah seltsam durch den Wind aus - sein Haar war zerzaust, sein Hemd unter dem Jackett zerknittert. „Hast du-?“ Hiromi unterbrach die Frage, indem sie hinter sich wies. „Gerade bei der Hintertür raus. Wenn du dich beeilst, erwischst du ihn noch“, erklärte sie resolut. Der Rotschopf nickte steif und zischte mit einem letzten „Danke!“ davon. Hiromi dankte den Göttern, dass Boris und sie nicht so kompliziert waren wie diese beiden wandelnden Desaster.         Kai trat an die frische Luft und sah sich vorsichtig um. Er hatte keine Lust, von Paparazzi, die sich rund um den Haupteingang herumtrieben, mit Fragen durchlöchert zu werden - das würde ohnehin noch früh genug kommen. Kai wurde beim Gedanken an die nächste offizielle Pressekonferenz übel. Aber er hatte es sich selbst eingebrockt und würde es ausbaden müssen. Eine kalte Brise ließ ihn schaudern und er wickelte sich in seinen weichen Schal. Ein Blick in den klaren Nachthimmel ließ ihn etwas ruhiger werden. Es hatte Schneefall eingesetzt, der eine dünne Schicht auf der schmalen Straße hinter dem Gebäude hinterlassen hatte. Die Gasse war ein relativer Geheimtipp unter denjenigen, die im neuen BBA-Tower ein- und ausgingen. Die Schneedecke schien unberührt. Gut. Das hieß, es war noch niemand hier gewesen. Vorsichtig und langsam ging Kai ein paar Schritte, blieb stehen. Er verharrte einen Moment in der Kälte.    Da schwang die Tür hinter ihm auf. Er schrak zusammen. „Wieso nicht?“, rief Yuriy und es klang seltsam laut in dieser ruhigen Winternacht. Yuriy sah ihn an, offen und ... enttäuscht? Mist. Er hatte weg sein wollen, bevor der andere sein Verschwinden bemerkte. Langsam drehte Kai sich um. Er biss sich auf die Zunge. Im Licht der funzeligen Straßenbeleuchtung sah Yuriy in seinem Anzug immer noch so gut aus. „Wieso können wir so nicht weitermachen?“, wiederholte der Rothaarige seine Frage. „Es lief doch alles prima!“ Kai schwieg. Yuriy machte ein paar Schritte auf ihn zu. „Oder habe ich etwas falsch gemacht?“ Kai brachte mit einem Schritt zurück mehr Abstand zwischen sie. „Nichts hast du falsch gemacht“, beeilte sich Kai zu sagen. „Wir haben eine gute Show geliefert. Reicht doch...“ In seinem Hinterkopf hallten Hiromis strenge Worte wider. Yuriy gab einen frustrierten Laut von sich. „Das heißt, du beschließt es reicht und verpisst dich einfach durch die Hintertür? Während ich dastehe wie der letzte Idiot?“, fragte er und sah dabei seltsam geschlagen aus. „Fuck, Kai, ich dachte, wir hatten Spaß?“ Kai fuhr sich durchs Haar. „Ja ... Nein“, begann er und brach ab. So kam er nirgendwohin. „Was denn jetzt?“, hakte Yuriy nach und klang dabei ungeduldig und eine Spur spöttisch. „Ja oder nein?“ „Ja, und ...“, Kai stockte, kämpfte mit sich, um doch die nächsten Worte über seine Lippen zu bringen. „Und genau das war das Problem! Es hat sich nicht mehr nach einem falschen Date angefühlt!“ Yuriy blinzelte überrascht. „W-was?“, hakte er rau nach. „Was heißt ... nicht mehr?“ Er schien beinahe erleichtert zu sein. Vielleicht, weil er Kai endlich los sein konnte? Dem Halbrussen schlug das Herz zum Hals. „Fuck, Yura. Wir hatten so viel Spaß, dass es sich nicht mehr nach 'ner Lüge angefühlt hat“, brachte er undeutlich hervor und vergrub die Hände tief in den Hosentaschen, vermied es, den anderen anzusehen. Yuriy erstarrte. Sein Herz hämmerte schmerzhaft in seiner Brust und er schlang die Arme um seine Brust, wie um sich zu beschützen. Wovor, war ihm selbst nicht ganz klar - sagte er sich zumindest. „... und was heißt das jetzt?“, brachte er hervor und fühlte sein Gesicht trotz der Kälte seltsam heiß werden. Kai machte noch einen Schritt weiter nach hinten, begegnete seinem Blick seltsam hoffnungslos. „Das heißt, dass du deine Rolle mehr als gut gespielt hast“, erklärte er stockend. Seine Stimme klang seltsam laut in der Stille rundum. Er fuhr sich durchs Haar. „Das heißt, du musst jetzt nicht mehr so tun, als wären wir zusammen“, stellte er noch ein letztes Mal klar und wandte sich ab. „Aber ... der Abend ist noch nicht vorbei!“, protestierte Yuriy schwach. „Nein, Yuriy“, erwiderte Kai, fast ein wenig ... traurig? Konnte das sein? „Aber ist schon gut. Ich hab' echt zu viel von dir verlangt.“ Yuriy nickte nachdenklich. Sie schwiegen eine Weile, betrachteten den matschigen Schnee, der ihre Schuhe durchweichte, während hinter ihnen die After-Party in vollem Gange war. Yuriy festigte seine verschränkten Arme, um das Zittern zu unterdrücken, verfluchte sich dafür, dass er seine Jacke nicht mitgenommen hatte.  „Du... hast deine Sache wirklich gut gemacht. Warst echt überzeugend...“, erklärte Kai leise. Er klang noch immer seltsam bekümmert. Yuriy schluckte, fühlte einen irrationalen Schimmer Hoffnung am Horizont. „Das heißt, der Deal ist erledigt? Dann hab' ich jetzt den Wunsch frei?“, fragte er. Kai sah ihn von der Seite her schief an. „Ich denke schon? Wenn du darauf bestehst? Tut mir Leid, dass ich dich die Scheiße reingezogen hab'. Ich erkläre den anderen auch-“ „Geh' auf ein richtiges Date mit mir“, forderte Yuriy, ohne ihn ausreden zu lassen. Kai schnaubte, ein wenig überrascht und ein wenig ungläubig. „Was soll der Scheiß? Hör auf damit. Denk dir lieber was Besseres aus“, brummte er. „Ich meine es ernst. Ich will ein richtiges Date“, wiederholte der Rothaarige nachdrücklich. „Mit dir, nicht mit irgendwem anders. Du bist genug, Kai. Ich will dich.“ Kai zuckte überrascht zurück, zögerte, begegnete dem klaren Blick von Yuriys blauen Augen, die seltsam entschlossen wirkten. Er zögerte. „Ich hab' phänomenales Pech darin, mit meinen Exen befreundet zu bleiben“, gab er zu bedenken. „Ich will nicht, dass es schief geht und wir uns danach nicht mehr leiden können. Dafür ...“ Kai zögerte erneut, ehe er leise hinzufügte: „... Dafür bist du mir zu wichtig.“ Yuriy atmete hörbar ein und aus. Dann lachte er. „Fuck, Kai.“ „Fuck, Yura“, entgegnete Kai schwach. Auch in seinen Mundwinkeln saß ein Lächeln. Er fand seinen Blick und hielt ihn fest und einen Moment lang sagten sie nichts.  Dann atmete Kai hörbar ein und es war nicht ganz klar, wer zuerst nach wem fasste und wer wen an sich zog. Kai wusste nur, dass er plötzlich seine Lippen auf Yuriys drückte oder Yuriy dessen Lippen auf seine, dass er den Kragen seines Gegenübers festhielt als könne er sich plötzlich von ihm losreißen und davonrennen. Nichts dergleichen passierte - sie küssten sich, mit Lippen und Zungen und Zähnen und es war nicht wirklich perfekt, aber perfekt für den Moment, umgeben von Schnee, der sich in ihren Kleidern festsetzte und auf ihren Gesichtern schmolz.   Als sie sich voneinander lösten, blickte Kai zur Hintertür, die zugefallen war, und gab ein genervtes Geräusch von sich. Er schüttelte unter Yuriys fragendem Blick den Kopf und fasste nach seinem Handy. Yuriy beobachtete, wie er auf eine Nummer in seiner Kontaktliste tippte und das Mobiltelefon an sein Ohr hielt, ohne ihn aus der Umarmung zu lassen. „...Hiromi? Ja, ich bin es. Ja ...“, Kai zögerte, warf einen Seitenblick auf Yuriy, der einen Arm um seine Taille geschlungen hatte und trotz der halben Umarmung zitterte. „Ja, haben wir. Ich erzähl es dir später. Kannst du uns bitte die Tür aufmachen? Sie ist hinter uns zugefallen - und Yura friert.“ Yuriy hob spöttisch eine Augenbraue. „Zurück zur Party?“ Kai schmunzelte. „Du sagtest doch, der Abend sei noch nicht vorbei. Außer du willst ihn anderswo beenden?“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)