Amnesie von Onlyknow3 (Wo ist Katsuya?) ================================================================================ Kapitel 14: Ich bin Ich? ------------------------ Kapitel 14 - Ich bin Ich? Tarō verräumte gerade die letzte Schüssel vom Abendessen. Honda und er hatten Curry auf Reis zubereitet. Das gemeinsame Kochen hatte wirklich Spaß gemacht und hatte sich vertraut angefühlt. Sie hatten sich dabei noch ein wenig darüber unterhalten, wie Tarōs Leben derzeit aussah. Wo er arbeitete. Was er so in seiner Freizeit tat. Dabei war Tarō aufgefallen, wie furchtbar langweilig sein Leben auf die zwei wirken musste, immerhin tat er Tag für Tag das gleiche zur gleichen Zeit. Doch das war etwas aus seiner Therapie gewesen: Ein gewohnter Ablauf half Struktur in den Tag und schlussendlich auch in sein Leben zu bringen. Es war wichtig gewesen, dass er sich diesen Tagesablauf angewöhnt hatte, ansonsten würde er durch die Tage, Wochen und Monaten stolpern ohne jemals wirklich voran zu kommen. Schließlich hatte Tarō erkannt, was sie da kochten: Curry auf Reis. Das war eines seiner favorisierten Essen, welches er sich aber selten gönnte. Er wusste nicht genau, warum er es sich nur zu besonderen Anlässen gestattete, aber so fühlte es sich einfach richtiger an, als daraus ein alltägliches Routineessen zu machen. Als sie beim Essen zusammensaßen hatte Honda dann einen Satz fallen lassen, den Tarō stutzig gemacht hatte. Der Brünette hatte gesagt, dass sich manche Dinge einfach nie ändern. Zunächst hatte Tarō nicht gewusst, worauf sein Gegenüber anspielte, doch dann war der Groschen gefallen: Sein früheres Ich - dieser Jonouchi Katsuya - musste dieses Essen auch geliebt haben. Das hatte ihn irgendwie sich beklemmter und verunsicherter fühlen lassen. Nach dem Essen hatte dann Seto darauf hingewiesen, dass die letzte Fähre bald fahren würde. Also hatte Tarō sie zur Tür gebracht und sie verabschiedet. Dabei hatte Honda ihn unbedingt umarmen wollen, also gestattete er es dem ihm eigentlich fremden Mann. Es fühlte sich merkwürdig an von einem Fremden so umarmt zu werden und doch... war da wieder dieses vertraute Gefühl. Er erkannte, dass sie sich nicht zum ersten Mal umarmten. Als Tarō nur mit einem Handtuch um die Hüfte und sich das blonde Haar trocken rubbelnd aus seinem Badezimmer kam fiel sein Blick auf das Fotoalbum, welches immer noch auf dem Küchentisch lag. Eigentlich hatte er sich nach dem Duschen noch ein Bier und etwas Netflix gönnen wollen, doch etwas in ihm schubste ihn zurück zum Tisch. Dort nahm er auf seinem Stuhl Platz und griff vorsichtig nach dem Album, als würde es ihn kratzen oder beißen, wenn er zu schnell danach griff. Als seine Finger es umgriffen zog er es ebenso bedächtig zu sich. Auf der ersten Seite war ein großes Foto eines brünetten Mädchens, dessen braune Augen voller Liebe und Wärme in die Kamera strahlten. Vorsichtig zog er mit dem Zeigefinger die Kontur ihres Gesichtes nah. Honda hatte ihm gesagt, dass diese junge Dame Jonouchis Schwester war. Nein. Seine Schwester. Ihr Name war Shizuka und wenn er den Erzählungen des aufgedrehten Brünetten Glauben schenken durfte, dann liebte sie ihn abgöttisch. Wie würde sie reagieren, wenn sie von ihm erfahren würde? Ihr Bruder war am Leben und doch... nicht ihr Bruder. Eigentlich war er ein völlig Fremder. Doch ganz tief in sich spürte er ihr gegenüber eine Verbundenheit. Das Gefühl, für sie die Welt aus den Angeln zu heben, wenn es notwendig wäre, war ungewohnt stark. Er blätterte weiter und sah noch einige Bilder aus ihren Kindertagen. Sie am Strand, beim Eisessen, im Park, auf dem Spielplatz. Auf einem Bild war sogar eine Frau zu sehen: Seine Mutter. Doch auch für sie empfand er nichts, wenn er sie so auf dem Bild betrachtete. Wie auch. Er konnte sich an nichts erinnern und soweit sein ehemals bester Freund ihm erzählt hatte, war er auf sie nicht gut zu sprechen. Schließlich kam er zu Bildern, die ihn mit anderen Jungs in seinem damaligen Alter zeigten. Doch auch da regte sich nicht wirklich viel in ihm. Durch die Erzählung Hondas wusste er, dass er mit all diesen Jungs befreundet gewesen war. Enge Freunde. Und doch nicht eng genug, um ihnen zu sagen, dass er daheim Probleme hatte? Er griff sich an den Bauch, dort wo die kleinen, runden Brandnarben saßen. Dann kam er zu der Stelle, an der er vorhin das Album zugeschlagen hatte. Sie zeigten ebenfalls all die Freunde, die schon auf den Fotos davor zu sehen waren, nur, dass ihre Runde durch einen jüngeren, schwarzhaarigen Jungen mit graublauen Augen ergänzt worden war. Wer war das? Ab da mehrten sich auch die Bilder, auf denen im Hintergrund Seto zu sehen war. Er schien fast immer desinteressiert und genervt. Doch trotz der defensiven Haltung, die er einnahm, schien er auf fast jedem Foto sein altes Ich zu beobachten. Als er zur letzten Seite kam fand er eine Galerie mit Profilbildern aller Menschen, die Honda wohl wichtig erschienen waren. Unter ihnen standen die passenden Namen. Auch der jüngere Schwarzhaarige war aufgelistet und Tarō las dessen Namen: Kaiba Mokuba. Kaiba? Wie Seto? Waren sie miteinander verwandt? Geschwister vielleicht? Selbst er war hier aufgelistet und unter dem Foto stand Jonouchi Katsuya. In der Nacht wälzte sich Tarō unruhig in seinem Bett hin und her. In seinem Traum stand er vor einem Spiegel. Er zeigte sein Bild und doch war etwas nicht richtig. Also beugte er sich näher an die gläserne Oberfläche, um zu ergründen, was nicht so war, wie es gehörte. Plötzlich schlug sein Spiegelbild mit der Faust gegen die Oberfläche, die sie trennte. Der Gesichtsausdruck war zu einer wütenden Fratze verzogen. Erschrocken zuckte Tarō zurück. "Du hast mir mein Leben gestohlen", schrie sein Spiegelbild und schlug erneut gegen das Glas. "Ich hab mir das doch nicht ausgesucht", erwiderte er und konnte das Blut in seinen Ohren rauschen hören. "Du bist ein Dieb. Ein Hochstapler. Du bist nicht ich. DU BIST NICHT ICH!", schrie ihn sein Spiegelbild weiter an und zerschlug den Spiegel. Tarō hob instinktiv seine Hand um seine Augen zu schützen. Da wurde er auch schon am Kragen gepackt und zu Boden gerissen. Er versuchte sich verzweifelt zu wehren, doch er war deutlich unterlegen. Als er endlich aufblicken konnte sah er sein anderes Ich erkennen. "Das sind meine Freunde, mein Leben, meine Vorlieben...", schrie dieser ihm immer wieder zu bis Tarō schweißgebadet aufschreckte. Sein Atem ging schnell und er ging sich fahrig durch das nasse Haar. Er schlug die Decke zurück und stand auf. So einen Traum hatte er noch nie gehabt. Doch er warf eine interessante Frage auf: In wie weit war er eine eigenständige Persönlichkeit? Er liebte Curry auf Reis und wie er seit dem gestrigen Abend wusste, war das auch die Leibspeise des Jonouchi Katsuya gewesen. Auch bei den Süßspeiesen schienen sie gleich gepolt zu sein. Der Tee, den er so gerne trank und von dem er jetzt wusste, dass Jonouchi ihn früher immer getrunken hatte, wenn sie alle ein Wochenende bei Seto verbracht hatten. Sogar sein Humor hatte seine Besucher an ihren alten Freund erinnert. Was... hatte er wohl noch aus seinem vergessenen Leben übernommen ohne es sich bewusst zu sein? War er doch nicht mehr als ein Hochstapler? Vielleicht hatte der Jonouchi aus seinem Traum Recht: Honda und Seto waren seine Freunde. Nicht Tarōs. Er kannte sie nicht und sie kannten ihn nicht. Doch weil er so aussah, wie der, den sie verloren hatten, suchten sie händeringend eine Verbindung und einen Draht zu ihm. Sie waren nicht an ihm interessiert. Nicht an Yamada Tarō. Und wieder drängte sich die Frage auf, die ihn nach seinem Erwachen aus dem Koma immer wieder gemartert hatte: Was würde aus ihm werden, wenn Jonouchi Katsuya jemals wieder auftauchte? Würde er einfach verschwinden? So, als hätte er niemals existiert? Würde es Menschen geben, die um ihn trauern würden? Plötzlich realisierte er, dass er weinte. Er hatte schon lange nicht mehr geweint. Doch jetzt schluchzte er verzweifelt auf. Seine Beine wurden weich und gaben nach, so dass er schließlich auf seinen Knien landete und sich in seinem Kummer nur noch nach vorne krümmen konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)