Urisen von MAC01 ================================================================================ Kapitel 14: Stolz ----------------- Jonouchi rieb sich seine Hände und versuchte die Kälte zu vertreiben, die in ihnen steckte. Kaiba griff nach den Händen und der Blonde zog sie erschrocken weg. Mit großen, angsterfüllten Augen sah er Kaiba kurz an, dann zog der Jungunternehmer etwas aus seiner Manteltasche und reichte es Jonouchi. Es sah aus wie ein Gelpack, dass man zum Kühlen von Prellungen verwendete, doch als er es berührte stellte er fest, dass es warm war. Zögerlich nahm er es an und schloss kurz die Augen, so gut tat die Wärme. "Herr Kaiba?", kam es von dem Fahrersitz. "Ja?", reagierte Kaiba ruhig. "Wohin, Herr Kaiba?", fragte Isono, da sie kurz davor waren dieses Viertel zu verlassen. "Nach Hause bitte, Isono", antwortete Kaiba. Isono zögerte kurz. "Jawohl, Herr Kaiba", meinte er schließlich und bog in die entsprechend Richtung ab. Jonouchi blickte überrascht auf, sagte aber nichts. Wenig später fuhr der Wagen unter einem hohen Haus in die Tiefgarage und hielt auf dem reservierten Parkplatz. Kaiba stieg aus und hielt die Wagentür offen, damit auch Jonouchi aussteigen konnte, der ihm zögerlich folgte. Auch Isono stieg aus. "Herr Kaiba, auf ein Wort?", sprach er seinen Chef erneut an. Kaiba ging um den Wagen zu seinem langjährigen Vertrauten. "Herr Kaiba, sind Sie sicher, dass sie einen Stricher mit in das Penthouse nehmen möchten?" In der Tiefgarage war die Akustik ausgezeichnet und die Worte waren dort, wo Jonouchi stand und wartete, gut zu verstehen. Wieder zog er beschämt den Kopf ein und presste seine Lippen fest aufeinander. "Isono, das ist Jonouchi Katsuya. Er ist kein Stricher, sondern ein Freund", erwiderte Kaiba ruhig, wandte sich dann ab und ging zurück zu Jonouchi, der ihn verwirrt anblickte. Dann zeigte Kaiba auf den Aufzug und wartete darauf, dass der Blonde vorging. Dieser folgte der wortlosen Einladung und stieg zuerst in den Aufzug, bevor Kaiba folgte. Während der gesamten Aufzugsfahrt sprachen sie kein Wort. Jonouchis Blick haftete an der Stockwerksangabe. Als die Anzeige schließlich 102 anzeigte hielt der Aufzug und öffnete seine Türen. Sofort eröffnete sich der beeindruckende und einschüchternde Eingangsbereich des Penthouses. "Willkommen", meinte Kaiba behutsam und lud Jonouchi mit einer Geste erneut ein den Aufzug zu verlassen. Dieser stolperte einen Schritt vor. Kaum hatte Jonouchi einen Schritt aus dem Aufzug gesetzt fühlte er sich wie in ein Wunderland versetzt. Alles wirkte so strahlend und edel. "Ich bin mir sicher, wir werden noch etwas vom Abendessen in der Küche finden." Damit schritt Kaiba an ihm vorbei in das Penthouse, bevor er seinen Mantel ablegte und an einer Garderobe auf einen Bügel hängte. Jonouchi pellte sich mit viel Mühe aus seiner Jacke und legte sie auf den Sessel, der neben der Garderobe stand. Doch Kaiba nahm sie und hängte sie ebenfalls auf einen Bügel. "Komm", meinte Kaiba und legte vorsichtig eine Hand auf Jonouchis Schulter, der instinktiv zusammen zuckte und einen Schritt wegschreckte. "Sorry", nuschelte Jonouchi leise. "Macht nichts", meinte Kaiba sanft lächelnd. Dann ging er voraus in den großen Wohnraum, dessen Außenwände komplett verglast waren und einen fabelhaften Ausblick auf die Stadt gewährte. Der Anblick fesselte Jonouchi, als er folgte. Zu dem Wohnraum gehörte eine offene Küche mit Kücheninsel und Tresen. Aber auch ein Esstisch mit bequem aussehenden Stühlen war vorhanden. "Was ist aus der Villa geworden?", fragte Jonouchi verwirrt. "Du meinst das Herrenhaus?", hakte Kaiba nach und der Blonde nickte. "Da wohnen wir seit über einem Jahr nicht mehr. Das ist jetzt ein Waisenhaus." "Ah", meinte Jonouchi der sich mit Mühe auf einen der Hocker am Tresen quälte. Kaiba ging an den Kühlschrank und fand tatsächlich noch die Reste des heutigen Abendessens. Also begann er sie aufzuwärmen und auf zwei Teller anzurichten. Dann trug er die Teller zum Esstisch und deutete Jonouchi zu ihm aufzuschließen, bevor er sich setzte. Jonouchi folgte auch dieser Einladung. Das letzte Mal, dass er was Warmes zu essen bekommen hatte lag schon eine Weile zurück und war bei Honda gewesen. Als er das Essen probierte war er überrascht, wie gut es schmeckte. Kaiba gingen tausende Fragen durch den Kopf, die er nur zu gerne Jonouchi gestellt hätte, doch er wusste, dass diese den Blonden nur verschrecken würde. Also schluckte er seine Fragen hinunter und übte sich in Geduld. "Wenn du möchtest kannst du gerne für heute Nacht das Gästezimmer beziehen, heiß duschen oder ein Bad nehmen und morgen mit meinem Bruder und mir frühstücken", bot Seto schließlich gegen Ende der Mahlzeit an. Jonouchi sah ihn aus dem Augenwinkel heraus an. Er hatte sich sehr bemühen müssen zivilisiert zu essen. "Das... ist sehr großzügig von dir, aber ich denke ich sollte nach dem Essen wieder gehen", meinte Jonouchi. "Wirst du noch irgendwo erwartet?", hakte Kaiba nach. "Vielleicht", gab Jonouchi zurück. "Jonouchi, das sind keine Almosen", bekräftigte Kaiba. "Und es ist kein Zeichen von Schwäche Hilfe anzunehmen, wenn man sie braucht." "Was... und du kannst beurteilen, wann jemand Hilfe braucht?", kam es abwehrend von dem Blonden. "So war das nicht gemeint, Jonouchi", beteuerte Kaiba. Dass es nicht so gemeint war wusste Jonouchi. Eigentlich war das hier seit Beginn der Oberschule sein Traum gewesen: Kaiba, der ihn von der Straße weg rettete, mit nach Hause nahm und ihn aufnahm. Fehlte nur noch ein Liebesgeständnis und sein Traum wäre voll aufgegangen. Doch Jonouchi wusste es einfach besser: Das hier war falsche Hoffnung. Kaiba war jetzt freundlich und wenn es ihm in den Kram passte, würde er alles was er über ihn wusste, gegen ihn verwenden. Bevor er sich so verletzten ließ musste er den anderen von sich stoßen, so dass dieser sich von ihm abwandte. Das bedeutete auch, dass seine Gefühle niemals erwidert werden würden. Also ging der Blonde zum Angriff über. "Ich brauch keinen weißen Ritter in strahlender Rüstung, der mich aus dem Turm vorm Drachen rettet... oder einen Richard Gere, der - wie sagte dein Fahrer noch gleich so nett - einen Stricher von der Straße rettet. Ich kann für mich sorgen", brauste Jonouchi auf und wusste selbst nicht so genau, woher seine Wut auf einmal kam. Nur, dass er hier weg musste. Also stand er auf und verließ den Tisch. Kaiba fluchte innerlich. Er hatte gewusst, dass er Jonouchis Stolz nicht ankratzen durfte und doch war es ihm nicht gelungen, es zu vermeiden. Also sprang er auch auf und folgte Jonouchi. "Jonouchi, warte... bitte", rief er ihm hinterher und sah, wie der Blonde die Garderobe erreichte und seine Jacke vom Bügel zerrte. Er musste etwas fummeln, bis er mit dem Gips in den Ärmel kam. "Jonouchi, bitte... es tut mir leid, ich habe mich falsch ausgedrückt und es nicht so gemeint, wie es rüberkam." "Ist schon okay, Kaiba", wiegelte Jonouchi ab. "Ich... ich weiß was ich bin und wo ich hingehöre und ich brauch dein Mitleid nicht." "Du denkst, das wäre Mitleid? Dann irrst du dich", wiedersprach Kaiba energisch. "So, was soll es denn sonst sein?", erwiderte Jonouchi, während er endlich seine Jacke übergestreift hatte. "Wenn es geht, wie eine Ente, und so klingt, wie eine Ente, dann wird es eine Ente sein." Der Blonde ging rückwärts die zwei, drei Schritte zum Aufzug und betätigte den Rufknopf. Der Aufzug hatte sich nicht bewegt und so glitten die Türen prompt auseinander. Jonouchi betrat ihn und drückte den Knopf für das Erdgeschoss. Durch die sich schließenden Türen sah er den verzweifelten Ausdruck in Kaibas Augen. "Liebe", kam es endlich aus Kaibas Mund, als die Türen längst geschlossen waren. Traurig wollte er sich vom Aufzug abwenden, als ihm auffiel, dass etwas aus seiner Manteltasche ragte. Er trat näher, griff danach und erkannte den 5000 Yen-Schein, den er zuvor Jonouchi gegeben hatte, damit er mitgekommen war. "Verdammt." . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)