Wintergeschichten von WeißeWölfinLarka (Adventskalender-Aktion des YuKa-Zirkel 2020) ================================================================================ 01.12.: Was stimmt nicht mit dir? - Such dir was aus! ----------------------------------------------------- „Halt das mal!“ Mit einem Nicken nahm Kai den Schraubendreher von Yuriy entgegen. „Und das auch.“ Ebenso den Zollstock. „Kannst du mal eben…“ Mit einem leichten Augenrollen nahm er auch die Wasserwage und balancierte eines ihrer Enden auf seinem Oberschenkel, während er auf der Küchentheke hockte und Yuriy dabei zusah, wie der versuchte, mit Bleistift, Zollstock und Wasserwaage ein Gewürzregal an ihre Wand zu zimmern. „Sollen wir nicht doch Boris anrufen? Der ist ein Multifunktionstool, der kann sowas.“ „Hör auf jetzt, ich hab mir das oft genug angeschaut bei ihm, der hält mich noch für komplett bescheuert, wenn ich ihn jetzt deswegen herbestelle!“ „Das denkt der nicht erst seit heute.“ Yuriy zeigte Kai daraufhin mithilfe seines Bleistiftes einen verlängerten Mittelfinger. „Jetzt mach hin, Ебанько[1] – wir müssen auch noch den Hängeschrank anbringen!“ Zugegeben, es war vielleicht nicht die intelligenteste Idee, bei der Einrichtung ihrer ersten gemeinsamen Küche nur auf ihr eigenes handwerkliches Talent zu vertrauen. Sie hatten sie aus vielen verschiedenen Küchenteilen bunt zusammengewürfelt, teils von Verwandten und Bekannten gebraucht übernommen, aber so, wie sie es sich einrichteten, gefiel es ihnen. Wären da nicht ihre zwei linken Hände… Deshalb hatte Boris ihnen bei vielem geholfen, da dieser sehr gerne und sehr gut mit seinen Händen arbeitete. Böse Zungen behaupteten, Yuriy wüsste letzteres aus allererster Hand, aber darüber hatten sie nie gesprochen. Ein lautes Knacken ließ Kai aus seinen Gedanken schrecken. Mit einem weiteren, kräftigen Ruck von Yuriy saß das Gewürzregal bombenfest an der Wand. Der Rotschopf rieb sich zufrieden die Hände. Kai hüpfte von der Anrichte und legte das Werkzeug beiseite, um eiligen Schrittes auf den Hängeschrank zuzugehen. Boris hatte ihnen dafür bereits gestern die Löcher gebohrt und die entsprechenden Schrauben eingesetzt. Sie hatte mit dem Aufhängen gewartet, weil Kai den Schrank, den sie aus dem Sperrmüll geräubert hatten, neu gestrichen hatte und die Farbe noch nicht ganz trocken war. Zusammen hoben sie das halbwegs schwere Möbelstück an. „Weiter nach links!“ „Häh?! Höher! Und nach rechts!“ „Wo ist denn bei dir rechts? Mein rechts!“ „Das stimmt doch so nicht!“ „Hör auf zu meckern, und tu was ich dir sage!“ Yuriy zog den Schrank mehr zu sich, Kai stolperte, fing sich und aus reflexartigem Trotz riss er den Schrank wieder zu sich zurück. Die Kante hinterließ eine unschöne Narbe in der Raufasertapete. Dabei hakte sich nur eine der beiden Aufhängungen in die Schraube ein. „Spinsnt du? Was hast du mit der Wand angestellt!?“ „Der Schrank hängt doch davor, das sieht man nachher gar nicht mehr!“, verteidigte sich Kai. „Ich seh das schon noch“, meckerte Yuriy, „denn der blöde Schrank hängt noch schief!“ Kai gab einen frustrierten Ton von sich und boxte mit der flachen Hand gegen den Schrank, um ihn auszurichten. „Besser so?!“, fauchte er. Sie funkelten sich beide einen Moment lang an. Gerade wollte Yuriy schon durchatmen, weil es ja scheinbar doch gut gegangen war, da löste sich die Halterung, die einzige Schraube, die das Möbelstück hielt, kippte. Der Schrank drehte sich um die Schraube herum. Mit großen Augen versuchte Kai, das sich ankündigende Unglück zu verhindern, während Yuriy dem Ganzen nur regungslos zuschauen konnte. Erbarmungs- und hinderungslos knallte der Schrank auf die neue Anrichte und kippte dann auch einem Meter Höhe auf den Boden, wo er unrettbar zerschellte. Kai fluchte laut und nuckelte an seinem Daumen, bevor er sich hinkniete und die Überreste begutachtete. Yuriy starrte ihn an. „Was stimmt nicht mit dir?!“, schrie er ihn dann an. Kai, unter Schmerzenstränen, und zwei blutigen Zeige und Mittelfingern, brüllte zurück: „Such dir was aus!!“ Eine Weile herschte Schweigen, während sie sich gftig anfunkelten. Plötzlich fing Yuriy an zu lachen. Er lachte und lachte und rieb sich über das Gesicht. „Findest du das so lustig?!“, fauchte Kai. Yuriy nahm ein Küchentuch und wickelte es sanft um Kais wunde Finger. „Schon ein bisschen.“ Als er Kai sanft auf die Stirn küsste, verpuffte die dahinter brodelnde Wut und Frustration langsam. „Komm, ich mach dir ein Pflaster drauf.“ „Du hättest auf mich hören sollen, Yura!“ „Ja. Demnächst lassen wir Boris für uns arbeiten.“       ______________________________________ [1] Ебанько – beschreibt eine einfach nur sehr ungeschickte Person. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)