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Er nannte sie "Kücken"

der Sommer nach der Schlacht um Hogwarts
von

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Die Gedenkfeier

Für die Malfoys hatte eine sehr nervenaufreibende Phase begonnen. Vor allem Draco litt stark unter den ständigen Verhören. Er hatte große Angst davor, dass man ihn zu einer Gefängnisstrafe nach Askaban verurteilen würde. Auch seine Mutter Narzissa war nervlich sehr angespannt. Lediglich Lucius konnte Ruhe bewahren. Er war schließlich bereits einmal in Askaban gewesen. Außerdem vertrat ein langjähriger Freund der Familie Malfoy ihre Rechte vor Gericht. Und ihr Rechtsverteidiger Theodor Lambertus Greengrass war positiver Dinge. Er war ein gutherziger, wenn auch sehr gerissener Mann, mit einer Leidenschaft für die Justiz in der Magischen Welt. Mit seiner Ehefrau Victoria Ethel Greengrass hatte er eine kleine Kanzlei und war in der Zauberwelt hoch angesehen.

„Natürlich hängt auch vieles von den Aussagen von Harry Potter ab!“ hatte er den Malfoys erklärt.

Auch das noch! Zwar hatte Harry bislang immer zu Gunsten der Malfoys ausgesagt – was von Theodor auch bestätigt wurde. Und trotzdem war es für Draco irgendwie bitter, dass seine Verurteilung wohl auch von den Aussagen seines Erz-Rivalen abhängig war.
 

Draco Malfoy suhlte sich jedenfalls in Selbstmitleid. Seine Tante Beatrix hatte jedoch eine Menge interessante Bücher über Alchemie und schwarzer Magie hinterlassen. Das Lesen lenkte ihn ein wenig von seinen Depressionen ab. Manchmal ging er ein wenig wandern, wenn er es zu Hause nicht mehr aushielt. Bei seinen Eltern ließ er sich nur dann blicken, wenn sie gemeinsam aßen. So erfuhr er zumeist erst beim Mittagsessen, wenn er mal wieder zu einem Verhör geladen wurde. Doch an diesem Tag war ein anderer Brief an Draco angekommen.

„Du wurdest zu einer Gedenkfeier eingeladen, die die Hogwartsschüler organisiert haben.“ berichtete Narzissa und fuhr wie selbstverständlich fort: „Ich werde deinen Anzug aufbereiten lassen. Den einen ganz feinen in Anthrazit, den wir für dich erst kürzlich angefertigt haben lassen. Du könntest ein schwarzes Hemd dazu tragen, dann wirkst du nicht mehr so blass.“

„Ich habe Migräne, Mutter...“ sagte Draco kalt, um ihr zu verstehen zu geben, dass er nicht dort hingehen werde.

Wütend sprang Narzissa auf, zog ihren Zauberstab und ließ aus diesen einen blauen Blitz in Draco's Richtung zucken. Er sprang erschrocken auf.

„Mum!“

Hatte seine Mutter etwa den Verstand verloren?

„Du gehst dort hin und wenn ich dich hin prügeln muss, Freundchen!“ fuhr sie ihren Sohn an. Sie war wütend.

„Ich bin als Todesser nicht dort willkommen! Und das weißt du!“ konterte er, doch Narzissa ließ nicht locker.

„Da! Schau mal, wer die Einladung mit unterschrieben hat!“ sie deutete auf die Unterschrift von seinem Freund Gregory Goyle. „Wenn du nur einen Funken Anstand hättest...“

„Anstand?!“ wiederholte er spöttisch und musste erneut ihren blauen Blitze ausweichen. „Dad?!“

Lucius hatte die ganze Eskalation ruhig, aber genervt verfolgt. Er stand auf und nahm seiner Frau den Zauberstab ab und Draco glaubte tatsächlich, dass wenigstens sein Vater mal auf seiner Seite war. Doch da täuschte er sich.

„Du gehst dort hin. Um dort dein Gesicht zu wahren – und das deiner Familie!“ sagte er und seiner Stimme duldete keinen Widerspruch. „Deine Mutter und ich haben akzeptierst, dass du nicht mehr nach Hogwarts zurückkehren wirst. Und das, obwohl Mcgonagal dich sogar wieder aufnehmen würde...“

„Aber wohl kaum, wenn ich nach Askaban kommen sollte!“ gab Draco schnippisch zurück.

„Du kommst nicht nach Askaban!“ langsam verlor auch Lucius die Geduld. „Theo hat gesagt...“

„Theodor ist kein Richter, der über unser weiteres Leben entscheiden wird“ schrie Draco seinen Vater an.

„... dass die Richter wohl von einer Verurteilung absehen werden!“ beendete Lucius seelenruhig seinen Satz und sah ihn scharf an. „Es ist mir egal, wenn du dein Leben unbedingt wegwerfen willst. Und meinetwegen verkrieche dich auch weiterhin in unserem Haus. Aber auf dieser Feier lässt du dich gefälligst blicken...“
 

Draco nickte schließlich, entschuldigte sich knapp bei seinen Eltern und ging auf sein Zimmer zurück. Er hatte wohl keine andere Wahl als sich den Wunsch seiner Eltern zu beugen. Eigentlich konnte es ihm ja auch egal sein. Denn längst waren ihm seine Mitschüler egal gewesen. Alles war ihm egal gewesen. Immerhin musste er keine Verurteilung befürchten, denn die Angst vor Askaban war tatsächlich groß in ihm. Doch noch war dies nicht amtlich und verbrieft gewesen. Noch war die Entscheidung weder erlassen, noch rechtskräftig gewesen.
 

Astoria Greengrass packte ihre beiden Musikinstrumente ein und Gregory Goyle brachte diese ins Auto. Sie ging zum Garderobenspiegel. Zu ihrem schwarzen Etuikleid wollte sie einen schwarzen Fascinator mit einem schwarzen dünnen Schleier ins kastanienbraune Haar stecken.

„Übertreibe es nicht!“ blaffte sie ihre Schwester Daphne im Vorbeigehen an. „Komm jetzt, du musst dich doch noch einspielen!“

Astoria ließ es dann doch dabei und folgte den beiden anderen nach draußen.
 

Die Gedenkfeier fand in Hogsmeade in der Gaststätte „Drei Besen“ statt. Oder genauer gesagt, im großen Saal im hinteren Teil der Gaststätte, der nur für geschlossene Gesellschaften benutzt wurde. Das Orga-Team der vier Häuser hatte bereits alles hübsch hergerichtet, mit kleinen Stehtischen hinten und Stühlen im vorderen Bereich. Ringsherum standen große, schwarz-weiß Porträts jener, die bei der Schlacht um Hogwarts ums Leben gekommen waren. Es gab auch eine kleine Bühne und einen kleinen angrenzenden Nebenraum, den man seitlich von der Bühne aus betreten konnte. Zusammen mit Goyle betrat Astoria die Bühne und stellte ihre Instrumente auf. Goyle baute ihr den Notenständer auf, blickte zu ihr und fragte, ob alles in Ordnung mit ihr sei. Ihr Gesicht war furchtbar blass und wirkte leicht eingefallen. „Mir ist etwas flau...“ log sie doch in Wahrheit fühlte sie sich, als hätte sie einen riesigen Klotz im Magen.

„Ich gehe dann mal zu den Anderen – Teambesprechung...“ murmelte er und trottete davon.

Astoria begann ihre Instrumente zu stimmen. Erst die Querflöte aus magischen Rosenholz. Sie spielte im Stehen ein paar Töne und ging ein wenig hin- und her. Als sie ihre Flöte gestimmt hatte, setzte sie sich auf den Schemel neben ihrer Harfe mit diesen schönen Ebenholz-Rahmen und den eingeschnitzten, magischen Runen darauf. Auch hier brauchte sie nicht lange, bis die Töne passten. Sie begann schließlich auf ihr zu spielen. Einfach so, ein paar Melodien in Moll. Astoria versank in ihre Welt und bemerkte noch nicht mal, als sich der Saal allmählich füllte. Schüler und Schülerinnen begrüßten und umarmten sich. Manche wischten sich Tränen aus dem Gesicht und betrachteten die Porträts. Ja, genau so, wollten sie die Toten in Erinnerung behalten.
 

Der Saal war bereits gefüllt, als Draco Malfoy ankam. Er war allein und seine Augen suchten nach einem bekannten Gesicht. Natürlich fühlte er sich unwohl, so als ob er ständig beobachtet wurde. Also ging er direkt zu einem der noch freien Stühlen und setzte sich, als er Astoria bemerkte. Diese hatte zweimal unauffällig auf den Holzrahmen geklopft und nun spielte sie mehrere Akkorde auf ihrer Harfe. Die Runen leuchteten in einem blauen Licht auf. Irgendwie war Draco bei ihrem Anblick verzaubert gewesen. Und das obwohl sie so blass und fertig wirkte. So zierlich, so hilflos, so verstohlen und doch so anmutig. Plötzlich klopfte sie dreimal auf den Holzrahmen ihrer Harfe und diese begann, die eben von ihr eingespielten Akkorde von selbst zu spielen. Sie stand auf, nahm ihre Querflöte und spielte eine Melodie dazu. Diese klang so süß, lieblich und doch melodisch. Die Anwesenden lauschten auf. Das war doch ein Walzer gewesen. Eine Walzer-Melodie, die sie irgendwoher kannten. Es war die Hauptmelodie eines Walzer-Stücks gewesen, welches damals auf dem Weihnachtsball gespielt wurde. Augen begannen zu leuchten, eine paar Tränen kullerten vor Rührung, ein kleines Lächeln hier und da – und tatsächlich begangen einige der Schüler auf ihren Stühlen leicht im Takt mit zu wippen. Diesen Walzer noch mal zu hören, schenkte den meisten Schüler und Schülerinnen Trost und ließ sie in eine Zeit zurück versetzen, wo die Welt noch in Ordnung war. Auch Draco erinnerte sich kurz an den Ball zurück. Er hatte das tanzen damals sogar teilweise genossen – vielleicht auch, weil Pansy, seine damalige Begleitung, ihn nicht mehr auf den Wecker fiel und einfach nur mit ihm tanzte.
 

„Vielen Dank, Astoria Greengrass für deine wundervolle musikalische Untermalung!“

Sie lächelte tatsächlich schwach, als ihre Mitschüler für sie applaudierten. Dann verschwand sie samt Flöte und Notenständer in den Nebenraum. Gregory Goyle folgte ihr, um ihr ihre Harfe zu bringen. Doch kaum in Nebenraum angekommen, traf es ihr wie ein Schlag. Sie wurde von ihren eigenen Gefühlen überrollt. Dann sank sie auf ihre Knie und fing an bitterlich zu weinen. Goyle ging sofort zu ihr, doch sie hörte einfach nicht mehr auf zu weinen. Jetzt war er mit der Situation überfordert. Er verließ unauffällig den Nebenraum und die Bühne und suchte nach Daphne.

„Verdammt, ich hätte sie nicht hierher bringen sollen...“ fluchte diese leise und verschwand mit ihm in den Nebenraum, ohne dass jemand davon etwas mitbekommen hatte. Auch nicht Draco, der nur wenige Meter von Daphne entfernt gesessen hatte. Dieser verfolgte die Ansprachen der jeweiligen Schüler aus den vier Häusern. Gregory Goyle war als Letztes dran und wirkte ziemlich angespannt, was auch Draco auffiel. Doch mit seiner Ansprache hatte er zumindest ein gutes Händchen gehabt – wenn er diese auch etwas verkrampft wiedergab.
 

Schließlich war der „offizielle“ Teil der Gedenkfeier vorüber. Die Mitschüler gingen durch den Saal, unterhielten sich an den Stehtischen oder betrachteten die Porträts. Draco suchte in der Menge nach Astoria. Er wollte ihr sagen, dass sie wundervoll musiziert hatte und sie ihn tatsächlich beeindruckt hatte. Doch sie war nirgends zu sehen. Auch Daphne war wie vom Erdboden verschluckt. Das kann doch gar nicht wahr sein, er hatte Daphne doch eben noch gesehen! Da hörte er plötzlich eine ihm wohl bekannte Stimme: „Suchst du jemanden?“

Es war Pansy Parkinson. Sie stand an einem der Stehtische, zusammen mit Millicent, Blaise und Gregory – die ganze Malfoy-Gang war vereint. Die fast ganze Malfoy-Gang. Er ging mit einem „Hallo...“ zu ihnen. Kurzes nicken und betretenes Schweigen.

„Gute Rede, Goyle... sagt mal, habt ihr Astoria gehen? Ich wollte ihr...“

„Sie ist mit Daphne bereits nach Hause gegangen.“ unterbrach ihn Goyle sofort. „Sie hatte hinter der Bühne einen Nervenzusammenbruch gehabt.“

„Was ist denn bloß passiert?“ Draco war entsetzt, dies zu erfahren. Die anderen sahen ihn jedoch fassungslos an.

„Weißt du das denn etwa nicht?!“ fragte Millicent ihn verdutzt. „Ihr Freund Casper gehört auch zu den Toten!“

Draco sah, wie Pansy's verbitterter Blick zu den Porträts ging. Und dann sah auch er es. Direkt neben dem Foto von Vincent Grabbe, stand das Foto von Casper Jesse Montgomery, der mit smarten Lächeln dreinblickte. Es war Draco selbst, der einst über ihn sagte:
 

„Er ist so sportlich, dass ich ihn glatt in die Quidditch-Manschaft aufnehmen würde – wenn er nur nicht so scheiße im Besenfliegen wäre!“


 

Rein optisch war Casper wohl das Gegenteil von Draco gewesen. Er war ein Jahr jünger als Draco gewesen und von größerer Statur. Seine braunen Haare waren leicht gelockt und seine Haut hatte stets eine leichte Sonnenbräune gehabt. Er hatte braun-grüne Augen, die vor Charisma nur so sprühten und ein strahlendes Lächeln war voller Charme.

„Er war ihre erste große Liebe und er hat ihr das Leben gerettet...“ fuhr Millicent fort und ihre Worte trafen Draco ins Herz.

Er hatte also ihr Leben gerettet. Wie edel, wie tapfer und wie ritterlich er doch bis zuletzt war. Doch war das noch nicht genug gewesen, erzählten nun Blaise und Gregory ihm auch noch, wie sie die beiden gefunden hatten. Nun verstand Draco, warum Astoria hinter der Bühne zusammenbrach. Sie liebte ihn und Casper hatte sie geliebt. Und zwar so sehr, dass er bereit war, sein Leben für sie zu opfen. Wie bitter eine Liebe zwischen zweier Menschen doch sein konnte.

„Danke, dass ihr ihn da raus geholt habt.“ sagte Draco aufrichtig und die beiden Jungs nickten, während Pansy sich auf die Zunge gebissen hatte. Beinah hätte sie hinzugefügt, dass sie kurz davor gewesen war, Astoria zu ohrfeigen. Sie war froh, dass sie das nicht gesagt hatten, denn sie konnte Draco gerade überhaupt nicht einordnen. Er war so eigenartig. So kannte sie ihren Freund gar nicht. Und waren sie überhaupt noch zusammen? Was war eigentlich zwischen ihnen? Sie beobachtete ihn. Er wirkte so geistesabwesend, wie er die Porträts von Vincent und Casper betrachtete. Und auch die anderen schwiegen.
 

„Was ist eigentlich nur los mit dir?!“ fragte Pansy ihn plötzlich irritiert. Draco drehte sich zu ihr um.

„Ich habe Migräne...“ sagte er mit kalter Stimme.
 

Dann nickte er dem Rest der ehemaligen Malfoy-Gang kurz zu und machte sich auf den Weg nach Hause.



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