Tian Guan Ci Fu von Naib_Subedar (Heaven Official's Blessing) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 / Prolog ----------------------------- Unter all den Göttern und Buddhas des Himmels, gab es ein ganz besonderes Gespött, dass traurige Berühmtheit in allen drei Reichen erlangt hatte. Legenden berichten, dass vor achthundert Jahren ein altes Königreich in der Mittelwelt existierte, die Nation von Xianle genannt wurde. Dieses alte Reich hatte ein riesiges Territorium, reichlich Ressourcen und zufriedene Bürger. Das Land besaß vier Schätze: zarte Schönheiten in Hülle und Fülle, blühende Kunst und Literatur, Schätze aus Gold und Juwelen und zu guter Letzt ihre berühmte Königliche Hoheit, den Kronprinzen. Wie konnte man eben jenen Prinzen wohl am besten beschreiben? Nun, er war ein einzigartiger Mann. Er wurde von dem König und der Königin geliebt und verhätschelt. Sie sagten oft genug: Unser Sohn wird eines Tages einen großartigen Herrscher abgeben und einen bleibenden Eindruck in der Geschichte hinterlassen. Doch wie das Schicksal so wollte, war der Kronprinz nicht im geringsten an der imperialen Macht oder den Reichtum, den sein Stand mit sich brachte, interessiert. Wie er in seinen eigenen Worten gern zu sagen pflegte und zugleich beschäftigt hielt, war: “Ich werde die Menschen dieser Erde schützen!” ___ Als der Kronprinz jung war, konzentrierte er sich nur auf seine spirituelle Ausbildung und zwei kleine Geschichten verbreiteten sich über seinen Pfad der Kultivierung. Die Erste Geschichte ereignete sich, als er siebzehn Jahre alt war. In diesem Jahr wurde das große Shangyuan¹ - eine himmlische, zeremonielle Prozession in dem Königreich von Xianle abgehalten. Diese Tradition war schon vor vielen Jahrhunderten verloren gegangen, aber dank der mündlichen Überlieferungen und den Schriftstücken die aufbewahrt wurden, konnte man sich ohne Probleme vorstellen, was für ein Grandioses und überschwängliches Ereignis dieses Laternenfestival gewesen war. Es ereignete sich auf der großen, göttlichen Straße, während des wundervollen Lampion Festivals. Ein Meer an Menschen hatte sich zu beiden Seiten der breiten Straße versammelt, während die Herrschaften und der Adel sich auf hohen Plattformen vergnügten und unterhielten. Festlich gekleidete Soldaten in schimmernden Rüstungen geleiteten die Prozession zu beiden Seiten und öffneten den Pfad, für die schönen Frauen, die das Publikum mit eleganten Tänzen unterhielten. Ihre zarten Hände verstreuten Blüten, von denen niemand mit Sicherheit sagen konnte, ob nun die Frauen oder die zierlichen Blumen schöner anzusehen waren. Aus einer goldenen Kutsche kam melodische Musik, welche sich durch die Luft über die gesamte Stadt erhob und zuletzt folgte eine große Bühne, welche von sechzehn weißen Pferden in goldenen Geschirren gezogen wurde. Über ihnen thronte eine große Plattform, auf der sich der gottgefällige Krieger befand, der die Aufmerksamkeit aller auf sich zog. Während der zeremoniellen himmlischen Prozession trug der gottgeliebte Krieger eine goldene Maske. Gehüllt in glamourösen Gewändern und mit einem heiligen Schwert in der Hand, spielte er die Rolle des höchstrangigen Kriegsgottes, der seit über Tausend Jahren das Böse nieder ringt: der himmlische Kriegs Kaiser, Jun Wu. Es war die größte Ehre dazu auserwählt zu werden, den gottgefälligen Krieger zu spielen und so waren auch die Auswahlkriterien unglaublich strikt. Jener, der dieses Jahr gewählt wurde, war der junge Kronprinz. Jeder erwartete von ihm, dass er den aufregendsten und hinreißendsten Auftritt vorführen würde, die je ein Auserwählter bewältigen konnte. Doch an eben jenem Tag ereignete sich ein Unfall. Während der dritten Stunde der Prozession passierten sie gerade eine der turmhohen Stadtmauern. Zu jenem Zeitpunkt war der Kriegsgott dabei, den grauenhaften Dämon mit einem Streich seiner Waffe zu erschlagen. Es war der Höhepunkt der Aufführung und zu beiden Seiten der Straße war die Luft schwanger vor Aufregung und beinah greifbar. Auch auf der Spitze der Stadtmauern tummelten sich die Menschen, schoben und schubsten einander, um einen besseren Blick hinab zu erhaschen. Und ausgerechnet dann, stürzte ein kleines Kind über die Kante der Mauer. Schreie stiegen zum Himmel auf. Gerade, als jeder dachte, das Kleinkind würde die große Kriegsmeile mit seinem Blut besudeln, sah der Kronprinz auf, sprang hervor und fing den Jungen auf. Die Menschen erhaschten nur den Blick auf eine weiße Silhouette, die einem Vogel im Sturzflug gleich, vorschnellte, ehe der Prinz auch schon sicher mit dem Kind in seinen Armen auf dem Erdboden gelandet war. Die goldene Maske war während des Aktes gefallen und enthüllte das hübsche Gesicht, dass dahinter verborgen gewesen war. Im nächsten Augenblick tobte die Menge vor Jubel. Die Menschen waren außer sich vor Freude und Glück, doch die Guoshi² des kaiserlichen Haushalts zeigten sich besorgt. Sie hatten niemals erwartet, dass sich so ein großes Problem anbahnen würde. Es war unheilvoll. Ein unverkennbar großes Unglück! Die kaiserlichen Minister waren so verzweifelt, dass ihnen die Haare, gleich wie Blätter im Herbstwind, von ihren Köpfen fielen. Nachdem sie sich beraten hatten, riefen sie den Kronprinz zu sich. Mit einer taktvollen Bitte traten sie an ihn heran: “Euer Hoheit, wärt Ihr bereit einen Monat lang Euren Blick gen Mauer zu richten, um Euer Handeln zu reflektieren? Es muss kein vollkommener Monat sein, aber es sollte eine Geste sein, die Eure Absichten widerspiegeln.” Der Kronprinz hingegen lächelte nur und verneinte diese Bitte. Was genau er sagte, war folgendes: “Ein Menschenleben zu retten kann nichts Schlechtes sein. Wieso sollte der Himmel mich für so eine Tat verurteilen, wenn es doch die Richtige war?” “Uh… Aber was, wenn der Himmel doch über Euch richtet?” “Dann würde der Himmel einen Fehler begehen. Wieso sollte ich mich bei jemanden Entschuldigen, der unmissverständlich falsch liegt?” Die Guoshi konnten darauf nichts erwidern. Dies war die Art des Kronprinzen. Er ist niemals in etwas geraten, dass er nicht überwinden konnte, oder hatte jemanden getroffen, der ihn nicht liebte. Er war die Gerechtigkeit auf der Erde und er war der Mittelpunkt der Welt. Doch selbst wenn die Guoshi frustriert waren, - Was zur Hölle wusste der Prinz schon?! - lag es nicht in ihrer Macht, ihre Stimme zu erheben, genauso wenig wie sie es nicht zu wagen brauchten, zu viel zu sagen. Seine Hoheit würde sowieso nicht auf sie hören. _____ Die zweite Geschichte ereignete sich im selben Jahr, als der Kronprinz Siebzehn war. Legenden erzählten, dass es einst im Süden einen gelben Fluss gab, über den eine Brücke führte, die den Namen Yinian³ trug. Auf dieser Brücke hauste seit vielen Jahren ein Geist. Dieser Geist war äußerst furchteinflößend, gekleidet war er in einer zerbrochenen Rüstung, die Flammen seines Karmas brannten zu seinen Füßen, während sein Körper in Blut getränkt, durch allerlei scharfer Waffen, die durch seinen Leib gespießt worden waren. Jeden Schritt, den er tat, hinterließ ein Fußabdruck aus Blut und Feuer. Alle paar Jahre tauchte dieser Geist plötzlich des Nachts auf, wanderte von einem Brückenkopf zum anderen und versperrte Reisenden den Weg, während er ihnen drei Fragen stellte. “Was ist dies für ein Ort?” “Wer bin ich?” “Was muss getan werden?” Der Geist verschlang jeden, der seine Fragen falsch beantwortete. Jedoch kannte niemand die richtigen Antworten und so vergingen Jahre, in denen dieses Wesen unzählige Reisende fraß. Während eines Botengangs fing der Kronprinz Gerüchte darüber auf. So ging er und fand die Yinian Brücke, bewachte sie Nacht für Nacht, bis endlich, eines Tages, er den heimsuchenden Geist antraf. Als diese Monstrosität auftauchte war er wirklich so grauenhaft, wie es die Legenden berichteten. Auch den Prinzen fragte der Geist die erste Frage und dieser antwortete ihm mit einem Lächeln. “Dies ist die Menschenwelt.” Doch der Geist antwortete. “Dieser Ort ist der Abgrund.” Ein vielversprechender Start, wenn schon die erste Antwort die Falsche war. “Nun, alle drei Antworten wären ohnehin die Falschen gewesen.” dachte der Prinz. “Also wieso sollte ich warten, bis du sie alle gestellt hast?” Und so zog er seine Waffe und griff an. Der Kampf war ein heilloses Chaos. Der Kronprinz war in der Kampfkunst geschult worden, aber dieser Geist war grausam und erbarmungslos. Dieser Mann und die Monstrosität kämpften ohne Unterlass so lang, dass sich Sonne und Mond abwechselten. Letztendlich wurde der Geist dennoch besiegt. Nachdem das Wesen besiegt worden war, pflanzte der Kronprinz einen Blüten treibenden Baum in der Nähe des Ufers, am Kopf der Brücke. Ausgerechnet dann, kam ein Wandermönch seines Weges und beobachtete ihn dabei, wie er mit einer Handvoll glitzernden Drecks den Geist endgültig verabschiedete. Er fragte: “Was tut ihr da?” Und so sprach der Prinz seine wohl berühmtesten Worte: “Der Körper im Abgrund. Das Herz im Paradies.” Als der Mönch dies hörte, lächelte er. Erst dann verwandelte er sich in einen göttlichen Krieger in weißer Rüstung, zu dessen Füßen feierlich Wolken schwebten, ehe diese ihn im Wind und heiligem Licht hinauf in den Himmel trugen. Erst da wurde dem Kronprinzen bewusst, dass er aus Versehen dem himmlischen Kriegskaiser gegenüberstand, der persönlich vom Himmel herabgestiegen war, um das Böse auf der Ebene der Sterblichen zu erschlagen. All die Götter und himmlischen Wesen hatten bereits von dem gottgefälligen Krieger gehört, als er den waghalsigen Sprung während des Laternenfestes gewagt hatte, um ein Leben zu schützen. So kam es, dass nach ihrer Begegnung an der Yinian Brücke die anderen Gottheiten den Kaiser fragten: “Wie denkt Euer Lordschaft über den jungen Herrscher?” Der Kaiser antwortete: “Die Zukunft dieses Kindes ist unendlich.” In dieser Nacht ereignete sich ein göttliches Phänomen, als sich der Himmel über dem Palast öffnete und ein Sturm tobte. Zwischen den flackernden Blitzen und dem tosenden Donner war der Kronprinz zum Unsterblichen aufgestiegen. __ Jedes Mal, wenn ein Mensch in den Himmel aufstieg, würde dieser erbeben. Als der Kronprinz dran war, wurde der Himmel mit einer Heftigkeit durchgerüttelt, die dreimal stärker als gewöhnlich war. Um diesen zustand der Weisheit zu erreichen, brauchte es einige schwierige Dinge. Man benötigte Talent, Bildung und Glück. Nicht selten war es der Fall, dass dieser Pfad sich erst nach hundert Jahren wieder auftat, bis ein neuer Gott geboren wurde. Es war nicht so, als gäbe es nicht vom Glück begünstigte Seelen, die schon in Jungen Jahren Gottheiten wurden. Aber es war doch eher so, dass diese Leute eine Minderheit zwischen all den anderen waren, die ihr Leben lang trainierten und selbst nach hundert Jahren keine himmlische Katastrophe zu Gesicht bekamen. Und selbst wenn ihnen dieses Unglück begegnete, überlebte es nicht jeder, der diese Prüfung probierte. Und selbst wenn sie versagten, aber nicht starben, war ihr Leben ruiniert. Ihre Zahlen waren so unzählig, wie es Sand im Ganges gab. Aber die meisten waren Ignorant und verbrachten ihr gesamtes Leben lieber als gewöhnlicher Mensch, anstatt ihren eigenen Pfad erneut zu suchen. Doch seine Hoheit war ohne Zweifel der Liebling des Himmels. Was immer er wollte, er bekam es, was immer er versuchte, er schaffte es. So war es nicht verwunderlich, dass er mit siebzehn ein Gott sein und aufsteigen wollte. Also stieg er tatsächlich auf und wurde ein Unsterblicher. Er war immer dem Willen der Menschen gefolgt und nun vermissten der König und die Königin ihren geliebten Sohn. Also ordnete der König an, dass man ihm Tempel und Schreine im gesamten Land errichten sollte, in denen man die Statue des Kronprinzen aufstellte und verehrte. Je mehr Gläubige er hatte, umso mehr Tempel sprossen aus dem Boden und umso länger war sein Leben und größer seine spirituelle Kraft. So kam es, dass in nur wenigen Jahren, der Xianle Palast des Kronprinzen zu unermesslicher Glorie aufstieg und den Gipfel der Pracht und des Wohlstandes erreichte. ____ Bis drei Jahre später Xianle in Chaos versank. Der Grund für das Chaos war die Tyrannei, gegen die sich das Volk in Form einer Rebellion erhob. Doch so sehr die Flammen des Krieges auch in der Welt der Sterblichen wüteten, konnten die Gottheiten der himmlischen Ebene nicht einfach so eingreifen. Die einzige Ausnahme bestand dann, wenn es sich um Geister, Monster oder Dämonen handelte die, die Grenzen unterwandert hatten. Ansonsten hieß es: Was passierte, passiert. Stellt euch nur vor: Konflikte gab es überall auf der Welt der Sterblichen und jeder war im Glauben dass die eigene Handlung gerechtfertigt sei. Wenn sich nun der Gott einmischte an jenem Tag und sein Land unterstützte, so würde eine andere Mitgottheit am nächsten Tag dafür Rache üben wollen. Dies würde dazu führen, dass die Unsterblichen im ewigen Zwist miteinander Liegen würden, was in einem Leben im Schande enden würde. Diese Situation erforderte von dem Kronprinz, dass er sich über diese Tatsache stellen und Abstand halten musste. Aber das Interessierte ihn nicht. Er sagte zum himmlischen Kaiser: “Ich will die Welt retten!” Der himmlische Herrscher war im Besitz von über Jahrtausend Alter göttlichen Macht, aber selbst er wagte nicht, solche Worte von seinen Lippen rollen zu lassen. Als er diese jedoch hörte, konnte man sich nur zu leicht vorstellen, was er dabei empfand und dennoch konnte er nichts gegen den Kronprinzen unternehmen. So sagte er: “Du kannst nicht jeden retten.” “Und wie ich das kann.” widersprach der Prinz. Und so sank er in die Welt der Menschen zurück, ohne zurückzublicken. Das Volk von Xianle freute sich natürlich. Aber in dieser alten Epoche hatten die Menschen immer wieder eine einzige Wahrheit unter ihresgleichen gekannt: Wenn ein Gott ohne Erlaubnis den Himmel verließ, so würde daraus niemals etwas gutes resultieren. Und so kam es, dass die Flammen des Krieges nicht gelöscht wurden, sondern im Gegenteil noch wilder aufloderten. Es lag nicht daran, dass der Kronprinz nicht hart genug arbeitete, aber es wäre besser gewesen, wenn er es gar nicht erst versucht hätte. Je härter er mit Anfasste, umso schlimmer wurde der Krieg und umso mehr Menschen wurden auf entsetzliche Weise misshandelt und erschlagen. Die unzählbaren Mengen an Verwundeten und Opfer stieg unaufhörlich und letztendlich suchte eine Seuche die gesamte Nation heim, während die Armee der Rebellen durch die Stadtmauern brachen und mit ihrem einfallen in den Palast den Krieg beendeten. Viele sagten, das Schicksal Xianle’s war am seidenen Faden gehangen, doch als der Kronprinz kam, zerschnitt er diesen. ____ Nachdem das Königreich gefallen war, erkannten die Menschen eine Sache: Der Kronprinz, den sie als Gott angebetet hatten, war nicht das Perfekte Wesen oder so Stark, wie sie ihn sich immer vorgestellt hatten. Um es gröber Auszudrücken: War er nicht einfach nur Nutzlos, der überhaupt irgendetwas richtig machen konnte?! Ohne ein Ziel zu haben, gegen den sie ihre Frustration und ihre Schmerzen richten konnten, den der Verlust ihrer Heimat und Familien mit sich brachte, wandten sich die Menschen gegen die Plätze, an denen sie zuvor den Kronprinzen verehrt hatten, zerstörten in ihrem Zorn die Schreine und Statuen und brannten letztendlich alles nieder. Achttausend Tempel brannten für sieben Tage und sieben Nächte, bis nichts mehr von ihnen übrig war. In diesem Augenblick verschwand der Kriegsgott, der den Frieden schützte und Sicherheit brachte und ein Gott des Unglücks, der Katastrophen brachte, war geboren worden. Wenn die Menschen dich einen Gott nennen, so bist du ein Gott. Betiteln sie dich als Abschaum, so bist du Abschaum. Du bist das was sie sagen. So war es immer gewesen. ___ Der Kronprinz konnte diese Wahrheit nicht akzeptieren, egal was war. Was er noch weniger begreifen konnte, war die Strafe, die seine Taten mit sich zog: Die Verbannung. Seine spirituellen Kräfte wurden versiegelt und sein Körper hinab auf die Erde gestoßen. Er war verwöhnt und verhätschelt aufgewachsen, er schmeckte niemals das Leid eines gewöhnlichen Menschen zuvor, und nun war er von den Wolken hinab in eben jenen Dreck gestürzt. Und dort in diesem Matsch begriff er zum ersten Mal, was es hieß in Hunger, Armut und Schmutz zu leben. Dies war auch das erste Mal, dass er etwas tat, woran er zuvor nie geglaubt hatte: Stehlen, Rauben, laut Fluchen und den Glauben an sich selbst verlieren. Er verlor alle Würde, sein Selbstwertgefühl war nahezu nicht mehr vorhanden und er war so schmuddelig und ungekämmt, wie man nur sein konnte. Selbst seine treuesten Diener konnten diese Veränderung nicht akzeptieren und entschlossen sich zu gehen. “Körper im Abgrund, Herz im Paradies.” Diese Worte waren auf vielen Steinmonumenten eingeschlagen worden und verpesteten ganz Xianle. Wenn das Königreich nicht beinah bis in seine Grundmauern während des Krieges niedergebrannt worden wäre, so hätten diese Überreste den Prinzen dazu verleitet, bei ihrem Anblick, die letzten traurigen Reste eigenhändig zu zerstören. Die Person, die einst diese Worte sagte, hatte persönlich bewiesen, dass das Herz nicht in das Paradies kommen konnte, wenn der Körper im Abgrund verrottete. Er war schnell in den Himmel aufgestiegen, aber er stürzte noch schneller aus dieser Großartigkeit hinab. Die bewundernden Blicke auf der großen, göttlichen Straße, die Begegnung mit dem Bösen an der Yinian Brücke, es war ihm, als sei es gestern erst gewesen. Aber nachdem der Himmel noch eine Weile darüber flüsterte, war auch das in der Vergangenheit zum Ruhen gekommen. Zumindest so lange, bis viele Jahre später der Himmel erneut von einem donnernden Beben heimgesucht wurde. Seine königliche Hoheit war ein zweites Mal aufgestiegen. In allen geschichtlichen Aufzeichnungen war vermerkt, dass jeder göttliche Beamte, der aus dem Himmel verbannt wurde, sich entweder nicht von dem Schlag erholte, oder hinab in die Geisterebene stürze. Es hatte nie jemanden gegeben, der einen neuen, frischen Pfad beschritt, nachdem sie verbannt wurden. Der zweite Aufstieg war prächtig und spektakulär. Doch noch unglaublicher war die Tatsache, dass er nach seinem Aufstieg, auf die Himmlischen Ebene nieder fuhr und mit voller Kraft, seine Wut und Frustration freien lauf ließ. Und so kam es, dass er innerhalb einer halben Stunde erneut aus dem Himmel geworfen würde. Eine halbe Stunde. Das war der kürzeste und schnellste Aufstieg in der Geschichte. Wirkte die erste Beförderung noch wie ein schönes Märchen, so glich die zweite einer Farce. _______ Nachdem er zwei mal Verbannt wurde, blickte die Himmlische Ebene voller Verachtung auf den Kronprinzen hinab. Und in dieser Geringschätzung schlich sich auch die Vorsicht. Immerhin war er schon nach der ersten Verbannung am Drohen und nun, nach der Zweiten, würde er möglicherweise rasend vor Wut sein und seine Rache gegen die Welt richten wollen? Aber niemand ahnte, dass er nicht seiner Wut verfiel, als er erneut Verbannt wurde und sich stattdessen recht schnell den Umständen anpasste. Es gab kein einziges aufkommendes Problem… Vielleicht nahm er die Dinge doch ein wenig zu ernst. Manchmal gab er sich als Straßenmusikant am Ende einer Straße aus und spielte Meisterhaft seine Instrumente, sang dabei sämtliche Liedtexte, die er kannte oder zerbrach als kleinen Trick eine Steinplatte auf seiner Brust, was für ihn keine schwierigkeit darstellte. Während schon lange bekannt war, dass seine königliche Hoheit singen und tanzen konnte und ein Meister vieler weiterer Talente war, war es doch ungewohnt zu sehen, dass diese Fähigkeiten auf so eine einfache Weise ihren Weg in die Welt fanden. Ein andermal erwischte man ihn dabei, wie er gewissenhaft und bescheiden Schrott und Müll auflas. Alle Gottheiten waren bis ins Innerste erschüttert. Niemand hatte geahnt, dass die Dinge diesen Lauf nahmen und sie an einen Punkt ankamen, an dem jemand sagen würde “der Sohn dem du das leben schenktest, könnte der Kronprinz von Xianle sein” und diese Worte wären ein niederträchtigerer Fluch als jemanden zu wünschen: “Mögest du ohne Söhne sterben.” Einst war er der Noble und liebenswürdige Kronprinz, ein himmlischer Beamter, der die göttlichen Ränke emporgestieg. Aber wer sich so in das Schlamassel reitete, da gab es niemanden mehr, der ihn Übertreffen konnte. Und so war die Geschichte über den Mann, der als Gespött der Drei Reiche bekannt wurde, geboren. Neben dem Gelächter hatte dennoch so manch eine sentimentale Seele, ein mitleidiges Seufzen für ihn übrig. Der Liebling des Himmels, der einst so hoch stand, war wirklich und wahrhaftig verschwunden. Keine göttlichen Statuen mehr, das Heimatland zerstört und kein einziger Gläubiger war mehr übrig. Allmählich geriet er in Vergessenheit und niemand wusste, was aus ihm geworden war. ________ Viele weitere Jahre vergingen, als eines Tages wieder ein gewaltiges Beben den Himmel in aufruhr versetzte. Der Himmel stürzte ein, die Erde brach, der Boden bebte und die Berge erzitterten. Das Licht der immer brennenden Laternen erschauderten, die Glühwürmchen flogen aufgebracht umher und alle himmlischen Beamten wurden in ihren eigenen goldenen Palästen aus dem Schlaf gerissen, ehe ein jeder von ihnen hinaus rannte und fragte: Welche neue Gottheit ist eingetroffen? So ein prunkvolles erscheinen! Doch wer konnte ihnen verübeln, dass sie sich nur die ersten Sekunden ihrer Verwunderung hingaben, nur im nächsten moment wie vom Blitz getroffen zu erstarren. - Warst du nicht hier fertig?! - Der berühmte Sonderling, das Gespött der drei Welten, die legendäre königliche Hoheit der Kronprinz, er - er -er -er war verdammt nochmal schon wieder aufgestiegen! _______________________________________________ ¹ Shangyuan Festival - Das Laternen- oder Yuanxiao-Fest ist ein traditioneller chinesischer Feiertag, der das mehrtägige Neujahrsfest abschließt. ² Guoshi kann man mit Gelehrter am Königshof übersetzen. Sie waren Lehrer, Berater, Kaplane und arbeiteten oft als Religiöse Vertreter unter dem Herrscher am Königshof oder bildeten die Nachfolger aus. ³ Yinian bedeutet 'ein Gedanke' oder 'flüchtiger moment' und beruht auf einem Chinesischen Sprichwort. "Falsche Entscheidungen werden in einem Augenblick der schwäche gefällt. Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Kapitel 2 Die Schrottgottheit betritt das Dritte mal die himmlische Hauptstadt “Herzlichen Glückwunsch, euer Hoheit.” Als er die Worte hörte, blickte Xie Lian auf und lächelte bevor er der Stimme antwortete: “Danke sehr, aber darf ich fragen, wofür ihr mich beglückwünscht?” Ling Wen Zhenjun¹ stand gerade, wie eine Kerze und mit ihren Händen in ihrem Rücken gefaltet, hinter ihm. “Ich beglückwünsche euch dafür, dass sie den ersten Platz beim Wettbewerb ‘der am meisten unerwünschten himmlischen Beamten, die binnen dieses Jahres aus dem Himmel geworfen werden sollten’ einnehmen.” “Nun, wie man es nimmt, der erste Platz, ist der erste Platz.” sagte Xie Lian. “Aber da Ihr mir schon gratuliert, gibt es einen Grund, Stolz oder Glücklich darüber zu sein?” “Ja” kam die Antwort von Ling Wen. “Der erste Platz auf dieser Liste erhält einhundert Verdienste².” Augenblicklich hellte sich Xie Lian’s Mine auf. “Wenn es in naher Zukunft weiterer solcher Wettbewerbe gibt, bitte, schreibt mich mit hinauf.” Ling Wen ignorierte den Einwand und fragte: “Wisst ihr, wer den zweiten Platz belegt?” Xie Lian wägte einen augenblick ab, ehe er antwortete. “Das ist schwer zu sagen. Bei meiner Popularität sollte ich auf den Plätzen Eins bis Drei liegen.” “Kommt nah dran.” erwiderte die junge Frau. “Es gibt keinen Zweiten Platz. Ihr seid allen soweit voraus, dass ihr eure Konkurrenten weit hinter euch zurückgelassen habt.” “Das ist zuviel der Ehre.” murmelte Xie Lian. “ Aber wem wohnte im letzten Kalenderzyklus der erste Platz inne?” “Es gab niemanden.” gab die sie ihm zur Antwort. “Weil dieser Wettbewerb erst seit heute besteht.” “Huh?!” nun war Xie Lian überrascht. “Ihr wollt mir sagen, man hat diese Liste extra für mich angefertigt?” Ling Wen musterte ihn einen moment, ehe sie wieder sprach. “So könnt ihr natürlich denken. Oder aber ihr stellt euch vor, dass ihr es gerade rechtzeitig geschafft habt, hier aufzutauchen und euch damit den ersten Platz schnappen konntet.” Xie Lian konnte nicht anders, als herzhaft zu grinsen. “Einverstanden. Irgendwie amüsiert es mich weit mehr, es auf diese Weise zu sehen.” “Wisst ihr, warum ihr den Ersten Platz belegt?” fragte Ling Wen weiter. “Wegen der Nachfrage nach Berühmtheiten?” vermutete Xie Lian. “Lasst mich euch den Grund erklärten.” meinte Ling Wen mit ihrer ruhigen, monotonen Stimme. “Bitte seht euch diese Glocke an.” Xie Lian wandte seinen Kopf in die Richtung, in die sie deutete und was er erblickte war eine atemberaubende, schöne Aussicht. In einiger Entfernung befand sich ein großer Palasttempel aus weißer Jade, mit reichlich Türmen, Pavillons und Lauben, die von himmlischen Wolken umschwärmt wurden. Bäche flossen und die Vögel tanzten in der sanften Brise. Eine Weile suchte er den Horizont ab, ehe er fragte: “Habt ihr vielleicht in die falsche Richtung gedeutet? Ich sehe nirgendwo eine Glocke?” “Habe ich nicht.” verneinte Ling Wen. “Sie ist gleich dort, seht ihr sie nicht?” Xie Lian folgte dem Deuten erneut mit dem Blick, ehe er den Kopf schüttelte und ehrlich antwortete. “Tu ich nicht.” Ling Wen nickte bei seiner Antwort leicht. “Es ist schon richtig, dass ihr sie nicht seht. Es gab dort eine Glocke, aber sie stürzte durch das Beben hinab, als ihr Aufgestiegen seid.” “...” “Diese Glocke ist Älter als ihr, aber sie hat einen beseelten Geist und genießt eine gute Show. Wenn jemand aufsteigt, so schlägt sie ein paar mal, wie zum Applaus. Den Tag, als ihr ankamt, waren die Beben so stark, dass die Glocke wie wild läutete, dass sie sich nicht zusammen reißen und stoppen konnte. Am Ende hatte sie sich dabei selbst aus der Verankerung gerissen und stürzte den Glockenturm hinab, ehe sie endlich verstummte. Als sie jedoch fiel, krachte sie auf einen passierenden himmlischen Beamten.” “Geht es denn wieder?” erkundigte sich Xie Lian vorsichtig. “Noch nicht, sie wird noch immer Repariert.” antwortete Ling Wen. “Eigentlich sprach ich von dem himmlischen Beamten, der verletzt wurde.” stellte er klar. “Denjenigen, den es traf, war ein Kriegsgott.” berichtete sie ihm weiter. “Ein drehen seines Handgelenks und die Glocke war an Ort und Stelle entzwei geschnitten. Nun seht bitte dort hinüber zu den Goldenen Palästen. Seht ihr sie?” Erneut hielt Xie Lian ausschau, auf was die Frau deutete und diesmal sah er zwischen dem Schleier aus Wolken die leuchtenden goldglänzenden Dächer. “Ah, dieses mal sehe ich es!” “Ihr solltet dort eigentlich nichts sehen.” korrigierte Ling Wen ihn. “Die Fläche sollte für gewöhnlich frei sein” “...” “Als ihr aufstiegt, stürzten viele der goldenen Säulen, die die Paläste der Gottheiten zierten, im zuge des Bebens ein und ihre Glasschindeln zerbrachen. Einige von ihnen werden nicht leicht wiederherzustellen sein, also haben die himmlischen Beamten alles in die Wege geleitet, um Notfall Paläste zu errichten, bis die Eigentlichen wieder bewohnbar sind.” “Und ich bin derjenige, der dafür Verantwortlich ist?” “Korrekt, das seid ihr.” “Mm….”Xie Lian wollte sicher gehen. “Also habe ich eine ganze Menge himmlische Beamte beleidigt in dem Augenblick, als ich den Himmel wieder betrat?” “Wenn ihr etwas beisteuert, vielleicht nicht.” antwortete Ling Wen. “Wie steuere ich bei?” “Ganz einfach. Spendet Acht Millionen Achthundert Achtzigtausend Verdienste.” Xie Lian grinste erneut. Allein deswegen sah sich Ling Wen dazu genötigt, etwas beizufügen. “Natürlich ist mir bewusst, dass ihr nicht einmal ein zehntel dieser Menge besitzt.” In aller Ehrlichkeit musterte Xie Lian die Frau einen moment, ehe er erwiderte. “Nun, wie soll ich sagen? Selbst wenn es mir aufrichtig und ehrlich leid tut, aber selbst wenn ihr nur ein Zehntausendstel von der Menge verlangen würdet, ich hätte sie nicht.” Das Vertrauen der menschlichen Gläubigen wurde für einen jeden himmlischen Beamten in spirituelle Kraft umgewandelt und stieg mit jedem Räucherstäbchen, dass für sie entzündet wird. Jede dieser Opfergaben wird unter den Göttern als “Verdienste” betitelt. Mit düsterem Blick wandte sich Xie Lian um und fragte ernsthaft: “Wenn ich euch erlaube, mich vom Himmel hinab zu treten, würdet ihr mir dafür die Acht Millionen Achthundert Achtzigtausend Verdienste überreichen?” Lin Weng schüttelte sachte den Kopf. “Ich bin eine bürgerliche Gottheit. Wenn ihr jemanden sucht, der euch gegen Bezahlung hinunter stößt, so werdet ihr einen Kriegsgott dafür ausfindig machen müssen. Je härter sie euch treten, umso mehr Verdienste könnt ihr verlangen.” Xie Liang stieß schwer den Atem aus. “Bitte erlaubt mir etwas darüber nachzudenken, was ich nun tun werde.” Ling Wen tätschelte ihm die Schulter. “Keine Sorge, man überquert erst eine Brücke, wenn man davor steht.” Mit Bitternis in der Stimme erwiderte Xie Lian: “Nur leider ist diese Brücke bereits abgebrannt.” Wäre es vor achthundert Jahren gewesen, als der Palast von Xianle noch an der Spitze des Reichtums stand, so wären Acht Millionen Achthundert Achtzigtausend Verdienste für ihn nichts gewesen. Der Kronprinz hätte sie mit offenen Händen zum Fenster hinauswerfen können. Aber die Gegenwart war nicht die Vergangenheit und alle seine Tempel in der sterblichen Welt sind schon vor langer Zeit bis in die Grundmauern niedergebrannt. Er hatte keine Gläubigen, kein Einkommen und keine Opfergaben. Was dieses Thema anging, gab es nichts mehr zu bereden. Egal wie er es drehte und wendete, er hatte nichts, nada, niente! Eine Weile kauerte er allein am Rande der großen Hauptstraße in der himmlischen Hauptstadt und spürte, wie er langsam von Verzweiflung heimgesucht wurde, bevor er sich plötzlich erinnerte - Es war nun beinah drei Tage her, seit dem er erneut aufgestiegen war, aber er hatte noch immer nicht das Kommunikations Siegel³ betreten. Zudem hatte er vergessen, nach dem Passwort zu fragen. Die himmlischen Beamten des oberen Hofes hatten sich zusammengetan und gemeinsam ein Siegel erschaffen, dass ihrem Bewusstsein erlaubte, Nachrichten sofort wie in einem Gewöhnlichen Gespräch, innerhalb dieses Siegels auszutauschen. Einst aufgestiegen, hatte jeder die Pflicht dieses Siegel zu betreten, aber man benötigte ein Passwort, damit das Bewusstsein den richtigen Raum fand. Das letzte mal, dass Xie Lian dieses Siegel betrat, lag nun achthundert Jahre zurück und er erinnerte sich kein bisschen an das Passwort. Eine weile ließ er sein Bewusstsein streuen, um in seiner Erinnerung zu suchen, ehe er ein Siegel entdeckte, dass ihm bekannt vorkam und er betrat es. Der Augenblick in dem er das Siegel betrat, wurde er beinah von der Fülle an geschimpfe erschlagen, die einem Wirbelwind gleich durch den Raum tobten. “Setzt eure Einsätze und keine Rücknahmen. Schätzt wie lang es seine Königliche Hoheit diesmal schafft, ehe er wieder hinab fährt.” “Ich wette ein Jahr!” “Ein Jahr ist viel zu lang. Das letzte Mal war es nicht mal eine wirklich zu schätzende Zeitspanne. Es werden nicht mehr als drei Tage sein. Ich setze meine Verdienste auf drei Tage. Drei Tage!” “Sei doch nicht so kleingeistig! Die drei Tage sind doch schon beinah um. Hast du überhaupt eine Ahnung wie man zockt?!” … Leise verließ Xie Lian dieses Siegel wieder. Er hatte den falschen Erwischt. Das war definitiv nicht, wonach er gesucht hatte. Die Beamten des oberen Hofes waren alles große Tiere, die über ein zugedachtes Gebiet herrschten. Sie waren als Haushalte allgemein hin bekannt und hielten sich mit einer unzahl an Staatsangelegenheiten beschäftigt. Da sie als Gottheiten respektvoll aufgestiegen waren, achteten sie sehr auf ihren Status und waren gewöhnlicherweise für ihr Diskretes, aber Arrogantes Verhalten bekannt. Er selbst war der einzige gewesen, der damals vor Aufregung jeden einzelnen himmlischen Beamten persönlich über das Kommunikations Siegel aufgesucht und gegrüßt hatte und sich dabei zugleich vorstellte. Nachdem Xie Lian nun dieses Siegel hinter sich gelassen hatte, hielt er ausschau nach einem anderen Raum, ehe er wieder nach dem Zufallsprinzip den nächsten betrat. Dieses Mal konnte er sich entspannten. “Wie ruhig es hier ist. Scheint der Richtige zu sein.” Ausgerechnet dann hörte er eine ruhige Stimme sprechen. “Also sind eure Hoheit zurückgekehrt?” Es war eine sehr angenehme Stimme, ihr klang sanft und weich, mit einer korrekten Ausdrucksweise. Andererseits, wenn man genauer hinhörte, erkannte man schnell, das diese Stimme kühl und neutral war. Selbst die Sentimentalität dieser Stimme hatte etwas kühles und Distanziertes an sich, was diese sanfte Behutsamkeit leicht zu einer boshaftes Absicht werden lassen konnte. Eigentlich war es Xie Lians absicht gewesen, dieses Siegel manierlich zu betreten und sich leise zu verhalten, aber da die andere Person ihn bereits angesprochen hatte, konnte er weder so tun, als sei er Taubstumm oder nicht anwesend. Hinzu kam, dass er sich irgendwie freute, dass es noch himmlische Beamte gab, die seine Anwesenheit bemerkten und sogar ein Gespräch mit ihm in kauf nahmen, obwohl er als Unglücksgott verkannt war. Daher kam seine Antwort unverzüglich. “Jaaa…!! Hallo allerseits, ich bin wieder da.” Leider wusste Xie Lian nicht, dass er nach dieser Begrüßung die aufmerksamkeit aller in dem Zirkel anwesenden Beamten auf sich gezogen hatte. Die Stimme seines Gesprächspartners klang träge. “Dieses Mal musste euer Hoheit wohl mit möglichst viel Kraft aufsteigen, huh.” Innerhalb des oberen Hofes war es nicht unüblich Kaisern, Königen, Generälen und Kanzlern zu begegnen. Selbst Helden gab es hier wie Sand am Meer. Um eine Gottheit zu werden, musste man erst etwas Bedeutsames vollbringen. Auf der Ebene der sterblichen hatten es jene leichter, die Lorbeeren ernteten oder mit großen Talenten gesegnet waren in den Himmel aufzusteigen. Daher war es auch ein leichtes zu sagen, dass es nichts besonderes war, wenn man Herrscher, Prinzen, Adelige, Generäle und weitere hohe Persönlichkeiten antraf. All diese Leute waren Eigen, legten wert auf Höflichkeit und so entschieden sie sich dazu, dass sie einander mit euer Majestät, euer Hoheit, Herr General, Häuptling und so weiter ansprachen, solange die Benennung schmeichelnd war. Doch die Worte dieses Beamten schienen mit einem gewissen Unterton versehen zu sein. Selbst wenn er euer Hoheit hier, euer Hoheit dort nutzte, konnte Xie Lian nicht den kleinsten Hauch von respekt in der Anrede ihm gegenüber erkennen. Es fühlte sich eher so an, als würde man ihn mit einer Nadel piesacken. Hinzu kam, dass sich neben ihm noch andere Kronprinzen in diesem Zirkel befanden, deren Nackenhaare sich bei der Aussprache aufstellten und sie sich merklich unwohl fühlten. Xie Lian spürte nur zu deutlich, dass sein Gegenüber keine guten Absichten ihm gegenüber besaß, aber er war nicht in der Position einen Streit zu beginnen und wählte stattdessen die Flucht. Er lächelte. “Es ist nicht sooo furchtbar.” Doch wie es schien, ließ ihm der Beamte keine Möglichkeit die Flucht zu ergreifen. und erhob stattdessen unbeeindruckt die Stimme. “Für euer Hoheit scheint ein nicht so furchtbar vielleicht nicht so schlecht zu sein, aber mein Glück scheint dem ganzen nicht zuzustimmen.” Plötzlich hörte Xie Lian eine private Nachricht von Ling Wen. Das einzige Wort, dass sie ihm mitteilte, lautete “Glocke.” Augenblicklich verstand Xie Lian. Dies war also der Kriegsgott, den er mit der Glocke abgeworfen hatte! Wenn das wirklich der Fall war, dann verwunderte es ihn nicht, wieso sein Gegenüber zornig war. Xie Lian war schon immer gut darin gewesen, wenn es zu Entschuldigungen kam. “Ich habe von dem Vorfall mit der Glocke gehört. Es tut mir furchtbar leid und ich bitte um Verzeihung.” Sein Gegenüber grummelte, die Bedeutung blieb unklar. Es waren eine menge Kriegsgötter in den Himmel aufgesteigen und viele davon waren neue Unsterbliche, die erst nach Xie Lians Zeit hier oben, angekommen waren. Nur der Stimme nach, konnte er diese Person nicht zuordnen, genauso wenig wie er das Problem ignorieren konnte, den Namen nicht zu wissen, nachdem er sich Entschuldigt hatte. Also fragte Xie Lian nach. “Dürfte ich vielleicht erfahren, wie ich mein Herrn ansprechen darf?” Den Augenblick in dem er diese Frage stellte, verfiel sein Gegenüber in absolutes Schweigen. Aber nicht nur er schwieg, sondern das ganze Siegel wirkte, als sei es zur Salzsäule erstarrt und nichts regte sich. Auf der anderen Seite wandte sich Ling Wen erneut an ihn, mit einer Nachricht. “Euer Hoheit, zwar hatte ich nicht erwartet, dass ihr nach eurem langen Gespräch euren Gegenüber nicht erkennt, aber ich möchte euch auf die Sprünge helfen. Das ist Xuan Zhen.” “Xuan Zhen?” wiederholte Xie Lian. Einen Moment lang stand er auf dem Schlauch, ehe es endlich klickte und seine Stimme vor überraschung bebte. “Das ist Mu Qing?” General Xuan Zhen war der Kriegsgott des Südwesten und besaß siebentausend Tempel. Sein Name in der Menschenwelt war verständlicherweise weit verbreitet und der eigentliche Name dieser Gottheit lautete Mu Qing. Vor achthundert Jahren war er ein Stellvertretender General im Xianle Palast. Doch auch Ling Wen war überrascht. “Ihr habt ihn wirklich nicht wiedererkannt?” “Nein, wirklich nicht.” antwortete Xie Lian. “Er hat damals anders mit mir Gesprochen. Und um ehrlich zu sein, ich kann mich nicht mal mehr daran erinnern, wann wir uns das letzte Mal begegnet sind. Es muss so fünf oder sechs Jahrhunderte her sein. Genauso wenig, wie ich kaum noch weiß, wie er damals Ausgesehen hat. Also, wie soll ich mich da noch dran erinnern, wie seine Stimme klingt?” Noch immer hüllte sich das kommunikations Siegel in Schweigen. Mu Quing gab keinen Ton von sich und die restlichen Beamten warteten nur gespannt darauf, während sie still lauschten, wer nun von ihnen das Gespräch wieder Aufgreifen würde. Die Dinge lagen schon immer etwas schwierig wenn es zu diesen Beiden kam. Nach so vielen Jahren, in denen Gerüchte Zeit hatten sich auszuschmücken und zu verdehen, kannte beinah jeder die Geschichte, die die Beiden teilten. Damals, als Xie Lian noch immer der rechtmäßige Kronprinz von Xianle war, trainierte er im königlichen Pavillon. Dieser Ort war die heilige Halle der Gelehrten, die ihre Kultivierung nur an die wenigen, streng Ausgewählten Lehrlinge weiter reichten. Mu Qing besaß einen ärmlichen Hintergrund. Jemand dessen Vater ein hingerichteter Verbrecher war, hatte nicht die Qualifikation dem königlichen Pavillon zu betreten, also konnte er nur als Laufbursche dienen. Innerhalb dieser Tempelmauern war er einer derjenigen, die die Räumlichkeiten des Kronprinzen sauber hielten und Tee und Wasser servierten. Xie Lian sah, wie hart er am arbeiten war, also trat er an die Gelehrten heran, um sie, um eine Ausnahme was Mu Qing betraf, zu unterbreiten und ihn als Lehrling anzunehmen. Es war nur seiner goldenen Zunge zu verdanken, dass der junge Mann den Tempel neben dem Prinzen zum lernen betreten durfte. Nach seinem ersten Aufstieg berief er ihn damals als seinen General ein und nahm ihn mit in die Königliche Hauptstadt. Doch als das Königreich von Xianle fiel und Xie Lian in die Welt der Sterblichen verbannt worden war, folgte Mu Qing ihm nicht. Nicht nur, dass er ihm nicht folgte, er sprach auch kein gutes Wort mehr zu Xie Lians Gunsten. Wie man es auch nehmen wollte, der Kronprinz war weg, also war er frei. Er fand eine Höhle in einer abgeschiedenen Gegend und verfeinerte energisch sein Training. Nach einigen Jahren bestand er eines Tages das Himmlische Unglück und stieg eigenständig in den Himmel auf. Damals war einer von ihnen mit dem Himmel verbunden, während der andere an die Erde gebunden war. Heute ist es immernoch das gleiche Bild, nur haben sich ihre Positionen nach all den Jahren gewechselt, das war alles. Letztendlich wisperte Ling Wen: “Er ist sehr wütend.” “Soviel habe ich schon vermutet.” Xie Lian konnte sich diese Antwort nicht nehmen lassen. “Ich werde einen Themenwechsel vornehmen, am besten nutzt ihr die Zeit um zu verschwinden.” schlug die Frau leise vor. “Nah, das geht in Ordnung.” erwiederte Xie Lian und winkte ab. “So lang wie wir tun, als sei nichts passiert.” “Wirklich?” unglaube schlich sich in Ling Wen’s Stimme. “Allein ich fühle mich unbehaglich, wenn ich euch beide nur beobachte.” “So schlimm ist es nun auch wieder nicht.” antwortete er. Für jemanden wie Xie Lian war alles irgendwie in Ordnung, solange es nichts mit dem Tod gemein hatte. Er hatte nicht viel und vor allem keine Scham. In den ganzen letzten Jahrhunderten hatte er so viel gelitten, das deutlich beklommener war, als dieser Augenblick, sodass es ihm leicht fiel, die Situation herunter zu spielen. Doch wer konnte ahnen, dass “in Ordnung” kein Wort war, dass man leichtfertig aussprechen sollte. Den gerade als er diesen Satz geäußert hatte, hallte eine wütende Stimme durch den Raum. “WER ZUR HÖLLE HAT MEINEN GOLDENEN PALAST EINGERISSEN?! ZEIGT EUCH?!” Das wütende Brüllen ließ den Anwesenden Göttern beinah das Trommelfell platzen. Obwohl sie alle schon bis zum Rand mit anschwellenden Klagen zu kämpfen hatten, hielt jeder von ihnen den Atem an und warteten darauf, was Xie Lian diesem Vorwurf entgegen zu bringen hatte. Unerwarteter Weise wurde die ganze Sache nur noch aufregender. Bevor Xie Lian überhaupt den Mund öffnen konnte, hatte Mu Qing bereits gesprochen. Oder eher geprustet. “Heh.” Der Neuankömmling spieh ihm eisig entgegen. “Ihr habt ihn also eingerissen? Fein. Wartet nur ab.” Mu Qing ließ sich davon nicht beirren und legte wieder seinen gelassenen Tonfall an den Tag. “Ich sagte nicht, dass ich es war. Hört auf, Leute grundlos zu beschuldigen, wenn ihr keine Beweise habt.” Sein Gegenüber war wütend. “Dann verratet mir, worüber ihr gelacht habt. Seid ihr verrückt?” “Es hat keinen echten Grund, es klang nur lustig, das ist alles.” erwiderte Mu Qing. “Der Verantwortliche, der euren Palast zum einsturz gebracht hat, befindet sich aber noch in diesem Kommunikations Zirkel. Ihr solltet ihn vielleicht verhören.” An diesem Punkt angelangt, war selbst Xie Lian zu verlegen, um noch die Flucht zu ergreifen und abzuhauen. Vorsichtig räusperte er sich. “Ich war das. Es tut mir leid.” Im nächsten Augenblick verstummte auch der Gott, der als letzter diesen Raum betreten hatte. Wieder hörte Xie Lian das aufploppen einer Nachricht von Ling Wen. “Euer Hoheit, dies ist Nan Yang.” “Den kannte ich noch.” gab Xie Lian leicht unruhig zurück. “Aber er scheint mich nicht wiederzuerkennen.” Ling Wen korrigierte diese Aussage augenblicklich. “Doch, tut er. Es ist nur so, dass er mehr Zeit in der Welt der Sterblichen verbringt und nur selten in die himmlische Hauptstadt zurückkehrt. Also hatte er eure Rückkehr verpasst und wurde erst später über euren Aufstieg in Kenntnis gesetzt.” Nan Yang Zhenjun war der Kriegsgott des Südwestens, besaß achttausend Tempel und wurde von den Menschen geliebt. Sein eigentlicher Name war Feng Xin und vor achthundert Jahren war er der erste himmlische General im Xianle Palast unter dem Kronprinzen. Feng Xin war hingebungsvoll Loyal und seit dem Xie Lian fünfzehn Jahre alt gewesen war sein königlicher Leibwächter. Er wuchs mit dem Kronprinzen auf, betrat den Himmel mit ihm und auch nach seiner Herabstufung und Verbannung irrten sie noch zusammen durch die Welt. Leider schafften sie es nicht, diese achthundert Jahre zu überdauern. Letztendlich trennten sie sich unter schlechten Bedingungen, ehe jeder seinen Weg ging und sie sich nie wieder sahen. __________________ ¹Zhenjun (ein Suffix) ist ein aus dem Daoistischen stammender Begriff der so viel wie “Wahre Lordschaft” bedeutet. Da Unsterbliche perfekte Wesen sind und Erleuchtung gefunden haben. ²In diesem Fall ist es eine Art Währung unter den Unsterblichen und Göttern. Sie werden anhand von Gebeten und Gläubigern errechnet. ³ Eine Art Chatroom für die Götter. Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Die Schrottgottheit betritt das dritte Mal die himmlische Hauptstadt 2 Der Meister vergangener Tage, der so tief gesunken war, dass man ihn Gespött der drei Reiche nannte und nicht einmal Opfergaben, Tempel oder Gläubige besaß, stand nun seinen beiden ehemaligen Dienern gegenüber, die mittlerweile selbst ein Himmlisches Unglück überstanden hatten und als großartige Kriegsgottheiten über jeweils eine eigene Region herrschten. In so einer Situation gefangen, war es beinah unmöglich sich nicht zu viel dabei zu denken. Wenn Xie Lian zwischen Feng Xin und Mu Qing wählen müsste, wer von ihnen ihm mehr unbehagen bereitete, so hatte er nur eine Antwort. “Sie sind beide in Ordnung.” Aber für Zuschauer, die eine Entscheidung treffen müssten, hinge die Wahl wohl davon ab, ob sie Xie Lian mit Feng Xin sich lieber messen sehen wollten oder doch Xie Lian mit Mu Qing. Das lag rein am Geschmack der jeweiligen Person. Immerhin hatten alle drei genügend Gründe, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen, von daher wäre die Wahl ohnehin schwer. Das war auch der Grund, wieso jeder so enttäuscht war, dass Feng Xin eine lange Zeit schwieg und keine Antwort gab, ehe er unsichtbar wurde und verschwand. Und so lag es an Xie Lian die Situation irgendwie zu retten. “Ich hatte nicht erwartet, dass die Dinge so außer Kontrolle geraten. Es war keine Absicht, aber ich Entschuldige mich bei jedem, dem ich Ärger bereitet habe.” Mu Quings Stimme tropfte vor Sarkasmus. “Oh? Na was ein Zufall.” Zufall. Xie Lian dachte auch, dass es ein außergewöhnlicher Zufall war. Denn wie sonst hätte er versehentlich Mu Qing mit der Glocke treffen und Feng Xin’s Palast einreißen können. Für alle Zuschauer musste es aussehen, als sei es eine absichtliche Racheaktion gewesen. Aber die Wahrheit war, dass er zu der Sorte gehörte, die mit aberwitziger Sicherheit das vergiftete Glas unter tausend Weingläsern auswählten. Es war nicht so, dass er etwas dagegen tun konnte, was andere dachten. Also war Xie Lians antwort einfach gehalten. “Ich werde mein möglichstes Geben, um für alle Schäden aufzukommen und bitte euch einfach nur darum, mir ein wenig Zeit zu geben.” Man brauchte nicht lange um den heißen Brei reden, um zu bemerken, dass Mu Qing definitiv seine schneidenden Bemerkungen fortsetzen wollte. Aber sein goldener Palast erlitt keine Schäden und die Glocke, die auf ihn nieder stürzte, war in zwei Hälften geschnitten, so dass er sein Gesicht verlor und etwas von seinem Ansehen einbüßte, wenn er weiter machte. Also hüllte er sich in schweigen und wurde Unsichtbar. Als er merkte, dass das Chaos, dass er zu verantworten hatte, sich langsam auflöste, nutzte auch Xie Lian die Chance und flüchtete. Noch immer waren seine Gedanken damit gefüllt, wie er die Acht Millionen Achthundert Achtundachtzig Tausend Verdienste zusammen kratzen sollte. Am nächsten Tag rief ihn Ling Wen zu sich in ihren Palast. Ling Wen übernahm die Verwaltung der himmlischen Beamten und war damit betraut die schnell und reibungslos ansteigenden Geschäfte der Menschen zu überwachen.Der ganze Palast war zum bersten gefüllt mit Dokumenten und Rollen, die Türme vom Boden bis zur Decke bildeten. Für Besucher, die das erste Mal ihren Weg hierher fanden, ein wirklich bizarrer und einschüchternder Anblick. Die Mitarbeiter des Ling Wen Palastes schleppten Berge an Dokumente mit sich herum, die ihre eigene Körpergröße überragten. Ihre Gesichter wirkten seltsam blass und sie machten den Eindruck, als brechen sie gleich zusammen, wenn ihr Ausdruck nicht abgestumpft war. Nachdem Xie Lian die Hallen betreten hatte, wandte Ling Wen sich ihm zu und kam direkt auf den Punkt. “Euer Hoheit, der Kaiser hat eine Bitte an euch geäußert, würdet ihr ihm die Güte erweisen und ihm eure Hilfe anbieten?” Es gab unzählige Lords und Ladys in den Himmlischen Gefilden, doch nur ein einziger unter allen wurde mit Kaiser angesprochen. Wenn diese Person irgendetwas wollte, so musste dieser eigentlich nicht mehr fragen. Daher war auch Xie Lian etwas überrascht, dass man diese Frage an ihn richtete. “Um was geht es?” Ling Wen übergab ihm eine Schriftrolle. “Kürzlich gab es im Norden einen hohen Anstieg an hingebungsvollen Gläubigern, was uns vermuten lässt, dass der Frieden dort gestört ist.” Mit einem ‘hingebungsvollen Gläubiger’ verband man meistens eine von drei Menschengruppen. Die erste waren die Reichen, welche hohe Summen in Weihrauch und Gottesdienste investierten, genauso wie jene es waren, die die Tempel bauen ließen. Die zweite Gruppe waren die Missionare, welche den Glauben verbreiteten und Predigten abhielten. Und die Dritten waren die Gläubigen die mit absoluter Inbrunst aus Körper und Herz beteten. Unter allen drei war die erste Gruppe jene, die am meisten Vertreten war. Je Reicher jemand war, um so mehr hatten sie zu befürchten und respektierten Götter und Geister. Es gab so viele Reiche, wie es Fische in einem See gab. Die dritte Kategorie hingegen, war am wenigsten vertreten, denn wenn jemand diese Stufe erreichte, musste er hingebungsvoll sein und meisten standen diese Menschen selbst kurz vor dem Aufstieg zu den Unsterblichen. Und hier hatten sie es offensichtlich mit der ersten Gruppe an hingebungsvollen Gläubigern zu tun. “Im Augenblick kann der Kaiser nicht in den Norden aufbrechen.” begann Ling Wen ihre Erklärung. “Wenn ihr bereit wärt, diese Reise auf euch zu nehmen, dann würden ab sofort und in Zukunft alle Verdienste, die diese hingebungsvollen Gläubigen tätigen auf euer Konto gutgeschrieben werden. Dabei spielt es keine Rolle, wie hoch die Opfergaben ausfallen, es fällt zu euren Gunsten. Was denkt ihr?” Ohne zu zögern nahm Xie Lian die Rolle entgegen. “Vielen Dank.” Es fiel ihm nicht schwer zu begreifen, dass das offensichtlich eine kleine Hilfe von Jun Wu war. Er hatte es einfach nur dem Protokoll wegen so klingen lassen, als sei er es, der um Xie Lians Hilfe bat. In diesem Augenblick konnte er sich keine treffenderen Phrasen vorstellen, die beschrieben wie er sich fühlte, außer diesen zwei kleinen Worten. “Ich bin nur dafür verantwortlich, dass die Dinge getan werden. Wenn ihr euren Dank aussprechen wollt, dann wartet, bis der Kaiser zurückgekehrt ist und sprecht ihm euren Dank persönlich aus. Nebenbei - braucht ihr irgendwelche magischen Hilfsmittel?” erwiderte Ling Wen, ehe sie ihn fragend musterte. Schnell schüttelte Xie Lian den Kopf. “Nein, selbst wenn ihr mir ein magisches Werkzeug geben würdet, habe ich nicht die Kraft, es zu benutzen, sobald ich unten bin. Also bringt es mir nichts.” Schon während seiner zweiten Verbannung waren Xie Lian alle spirituellen Kräfte genommen worden. Es war einfach, im Himmel zurecht zu kommen, dem Ort, an dem sich die Unsterblichen sammelten und das Qi, die Quelle der spirituellen Kraft regelrecht überquoll und endlos vorhanden war, so dass er nur eine Hand ausstrecken brauchte, um diese zu nutzen. Wie auch immer, in der Welt der Sterblichen war er eingeschränkt. Wenn er sich mit jemand einen Kampf auf geistiger Ebene liefern wollte, so musste er sich diese Kraft erst bei jemand anderen Leihen. Es konnte zu einer kleinen Unannehmlichkeit führen. Einen Moment lang dachte Ling Wen nach. “Dann wäre es das beste, wenn wir nach ein paar kampferfahrene Beamten rufen lassen, die euch helfen.” Die Kriegsgottheiten, die im moment anwesend waren kannten ihn entweder nicht, oder konnten ihn nicht ausstehen. Auch das war Xie Lian bewusst. “Spart euch die Mühe. Es wird keiner auftauchen.” Doch Ling Wen hatte ihre eigenen Ansichten und entschied anders. “Ich probiere etwas.” Für Xie Lian machte es keinen Unterschied, ob sie es versuchte oder es sein ließ, doch weder stimmte er ihr zu, noch protestierte er und ließ sie stattdessen ihre Idee in die Tat umsetzen. So betrat Ling Weng erneut den Kommunikations Zirkel und fragte laut und deutlich bei allen Anwesenden nach. “Alle mal bitte herhören. Der Kaiser hat ein unaufschiebbares Anliegen im Norden zu klären und sucht noch dringend fähige Hände. Ist ein Kriegsgott anwesend, der zwei Beamte von seinem Palast entbehren kann?” Beinah sofort, nachdem die Worte ausgesprochen waren, tauchte Mu Qing’s leichtfertige Stimme auf. “Ich habe gehört, der Kaiser ist im Augenblick nicht im Norden. Also kann es sein, dass ihr die Unterstützung für seine Hoheit den Kronprinzen einberuft? Lieg ich da richtig?” Eine Sache wunderte Xie Lian. ‘Sag bloß, du bewachst den Kommunikations Zirkel den ganzen Tag?’ Ling Wen dachte exakt das gleiche und hatte das starke Bedürfnis Mu Quing aus dem Zirkel zu werfen, weil er ihre Arbeit sabotierte und dennoch lächelte sie. “Xuan Zhen, wie kommt es, dass ich euch die letzten Tage so viel in diesem Zirkel antreffe. Habt ihr etwa so viel Zeit bei der Hand? Glückwunsch.” Die Stimme Mu Qing klang gelassen, als er ihr antworte. “Meine Hand wurde verletzt und ich schone meine Verletzung.” Einem jeden Anwesenden ging der gleiche Gedanke durch den Kopf. ‘Eure Hand kann einen Berg spalten und das Meer teilen, ohne ins Schwitzen zu kommen und nun wollt ihr uns erzählen, eine Glocke zu zweiteilen vermag sowas zu schaffen?’ Ling Wen hatte geplant zu warten, bis sich zwei Beamte freiwillig meldeten, ehe sie ihnen etwas genauere Instruktionen gab. Doch nicht nur hatte Mu Qing ihren Plan durchschaut, sondern ihn auch noch laut und deutlich offen gelegt. Jetzt würde sich mit Sicherheit niemand melden. Ganz wie sie erwartet hatte, antwortete keine Seele auf ihre Bitte und Xie Lian dachte sich nichts dabei. Stattdessen wandte er sich an Ling Wen. “Ich hab euch doch gesagt, niemand würde kommen.” “Wenn Xuan Zhen nichts gesagt hätte, wäre ich erfolgreich gewesen.” grummelte sie leise zurück. Xie Lian kicherte. “Ihr habt es wie eine Pipa-Spielerin formuliert, deren halbes Gesicht bedeckt ist und habt so die Blumen im Nebel dreimal schöner aussehen lassen, als sie tatsächlich ist. Die Anderen dachten, es sei eine Arbeit für den Kaiser, also hätten sie bestimmt jemanden entsendet. Aber sobald sie da gewesen wären und herausfinden, dass sie mit mir zusammen arbeiten, hätte es möglicherweise einen Aufschrei an Beschwerden gegeben. Wie könnten wir unter diesen Bedingungen gut zusammen arbeiten? Egal was wir tun, ich bin es gewohnt alleine zu sein. Es ist ja nicht so, als hätte ich in den Jahren irgendein Körperteil eingebüßt. Also belassen wir es dabei. Danke für die Umstände, aber ich mache mich nun auf den Weg.” Auch Ling Wen waren die Ideen ausgegangen. Also legte sie ihre Hände übereinander und verbeugte sich in einem Gruß zur Verabschiedung. “Wie ihr meint. Ich wünsche euch alles erdenklich Gute, wenn euer Hoheit dort hinab gehen werdet. Der Segen der himmlischen Beamten mögen euch begleiten.” “Mögen die Tabus zerbrechen.” ___________ Drei Tage später - im Norden im Reich der Sterblichen. Am Rande der Straße war ein Teeladen errichtet. Seine Ladenfront war nicht groß und die Besitzer einfache Leute, die sich bloß diese atemberaubende Aussicht zunutze machten. Man konnte Berge und Wasser sehen, genauso wie die Stadt und Menschen. Alles vereinigte sich in einem Bild ohne überladen zu wirken, sondern einfach genau richtig. Wenn Jemand die möglichkeit hatte, sich mit einem Anderen hier zu verabreden, konnten daraus nur schöne Erinnerungen entspringen. Der Tee Meister im inneren war träge, so lang keine Kundschaft versorgt werden wollte, weswegen er seinen Stuhl vor den Eingang getragen hatte und seinen Blick auf die Berge und das Wasser gerichtet hielt. Ein zufriedener Ausdruck lag dabei auf seinem Gesicht. Heute sah er einen in weiß gekleideten Kultivator über die Straße auf seinen Laden zukommen. Er wirkte abgekämpft, so als hätte er seit einer Weile keine Pause mehr eingelegt. Als der Mann mit ihm auf einer Höhe war, marschierte er erst an dem kleinen Laden vorbei, doch plötzlich stoppte er in seinen Schritten. Ganz langsam drehte er um. Die Kante seines Bambushut hatte er ein wenig nach oben geschoben und las das Schild am Eingang, ehe er lächelte. “Kleiner Laden der zufälligen Begegnungen. Was ein interessanter Name.” Während der Mann erschöpft wirkte, war sein Gesichtsausdruck heiter, so dass ein jeder, der ihn beobachtete, sich nicht anders zu helfen wusste, als selbst die Mundwinkel ein wenig zu heben. Erst dann wandte sich der Mann an den Besitzer. “Entschuldigt bitte, aber ist der Yujun Berg hier in der Nähe?” Der Teemeister deutete in die Richtung vor sich. “Dort entlang.” Der Mann in Weiß den Atem aus, während sich Erleichterung in ihm ausbreitete. “Ich habe es endlich geschafft.” Es handelte sich bei ihm um keinen geringeren als Xie Lian. Als er aus der himmlischen Hauptstadt abgereist war, hatte er bereits den Ort entschieden, an dem er auf der Erde ankommen wollte, welcher in der Nähe des Berg Yujun lag. Wer hätte ahnen können, dass er so viel Schwung nahm, um dann mit seinem Ärmel an eine Wolke zu stoßen. Ja, ihn hatte eine Wolke abgefangen. Er wusste nicht, wie ihm das passieren konnte, doch geriet sein hinabsteigen ins Straucheln und er stürzte ohne zu wissen, wohin auf die Erde hinab. Es brauchte drei Tage, ehe er endlich an seinem eigentlichen Landepunkt angekommen war. Xie Lian betrat den Shop und setzte sich an einen Tisch neben einem Fenster, bestellte währenddessen Tee und Snacks. Als er es sich endlich gemütlich gemacht hatte, ertönte von draußen plötzlich der Klang von Trommeln, begleitet von einem Klagen. Vorsichtig blickte er zur Straße und sah eine Gruppe von Männern und Frauen, jung wie alt, die eine leuchtend rote Hochzeits Sänfte trugen, während sie die Straße passierten. Die Atmosphäre die diese Prozession begleitete war ausgesprochen merkwürdig. Auf den ersten Blick wirkte es wie eine ganz gewöhnliche Hochzeitsgesellschaft, doch wenn man sich die Gesichtsausdrücke der Menschen näher betrachtete, erkannte man ernste Blicke, voll von Wut, Trauer und Angst. Das einzig nicht anwesende Gefühl war Freude. Sie wirkten auch nicht feierlich, obwohl sie alle Rote Kleidung trugen, die mit Blumen geschmückt war und ein großes tamtam machten. Der Teemeister hob den kupfernen Teekessel an, ehe er ihn leicht neigte und eine Tasse Tee eingoss. Auch er besah sich einen augenblick die Szene, ehe er nur den Kopf schüttelte und seine Arbeit weiter machte. Xie Lian beobachtete die bizarre Prozession in Gedanken vertieft, bis sie in der ferne Verschwand. Gerade als er dabei war, die Rolle, die ihm Ling Wen mitgegeben hatte, herauszuholen und zu studieren, bemerkte er etwas funkelndes, das vorbei flatterte. Als er aufsah, flog ein silberner Schmetterling vor seinen Augen entlang. Dieser Schmetterling war durchscheinend und glänzte. Während er durch die Luft schwebte, wirkte es, als hinterließen seine Flügelschläge einen hell glänzenden Schweif in der Luft. Trotz besseren Wissens, streckte Xie Lian seine Hand danach aus. Dieser silberne Schmetterling war unglaublich klug. Nicht nur, dass er nicht scheute, er landete sogar auf seiner Fingerspitze. Seine Flügel schimmerten, schön und ruhig und so unter dem Sonnenlicht betrachtet, wirkte das Wesen wie eine Illusion, die einem Traum entsprungen war, so dass es allein schon durch eine falsche Berührung zerbrechen könnte. Einen Augenblick später, flog er davon. Xie Lian winkte ihm nach und drehte seinen Kopf wieder zurück, als ihm zwei Personen auffielen, die mit ihm am Tisch saßen. Der Tisch besaß vier Seiten und diese zwei saßen an jeweils einem Ende. Der eine Links, der andere Rechts. Sie beide waren junge Männer im Alter von Achtzehn bis Neunzehn Jahren. Der Eine auf der linken seite war Größer, seine Brauen tief und elegant, seine Augen trugen eine Art ungezügelte Wildheit in sich. Der Andere auf der rechten Seite war sehr hell, elegant und beherrscht. Was dieses Bild nur ein wenig störte war sein Gesichtsausdruck, der übermäßig distanziert und kalt wirkte und die Vermutung erweckte, dass ihm etwas sehr missfallen musste. Genau Genommen, keiner der beiden schaute erfreut drein. Xie Lian blinzelte. “Ihr Zwei seid?” Der eine Links antwortete: “Nan Feng.” Der andere Rechts antwortete “Fu Yao.” “Ich hatte nicht eure Namen gemeint.” murmelte Xie Lian in Gedanken. Ausgerechnet dann kontaktierte ihn Ling Wen mit einer Nachricht. “Euer Hoheit, es sind zwei Junior Kriegsbeamte aus dem mittleren Hof auf dem Weg. Sie haben sich freiwillig gemeldet, um euch zu unterstützen. Die Beiden sind bereits hinab gestiegen, um euch zu suchen und sollten zeitnah eintreffen.” Der mittlere Hof war das Gegenstück zum oberen Hofstaat. Die himmlischen Beamten konnte man grob in zwei Gruppen aufteilen. Diese, die Aufstiegen und jene, die es nicht taten. Der obere Hof bestand aus Unsterblichen, die aus eigener Kraft und Fähigkeiten heraus in den Himmel aufgefahren wahren. Es mussten ungefähr um die Hundert im gesamten Himmel geben, die hoch bedeutend waren. Was den Mittelhof anging, so wurden sie als “ernannte Generäle” mitgenommen. Wenn man es genau nahm, müsste man sie als Angehöriger himmlischer Beamter ansprechen. Doch wenn sie sich untereinander unterhielten, ließen sie das Angehörig im Namen meistens weg. Aber wenn es einen Oberen und einen Mittleren Hof gab, gab es dann auch einen Unteren Hof? Nein. Es gab einst einen, als Xie Lian das erste Mal aufstieg. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Aufteilung noch aus “oberer Hof” und “unterer Hof”. Doch bald fiel ihnen ein Problem ins Auge. Wenn jemand sich vorstellte, so klang es negativ, wenn man sagte: “Ich bin xxx, vom unteren Hof”. Mit dem Wort ‘unten’ fühlte es sich gleichgestellten gegenüber nur zu oft an, als sei man dennoch unter ihnen in der Rangordnung. Man sollte dabei anmerken, dass auch unter ihnen, Genies und herausstechende Persönlichkeiten mit unglaublicher spiritueller Kraft lebten. Das einzige was ihnen fehlte war die Himmlische Katastrophe, damit sie ein wahrhaftiger Unsterblicher werden konnten. Wer wusste schon, wann dieser Tag eintraf. So wurde vorgeschlagen, dass man ein Wort ändert und es klang augenblicklich besser zu sagen “Ich bin xxx, vom mittleren Hof.” Selbst wenn sie das gleiche meinten. Dennoch konnte sich Xie Lian lange nicht an diese Änderung gewöhnen. Nun aber besah er sich die beiden jungen Beamten, von welchem der eine bestürzter schaute, als der Andere und das, obwohl sie “freiwillig” hergekommen waren. Er wusste sich nicht anders zu helfen und stellte seine offenen Fragen. “Ling Wen, sie sehen nicht wirklich aus, als wollten sie mir mit der Arbeit helfen, eher so, als seien sie hinter meinem Nichtsnutzigen Kopf her.” Leider konnte das, was er übermittelt hatte, nicht weitergeleitet werden und auch er hörte Ling Wen’s Stimme in seinem Ohr nicht mehr. Er vermutete, dass es daran lag, dass er zu viel Abstand zwischen sich und die Himmlische Hauptstadt gebracht hatte und zudem seine spirituelle Kraft fürs Erste aufgebraucht war. Ohne dass ihm eine andere Möglichkeit gelassen worden war, lächelte er die beiden Junior Beamten an. “Nan Feng und Fu Yao, richtig? Lasst mich euch zuerst dafür danken, dass ihr euch freiwillig gemeldet habt, um mir zu helfen.” Die beiden nickten nur, umgaben sich dabei mit einer gewissen Haltung, was ihn vermuten ließ, dass sie beide von einem berühmten Kriegsgott geschickt worden sein mussten. Beiläufig winkte Xie Lian den Teemeister herbei, um den beiden auch etwas zu bestellen, nur um dann nach seiner Tasse zu greifen und die Teeblätter beiseite zu kratzen. Nebenbei stellte er eine weitere Frage. “Von welcher Hoheit kommt ihr Beiden?” “Der Palast von Nan Yang.” erwiderte Nan feng. “Der Palast von Xuan Zhen.” erwiderte Fu Yao. “...” Nun, das war wirklich grauenhaft. Langsam schluckte Xie Lian, der Mund voller Tee hatte, hinunter. “Haben euch eure Generäle gesagt, dass ihr kommen sollt?” Die beiden Antworteten ihm wie aus einem Munde. “Mein General weiß nicht, dass ich hier bin.” Xie Lian dachte kurz nach, ehe er weitere Fragen stellte. “Ihr wisst aber schon wer ich bin, oder?” Falls diese beiden Beamten extra hier aufgetaucht waren, nachdem Ling Wen sie getäuscht hatte, um ihm zu helfen, so vermutete er, würden die Beiden von ihren Generälen, nach ihrer Rückkehr, gehörigen Ärger kassieren. Das war es nicht wert. “Ihr seid die königliche Hoheit, der Kronprinz” antwortete Nan Feng. “Ihr seid die Gerechtigkeit der sterblichen Ebene, das Zentrum der Welt.” erweiterte Fu Yao. Xie Lian verschluckte sich, ehe er sich an Nan Feng mit leichter Unsicherheit wandte. “Hat er eben seine Augen gerollt?” “Ja. Am besten ihr schickt ihn fort.” schlug dieser vor. Es war kein Geheimnis, dass Nan Yang und Xuan Zhen nicht miteinander zurecht kamen. Als Xie Lian das erste mal davon hörte, war er alles andere als überrascht, denn schon in der Vergangenheit teilten die beiden keine große Freundschaft. Das einzige was sie damals verband, war ihre Stellung als Untergebene und wenn der Kronprinz anordnete, dass sie nicht zu streiten hatten, sondern sich wie Freunde benehmen sollten, so hatte sich jeder zurück zu halten und nicht gegen sein Wort zu Protestieren. Waren sie wirklich erzürnt voneinander, gingen sie dennoch aufeinander los und stachen auf einander mit Worten ein. Doch mit der Stellung, die sie heute inne hatten, müssen sie niemandem mehr etwas vormachen. Selbst die Gläubigen der beiden himmlischen Beamten aus dem Südwesten und dem Südosten sahen einander mit Geringschätzung an. Über all die Jahre sahen sich die Paläste von Nan Yang und Xuan Zhen ständig als Feinde gegenüber. Selbst die Beiden vor ihm waren ein klassisches Beispiel dieses Zwists. Fu Yaos Stimme klang spöttisch. “Lady Ling Wen sagte, dass alle bereitwilligen Helfer willkommen wären, also auf welcher Grundlage schreibst du mir vor, dass ich gehen soll?” Das Wort bereitwillig zu verwenden, während man so einen genervten Gesichtsausdruck zur schau stellte, war nun wirklich nicht sehr überzeugend. Xie Lian fühlte sich gezwungen etwas zu sagen. “Lasst mich eines klarstellen. Ihr Beiden kamt wirklich als freiwillige Helfer? Wenn nicht, dann bitte wisst, dass euch niemand zwingt mir zu helfen.” Wieder antworteten beide wie aus einem Munde. “Ich bin bereitwillig hier.” Einen moment lang musterte er die grimmigen und entmutigten Gesichter, ehe ihm ein Gedanke durch den Kopf ging. “Was ihr eigentlich sagen wolltet war, ‘lieber bring ich mich um’, stimmt’s?” “Nun, wie dem auch sei. Lasst uns erstmal die Angelegenheit klären. Ich vermute ihr beide wisst, was wir hier im Norden machen, ja? Also brauche ich nicht ganz von vorne zu starten…” “Nope.” wieder die gleiche Antwort aus zwei Mündern. “...” Keine andere Wahl habend, zog Xie Lian die Schriftrolle hervor. “Ich schätze, dann sollte ich wohl doch für euch Zwei beim Anfang starten.” Es wurde sich erzählt, das einst vor vielen Jahren, ein junges Paar am Fuße des Berg Yujun lebte. Dieses Pärchen war schwer verliebt. Der Bräutigam wartete auf die Hochzeitsprozession, die bald erscheinen sollte, doch so lang er auch wartete, von seiner Braut war keine Spur zu sehen. Unruhig wanderte der Bräutigam zum Haus der Braut, doch sein Schwiegervater und seine Schwiegermutter sagten ihm, dass sich seine Zukünftige bereits vor Stunden auf den Weg gemacht hatte. Beide Familien setzten die Behörden in Kenntnis und sie suchten ohne Unterlass. Wenn sie von den Monstern auf dem Berg verspeist worden war, so würde man für gewöhnlich Überreste in Form eines Arms oder Beins finden. Doch sie verschwand spurlos? Das sorgte für Gerede unter den Bewohnern des Dorfes und die Ersten vermuteten, dass die Braut kalte Füße bekam und in der Nacht ihrer Hochzeitsprozession etwas mit ihren Begleitern ausgeheckt hatte, nur um dann davon zu laufen. Niemand hatte erwartet, dass sich viele Jahre später, als ein weiteres Paar den Bund der Ehe eingehen wollte, der gleiche Albtraum wiederholte. Wieder war die Braut verschwunden. Doch dieses Mal wurde etwas zurück gelassen. Auf einer schmalen Straße fanden die Suchenden einen Fuß, der noch nicht vollkommen verspeißt gewesen war. Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Drei Narren; Nächtliche Diskussionen im Tempel der großartigen Männlichkeit. Seit dem gerieten die Dinge außer Kontrolle. In den hundert Jahren, seit dem ersten Vorfall, waren in diesem Berggebiet insgesamt siebzehn Bräute verschollen gegangen. Manchmal lagen Jahre des Friedens zwischen den Vorfällen, ein andermal verschwanden zwei Bräute innerhalb der kurzen Spanne eines Monats. Eine entsetzliche Legende begann sich schnell zu verbreiten. Ein geisterhafter Bräutigam lebte auf Berg Yujun und sobald eine Frau ihm ins Auge fiel, so würde er zur Straße hinab schreiten, die Braut entführen und die Heiratsprozession verschlingen. Für gewöhnlich wurden solche Angelegenheiten nicht an dem Himmel weiter getragen. Während siebzehn Bräute verschwanden, waren dort tausende weitere, denen es prächtig ging. Dennoch waren diese Frauen nie gefunden worden, genauso wenig wie man sie hatte beschützen können, auch wenn man es versuchte und fand nur traurige zusätze beim gegenwärtigen Zustand. Die einzige Veränderung, die merklich wurde, war der Rückgang an Hochzeiten aus der Gegend und die prachtvollen Feiern, die man nun eher klein und bescheiden hielt, da die Einwohner es nicht wagten, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Doch wie es der Zufall wollte, war der Vater der siebzehnten Braut ein amtlicher Lord, der in seine Tochter vernarrt war. Als er von der Legende hörte, wählte er akribisch vierzig mutige und fähige, im kampf geschulte Wächter aus, die diese Heiratsprozession seiner Tochter eskortieren sollte. Aber auch seine Tochter verschwand spurlos. Mit der Tat hatte der geisterhafte Bräutigam ein Wespennest in Aufregung versetzt. Denn diese alte Lordschaft wollte diesen Vorfall nicht ungesühnt lassen und setzte alles in Bewegung, um der Situation auf den Grund zu gehen und ließ sogar eine ganze Reihe an Gottesdienst für seine Tochter abhalten. Er folgte sogar den Anweisungen eines Priesters, öffnete seine Lager und spendete die Lebensmittel an die Armen und versorgte sie mit weiteren Gütern. Es gab einen riesigen Aufruhr, so dass selbst die himmlischen Beamten davon mitbekommen mussten. Denn sonst war es nahezu unmöglich, dass die Stimme eines unbedeutenden Menschen bis an das Ohr eines Gottes im Himmel reichte. “Das wäre das Wesentliche.” erklärte Xie Lian. Da die Beiden ihm Gegenüber nicht sonderlich kooperationsbereit wirkten, war er sich nicht einmal sicher, ob sie überhaupt zugehört hatten. Hätten sie nicht zugehört, so müsste er ihnen die ganze Geschichte erneut erzählen. Nan Feng blickte auf und runzelte die Stirn. “Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den verschwundenen Bräuten?” “Es gab jene, die waren Arm, andere waren Reich, die, die als Schön beschrieben wurden und andere als hässlich. Manche waren treue Frauen, andere glichen Konkubinen. Kurz gesagt, es gab kein Muster.” antwortete Xie Lian. “Wir können daran nicht festlegen, worin die Priorität beim geisterhafter Bräutigam liegt.” Nan Feng brummte und nahm seine Teetasse auf, um einen Schluck zu trinken, während er in Gedanken versunken war. Fu Yao auf der anderen Seite, hatte die Tasse bisher nicht ein einziges mal Angerührt, seit dem Xie Liansie in seine Richtung geschoben hatte und verbrachte die Zeit lieber damit, seine Finger mit einem weißen Taschentuch zu reinigen. Seine Stimme blieb ausdruckslos, als er zu Sprechen begann. “Euer Hoheit, woher wollt ihr mit Sicherheit sagen, dass es sich um einen geisterhaften Bräutigam handelt? Man kann sich nicht sicher sein, wenn niemand ihn bisher zu Gesicht bekommen hat. Also wie können wir festlegen, ob unser Ziel ein Mann oder eine Frau ist oder aber Jung oder Alt? Zieht ihr nicht etwas schnell eure Schlüsse?” Xie Lian grinste. “Diese Schriftrolle ist eine Zusammenfassung der zivilen Beamten aus dem Palast Ling Wen’s. Geisterhafter Bräutigam ist einfach der gängigste Weg, ihn zu betiteln. Aber was du sagst, macht durchaus viel Sinn.” Sie unterhielten sich noch ein wenig Länger, ehe sich Xie Lian bewusst wurde, dass diese beiden Beamten sehr helle und kluge Köpfchen hatten. Während sie nicht unbedingt den freundlichsten Eindruck erweckten, so ließen sie sich in ihrer Diskussion nie vom Thema ablenken oder verwirren. Xie Lian fühlte sich erleichtert. Als er aus dem Fenster blickte, bemerkte er, dass es langsam spät wurde und gemeinsam verließen die Drei fürs erste den Laden. Xie Lian hatte sich seinen Bambushut aufgesetzt und war ein Stück vorgelaufen, ehe er plötzlich mit wachsender Verwunderung merkte, dass die Beiden hinter ihm, seinen Schritten nicht folgten. Es stellte sich heraus, dass die Zwei ihn mit mindestens ebensolcher Verblüffung musterten. “Wo geht ihr hin?” fragte Nan Feng. “Einen Platz suchen, wo wir für die Nacht unser Lager aufschlagen können.” antwortete Xie Lian, ehe er blinzelte. “Fu Yao, wieso rollst du schon wieder mit den Augen?” Nan Feng fragte trotz des Einwands ungestört weiter, noch immer verwirrt. “Aber wieso schlagt ihr den Weg in die Wildnis ein?” Xie Lian hatte schon oft im Freien übernachtet, ob es nun eine Straße, ein Wald oder ein anderer Ort war, machte für ihn keinen Unterschied, denn er konnte seine Matte an jedem Ort ausrollen und so die Nacht dort verbringen. Also war auch jetzt für ihn die erste Option gewesen, eine Höhle zu finden und ein Lagerfeuer anzuzünden, wie er es sonst immer tat. Doch es hatte erst Nan Feng’s Einwand gebraucht, damit er realisierte, dass seine beiden Begleiter Beamte einer Kriegsgottheit waren und es demnach auch Tempel von Nan Yang oder Xuan Zhen in der Gegend geben müsste, die sie für die Nacht aufsuchen konnten. Also wieso sollten sie draußen im Freien schlafen? Eine kurze Zeit später fanden die drei einen heruntergekommenen Tudi¹ Schrein, an einer unglaublich unauffälligen Ecke einer Straße, der mit einem schmalen, runden Stein dem Gott über Grund und Boden gewidmet war. Mit den letzten Resten niedergebrannten Räuchermitteln und den zersprungenen Plättchen wirkte der Schrein äußerst trostlos, fast verwahrlost. Einige Male rief Xie Lian nach diesem Gott, doch war er schon so lang nicht mehr verehrt worden, dass es einen moment dauerte, ehe er die Augen aufriss und die drei Leute betrachtete, die vor ihm standen, nachdem er den Ruf vernommen hatte. Die zwei Rechts und Links waren in einem Schimmer spirituellem Lichts gebadet und strahlten wie Neureiche, deren Gesichter kaum sichtbar unter all diesem Glanz waren und die Gottheit sprang erschrocken auf. Seine Stimme zitterte beim Sprechen. “Haben die drei Himmlischen Beamten einen Befehl für diesen bescheidenen Gott?” Xie Lian neigte seinen Kopf etwas. “Keinen Befehl. Ich wollte euch nur fragen, ob es in der Gegend einen Zentralen Tempel gibt, der entweder General Nan Yang oder General Xuan Zhen verehrt?” Der Herr über Grund und Boden wagte es nicht unhöflich zu wirken, auch wenn er einen Moment brauchte, eine Antwort zu geben. “Hm, hm, hmm…” Plötzlich deutete er mit seiner Fingerspitze in eine Richtung, fast so, als mache er eine Weissagung. “Es gibt einen örtlichen Tempel, ungefähr fünf Meilen von hier und der Gott der dort verehrt wird, ist… ist… ist General Nan Yang.” Wie zu einem Gebet legte Xie Lian die Hände zusammen. “Vielen Dank.” Doch da der Gott über Grund und Boden von den Beiden Männern hinter ihm geblendet war, sah er diese Geste nicht und verschwand schnell wieder. Xie Lian fischte unterdessen einige Münzen hervor und legte sie vor den Altarschrein. Als er sah, dass dort noch heruntergefallene, ausgebrannte Weihrauchstäbchen auf dem Boden lagen, hob er sie auf. Während dieser ganzen Prozedur rollte Fu Yao so sehr mit den Augen, dass sich Xie Lian beinah gezwungen fühlte zu fragen, ob seine Augen nicht langsam davon erschöpft waren. Nachdem sie die fünf Meilen gelaufen waren, entdeckten sie wirklich den örtlichen, feuerroten Tempel am Straßenrand. Während dieser Tempel zu der eher kleinen Sorte gehörte, hatte er alles, was es brauchte und die Menschen kamen und gingen mit einer außergewöhnlichen guten Laune. Die Drei verbargen ihre Gestalt und betraten den Tempel. Schnell entdeckten sie das aus Lehm errichtete Abbild der göttlichen Statue des Kriegsgottes Nan Yang, gekleidet in prächtiger Rüstung und einem Bogen in der Hand, der hier verehrt wurde. Als Xie Lian die Statue sah, seufzte er innerlich. In kleinen Tempeln auf dem Land konnte man oft erwarten, dass die Götterstatuen raue Skizzen oder grob gemeißelte Werke waren, doch insgesamt wirkte diese Statue bedeutend anders, als Xie Lians eigener Eindruck von Feng Xin war. Aber verfälschte Abbilder waren etwas, an das sich mittlerweile alle göttlichen Beamten gewöhnt hatten. Ungeachtet dessen, dass selbst ihre eigenen Mütter sie nicht wiedererkennen konnten, gab es auch jene Beamten, die sich selbst in ihren Statuen nicht erkannten, wenn sie davor standen. Man musste aber auch anmerken, dass es nicht viele Künstler gab, die die echte Form eines Gottes zu Gesicht bekommen hatten. Also waren diese Statuen entweder verstörend schön oder scheußlich verzerrt. Meistens konnte man nur an der Pose, dem heiligen Werkzeug, Kleidung und der Krone ausmachen, mit welcher Gottheit man es zu tun hatte. Je wohlhabender eine Gegend war, umso mehr trafen die Statuen den Geschmack der Unsterblichen. Desto ärmlicher der Ort, umso schlimmer war der Geschmack in die Kunstfertigkeit und so tragischer das Aussehen der Figur. Um ein Gegenwärtigen vergleich zu erbringen. Es gab nur General Xuan Zhen, dessen göttliche Statuen in einem Besseren Licht dastehen. Wieso? Weil alle anderen sich nicht darum scherten, wenn ihre Figuren miserabel aussahen. Aber wenn Mu Qing eine seiner Abbilder so entstellt vorfand, würde er sie entweder in aller Heimlichkeit zerstören, so dass die Menschen ihm eine neue modellieren mussten, oder aber er erschien ihnen im Traum und machte sein Missfallen deutlich. Diese Vorfälle zogen sich solang hin, bis die hingebungsvollen Gläubiger begriffen, dass sie erst einen fähigen Künstler auffinden mussten, der eine schöne Figur anfertigen konnte! Alle Tempel von Xuan Zhen waren exakt genauso wie ihr General: Anspruchs- und Geschmackvoll. Nachdem Fu Yao den Tempel von Nan Yang betreten hatte, beschäftigte er sich zwei Stunden damit, die Statue von Kopf bis Fuß zu kritisieren. Es fielen Dinge wie, dass das Design deformiert wirke, die Farben schäbig, die Handwerksarbeit plump und der Geschmack bizarr. Xie Lian beobachtete, wie die blaue Ader auf Nan Feng’s Stirn langsam hervor trat und dachte sich, dass es sinnvoll war, ein neues Gesprächsthema zu finden, um von diesem hier abzulenken. Doch zufälligerweise betrat genau in diesem Augenblick ein weiteres Mädchen zum Beten den Raum und kniete sich sehr hochachtungsvoll nieder. Xie Lian nahm das zum Anlass, sich an seine Begleiter zu wenden. “Wo wir gerade darüber sprechen, Lord Nan Yang’s Hauptverbreitungsgebiet ist doch der Südosten, nicht wahr? Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ihr auch so eine große Anzahl an Gläubige im Norden besitzt.” Wenn Menschen einen Tempel oder Palast errichten, dann waren es meistens Orte, die sie mit den himmlischen Palästen des Göttlichen Reiches verbanden und versuchten somit ihren gewidmeten Göttern nahe zu sein und diese zu Reflektieren. Die Tempel, an denen die Gläubigen zum beten zusammen kommen, sind eine wichtige Ressource um an Spirituelle Kraft für einen himmlischen Beamten zu gelangen. Und genau aus solchen unterschiedlichen Gründen - wie die Geografie, Geschichte und Gewohnheiten - beteten die Menschen verschiedener Regionen auch verschiedene Gottheiten an. In ihrem eigenen Einzugsgebiet war die spirituelle Kraft eines Gottes beinah unendlich zu seiner Verfügung vorhanden, und hatten so außergewöhnliche Vorteile, wenn sie sich in der Nähe ihres Haupttempels aufhielten. Es war nur einem Unsterblichen, wie dem großen Kriegskaiser möglich, ohne einen Haupttempel auszukommen, da er Gläubige auf der gesamten Welt und somit auch überall Tempel, besaß. Es war etwas gutes, wenn ein General auch Tempel weit außerhalb seines eigentlichen Gebiets dank seiner Berühmtheit besaß. Nan Feng sollte stolz sein, doch wenn man seinen Gesichtsausdruck auswertete, war das nicht wirklich der Fall. Auf der anderen Seite begann Fu Yao leicht zu grinsen. “Ja, ja, er ist unglaublich beliebt.” Xie Lian wandte sich ihm zu. “Aber ich wollte doch nur eine Frage stellen, von der ich nicht wusste, ob…” “Wenn ihr sagen wollt, dass ihr nicht wisst, ob diese Frage angebracht ist, dann lasst sie lieber gleich bleiben.” erwiderte Nan Feng. Nein, ich wollte eigentlich sagen: ich weiß nicht, ob jemand die Antwort darauf kennt.” dachte Xie Lian. Doch irgendwie beschlich ihn das Gefühl, dass es nicht gut war, wenn er etwas sagte und entschied sich letztendlich erneut das Thema zu wechseln. Unerwarteterweise war es Fu Yao, der ihm mit gelangweilter Stimme zuvor kam. “Ich weiß was ihr sagen wollt. Ihr möchtet wissen, wieso so viele weibliche Gläubige ihn anbeten?” Das war wirklich die Frage, die er im Kopf gehabt hatte. Es hatte schon immer weniger Frauen gegeben, die sich zu den Kriegsgötter bekannten. Er selbst hatte damals, vor 800 Jahren, eine ausnahme gebildet. Wie auch immer, der Grund für diese Ausnahme war leicht erklärt und brauchte nur zwei Worte: Gutes Aussehen. Es wusste zu gut, dass es nicht daran lag, dass man ihn gut von anderen unterscheiden konnte oder er ein besonders hohes Maß an spiritueller Energie besaß. Es lag einfach nur daran, dass seine Abbilder schön anzusehen waren und seine Tempel mindestens genauso sorgfältig und hübsch gestaltet wurden. Wenn man es genau nahm, waren alle Palasttempel von der Königlichen Familie erbaut worden und sie hatten nur die besten Künstler kommen lassen, die das Land zu bieten hatte, um die Statuen und Abbilder nach seinem Aussehen zu gestalten. Zudem kam es, dass dank seines Satzes “Der Körper im Abgrund, das Herz im Paradies” er oftmals mit Blumen an seinen göttlichen Statuen dargestellt wurde, was ihm einen weiteren Titel einbrachte: Der blumengekrönte Kriegsgott. Daher glaubten die weiblichen Anbeterinnen, dass auch er gut auszusehen hatte und mochten es, seinen Tempel zu betreten, um Blumen niederzulegen und ihn mit eben solchen zu schmücken, während sie entspannt beten konnten. Die meisten anderen Kriegsgottheiten bevorzugten es, ihre Gesichter mit einem ernsten, brutalen oder kalten Blick gemeißelt zu bekommen, so dass ihre einschüchternde Aura besser wahrgenommen werden konnte. Wenn die Frauen sich diesem bewusst wurden, beteten sie doch lieber zu Bodhisattva. Während Nan Yangs Statue weder diesen einschüchternden Eindruck erweckte, noch besonders schön anzusehen war, fielen Xie Lian dennoch deutlich mehr weibliche Gläubige auf, als die für üblich gesehenen Männlichen. Da Nan Yang nicht wirklich so aussah, als wollte er diese Frage beantworten, wuchs Xie Lian Neugier noch ein wenig mehr. Gerade dann beendete das Mädchen ihr Gebet, stand langsam auf und griff nach dem Räucherwerk, nur um sich plötzlich umzudrehen. Nach der Drehung stieß Xie Lian die anderen Beiden an. DIe Zwei waren bereits genervt und nach seinem stoß, sahen sie was er wollte - woosh - ihnen klappte die Kinnlade herunter. “Zu hässlich.” schimpfte Fu Yao. Xie Lian verschluckte sich einen moment, ehe er tadelnd zu Fu Yao sprach. “Fu Yao, du kannst so nicht über Mädchen sprechen!” Aber wenn er ehrlich war, was Fu Yao sagte, entsprach der Wahrheit. Das Gesicht des Mädchens war unglaublich flach und nichtssagend, fast so, als hätte ihr jemand einen Pfannkuchen in das Antlitz geklatscht. Ihre fünf Merkmale waren so mittelmäßig und einfach, dass man beinah von einem Fehler ausgehen musste, wenn jemand sie anhand ihrer herausragendsten optischen Eigenschaft beschreiben sollte: der krummen Nase und die schräg gestellten Augen. Wie auch immer, Xie Lian beachtete weder, ob sie hübsch oder hässlich war. Der Grund wieso sie überhaupt seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte war, dass er einen langen Riss in ihrem Rock entdeckte, als sie sich herumgedreht hatte. Fu Yao war im ersten moment Erschrocken, nur um sich schnell wieder zu fassen. Auch die vorstehenden Venen an Nan Feng’s Stirn verschwanden augenblicklich. Als Xie Lian bewusst wurde, wie schnell sich ihre Gesichtsfarben veränderten, begann er sie augenblicklich zu beruhigen. “Keine Panik, keine Panik!” Das Mädchen nahm die Räucherstäbchen auf, kniete erneut nieder, und betete: “Möge General Nan Yang seinen Segen geben, und das Gebet seiner Anhängerin Xiao Ying erhören, so dass der geisterhafte Bräutigam bald geschnappt wird, damit nicht noch weitere Unschuldige von ihm verletzt werden…” Sie war ehrlich und fromm, während sie betete und bemerkte nicht, dass etwas besonderes hinter ihr vor sich ging. Genauso wenig wie sie sich der drei Männer bewusst war, die gleich neben dem Bein der Statue saßen. Xie Lian machte sich unterdessen Sorgen. “Was können wir tun? Wir können sie doch nicht einfach so hinaus gehen lassen? Jeder wird sie so auf ihrem Heimweg sehen.” Wenn man sich den Riss im Rock näher ansah, erkannte man schnell, dass jemand mit einem scharfen Gegenstand diesen absichtlich hinein gerissen hatte. Er vermutete, dass sie ihn selbst nicht einmal bemerkt hatte und wenn sie nun durch die Menge an Schaulustigen lief, würden diese sie auslachen und das Mädchen würde ein schmachvolle Erfahrung einstecken. Fu Yao war vollkommen uninteressiert. “Frag mich nicht. Der General, den sie Anbetet ist nicht mein General Xuan Zhen. ‘Einer soll nicht unangemessen gekleidet sein’. Davon sehe ich hier nichts.” Währenddessen verließ das Blut langsam aber sicher Nan Fengs Gesicht. Noch wusste er, wie man abwinkte, aber ein Wort bekam er nicht heraus. Ein vollkommen gesunder, ungezügelter junger Mann, der dazu gezwungen war, zwanghaft zu schweigen und das in absoluter Hilflosigkeit. Und so lang es an Xie Lian, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, in dem er den Äußeren Teil seiner Robe ablegte und ihn hinab warf. Der Überwurf flatterte einen moment lang sanft in der Luft, ehe eine sanfte Briese ihn über den Körper des Mädchens schweben ließ und so den Riss an ihrem Rock verdeckte. Alle drei stießen erleichtert den Atem aus. Doch das Mädchen erschrak leicht unter dem sanften Wind, der wie aus dem nichts aufgetaucht war. Sie sah sich um, nahm die Robe von ihren Schultern und musterte sie verwirrt, ehe sie das Kleidungsstück auf den Altar legte. Sie hatte absolut keine Ahnung, dass ihr da ein Missverständnis unterlief, und nachdem sie die Räucherstäbchen fest gesteckt hatte, machte sie sich daran, zu gehen. Wenn sie das Mädchen einfach so gehen ließen, würde sie in kürzester Zeit nicht mehr den Mut haben, sich jemanden zu stellen und in die Gesichter zu sehen. Die Beiden zu Xie Lians Seite waren entweder eingefroren oder festgefroren, vollkommen nutzlos, selbst wenn man sie hätte brauchen können und er seufzte. Nan Feng und Fu Yao wurden sich der Leeren Stelle zwischen ihnen erst einen Augenblick später bewusst, als Xie Lian sich bereits materialisiert hatte und hinab sprang. Die Beleuchtung der Lampen im Tempel waren gedimmt und seine Bewegung wirbelte etwas Luft auf, was das Kerzenlicht zum flackern brachte. Im ersten moment erkannte das Mädchen Xiao Ying nur etwas verschwommenes vor ihren Augen, ehe sie einen Mann mit nacktem Oberkörper, der nach ihr greifen wollte, aus der Dunkelheit auftauchen sah. Sie erschrak sich zu Tode. Wie erwartet, schrie sie auf. Gerade als Xie Lian etwas sagen wollte, holte das Mädchen reflexartig aus, während sie “Belästigung!” schrie. PA! Xie Lian bekam einen Schlag ins Gesicht. Das Geräusch der Ohrfeige hallte scharf und klar durch den Tempel und die beiden noch immer verborgenen Männer hinter dem Altar fühlten beinah selbst das kribbeln auf ihren Wangen zur selben Zeit. Xie Lian war nicht böse, dass man ihn geschlagen hatte und war stattdessen eher damit Beschäftigt, seine Robe in ihre Arme zu drücken, während er ihr leise etwas zuraunte. Das Mädchen blickte alarmiert drein, ehe sie hinter sich fühlte und die Röte ihr in die Wangen stieg. Tränen traten ihr in die Augen und keiner konnte ausmachen ob aus Scham oder Wut. Sie umklammerte die Robe, die Xie Lian ihr gab und rannte mit verborgenem Gesicht hinaus, während Xie Lian halb nackt zurück blieb. Nachdem sie verschwand, war der Tempel leer. Eine kalte Brise wehte durch die Halle und er begann leicht zu frieren. Während er sich seine Wange mit dem roten Handabdruck rieb, drehte er sich zu den anderen Beiden um. “Sehr schön, damit ist alles geregelt.” Nan Feng deutete auf ihn. “Sind… eure Wunden aufgerissen?” Xie Lian sah an sich hinab und sein Mund beschrieb eine Kreisrunde Oh-Form. Nach dem ausziehen hatte er seine glatte, jadeweiße Haut entblößt. Ausgenommen waren die schweren Verbände, die in dicken Bahnen um seine Brust gewickelt waren. Fest verknotet und selbst seine Handgelenke und sein Hals waren verbunden. Unzählige kleinerer Schnitte krochen unter den Rändern der Weißen Bandagen hervor, ein wirklich gewöhnungsbedürftiger und unerwarteter Anblick. Er vermutete, dass sein verrenkter Nacken mittlerweile wieder geheilt sein müsste, also begann er den Verband um den Hals langsam zu lösen. Fu Yao warf ihm einen verstohlenen Blick zu, ehe er seine Frage aussprach. “Wer war das?” “Was?” fragte Xie Lian. “Wer hat gegen euch gekämpft?” forderte Fu Yao weiter zu wissen. “Gekämpft?” Xie Lian war verwirrt. “Niemand?” “Aber all diese Wunden an eurem Körper…” begann nun auch Nan Feng zögerlich. Xie Lian betrachtete die beiden mit leerem Blick. “Ich bin gefallen.” “...” Dies waren tatsächlich die Verletzungen, die sich Xie Lian zugezogen hatte, als er vor drei Tagen aus dem Himmel stürzte. Wären sie von einem Kampf mit einer Person gewesen, so vermutete er, dass er niemals so stark verletzt worden wäre. Fu Yao grummelte etwas undeutliches vor sich hin. Wie auch immer man es nahm, es war keine Preisung seiner Errungenschaften, also zog Xie Lian es nicht einmal in Erwägung, nachzufragen, sondern konzentrierte sich darauf, die restlichen schweren Bahnen seiner Bandagen von seinem Hals zu lösen. Im nächsten Augenblick verhärteten sich die Blicke von Nan Feng und Fu Yao, als sie seinen Hals betrachteten. Ein schwarzes Band zog sich rund herum, um seinen schneeweißen Hals. ¹ Herr über Grund und Boden ist oft ein örtlicher Schutzgott von Gemeinden. Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- Kapitel 5 Drei Narren; Nächtliche Diskussionen im Tempel der großartigen Männlichkeit. Als er ihre Blicke spürte, lächelte Xie Lian sie an und drehte sich herum. “Das erste mal, dass ihr eine echte verfluchte Fessel seht?” Verfluchte Fessel. Wie es der Name schon erahnen ließ, war dieses Mal um seinen Hals auf Grund einer Verwünschung entstanden. Das Mal der Sünde fand sich auf jedem Himmlischen Beamten, der aus dem Himmel verbannt wurde, wieder, als Zeichen des Zorns, den sie auf sich gezogen hatten. Auf ihren Körpern brannte sich diese Fessel, die ihre Spirituellen Kräfte versiegelte und nie mehr gelöst werde konnten. Wie ein Brandmal im Gesicht, eine Kette um Hand und Fuß, war auch dies eine Form der Bestrafung und ein Zeichen der Warnung für Andere. Es war zugleich furchteinflößend und demütigend. Natürlich besaß Xie Lian, als Gespött der drei Reiche ebenfalls verfluchte Fesseln auf seinem Körper, nachdem er zwei Mal verbannt worden war. Es war ein Ding der Unmöglichkeit, dass keiner der beiden Junior Beamten zuvor nichts davon gehört hatte. Doch gab es immer gewisse Diskrepanzen, zwischen Hören und sie mit eigenen Augen sehen. Daher verstand Xie Lian nur zu gut, wieso sie so reagierten, wie sie es nun taten. Er vermutete sogar, dass die Beiden nun in seiner Anwesenheit vorsichtiger sein und sich unbehaglich fühlen würden. Schließlich war so eine Fessel nie ein gutes Zeichen. Eigentlich war er versucht, sich mit der Ausrede hinaus zuschleichen, dass er sich ein paar frische Kleidungsstücke von außerhalb holen wollte, als Fu Yaos Augenrollen, so wie sein Kommentar ihn aufhielten. “Wenn ihr in eurem jetzigen Erscheinungsbild so nach draußen gehtt, werdet ihr als Perverser betitelt.” Letztendlich war es Nan Feng, der ihm dankbarerweise eine leichte Robe der Tempeldiener gab, welche er extra aus dem hinteren Teil des Tempels geholt hatte und mit der Xie Lian endlich die möglichkeit besaß, nicht mehr so unpassend auszusehen. Doch selbst nachdem sie sich wieder gesetzt hatten, war die Stimmung dank der vorherigen Umstände seltsam angespannt. Daher nahm Xie Lian einfach die Rolle erneut hervor, die der Palast von Ling Wen ihm übergeben hatte. “Wollt ihr nochmal einen Blick hierauf werfen?” Nan Feng hob seine Augen und warf ihm einen langen Blick zu. “Ich habe sie mir bereits angesehen, wenn, dann denke ich, dass er derjenige sein sollte, der am besten nochmal einen genaueren Blick hinein wirft.” “Was meinst du damit, dass ich derjenige bin, der nochmal einen genaueren Blick hinein werfen soll?” Fu Yao konterte augenblicklich. “Diese Rolle ist nicht einmal ansatzweise Detailliert genug, vollkommen nutzlos und du denkst, sie ist einen weiteren Blick wert?” Als Xie Lian hörte, wie sie die Rolle als nutzlos betitelten, fühlte er sich ein wenig bedrückt, wenn er an das asche-bleiche Gesicht des Mitarbeiters in Ling Wens Palast dachte, der das ganze so fleißig zusammen getragen hatte. Fu Yao machte unterdessen weiter. “Oh ja? Wo waren wir gleich? Der Tempel von Nan Yang - und wieso Nan Yang so viele weibliche Gläubige hat, richtig?” Gut. Xie Lian steckte die Rolle weg und rieb sich seine pochende Stirn. Er verstand endlich. Niemand würde nochmal einen Blick darauf werfen. Wenn sie sich sowieso nicht auf das Hauptthema konzentrieren wollten, wieso dann nicht eben herausfinden, was es mit den Nebensächlichkeiten auf sich hatte. Wie sich herausstellte, hatte im Gegensatz zur royalen Hoheit, der die letzten Jahrhunderte mit Müll sammeln zugebracht hatte, jeder Gott und Buddha von der Zeit gehört, in der Lord Nan Yang Feng Xin “Lord Ju Yang [巨跟 ¹]” (Lord Schwanz Yang) genannt wurde. Der Mann selbst verabscheut diesen Titel zutiefst und jeder hatte nur ein Wort für dieses Dilemma übrig: “Ungerecht”! Eigentlich war die richtige Schreibweise von “Ju Yang [俱跟 ²]” jene für unfehlbare Männlichkeit, aber der Grund, wieso es falsch Niedergeschrieben wurde, hatte Schuld in einem gewissen Zwischenfall. Vor vielen Jahren gab ein König den Befehl unzählige Tempel und Paläste zu errichten. Um seinen Glauben und seine Ehrlichkeit zu demonstrieren, zeichnete und beschriftete er persönlich jeden Titel aller Tempel und die zu den Palästen dazugehörigen Messingtafeln. Doch als er beim Palast von Ju Yang ankam, hatte er den Titel irrtümlicherweise als “Schwanz Yang ³” niedergeschrieben. Dieser Umstand bereitete vielen Amtsträgern die am Bau der Tempel beteiligt waren, Grund zum Wehklagen. Sie konnten einfach nicht herausfinden, ob seine Majestät diese Änderung absichtlich tätigte, oder das ganze ein flüchtiger Fehler gewesen war. Wenn es beabsichtigt war, wieso gab es dann keinen eindeutigen Erlass, der Besagte, ja, dass ist das, was wir verändern wollen? Aber wenn es nicht gewollt war, wie konnte dann so ein simpler Fehler überhaupt passieren? Es war immerhin nicht so, als könnte jemand an den König herantreten und sagen: “Euer Majestät, ihr liegt falsch.” Wer wusste schon, ob seine Majestät nicht denken würde, man nehme ihn nicht ernst oder mache sich Lustig über seine Nachlässigkeit. Was wenn er behauptete, dass sie sein Wissen für gering hielten? Sein Herz heuchlerisch? Würden sie die Schriften ihre Majestät nicht in den Dreck ziehen, wenn sie diese nicht verwendeten? Göttliche Wesen hatten nur schwer lesbare Herzen und die Beamten verfielen in Absolute Agonie. Nach langer Überlegung entschieden sie sich, dass es einfacher war, Lord Ju Yang Kummer zu bereiten, als ihrer königlichen Hoheit. Bald konnte man mit Sicherheit behaupten, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatten. Als der Herrscher herausfand, dass unfehlbare Männlichkeit zur gigantischen Männlichkeit geworden war, versuchte er nicht einmal, sich zu Rechtfertigen. Stattdessen beauftragte er eine Hand voll von Gelehrten, die uralte Texte durchforsten und mit eifer unzählige kleine Gründe heraussuchen sollten, dass seine Schreibweise der gigantischen Männlichkeit die richtige war. Es wurden sogar Berichte verfasst, die belegten, dass unfehlbare Männlichkeit verkehrt gewesen war. In kürzester Zeit wurde aus allen Tempeln der unfehlbaren Männlichkeit über Nacht ein Tempel der großartigen Männlichkeit. Feng Xin, der seinen göttlichen Titel so beiläufig geändert bekommen hatte, fand dies erst Dekaden später heraus. Er hatte vorher nie das bedürfnis gehabt, sich die Namensplaketten seiner Tempel genauer anzusehen und als es eines Tages zufällig geschah, war er mehr als nur verblüfft. Wie kam es, dass so viele Frauen, mit schüchtern, verlegener Röte auf den Wangen, zum beten in seinen Tempel kamen? Und für was beteten sie, wenn sie das Weihrauch anzündeten?! Als er die Antwort heraus fand, stürmte er auf den Gipfel des neunten Himmels und schrie seine Flüche der brennenden Sonne und dem weiten Himmel entgegen. Ein jeder der Himmlischen Beamten war erschüttert darüber. Nachdem er mit Fluchen fertig war, gab es nicht viel, was er tun konnte, außer die Dinge so hinzunehmen. Es war nicht so, als könnte er böse auf die Frauen sein, die so ehrlich zu ihm beteten, also war er gezwungen ihnen für einige Jahre zuzuhören. Dies hielt sich so lang, bis ein weiterer Herrscher daher kam und sich dachte, dass gigantische Männlichkeit ein furchtbar Obszöner Titel war, sodass er ihn in Nan Yang⁴ änderte. Dennoch vergaß niemand für was dieser Kriegsgott angebetet wurde. Zugleich gab es unter den Unsterblichen jedoch eine unausgesprochene Regel: Benutze niemals diesen Namen um ihn zu rufen. Zur gleichen Zeit kamen sie auf eine weitere Übereinstimmung: Wie konnte man Lord Nan Yang nun einschätzen? Ein Wort: Gut! Nan Fengs Gesicht war bereits so düster wie der Boden eines in die Jahre gekommenen Wok. Dennoch war Fu Yao plötzlich danach, ein altes poetisches Werk vorzutragen: “Freund der Frauen ein getreuer Gefährte Frag nach Söhnen So Machtvoll er ist Die geheime Formel stärkt die Männlichkeit für einen Sohn durch dein Gebet Ahaha, ahaha, ahahahahahaha…” Xie Lian verkniff sich freundlicherweise ein Lachen, um Nan Yang vor seiner Statue nicht bloßzustellen. Nan Feng hingegen war erzürnt. “Den Sarkasmus kannst du dir verkneifen. Wenn du so gelangweilt bist, kannst du auch den Boden wischen!” In dem Augenblick, in dem die Worte ausgesprochen worden waren, verdunkelte sich auch Fu Yao’s Gesicht, wie der Boden eines Topfes. Wenn der Palast von Nan Yang eine Sache nicht ausstehen konnte, so waren es diese Zwei Worte, denn sie wollten einfach nicht zu hören bekommen, wie jemand ihnen Befahl den Boden zu wischen. Der Grund dahinter war ein einfacher, denn Mu Qing war einst ein Laufbursche des heiligen königlichen Pavillon. Seine Aufgaben umfassten das Servieren von Tee, Wasser tragen, Wischen und die Laken von Xie Lians Betten in seiner Unterkunft wechseln. Eines Tages bemerkte Xie Lian ihn leise die Inkarnationen rezitieren, die er im Training aufgeschnappt hatte, während er am wischen war. Er bewunderte ihn für den Willen, diese Dinge zu lernen, obwohl seine eigentliche Arbeit ihm viel abverlangte und er unter den harten Gegebenheiten gebeutelt wurde. Deswegen war er an die Lehrmeister herangetreten, um darum zu bitten, aus ihm einen Schüler zu machen. Wie konnte man diesen Zwischenfall am besten Beschreiben? Es konnte sowohl großartig oder klein, demütigend oder komplementierend gewesen sein. Das lag einzig und allein an der Auffassung von jedem selbst. Offensichtlich hatte die Person damals seine Vergangenheit als beschämend in seinem Leben wahrgenommen, wenn man bedachte, dass Mu Qing wie auch seine Gefolgsleute jedes mal ausrasteten, wenn sie nur das Wort “wischen” hörten. Mit Sicherheit war Fu Yao unerschütterlich genug, denn nachdem er Xie Lian einen kurzen Blick zugeworfen hatte - welcher nur seine Hand zum abwinken hob und ansonsten unschuldig wirkte - und knurrte. “Hör dich nur an! Die, die keine Ahnung haben, würden glauben, dass der Palast von Nan Yang sich mit dem Palast des Kronprinzen zusammen tut und dann hart gegen seine Ungerechtigkeit vor geht.” Nun knurrte auch Nan Feng. “Dein General ist hier doch offensichtlich der Undankbare, der die Hand beißt, die ihn füttert. Muss ich mehr dazu sagen?” “Umm…” Xie Lian hatte versucht sich einzumischen, ehe Fu Yao zu lachen begann. “Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Welches Recht nimmst du dir raus jemanden zu Beschuldigen?” “...” Xie Lian konnte es nicht mehr ertragen, wie die Beiden einem Hammer gleich, ihren Streit auf dem Rücken des Himmlischen Beamten austrugen, der gleich dort oben auf dem Altar stand. “Wartet. Haltet ein. Stop. Stop.” Natürlich beachteten sie ihn nicht, stattdessen hatten sie begonnen sich mit den Fäusten zu prügeln. Keiner konnte sagen, wer den ersten Schlag getan hatte, doch hatte einer den Altar getroffen, jenen geborsten und nun rollten die Teller voller Früchte über den Boden. Als Xie Lian klar war, dass er den Streit nicht schlichten konnte, setzte er sich seufzend in eine Ecke. “Was eine Schande.” murmelte er, während er einen gedämpften Knödel aufnahm, der ihm vor die Füße rollte. Kurzerhand entstaubte er ihn mit den Fingern und war dabei herzhaft hineinzubeißen, als Nan Fang dies aus dem Augenwinkel bemerkte und ihm diesen sofort aus der Hand schlug. “ESST DAS NICHT!” Fu Yao hielt ebenfalls inne und wirkte erschüttert und angeekelt. “Wie könnt ihr etwas essen, das auf den Boden lag?!” Xie Lian nutzte die Chance und hob die Hand. “Stop, stop, stop. Nun habe ich aber was zu sagen.” Freundlich lächelnd trennte er die Beiden, ehe er weiter sprach. “Zuerst einmal. Diese Hoheit der Kronprinz, über den ihr dort sprecht, bin ich. Und diese Hoheit hat nicht einmal etwas gesagt, also nutzt mich nicht wie eine Waffe um euch gegenseitig anzugreifen.” Er pausierte einen Augenblick ehe er noch etwas hinzu fügte. “Ich kann mir nicht vorstellen, dass eure Generäle sich je so aufgeführt hätten. Wenn ihr Beiden weiter so unangemessen agiert, werdet ihr ihren Ruf ruinieren.” Die Gesichter der Zwei veränderten sich kaum merklich, als er diese Worte sagte. Xie Lian machte weiter. “Zweitens, ihr beide seid hier, um mir zu helfen, richtig? Also sollte ich da auf euch hören, oder ihr auf mich?” Es dauerte einen Moment, ehe beide antworteten. “Auf euch hören.” Auch wenn ihre Gesichter sagten “Auf euch hören? Träumt weiter” war Xie Lian mehr als zufrieden. Mit einem kleinen klatschen legte er die Hände wie zu einem Gebet zusammen. “Sehr schön. Und nun zum dritten Punkt. Wenn ihr schon etwas herumwerfen müsst, nutzt lieber mich, als das Essen.” Endlich schaffte es Nan Feng den gedämpften Knödel aus Xie Lians Griff zu puhlen, ehe dieser wieder auf die Idee kam, ihn essen zu wollen. Er selbst sah so aus, als könnte er nicht einmal den Gedanken daran ertragen. “Wenn etwas auf den Boden fällt, kann man das nicht mehr essen. Das gehört sich nicht.” Am nächsten Tag - zurück beim Laden der zufälligen Begegnungen. Der Teemeister saß wie tags zuvor wieder am Eingang und hatte die Füße entspannt hochgelegt. Er sah dabei zu, wie die Drei langsam aus weiter ferne näher kamen. Der Kultivator in leichten und einfachen weißen Gewändern, der einen Bambushut auf seinem Rücken hängen hatte, führte die zwei großen, hinter ihm laufenden und in schwarz gekleideten Jugendlichen an. Mit leichten Schritten, die Arme über der Brust verschränkt kam der Kultivator näher. Seine Stimme war träge und klang weit müßiger, als sie eigentlich war. “Besitzer, drei Tassen Tee bitte.” Der Teemeister lächelte. “Kommt sofort.” Währenddessen machte er sich seine eigenen Gedanken. “Diese drei albernen Kerle sind wieder da. Was eine Schande, der eine sieht ansehnlicher aus als der andere, aber ihr Verstand scheint einen Schaden davongetragen zu haben. Lieber Gott, lieber Gott, im Himmel? Was für einen Sinn hat es, so gut auszusehen, wenn du eine Schraube locker hast?” Xie Lian wählte wieder den Platz am Fenster und nachdem sie sich gesetzt hatten, ergriff Nan Feng das Wort. “Wieso müssen wir unbedingt hierher kommen, um alles zu bereden? Seid ihr euch sicher, dass uns niemand belauscht?” Xie Lian war warm am lächeln. “Das ist in Ordnung. Selbst wenn uns jemand zuhören sollte, wird es ihnen egal sein und sie denken im besten Fall, wir seien Wahnsinnig.” “...” “Um zu vermeiden, dass wir noch mehr Zeit verschwenden, lasst uns zum Punkt kommen.” entschied Xie Lian. “Wo wir die ganze Sache über nacht haben ruhen lassen, habt ihr Beiden über irgendwelche Ideen nachgedacht?” Fu Yao’s Augen leuchteten auf. “Töten wir es!” “Kein Scheiß!” meinte Nan Feng. “Nan Feng, sei nicht so unhöflich. Fu Yao hat nichts falsches gesagt.” mischte sich Xie Lian ein. “Es ist eine Möglichkeit das Problem zu lösen, indem wir es Töten, aber das Schwierige daran: Wo gehen wir hin? Was töten wir? Wie töten wir es? Ich schlage vor…” Plötzlich erklang das Laute schlagen von Trommeln und Gongs von der Hauptstraße, was die Drei aus dem Fenster blicken ließ. Es war wieder eine dieser “Übergabe der Familie” Prozession, welche trostlos und tragisch wirkte. Die Gruppe aus Männern auf Pferden spielten ihre Instrumente so energisch, ihre Jubel und Rufe, so laut, als hätten sie Angst, dass man nicht erkannte, was sie darstellten. Nan Feng runzelte die Stirn. “Sagten sie nicht, dass es die Menschen an Berg Yujun nicht wagen würde, so eine Große Show für die Zeremonie abzuhalten?” Die Prozession bestand aus großen, starken und stabil gebauten Männern. Ihre Mimik, wie auch ihre Muskeln angespannt, während der kalte Schweiß ihnen auf der Stirn stand, ganz so, als würden sie eine Guillotine, die noch heute ihr Leben beenden sollte und keine schön hergerichtete Hochzeitssänfte schleppen. Ein wenig wunderten sie sich, was für eine Person wohl in dieser Sänfte platz genommen hatte. Leise summte Xie Lian, während er über die Situation vor seinen Augen nachdachte, als sich ein unheilvoller Wind erhob und die Vorhänge an den Seitenwänden der Sänfte anhob. Die Figur im inneren der Sänfte saß in einer ziemlich seltsamen Position auf den Kissen. Ihr Kopf war in einem ungewöhnlichen Winkel geneigt und das lächeln, dass auf ihren kirschroten Lippen unter dem roten Schleier zu erkennen war, wirkte breit und übertrieben. Die Sänfte schwankte und das Tuch über ihren Kopf fiel hinab, enthüllte dabei ein paar hervorquellender, geradeaus starrender Augen. Es hatte den Anschein, als hätte man der Frau den Hals umgedreht und würde sich nun still und leise herzhaft darüber kaputt lachen. Vielleicht lag es einfach daran, dass die Sänftenträger selbst stark am Zittern waren. Doch war die Sänfte selbst nicht stark genug, diese Stöße abzufangen, so dass der Kopf der Frau wild auf und ab schwankte. Sie rumpsten und polterten und - THUD! - der Kopf fiel ab und rollte über die Straße. Auch der kopflose Körper in der Sänfte fiel nach vorne - BANG! - die ganze Figur war zu boden gestürzt. ¹ Gigantische Männlichkeit oder auch eine Beschönigung für “großer Penis” ² Yang ist der Männliche Teil von Yin & Yang. Das Wort bedeutet aber auch Sonne & Leben. ³ von unfehlbare Männlichkeit zu Gigantische Männlichkeit ⁴ Südliche Sonne Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)