Some Explaining To Do von DuchessOfBoredom ================================================================================ Kapitel 1: Have Fun Explaining ------------------------------ „Mr. Devlin? Nein, der ist nicht hier. Er war heute den ganzen Tag nicht im Laden.“ Der junge Mann im schwarzen Black-Clown-Hemd – sein Namensschild wies ihn als Mika aus – schüttelte den Kopf und sah die vier Jugendlichen entschuldigend an. „Das ist aber merkwürdig, er hat uns heute in der Schule noch gesagt, dass er den ganzen restlichen Tag hier sein würde.“ erwiderte Thea verwundert. Mika zuckte nur verlegen mit den Schultern: „Wie gesagt, ich kann euch da leider nicht weiter helfen. Die Pläne des Chefs sind seine Sache. Entschuldigt mich, da drüben wartet Kundschaft auf mich. Hoffentlich bis bald!“ Und schon war er davon gerauscht in Richtung einer Mutter mit Kind, die ratlos das Regal mit den Brettspielen anstarrte. Es war Freitag und Yugi, Joey, Tristan und Thea hatten in der Schule beschlossen, am frühen Abend gemeinsam ins Kino zu gehen und danach noch entspannt bei einem von ihnen abzuhängen. Duke hatte sich von Vornherein ausgeklinkt: „Sorry Leute, ich hab gerade irre viel zu tun und werde wohl den ganzen Nachmittag und Abend noch im Laden sein. Euch aber viel Spaß!“ Seine Freunde wunderte das ganz und gar nicht mehr, denn der junge Ladenbesitzer und Spieledesigner verpasste durch seine Arbeit auch sonst mindestens achtzig Prozent ihrer Freizeitaktivitäten. Um 18:30 Uhr waren sie also wie geplant zu viert ins Kino gegangen, verließen es aber bereits eine Dreiviertelstunde später wieder. Der Film war derart schlecht gewesen, dass nicht einmal mehr Joey und Tristan – sonst bekennende Trashfilm-Freunde – es länger ausgehalten hatten. „Und was machen wir jetzt?“ Joey kratzte sich am Kopf, als er die Frage laut aussprach, die sie alle bereits im Stillen beschäftigte. „Wir könnten zu mir gehen und einen besseren Film gucken. Ich hab mir letztens den dritten Spiderman auf DVD gekauft.“ „Super Idee, Tristan.“ stimmte Thea zu. „Und vorher machen wir noch einen Zwischenstopp beim Supermarkt und versorgen uns mit Popcorn und Knabbereien.“ „Ach verdammt!“, fluchte nach einem kurzen Moment der Angesprochene, „Duke wollte den Film eigentlich auch gerne sehen …“ „Oh, nicht, dass er traurig ist, wenn wir ihm am Montag erzählen, dass wir das ohne ihn geschaut haben. Vielleicht sollten wir dann doch etwas anderes angucken?“ Yugi wollte nicht, dass Duke sich ausgeschlossen fühlte, nur weil er wichtigere Verpflichtungen hatte als sie. Nach einem kurzen Moment, in dem alle sinnierten, wie das Dilemma gelöst werden könnte, durchbrach Joey die Stille: „Ich hab’ eine bessere Idee: Warum gehen wir nicht einfach bei Duke im Laden vorbei, sammeln ihn ein und er kann den Film mit uns gucken? Scheiß auf seine Arbeit, das macht er eh schon tagein, tagaus und er muss doch auch mal ein bisschen leben! Wozu ist er denn sein eigener Chef, wenn er nicht auch einfach mal frei machen kann? Zum Arbeiten hat er die sechs anderen Wochentage, aber heute ist Freitag, der Ich-mach-was-mit-meinen-Freunden-Tag!“ Tristan nickte: „Genau, man muss ihn mal dran erinnern, dass er auch erst 18 ist, genau wie wir. Er muss auch mal Spaß haben.“ „Aber er hat doch gesagt, er hat wichtige Sachen zu tun. Sollten wir ihn da wirklich abhalten?“ „Komm schon Yugi, mach dich mal locker! Nichts hilft besser gegen Arbeitsstress, als einen entspannten Abend mit den besten Freunden zu verbringen. Und wir wollen doch nicht, dass der gute Duke irgendwann noch einen Burnout bekommt.“ Schließlich war auch Yugi überzeugt und sie hatten sich auf den Weg zum Black Clown gemacht. Dort hatten sie Duke jedoch – entgegen seiner eigenen Aussage – nicht angetroffen. Die vier Freunde verließen das Geschäft und rätselten, was sie jetzt unternehmen sollten. „Das ist echt seltsam, Leute. Warum hat Duke gesagt, dass er im Laden sein würde, wenn er da dann gar nicht auftaucht? Meint ihr, er hat uns angelogen?“ fragte Tristan in die Runde. „Nein, warum sollte er uns denn anlügen? Wir sind doch seine Freunde. Wahrscheinlich steckt gar nichts weiter dahinter.“, bot Thea eine rationale Erklärung an. „Bestimmt wollte er wirklich erst im Laden arbeiten, hat es sich dann aber anders überlegt und sich zu Hause an den Schreibtisch gesetzt.“ „Oder er wollte in den Laden und ist nie dort angekommen? Was, wenn ihm auf dem Weg was passiert ist?“ fragte Yugi mit sorgenvoller Stimme. „Ach Quatsch, jetzt mach mal halblang, Yugi!“ Joey winkte den Einwand energisch ab, gab aber zu: „So oder so, es ist und bleibt merkwürdig. Wir können ja einfach auf Nummer sicher gehen und mal bei ihm zu Hause vorbeischauen. Wenn er da ist und arbeitet, dann bleibt es bei unserer Idee, ihn davon abzuhalten und mit uns mitzukommen. Und wenn er nicht arbeitet, dann hätte er ja von Anfang an Zeit für uns gehabt und wir müssen ein ernstes Wörtchen mit ihm reden, warum er was anderes behauptet hat.“ „Und wir sehen, ob es ihm gut geht.“ „Genau Yugi, und wir sehen, dass es ihm gut geht.“, wiederholte Tristan seufzend. Die Fürsorge ihres kleinen Freundes in allen Ehren, aber manchmal ging sie Joey und Tristan ein bisschen auf den Keks. Ja, sie hatten krasse Abenteuer bestanden und fiese Fieslinge besiegt, aber seitdem war die Normalität wieder eingekehrt und Duke konnte gut auf sich aufpassen. Aber so war ihr Freund eben und sie ließen es darauf beruhen. Duke besaß eine recht geräumige Einraum-Wohnung in einem Mehrfamilienhaus etwas westlich der Innenstadt Dominos, die die Vier nach etwa zwanzig Minuten Fußweg erreichten. Die Haustür stand einen Spalt offen, sodass die Freunde direkt bis in den dritten Stock zu Dukes Wohnung gehen konnten. Thea betätigte die Klingel. Sie warteten. Nichts rührte sich. „Was, wenn er auch nicht zu Hause ist?“ Yugi wusste nicht so recht, warum er flüsterte. Thea klingelte noch einmal und als wieder nichts passierte, klopfte Tristan an die Tür und sagte laut: „Komm schon, Duke, mach auf! Wir wissen, dass du da bist.“ Zu den anderen gewandt fügte er schulterzuckend hinzu: „Versuchen kann man es ja mal.“ Auch Yugi versuchte es nun etwas lauter: „Und wir machen uns Gedanken um dich!“ Endlich hörten sie ein kurzes Rumpeln, ein leicht genervtes „Moment!“ und schließlich öffnete sich die Tür einen Spaltbreit. Da stand in der Tat Duke, allerdings in einem ungewohnt desolaten Zustand: zerstrubbelt, mit losem Zopf und ohne sein Haarband, mehrere Knöpfe seines roten Hemdes gar nicht oder falsch zugeknöpft und mit offenem Gürtel. „Leute, was macht ihr denn hier? Und warum der ganze Lärm?“ fragte er sichtlich verwundert. Joey begann zu erklären: „Naja, wir waren wie geplant im Kino, der Film war aber echt miserabel, darum sind wir eher gegangen.“ Tristan fuhr fort: „Genau, wir wollten zu mir und den neuen Spiderman gucken, den ich gekauft habe und weil du den auch sehen wolltest und ständig nur am Arbeiten bist, dachten wir, wir halten dich mal ein bisschen davon ab und sammeln dich ein, damit du mal wieder ein bisschen Spaß hast.“ „Und dann waren wir im Laden, nur um zu erfahren, dass du gar nicht da bist.“, beendete Yugi die Vorgeschichte. „Da haben wir uns natürlich gewundert und dachten, wir schauen besser mal nach dir.“ „Ähm … wow, das ist ja lieb von euch, dass ihr euch solche Gedanken um mich macht, aber es war wirklich nichts weiter. Nur eine spontane … Planänderung. Ich, ähm, hatte eine gute Idee, die ich in Ruhe zu Hause besser ausarbeiten wollte.“ Duke nickte und lächelte, um seiner Geschichte mehr Glaubwürdigkeit verleihen. „Seht ihr, wie Thea gesagt hat.“ Yugi war die Situation sichtlich unangenehm und er wäre nur zu bereit gewesen, sich mit dieser Antwort zufrieden zu geben und einfach wieder zu gehen. Ihm war nicht entgangen, dass Duke das Ganze peinlich war und er wollte seinen Freund nicht weiter belasten. Die beiden anderen Jungs waren da weit weniger feinfühlig und glaubten dem Schwarzhaarigen kein Wort. Tristan musterte Duke skeptisch von oben bis unten: „Du siehst aber nicht so aus, als ob das mit dem Arbeiten gut geklappt hätte …“ „Ähm ja, also Leute, es … passt grad echt nicht gut. Ich erkläre es euch gerne morgen. Macht euch einen schönen Abend wie geplant, ok? Ich bin dann beim nächsten Mal auf jeden Fall dabei!“ Duke war schon drauf und dran, die Tür wieder zu schließen, aber Joey ließ ihn nicht so leicht davon kommen und hielt mit seiner Hand dagegen: „Mann, du benimmst dich echt komisch grade. Sagst erst, du bist in deinem Laden, dann bist du doch hier, dann sagst du, du hättest gearbeitet und siehst aber voll … zerstört aus!“ Thea fügte aus der zweiten Reihe sanfter hinzu: „Kannst du uns nicht reinlassen und mal in Ruhe erklären, was wirklich los ist?“ „Wie gesagt, es ist grad ganz schlecht …“ Duke war nun sichtlich nervös und es war klar, dass er nur noch wollte, dass seine Freunde verschwanden. Die Tür hielt er nach wie vor nur halb geöffnet als sei sie eine Art Schutzschild. Joey war nun wirklich verärgert: „Alter, was ist verdammt noch mal los? Druckst hier rum und versuchst uns die Tür vor der Nase zu zu halten! Man könnte meinen, du versteckst da jemanden!“ Tristan nutzte den entstandenen Moment unangenehmer Stille, um noch einmal prüfend an Duke hoch und runter zu sehen. Dann hellte sich sein Gesicht schlagartig auf. Es war wie in einer Krimiserie, wenn der Ermittler durch den zufälligen Satz eines Dritten mit einem Mal ganz klar den Tathergang erkennt. „Weißt du was, Joey? Ich glaube, damit könntest du sogar recht haben.“ Mit einem dreckigen Grinsen und ebensolchem Tonfall fragte Tristan: „Hast du etwa Besuch, Duke?“ Offenbar fielen jetzt auch bei den anderen die Groschen und Joey und Thea ließen ein überraschtes „Oooh!“ vernehmen. Beide sahen Duke nun ebenso neugierig und fragend an wie Tristan, Yugi wurde ein wenig rot. Duke atmete einmal tief ein und wieder aus, sah kurz zu Boden und dann wieder direkt seine Freunde an. Der Tonfall seiner zögerlichen Antwort schwankte irgendwo zwischen Genervtheit und Flehen. „Ja, okay, ich gebs zu, ich habe Besuch. Der ist grad noch unter der Dusche und wird auch gleich gehen, aber ich wäre euch trotzdem verbunden, wenn ihr auch erstmal verschwinden könntet. Ich schwöre, ich erzähle euch alles morgen!“ Leider hatte Duke mit seiner Erklärung vor allem bei Tristan und Joey das komplette Gegenteil erreicht. Ihre Neugier war nicht mehr zu bremsen und die Tatsache, dass Duke sie heute ganz offensichtlich angelogen hatte, vollkommen vergessen. „Na, also wenn das so ist, dann müssen wir doch gar nicht erst gehen. Im Gegenteil, wir können sie doch kurz kennenlernen, du begleitest sie noch zur Tür und dann kommst du mit uns mit und wir haben einen tollen Freitagabend!“ Tristan schien begeistert von seinem Vorschlag und Joey pflichtete ihm bei: „Genau, und wenn sie jetzt eh unter der Dusche ist und sich wieder … herrichtet, dann gibts ja auch nichts zu sehen, was peinlich wäre.“ Auch bei Thea siegte nun Neugier über Zurückhaltung: „Ja, und wenn du mit ihr zusammen bist, dann würde sie uns ja früher oder später sowieso kennen lernen. … Du bist doch richtig mit ihr zusammen, oder?“ „Ja, schon, aber …“ „Ok, dann passt es ja!“ Tristan und Joey warteten gar nicht ab, wie Duke seinen Satz beendete, sondern drückten die Tür etwas weiter auf und schoben sich an dem völlig verdutzten Spieleentwickler vorbei in die Wohnung; Thea folgte ihnen auf dem Fuße. Als letzter trat Yugi ein, zuckte mit Blick auf Duke noch einmal entschuldigend mit den Schultern, als wollte er sagen: ‚Ich hätte dich ja in Ruhe gelassen, aber ich jetzt hänge ich hier mit drin.’ Nachdem seine Freunde eingetreten – oder eher eingefallen – waren und sich um die Ecke in seinem kombinierten Wohn-, Arbeits- und Schlafzimmer auf die Couch gesetzt hatten, lehnte Duke sich noch einen Moment mit dem Rücken an die sich schließende Wohnungstür. Er entließ einen ausgedehnten Seufzer und fuhr sich entnervt mit der Hand über das Gesicht. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Die Freunde saßen auf der Couch wie zuvor im Kino, die Badezimmertür gleichermaßen als Leinwand, die sie wie gebannt anstarrten. Tristans und Joeys Versuche, Wetten abzuschließen, wer dort gleich herauskommen würde, wurden von Thea streng unterbunden. Von dem Moment an, als die Duschgeräusche endeten und man das Aufschieben des Duschvorhangs hören konnte, hätte man die Luft im Raum förmlich schneiden können. Duke hatte sich gezwungenermaßen mit seiner Lage abgefunden und nutzte die Zeit, bis sein Besuch fertig war, dazu sein Hemd und seine Hose richtig zu schließen sowie seine Haare zu richten. Dann hatte er ebenfalls nur noch Augen und Ohren für die Badezimmertür. Sobald er und die anderen hörten, dass sich der Schlüssel im Schloss herumdrehte und sich die Tür einen ersten kleinen Spalt öffnete, eilte er hinüber und wechselte ein paar kurze Worte mit der Person dahinter. Die Freunde neigten die Köpfe und versuchten das Gesagte zu erhaschen, konnten das Gemurmel jedoch nicht genau verstehen, geschweige denn, was geantwortet wurde. Es klang aber stark, als würde Duke sich entschuldigen. Schließlich atmete er noch einmal lang aus und trat von der Tür weg. Joey, Tristan, Thea und Yugi hielten gleichzeitig die Luft an. Sie rechneten mit einem äußerst attraktiven Mädchen von ihrer oder irgendeiner anderen Schule, denn diese Spezies schien Duke ja geradezu magisch anzuziehen, wie er jeden Tag von neuem unter Beweis stellte. Vor allem Joeys und Tristans Augen wurden groß vor Erwartung. Sie wurden enttäuscht. Aus dem Badezimmer trat kein hübsches Mädchen in knapper Schuluniform, sondern … Seto Kaiba. Frisch geduscht, in einem edlen grauen Anzug mit dunkler Krawatte, sich beiläufig seine vermutlich sündhaft teure Armbanduhr ums Handgelenk schließend. Er wandte sich zu Duke: „Meine Tasche …“ „Oh ja, klar.“ Schnell holte Duke die Ledertasche, die auf dem Fußboden nahe dem Schreibtisch lag und reichte sie ihm. „Danke.“ Etwas leiser, aber für die anderen noch hörbar und, trotz seines betont neutralen Gesichtsausdrucks, ungewöhnlich sanft fragte er: „Sehen wir uns nächste Woche?“ Duke antwortete ebenso leise mit einem kurzen Lächeln: „Ja.“ „Gut.“ Es kostete Kaiba nur den Bruchteil einer Sekunde, um in seine gewohnt kühle Art zurück zu finden. Mit unverhohlener Abneigung wandte er sich an den Rest der Truppe, die ihn so ungläubig ansah, als habe sie soeben einen Geist gesehen: „So gerne ich eurem kleinen Kaffeekränzchen hier noch beiwohnen würde, ich muss leider los. Man sieht sich.“ Die Angesprochenen sahen nur noch, wie er in Begleitung von Duke zur Tür ging. Eine richtige Verabschiedung war aufgrund des spontanen Überfalls durch den „Kindergarten“ heute wohl nicht möglich. So zog sich Seto einfach nur seine Schuhe an, griff nach seiner Tasche und trat aus der Wohnung. Duke konnte eine Spur von Belustigung in seinen tiefblauen Augen ausmachen, als er zum Abschied nur trocken sagte: „Na dann, viel Spaß beim Erklären!“ Anstelle einer verbalen Erwiderung verzog Duke sein Gesicht zu einem ironischen Grinsen und streckte dem Brünetten die Zunge heraus. Er überlegte ernsthaft, ob er noch eine unhöflichere Fingergeste nachsetzen sollte, verzichtete dann aber darauf. Seto schmunzelte daraufhin tatsächlich kurz und schüttelte gespielt tadelnd den Kopf. Dann drehte er sich wortlos um, hob noch einmal die Hand zum Gruß und ging die Treppe hinunter. Als seine Schritte im Treppenhaus immer leiser wurden, schloss Duke die Wohnungstür und atmete noch einmal tief durch, bevor er zurück zu seinen Freunden ging, die sich nach wie vor in einer Art Schockstarre befanden. Ja, er würde wirklich einiges erklären müssen … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)