Search & Rescue von Alaiya (Halloween-Geschichte) ================================================================================ Kapitel 3: Der Außenposten -------------------------- Cyan fand keinen Halt. Sie rutschte und rutschte, konnte kaum steuern. Gleich musste sie gegen einen Baum oder einen Stein prallen, würde sich den Kopf verletzen und dann würde dieses Ungeheuer sie bekommen. Eigentlich sollte sie sich umsehen, musste wissen, ob es noch da war, ob Heath noch bei ihr war, doch sie brachte es nicht über sich. Sie schrie, bemerkte es erst nach einer Weile, konnte nicht aufhören zu schreien. Sie wusste nicht mehr, wo in diesem Wald sie war. Alles war so seltsam, so unreal. Da. Endlich wurde der Abhang flacher. Sie schaffte es irgendwie zu bremsen und kam auf die Beine. Sie musste laufen, fliehen, weg hier. Also lief sie, auch wenn sie nicht wusste, wo sie war. Ihre Umgebung war seltsam irreal. Während sie rannte, schienen die Bäume zu verschwinden. Dann war sie auf einmal in einem Steinbruch, der kurz darauf verschwand, nur um einer von Dünen durchzogenen Wüste zu weichen. Das musste ihr Gehirn sein, dass ihr Streiche spielte. Oder war es das Monster? Nun war sie in einer Eiswüste. Dann auf einmal wieder im Wald. Nichts hiervon machte Sinn. Ihre Lunge brannte. Ihr Herz hämmerte. Sie konnte nicht stehen bleiben. Sie durfte nicht stehen bleiben. Wenn sie stehen blieb, würde das Monster sie bekommen, würde sie aufschälen, wie eine Orange. Sie hatte nichts, was sie schützen konnte. Ihre feste Wanderkleidung wäre kaum Rüstung gegen diese scharfen Klauen des Ungeheuers. Was war es überhaupt? So etwas sollte nicht existieren. Jemand hätte davon gehört, hätte davon erzählt, hätte … Jeder Atemzug tat weh und doch traute Cyan sich nicht stehen zu bleiben. Sie lief und lief und lief. Immer weiter. Schwarze Flecken tanzten vor ihren Augen, machten es schwer, überhaupt noch was zu erkennen - egal ob Wald oder Wüste. Langsam protestierten auch ihre Beine, wollten sie nicht länger tragen. Doch sie musste. Sie musste einfach. Doch in ihrer Eile sah sie die Wurzel nicht. Ihr Fuß verhedderte sich darin. Ein scharfer Schmerz zuckte durch ihr Bein. Dann fiel sie. Als Cyan wieder zu sich kam, fand sich sich schwebend über dem Boden. Nein. Nein, sie schwebte nicht. Sie wurde getragen. Ihre Arme waren zusammengebunden. Jemand hielt ihre Beine umschlungen. Das Monster! Panik kam in ihr auf. Sie trat, wollte sich losreißen, wollte weg, als derjenige der sie trug, stehen blieb. „Werd ruhig, verdammt noch mal, so kann ich dich nicht tragen.“ Die Stimme war vertraut, war menschlich. „Heath?“, brachte sie hervor. „Ja.“ Es war schwer ihn zu erkennen. Immerhin trug er sie auf seinen Rücken. Doch wenigstens lebte er noch. Das war ihr erster Gedanke. „Was ist passiert?“, fragte sie. „Du bist panisch geworden und hirnlos in den Wald gelaufen. Als ich dich gefunden habe, warst du gestürzt. Ich bin mir nicht sicher, ob du eine Gehirnerschütterung hast. Außerdem glaube ich, dein Fuß ist verstaucht.“ Beides gute Punkte. Ihr Kopf schmerzte dumpf und auch in ihrem Fuß war ein fürchterliches Stechen zu spüren. Aber das war nicht, was sie am meisten beunruhigte. Wurde sie verrückt? Spielten ihre Erinnerungen ihr einen Streich? „Das Monster …“, murmelte sie. Heath schwieg. War es vielleicht nur der Schock darüber gewesen, den Jungen zu finden? Hatte ihr Gehirn vielleicht auch durch die Erschütterung die Erinnerungen so gewebt. „Heath. War da ein Monster?“ Noch immer schwieg er. „Da war irgendetwas. Ich weiß nicht was. Wahrscheinlich ein wildes Tier.“ Das Wesen, was Cyan gesehen hatte, was sie meinte gesehen zu haben, war definitiv kein einfaches Tier gewesen. Doch sie sagte nichts. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Heath ging weiter. „Wo ist der Außenposten?“, fragte Cyan schließlich. „Wir sollten bald da sein“, murmelte ihr Partner nur. Tatsächlich sollte er Recht behalten. Es vergingen vielleicht vier oder fünf Minuten, die Heath einen Abhang hinaufkraxelte, bis der Außenposten in Sicht kam. Es war eigentlich eine Aufsichtsplattform für die Brandwache, aber wahrscheinlich um diese Zeit nicht in Benutzung. Dort würden sie aber alles wichtige finden. Essen. Verbandsmaterialien. Und eine Möglichkeit die Zentrale zu kontaktieren. Cyan wollte protestieren, als Heath anfing, die knarzende hölzerne Treppe hochzusteigen, doch sie ließ es, wusste sie doch, wie dickköpfig Heath sein konnte. Als sie jedoch oben ankamen, ging die Tür nicht auf. „Lass mich runter“, bat sie. Heath verstand. Er machte ihre Hände, die er lose mit einem Tuch zusammengebunden hatte, damit sie nicht abrutschte, während sie ohnmächtig war, los. Schmerzerfüllt stöhnte Cyan auf. Sie hatte nicht ganz verhindern können, ihren Fuß zu belasten. Dann aber stand sie, lehnte sich gegen das Treppengeländer, während Heath sich gegen die Tür warf. Cyans Blick wanderte in den Wald. Es war mittlerweile dunkler geworden. Offenbar war der Sonnenuntergang nahe. Und das Monster, es war immer noch da draußen. Egal, wie sehr sie sich einzureden versuchte, dass es nur ein Tier gewesen war, ihr Geist wollte sich davon nicht überzeugen lassen. Sie hatte ein Monster gesehen. Dann endlich ging die Tür knarzend auf. Heath atmete merklich auf. „Komm“, meinte er zu ihr und legte ihren Arm über seine Schulter, um sie reinzulassen. So hinkte Cyan mit seiner Hilfe zu dem Bett in der einen Ecke des großen Raums hinüber. Sie atmete auf, als sie endlich saß. Am liebsten wollte sie den Fuß hochlegen, doch hatte sie Angst davor den Schuh auszuziehen. Heath schien ähnliche Gedanken zu haben. Schon kniete er vor ihr und schnürrte den Schuh auf. Irgendwas daran, wie ihr Fuß hing, wirkte falsch. „Ruf erst einmal Hilfe“, keuchte sie. „Die paar Minuten machen keinen Unterschied.“ Außerdem wollte sie einfach wissen, dass jemand kam, dass sie nicht mehr als eine Nacht hier draußen würde verbringen müssen. Heath sah sie zweifelnd an, nickte dann aber. „Okay. Aber du weißt, dass wir uns um deinen Fuß kümmern müssen.“ „Ja“, erwiderte sie. Er nickte und sah sich um. Rasch fand er die Funkstation auf einem Tisch nahe der Tür. Er ging hinüber, schaltete sie an und nahm das Mikrofon aus der Haltung. Kurz schaltete er durch mehrere Kanäle, ehe er sprach: „Team 04 an Zentrale.“ Elektrisches Rauschen und Knistern war die einzige Antwort. Cyan merkte, wie ihr Magen sich zusammenzog. Das durfte nicht wahr sein. Heath versuchte es noch einmal: „Team 04 an Zentrale.“ Doch die Antwort blieb dasselbe nichtssagende Rauschen. Irgendetwas stimmte ihr ganz und gar nicht. Noch zwei Mal versuchte Heath es, doch beide Male ohne Erfolg. Wütend schlug er auf den Tisch. „Das kann doch nicht wahr sein!“ Cyan schwieg. Das konnte wirklich nicht wahr sein. Irgendetwas passierte hier - und es war nicht gut. „Vielleicht sollten wir schauen, ob Leuchtraketen oder so etwas hier sind.“ Heath sah sich zu ihr um. Für einen Moment schien es, als wollte er widersprechen, doch am Ende nickte er. „Gute Idee.“ Er öffnete einen der Schränke und begann darin zu kramen. Wer auch immer hier im Sommer auf Brandwacht gewesen war, hatte offenbar keine besonders gute Ordnung gehalten. Im zweiten Schrank jedoch, fand Heath, was er suchte: Eine Leuchtpistole, inklusive Munition. Er drehte sich damit in der Hand zu Cyan um: „Was meinst du, sollen wir es versuchen oder warten, bis es dunkel ist?“ „Wie viel Munition haben wir?“, fragte Cyan. „Noch drei Raketen“, erwiderte er. Cyan seufzte. Sie hätte gerne einen klaren Gedanken gefasst, doch ihr Kopf schwirrte. Ihr war schwindelig und sie war sich recht sicher, dass es an ihrem Bein lag. Sie wollte sich eigentlich nur hinlegen, ein wenig schlafen und Ruhe finden. Doch allein der Gedanke an dieses Monster da draußen reichte, um sie wach zu halten. „Warte noch etwas“, erwiderte sie schließlich. „Der Nebel ...“ Heath nickte, um zu zeigen, dass er verstand. Er legte die Pistole auf den Tisch und holte einen erste Hilfe Koffer aus dem Schrank hervor. „Dann schaue ich erst einmal, dass ich mich um deinen Fuß kümmere.“ Dergleichen hatte Cyan bereits befürchtet. Sie legte sich ganz hin und nahm das Kissen, das auf dem Bett saß. Als Kind hatte sie sich einmal beim Sport den Fuß gebrochen und sie erinnerte sich noch genau daran, wie weh es getan hatte, als der Arzt sie aus dem Schuh gepellt hatte. Nur hatte sie damals einen einfachen Sportschuh getragen, statt hohe Wanderschuhe. Heath war jedoch vorsichtig. Er löste die Schnürsenkel ihres Schuhs komplett, so dass er die Zunge des Schuhs rausziehen konnte. Es war allerdings auch so schon deutlich, dass ihr Fuß geschwollen war. Dann begann Heath vorsichtig, ihr den Schuh auszuziehen. Cyan vergrub ihr Gesicht in dem Kissen und machte leise Schmerzenslaute. Auch wenn Heath vorsichtig war, tat es furchtbar weh. Weh genug, dass ihr kurz Schwarz vor Augen wurde und Tränen in ihre Augen schossen. Endlich aber war der Schuh aus, was nur noch ihren Socken ließ. Dann aber hatte Heath ihren Fuß ganz befreit. „Lass mich dich untersuchen“, meinte er. „Du bist kein Arzt“, wimmerte sie. „Aber ich habe eine erweiterte Erste-Hilfe-Ausbildung.“ Natürlich wollte sie vornehmlich die Untersuchung vermeiden. Aus gutem Grund. Sie stöhnte auf vor Schmerzen, als er ihren Fuß abtastete, schrie beinahe, als er versuchte ihn zu bewegen. „Ich fürchte, dein Fuß ist gebrochen“, stellte er schließlich fest. „Ach ne“, brummte sie. Noch immer standen Tränen in ihren Augen. „Ich schiene ihn erst einmal, dann sehen wir weiter.“ Während er Verbandsmaterial aus dem Erste-Hilfe-Koffer holte, rüttelte der Wind an den Fenstern des Hauses. Zusammen mit dem Heulen des Windstoßes, jagte es Cyan einen Schauer über den Rücken. Wenn ein Sturm aufkäme, saßen sie hier wirklich in der Falle. Jedenfalls wenn sie bedachte, dass dieses Monster noch immer da draußen irgendwo war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)