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Ein Leben wert

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Samstagabend ;-)

nach einem langen Tag mit Übungsklausur, Arbeiten und ein bisschen draußen sein, hab ich nun endlich Zeit, um euch das neue Kapitel zu posten. Ich wünsche euch ganz viel Spaß und ein entspanntes Wochenende^^

Ganz liebe Grüße und bis nächste Woche

Sharry Komplett anzeigen

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Kapitel 5 - Frühstück

Kapitel 5 – Frühstück

 

„Oh Gott, sind die lecker!“ Nach einem nervenaufreibenden Morgen hatte Rocinante sich sein Frühstück redlich verdient.

Er hatte nicht erwartet, dass Law so mühelos durch eine einfache Frage seine Ängste darlegen würde, allerdings zeigte das auch nur, wie sehr Law sich danach sehnte sich endlich öffnen zu können.

Es stimmte, obwohl Rocinante den erwachsenen Law kaum kannte, hatte er das seltsame Gefühl, dass er sich seitdem nicht so sehr verändert hatte wie Law selbst wohl befürchtete. Natürlich war er gewachsen - Barthaare und Tattoos taten ihr übriges - und natürlich hatte er sich verändert, aber die Art, wie er immer noch den Blick abwandte, wenn er etwas verheimlichen wollte, die Art wie er sich ganz abwandte, wenn er es nicht ertragen konnte angesehen zu werden, aber insbesondere die Art wie er Rocinante ansah, ganz unverhohlen, als könnte er in die Tiefen seiner Seele sehen, die Art wie er manchmal schmunzelte und die Art wie er sachlich sprach, wenn die Emotionen ihm zu gefährlich wurden.

All das war immer noch da, vielleicht leicht abgewandelt, modifiziert, verstärkt oder abgeschwächt, aber es war immer noch da, Law war immer noch Law.

Aber es stimmte auch, dass Rocinante eine unruhige, lange Nacht gehabt hatte, um über all das nachzudenken. Er hatte schnell bemerkt, dass Law nicht so leicht einzuschlafen schien, wie er vorher behauptet hatte, doch zu Rocinantes leisem Erschrecken war er nicht in der Lage gewesen die leisen und lauten Geräusche der Nacht verstummen zu lassen.

Im ersten Moment war er panisch geworden, hatte Law wecken wollen, dann jedoch bemerkt, dass Law tatsächlich endlich eingeschlafen war und sich doch dagegen entschieden.

Es hatte ihn verwirrt, ihn sehr besorgt, aber wenn er ehrlich war, hatte er in den letzten Stunden bereits seltsameres erlebt, also hatte er entschieden Law schlafen zu lassen und ein Problem nach dem anderen anzugehen.

So hatte er die Zeit damit verbracht Law zu beobachten, immer wieder war er aufgewacht, hatte sich von links nach rechts gewälzt, in den kurzen Phasen des friedlichen Schlafes leise geseufzt. Das war der Moment gewesen, als Rocinante bewusst geworden war, dass sich die Dinge auch in 17 Jahren nicht wirklich verändert hatten. Auch damals hatte er Law gerne bei seinem friedlichen Schlummer beobachtet, auch damals jedes Mal besorgt, wenn er sich vor Schmerzen oder Albträumen gekrümmt hatte und schon damals hatte Rocinante sich für ihn nichts anderes gewünscht, als dass Law friedlich schlafen würde.

Wie damals, wenn Law als Kind von seinen Träumen verfolgt wurde, hatte Rocinante ihm seine Hand dargereicht und wie damals, hatte Law sie, ohne auch nur aufzuwachen ergriffen und hatte danach ruhiger geschlafen.

Irgendwann war Rocinante dann auch eingeschlafen, seine Hand immer noch von Law umklammert.

Nun saß er hier, nachdem er verzweifelt versucht hatte sich in der winzigen Dusche zu waschen – und dabei nur so circa fünf Mal hingefallen war, ehe er entschieden hatte einfach auf den Knien zu bleiben – und über das Hemd mit den rosa Herzen einen kurzen nostalgischen Moment mit ein paar Tränchen gehabt hatte, hatte er entschieden, dass die Reisbällchen vom vergangenen Abend nicht genug waren, um seinen Hunger zu stillen, also war er Laws Wegbeschreibung gefolgt und in einem kleinen Aufenthaltsraum mit duftendem Kaffee und dem Frühstück eines Königs gelandet.

Auch die Stühle hier waren winzig klein, also hatte er sich auf die Rückenlehne eines kleinen Zweisitzers niedergelassen, die Tasse wohlschmeckenden – heißen! – Kaffees auf einem Bücherregal zu seiner Rechten und in seiner Hand ein Teller mit allerlei Köstlichkeiten.

Immer wieder glitt sein Blick hinüber zum Tisch am Fenster. Dort, beinahe unschuldig, lag eine zusammengefaltete Zeitung. Mit den Augen rollend konzentrierte er sich wieder auf seinen Kaffee. Einerseits war er neugierig, was in der Welt noch so alles geschehen war, was er wirklich alles in den letzten 17 Jahren verpasst hatte, aber viel mehr noch beunruhigte es ihn.

Bisher waren die verpassten 17 Jahre nicht viel mehr für ihn als ein seltsamer Traum, in dem Law erwachsen und sein Bruder besiegt worden war. Bisher war das Einzige, was er verpasst hatte Laws Jugend gewesen. Bisher waren Laws dunkle Stimme und seine Sorgenfalten das Einzige was ihm bewies, dass er 17 Jahre verpasst hatte.

Er hatte Angst, dass diese Zeitung ihm beweisen würde, dass es wirklich kein Traum war. Wenn er sie hochheben und das Datum lesen würde, würden die letzten Zweifel – die letzte Hoffnung – durch Tatsachen widerlegt.

Seufzend stellte Rocinante den leeren Teller neben sich auf der Rückenlehne ab. Nein, er würde sich von dieser Angst nicht bestimmen lassen, würde das Unausweichliche nicht herauszögern, nur weil es einfacher war, weil er dann für ein paar Minuten, Stunden, Tage länger einer wahnwitzigen Hoffnung nachlaufen könnte, dass er nicht versagt hatte, Law nicht allein gelassen und seinen Bruder nicht davongekommen lassen hatte.

Nein, er wusste schon seit Stunden, dass er für all das hier verantwortlich war, weil er den Abzug nicht gedrückt hatte, weil er nicht in der Lage gewesen war das zu tun, was ihm aufgetragen worden war. Alles, was Law die letzten Jahre hatte durchmachen müssen, was die Welt wegen de Flamingo hatte erleiden müssen, das alles war seine Schuld und seine Verantwortung und er würde sich dem nicht entziehen, nur weil er zu feige war auf eine Zeitung zu schauen.

Er leerte seine Tasse in einem Zug – und verbrannte sich die Zunge. Warum war der Kaffee noch so verdammt heiß?! – und stieß sich von der Rückenlehne ab. Argwöhnisch schritt er auf den Tisch zu, konnte schon jetzt die Ziffern ausmachen, die das Unvermeidliche bestätigten.

1528

Auf einmal ging hinter ihm die Türe auf.

„Jaja, Ninnin, ich weiß, ich weiß, und… da bist du ja.“

Er wandte sich um. Im Türrahmen stand Law in seinem Arztkittel und sah ganz so erwachsen und professionell aus, wie man sich nun mal einen Arzt wünschte. Was mehr an Beweis hatte Rocinante eigentlich gewollt?

„Law“, entgegnete er mit einem Lächeln und ignorierte solch trübe Gedanken. Er hatte doch gewusst, was passieren würde, es gab keinen Grund sich nun von dem Gefühl der Hilflosigkeit übermannen zu lassen. „Du hast mich gesucht?“

Der Angesprochene zuckte nur mit den Achseln und zog die Türe hinter sich zu.

„Nicht wirklich. Ich habe schon vermutet das du hier bist und da wir gerade einen Moment Pause haben, wollte ich nach dir sehen.“

„Machst du dir etwa Sorgen um mich?“ Rocinante meinte es als unbegründeten Scherz, während er Teller und Tasse einsammeln ging und zur Spüle brachte. Laws ernster Gesichtsausdruck verriet ihm jedoch, dass er genau ins Schwarze getroffen hatte. Law machte sich Sorgen um ihn.

Erneut zuckte der andere nur mit den Achseln und kam zu Rocinante an die Spüle, um sich die Hände zu waschen.

„Frau Paipai sagt, ich soll mir ein paar Tage freinehmen“, murmelte Law dann ohne aufzusehen. „Sie meint es würde mir gut tun, da du endlich aufgewacht bist. Ich glaube ihr ist bewusst, dass du nicht einfach nur irgendein Patient für mich bist. Sie hat für so etwas ein Auge und ist generell sehr…“

„Möchtest du das denn?“, fragte Rocinante, als Law abzuschweifen drohte, und fing an seine Tasse abzutrocknen.

„Ich weiß es nicht“, gestand Law ein, ehe er sich aufseufzend durchs Gesicht fuhr und dann durch den Raum zu einem der Stühle schritt und sich dort niederließ. „Sie hat Recht, dass ich nicht so konzentriert bei der Arbeit bin, wie ich sollte. Ich meine, ich weiß, dass es unsinnig ist, aber ich male mir tausende, aberwitzige Szenarien aus, die passieren könnten, die dir passieren könnten. Wie soll ich mich da auf Papierkram konzentrieren?“

Natürlich war es unsinnig, dass Law so etwas dachte, aber auch wenn Rocinante ihm wirklich versichern wollte, dass ihm nichts passieren würde, so wusste er doch genau, dass rationale Worte irrationale Ängste nicht besänftigen konnten.

Er wollte Law sagen, dass Kinder sich nicht um Erwachsene Sorgen machen sollten, denn das hätte er ihm wohl früher gesagt, aber Law war kein Kind mehr und für 17 Jahre hatte er sich Sorgen um Rocinante gemacht, vielleicht sogar noch länger, und Law hatte auch Recht; Law hatte ihm vertraut, als er ihm gesagt hatte, dass ihm nichts passieren würde, dass sein Bruder bei allem Zorn nicht schießen würde, dass Law sich keine Sorgen um ihn machen müsse und nur für ein paar Minuten in der Kiste ausharren müsse.

Kein Wunder also, dass Law von solchen Ängsten geplagt wurde. Viel erstaunlicher war eigentlich, dass Law so bereitwillig davon erzählte. Aber Rocinante vermutete, dass der Grund dafür ein ebenso simpler war. Damals hatte Law sich ihm irgendwann geöffnet, ihm irgendwann vertraut und trotz allem was geschehen war, trotz allem was aus Law geworden war, diese kleine Vertrautheit schien sich in sein Unterbewusstsein eingegraben zu haben und selbst jetzt noch fortzubestehen.

„Aber auf der anderen Seite“, sprach Law weiter, überschlug die Beine und griff nach einem Reisbällchen, offensichtlich unwissend gegenüber Rocinantes inneren Gefühlschaos, „habe ich auch eine Verantwortung hier. Außerdem…“

Nun unterbrach Law sich und sah aus dem Fenster.

„Außerdem was?“, hakte Rocinante nach und lehnte sich gegen die Wand neben dem Fenster, um Law im Blick haben zu können. Es gierte ihm wieder nach einer Zigarette, aber wie sollte er Law nach einer fragen.

Leise lächelnd schüttelte Law den Kopf.

„Du wirst mich für verrückt erklären, mehr noch als eh schon.“

„Werde ich nicht.“

Der andere sah ihn kurz an und goss sich dann Kaffee an.

„Es ist ziemlich widersprüchlich. Obwohl ich seit 17 Jahren hierauf gewartet habe, darauf gewartet habe, dass du zurückkommst, deine Stimme zu hören, dich lächeln zu sehen, so ist es doch… auch schwer.“ Er trank einen kleinen Schluck. „Auf der einen Seite möchte ich so viel Zeit wie möglich mit dir verbringen, möchte mit dir Lachen und möchte all deine Geschichten hören. Ich möchte, dass es wie früher ist. Aber auf der anderen Seite, habe ich Angst vor den Fragen, die du stellen wirst und dass es nicht so sein wird wie früher.“

„Es wird nicht so sein wie früher“, meinte Rocinante und stieß sich von der Wand ab. Vor Law hockte er sich auf den anderen Stuhl, der einfach viel zu klein und unbequem war, aber zumindest waren sie nun fast auf Augenhöhe, wenn er sich vorlehnte. „Aber das heißt nicht, dass es was Schlechtes werden muss. Du bist nicht mehr der kleine Junge von damals und die Welt hat sich verändert und ich werde mich verändern, das ist nun mal der Lauf der Dinge.“

Er lächelte den anderen an und konnte sehen, dass diese ernsten Mundwinkel auch zuckten.

„Ich möchte auch Zeit mit dir verbringen, deine Geschichten hören und mit dir Lachen, aber ich möchte, dass es dir dabei gut geht. Du musst mir nichts erzählen, woran du lieber nicht denken möchtest, du musst mir nichts offenbaren, was du dich noch nicht traust und wenn du dich sorgst, dass zu viel gemeinsame Zeit auf einmal zu bedrohlich ist, dann müssen wir das nicht machen. Wir haben Zeit, Law, so lange wie du brauchst, so lange wie du willst. Fangen wir mit kleinen Schritten an, eine Kaffeepause hier, ein Abendessen da und du kannst jederzeit, wenn es dir zu viel wird, unterbrechen.“

Lange sah Law ihn einfach nur an und Rocinante fragte sich, ob er sich zu viel herausgenommen hatte, ob er Laws Worte und Blick falsch gedeutet hatte.

„Warst du immer schon so unglaublich verständnisvoll?“, murmelte Law schließlich und neigte leicht den Kopf. „Eigentlich müsste ich solche Sachen zu dir sagen. Eigentlich müsste ich auf dich Rücksicht nehmen. Du bist derjenige, der völlig unvorbereitet in diese Zeit reingeworfen wurde, und trotzdem bist du immer noch der erwachsenere von uns beiden.“

Law rieb sich durchs Gesicht und schüttelte erneut den Kopf.

„Obwohl ich mittlerweile älter als du bin, bist du immer noch der Erwachsene und ich das dumme Kind, auf das du Rücksicht nimmst.“

„Ach, so stimmt das aber auch nicht“, entgegnete Rocinante. „Weißt du, natürlich leide ich, dass ich 17 Jahre verpasst habe, verpasst habe dich aufwachsen zu sehen, verpasst habe was in dieser Welt passiert ist und nicht aufhalten konnte was mein Bruder getan hat, aber mein Leid ist kaum ein Tag alt, was ist das schon verglichen zu deinem jahrelangen Schmerz? Ich bin nicht der erwachsenere von uns beiden, Law, ich bin nur derjenige, der weniger heilen muss von all den Wunden, all dem Leid, und deswegen kann ich auf dich Rücksicht nehmen. Weil mein Schmerz aushaltbar ist, aber ich es kaum ertragen kann, dich so leiden zu sehen.“

Nun sah der andere zu ihm auf, ein beinahe überraschter Ausdruck auf diesem erwachsenen Gesicht.

„Ich weiß gar nicht, was ich darauf antworten soll“, murmelte Law schließlich, ohne den Blick abzuwenden. „Du sagst so etwas immer ganz direkt, so ganz mühelos, als wäre es das leichteste auf der Welt. Du machst es mir wirklich einfach mit dir zu reden, das hatte ich ganz vergessen.“

Und dann lächelte er; ein Lächeln, für das Rocinante alles geben würde, alles tun würde. Er schien wirklich glücklich.

„Das freut mich“, entgegnete Rocinante und lächelte ebenfalls. „Es freut mich, dass es dir trotz allem leicht fällt mit mir zu reden. Du weißt, dass du immer ehrlich mit mir sein kannst und ich verspreche dir, dass ich dich auch nie mehr anlügen werde.“

„Das hört sich gut an.“ Law nahm sich ein zweites Onigiri.

Für einen kurzen Moment schien die Welt ein kleines bisschen besser zu werden. Rocinante hatte das Gefühl, dass sich nach und nach alle Dinge ineinanderfügten. Nach der tiefen Verwirrung und den emotionalen Momenten am vergangenen Tag, schienen sie heute beide nach vorne zu blicken.

Es hatte ihn gefreut – unsagbar glücklich gemacht – von Law zu hören, was dieser sich für seine Zukunft wünschte und dass er wollte, dass Rocinante ein Teil davon war und nun hatte er das Gefühl, dass sich die Dinge vielleicht allmählich normalisieren könnten. Natürlich würden sie nicht von heute auf morgen so werden, wie sie für Rocinante noch bis vor wenigen Tagen gewesen waren, natürlich stand noch viel ungesagtes und ungefragtes im Raum. Aber wenn sie wirklich in der Lage waren offen miteinander umzugehen, einander zu vertrauen, wenn auch Rocinante dieses Mal wirklich sich trauen konnte ehrlich mit Law zu sein… allein die Vorstellung machte ihn unglaublich glücklich, und doch…

„Was ist los, Cora?“

Überrascht sah er auf. Law leckte sich gerade ein Reiskorn von den Fingern und sah ihn aus großen Augen an.

„Du hast wieder diesen Blick drauf“, meinte Law, während er sich über den Tisch beugte und Tasse und Kaffeekanne ergriff, „diesen Blick, wenn du über irgendetwas nachgrübelst, über das du damals nicht mit mir sprechen konntest.“

Oh, und er hatte geglaubt, er wäre derjenige, der den anderen gut kennen würde. Aber wie es schien, kannte Law ihn auch nur zu gut. Es stimmte wohl doch, die großen Augen kleiner Kinder sahen viel mehr, als Erwachsene es wahrhaben wollen würden, und Law war schon immer ein guter Beobachter gewesen.

Tja, da hatte er sich aber selbst ganz schön in die Enge getrieben. Er hatte sich so darüber gefreut, dass Law ihm gegenüber so offen war, war so erleichtert darüber gewesen, dass Law ihn nicht abgewiesen hatte, obwohl er wusste, dass Rocinante ein Soldat war, über all das war er euphorisch geworden und hatte ganz vergessen, dass er derjenige zwischen ihnen beiden gewesen war, der nie ehrlich gewesen war, der erst seinen Bruder und dann Law angelogen hatte. Natürlich hatte Law es damals gemerkt, er war immer schon unglaublich schlau gewesen, viel schlauer als Rocinante selbst.

Er hatte sich eingeredet, dass er es getan hatte, um Law zu beschützen, um ein bisschen seiner kindlichen Naivität retten zu können, aber auch um sich seinem Hass nicht aussetzen zu müssen.

Aber Law war kein Kind mehr, hatte all diese kindliche Naivität aufgegeben, aber am wichtigsten: er hasste Rocinante nicht.

Es war also ganz einfach, wenn er Law zeigen wollte, dass dieser sich ihm öffnen konnte, ganz gleich welche Grausamkeiten und Abgründe er verbarg, dann würde Rocinante dasselbe auch tun müssen. Wenn er wirklich willentlich den erwachsenen Law respektieren wollte und in ihm nicht weiterhin den Jungen von damals sehen wollte, dann konnte er nicht weiterhin ihn ungefragt beschützen und Dinge außen vor lassen. Er musste Law selbst entscheiden lassen, wie viel dieser hören wollte oder eben nicht.

„Und, zu welchem Schluss bist du gekommen?“, murmelte Law in seine Tasse hinein, ihn nicht eine Sekunde aus dem Blick lassend, während Rocinante sich den Kopf zerbrach.

Die Dinge sollten nicht so kompliziert sein, er sollte nicht die ganze Nacht hindurch und nun auch grübeln müssen.

„Ach, ich glaube ich habe mich da in etwas reingeritten“, meinte er schließlich und sah den anderen seufzend an, der immer noch diesen unglaublich neutralen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte, um den Rocinante ihn fast schon ein wenig beneidete. „Ja, es stimmt, ich habe zwar versprochen nichts zu fragen, was du nicht beantworten möchtest. Dennoch gibt es etwas, auf das ich eine Antwort brauche, und du bist vielleicht der Einzige, der sie mir geben kann. Nicht, dass ich jemand anderen fragen könnte“, setzte er kleinlaut hinterher.

„Dann frag doch einfach“, antwortete Law und setzte seine Tasse ab. „Mir war klar, dass du viele Fragen haben würdest und um ehrlich zu sein, hast du davon bisher viel weniger gestellt, als ich erwartet hatte.“

Es stimmte, er hatte unglaublich viele Fragen und er fürchtete sich beinahe vor den Antworten, dennoch wäre dies allein nie ausreichend gewesen, aber er hatte sich zurückgehalten, um es dem kleinen Law nicht noch schwerer zu machen, als die ganze Situation bereits schon war.

Aber vor ihm saß nicht der dreizehnjährige Junge, den er vor der Grausamkeit der Welt hatte beschützen wollen, sondern der erwachsene Law, der vermutlich schon mehr erlebt hatte als Rocinante lieb war, vielleicht sogar mehr als er selbst erlebt hatte.

„Diese Nacht“, sprach er schließlich und betrachtete seine Hand, „hast du sehr unruhig geschlafen und ich wollte die Welt ein bisschen leiser für dich machen, aber ich konnte es nicht.“

Nun sah er den anderen wieder an, der seinem Blick nicht auswich.

„Weißt du etwas darüber? Warum ich meine Teufelskräfte nicht einsetzen kann?“

Er hatte etwas anderes erwartet. Er hatte erwartet, dass Law bleich werden würde, vielleicht wieder den Blick abwenden würde, der andere sah ihn jedoch einfach nur ruhig an, eine leichte Resignation in diesen tiefen Augen.

Dann seufzte Law auf und goss sich Kaffee nach, gerade in diesem Moment sah er noch älter aus er wirklich war.

„Das habe ich schon befürchtet“, murmelte er dann und hielt Rociantes Blick weiterhin problemlos stand, „ich denke du hast deine Teufelskraft verloren, Cora. Es tut mir leid.“

„Verloren?“, wiederholte er ungläubig. „Ich glaube kaum, dass das möglich ist. Von so etwas habe ich noch nie gehört.“

Nun wandte Law doch den Blick ab und betrachtete seine Tasse.

„Während ich versucht habe dich zu retten, ist dein Herz mehrmals stehen geblieben, teilweise auch länger als nur ein paar Sekunden. Natürlich wusste ich es nicht, aber ich hatte die Möglichkeit nicht ausgeschlossen. Ich denke du bist wohl rein technisch gesehen kurz gestorben und anscheinend hat das ausgereicht, um die Kräfte zu verlieren. Es tut mir leid. Das ist meine Schuld.“

Oh.

Wenn Rocinante ehrlich war, wusste er nicht besonders viel über die Teufelsfrüchte und ihre Kräfte, kaum mehr als das was landläufig bekannt war und mit Medizin kannte er sich noch weniger aus, hatte keine Ahnung wie tot man sein musste, um seine Teufelskräfte zu verlieren, aber Laws Worte ergaben Sinn.

„Das heißt also ich habe keine Teufelskräfte mehr?“, murmelte er leise und betrachtete seine Hände.

„Es tut mir leid“, wiederholte Law.

„Das braucht es nicht“, meinte er und sah dann auf. „Ich lebe, du brauchst dich nicht entschuldigen.“

Plötzlich hatte er einen Geistesblitz.

„Heißt das, ich kann auch wieder im Meer schwimmen?“

Nun sah Law ihn verwundert, wohl eher verdutzt, an.

„Wa… wahrscheinlich. Ich gehe davon aus. Warum?“

Die Möglichkeiten schienen grenzenlos. Nicht, dass er je jemand gewesen war, der viel und gerne geschwommen wäre, und doch, manchmal bemerkte man erst, wie gerne man Dinge tat, wenn man sie nicht mehr tun konnte.

Law lachte leise in seinen Kaffee.

„Was?“

„Ach nichts.“ Kopfschüttelnd winkte Law ab, immer noch dieses Grinsen auf den Lippen.

„Nein, sag schon“, drängte er.

Da sah der andere ihn warm lächelnd an und Rocinante spürte, wie das Glück ihn erfüllte. Wer brauchte schon Teufelskräfte, wenn Law ihn so glücklich anlächeln konnte, wenn er Law so glücklich machen konnte?

„Die Insel hier hat einen wunderschönen Sandstrand. Wenn ich mal einen Tag frei habe, sollten wir…“

Er unterbrach sich, als die Türe aufging und Frau Paipai den Kopf hereinsteckte.

„Entschuldigt die Störung, aber Herr und Frau Tautau sind da.“

„Oh, natürlich.“ Law erhob sich während Frau Paipai bereits wieder die Tür schloss.

„Vielleicht hat sie Recht“, meinte Law nun und sah ihn mit einem leichten Schmunzeln an, „vielleicht sollte ich mir mal frei nehmen, damit unsere Gespräche nicht dauernd unterbrochen werden.“

Dieses Mal winkte Rocinante ab.

„Nein, du hast einen wichtigen Job und wir haben Zeit.“ Er erhob sich ebenfalls und folgte Law zur Tür hinaus, wobei er sich durch den niedrigen Türrahmen hindurchducken musste. „Allerdings habe ich die letzten Stunden genug herumgesessen und vor mich hin gegrübelt. Sag, Law, gibt es irgendetwas Sinnvolles was ich tun kann, anstatt nur darauf zu warten, dass du mit der Arbeit fertig wirst?“

Law schüttelte den Kopf, während sie den Flur entlanggingen.

„Mir fällt nichts ein, außerdem denke ich solltest du dich noch etwas ausruhen, immerhin…“

„Ach Unsinn“, unterbrach er den anderen, als sie das Ende des Flurs erreicht hatten und er zum ersten Mal einen Blick in den Eingangsbereich der Praxis werfen konnte, „mir geht es gut, dank dir, und ich glaube für uns beide ist es besser, wenn ich nicht Stundenlang herumsitze und auf dich warte. Du kannst dich wahrscheinlich auch besser konzentrieren, wenn du weißt, dass ich mich mit etwas beschäftigen kann.“

Zwar sah er Law an, aber aus den Augenwinkeln inspizierte er den hellen Raum, die große Eingangstür, den weißen Tresen mit ordentlich sortierten Papierstapeln, die großen Fenster mit den hellen Vorhängen und eine Vielzahl von Türen, die wohl in die verschiedenen Praxisräume führten.

Aus einem dieser Räume kam gerade Frau Paipai.

„Nein, Cora, das ist wirklich nicht nötig. Du brauchst nicht…“

„Sie könnten einkaufen gehen“, war es nun die alte Dame, die Law unterbrach, und diesem einen vielsagenden Blick zuwarf. „Doktor Trafalgar mag zwar ein hervorragender Arzt sein, aber einfache Dinge wie Einkaufen gehen oder Wäsche waschen überfordern ihn. Ich vermute, dass er kaum etwas im Kühlschrank hat und sich gefühlt nur von Kaffee und Fisch ernährt. Äußerst ungesund, gerade für einen Arzt.“

„Frau Paipai“, versuchte Law sie zu unterbrechen, doch die alte Dame ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.

„Sie sind jung und es scheint Ihnen wirklich wieder gut zu gehen. Sie sollten etwas an die frische Luft und sich bewegen. Außerdem ist heute Markt.“ Dann wandte sie sich Law zu. „Ich weiß, Sie machen sich sorgen, aber Sie können Ihren Freund nicht in diesem Haus einsperren. Wenn Sie ihm und sich selbst etwas Gutes tun wollen, nehmen Sie sich mal ein paar Tage frei.“

Mit diesen Worten wuselte sie davon in eines der angrenzenden Zimmer.

Law seufzte leicht auf.

„Sie scheint eindeutig den Ton hier anzugeben“, lachte Rocinante und Law nickte ihm nur zu.

„Aber sie hat Recht, wie immer. Es tut mir leid, Cora, das alles ist nicht so einfach wie ich dachte.“ Law massierte sich kurz den Nacken und sah ihn dann an. „Also wenn du wirklich etwas tun möchtest, würdest du mir sehr helfen, wenn du einkaufen gehen würdest; der Kühlschrank ist wirklich so gut wie leer. Auf dem kleinen Tisch neben dem Sofa liegt Geld. Du musst nur der Straße folgen, sie führt dich schon zur Stadtmitte.“

„Dann werde ich das tun.“

Der andere sah kurz weg, nickte dann aber und ging zu dem gleichen Zimmer hinüber, in dem Frau Paipai vor wenigen Sekunden verschwunden war.

„Okay, dann sehen wir uns heute Abend, denke ich.“

„Bis heute Abend, Law.“

 

 

 

 

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  DoD
2020-11-25T20:42:12+00:00 25.11.2020 21:42
Moinmoin

Ich hab den Dress Rosa Arc noch knapp im Kopf, aber ganz ohne genaues Wissen kann ich sicher sagen, dass du dir ein taffes Thema ausgesucht hast.
Ich mag es, wie der Lesefluss von dir geführt wird, wenn beide in Gedanken abdriften. Aber ich glaube ich lese die Geschichte, wenn sie fertig ist - ich hab so einen Hang zu Bingerreading.

Und, wie immer, egal als ob Schreiber oder Leser: mehr Kommentare braucht das Land. Echt jetzt.
GG
DoD
Antwort von:  Sharry
26.11.2020 17:11
Hallihallo,

erstmal vielen lieben Dank für deinen Kommentar und deine lieben Worte. Aber weißt du, es ist nicht wirklich so, als hätte ich mir dieses Thema freiwillig ausgesucht^^' das Bild eines Poltergeists, der mich die ganze Zeit verfolgt hat und in jedem passenden und unpassenden Moment 'Law' oder 'Corazon' in mein Ohr geflüstert/gebrüllt hat, ist wohl passender; ich hatte nicht wirklich eine Wahl... Aber ja, dies hier war mit Abstand eines meiner herausfordernsten Projekte und ich hoffe, dass ich respektvoll damit umgehen konnte.

Aber das kannst du ja dann lesen, wenn sie fertig ist, ich kann dich gut verstehen, manchmal vergesse ich, dass ich den unfairen Vorteil habe, dass ich im Zweifel einfach das nächste Kapitel anklicken kann, wenn ich will (wobei der Nachteil daran ist, dass mir manchmal auch einfach nur ein leeres Worddokument gegenübersteht^^')

Liebe Grüße (Und ja, du hast recht XD, aber ich gehe einfach davon aus, dass manche etwas schüchtern sind ;-P)


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