In another life the sea is in the sky (Teil 1) von YoungMasterWei (Searching for the smile of the moon) ================================================================================ Prolog: -------- Man sagt, es wandelt ein Geist durch die Wälder der Wolkenschlucht. Schön sei er, wie jungfräulicher Schnee unter einem puren Jademond. Anmutig, wie tanzende Blütenblätter, in einem wehmütigen Kuss der Vergänglichkeit.   Rastlos, wie das Lied der Zikaden, einer flüchtigen Sommerliebe wegen. Mit Augen die Trauer wie in Bernstein eingeschlossen tragen; Jahrhunderte alt... Und manchmal so scheint es, dass seine Erscheinung von einer Melodie umschmeichelt wird. Nicht greifbarer als ein Flüstern, doch voller Melancholie und Sehnsucht, die niemand zu ergründen vermag. Solltest Du Dich verirrt haben und er begegnet Dir, so sagt man, verbeuge dich vor ihm und frage nach dem Weg. Es wandelt ein Geist durch die Wälder der Wolkenschlucht. Im Stande die trägen Nebel zu teilen und Pfade aus Wärme spendendem Licht in die Dunkelheit zu malen, die heimwärts weisen. Doch für ihn selbst scheint es kein Heimwärts zu geben. Keine Erfüllung. …nur Einsamkeit Kapitel 1: ----------- 3600 Jahre zuvor Lan Wangji schaute einen Moment über die robuste Mauer der vor ihm liegenden Stadt, als sein Blick zurück auf das prächtige, hölzerne Eingangsportal zurückfiel. Die aufwendigen Schnitzereien, die dieses zierte und welche mit satter Goldfarbe hervorgehoben wurden, zeigten jedem Reisenden, dass ihn ein florierender Ort willkommen hieß. Es war einige Zeit vergangen seit er eine Stadt besucht hatte, fühlte er sich immer noch ein wenig unbeholfen zwischen all den unruhig umhertreibenden Menschen und ihren manchmal wunderlichen Sitten und Gebräuchen. Er hatte nicht gedacht, dass ihn seine Reise mit derart vielen ungewohnten und oft auch unverständlichen Eindrücken konfrontieren würde. Es ließ ihn die Stille und Abgeschiedenheit der Wolkenschlucht missen. Dass er die Welt der Menschen durchwanderte, war ein Ritual seiner Familienlinie, war er ein direkter Nachfahre ihrer Heiligkeit Lan An. Man mochte zu mehr Vorsicht angehalten haben, nach dem unrühmlichen Ende seines Vaters. Die Liebe seiner Eltern ein Exempel dafür, das auch die tiefsten und aufrichtigsten Gefühle ihren Wert verloren, wenn beide Herzen zu angeschlagen waren. Das eine, kraftlos-müde. Das andere, egoistisch-blind. Er selbst hatte jedoch nicht vor, sich von seinem Pfad abbringen zu lassen. Er wollte schlicht seinem Bruder eine verlässliche Stütze sein können, mit all dem gesammelten Wissen und gemachten Erfahrungen, sollte der Tag kommen, wo dieser einmal den höchsten Rang ihrer Bestimmung übernehmen würde. Zwei Jahre in dieser Welt. Mehr sollte es nicht bedürfen die Menschen soweit studiert zu haben, um ihr Streben nachvollziehen zu können. Er zog sich seinen dǒulì (spitzkegeliger Strohhut) etwas weiter ins Gesicht, festigte den Griff seiner Hand um sein Schwert und durchquerte das Tor in grazilen Schritten. Für seine Wanderschaft verkörperte er nicht mehr als einen schlichten yóuxiá (wandernder Held). So hatte man ihn genannt, wann immer er denen in Not zu Hilfe gekommen war. Er hatte seine äußere Erscheinung ebenso denen der Menschen angepasst. Seine Kleidung eher simpel und praktisch, aus robustem Stoff, für kalte Nächte und regenreiche Tage. Wie er auch sein Schwert mit etwas Magie belegt hatte, um es zwar zweckbereit aber sonst eher unauffällig bei sich tragen zu können. Es machte ihm das Umherziehen einfacher, wenn man ihm keine zu große und ungewollte Aufmerksamkeit zukommen ließ. Die Regeln seiner Gesinnung forderten dazu auf, Leben zu bewahren, sofern seine Hilfe nicht den natürlichen Lebenszyklus stören würde. Unter den Menschen gab es stets Probleme und Nöte, die diese oft genug nicht mehr selbst zu bewältigen im Stande waren. Sie waren so zerbrechlich in ihrer Existenz. So widersprüchlich. So naiv und schreckhaft. Sie erschienen wie ein vergessener Zeitvertreib ihrer Schöpferin. Die Menschen blickten wie Kinder zu den Göttern auf, um sich von ihnen führen zu lassen, und es war faszinierend in ihrer Simplizität. Letztendlich stärkte deren inniger Glaube ihren Einfluss. Versah die Unbeweglichkeit ihrer Ewigkeit mit Kurzweil und ab und an auch einer eigenen Art von Zuneigung, für die hilflosen, und für ihre Welten so schnell dahinwelkenden Existenzen. Seine Schritte führten in vorbei an lauten und geschäftigen Straßenständen, die allerlei weltliche Dinge darboten. Menschen liebten die Vielfältigkeit ihrer Speisen, den Zauber bunter Stoffe und die schmeichelnder Schmuckstücke. Ihn verlangte es nach nichts davon. Einzig ihre Bücher und Schriften hielten sein Interesse und er suchte in jedem Ort, in jeder großen wie kleinen Stadt nach neuen Quellen. Er trug einen kleinen, etwas zerschundenen Band mit Poesie mit sich, den er einst in einer verlassenen Hütte fand, in welcher er einige Tage des letzten Winters verbracht hatte, war der Schnee hoch genug gefallen, dass es ihm das Vorankommen schwer machte. Man hatte den Großteil seiner Kraft versiegelt, bevor er sein zu Hause verließ. Es förderte das Verständnis für einige Dinge in dieser Welt, wenn er sie nicht nur mit einem Fingerzeig zu seinen Gunsten befehligen konnte. Er war noch immer von göttlicher Existenz, dass keine Waffe, keine Krankheit der Menschen ihn würde Schaden zufügen können, doch lag selbst in ihrer fragilen Art des Seins eine gewisse Faszination, die er zu studieren begonnen hatte. Es wurde unruhiger, je näher er einer Ansammlung vor ihm kam und schließlich einen Jungen am Boden ausmachen konnte, der sich in einer Auseinandersetzung mit einem Mann in gehobenen Kleidern befand. Der Spott den dieser dem Jungen entgegenbrachte, nur ein Mittel, um diesen vor den Zuschauenden noch mehr zu demütigen. Es war eine dieser Seiten der Menschen, die er verstörend in ihrer Sinnlosigkeit empfand. Was konnte dieser bauchige und in seiner Statur überlegene Mann, nur darin finden, einem ihm derart  unterlegenem Kind, mit solch einem Maß an Verachtung zu begegnen? Dann jedoch richtete sich der Junge auf und mit einem unerwarteten Feuer in den Augen, putzte er sich den Schmutz von seinen lumpigen Kleidern und hob folglich seinen Kopf in einer Geste des Darüberstehens. „Kein Wunder, das die Madam sie für Máo Qīngzhí hat sitzen lassen. Weder gut im Bett, noch mit den Finanzen.“, meinte der Junge darauf selbstbewusst und mit einem mokanten Lächeln. Die Menge um ihn herum begann zu wispern und ihr Lachen hinter langen Ärmeln oder aufwendig verzierten Fächern zu verstecken. Lan Wangji setzte sich in Bewegung, noch bevor der vor Wut schnaufende und rotangelaufene Mann seine Hand gänzlich hätte heben können, um sie in einem brutalen Hieb auf den Jungen niedergehen zu lassen, als ihm jemand zuvor kam. Seine übermenschlichen Sinne mochten abgeschwächt sein, doch entging ihm dennoch nicht diese seltsame und sumpfig wirkende Aura, die den Fremden umfing. Gesunde Menschen, wie auch Tiere, umgab ein solider silberner Schein ihrer Lebensenergie, wo hingegen bei Kranken und Schwachen dieses Licht zu dimmen begann. Solch eine Aura jedoch, sprach von unreiner Energie. Dennoch war sie weder die eines Dämonen Biestes noch die einer untoten Kreatur. Die Hand des grollenden Mannes blockte man mit dem Vorhalten einer schwarzen Bambusflöte, deren rote Quaste sich wie der Blütenkopf einer Spinnenlilie seicht im Wind wiegte und es den darüber eingeknüpften Ring aus Silberobsidian zum Funkeln brachte. Der Mann der dieses Instrument führte, war in ebenso schwarze, simple, wenn auch etwas staubige Stoffe gekleidet. Mit robusten Lederstulpen an beiden Unterarmen. Seine Haare waren offen, und fielen ihm in etwas ungezähmten Strähnen über die entspannt gehaltenen Schultern. Ein rotes Band war darin eingeflochten dessen Enden im leichten Wind spielten. Doch war das ungewöhnlichste Merkmal, das dieser eine Maske über seinen Augen trug. Es erinnerte ihn an die umherreisenden Schausteller, denen er auf seiner Wanderschaft ab und zu schon begegnet war und deren bunte und unterhaltsame Aufführungen er sich manches Mal angesehen hatte. „Na, na. Warum so aufgebracht guter Mann? Jeder hat so seine Schwächen. Es muss ihnen wirklich nicht peinlich sein.“, meinte der Fremde in Schwarz in einem lockeren Ton. „Sehen sie, ich bin ebenfalls nicht gut mit den Finanzen, aber warum sollte man es einem verübeln? Das Leben ist zu kurz um knausrig zu sein, nicht wahr?“ Dann gab er dem Jungen mit einem Kopfzeig an sich aus dem Staub zu machen, der dem auch sofort folgte. „Dreckiger Bastard, was geht es dich an, wenn ich einer Straßenratte Manieren beibringen will!?“, spuckte der plumpe Herr aufgebracht. Das unbedarfte Lächeln das der Fremde in Schwarz zuvor noch auf den Lippen gehalten hatte, zog sich in ein scharfkantiges, einseitiges Grinsen. „Die Madam hat wirklich gut daran getan, sich mit jemand anderen auf und davon zu machen. Ich wette all diese überheblichen Gebärden, sind nur dazu da, um von einem zu kurzen Schwanz abzulenken, oder?“ Es war als hätte man einen Bullen mit einem zu kräftigen Peitschenhieb getroffen, als der Beschuldigte ein wutentbranntes Brüllen von sich gab und versuchte den anderen am Kragen zu packen. Aber sein Gegenüber war mehr als gewandt, als man diesem Angriff ohne weiteres auswich. Die schnaubende Gestalt strauchelte tölpelhaft, auf das man sie mit einem leichten Tritt in den breiten Hintern lächerlich einfach zu Boden schicken konnte. Die Schaulustigen lachten nun lautstark und unverblümt, zeigten sie genau so wenig Anteilnahme zu dessen Situation, als sie es zuvor bei dem Jungen getan hatten. Solange sie nicht diejenigen waren denen der Spot zuteilwurde, schien man sich damit zu begnügen einfach nur Drumherum zu stehen und sich unterhalten zu sehen. Lan Wangji schüttelte verständnislos seinen Kopf, über solch eine selbstbezogene Lebensweise. Je wohlhabender eine Gegend war, umso egoistischer ihre Bewohner. Der gewichtige Mann am Boden, wandte sich einen Moment in seinem Unvermögen sich wieder aufrichten zu können, als der Fremde sich zu ihm beugte und etwas zu murmeln schien, was diesen schlagartig in seinem Gezappel innehalten ließ und sein Gesicht sichtlich blasser wurde. Dann half der in Schwarz Gekleidete diesem auf, klopfte ihm etwas Staub von den leicht zittrigen Schultern und lächelte zufrieden. Der Nobelmann verbeugte sich sogar noch vor diesem und drängelte sich darauf in hektischen, kurzen Schritten durch die Menge und verschwand. Dann trafen sich ihre Blicke unerwartet, auf das der Fremde ihm ein spitzbübisches Lächeln zeigte, während sich die Menge zu lichten begann und jeder wieder seines Weges ging. Als wäre es nicht äußerst seltsam gewesen, wie dieses Schauspiel gerade zu seinem abrupten Ende gekommen war. Der Fremde war mit einem Male im Getümmel verschwunden, keine Spur mehr von der befremdlichen Aura, die er zuvor noch hatte wahrnehmen können. Sollte er es darauf beruhen lassen? Es war nicht seine Aufgabe, sich solcher Dinge anzunehmen, wenn es kein offensichtliches Unheil mit sich brachte. Ob Biest, Geist oder Dämon, auch sie waren Teil eines Gleichgewichtes im Kampf des Überlebens. Solange kein unwiderrufliches Chaos durch diese entstand, war es nicht an ihm über ihr Dasein zu richten. Somit beließ er es vorerst bei dieser Begegnung und erkundete weiter die Straßen der Stadt. Es war das stets entsetzte Gemurmel der Leute in den Gassen, das er über die folgenden Tage einfangen konnte, die von einem Monster sprachen, das in den angrenzenden Wäldern sein Unwesen treiben solle und dem der ein oder andere schon zum Opfer gefallen sein musste, fand man meist nur noch einzelne Knochenreste und Fetzen von Kleidung, zurückgelassen auf totem Boden, das Lan Wangji´s Interesse geweckt hatte. Sollte sich hier tatsächlich solch eine mordlustige Kreatur umhertreiben, wäre nicht auszuschließen, dass sie sich mit jedem Opfer auch näher an die Stadt heranwagen würde. Er hatte sich den Weg weißen lassen, von angstgezeichneten Stimmen und zittrigen Fingern die ihm die Richtung deuteten, auf das er sich als bald auf einem kargen Stück Waldboden wiederfand. Bäume standen geneigt das ihre Wurzeln hervorragten, oder waren gespalten, als habe eine übernatürliche Kraft sie in zwei gerissen. Das Gras und Buschwerk war braun und leblos, zerfiel zu Staub bei jedem Schritt den er darauf tat. Ein Knochen fiel ihm ins Auge und er blickte sich um. Hörte dem Wind zu, ob er hier auch wirklich allein wäre. Er begab sich auf eine kleinere Anhöhe, setzte sich auf einen der verwitterten Steine und mit einer eleganten Bewegung seiner Hand, ließ er eine Zither vor sich erscheinen. Ihr Holz dunkel und edel, verziert mit kunstvollen Filigranen. Vielleicht könnte ihm eine Seele die hier noch umherwanderte etwas erzählen. Er stimmte die erste Saite an, brachte sie mit einem tiefen Ton zum Vibrieren. Es war eine Kunst die über Generationen schon durch die Adern seines Clans floss. Jede Note das Ausstrecken einer Hand in das Reich der Verstorbenen, um ihre Hilfe zu erbitten. Doch egal wie lange er auch spielte, es war kein Funken einer verbliebenen Seele einzufangen. Nicht einmal die eines Tieres, was Anzeichen genug war, dass hier etwas Unheiliges sein Unwesen getrieben haben musste. Es störte ihn nicht des Nachts durch den Wald zu streifen, waren solche Wesen meist an die Dunkelheit gebunden und die Stille machte es einfacher ungewöhnliche Begebenheiten zu bestimmen. Erster Nebel schlich zu seinen Füßen dahin. Der halbe Mond ein schläfriges Auge am nächtlichen Himmel. Ein klammer Wind brachte die trägen Kronen der Bäume zum Flüstern und Lan Wangji schloss seine Augen. Konzentrierte sich auf die Essenz der ihm umgebenden Natur und was diese zu stören vermochte. Dann spürte er etwas. Wage aber beständig. Mit raschen Schritten, die kaum den Boden zu berühren brauchten, näherte er sich dieser unnatürlichen Präsens, als er plötzlich das dunkle aber melodische Spiel einer Flöte vernahm und es ihn kurz innehalten ließ. Jeder Note hing eine seltsame, bindende Energie an. Als würde sich der Klang an allem festhalten, dass er auf seinem Wege streifte, er es markierte und weiterzog. Als würde er auf der Suche nach etwas sein. Der überwältigende Geruch von Schwefel und verrottendem Fleisch, traf ihn unerwartet und mit solch einer Wucht, dass es ihm seine Sinne trübte und er etwas ins Straucheln geriet. Ihm war bis jetzt noch nichts auf seiner Reise begegnet, das er als derart überwältigend empfunden hatte, und er fühlte sich in diesem Moment unsäglich menschlich in seiner Irritation. Fest presste er einen Ärmel über seine Nase und suchte nach der Quelle dieses unheiligen Gestanks, der nach und nach in seinen Körper zu kriechen schien, schmeckte er die Bitterkeit der Fäulnis auf seiner Zunge und spürte das brennen des Schwefels in seinem Inneren. Was war dies nur für eine Kreatur? Abermals drang das Flötenspiel an seine Ohren, doch diesmal waren die Töne schrill und aggressiv. Es brachte ihm die Klarheit in seinen Geist zurück und er folgte der ungewohnten Melodie erneut. Es war nicht ganz einfach, schien diese mit einem Male von allen Seiten zu erklingen, doch fixierte er sich schließlich wieder auf diese Aura, die er unter all den anderen Einflüssen die ihn umgaben noch ausfindig machen konnte. Die Gestalt die er auf dem höchsten tragenden Ast eines halbtoten Ginkgo-Baumes ausmachen konnte wirkte übersinnlich in ihrer dunklen Anmut. Schattenartige Schwaden, gleich einem Rudel wilder Hunde, wirbelten zu ihrem Flötenspiel um sie herum, als warteten sie ungeduldig auf Beute. Befehligte diese Gestalt womöglich die Kreatur die hier ihr Unwesen trieb? Er hatte diesen abscheulichen Dunst auch erst wahrgenommen als er die Flöte gehört hatte. Eine Finte ihre Opfer auszuschalten, bevor man sich an ihnen zu schaffen machte? Doch was auch immer diese Gestalt war oder befehligte, es war keine menschliche Präsenz die von dieser ausging. Er würde somit kein unschuldiges Leben riskieren, und er diesen Vorkommnissen womöglich schon einen Ansatz nehmen können, indem er ihr zuerst Einhalt gebot. Mit einer raschen Handbewegung ließ er Bichen, sein treues Schwert, aus seiner Hülle gleiten, dessen hellblaues Licht durch die Dunkelheit schnitt, geradewegs auf die Gestalt zu. Wie aufgeschreckte Krähen stoben die schwarzen Nebel auf, und ließ das Flötenspiel abrupt verstummen, als Augen rot wie sonnengeküsster Granat seinen Blick fanden und diese dem Weg des Schwertes in einer ebenso nebulösen Bewegung auswich. Wangji sich das gefällige Lächeln auf dem diffusen Gesicht wohl nicht nur einbildete. „Na, nur nicht so hitzköpfig.“, hörte er es raunen. „Der Spaß wird für uns beide reichen.“ Das anhaltende Knacken und Ächzen von aufreißendem Holz teilten seinen Fokus, auf das ein spürbares Beben durch den Boden wallte, ebenso das wenige Leben aufschreckte, das sich hier versteckt hielt und nun ängstlich flüchtete. „Was hab ich gesagt?“ Die Stimme war zu nahe an seinem Ohr, das es ihn sofort herumwirbeln ließ, Bichen kampfbereit in seiner Hand. Die Gestalt stand nur wenige Schritte vor ihm, doch zeigte sie keine Einschüchterung. Eher grinste diese unbeirrt. Nun wo sie sich so direkt vor ihm befand, war es auch möglich sie besser zu sehen. Ihr Gesicht war von eleganten Zügen. Wirkte auf den ersten Blick, ebenso etwas geisterhaft. Das Granatrot war onyxfabenen Iriden gewichen, ließen sie auf eine andere Art unirdisch erscheinen. Sie trug ihr langes Haar hauptsächlich offen und simpel, mit einem Hauch von silbernem Mondlicht, das sich darin verfangen hatte. Ein schlichtes rotes Haarband, züngelte im aufkommenden Wind, welches ein Paar der vollen Strähnen zusammengebunden hielt. Es erschien ihm bekannt. Sein Hànfú (Überbegriff für chin. Gewandung) war in einem kalten Aschgrau gehalten der einzige Kontrast die roten flammenartigen Stickereien an den weiten Ärmeln des Dàchǎng (äußere, offene Robe mit weiten Ärmeln) und der rote Kragensaum seiner unteren Robe. Sein Blick fiel auf dessen Hand in welcher sie noch immer die Flöte hielt. Dieser Anhänger. Der Mann mit der Maske von vor zwei Tagen? Leichtes Flügelschlagen reichte an seine Ohren auf das eine dreibeinige Krähe auf der Schulter des Fremden landete, ihm in einem heißeren Krächzen etwas mitzuteilen schien, nickte der Mann kurz und strich ihr über das Köpfchen. Mit einem leichten Schnitt des Daumennagels in den Zeigefinger derselben Hand, ließ er etwas Blut hervorquellen, tropfte der Krähe, wie zur Belohnung, etwas davon in den geöffneten Schnabel. Es war zweifelsohne ein unreines Ritual, doch hatte er nicht viel Zeit, weiter darüber nachzudenken. Das Toben näherte sich unaufhaltsam, das er nicht weiter auf seine Beobachtungen eingehen konnte, als abermals dieser faulige Geruch die Luft um sie herum bestimmte und es ihn abermals mit prickelndem Unbehagen ausfüllte. Doch zeigte er vor dem Fremden keine Schwäche, sollte dieser darauf aus sein, ihn zu einem seiner Opfer machen zu wollen. Dann sah er die ersten Schatten des Ursprungs, der seltsam unbeständig in seiner Form wirkte. Wie quellender Schlamm. „Es scheint aufgeregt zu sein.“, hörte er den Fremden murmeln, der ihm keine Beachtung mehr zu schenken schien. Aber Wangji würde sich nicht unachtsam geben. Die Krähe stieg wieder in die Nacht auf. Bichen war noch immer auf den Fremden gerichtet, als dieser ihn wieder ansah. Durchdringend und prüfend. Ein verzerrter, gurgelnder Laut drängte an sie heran, gefolgt von einem Arm aus pulsierender schwarzer Masse die geradewegs auf ihn zuhielt. Wangji konnte der Substanz ausweichen, doch zeigte sich ein gezielter Schwerthieb als vollkommen unnütz, kroch die stinkende Materie schlicht seine Klinge entlang, das er diese rasch wieder zurückzog und sich weiter davon entfernte. Ein weiterer dieser Arme, jedoch massiger als der erste tauchte zu seiner Rechten auf. Wie eine gerissene Bogenschnur peitschte dieser nach ihm, dass er nur auf einen der nächsten Bäume ausweichen konnte. Hoch genug, das er vorerst die Möglichkeit fand sich ein genaueres Bild von der Lage machen zu können. Das wenige Mondlicht verschwand hinter einem Wolkenband, das er ohne seine ausgeprägteren Sinne kaum etwas hätte erkennen können. Die Arme schlängelten sich am Stamm seiner Zuflucht hinauf, schienen aber nur eine gewisse Distanz überbrücken zu können, dass sie ihn nicht erreichten. „Es weiß das sie etwas Besonderes sind.“, vernahm er die Stimme des Fremden erneut, und tat beinahe etwas, das er von den Menschen als Fluchen aufgegriffen hatte. Rasch wandte er sich um, wo er den anderen ein paar Äste über sich vorfand. Dieser wirkte nachdenklich. „Ich bin mir nicht sicher, was es ist oder woher es kommt. Alles was ich über die letzten Wochen herausfand ist, das es nur an Nächten auftaucht an denen der Zyklus des Mondes seine Mitte erreicht hat. Es scheint zudem nicht nur darauf aus zu sein seinen Hunger zu stillen, indem es Menschen verschlingt, sondern auch ihre Seelen in sich aufnimmt.“ Wangji war sich nicht sicher, warum der Fremde ihn dies wissen ließ. Womöglich eine weitere Finte, um ihn in irgendeine Unpässlichkeit zu locken? Jedoch würde es erklären, warum er zuvor nicht in der Lage gewesen war, wenigstens eine umherziehende Seele ausfindig machen zu können. Etwas stieß kräftig gegen den Stamm des Baumes, das es diesen zum Zittern brachte und ein Blick nach unten zeigte, dass sich die Arme nun darum gewunden hatten. Es machte den Anschein, als wollten diese mit ihren schiebenden und reißenden Bewegungen, den gesamten Baum aus seiner Verwurzelung zwingen. „Es wird nicht aufgeben, solange ihm etwas so schmackhaftes vor der Nase baumelt.“, meinte der Fremde mit so etwas wie Erheiterung in der dunklen Stimme. Und er mochte nicht wirklich Unrecht haben, war für solche Kreaturen das Jagen nach reinstem líng qì,(spirituelles Qi) wie das Jagen eines Tigers nach Beute. Das Splittern von Holz war zu vernehmen und sie beide suchten sich auf einem anderen Baum Zuflucht. Wangji beobachtete das Unding eingehender. Sein Angriff vorhin hatte ihm nichts getan und er war momentan nicht in der Form, um es irgendwie anderweitig bändigen zu können, geschweige denn es zu vernichten. Nur würde es nur noch mehr Schaden anrichten, wenn man sich ihm nicht annahm. „Ich könnte etwas Unterstützung gebrauchen. Wie wär’s?“ Wangji starrte auf den Fremden, als habe dieser ihn beleidigt, erntete dafür aber nur ein leichtes Grinsen und ein anzügliches Zwinkern. „Wir werden nicht viel weiter ausweichen können, wenn der eigentliche Körper dieser Kreatur hier auftaucht. Das dort…“, er deutete auf die sich windenden Arme am Boden. „…sind nur seine Ausläufer.“ „Wie?“, erkundigte sich Wangji knapp, doch schien man ihn auch so ausreichend zu verstehen, wurde das Grinsen des anderen deutlich breiter. „Ich werde es mit meinem Flötenspiel im Zaum halten, es träge genug machen, dass man seinen Angriffen einfacher ausweichen kann. Dann müssen die hier, an ihm angebracht werden.“ Man hielt ihm ein Bündel Papiertalismane vor. Die Symbole darauf waren fremdartig und mit einer martialischen Energie versehen, die ihm selbst ein unwohles Gefühl verschafften. „Sie müssen präzise platziert werden, damit es funktioniert. Ich kann das Flötenspiel jedoch nicht unterbrechen, was es schwer macht sie anzubringen.“ Wenn dies alles eine Falle wäre, um ihn hinein zu locken, wäre diese Bitte der wohl offensichtlichste Versuch. Wangji verengte seine Augen und griff sein Schwert etwas fester, während er den Fremden fixierte. Dieser schaute für einen Moment ahnungslos. Ein „Ah…“, folgte, wohl in der Erkenntnis, warum er ihn derart misstrauisch bedachte. „Wir können gern die Rollen tauschen, wenn sie das Flötespielen und die Melodie beherrschen, nur zu.“ „Lass mich die Melodie hören.“, wies Wangji ihn störrisch an, war diese ganze Situation etwas das ihn mit immenser Anspannung versah, um auf der Hut zu bleiben. Der Fremde zuckte kurz mit den Schultern und setzte sich seine Dízi an die blassen Lippen. Es war dieselbe schrille Melodie die er zuvor schon vernommen hatte, mit ihren aggressiven Tonfolgen und dem chaotisch wirkendem Rhythmus. Dennoch war die kraftvolle Magie darin greifbar, mit all ihren blutroten, spitzen Zähnen und messerscharfen Klauen. Wangji wandte seinen Blick auf die Arme und ihr lethargisches Zucken. Die Melodie begann sich zu wiederholen und er ließ seine Gǔqín vor sich erscheinen und begann die Essenz dieses ungezähmten Stückes zu imitieren. Was für die Flöte gieriges Maul und wilde Pranken, war für seine Magie eisige Kälte und blendender Frost. Die Flöte verstummte, gefolgt von einem beeindruckt klingenden Raunen. „Kein Wunder, das es hinter ihnen her ist.“, hörte er es noch murmeln. Wangji schaute abermals auf die schwarze, wulstige Masse, die noch immer hilflos gebannt erschien. Anscheinend hatte er es richtig übernommen. „In Ordnung!.“ Der Fremde klang enthusiastisch, wenn nicht gar kindlich aufgeregt, was sich auch in dessen ungewöhnlichen Augen wiederspiegelte, durch die er ein flüchtiges rotes Leuchten huschen sah. „Ich vertrau ihnen.“, hörte er ihn tatsächlich sagen, auf das er ihm abermals eines dieser koketten Zwinkern schenkte, bevor er sich mit weitläufigen Sprüngen auf den Weg machte und Wangji ihm mit etwas Abstand folgte. Noch immer könnte es ein abgekartetes Spiel sein, das man hier aufzog. Denn irgendetwas an dem Fremden war merkwürdig paradox. Sie hielten gradewegs auf den riesigen, unförmigen Leib zu, von dessen Inneren ein ominöses rotes Leuchten einzufangen war und der nicht abwartete nach ihnen auszuholen und sie auseinander trieb. „Jetzt wäre es angebracht.“, hörte er die immer noch amüsierte Stimme des Fremden, auf das Wangji keine weitere Zeit verschwendete. Seine Melodie zog sich wie fallende Schneekristalle durch die unerträglich stinkende Luft, welche sich mit jeder weiteren angeschlagenen Note zu einem Blizzard wandelte, die die Kreatur in ihren Bewegungen träge und orientierungslos machte. Doch nicht gänzlich zum Innehalten brachte, war ihr Körper weitaus massiger, als ihre Arme. Dennoch schien es dem Fremden auszureichen, war er in fließenden Bewegungen um die Kreatur getanzt und hinterließ mit jedem Schritt einer dieser Talismane an ihrem Leib. Wangji konnte verfolgen wie dieser schließlich ein blutrotes Siegel mit seinen Fingern in die Luft zeichnete. Die Talismane leuchteten daraufhin ebenso auf und Ketten aus glühender roter Energie zogen sich wie Schlangen über die Kreatur und brachten sie dazu einen verstörten, kehligen Laut von sich zu geben, während sich die Fesseln um sie immer enger zogen. Die Materie zum Zischen und Brodeln brachten. Der Fremde stand nicht unweit davon entfernt, konzentriert darauf, dass sein Siegel nicht brechen würde. Wangji konnte erahnen wieviel Energie es kosten musste, dieses Wesen im Zaum zu halten. Diese Energie war unrein, wie die Kreatur, die sie festhielt und doch war da etwas das er nicht recht zu deuten vermochte. Etwas Klares. Etwas Unbeflecktes. Die Kreatur stöhnte und jammerte und wurde merklich schwächer. Ein plötzliches Zittern ging durch den Fremden, gefolgt von einem angestrengten Husten und dem Spucken von Blut, das er sein Spiel beinahe unterbrochen hätte, als dieser ihm ein vehementes „Noch nicht!“, zurief. Es war nicht mehr übrig als eine mickrige Anhäufung der einst so voluminösen Kreatur, als der Fremde mit einem schweren Keuchen in die Knie sackte und Wangji sein Spiel zu Ende brachte. Selbst wenn dieser Rest noch Leben in sich tragen sollte, sollte nun auch er ohne weiteres damit fertig werden können. Er begab sich zu dem Fremden, doch noch bevor er ein Wort an ihn hätte richten können, schnellte etwas auf Wangji zu, dem er nicht rasch genug ausweichen konnte. Das Brennen, das sich von der getroffenen Stelle an seiner Hüfte, durch seinen Körper zog, war gierig in seiner quälenden Intensität, das er es nun war der zu Boden sank. War er letztendlich doch in eine Falle gelaufen? Er schaute auf den Fremden der mit bloßen Händen einen dieser Arme der Kreatur gepackt hielt und diesen mit seiner roten Energie zum Winden und Schrumpfen brachte. Doch verlor Wangji nach und nach den Fokus, fühlte es sich an als würde ein Geschwür in seinem Inneren zu wachsen beginnen, das ihn in unbekannter Qual zurückließ. Als würde man seine Existenz in ihre Bestandteile zersetzen, während etwas wie besessen an dem Siegel seines goldenen Kerns kratzte und zerrte. Doch konnte er nichts weiter tun als es zu erdulden, war er vollkommen überwältigt von dieser Marter. Sollte er so tatsächlich sein Ende finden? Wie unziemlich für einen seiner Bestimmung. Es brachte ein bitteres Lächeln auf seine Lippen. Ein Gefühl von stumpfer Kälte folgte. Plötzlich zog sich der Schmerz wie Ebbe zurück, doch hatte es schon zu viel seines líng qì zerfressen, das dem eine allumfassende Müdigkeit folgte. Etwas rollte sich in ihm zusammen, als wolle es Winterschlaf halten und mit einer panischen Erkenntnis riss er seine Augen auf. Der Fremde schaute ihn an, deutlich die eigene Zerschlagenheit in seinem Gesicht, doch lächelte er für einen Moment unerwartet erleichtert. Das Ziehen in seinem Körper wurde stärker und sein Geist träger, und er griff die Robe des anderen in einem letzten Akt der Verzweiflung. Doch konnte er es nicht mehr abwenden, als die Ohnmacht ihn übermannte. Ihn in seiner verletzlichsten Form zurückließ. Wie sollte er noch hoffen, dass sein Weg nun nicht doch hier sein unwiderrufliches Ende gefunden hatte. Kapitel 2: ----------- Hier nun das zweite Kapitel. Danke auch an diejenigen, die schon Interesse an meiner Story gezeigt haben. Ich hoffe, dass ich Euch hiermit soweit angenehm unterhalten kann, das ihr auch weiterhin dabei bleiben werdet. Sollte jemanden etwas zu den chin. Begriffen unklar sein, einfach nachfragen, oder schaut selbst mal bei Google. Deswegen habe ich die Worte auch in Pin Yin eingebracht, damit es einfacher wird, was dazu zu finden ; ) Dann viel Spaß beim Lesen. *** Yi Ling musste im ersten Moment doch wiederholt blinzeln, war er sich nicht sicher, ob er nicht doch einfach nur zu viel seiner Energie eingesetzt hatte und sein Verstand ihm nun einen Streich spielte. Doch egal wie oft er seine Augen auf und zu machte, das Bild vor ihm änderte sich nicht. Der Unbekannte, den er gerade noch versucht hatte von der dunklen Materie zu befreien, hatte sich schlichtweg aufgelöst. Einzig seine Kleidung war noch übrig. Und dessen Schwert. War jener doch der dunklen Materie zum Opfer gefallen? War dies das Resultat, wenn sie erst einmal in einen Körper vordringen konnte? Er hatte die Gerüchte gehört, dass von denen die es erwischt hatte, meist nichts weiter übrig blieb, als ein paar Gebeine und Fetzen von Kleidung. Yi Ling raunte mitgenommen und auch etwas reumütig. Als er den Unbekannten zum ersten Mal gesehen hatte, spürte er sofort, dass dieser nicht nur irgendein yóuxiá war, wie er vorzugeben versuchte. Doch gekümmert hatte es ihn zu diesem Zeitpunkt wenig. Bloß die Tatsache, dass dieser der einzige gewesen war, der sich bereit zeigte ebenso in diese Straßen-Auseinandersetzung eingreifen zu wollen, hatte ihn in erster Linie auf ihn aufmerksam gemacht. Danach war er aber wieder schlicht seines Weges gegangen, hatte er seit Tagen die Gerüchte umherkreisen hören, das etwas hier sein Unwesen treiben solle, das von übernatürlicher Existenz sei, und es hatte seine Neugier geweckt. Er hatte darauf einige Nachforschungen angestellt. Zudem war er es gewohnt allein zu arbeiten, traf er nur selten auf jemanden der es ebenso mit solchen Kreaturen würde aufnehmen können. Er hatte herausgefunden, dass er es mit seinem Flötenspiel in einem gewissen Maße festsetzen konnte. Nur behoben war das Problem damit nicht. Der Unbekannte kam ihm somit ganz recht, wirkte er fähig genug, das er es darauf ankommen hatte wollen lassen. Allerdings schien diesem ebenso nicht entgangen zu sein, dass er etwas ungewöhnlich war und dessen Skepsis und Misstrauen somit nicht verwunderte. Eigentlich hatte er schon angenommen, dass dieser sich nicht auf seine Bitte einlassen würde, aber am Ende hatte jener wohl auch eingesehen, dass auch er allein nicht viel würde ausrichten können. Nun war die Kreatur zwar gebannt, doch hatte sie dennoch ein letztes Opfer gefordert und das nur, weil er nicht aufmerksam genug gewesen war. Er hatte somit nicht weniger Schuld an dessen Ableben und es ließ ihn sich mit verantwortlich fühlen. Das letzte was er für ihn tun konnte war, ihn, oder vielmehr, was von ihm zurückgeblieben war, zu bestatten. Bàng Hēi (Abenddämmerung), sein Krähen-Gefährte, hatte seinen Platz auf seiner Schulter wieder eingenommen und schaute interessiert auf die Sachen am Boden, als frage er sich womöglich ebenso, was hier geschehen war. „Das geht auf mich.“, ließ er ihn unglücklich wissen. Bàng Hēi hüpfte zu Boden und zupfte mit seinem Schnabel an der Kleidung herum, dass es Yi Ling etwas ergeben seufzen ließ. Vom Kampf immer noch ausgelaugt, machte er sich daran die Sachen vom Boden aufnehmen zu wollen, und zischte gepeinigt, als er sich darauf der Verletzungen an seinen Handinnenflächen bewusst wurde. Die hatte er dieser widerlichen Materie zu verdanken gehabt, als er sie, im Affekt, dem Fremden helfen zu wollen, mit bloßen Händen gepackt hatte. Es sah aus wie eine Verbrennung, doch zogen sich tiefschwarze Ränder an den Wunden entlang, von denen haarfeine dunkle Äderchen sich in das Zentrum der Verletzung woben. Yi Ling schaute etwas prüfender und ihm wurde sogleich der unangenehme Geruch der von der betroffenen Stelle ausging bewusst, dass es ihn die Nase rümpfen ließ. Es roch wie verbrannte Haut, doch darunter lag eine Note die er auch bei diesem Ding ausgemacht hatte. Er konzentrierte sich auf die Verletzungen, doch nicht nur der Heilung wegen. Er nahm den letzten Hauch des fremdem yuàn qì (negatives Qi) wahr, und eine Essenz die sich mit dieser vermischt befand.“ Yi Ling raunte überfragt. Es schien mit einem Male merkwürdig, dass er so glimpflich davongekommen war, wenn es den Fremden regelrecht zersetzt hatte, dass nichts von ihm mehr übrig blieb. Ihm kam ein weiterer Gedanke. Dieses Ding hatte sich auf das starke líng qì (spirituelles Qi) des Fremden fixiert gehabt. Konnte es sein das… Er schickte etwas von seinem eigenen in seine Handflächen, um seine Theorie zu prüfen. Und tatsächlich. Mit einem Murren, unterbrach er den Energiefluss wieder. Ein Blick auf seine Handflächen zeigte, dass die Verletzungen nicht angesetzt hatten sich zu reinigen oder gar zu heilen. Interessant. Wenn auch reichlich unangenehm. Dann versuchte er dasselbe mit seinem yuàn qì. Es schmerzte erneut, doch diesmal weil es der Infektion entgegenwirkte, dass die dunklen Verfärbungen verblassten und der Schmerz abklang. Das war in der Tat ungewöhnlich! Allerdings sollte er dennoch nicht unvorsichtig damit umgehen. Sein Blick fiel auf die Kleidung zurück. Er sollte seine Hände verbinden und da kamen ihm die Sachen gerade recht, um sich etwas Stoff dafür auszuleihen, wenn er sie eh nur hatte vergraben wollen. Doch als er an dem Gewand zog, ließ ihn ein leichter Widerstand prompt wieder darin innehalten. Etwas irritiert und folglich auf der Hut, schob er die Stoffe mit seiner Flöte auseinander. Erneut blinzelte er überfordert über das was er freigelegt hatte. Bàng Hēi´s Krähen klang nahezu amüsiert. Ein Hase? Weiß wie jungfräulicher Schnee auf welchen sattes Mondlicht zu fallen schien, strahlte dessen Fell in einem etherischen hellblauen Schein. Etwas funkelte auf dessen Stirn, und bei genauerem Hinsehen erkannte er einen dreiblättrigen Kristall. Die äußeren beiden glänzten wie das blaue Gefieder eines Eisvogels, während der Mittlere klar und würdevoll funkelte. Ein huā diàn? (Stirn-Symbol) Ihm kam der Gedanke an einen von Chang’e´s (Mondgöttin) Jade-Hasen. Das Tier selbst regte sich nicht, aber Yi Ling konnte die Verletzung an dessen Flanke erkennen. In einer etwas wagemutigen Erkenntnis hob er seine Augenbrauen. War das…war das der Unbekannte? Vorsichtig legte er dem Tier zwei Finger auf die Brust um zu fühlen, ob das Herz darin noch schlug. Und in der Tat, gab es ein schwaches, und leicht unregelmäßiges Pulsieren wieder. Ein dunkler Fleck der Materie war zu erspüren, und so wie er es einschätzte nährte sie sich von dem schwachen Rest an líng qì das dem Tier noch geblieben war. Yi Ling gab ein Schnalzen von sich und er wiederholte die Prozedur die er auch bei sich angewendet hatte. Sollte es schief gehen… Der Fremde hatte so oder so kaum eine Chance zu überleben. Es bedurfte nur eines winzigen Funkens seines yuàn qì´s, und die Materie löste sich auf. Jetzt lag es daran, ob der Körper des Tieres sich wieder würde erholen können. Aber das sollte nicht sein Problem sein. Er wollte nicht wirklich mehr als notwendig mit einer Persönlichkeit dieses Kalibers zu tun haben. Denn egal welcher hochkarätigen Kategorie dieser angehörte, es konnte am Ende nur Ärger für ihn bedeuten. Er sollte somit einfach dem Lauf der Dinge die Entscheidung überlassen, was nun mit diesem geschah. Am Ende würde es der Fremde sogar bevorzugen, anstatt von ihm geholfen zu bekommen. Dass man nicht allzu positiv gegenüber seinem „Weg“ gestimmt war, wusste er nur zu gut. Yi Ling rieb sich über seine müden Augen, während er weiter auf das bewusstlose Fellknäul schaute. „Nicht meine Angelegenheit.“, wisperte er und Bàng Hēi flog wieder auf seine Schulter zurück, pikte etwas darauf herum. „Ich weiß schon.“ Sie sollten langsam hier verschwinden, um ungebetener Aufmerksamkeit zu entgehen. Der Grund für sein Hiersein war beseitigt worden und die nächste Stadt sollte zu Fuß nur einen Tag von hier entfernt sein. Er hatte auf seiner Erkundung durch den Wald eine alte Hütte gesehen, wo er die Nacht noch dazu nutzen konnte sich wieder zu erholen, spürte er das sich sein Körper immer schwerfälliger anzufühlen begann. Somit raffte er sich auf, ein letzter Blick auf das schlafende Tier gerichtet und wandte sich schließlich zum Gehen um. Er hatte eindeutig schon genug mit sich selbst zu tun. Er konnte keine weitere Last gebrauchen. Was wusste er auch schon, wie er sich um diesen Fall zu kümmern hätte? Nein, er würde die Finger davon lassen und seines Weges ziehen. Vielleicht würde jemand anderes ihn finden. Vielleicht würde er sich auch bald wieder zurückverwandeln. Vielleicht… „OH! Verdammt noch mal!“ Yi Ling hatte die Hütte die letzte Nacht noch finden können und war, kaum dass sich seine Hände verarztet befanden und er sich darauf auf dem provisorischen Lager auf dem Boden gelegt hatte, auch schon eingeschlafen. Umso irritierter wachte er am Morgen auf, wurde er das Gefühl nicht los, das man ihn beobachtete. Und tatsächlich. Hellbraune Perlaugen schienen in seine Seele starren zu wollen, und auch wenn es nicht möglich sein sollte, kam er nicht umhin sich einzubilden, dass eine merkliche Mürrischkeit auf dem dazugehörigen Gesicht damit einherging. Yi Ling rückte näher an den flachen Korb heran, den er hier gefunden und mit ausreichen Stroh gefüllt hatte und schaute prüfend über das darin liegende Tier. Dieses hatte zwar seine Augen geöffnet, schien sich aber noch nicht wieder weiter bewegen zu können, folgte man seinen Bewegungen nur mit dem Blick nach. Er streckte eine Hand nach vorn und ihm wurde die Bandage darum wieder bewusst, was ihn innehalten ließ und er diese entfernte. Die Verletzung war nicht schlimmer geworden, hatte er sie vor dem Einschlafen noch mit abgekochtem Wasser und einer Kräutertinktur behandelt. Die schwarzen Ränder waren bereits komplett verschwunden, das nur noch ein leichtes Jucken zu spüren war, dort wo seine Haut zu heilen begonnen hatte. Er begrüßte diese Entwicklung mit einem erleichterten Ausatmen. Wenigstens war ihm hier anscheinend etwas Glück hold gewesen. Vorsichtig nahm er nun den Hasen auf, um sich die Verletzung ansehen zu wollen, die er gestern ebenso noch etwas behandelt und verbunden hatte. Als er sie wieder freilegte, war keine wirklich sichtbare Veränderung zu erkennen. Letztendlich handelte es sich um keine gewöhnliche Verletzung und die Selbstheilungskräfte des Tieres waren zudem viel zu schwach. Er legte zwei seiner Finger behutsam über die Wunde und ließ einen sachten Strom líng qì darauf einwirken. Das Tier zeigte daraufhin ein tiefes Durchatmen und schloss seine Augen wieder. Yi Ling konzentrierte sich über seine Behandlung auf dessen Herzschlag, der noch immer etwas matt wirkte, aber dafür in einem ruhigen Rhythmus spürbar war. Seine Spende schien wohl etwas zu bewirken. Ein plötzliches Stechen in seiner Brust, ließ ihn diese Prozedur jedoch unterbrechen und ihn ein leidliches Keuchen von sich geben. „Ich weiß, ich weiß“, murmelte er und erhob sich folglich. Er würde nicht um etwas ausgedehnte Meditation umhinkommen, nachdem er sich gestern so verausgabt hatte. Leider war er nicht besonders gut darin, sich ruhig und ausgeglichen geben zu müssen und das Meditieren daher keine seiner favorisierten Beschäftigungen. Aber was tat man nicht alles um… Sein Bauch knurrte ungeduldig und er seufzte abermals. Zuerst brauchte er etwas zu Essen. Da er nicht allzu weit von ihrem Unterschlupf wegtreiben wollte, musste er sich mit ein paar gefundenen Beeren und Knollen zufrieden geben. Wenigstens waren die Echsen die er fangen konnte nicht so mager, auch wenn es dennoch eine mickrige Fleischspeise wäre. Aber es war besser als nichts. Vielleicht sollte er eine Falle aufstellen, in der Hoffnung sich einen Hasen fangen zu können. Yi Ling schaute von draußen durch das Fenster hinein auf das schlafende Tier in seinem Korb, während er die Echsen über einem kleinen Feuer garte, welches er vor dem Haus gemacht hatte. Vielleicht war Hase nicht unbedingt die beste Wahl. Er verlor sich etwas in den Gedanken, wie es nun weiter gehen sollte, als ihn ein leicht dumpfes Geräusch, wieder zu sich brachte, hatte er gelernt seine Sinne stets wachsam zu halten. Es war der langohrige Herr, der wieder zu sich gekommen war und nun mit hektischer Atmung neben seinem Korb lag. Die Augen glasig und unfokussiert. Mit einem Raunen ließ Yi Ling sein Mahl außer Acht, um sich um diesen zu kümmern. Der Hase war nicht weggetreten genug, das er ihn nicht wahrgenommen hätte, als er sich vor ihn hockte und inspizierend anschaute, bevor er ihm eine Hand sanft auflegte, um dessen Verfassung abermals zu prüfen. „Ich hab echt keine Ahnung, was ich mit ihnen tun soll.“, meinte er mit hörbarer Ergebenheit in seiner Stimme. „Brauchen sie etwas, um….“ Er machte eine unschlüssige Handbewegung in der Luft. „…um sich wieder in ihre andere Form bringen zu können? Gibt es ein magisches Mittelchen, oder so was?“ Das Tier schaute ihn nur weiterhin stumm an. Er konnte ebenso nicht abschätzen, ob es nicht sprechen konnte in diesem Zustand, oder es nicht sprechen wollte. In solch eine Situation war er bis jetzt noch nicht gestolpert. Dann kam ihm eine Idee. „Ok, nur Ja oder Nein Fragen. Für Ja einmal blinzeln, für Nein, zweimal. Okay?“ Er schaute das Tier abwartend an und ging schon davon aus, dass man ihn schlicht ignorierte als es einmal blinzelte. „Gut. Ich habe einige Fragen, also wäre es von Vorteil sich tatsächlich unterhalten zu können. Wäre es in Ordnung eine Gedanken-Verbindung zwischen uns aufzubauen? Es würde es einfacher für uns beide machen. Aber das ist ihnen überlassen.“ Dieses Mal machte es den Eindruck als würde der andere überlegen, oder aber er bildete es sich schlicht ein, als dieser doch einmal blinzelte. Yi Ling wartete schon auf das zweite Mal, doch blieb es dabei, und er legte dem Tier zwei seiner Finger an die Stirn. „In Ordnung, dann werde ich mal…“ Es sollte eigentlich nichts dabei sein. Es war eine simple Prozedur, die einfach nur ein Bewusstsein mit einem anderen verband. Man darüber auch ohne gesprochene Worte kommunizieren konnte. Müsste er es als Gefühl beschreiben, wäre es einfach nur wie ein warmer Händedruck. Doch war das, was er folglich wahrnahm, ein intensives Gefühl des sich verloren Fühlens, das sich mit wackeligen Bildern verband die sich vor sein inneres Auge schoben. „Lan Zhan….“, hörte er eine einfühlsame Stimme und blickte darauf in das Gesicht einer Frau mit zerbrechlich wirkenden Zügen. Auf ihrer Stirn funkelte ein Kristall, der ein Tropfen Tau hätte sein können. Ein sanftes Lächeln verweilte auf ihren etwas farblosen Lippen als sie ihn ansah. Es lag eine Schwere in ihren Augen, die er zu kennen glaubte. Es war Müdigkeit, die kein Schlaf der Welt beseitigen könnte und doch hielt sie einen warmen Funken in ihrem Blick aufrecht, der ganz ihm zuzuschreiben zu sein schien. „…ich weiß es ist nicht einfach.“ Sie streichelte ihm über den Kopf und er fühlte sich sofort wohl und geborgen, dass es seine Nase zufrieden wackeln ließ. Oh, er war wohl in Hasenform. „Es ist keine Schwäche, nicht alles sofort bewältigen zu können. Solange du nicht aufgibst, wird sich alles für dich fügen und du zu einem unersetzlichen Teil des Lan Ansehens werden. Dein Bruder wird dich brauchen, wenn für ihn die Zeit gekommen ist, den Clan zu Führen. Du hast ein großes und gutes Herz. Es leuchtet heller als das jedes anderen und es wird dir die Zukunft weisen. Du darfst nur nie verzagen.“ Ihr Lächeln wurde bedeutungsschwer. „Kannst du mir das verspre…“ Etwas riss ihn abrupt aus dieser Szene und er fand sich wieder in der Hütte zurück. Sein Kopf schmerzte und er verspürte ebenso eine leichte Übelkeit. „Wie...kannst du…dich…erdreisten!“, hörte er es über das unschöne Pulsieren und es ließ ihn einen Moment verdutzt dreinschauen. Dann blickte er auf den Hasen, der ihn mit weiten Augen anstarrte. „Lan Zhan?“ Ein verärgertes Grollen hallte in seinem Kopf wider und es ließ ihn albern grinsen. „Es hat wohl trotzdem geklappt.“, meinte Yi Ling mehr an sich gewandt, fragte er sich ebenso, was dieser Ausrutscher in die Gedanken, oder wohl eher eine Erinnerung des anderen, verantwortet hatte. Er hatte also einen der untadeligen Lan´s vor sich. Während seines Trainings auf yì zǐnǚ shénshān (Heiliger Berg der verlorenen Kinder), hatte er auch über die vier großen göttlichen Clans gelesen und neben Nie, Jiang und Jin, war der der Lans einer der Ältesten. Allerdings auch einer der striktesten, erinnerte er sich mit Grausen daran, dass diese nach 3000 und mehr, Regeln lebten. Etwas das sich extrem langweilig und spießig anhörte. Schließlich konzentrierte er sich wieder komplett auf den anderen. „Dann steht uns einem netten Gespräch ja nichts mehr im Wege, hm?“ Der andere sagte nichts, doch war ihm als könne er dessen brodelnden Unmut körperlich spüren. „Hey, es tut mir leid. Irgendetwas zog mich in diese Erinnerung, ohne dass ich etwas hätte tun können. Es war nicht meine Absicht zu spionieren. Ich hatte bis jetzt noch nicht die Gelegenheit mich mit einer himmlischen Herrlichkeit zu verbinden. Aber man lernt ja nie aus.“ Er konnte es dem anderen nicht verübeln, wenn er sich angegriffen oder bloßgelegt fühlte. Es gab genug Dinge in seinem eigenen Kopf von denen er nicht wollte, dass jemand seine Nase hineinsteckte. „Es tut mir wirklich leid.“ Yi Ling verbeugte sich und hoffte, das die Ehrlichkeit in seinen Worten überzeugend war. Doch strafte man ihn weiterhin mit Schweigen. Der Geruch von etwas Verbranntem stieg ihm in die Nase, was ihn eilig aufspringen und aus der Hütte stürmen ließ. „Ah, mein schönes Frühstück…“ *** Wangji war wirklich nicht angetan von dem Umstand, dass er sich in seiner schwächsten Form befand, verletzt und auf den guten Willen einer Person angewiesen die, seit sie aufeinander getroffen waren, einen ungehaltenen Impuls nach dem anderen in ihm weckte. Yi Ling, wie sich der zuvor Fremde ihm vorgestellt hatte, war kein gewöhnlicher Mensch, das hatte er von vornherein spüren können. Doch schien er auch nicht Goul noch Gott. Er besaß einen goldenen Kern. Schwach, im Vergleich zu denen die seines Gleichen in sich trugen, aber dennoch vorhanden. Dieser hatte nicht viel auf seine Frage, was er sei, zu sagen gehabt. Einzig mit einem, „Was immer man von mir denken mag.“, geantwortet, dem eine geisterhafte Melancholie beigewohnt hatte. Etwas das ihn nicht weiter nachfragen ließ, schien dieser eine Satz wie ein Rätsel und eine Offenbarung zugleich. Und dies beruhte wohl auf Gegenseitigkeit, hatte Yi Ling ihn selbst nicht weiter dazu gedrängt irgendetwas von sich preiszugeben, sondern ihn nur gefragt, ob er ihm mehr über seinen Zustand wissen lassen könnte, um womöglich eine Lösung dafür zu finden. Aber er wusste selbst nichts darauf zu erwidern, nur das sich seine spirituelle Energie mit Meditation und Erholung wieder kräftigen sollte. Zumindest hoffte er, dass er damit Recht behalten würde. Er kannte keinen Fall, der dem seinen gleich kam und war somit selbst machtlos in seinem Unwissen. Und er konnte genau so wenig zurück in die Wolkenschlucht in dieser Form, um dort vielleicht eine Antwort zu erfragen, würde es unzählige Monde brauchen um seine Heimat zu erreichen. Es war ein Spiel mit dem Ungewissen zuzustimmen, Yi Ling fortan zu begleiten. Er konnte somit nur abwarten, wohin ihn diese Entscheidung bringen würde. Einen Teil Wissbegier, wer der andere wirklich sei, würde er ebenso nicht abstreiten. Auch wenn es ihn beschämte, dass dieser ihm, stets ungefragt, mit seinen líng qì Infusionen unterstützte, um sich schneller regenerieren zu können. Wangji verlangte nicht nach solch einer Hilfe, und doch wusste er, dass er dankbar dafür sein musste. Es war eine Schuld die er zu begleichen hätte, sobald er wieder genug Kraft konzentrieren konnte, seine Form zu wandeln. Doch konnte er selbst nicht abschätzen, wann dies wieder möglich sein würde. Diese seltsame, giftige Energie die ihn am Ende in diesen Zustand versetzt hatte, war etwas das er nicht zuordnen konnte. Er hatte in seinem übersinnlichen Leben viele Schriften gelesen über die, die in den Schatten; unter der Erde lebten. Er hätte zuvor behauptet, dass er sie ausreichend studiert habe. Ihre Habitate. Ihre Gewohnheiten. Ihre Art zu jagen und was sie jagten. Ihre Stärken. Ihre Schwächen. Doch diese Kreatur war ihm gänzlich unbekannt. Es sollte keiner von ihnen derart leicht fallen, ihn so einfach zu überwältigen. Selbst mit einem versiegelten Teil seines goldenen Kerns, hätte er mehr Resistenz aufbringen sollen können. Doch fraß sich dieses schwarze Miasma widerstandslos durch seine Barriere, dass es ihn beinahe das Leben gekostet hatte. Selbst jetzt fühlte es sich noch immer so an, als würde eine aggressive Infektion in ihm brühten, die ihn viel zu schnell wieder auslaugte und er die meiste Zeit mit Schlafen zubrachte. Das Yi Ling die dunkle Materie hatte aufhalten und zudem noch zurückzwingen können, brachte unzählige Fragen in Wangji über dessen Potenzial auf. Somit sah er den Umstand, dass er diesen nun auf dessen Reise begleitete, auch als eine Art von Chance, mehr über ihn herausfinden zu können. Yi Ling war am Ende nicht weniger mysteriös in seiner Existenz, als es diese Kreatur gewesen war. Es konnte somit nicht schaden ihn zu studieren, um gesammelte Informationen ebenso festzuhalten. Zu wissen womit man es am Ende wirklich zu tun hatte. Doch zuerst musste er sich mit dieser schamvollen Art des Reisens abfinden. Yi Ling hatte ihn wissen lassen, das er keine bestimmte Richtung im Sinn habe und so waren sie einfach nur losgezogen. „Lan Zhan, wir sind gleich in der Stadt. Ich hoffe der Wein hier ist gut. Es ist ewig her, dass ich mal einen guten Tropfen kosten konnte. Und ein Bad. Ein warmes, wohlriechendes Bad. Ich hab die kalten Flüsse wirklich über. Vielleicht wäscht mir eine hübsche Maid ja den Rücken.“ Wangji hörte dem unsinnigen Gerede des anderen nur am Rande zu, hatte er seinen Kopf aus dem umgehängten Beutel geschoben in welchem Yi Ling ihn mit sich trug. Sie hatten zwar diese Verbindung aufrecht stehen, doch benutzte Yi Ling weiter seinem Mund, der zudem kaum Ruhe gab. Wahrscheinlich hörte er sich selbst gern reden. Wangji war auch ganz froh darüber, dass der andere aus seinem Kopf rausblieb, fühlte er sich noch immer aufgebracht, dass dieser eine seiner kostbarsten Erinnerungen so schamlos infiltriert hatte. Selbst wenn es unbeabsichtigt gewesen sein sollte. Es war eine einfache Stadt die sie begrüßte. Die meisten Menschen hier waren arbeitendes Volk ohne aufwändige Gewänder und arrogante Mienen. Die Straßen waren staubig durch die Sonnenwärme. Die Fassaden der hölzernen Gebäude einfach, aber überwiegend gepflegt. Das Vorankommen wurde langsamer, ging es um diese Zeit recht geschäftig zu, dass es ihn etwas unsanft in den Beutel zurückwarf, als jemand Yi Ling anrempelte. „Hey, Lan Zhan? Alles ok?“ Dieser hatte die Lasche des Beutels zurückgeschlagen und späte zu ihm hinein. „Dieser Name ist nicht für dich, um ihn so frivol zu benutzen!“, ließ er ihn nicht zum ersten Mal in einem zurechtweisenden Ton wissen. „Du bist wirklich zu niedlich, wenn du sauer bist.“ Yi Ling grinste deutlich aufziehend und er fühlte sich wiederholt aufgebracht über dessen unmögliche Art. „Wie soll ich dich den sonst nennen, wenn du mir nie einen anderen Namen gegeben hast, huh? Tù zi zhǔ (Lord Hase), vielleicht? Nān nān (kleiner Liebling)? Qǐ lì xuě huā (bezaubernde Schneeflocke)? Oder…“ „Genug!“ Wenn es nach ihm ginge, dann würde er gar nicht von ihm angesprochen werden wollen, doch war dieser Name etwas, den er nicht in solch einer Unbedarftheit und dazu von einem Fremden hören wollte. Yi Ling störte sich nicht an seiner Aufruhr die dieser in ihm auszulösen vermochte, glaubte er viel mehr, dass es ihn sogar amüsierte, und er sich deswegen oft genug derart unverfroren zeigte. „HanGuang-Jun. Wenn die Notwendigkeit für das Nennen eines Namens besteht.“ Es war ein Titel den er mit Stolz trug, doch nicht intim genug, wie es ein Name wäre den nur Familie oder nahestehende Personen benutzten. Yi Ling raunte beiläufig, während er seinen Blick schweifen ließ, das klar wurde das man ihm schon gar nicht mehr zugehört hatte. „Oh, Lan Zhan schau.“, vernahm er es daraufhin schon wieder und Wangji wünschte er hätte seine menschliche Form, um seinen Unmut auch optisch deutlich machen zu können. Und da er wusste, dass der andere eh nur das hörte was er hören wollte, ersparte er es sich abermals in eine Standpauke überzugehen und wühlte sich wieder so weit aus dem Beutel, das er mitbekam, was Yi Lings Interesse diesmal geweckt hatte. Es war ein Gasthaus, auf das dieser mit großen Schritten zuhielt. Normalerweise benötigte er nichts weiter zu essen, doch in seinem angeschlagenen Zustand war er für jede Form der Energie dankbar. Zudem war das Herumsitzen in diesem Beutel etwas das ihn zu nerven wusste, je länger er es auszuhalten hatte. Yi Ling fand recht schnell einen Tisch für sich und bestellte, noch bevor er sich gesetzt hatte, etwas zu essen und einen großen Krug mit Wein. Mit Bedacht legte er den Beutel ab und schlug die Abdeckung so zurück, dass er problemlos hinausschauen konnte. Das Gasthaus war recht gut besucht. Dennoch ging es relativ ruhig zu, hörte man nur das Raunen von Stimmen von anderen Tischen her, wie das Klappern und Klirren der Schalen und Teller. Es dauerte eine Weile, bis eine zierliche Frau an ihren Tisch trat und die bestellten Speisen und den Wein darauf platzierte. Yi Ling lächelte flirtend, was die Bedienung einen leicht verschämten Ausdruck aufsetzen ließ. Dann weiteten sich ihre Augen in verhaltener Begeisterung, als ihr Blick auf den Beutel, und somit auch auf ihn fiel. „Die Pipas sind für ihn.“, meinte Yi Ling und stellte die Schale mit den Früchten neben ihn, während er weiter offensichtlich mit der jungen Frau anbändelte. Yi Ling war so umsichtig gewesen sein huā diàn, das Mal auf seiner Stirn, welches auch in dieser Form preisgeben würde, das er keine simple irdische Kreatur war, vor dem menschlichen Auge zu verbergen. „Oh, der ist ja allerliebst.“, meinte sie zugetan und kniete sich vor ihn, die Hand bereits zum Streicheln ausgestreckt. „Das würde ich lieber nicht tun. Er kann ziemlich launisch sein.“ Sie schaute enttäuscht aus, nickte aber verstehend. „Ich hingegen, hätte nichts dagegen etwas gestreichelt zu werden.“, ließ er sie mit einem schamlosen Zwinkern wissen, dass es Wangji selbst peinlich berührte und er in dessen Finger zwickte, hatte sich Yi Ling mit einer Hand nach hinten abgestützt, das er nur einen kleinen Hopp nach vorn tun musste, um diese zu erwischen. „Aiyo! Lan Zhan! Was soll das denn?“ Wangji wandte seinen Kopf ignorierend von ihm ab und kletterte nun auf den Beutel anstatt hinein. „Das ist wirklich ein ansehnliches Tier, das sie da haben.“, klinkte sich ein anderer Gast einen Tisch weiter mit ein und schaute Wangji mit einem unangenehm prüfenden Ausdruck an. „Ist er zu verkaufen? Mein Cousin züchtet welche. Mit so einem könnten seine Weibchen ein paar hübsche Junge zeugen, die sicherlich gutes Geld bringen würden.“ Wangji legte bei diesen Worten empört seine Ohren nach hinten. Was glaubte dieser Mensch, wen er hier vor sich hatte!? „Hm, ich weiß nicht ob er dafür taugen würde. Er ist ziemlich schwierig zu handhaben. Am Ende würde er die Hasendamen nur enttäuschen.“ Yi Ling schaute aufziehend auf ihn. Dieser besaß keine Spur von Anstand! Der Man am anderen Tisch zuckte mit den Schultern. „Für eine vernünftige Suppe würde er schon noch reichen.“ Das Grinsen wisch Yi Ling nicht aus dem Gesicht und für einen Moment befürchtete Wangji tatsächlich, dass dieser ihn für ein paar Münzen hergeben würde. Letztendlich könnte er in seiner jetzigen Form nicht viel dagegen tun und Yi Ling wusste das ebenso gut. Zudem war dieser nicht verpflichtet ihm zu helfen oder mit sich rumzutragen. Er würde so gesehen noch ein gutes Geschäft machen. „Nah, er ist nicht zu verkaufen.“ Darauf strich ihm Yi Ling sanft über den Rücken. Eine Geste die Wangji derart überraschte, das er es mit sich geschehen ließ. „Er ist zu putzig, um ihn wegzugeben.“ Man kraulte ihn neckend hinter den langen Ohren. Ein angenehmes Gefühl ging damit einher, auf dass Wangji, über sich selbst entsetzt, seinen ganzen Leib schüttelte, damit man wieder von ihm abließ. Der andere Mann gab nur ein, „Na gut.“ von sich und er wandte sich wieder seinem Wein zu. Etwas, das Yi Ling nun ebenfalls tat. Allerdings kraulte er ihn für einen versonnen wirkenden Moment weiter, bis er ihn abermals zwickte und er endlich seine Hand wieder zurückzog. „Lan Zhan. So undankbar.“ Der niedrige Stand der Sonne, den er aus einem der Fenster erkennen konnte zeigte das es auf  xū shí (zwischen 19-21 Uhr) zuging und da er keine Lust hatte Yi Ling weiter beim Trinken zuzusehen , noch dessen Geschwätz zu hören, kroch er schließlich wieder in den Beutel und rollte sich zusammen, überkam ihn erneut die Müdigkeit. Er hoffte wirklich, dass er bald wieder seiner eigenen Wege gehen konnte und keiner in seiner Familie je erfahren würde, was ihm durch seine Unachtsamkeit auf seiner Reise widerfahren war. Kapitel 3: ----------- Es war ein paar Tage darauf, als die Sonne hoch am Himmel stand und die Hitze die Luft zum Flimmern brachte, dass sie ein ausgetretener Pfad, vorbei an blühenden Hanffeldern, in ein kleines Dorf führte und sie beschlossen dort Rast zu machen. Der Geruch von Färbe hing in der Luft und Yi Ling konnte hier und da die großen Holzzuber erkennen die dafür gedacht waren. Es gab ein winziges Teehaus, gleich am Rand des Weges, unter dessen schattenspendendes Vordach sich Yi Ling setzte und ergeben über die Wärme stöhnte. Da er der einzige Gast hier war, eilte eine Bedienung auch sogleich zu ihm, um ihn nach seinem Wunsch zu fragen, welchen er mit der Bestellung eines roten Tees, einer Schale Wasser und zwei táng hú lu- Spießen (kandierte Weißdornfrüchte) vorbrachte. Mit einem leichten Nicken und dem Hinweis, dass es nicht lange dauern würde, zog die Bedienung sich wieder zurück. Ein Blick auf den abgelegten Beutel zeigte, das Lan Zhan ebenso hervorgekommen war und sich interessiert umsah. Die Hitze schien ihm nichts auszumachen, trotz seines Fells, und er beneidete ihn wirklich darum. Yi Ling raunte abermals erschöpft über dieses Wetter. Ein paar Kinder rannten an ihnen vorbei, im Spiel des sich gegenseitigen Fangen Wollens. Einige Schritte hinter der übermütigen Gruppe ein Junge der kaum mit ihnen schritthalten konnte und den Tränen nahe schien. Ah, es gab wohl immer dieses eine unglückliche Kind, das den anderen nur verzweifelt nachlaufen konnte. Yi Ling schaute etwas melancholisch über diese Szene. Er kannte das Gefühl. Der Junge kämpfte sich mit schwachen, langsamen Schritten an dem Tee-Stand vorbei. Deutlich außer Atem, als er ins Stolpern kam und Yi Ling schon in der Vorahnung, was folgen würde, mitfühlend das Gesicht verzog. Man brachte ihm seine Bestellung an den Tisch und er stellte Lan Zhan die Schale Wasser hin. Der Junge lag einen Moment regungslos am Boden, hatte es ihn der längelang hingestreckt, dass es in der Tat schmerzhaft sein musste. Dann raffte er sich langsam wieder auf. Das Gesicht, wie auch seine etwas abgetragene Kleidung, schmutzig vom Straßenstaub. Seine Knie waren aufgeschürft und das Zittern seiner Lippen, wie auch die wässrigen Augen verrieten, dass er wirklich damit kämpfte nicht einfach los zu weinen. Yi Ling erhob sich, in einer Hand die kandierten Früchte. Der Junge schien ihn nicht bemerkt zu haben. Erst als er vor ihm in die Hocke ging schaute dieser ihn an. „Du bist wirklich tapfer, das du nicht weinen willst, auch wenn es wehtun muss.“, meinte er zu diesem und lächelte aufbauend. Er war gerade dabei ihm die Früchte anbieten zu wollen, als ein energisches „A-Tōng!“, zu ihnen herandrang, das zweifelsohne von einem anderen Kind stammte. Und bevor sich Yi Ling versah, hatte sich der zweite Junge, der ihn mit wilden, warnenden Augen ansah, beschützend vor den anderen geschoben. „Was wollen sie von A-Tōng!“, wurde er angebellt, und Yi Ling konnte nicht anders, als über dessen mutigen Einsatz zu schmunzeln. Die beiden Jungs ließen ihn an Wēn Yuàn denken. Dieser war sicherlich um einiges gewachsen seit er sich das letzte Mal in Xīzhào Shùlín hatte blicken lassen. Er sollte sich wirklich mal wieder die Zeit nehmen und dort vorbeischauen. Es war jedoch erleichternd zu sehen, das A-Tōng doch nicht so abseits der anderen zu stehen schien und wenigstens einen Freund hatte. „Er ist ein taffer kleiner Kerl. Deswegen wollte ich ihm die hier geben.“ A-Tōng schaute nun über die Schulter seines Freundes und beide mit leuchtenden Augen auf die kandierten Früchte. Doch schüttelte der zweite Junge plötzlich vehement den Kopf. „Wir nehmen nichts von Fremden. Und Geld haben wir auch keines.“, ließ man ihn mit fester Stimme wissen, dass es Yi Ling schon beeindruckte, war offensichtlich, dass man die Süßigkeit gern würde haben wollen und sich dennoch vorsichtig gab. „Verstehe.“ Yi ling legte seinen Kopf leicht schief als würde er überlegen. „Ok, also mein Name ist Yi Ling und das dort ist Lan Zhan.“ Er deutete auf seinen Hasengefährten, der ihn kurz anblickte, als er dessen Namen gesagt hatte. „Nun sind wir schon mal keine Fremden mehr, oder?“ Der zweite Junge schaute unentschlossen, aber immer noch skeptisch genug. „Oh, darf man den streicheln?“ A-Tōng schien da weniger zurückhaltend. „Hey, Lan Zhan. Tu ihm den Gefallen, huh? Es würde ihm sicherlich Freude machen.“ Es war nicht oft, dass er diesen Weg in dessen Geist wählte, aber hier schien es angebracht erst zu fragen, bevor Lan Zhan später wieder ewig mit ihm schmollen würde. Dieser zeigte sich ungerührt, das Yi Ling schon ansetzte A-Tōng sagen zu wollen, das dieser Streicheln nicht mochte, als er Lan Zhan´s typisch zurechtweisende Stimme in seinem Kopf vernahm. „Nur Streicheln! Kein Hochnehmen! Kein Gedrücke!“ Yi Ling grinste breit. Also besaß der störrische Kerl doch ein weiches Herz. „Nur zu.“, lies er A-Tōng schließlich wissen, dass dieser mit einem großen Strahlen zu Lan Zhan trappte. Doch als er dann direkt vor ihm stand, schaute er wieder unsicher. Yi Ling merkte das er auf seine schmutzigen Hände sah. „Ich mach ihn nur dreckig“, hörte er diesen murmeln, als er ebenso zu ihnen hinüber ging. „Dann lass mich deine Hände sauber machen.“ Yi Ling nahm den ledernen Wasserbeutel in dem er sein Trinkwasser mit sich führte von seinem Gürtel und öffnete diesen. Der Junge hielt seine Hände ausgestreckt, das er das Wasser darüber laufen lassen konnte und dieser eilig versuchte den Schmutz wegzubekommen. Yi Ling erkannte so etwas wie ein Muttermal an dessen Unterarm, das ihn in der Form an eine bājiǎo (Sternanis) Frucht erinnerte. A-Tōng zuckte ab und an zusammen über die Kratzer auf seinen Handflächen, doch biss er die Zähne zusammen. „Gut.“ Yi Ling zog ein Tuch aus seinem Ärmel das er dem Jungen zum Abtrocknen reichte. Dann holte er eines seiner Papiermännchen aus seiner Brusttasche und tippte es kurz an, dass es nur einen Wimpernschlag Gold aufleuchtete, ohne das es A-Tōng aufgefallen wäre. Er tauschte das Tuch gegen das Männlein. A-Tōng schaute angetan auf die Figur. „Leg es zwischen deine Hände. So hier.“ Yi Ling legte seine eigenen zusammen, als würde er einem Gebet folgen. A-Tōng nickte kurz und tat es ihm gleich. „Nun mach die Augen zu und bitte es das es die Kratzer verschwinden lässt.“, wies er ihn an und auch da folgte ihm A-Tōng recht eifrig. „Ok, du kannst sie wieder öffnen.“ A-Tōng schaute folglich auf seine geöffneten, wieder heilen Hände. Das Männlein war jedoch verschwunden. Es war ein kleiner Zauber, den er sich für A-Yuan hatte einfallen lassen, und reichte auch nur für solch winzige Schrammen aus, doch war es immer wieder eine Freude, solch überraschte Kinderaugen zu sehen. „Wo ist es?“ Es war erheiternd zu verfolgen, das A-Tōng mehr besorgt zu sein schien, wo das Männlein abgeblieben war, als sich zu wundern, dass seine Verletzungen verschwunden waren. „Es hat dir deinen Wunsch erfüllt und schläft nun wieder.“ A-Tōng schien etwas enttäuscht, dass es weg war, doch schaute dieser ihn dann mit Nachdruck an. „Sag ihm Danke.“, wies er Yi Ling an. „Das werde ich.“, vergewisserte er ihm mit einem Lächeln. Dann wandte sich A-Tōng wieder Lan Zhan zu, doch schaute er noch einmal mit einem fragenden Blick zurück auf Yi Ling der ihm bekräftigend zunickte. Kaum hatte die kleine Hand Lan Zhans Fell berührt war ein begeistertes Lachen zu hören. „Er ist so weich.“ Lan Zhan indes hatte seine Augen geschlossen und ertrug es mit Geduld. „A-Xī!“ A-Tōng schaute nun mit leuchtenden Augen zu seinem Freund, der das Ganze mit vor der Brust verschränkten Armen beobachtete. „Komm streichle ihn auch. Es ist als würde man eine Wolke anfassen.“, versuchte A-Tōng ihn zu überreden. A-Xī allerdings schüttelte nur stur den Kopf, was A-Tōng wieder enttäuscht aussehen und er etwas den Kopf hängen ließ. Ein leises Murren war zu vernehmen, als A-Xī nun doch zu ihm hinüber ging und sich neben ihn stellte, dass es A-Tōng´s Gesichtszüge sofort wieder aufhellte. „Ich bin nicht gut mit sowas.“, nuschele A-Xī. „Tiere mögen mich nicht.“ A-Tōng schaute mit einem kindlich sanften Ausdruck auf seinen Freund und nahm schließlich eine Hand von ihn in die seine und führte sie zu Lan Zhan. „Sei einfach nicht zu grob.“, wies er ihn an und Yi Ling glaubte so etwas wie ein ergebenes Raunen in seinem Kopf zu hören. „Keine Sorge Lan Zhan, du machst das wunderbar.“, lobte er, dass dieser nun seine Augen öffnete und ihn genau fixiert hielt. „Selbstverständlich.“, hörte er ihn nur mitteilen, und Yi Ling musste kurz Auflachen über dessen Gemecker. Dieser ließ sich weiter das Fell kraulen, nun wo auch A-Xī recht angetan wirkte. Schließlich zeigte er Erbarmen mit Lan Zhan und ließ die Jungen wissen, dass dieser nun wieder seine Ruhe bräuchte und man seinen Verweis auch ohne Murren akzeptierte. Sich sogar bei Lan Zhan bedankte. „A-Tōng, wir sollten zurück nach Hause. Nǎi nai (Großmutter) macht sich womöglich schon Gedanken.“ Dieser nickte und beide verabschiedeten sich von Lan Zhan. Etwas das Yi Ling schon als recht liebenswert empfand. „Wartet. Könnt ihr mir sagen, wo es hier in der Nähe eine Möglichkeit gibt ein paar Vorräte zu kaufen?“, erkundigte er sich, was A-Xī kurz überlegen ließ. „Lǎo Hú verkauft getrockneten Fisch.“ Yi Ling lächelte. „Genau was ich suche.“ A-Xī deutete die Straße hinunter und meinte, das, wenn er an einem alten Brunnen käme, dort in den Wald einbiegen solle. Am dortigen Fluss würde Lǎo Hú´s Hütte stehen. „Danke. Und hier, für die Hilfe.“ Er drückte ihnen die kandierten Früchte in die Hand. „Na los, bevor es noch Ärger zu Hause gibt.“, wies er sie an, bevor man sein Geschenkt wieder hätte ablehnen können, auf das sich die beiden auch in Bewegung setzten. A-Tōng winkte ihm noch heiter zu, während A-Xī ihn mit sich zog und er erwiderte diese Geste heiter. Dann setzte er sich wieder zu Lan Zhan, nippte an seinem lauwarmen Tee und verzog etwas das Gesicht über das bittere Aroma. *** Der alte Mann der ihnen den getrockneten Fisch verkaufte, hatte ihnen erzählt, dass es ein paar Ortschaften weiter, bald ein Fest geben würde und Yi Ling war dieser Information mit Begeisterung gefolgt. Sie hatten eine Anhöhe erreicht und schon von Weiten konnte man das satte Orange, der in voller Pracht stehenden Granatapfelbäume erkennen. Ein blühender Sonnenring, der den Ort umspannte, dass es etwas Malerisches wiedergab. „Wie die Zeit vergeht.“, hörte er Yi Ling etwas nostalgisch klingend von sich geben. „Bald ist schon wieder Lotus Mond. Hast du je Lotuskapseln gepflückt Lan Zhan? Es geht nichts über einen Tag auf dem Wasser, einfach nur die Beine übers Boot baumeln lassen und Lotussamen essen. Es ist wirklich entspannend. Aber das ist wohl etwas, das welche wie die Euren nicht praktizieren, hm? Mit all dem göttlichen Kram, den es zu handhaben gilt.“ Er klang deutlich belustigt über seine eigene Mutmaßung und Wangji sparte es sich, wie des Öfteren, darauf eine Reaktion zu zeigen. Er erinnerte sich noch an dessen Allüren, als sie auf ihrem Weg dem Lauf eines Flusses ein stückweit durch einen Wald gefolgt waren, bis dieser in einen Wasserfall überging und zu dessen Füßen sich ein Wasserbecken gebildet hatte, das Yi Ling prompt dazu verleitete, sich etwas Abkühlung darin verschaffen zu wollen. Zudem war es ein wirklich idyllischer Ort, der ihn ein wenig an zu Hause erinnerte. Yi Ling hatte es natürlich auch nicht lassen können, ihn mit einem Schwall Wasser einmal komplett durchzuweichen, während er am Ufer gedöst hatte. Er war viel zu oft viel zu müde, und hatte es nicht kommen sehen, doch, so dachte er sich im Nachhinein, hätte er dennoch damit rechnen sollen. Bei all dem Nonsens den der andere ständig fertigbrachte. Die Sonne stand noch hoch genug am Himmel, dass es ihnen möglich sein sollte, Féitián Jué noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Yi Ling pfiff ein Lied vor sich hin, dass eine unerwartet angenehme Melodie hatte und ihn über das Schaukeln in seinem Tragebeutel sogar ein wenig einzulullen wusste. Dann allerdings war es als würden seine Sinne plötzlich mit einem lauten Geräusch wieder geweckt. Auch Yi Ling hatte inne gehalten und schaute sich mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck um. Es war nichts Ungewöhnliches zu sehen. Vor ihnen die weitläufigen Plantagen. In ihrem Rücken der Hügel von dem sie den Pfad entlang hier her gekommen waren. Ein paar Greifvögel ließen sich von den warmen Winden gefällig durch die Abendluft tragen. Zikaden sangen, ein wenig müde, von einem heißen Sommertag. Dennoch. „Yi Ling.“, machte er auf sich aufmerksam, worauf der andere auch so zu verstehen schien, war es ihm offensichtlich ebenso nicht entgangen. „Ich frage mich, warum ein unscheinbarer Ort wie dieser, solch eine immense Barriere um sich gezogen hat? Zumal es simplen Bauern nicht möglich sein sollte so etwas zu bewerkstelligen oder zu halten.“ Yi Ling zog zwei seiner Papiermännlein hervor. Darauf beschriftete er mit etwas Magie, das eine mit dem Zeichen 鼠 (Maus) und das andere mit 鷹 (Falke) und ließ sie durch das unsichtbare Schild huschen, wo sich die Maus am Boden, entlang des Schildes umsah, während sich der Falke wohl aus der Luft ein Bild für ihn machte. Auf den ersten Blick passierte nichts aufschlussreiches, doch stürzte die Illusion eines Falken plötzlich steil zu Boden, das Wangji im ersten Moment annahm, dass das Papiermännchen doch etwas erlitten haben mochte. Nur um darauf mit ansehen zu können, wie dieses das Maus- Männlein aufgriff, indem es seine Beinchen unter die Arme des anderen schob und etwas aufrollte, damit es festhielt, bevor es wieder etwas nach oben segelte. Sollte jemand, oder Etwas, diesen Schild überwachen, dann hätte diese Szene nichts weiter dargestellt, als einen Raubvogel der Beute geschlagen hatte. Ein umsichtiger Gedanke, wie Wangji gestehen musste. Beide Männchen, glitten wieder durch das Schild und zurück zu ihrem Meister. Sie hüpften auf dessen ausgestreckte Hand und er legte zuerst einen dann dem anderen einen Finger an den runden, flachen Kopf. Entzog ihnen die Energie das sie sachte zusammensanken und er sie darauf wieder einsteckte. „Auf den ersten Blick, scheint es nicht mehr als eine Barriere zu sein, nur warum solch einen Aufwand, wenn es keinen Zweck erfüllen sollte?“ Yi Ling schaute mit einem, für diese Situation eher unpassenden Grinsen zu ihm. „Ich denke, es könnte ganz interessant hier werden. Was meinst du?“ Wangji hatte da seine Bedenken. Dennoch konnte er nicht so einfach drüber hinweg sehen, sollte diesem Ort etwas innewohnen, das Probleme bereiten könnte. „Dann werde auch nicht unvorsichtig.“, mahnte er diesen schlicht und Yi Ling lachte amüsiert. „Ich doch nicht.“ Wangji atmete ergeben durch. Sie betraten Féitián Jué und es zeigte sich das das Festival schon so einige Besucher angelockt hatte. Um sicher zu gehen, das sie nicht zu sehr auffielen und es Lan Zhan dennoch nicht zu unbequem werden würde, indem er sich die ganze Zeit in seinem Beutel versteckt hielt, hatte er beide mit einem kleinen Zauber belegt der sie für eine Weile unsichtbar für das menschliche Auge werden ließ. Da nicht abzuschätzen war, was sie hier erwarten würde, war diese Option am Ende vielleicht von Vorteil. Man hatte die Straßen bereits mit Laternen und farbigen Bändern geschmückt und es gab nicht nur ein Gasthaus, das zum Verweilen und Trinken einlud. Somit suchte sich Yi Ling zuerst ein Zimmer, bevor er sich hier ein wenig umsehen würde. Yi Ling schlenderte interessiert an den verschiedenen Ständen vorbei. Schaute sich bei dem ein oder anderen etwas an und schwatzte dabei ein wenig mit den Einheimischen. Es war eine eingespielte Methode sich schon einmal ein Bild machen zu können, wie die Dinge hier so verliefen. Bis jetzt erschien auch alles recht normal. Die alte Frau die Kämme und Haarschmuck verkaufte, erzählte ihm das die Ernte im letzten Jahr wieder sehr reich ausgefallen wäre und sie mit dem Ertrag genug Geld einnehmen konnten, um den Ort gut über den Winter zu bringen. Einem etwas abwesend wirkenden jungen Mann, der Korbwaren feilbot, konnte er entlocken, dass es dieses Fest schon seit über hundert Jahren und es keinen besseren Platz zum Leben gäbe. Hatte es in all der Zeit nie eine Dürre und andere Plagen gegeben, die ihren Plantagen zugesetzt hätten. Er hörte jemanden sagen, dass es ihnen Dank des Schutzes des alten, heiligen Granatapfelbaumes so gut erginge und sie dieses Fest für ihn stattfinden ließen. Zwei junge Frauen in feinen Kleidern und hübsch geschminkten Gesichtern lächelten ihm interessiert zu, als er an ihnen vorbei kam und sich von ihnen den Weg zu besagtem Baum weisen ließ. Er fand ihn schließlich, als das Herzstück einer kleinen Tempelanlage vor. Im Gegensatz zu den Plantagen, war dieser Baum riesig in seiner Erscheinung und wirkte mit der weitreichenden Krone und dem mächtigen Stamm wahrlich erhaben. Er mochte gut 5 zhàng (ca.15 m) hoch sein doch trug er keine einzige Blüte. Er war gerade daran ihn sich etwas näher ansehen zu wollen, als eine endschuldigende Frauenstimme ihn darauf verwies, dass dieser Tempel nur befugten Personen zugänglich sei und er dies bitte entschuldigen solle. „Ich bitte um Verzeihung. Das wusste ich nicht. Es ist das erste Mal das ich dieses Fest besuche.“ Er lächelte etwas verlegen. Man schien ihm seinen Fehltritt nicht übel zu nehmen, schenkte man ihm ebenso ein leichtes Lächeln. „Wir möchten Störungen vermeiden. Unser Baum ist wahrlich etwas Besonderes doch dadurch auch recht anfällig. Er blüht nur für einen Tag. Zum Höhepunkt des Festes. Ich hoffe sie können ihren Aufenthalt dennoch in vollen Zügen genießen. Wir freuen uns über jeden Gast, der zufrieden wieder weiterzieht.“ „Natürlich. Ich habe gehört, dass der Wein hier, einer der besten sein soll. Und mit ein paar hübschen Mädchen zur Gesellschaft, wird es mir sicherlich an nichts fehlen.“ Er spürte einen leichten Tritt an seiner Hüfte, den er allerdings ignorierte. Sie sagte nichts weiter dazu, lächelte nur seicht und Yi Ling sah es angebracht sich zu verbeugen und zu verabschieden. Als sie zurück zur Hauptstraße fanden, waren die Laternen bereits erleuchtet, heitere Musik und muntere Stimmenwirbel tanzten durch die warme Abendluft. Auch wenn es Yi ling sonst dazu verleitet hätte sich ebenso mit unter das Volk zu mischen und einfach seinen Spaß zu haben, schlängelte er sich vorbei an den hübschen Mädchen und den eifrig Feiernden. Es kam bei solchen Festlichkeiten nicht unerwartet, das mancher etwas über die Strenge schlug, wenn er zu viel guten Wein genossen hatte und durch den kopflosen Mut der Trunkenheit den Mädchen hier auch schon mal zu sehr zu Leibe rückte. Sie schienen es gewöhnt zu sein, ertrugen sie die tollpatschigen Offerten mit einem gekonnten Lächeln und belustigten Gebaren. Man schien sich gut auf ihre Gäste eingestellt zu haben, doch blieb es dennoch nicht aus, das jemand zu überschwänglich wurde und er mochte es noch nie zu sehen, wenn man darüber hinaus sich und sämtliche Manieren vergaß. Er packte die ausholende Hand des Trunkenboldes von hinten, das es diesen wirsch und ungelenk zu ihm herumfahren ließ und man ihn mit einem zornig, verklärten Blick bedachte. Man wollte schon ansetzen ihn zu beschimpfen, doch war das letzte was Yi Ling wollte noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen und mit einem unauffällig wirkenden Fingerdruck in die Mitte des Brustkorbes, gab der Mann nur noch ein schläfriges Nuscheln von sich und sackte zusammen. Er hievte ihn gegen eine Hausfassade und ließ ihn dort seinen Rausch ausschlafen. Die Schaulustigen waren weitergezogen, doch stand die junge Frau, der er zu Hilfe gekommen war, mit einem Male vor ihm und lächelte ihn verhalten an. Sie verbeugte sich über eine Danksagung was Yi Ling lediglich Abwinken ließ. „Schon gut.“, meinte er ungezwungen. „Aber vielleicht kann man mir sagen, wo der Wein hier am besten schmeckt?“ Sie kicherte kurz über seine Frage. „Hier gibt es nur guten Wein, den wir selbst aus der Ernte des letzten Jahres gemacht haben.“, ließ sie ihn wissen und er zeigte sich beeindruckt. „Das klingt ja recht vielversprechend.“ Trotz der Verlockung waren sie zurück in ihr Gasthaus gekehrt und hatten vorerst wieder ihr Zimmer aufgesucht. Darauf kramte Yi Ling in seinem Robenärmel herum bis er schließlich einige Talismane hervorzog und diese an der Tür und dem Fenster, sowie an der Decke und dem Boden anbrachte, um ungebetenes Herumschnüffeln zu unterbinden. Mit einer kurzen Geste seiner rechten Hand nahm er den Zauber von Lan Zhan, der nun aus seinem Beutel hüpfte, welcher zuvor auf dem Bett abgelegt worden war. „Lan Zhan, ich hab dein putziges Gesicht schon fast vermisst.“, zog dieser ihn auf und ließ sich rücklinks auf das Bett fallen, das es Lan Zhan mit einem raschen Satz zur Seite springen ließ und er ein tadelndes Murren in dessen Kopf schickte. „Also? Du hast die gesamte Zeit über nicht gesagt. Ist dir etwas Ungewöhnliches aufgefallen?“, hakte Yi Ling nach, der sich nun auf die Seite rollte um ihn ansehen zu können. Und da diesem wohl einfach der Sinn danach stand, kraulte er ihn keck hinter den langen Ohren. „Du bist wirklich niedlich. Es wäre eigentlich schon eine Schande sich zurück zu verwandeln, meinst du nicht auch?“ Lan Zhan zwickte ihn als Antwort und Yi Ling feixte, wie so oft, unangebracht über seine Zurechtweisung. „Rede keinen Unsinn. Wir sollten vorsichtig bleiben. Diese seltsame Energie zieht sich durch den gesamten Ort und wir wissen nicht was ihre Quelle ist.“ „Oh, ich hab da schon so eine Mutmaßung. Aber die Frage was hier eigentlich vor sich geht, bleibt auch weiterhin bestehen. Mir erscheint der Aufwand den gesamten Ort mit einer Barriere zu umgeben etwas dramatisch. Zumal man sie so gesehen problemlos durchqueren kann. Dann die enorme Energie die dafür benötigt wird, warum solch ein Kraftakt, wenn er nichts zu schützen scheint? „Was wenn es nicht das hinein, sondern das hinaus wäre?“, holte Lan Zhan ihn mit dieser Frage aus seinen Überlegungen. „Du meinst, das man nicht versucht etwas draußen zu halten, sondern etwas abhalten will hinaus zu gelangen? Aber warum?“ „Bist du nicht deswegen hier? Um diesem Rätsel nachzugehen?“ Yi Ling rollte sich wieder auf den Rücken und raunte bekräftigend, bevor er sich rasch aufsetzte und kurz aber ausgiebig streckte. Es klopfte leise ans Fenster, etwas das ihre Vorsicht hervorrufen sollte, doch öffnete Yi Ling dieses ohne Zögern, und ließ Bàng Hēi in ihr Zimmer hüpfen, wo er ihr als Abendmahl, wie gewohnt, ein paar getrocknete Maulbeeren hinlegte, die sie rasch aufpickte, bevor sie sich auf eine der Deckenstreben niederließ. Sie mit Blut zu füttern schien keine Notwendigkeit, wohl eher eine besondere Belohnung? „Dann werde ich mich mal unter die anderen Gäste mischen. Vielleicht bekomme ich noch ein paar nützliche Informationen. Die Talismane werden das Zimmer sicher halten, also keine Sorge.“ Dann streckte er seine Hand abermals nach Lan Zhan aus und kraulte ihn erneut, konnte einem Biss aber rechtzeitig ausweichen. Bàng Hēi gab einen kurzen, zurechtweisenden Laut von sich und fixierte Lan Zhan streng, dass es Yi Ling sachte auflachen ließ. „Also dann, macht keine Dummheiten.“, meinte er amüsiert und verließ schließlich das Zimmer. Wangji hatte das Bett nicht verlassen, gab es dafür auch keinen Grund. Somit hing er seinen eigenen Gedanken nach. Bàng Hēi´s Präsenz war unverkennbar, umgab sie dieselbe dunkle Aura wie Yi Ling. Er schaute sie sich, nun wo er die ungestörte Gelegenheit dazu hatte, eingehender an. Er hatte mitbekommen, dass sie nur in den sonnenlosen Stunden zu gegen war. Ihr dunkelrotes Gefieder das der ausklingenden Laubfärbung eines Vollmond-Ahorns glich und ihre drei Beine; Merkmale die ihm nicht fremd waren. Jeder der Seinen kannte die Geschichte der yángwū. Der goldenen Krähen. Zehn Sonnen von denen neun den Pfeilen von Hòu Yì zum Opfer fielen, um die Welt vor ihren alles verschlingenden Flammen zu bewahren. Bàng Hēi besaß nichts von der göttlichen Unsterblichkeit, die diese einst besessen hatten, sollte sie tatsächlich eine der zehn yángwū gewesen sein. Sie schien einzig von yuàn qì (negatives Qi) erfüllt, die Yi Ling für sie gezähmt zu haben schien, war sie weder mordlüstern noch tollwütig unter seiner Hand. Der dünne, silberne Reif, welchen sie um den Hals trug, und an dem sich ein zinnoberroter Seelenstein befand, diente als Verbindung zwischen ihr und Yi Ling. Er hatte selbst darüber gelesen, wie man die Seele eines yāoguài, in solche Steine einschließen konnte. Entweder um diese für ewig wegzusperren oder, wenn man das notwendige Geschick dafür besaß, sie sich gefügig zu machen. Alte Schriften berichteten von Meistern die sich auf diese Weise einen oder mehrere Schutzgeister gehalten hatten. Doch dazu bedurfte es eines starken Geistes, um auch die Kontrolle darüber zu halten, legte man mit solch einer Verbindung auch einen Teil von sich selbst offen. Als er ihn fragte, wo er sie gefunden habe, hatte dieser mit den Schultern gezuckt und eines dieser albernen Grinsen aufgesetzt. „Ich scheine halt ein Händchen für das Einsammeln von eigenartigen Persönlichkeiten zu haben.“, war seine Erklärung gewesen und Wangji der Eifer vergangen, sich weiter mit ihm unterhalten zu wollen, wenn dieser eh nur wieder unnütze Dinge von sich gab. Bàng Hēi kam und ging ohne sich durch irgendwelche offensichtlichen Fesseln gebunden zu sehen, doch schien sie so oder so die Nähe ihres Herren zu suchen. Ein wachsames Auge auf ihn und seine Umgebung zu haben, wenn sie zugegen war. Dennoch hielt sie sich soweit verborgen, wenn Yi Ling sich unter Menschen begab. Selbst wenn Yi Ling ihr Aussehen verfälschte, war es immer noch etwas das Aufmerksamkeit erregte, wenn jemand mit einer Krähe auf der Schulter herum lief. Was auch in dieser kleinen Stadt nicht anders sein würde. Yi Ling hatte Recht, es gab so gesehen nichts weiter Auffälliges hier, wenn man nicht ein Gespür für eben diese magischen, übernatürlichen Details besaß. Es lag wie ein feiner Schleier in der Luft und schien sich um jeden zu legen, der die Barriere durchtrat. Er wollte keine voreiligen Schlüsse ziehen, schon gar nicht wenn er in dieser Form bestimmte Dinge nur recht schwach wahrnahm. Er hatte gehofft, dass sich sein Zustand schneller bessern würde, doch selbst nach Tagen, fühlte er sich noch immer angeschlagen. Selbst mit Yi Lings líng qì (spirituelles Qi). Ein Gedanke machte sich in seinem Kopf breit, nun wo er seit langen wieder einmal allein und munter war. Konnte es sein, das Yi Lings Hilfe nicht das war, wonach sie aussah? Dessen zügellose und schamlose Art; was wenn es einfach nur ein Akt war, um von dessen eigentlichen Charakter und Absichten abzulenken?   Am Ende war es dessen angebliche Hilfe die ihn nicht zu Kräften kommen ließ, da er andere Motive verfolgte? Dass er womöglich nicht mehr am Leben wäre, hätte dieser ihn schlicht zurückgelassen, nach seiner Wandlung, war nicht auszuschließen. Er war schwach genug gewesen, nach dieser Attacke der giftigen Materie, dass ihn ein wilder Hund ohne Probleme hätte reißen können. Vielleicht hielt Yi Ling ihn nun schwach, damit er nicht davon liefe, war nicht abzustreiten, dass er in seinem jetzigen Zustand eh nicht weit kommen würde. Aber sollte er deswegen sein Schicksal einfach so annehmen? Wer wusste schon, was ihm bevor stand, wenn er länger mit ihm unterwegs sein würde? Ihn zu verkaufen wäre ein leichtes, nur wäre er eben nicht viel Wert, bis auf einen winzigen Tropfen spiritueller Energie. Er könnte die jetzige Chance nutzen und verschwinden. Er könnte sich eine Stelle suchen, wo er sich versteckte, bis es ihm besser erging. Es dürfte ihn nur wirklich niemand finden. Weder Mensch noch Tier, noch yāoguài. Er würde auch Bìchén nicht mit sich nehmen können, sondern müsste darauf vertrauen durchzukommen, um es später dann zu suchen und wieder an sich zu nehmen. Ein Teil seiner unsterblichen Seele ruhte in seinem Schwert, der Stolz der Lans ebenso. Es zurückzulassen wäre in der Tat eine große Schmach. Wangji seufzte innerlich, wenn er es so schon nicht konnte. Er würde vorerst weiterhin die Gefahr auf sich nehmen müssen, an Yi Lings Seite zu bleiben und am Ende selbst einen Weg finden, der ihm weiterhelfen würde.             Kapitel 4: ----------- Es war wohl um das Auslaufen von hài shí (23 Uhr), als Yi Ling mit lautem Poltern zurück ins Zimmer gewankt kam. Wangji konnte selbst im dimmen Zwielicht, das die müde gewordene Kerzenflamme erzeugte erkennen, dass dessen Wangen rosig waren. Sein weinschwerer Atem und der penetrante, süßliche Geruch von Parfum, wie auch der stumpfsinnig wirkende Ausdruck verrieten, dass er nicht nur den Alkohol in reichlichen Zügen genossen haben musste. „Unvorsichtig!“, gab er in einem missbilligenden Affekt zu verstehen, was Yi Ling allerdings nicht zu kümmern schien, war er damit beschäftigt ein kleines Messer hervorzuziehen, dass er über der Kerzenflamme erhitzte. Wangji beobachtete dies mit unruhiger Aufmerksamkeit, als sich Yi Ling dann auch schon seine Robe soweit öffnete, das seine Brust zu sehen war. In entsetzter Überraschung konnte er daraufhin verfolgen, wie dieser sich mit der heißen Klinge die Symbole für 淨化 (reinigen) direkt auf seine Brust schnitt und dies mit seiner rechten Handfläche wiederholte, welche er dann über die Symbole auf seiner Brust legte. In sichtlicher Konzentration sah er das rötliche Glimmen, das stets von dessen Magie ausging, zwischen dessen Hand und Brust, auf das sich besagte Hand wieder ein Stück zurückzog. Es sah aus als würden feine, geschmeidige Wurzeln aus dessen Körper hervorbrechen, als er das feinverzweigte Energiegewebe Stück für Stück hervorzwang, bis es gänzlich dessen Handfläche einnahm und ein eigenständiges Pulsieren zeigte. Schon im nächsten Moment hatte Yi Ling seine Hand zur Faust geschlossen, damit das befremdliche Geflecht regelrecht zerquetscht. Wangji konnte nur untätig dabei zusehen, wie Yi Ling´s Körper darauf kraftlos zu Boden sackte, er aber dennoch an den Rand des Bettes huschte, um nach ihm zu sehen. Die Symbole auf seiner Hand und Brust schimmerten noch immer blass rot, doch verebbte auch dieser verwaschene Rest an Energie kurz darauf. „Yi Ling?“ „Lan Zhan…ich bin müde, hilf mir auf´s Bett.“, vernahm er dessen träge Worte. „Ich befinde mich nicht in der Verfassung dem nachzukommen.“, erwiderte er, auch wenn das keiner Antwort bedürfen sollte. „Gemein…“, murmelte dieser ebenso erschöpft und regte sich dann auch im Ganzen, indem er sich etwas ungelenk wirkend aufsetzte. Einen Augenblick so verharrte. Wangji konnte das leichte Zittern in dessen Händen erkennen, als dieser sich dann am Bett nach oben zog nur um darauf hin gleich wieder darauf zusammenzusinken, das er gerade noch so ausweichen konnte, um nicht unter ihm begraben zu werden. Es war offensichtlich, dass es Yi Ling zusetzte, was er bei sich vorgenommen hatte, doch konnte er nichts weiter tun, als neben ihm zu sitzen. Dieser drehte sich auf die Seite, den einen Arm von sich gestreckt und Wangji einen Moment wartete, ob dieser sich weiter zu bewegen gedachte. Dann legte er ihm eine Pfote auf den Pulspunkt an seinem Handgelenk. Es bedurfte keiner großen Kraft festzustellen, dass dessen Herzschlag matt und unstet ging. Er konzentrierte sich etwas intensiver auf dessen Energiefluss. Auch wenn der goldene Kern den dieser besaß nicht der kräftigste war, so sollte er dennoch im Stande sein, kleinere Irritationen des Körpers zu stabilisieren. Allerdings war dessen líng qì (spirituelles Qi) derart schwach, das er annehmen musste das, dieser Eingriff den er bei sich durchführte, ihm mehr abverlangt hatte, als man von außen her erahnen konnte. „Was ist vorgefallen?“ Diese Frage stahl sich unbeabsichtigt in den Geist des anderen, doch machte Yi Ling gerade eh nicht den Eindruck, als hätte er ihn vernommen. Zumindest dachte er das, doch zeigte ihm ein Blick in dessen Gesicht die halb geöffneten Augen, die ihn direkt anschauten und er dazu ein mattes Lächeln zeigte. „Machst du dir etwa Sorgen, Lan Zhan?“ „Nein.“ Er würde es nicht als Sorge bezeichnen, solch eine Bindung bestand nicht zwischen ihnen. „Hm…“, hörte er noch, bevor sich zwei Hände um ihn legten und er sich plötzlich in Yi Ling´s Armen und an dessen Oberkörper gedrückt befand. Dieser sein Gesicht sachte in seinem Fell vergrub. „Lass ab von mir!“, forderte er empört, und stemmte sich, soweit es ihm möglich war, gegen dessen Halt. Man ignorierte seinen Verweis, dass er gerade ansetzen wollte seine Zähne zum Einsatz zu bringen. „Nur für einen Moment.“ Yi Ling klang ungewohnt verletzlich, dass es ihn soweit überraschte, dass er davon abließ sich befreien zu wollen. „Danke.“ Es war nicht mehr als ein flüchtiges Wispern in seinem Kopf, doch es reichte aus, um ihn ein leises Murren zu entlocken, über die Tatsache, dass es ihn mehr berührte, als er es erlauben sollte. Aus dem Moment wurden Stunden, war Yi Ling irgendwann so tief eingeschlafen, dass er auf nichts mehr reagierte, selbst auf sein Zwicken nicht. Der Halt um ihn lockerte sich auch nicht, als dessen Schlaf unruhig zu werden begann, und das Unbehagen, das ihm wohl ein ungebetener Traum zufügte, deutlich auf dessen Gesicht abzulesen war. Seine Augen zuckten hektisch hinter den geschlossenen Lidern und auch seine Atmung nahm abermals diesen unruhigen, stockenden Takt an. Der letzte Rest des Kerzenlichtes reflektierte sich in einem seichten Schein, der sich über dessen immer noch fahles Gesicht zog. Der Griff um seinen winzigen Körper wurde fester, und noch immer reagierte Yi Ling nicht auf sein Rufen, dass es wirklich schmerzhaft wurde, je länger er in dessen Armen feststeckte. Etwas panisch das man ihn womöglich noch die Knochen in diesem fragilen Körper brechen würde, konzentrierte er alles was ihm an spiritueller Kraft möglich war auf die Verbindung zwischen ihren Gedanken, in der Hoffnung, dass er ihn zur Besinnung bringen würde können. Darauf ergriff sein Bewusstsein plötzlich eine dunkle Woge, die ihm die Luft nahm. Ihn blind mit sich riss und hilflos nach Halt suchen ließ. Als er seine Augen öffnete, umgab ihn noch immer Dunkelheit, doch war sie nicht mehr so allesverzehrend, dass es keinen Unterschied machte, ob seine Augen offen oder geschlossen waren. Trotzdem fühlte er sich gehetzt, verbunden mit einem brennenden Gefühl von Übelkeit, das seinen Körper zum Zittern brachte. Der Anblick der sich ihm bot war allerdings erschreckend und grausam, stand er in mitten einen Feldes aus toten Leibern. Manche nur noch Knochen. Manche im Prozess der Verwesung, das er froh war keinen Geruch wahrnehmen zu müssen. Wo war er hier? Sein Blick fiel auf seine Hände. Sie waren klein, dass sie die eines Kindes, nicht älter als Sieben oder Acht Menschenjahre sein mussten. Sie hielten etwas. Eine andere Hand und seine Sicht verschwamm. Tränen. „…ich möchte, dass du lebst…“ Man strich ihm in einer kraftlosen, doch liebevollen Geste durch die Haare. „Ich will nicht wieder allein sein müssen. Bitte…“, hörte er die Stimme des Kindes flehen, welchem nun ungezügelt die Tränen über die Wangen liefen. „Das wirst du nicht sein…“ Seine Sicht wurde etwas klarer, doch blieb das Gesicht des Mannes dennoch undeutlich. Sein Herz rasste weiter in einem frenetischen Rhythmus, als dieser seine Hand, welches das Kind festhielt, entzog. Was folgte ließ ihn ein hilfloses aber nicht weniger verzweifeltes Heulen vorbringen. Der Junge wusste was passieren würde, doch blieb es für Wangji nur ein Gefühl der Verzweiflung. „Dào Zhǎng!“ Er schluchzte und jammerte, bis ihm jeder Laut der aus seiner Kehle rutschte, schmerzte. Ein goldenes Licht brach darauf aus dem Leib des Mannes. Wangji wusste sofort, wovon dieses Licht ausging. Ein goldener Kern. Dann war er… „Lebe nach einem bestmöglichen Maße…“ Dieser führte den Kern über die untere Dantian Region, seines schmalen Leibes und das nächste was ihm bewusst wurde war unsäglicher Schmerz, als hätte man ihm ein glühendes Eisen auf die Haut gesetzt. Es ließ sämtliche Schreie die sich lossagen wollten, zu einem dornigen Knoten in seinem Hals werden. Er fühlte nichts weiter außer Schmerzen. Einem kräftigen Stoß gleich beförderte es Wangji wieder in seinen eigenen Geist, doch hatte er das Gefühl die Pein immer noch zu spüren, das ihm selbst nach einem Wimmern zu Mute war. Er schüttelte schließlich seinen Kopf, um etwas von der Benommenheit loszuwerden. Als er wieder bei sich war, war das erste was er sah, der entfremdet wirkende Blick den Yi Ling auf ihn gerichtet hielt. „Dann sind wir wohl quitt…“ Wangji konnte nicht einmal sagen, ob er die Worte in seinem Kopf oder mit seinen Ohren gehört hatte, war sein Geist noch immer etwas träge. Doch er verstand die Anspielung. Yi Ling richtete sich auf, dass er ihn auch loslassen musste und setzte sich etwas schwerfällig an den Rand des Bettes, raunte kratzig und wirkte nicht ansatzweise ausgeruht. „Es war nicht meine Absicht, dies zu sehen.“, brachte er ihm in einem Versuch der Entschuldigung entgegen, besaß er Anstand genug dafür. „Ja, meine auch nicht…“ Es klang ergeben, etwas das Wangji annehmen ließ, dass diese Art von seelischer Reflektion nicht selten bei ihm war. Yi Ling sagte nichts mehr dazu, stand lediglich auf, um sich eine Schale mit Wasser zu füllen und diese in einem Zug zu leeren. Dann begab er sich zum Waschzuber, und steckte schlicht seinen ganzen Kopf hinein und hielt ihn unter Wasser. Wangji empfand es als etwas, das nicht an ihm war zu beobachten, fühlte es sich unangenehm privat an. Allerdings hatte dieses ungewollte Eindringen in dessen Bewusstsein, weitere Fragen in ihm aufgeworfen, deren Antwort er jedoch nicht ersuchen würde. Mit einem Prusten tauchte Yi Ling wieder aus dem hölzernen Becken auf, schüttelte sein Haupt wie ein nasser Hund, das die fliegenden Tropfen selbst Wangji erreichten. „Unmöglich.“, moserte er schon im Affekt,  was Yi Ling etwas auflachen ließ. „Das bin ich wohl.“, ließ dieser ihn wissen, bevor er sich ein Handtuch griff und richtig trocknete. * Es war etwas später, als sie ihr Zimmer verließen, um sich noch etwas weiter umzusehen. Die Sonne hatte noch nicht ganz ihren höchsten Stand erreicht, als sie abermals durch die geschäftigen Straßen schlenderten. Wangji war für die um sie herum befindlichen Personen abermals nicht sichtbar und konnte seine Aufmerksamkeit somit ungestört schweifen lassen, während Yi Ling sich abermals redefreudig und guter Laune zeigte, damit einige Passanten in ein kleines Schwätzchen zog. Sie hatten das Eindringen in Yi Lings Gedanken nicht noch einmal angesprochen. Wangji hätte auch nicht gewusst, was er dazu noch hätte vorbringen sollen, ging es ihn so gesehen nichts an. Nichts anderes hatte er auch Yi Ling wissen lassen, als dieser eine seiner Erinnerungen miterlebt hatte. So schwieg er darüber und ließ den anderen seinen gewohnten Charakter ausleben. „Ich möchte, dass du dein Leben im bestmöglichen Maße lebst…“, kam es ihm wieder in den Sinn und er schenkte Yi Ling einen nachdenklichen Blick. War es das was dieser tat? Lebte Yi Ling, wie es ihm der Dào Zhǎng aufgetragen hatte? Dass dieser einen goldenen Kern besessen hatte, hieß, dass er einst zu Seinesgleichen gehört haben musste Demnach besaß Yi Ling keine familiäre Bindung zu einem Clan und war als einfacher Menschenjunge geboren worden. Dennoch war es bemerkenswert, dass dieser in solch einem schwachen Körper in der Lage gewesen war, einen goldenen, wenn auch nur noch schwachen, Kern in sich aufzunehmen und es auch zu überleben. Solch ein goldener Kern entstand durch das intensive und andauernde kultivieren von líng qì, doch die Voraussetzungen dazu waren nur denen von überirdischen Geblüt vorbehalten. Es konnte hunderte von Menschenjahren bedürfen um die vollkommene Unsterblichkeit zu erreichen und das auch nur wenn man Geist und Körper in beständiger Balance halten konnte. Es war selten, dass jemand ihre Reihen verließ, um in der Menschenwelt zu verbleiben, doch es kam vor. Jene deren goldener Kern zu schwach blieb und sie der Schmach gehässiger Verurteilung entgehen wollten. Jene die das Abenteuer suchten. Jene die ihr Glück mit einem Menschen fanden. Doch in solch einem Fall hatte man seine Unsterblichkeit aufzugeben, wie auch das Recht je wieder zurückkehren zu können. Es war ein Preis den nicht viele gewillt waren zu zahlen und es nur vereinzelte Geschichten über solch ein bereitwillig gemachtes Opfer überliefert gab. Solange das Gleichgewicht zwischen ihren Welten nicht gestört wurde, blieb ihnen offen zu wählen. Es brachte die bittere Erinnerung an seine Eltern mit sich. Sein Vater, der nächste Clanführer der Lans. Seine Mutter eine Freiheit liebende Frau von geringem Rang, die das Leben unter den Menschen gewählt hatte. Ihre Begegnung, als sein Vater, wie er jetzt, die Menschenwelt bereist hatte, der Auftakt für ihr beider Unglück. Es hieß, wenn ein Lan ihres Standes sich verliebte dann bis zu einem selbstaufopferungsvollen Maße, dass niemand anderes diesen Platz je wieder würde ausfüllen können. Dass Einsamkeit für einen der ihren ebenso schmerzlich sein konnte, wie für die Menschen, wusste er aus Erfahrung. Seine Mutter mochte immer ein Lächeln für ihn und seinen Bruder aufbewahrt haben, doch er wusste, dass sie so unsäglich einsam war. Einsam genug um ihrem eigenen Leben ein Ende zu bereiten. Erst darauf schien ihr Vater tatsächlich zu verstehen. Doch anstatt sich dieser Schuldigkeit auch zu stellen, hatte er den feigen Weg der Selbstisolation gewählt, bis sein Körper und Geist erloschen waren. Und auch wenn sich solch bittere, hetzende Emotionen für einen wie ihn nicht schickten, so war er nie im Stande gewesen seinem Vater zu verzeihen. Selbst seine und die Existenz seines Bruders erschienen abstrakt in seinen Augen, wenn sie ihrem Vater am Ende nicht wichtig genug gewesen waren, wenigstens für sie da zu sein. Es für sie richtig machen zu wollen. In Anbetracht dessen, sah die wenig Zuwendung zu seinen Kindern eher wie eine Notwendigkeit aus. Doch blieb ihm trotz allem die Erinnerung an die wenige Zeit die er mit seiner Mutter hatte verbringen können. Es war etwas das ihn geprägt hatte. Und sei es in erster Linie einfach nur der unerschütterliche Wille, Hürden zu überwinden und voranzuschreiten, egal wohin sein Weg ihn auch führen mochte. So wie in diesem Fall. Sich mit einem fragwürdigen Charakter wie Yi Ling auf Reisen zu befinden, während er nicht mehr war als ein Funken Spiritueller Energie, war ein Verlauf den er nicht erahnen konnte. Es erklärte allerdings nicht, was es mit dieser allgegenwärtigen dunklen Aura auf sich hatte die Yi Ling umgab. Dessen Yin und Yang derart außer Gleichgewicht zu spüren. Nie zuvor hatte er gehört, dass jemand solch ein inneres Chaos unter Kontrolle zu bringen vermochte, es sogar ein Stückweit für sich nutzbar hatte machen können. Normalerweise zerbrach Körper und Geist unter solch einem Umstand rasch. Und darüber hinaus war Yi Ling von Beginn her Mensch gewesen. Etwas das es nur noch unmöglicher machen sollte. Selbst einem von ihnen würde es Unglaubliches abverlangen. Eher noch wäre es kein Zustand unter dem man freiwillig seine Existenz führen würde wollen.   Was also, bewegte Yi Ling derart innig, das er solch einen unberechenbaren Weg für sich ging, der ihn ohne weiteres in Stücke reißen könnte, sollte dieses Chaos je die Oberhand gewinnen? Dieser begann nun ein Lied zu summen, auf das er sich schließlich unter einen Baum setzte und sich gegen dessen Stamm lehnte, die Augen schloss. Sie waren etwas abseits der Straßen und Häuser, das kaum jemand an ihnen vorbei kam. „Ist dir etwas aufgefallen?“ Dass Yi Ling diesen Weg nutzte, um mit ihm zu kommunizieren, ließ annehmen, dass er auf Nummer sicher gehen wollte mit ihrem Gespräch. „Keine Kinder.“ Gestern als sie ankamen, war es spät genug gewesen, dass es nicht sonderlich ungewöhnlich erschien keine zu sehen. Doch das ihnen auf dem Weg durch die Gegend nicht eines aufgefallen war, wirkte recht seltsam. „Zumal die meisten Maiden hier, ungewöhnlich hübsch sind, für einen Ort der sonst aus Obstbauern besteht. Es erklärt allerdings, warum so viele Besucher männlich sind. Der Service in den Schenken ist wahrlich exquisit. Kaum hat man einen Platz gefunden, gesellen sich auch schon ein paar der Mädchen dazu. Und ehe man sich versieht hat man einen Krug Wein getrunken.“ Er holte etwas aus einer kleinen Tasche an seinem Gürtel und zeigte es Wangji. „Samen?“ „Sie befinden sich im Wein. Die Mädchen sorgen dafür, dass jeder Gast einen davon schluckt. Mir fiel ihre befremdliche Signatur auch in anderen Krügen auf. Ich konnte die hier unter meiner Zunge verstecken.“ „Das Geflecht das sich in dir befand?“ „Ich wollte wissen was sie bewirken sollen und ließ mich darauf ein. Die Samen mögen klein sein, doch steckt in ihnen genug Magie, um den Geist dahingehend zu beeinflussen, dass es einen unaufmerksam und beeinflussbar macht. Doch es einem nicht viel anders erscheint, als hätte man einfach nur zu viel getrunken.“ „Dich hat es nicht beeinflussen können?“ Yi Ling grinste auf seine Frage in seiner üblichen, selbstgefälligen Manier. „Ich hatte es mit einer Qi Barriere isolieren können, doch wuchs es schneller als ich angenommen hatte, dass es etwas anstrengend wurde, über solch einen herzlichen Abend in so charmanter und attraktiver Begleitung, nicht die Konzentration zu verlieren und doch so zu tun, als hätte man Erfolg mit ihrer Manipulation gehabt.“ Wangji war nach einem Schnalzen zu mute, ließ diese Erklärung wissen, dass Yi Ling die Dinge nicht mit dem Ernst betrachtete, wie es angebracht war. Nur um daraufhin sich dem kräftezerrenden und schmerzhaften Prozess einer Selbstreinigung unterziehen zu müssen. Es war nicht nur riskant, sondern auch unglaublich leichtfertig. „Aber wozu das alles?“ Was steckte dahinter die Reisenden unter den Einfluss von Magie zu setzen? Was gewann man damit? „Wir sollten uns die Tempelanlage noch einmal genauer ansehen. Der Schutz der sich darum gezogen befindet zeugt von ähnlicher Energie. Womöglich gibt es ein paar Antworten genau dort zu finden. Allerdings wird es schwierig, unbemerkt dort hinein zu kommen. Man war gestern recht schnell und unauffällig vor Ort, um mich wieder fortzuschicken. Ich könnte zwar eines meiner Männchen hineinschicken, doch würde mich das Aufrechthalten der Verbindung für diesen Zeitraum anfällig zurücklassen und ich bin mir nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist, wenn wir nicht wissen womit wir es hier zu tun haben.“ Es blieb einen nachdenklichen Moment still zwischen ihnen. „Ich könnte versuchen hineinzugelangen.“, machte Wangji den Vorschlag, dass es ihm einen überraschten Blick von Yi Ling einbrachte. „Bist du dir sicher? Wenn es schief geht, kann ich nicht garantieren rechtzeitig helfen zu können. Die Magie um dich unsichtbar zu halten ist nur in meiner direkten Nähe möglich. Sie kann dir somit keine Deckung geben.“ Wangji war sich sehr wohl im Klaren, dass es ein Risiko darstellte, aber er wäre in dieser seiner Form immer noch der Unauffälligere von ihnen beiden. Je schneller sie hinter das Ganze hier stiegen umso besser. „Ich bin mir etwaigen Gefahren bewusst.“ Yi Ling wirkte noch immer überlegend, doch nickte er schließlich. „Gut, dann versuchen wir es.“ Sie hatten den Rest des Tages damit zugebracht die Tempelanlage zu beobachten, doch erschien auch hier nichts ungewöhnlich. Einer Frau in unauffälliger Kleidung, doch selbstbewussten Schritten verbunden mit der Aura des einfachen Volkes, hatte man Zugang gewährt, doch sonst betrat niemand das Gelände, wie auch sonst niemand hier weiter her zu kommen schien. Yi Ling hatte ihm das Beobachten überlassen und nutzte die Zeit zudem an diversen Papiermännchen und Talismanen herumzuexperimentieren, indem er sie mit verschiedenen Symbolen markierte. Manche gingen schier in Rauch auf. Andere krümmten sich in sich selbst, als habe eine Hand sie grob gepackt und zusammengeknüllt. Eines seiner Männchen schüttelte simpel seinen Kopf auf dessen zuvor gewisperten Worte, gefolgt von einem Seufzen von Yi Ling. Seine Spielereien wurden wohl selbst seinen Talismanen zu viel. Für all dies nutzte er einen Kalligraphie-Pinsel dessen dicker Griff auf den ersten Blick unhandlich wirkte, und welcher mit verschiedenen Schriftzeichen versehen war. Ungewöhnlich, dass die Tinte sich bereits im Pinsel zu befinden schien, benetzte diese die feinen Haare sobald Yi Ling die Spitze auf das  Papier setzte. Es fiel ihm ebenso auf dass die Farbe der Tinte wechselte, das er davon ausging, dass dieser bereits etwas Magie inne wohnen musste. „Ah, Lan Zhan, wo sind deine Augen, du sollst auf den Komplex schauen, nicht auf mich. Auch wenn ich verstehe, wenn du deine Augen nicht von mir nehmen kannst.“ Wangji schnalzte innerlich über diese unsinnige Annahme. „Du besitzt ein magisches Artefakt?“, hinterfragte er dennoch, konnte er sich nicht vorstellen, dass jemand wie Yi Ling in Besitz solch eines Gegenstandes gekommen war, waren diese rar oder meist verschollen, wenn nicht in Besitz eines mächtigen Clans oder Gottwesens. Yi Ling gehörte, zu keiner der beiden Optionen. Dieser lachte amüsiert über seine Frage und drehte den Pinsel gekonnt zwischen seinen Fingern. „Das hier? Den hab ich selbst entworfen. Mit meinem geringen líng qì ist es nicht gerade ratsam starke magische Talismane zu erstellen, die mich am Ende wortwörtlich Blut kosten und völlig ausgelaugt zurücklassen würden. Also habe ich nachgedacht.“ Er öffnete das hintere Ende des Griffs und offenbarte, dass dieser innen mehrerer Kammern aufwies die in Parzellen in der runden Form angelegt waren. „Die Tinte ist etwas mit dem ich eine Weile herumversucht habe. Ich fand heraus, dass sich das Potenzial je nach Zugabe anderer Elemente variieren oder spezifisch anpassen lässt. Wie auch das Material das man beschreibt, eine bestimmte Wirkung hervorrufen kann. Je hochwertiger die Bestandteile, desto stärker die Wirkung des Talismans. Es gibt somit unzählige Variationen und Ergebnisse. Es ist ungemein faszinierend, aber auch extrem zeitaufwendig die effektivsten Kombinationen herauszufinden.“ Yi Ling nahm einen normalen Papiertalisman herzu und strich mit dem Finger der pinselhaltenden Hand über eine der dort eingravierten Schriftzeichenabfolgen des Griffes. „Um sie zu aktivieren braucht es nur einen Funken líng qì.“, erklärte er und schien genau dies zu tun, glimmten die Zeichen leicht auf und er schrieb etwas mit grüner Tinte auf den Talisman. Dann zuckte das Papier kurz und faltete sich in eine andere Form um. Größer und breiter als es das Material hergeben sollte. Am Ende lag, und Wangji musste mit den Augen rollen, ein mannshoher grüner Kohl zwischen ihnen. „Nur für dich. Auch wenn er einzig nach Papier schmecken wird.“, witzelte Yi Ling heiter über seine erschaffene Illusion. Was hatte er auch erwartet? Es war kurz nachdem die Sonne hinter dem Wald gesunken war, das sich doch noch etwas regte und sie beide verfolgen konnten, wie sich das schwere, hölzerne Tor auftat und nach und nach die Maiden, die recht eifrig die Gesellschaft der Gäste in den Schänken oder Amüsierhäusern suchten, hervortraten. Jede von ihnen perfekt hergerichtet. Feine Stoffe, die um zierlich, elegante Silhouetten fielen. Aufwendig hergerichtete Haare mit filigranem Haarschmuck bestückt und der verführerische Effekt von blassem Puder und sinnlich roter Lippenfarbe auf den feinen Gesichtern. Dunkle, unschuldig wirkende Augen, die scheu hinter einem aufwendig bestickten tuán shàn (runder, mit Stoff bespannter Fächer) hervorschauten, nur erahnen ließen, ob diese auch ein ebenso schüchternes Lächeln begleitete. Yi Ling wusste das ihre Stimmen süß und schmeichelnd waren, genau wie ihr Geruch, der an ein Feld voller Sommerblumen erinnerte. Dann lebten sie also alle im Tempel? War der Zutritt deswegen für Fremde untersagt? Um ihren Schutz und Abstand zu gewährleisten? Die Dunkelheit brach herein und es hatte sich nichts weiter getan, das sie schließlich im Schutz der Schatten näher schlichen. „Bist du dir sicher, dass du es versuchen willst?“, erkundigte sich Yi Ling abermals, als sie eine marode Stelle in der Umzäunung ausfindig gemacht hatten, durch die ein Hase ungehindert hindurchschlüpfen konnte. „Verschwende keine Zeit.“, wies Lan Zhan in lediglich an, doch setzte er ihn dennoch nicht sofort zu Boden. „Warte.“ Yi Ling ließ Lan Zhan nicht die Zeit sich zu erkundigen, auf was es noch zu warten galt, als er einen kräftigen Strom an goldener Energie in ihn fließen ließ. „Ich hatte ganz vergessen dich heute zu füttern.“ Darauf zwinkerte er ihm noch albern zu, allein weil er wusste, dass es den anderen nervte, wenn er dies tat und setzte ihn schließlich in das Gras das in einem Saum den Zaun entlangwuchs. „Noch was.“ Yi Ling konnte Lan Zhan´s genervtes Augen rollen fast schon hören, und es ließ ihn leicht den Kopf schütteln über dessen wagemutigen Eifer, sich in eine unbekannte Gefahr stürzen zu wollen, obwohl dieser es war, der ihn sonst immer ermahnte nicht zu unbedacht zu handeln. Yi Ling zog einen Talisman hervor. „Er ist noch in der Testphase, aber rein theoretisch sollte es funktionieren.“ Er schaute noch einmal prüfend über die Zeichen, die er darauf geschrieben hatte. „Es ist ein Schutzzauber, sollte man dich packen wollen, wird es schmerzhaft für denjenigen. Da er keine verdächtigen Energie-Impulse abgeben soll, erlaubt die komprimierte Magie darin allerdings nur eine Abwehr. Also legt dich nicht unnötig mit jedem an, der dir über den Weg läuft.“, scherzte er, auch um der Anspannung, etwas entgegenzuwirken. Er ließ folglich das Papier soweit schrumpfen bis es nicht mehr größer war als eine Fingerkuppe. „Unsere Verbindung reicht leider nicht weiter, als was du mich hören würdest wenn ich dich mit richtiger Stimme rufe. Also hilft uns die hierbei nicht aus. Mit diesem Zauber, schicke ich dich aber wenigstens nicht vollkommen ungeschützt ins Unbekannte.“ Yi Ling versteckte den verkleinerten Talisman unter dessen Fell, der sich dort auch sofort anhaftete, damit er nicht verloren ginge. „Na dann, viel Glück.“ Kapitel 5: ----------- Es überraschte Wangji, dass sich Yi Ling die Mühe gemacht hatte, ihm doch noch eine Art von Schutz gewährleisten zu können, selbst wenn er nicht garantieren konnte, dass es im Falle eines Falles tatsächlich von Nutzen sein würde. Sagen tat er jedoch nichts dazu und man schien auch nichts dergleichen von ihm zu erwarten. „Sei Vorsichtig.“, hörte er diesen noch sagen, und er begab sich schließlich durch die Öffnung. Das Gelände war verwaist und es war auch nichts weiter zu hören, als das sanfte Rauschen der Blätter des alten Granatapfelbaumes und dem Schrei eines Kauzes. Es wirkte nicht weniger idyllisch, als wie sie es von außen her hatten beobachten können. Wangji hoppelte vorsichtig weiter, seine Ohren stets aufmerksam. Soweit auf dem Land, bestand dieser Tempel nur aus einem recht simplen Hauptgebäude ohne Etagen und einem kleineren Nebenanbau. Dennoch hatte man Pfeiler und Dachfürsten mit einladenden Schnitzereien verziert, und sie mit leuchtenden Farben lebendig gehalten. Licht von vereinzelt aufgehängten Laternen bildete goldene Pfützen auf dem nachtdunklen Steinpfad, der die Gebäude miteinander verband. Man hielt den Grund sauber und gepflegt, dass es für Wangji keine größeren Hindernisse gab, er sich aber dennoch soweit versteckt hielt, um nicht vorschnell auf sich aufmerksam zu machen. Er vernahm das Öffnen einer Tür und konnte jemanden aus dem Nebengebäude treten sehen. Es war die Frau die zuvor hier hineingegangen war. Er nahm die Gelegenheit wahr und huschte die wenigen hölzernen Stufen des Anbaus hinauf, schaute ob sich eine Möglichkeit hinein finden ließ. Und tatsächlich hatte man die Tür, aus welcher die Frau gekommen war, nicht gänzlich wieder zugeschoben, dass er mit einem Sprung die hohe Schwelle überwand und im Inneren verschwand. Auch hier gab es nur spärliches Kerzenlicht, das er sich weiterhin gut in den Schatten bewegen konnte. Ein kurzes, dumpfes Geräusch ließ ihn schlagartig innehalten und sich rasch umblicken. Die Frau war noch nicht wieder zurück, doch schien das Poltern auch nicht von draußen, sondern von unterhalb gekommen zu sein. Es gab womöglich noch unterirdische Räumlichkeiten? Wenn dem so sei, dann müsste es auch einen Weg dorthin geben, den er nun versuchte ausfindig zu machen. Wangji vernahm das leise Knarren der Holzdielen, zu sacht um von einem größeren Gewicht ausgelöst worden zu sein, als er auch schon das instinktive Gefühl verspürte das Gefahr lauerte. Nur einen Wimpernschlag darauf hörte er ein rollendes, angespanntes Murren, auf das sich zwei funkelnde Augen, in der Dunkelheit bewegten und er sich mit dem Jägerblick einer aschgrauen Katze konfrontiert sah. Mit allen Möglichkeiten, wie er hätte in Schwierigkeiten geraten können, hatte er selbst nicht mit so einem Szenario gerechnet und es ließ ihn sich etwas stümperhaft fühlen. Zumal er sich recht gut vorstellen konnte, was er sich von Yi Ling anhören würde dürfen, wenn er als Grund seiner Flucht, das Auftauchen eines Streuners mitteilte. Vorausgesetzt er würde wieder zurück gelangen. Er wusste, dass dieses Tier aus Instinkt handelte und womöglich auch hungrig genug war, das, sollte er zur Flucht ansetzten, es ihm erbarmungslos nachhetzen würde. Nur ereilte ihn wohl auch das gleiche Schicksal, wenn er nichts versuchte. Die Aktivierung des Talismans würde den Streuner womöglich nicht gänzlich von seinem Jagdtrieb abbringen. Doch hier sein Leben lassen, und das durch solch einen primitiven Umstand, wollte er ebenso wenig. Es war erleuchtend, wie viel er von seiner eigentlichen Würde abzulegen hatte, um in seiner jetzigen Form, zu überleben. Eine Verlegenheit für jeden seiner Herkunft. Aber war eines der Gebote der Lans ebenso, keinem falschen Stolz zu erliegen. Alles war ein Prozess der einen lehrreich sein konnte. Dennoch war es schon frustrierend, dass es ausgerechnet jemand wie Yi Ling sein musste, der diese Prinzipien im Endeffekt nur zu seiner Erheiterung nutzen würde. Wangji rutschte mit Bedacht weiter zurück und konnte genau verfolgen, als die Katze sich etwas absenkte und ihren Körper leicht in Schwingung brachte, ihn dabei aus fast schwarzen Augen fixiert hielt. Sie setzte zum Sprung an und er hastete los, die Katze ihm dicht auf den Fersen. Dass er sich in einem Raum befand und nicht über die selbe Agilität wie sein Verfolger verfügte, macht es ihm schwer zu navigieren, als er auch schon gegen etwas Massives stieß, das ihn für einen unglücklichen Moment etwas benommen zurückließ, was der Katze ausreichte sich auf ihn zu stürzen. Mit einem gepeinigten Fauchen, wurde diese jedoch zurückgeworfen. Der Schutz hatte funktioniert und Wangji nutzte seine Chance. Er hatte über all die Aufregung jedoch nicht mitbekommen, dass die Frau zurückgekehrt war und es die Katze ebenso erschreckte, dass jene ihm keine Beachtung mehr zukommen ließ. Mit ein paar nachdrücklichen „Sch…sch…“ Lauten scheuchte die Frau das Tier schließlich davon. Allerdings war es kein Moment der ihn zum Aufatmen brachte, hatte sie nun auch ihn entdeckt, als man schon nach ihm griff, dass er sich für den Moment völlig paralysiert fühlte. „Na, da hat sich wohl wer verirrt, hm?“, hörte er die Frau sagen, was ihn aus seiner Starre holte und er schon seine Zähne zur Gegenwehr einsetzen wollte, als sie ihm verzückt über den Rücken strich und ihre nächsten Worte ihn innehalten ließen. „Ich werde dich mal wieder rausbringen. Du solltest allerdings Acht geben vor den Streunern. Es wäre schade um so ein hübsches Tier.“, meinte sie in einem zutraulichen Ton. Es wäre am Ende hilfreicher, sich nicht zu sträuben, und ihren Unmut zu riskieren. Seine Mission war vorerst gescheitert, doch könnte er es noch einmal versuchen und es wäre förderlich, wenn man ihn dann abermals nur für einen Irrläufer halten würde und kein tollwütiges Vieh. Abermals war das Poltern zu hören. Die Mine der Frau wechselte sofort in einen besorgten Ausdruck, auf das sie auch schon eilig losging ohne ihn abgesetzt zu haben. Wie er es sich gedacht hatte, gab es eine versteckte unterirdische Etage, deren Zugang sich erst offenbarte, nachdem man ein hölzernes Ornament, an einer der Wände, in eine bestimmte Richtung drückte. Er hätte sich keine Hoffnung machen brauchen, diese in seiner Form gefunden zu haben, noch den Mechanismus dazu betätigen zu können. Steinerne Stufen führten ein stückweit hinunter, dem sich ein schmaler Gang anschloss, der schließlich zu einer verschlossenen Tür führte, welche man rasch aufstieß. Wangji, hätte seine Augenbrauen irritiert nach oben geschoben, wäre es ihm möglich, bei dem sich ihm bietenden Anblick. Man setzte ihn auf einem der Tische ab, auf das er sich weiter prüfend umschaute, in der Hoffnung erahnen zu können, was hier vor sich ging. Die Kammer war groß und in ihr befanden sich Reihen an hölzernen Liegen. In jeder lag ein schmaler, blasser Körper. Die Kinder von Féitián Jué? Sie waren unterschiedlichen Alters, ging er von deren Entwicklung aus. Mädchen wie Jungen. Es war für ihn nicht zu erkennen, ob sie schliefen oder ihnen kein Leben mehr inne wohnte, wirkten sie alle wie aufgebahrt in ihren einheitlich steifen Posen und fahlen Gesichtern. Seine Aufmerksamkeit richtete sich zurück auf die Frau, die eines der Kinder wieder auf seine Liege legte, dessen Körper ein sporadisches, kräftiges Zucken erfasste. Sie nahm etwas aus dem ledernen Täschchen, das sie um die Hüften gebunden trug. Ein Flakon, den sie dem bewusstlos wirkenden Kind an die Lippen setzte. Es schien seine Wirkung zu tun, blieb der Körper daraufhin still. „Es tut mir leid.“ Die Frau strich dem Kind behutsam über die dunklen, matten Haare. Lächelte hilflos. „Ich wünschte ich könnte mehr tun. Es endlich beenden.“ Sie drückte dessen kleine Hand in einer mütterlich wirkenden Geste, doch klangen ihre Worte gebrochen und verzweifelt und sie schaute einen weiteren verlorenen Moment auf das Kind in ihren Armen. Dann strafften sich ihre Züge wieder und ihr Ausdruck zeigte eine Entschlossenheit dessen Hintergrund Wangji nicht definieren konnte. Ihr Blick fiel auf ihn zurück und sie atmete einmal tiefer durch, bevor sie ihn wieder aufnahm und zurück nach oben brachte. Sie verließen den Anbau und erreichten kurz darauf ein hinteres Tor, dass diese mit einem kratzenden Knarren aufzog. Man setzte ihn hinter einem Azaleenstrauch ins Gras. „Viel Glück.“, gab man ihm noch mit auf den Weg, bevor die Frau wieder hinter dem Tor verschwand und dieses zuzog. Wangji war selbst etwas überrascht über diesen glimpflichen Verlauf seiner Mission. Er schaute sich der Orientierung wegen kurz um und machte sich dann in die Richtung auf, wo er wieder auf Yi Ling treffen müsste. Er fand die Stelle an der sie zuvor gestanden hatten verlassen vor. Nicht überraschend, wenn sie vermeiden wollten, das man Yi Ling beim fragwürdigen Herumlungern ertappte. „Yi Ling?“ Es sollte nun wieder möglich sein, miteinander zu kommunizieren, doch erhielt er keine Antwort. Wangji hoppelte etwas weiter, seine Nase in den Wind gestreckt, um vielleicht etwas von dessen Geruch erhaschen zu können. Bàng Hēi´s Krächzen drang an seine Ohren, dass er sich auf seine Hinterläufe setzte und nach oben schaute. Yi Ling saß in einer der gut belaubten Kronen, eines Wútóng-Baumes und schaute genau zu ihm. Dieses allgegenwärtige Grinsen im Gesicht. „Du siehst wirklich zu putzig aus, wenn du so herum hoppelst. Ich wäre ehrlich dafür, dass du in dieser Form bleibst. Endzückender kannst du eh nicht mehr werden.“, vernahm er die aufziehenden Worte und überlegte, ob er den anderen tatsächlich einfach sitzen lassen sollte. Und um das auch zu verdeutlichen, wandte er ihm schweigend den Rücken zu und hüpfte ein paar Schritte weiter. „Ah, Lan Zhan. Das war ein Kompliment. Nun sei nicht gleich wieder eingeschnappt.“ Yi Ling war schnell aus seinem Versteck herabgesprungen und folgte ihm nach, bis dieser ihn simpel aufgriff und als Friedensangebot hinter den Ohren kraulte. Wangji regte es nur noch mehr auf. Zum einen, weil er dieses Gefühl wirklich angenehm empfand und zum anderen, weil er es nicht als angenehm empfinden sollte. Schon gar nicht durch diesen unmöglichen Kerl! „Also hast du etwas herausfinden können?“, hakte dieser dann auch nach, nachdem man ihn wieder in den Beutel gesetzt hatte und sie sich von dem Tempel entfernten. „Die Kinder,“, setzte er an und erzählte ihm darauf, was er hatte mit ansehen können. * Es war am nächsten Tag, das sie den Plan gefasst hatten, dieser Frau, die Wangji im Tempel begegnet war, etwas auf den Zahn fühlen zu wollen. Das Festival sollte noch ein paar Tage andauern. Es war somit der perfekte Deckmantel für ihn und sein Herumstromern, ohne dass man sich tatsächlich zu viele Gedanken um sie machen würde, bei all den Gästen die hier verweilten. Nur sollten sie sich nicht zu oft beim Tempel sehen lassen, um nicht doch noch ungebetene Aufmerksamkeit zu erregen. Generell konnte man verfolgen, dass die Straßen über den Tag eher spärlich besucht blieben. Als habe der nächtliche Feiertrieb die meisten in ihren Betten belassen. Einzig die Bewohner schienen ihren Arbeiten und Pflichten nachzugehen, indem sie die Wege säuberten und sich ihren Geschäften widmeten. Yi Ling konnte von seinem Zimmer her beobachten, wie man eine neue Lieferung Wein brachte und es ihn schon etwas schmerzte, das er darauf verzichten musste, wollte er sich nicht noch einmal dieser eher unangenehmen Reinigungs-Prozedur unterziehen. Er schaute noch einen Moment aus dem Fenster und dann zurück ins Zimmer. Lan Zhan hatte ihm erzählt, dass diese Frau, womöglich eine Art Heilerin gewesen sein könnte, ging er davon aus das sie sich um die Kinder kümmerte. Auch genug andere Indizien sprachen dafür, wie die medizinischen Schriften und anderweitige Utensilien die er in dem Raum, wo sich die Kinder befanden, mitbekommen hatte. Vielleicht war sie bekannt genug im Ort, das sie sie würden ausfindig machen können. Ihr beim Tempel aufzulauern, sollte ihre allerletzte Option darstellen. Es konnte also nicht schaden, ihr Glück vorerst auf diese Weise zu versuchen. „Lan Zhan, lass uns noch ein wenig umsehen.“ Dieser würdigte ihn keines Blickes, aber das war so gesehen nicht unerwartet. Somit hielt er diesem den Beutel einfach auf, in welchen Lan Zhan schließlich kroch. Irgendwo war es schon schade das, nun wo er einen Begleiter hatte, dieser so ein stummer Fisch war. Langweilte er sich mit seiner Art nicht fast schon selbst? Yi Ling hing sich den Beutel um und seufzte ergeben über seine Gedanken, auf das sie ihr Zimmer hinter sich ließen. Er fand es zu riskant in der Herberge seine Suche zu beginnen, das er erst einmal über den kleinen Markt wanderte und sich interessiert an der ein oder anderen Ware zeigte, bevor er an einen Stand angelangte der frisches Gemüse und ebenso diverse Kräuter anbot. „Lǎo rén jiā? Mein Reisegefährte hat seit dem Morgen ein Fieber, gibt es hier zufällig einen Heiler, der ihn sich mal ansehen könnte?“, erkundigte er sich, was den älteren Mann kurz überlegend dreinschauen ließ. „Lìn Pòsuǒ, weiß am besten über diese Dinge Bescheid. Sie hat ihr Haus etwas abseits am Waldrand.“ Daraufhin beschrieb man ihm den schnellsten Weg dorthin und als Dank kaufte Yi Ling ein paar Karotten. „Lan Zhan, hey. Schau was ich für dich erstanden habe.“ Dieser hatte die gesamte Zeit über in der Tasche geruht, ohne sich an seinem Umherziehen verbal oder mit seiner Präsenz zu beteiligen. Yi Ling schob ihm schlicht eine der Karotten in den Beutel, auf das ein kurzes, genervtes Murren folgte, das ihn erheitert schmunzeln ließ, bevor er selbst in eine hineinbiss und zufrieden summte. Lìn Pòsuǒ´s Haus war das einzige das sich am Rande des Waldes befand. Es war eine simple Hütte, die etwas in die Jahre gekommen war, doch hier im Spiel von Sonnenlicht und Schatten etwas Warmes, Einladendes umgab. Ein zu Hause, zu dem man gern zurückkam. Es ließ einen Hauch von Melancholie in ihm aufsteigen, die er jedoch, gleich einem ungebetenen Insekt wieder davonscheuchte. Ein üppiger Garten zog sich um das Haus herum, in welchem eine Mannigfaltigkeit an Pflanzen wuchs. Von zierlich-filigran, über satt in Farben, bis massig und kräftig in ihrer Form. Ein angenehm weicher, würziger Geruch trollte sich in einer leichten Brise um seine Nase und er betrat schließlich das Grundstück. „Lan Zhan, es geht los.“, ließ er seinen unwilligen Begleiter wissen, der ihn jedoch weiterhin ignorierte. „Sag, hab ich irgendetwas angestellt, das du so abweisend bist?“ Es war nicht ungewöhnlich für den anderen sich eher mürrisch zu zeigen, doch schien dieser heut besonders beleidigt. Er glaubte so etwas wie ein Schnaufen von ihm vernommen zu haben, als ihm dann auch ein Gedanke kam. „Ist es, weil ich dich heute Morgen mit in die Wanne genommen habe?“ Eine Art verärgertes Murren folgte dieser Erkenntnis von Lan Zhan´s Seite her. Yi Ling hatte Mühe nicht lauthals loszulachen. „Ich dachte lediglich, dass es dir auch mal gut tun würde. Ich hab nicht ein Mal gesehen das du dich geputzt hättest.“ Ihn war durchaus klar, dass sich Lan Zhan sicherlich nicht soweit herablassen würde, nur weil er in dieser Form steckte, doch hatte die Vorstellung etwas Erheiterndes. Genau wie Lan Zhan´s tropfnasse Gestalt als dieser Hals über Kopf aus dem Wasser gestrampelt war. Gut, er hätte vielleicht nicht ausnutzen sollen, dass dieser noch im Halbschlaf war. Die Kratzer die dieser auf seiner Brust hinterlassen hatte, piekten selbst jetzt noch. „Ah, nun sei nicht so nachtragend. Wir haben schließlich was vor.“ Damit kraulte er ihn hinter den Ohren, worauf dieser nur energisch den Kopf schüttelte. „Nun tu nicht so, ich weiß das dir das gefällt.“, neckte er, fokussierte sich darauf aber wieder auf den Grund ihres Hierseins. Aus dem Haus selbst war nichts zu vernehmen, als er vor dessen Tür stand und einen kurzen Moment einfach nur hinhörte. Dann klopfte er schließlich. Es dauerte einen Moment, bevor ein leises Rumoren zu hören war, dann öffnete sich die Tür einen Spalt. Mehr passierte allerdings nicht. Yi Ling zog irritiert seine Augenbrauen zusammen, über dieses merkwürdige Verhalten. Doch würden sie nichts erreichen, wenn er nicht dem nachging, weswegen sie hier waren. Somit schob er sie schließlich vorsichtig auf, blieb aber noch einen Augenblick draußen stehen. Als sich immer noch nichts weiter tat, machte er schließlich einen Schritt hinein. Er war gerade dabei sich mit dem Vorbringen des Namens, der hier lebenden Person, bemerkbar zu machen, doch war das nächste was passierte, das ihn etwas hart gegen die Brust traf, das er ein überrumpeltes Stöhnen hervorbrachte. „Yi Ling!“ Etwas zwickte ihm daraufhin unangenehm an der getroffenen Stelle, das er an sich hinab sah und ein verblüfftes Raunen von sich gab. „Bist du in Ordnung?“ „Aww, Lan Zhan, du sorgst dich also doch noch.“ „Tsk…“ Ein recht primitiver Papiertalisman haftete ihm an, der ihn bewegungsunfähig machen sollte. „Alles in Ordnung. Nichts womit ich nicht umgehen könnte. Vertrau mir, hm?“ „Ungern.“ Doch bevor er auch verbal hätte etwas sagen können, hielt man ihm schon von hinten eine Messerklinge an den Hals, von welcher ebenso ein zittriger Impuls Magie ausging. Yi Ling schnalzte kurz über die Situation, tat aber auch nichts, um sich aus seiner derzeitigen Lage befreien zu wollen. Er wollte sehen, was man mit ihm geplant hatte. Eine Frau mit ernsten Augen und resolutem Gesichtsausdruck trat in sein Blickfeld, das Messer immer noch auf ihn gerichtet. Yi Ling schaute etwas genauer auf den Talisman, der sich an ihm befestigt befand. Es war verwunderlich hier jemanden mit solch einem Wissen vorzufinden, auch wenn dieses recht rudimentärer Natur war. „Wer sind sie? Was wollen sie?“, forderte sie nachdrücklich auf, sich zu erklären. „Ich bin ein einfacher Reisender. Nichts weiter. Ich wollte lediglich etwas Medizin für einen kranken Freund.“ „Unsinn!“ Diese Feststellung war mit ausreichend Mistrauen gesprochen, das Yi Ling nicht glaubte, dass es Sinn machte weiter zu versuchen sie von etwas zu überzeugen, das eh nicht stimmte. Er seufzte darauf langgezogen. „Ok. Sie haben recht, es entspricht nicht der Wahrheit.“ Er schenkte ihr ein selbstsicheres Grinsen. „Was wollen sie nun tun, wo sie es wissen?“ Sie verengte ihre Augen, und wirkte immer noch nicht unsicher oder eingeschüchtert. „Was wollen sie von mir? Glauben sie nicht, dass ich nicht ein paar Methoden zur Hand hätte, sie zum Reden zu bringen, wenn sie es nicht freiwillig tun. Und ersparen sie mir irgendwelche Märchen.“ Yi Ling zeigte sich nun doch schon etwas beeindruckt. Diese Frau hatte Mut. „Gut, dann keine Spielchen mehr.“, meinte er kühl, griff nach ihrer Hand die das Messer hielt und sein unbeeinflusstes Bewegen sie sofort die Augen weiten ließ. Erst jetzt zeigte sich Unruhe in ihrem Gesicht. „Wie…?“ Yi Ling lächelte abgeklärt. „Das ist eine sehr lange Geschichte.“, meinte er schlicht und brachte sie mit etwas mehr Druck auf ihr Handgelenk dazu das Messer fallen zu lassen. Doch schon im nächsten Augenblick zeigte sie sich wieder gefasst, wand sie sich gekonnt aus seinem Griff und zog erneut etwas aus ihrem Gewand hervor. Weitere Talismane. Nur wesentlich kleiner. Vielleicht nicht länger als ein kleiner Finger es war. Der erste traf ihn zwischen den Augen. Er bemerkte, dass die Energie die diesen innewohnte ungewohnt anders war. Doch blieb ihm nicht viel Zeit übrig und er schalte sich doch einen zu selbstsicheren Narren, über sein Spiel ihr vormachen zu wollen, das er ihr unterlegen war. Es schien ein guter Weg herauszufinden, was sie noch alles in der Hinterhand hatte. Nur war diese Frau etwas mehr Arbeit als er zuerst noch annahm. Der nächste Talisman wurde zwischen den Schlüsselbeinen platziert. Nun wo der erste bereits seine Wirkung tat und er sich träge und schwindelig zu fühlen begann, war sein Reaktionsvermögen ebenso beeinflusst und sie hatte es einfach mit ihm. Der Weg ihrer Talismane und ihre Wirkung deuteten auf eine diǎn xué (Druckpunkt) Technik hin. Doch wohnte ihnen etwas inne, das er nicht so simpel mit etwas líng- noch mit seinem yuàn qì kontern konnte. Es fühlte sich eher so an, als würde die Magie dieser seltsamen Talismane sich die Energie seiner Qi´s zunutze machen, oder an sich binden. Es war faszinierend, wie auch irritierend. Jedoch wollte er auch nicht einfach ein Chaos losbrechen, indem er ernst machte und folgte seiner Überwältigung, vorerst brav. Übelkeit setzte ein. Er wollte gerade etwas kommentieren, als er plötzlich auf seine Knie sackte und es ihm etwas leidlich stöhnen ließ. „Yi Ling?“ „Alles in Griff.“ Er schaute an sich herab und ihm war nach einem Auflachen zu mute, welches allerdings nur als ein kratziger Laut über seine Lippen kam. Diese Frau wusste was sie tat. Insgesamt waren es fünf dieser ungewöhnlichen Siegelzettel. Alle systematisch angebracht. Hof der Seele (zwischen den Augen) Himmlischer Schlot (Jugulum) Sonnengeflecht (Solar Plexus) Meer des Qi (kurz unter dem Nabel) Ebene des Windes (Oberschenkel außen-mittig) „Nicht schlecht.“, gab er etwas angestrengt zu und blieb zunächst einfach am Boden knien. Es war in der Tat ein recht unangenehmes Empfinden und es interessierte ihn, wie diese Frau ihre Talismane mit dieser befremdlichen Magie versah. „Also, was wollen sie hier?“, wiederholte die Frau ihre Frage mit fester Stimme und wachsamen Augen, die auf ihn fixiert waren. „Ein wenig Schwatzen.“, erwiderte er und sie verengte ihre Augen warnend. Yi Ling setzte ein Grinsen auf. „Zum Beispiel über ihren interessanten Tempel.“ Es war deutlich an ihr abzulesen, dass sie sich unter diesen Worten verspannte und Yi Ling setzte nach. „Das Schild das ihn umgibt…oder über die Kinder in dieser unterirdischen Kammer.“ Nun riss sie ihre Augen auf, ein äußerst gehetzter Ausdruck in ihrem Gesicht, bevor sie sich von ihm abwandte. „Wie haben sie es herausfinden können? Der Tempel lässt niemanden hinein der nicht von seinem Schutz erkannt wird. Noch kann es ihnen jemand verraten haben. Niemand in dieser Stadt…“ Yi Ling entging nicht das sie auf seine Offenbarung nicht reagierte, indem sie ansetzte irgendeiner weiteren Autorität Bericht erstatten zu wollen. Etwas womit er ebenso gerechnet hatte. Stattdessen klang es wie unsichere Besorgnis? Ihm war das Spielzeug, das sich auf einem der Regale befand nicht entgangen. Wenn sie selbst eine Mutter war, wie konnte sie dann an solch einem unheiligen Schema teilhaben? Aber da er immer noch nicht wusste was genau hier vor sich ging, behielt er eine Verurteilung soweit für sich. „Wer sind sie wirklich?“ Sie drehte sich wieder zu ihm, wirkte suchend in ihrem Blick mit dem sie ihn bedachte. Yi Ling wollte kokett mit den Schultern zucken, doch war es ihm in seinem jetzigen Zustand nicht möglich, worauf er sich auf ein weiteres Grinsen beschränkte. „Wir sind niemand. Nur Reisende.“  Die Erkenntnis traf sie rasch. Sie schaute darauf eilig nach draußen, ob womöglich noch jemand hier irgendwo lauern könnte. Ein Scheppern war zu hören, dass sie vorsichtig zum Fenster schleichen ließ. Als sie nichts ausmachen konnte, rückte sie zur Hintertür, schob diese einen Spalt auf. Sie zückte weitere Talismane und schlüpfte nach draußen. „Lan Zhan. Jetzt könnte ich etwas Hilfe gebrauchen.“ „Hattest du nicht alles in Griff?“, bekam er als Antwort, dass es ihn schon etwas schmollen ließ über diese Spitzfindigkeit. „Lan Zhan. Willst du mich etwa weiter so leiden sehen? Schlägt kein Herz in deiner kuscheligen Brust für mich?“ „Tsk…“ Yi Ling beobachtete mit Amüsement, wie sich Lan Zhan zeigte. „Die Talismane sind etwas störend. Wärst du so gut?“ Er lächelte lieblich, was nur einen weiteren unmutigen Laut in seinem Gefährten auslöste, er aber den ersten an seinem Oberschenkel mit seinem Mund abzog. Für den an seinem Kopf musste er sich nur ausreichen vorbeugen, das Lan Zhan ihn erreichen konnte. Dieser seufzte schließlich, als ihm für die anderen drei nichts weiter übrig blieb als auf Yi Ling´s Schoß zu klettern. „Himmel Lan Zhan, du bist so niedlich.“, säuselte Yi Ling über diesen Anblick und kaum das man ihn von der Magie befreit hatte, fühlte er seine Energie wieder in Gang kommen. Er sammelte die Siegel alle ein und betrachtete sie sich genauer, während er weiter am Boden kniete und darauf wartete, dass die Herrin des Hauses wieder zurückkam. Er hörte das Quietschen der Türangeln und das erschrockene Lufteinziehen, doch schaute er weiter auf die Zettel in seiner Hand. „Das ist wirklich eine interessante Art sich Qi zunutze zu machen. Wie genau funktioniert das?“, fragte er nur simpel und als eine Antwort ausblieb, schaute er doch einmal auf. Die Frau wirkte ergeben frustriert über den Verlauf seiner missglückten Festnahme. Mit einem Grollen ließ sie sich auf einen der Stühle am Tisch sinken und verschränkte die Arme vor der Brust., als hätte sie schon begriffen, dass es ihr keinen Vorteil bringen würde das Weite zu suchen. Zwei seiner Papiermännchen segelten durch das offene Fenster zu ihm zurück und mit einem dankenden Kopfnicken für ihr kleines Ablenkungsmanöver von draußen, ließ er sie wieder einschlafen und verstaute sie in seinem Ärmel. Gut das er sie vor dem Betreten des Hauses noch platziert hatte. Lìn Pòsuǒ gab ein verstehendes Schnalzen von sich. „Also Lìn gū niang. Gewillt uns ein paar Fragen zu beantworten?“ Sie schaute nicht gewillt, eher als würde sie abmessen was es bedurfte ihn doch noch irgendwie festsetzen zu können und es ließ ihn erheitert schmunzeln und seine Augen für einen Moment mit einem herausfordernden roten Funkeln versehen. Argwöhnisch sprang sie von ihrem Platz auf, trat fahrig ein paar Schritte zurück. Yi Ling zeigte sich weiterhin abwartend. „Nun?“ „Was…was wollen sie mit diesen Informationen? Hier sind Kräfte am Werk, die sich nicht so einfach fügen werden. Diese Stadt und die Menschen die hier leben, sind nichts weiter als eine Geisel. Sie werden nichts herausschlagen können, egal was sie sich womöglich erhoffen. Am Ende wird ihr Schicksal eines von vielen sein und niemand wird es aufklären können.“, brachte sie, nun wieder wesentlich mutiger in ihrem Auftreten hervor, machte es den Eindruck als habe sie sich mit der Lage, ihres eigenen Schicksals schon länger abgefunden. „Hm…sie machen mich wirklich neugierig. Uns ist nicht entgangen, dass hier mehr vor sich geht, als für das einfache Auge ersichtlich. Wir würden nur gern wissen wollen, wozu es dient. Und wer mag diese ominöse Macht sein, die hier die Fäden in der Hand hält?“ Lìn Pòsuǒ, schaute sich auf das wiederholte hervorbringen der Mehrzahl an Personen versucht unauffällig in ihrem Haus um, indem sie nur ihre Augen bewegte. „Es ist egal wie viele sie sein mögen. Sie werden schlicht als Opfergabe enden. Nichts weiter.“ „Ahhhhh, so kommen wir nicht weiter, wenn sie ständig nur in vagen Angaben sprechen.“, moserte Yi Ling etwas trotzig, stützte einen Ellenbogen auf seinem abgewinkelten Knie ab und legte den Kopf in die Hand. „Ich weiß noch immer nicht was sie bezwecken!“, konterte sie nicht weniger trotzig wirkend. Yi Ling grinste gelassen. Irgendwie mochte er diese Frau. „Wir möchten dieser Sache hier einfach auf den Grund gehen. Gute Taten werden ja angeblich belohnt.“, meinte er nonchalant, dass es Lìn Pòsuǒ, entgeistert die Augenbrauen heben ließ. „Es scheint mir eher als hätten sie einen Todeswunsch. Haben sie auch nur ansatzweise verstanden, was ich ihnen gerade sagte? Diese Stadt wird sich gegen jeden stellen, der zu einem Problem wird!“ „Man sagte mir, dass sie sich um die Kinder kümmern. Was tun sie mit ihnen? Warum werden sie in dieser Kammer gehalten? Was ist mit ihren Eltern?“ Man zeigte sich deutlich Zwiegespalten, über seine Unnachgiebige Art. Ein Zeichen, das Lìn Pòsuǒ abwägte. Etwas das ebenso annehmen ließ, das sie zwischen etwas zu entscheiden hatte das sie selbst betraf. Yi Ling würde meinen, dass sie das Schicksal ihrer Stadt nicht weniger mitnahm, zeigte sie sich bisher weder aggressiv -feindzählig noch durch und durch unkooperativ auf seine Fragen. Sie wollte etwas tun, nur waren ihr anscheinend nicht viele Optionen gegeben. „Wir könnten womöglich helfen.“ Und es schienen diese Worte zu sein, die ihr den nötigen Ruck gaben. „Gut, ich habe am Ende eh nichts zu verlieren.“ Kapitel 6: ----------- Es waren einige verstörende Informationen, die ihnen durch Lìn Pòsuǒ zugetragen wurden, dass Yi Ling einem etwas gestressten Raunen freien Lauf und er sich auf das Bett in ihrem Zimmer fallen ließ. Es war angebracht nicht zu fragwürdig zu erscheinen, indem er zu offensichtlich herumschnüffelte. Somit würden sie sich erst später am Abend wieder unter die anderen Besucher mischen und sich abermals mit der Heilerin treffen. Er konnte nicht abstreiten, das er diesen Vorkommnissen, ein paar primitiven Yāoguài vorziehen würde. Es war immer ein Tappen im Dunkeln, mit Kreaturen die ein gewisses Maß an Verstand besaßen. Ihr Streben konnte von einem simplen Verlangen über eine fanatische Besessenheit reichen. Dies herauszufinden war oft genug zeitaufwendig und das Beheben konnte ebenso frustrierend werden, wenn man darüber hinaus das nötige Geschick besaß am Leben zu bleiben. Wie in ihrem Fall hier. Es gab mehrere Faktoren, die man mit einbeziehen musste, und am Ende dennoch nur hoffen konnte, das nicht noch größeres Unheil daraus resultierte. Dass sie es mit einer äußerst intelligenten und starken Macht zu tun hatten, wurde mit jedem weiteren Detail, das sie erfuhren, nur noch offensichtlicher. Er hatte eigentlich gedacht, dass es mehr Abenteuer als Verantwortung sein würde, dass sie hier erwartete, als er sich dazu entschloss dieser kleinen Stadt auf den Zahn fühlen zu wollen. Sie könnten es auch abwarten. Laut Lìn Pòsuǒ war die Zeit des Festivals der einzige Abschnitt in welchen auch Außenstehende in die Vorkommnisse hier verwickelt wurden. Es gab zwei Raster, nach denen man auswählte. Aufrechterhaltung der Population. Opfergaben für das jährliche Ritual. Ein Ritual, das nach außen hin schlicht einem Selbsterhaltungsprinzip zu folgen schien. Zumindest von dem was ihnen erzählt wurde. Soweit wussten sie, dass es sich wohl um einen guǐ (Geist) handeln solle, der zu einer Frau gehörte, welcher man zu Lebzeiten nachgesagt habe, dass sie sich mit widernatürlichen Künsten befasste. Sie hätte Pflanzen nach ihrem Willen erblühen und wachsen lassen können. Als dem Ort einst eine Hungersnot bevorstand, da der Winter in einem Jahr zu lang und kalt und der folgende Sommer zu heiß und trocken ausgefallen war, habe ihre Magie die welken Felder wieder gedeihen lassen. Man habe sie daraufhin als eine Heilbringerin gewürdigt und ihr diesen Tempel errichtet. Es hieß, dass sie darauf  ihr Glück bei einem jungen Mann gefunden habe. Jedoch verschwand dieser eines Jahres und man sah sie nur noch selten, wenn sie nicht unter dem Granatapfelbaum auf ihn zu warten schien. Irgendwann hörte dieser auf zu blühen oder Laub zu tragen und man sagte sich das der Baum mit ihr trauerte. Es war wohl 10 Jahre darauf, dass Leute aus dem Ort, immer wieder spurlos verschwanden, und zur selben Zeit der totgeglaubte Baum plötzlich wieder zu treiben begann und die folgenden Jahre sogar prächtiger den je erblühte. Es ließ die Bewohner irgendwann unruhig und misstrauisch werden. Man beschloss den Tempel zu überprüfen, wo man schließlich Gebeine und die Leichname der kürzlich Verschwundenen unter dem alten Baum verscharrt fand. Man schrieb, dass sie wie verdorrt erschienen, mit ihren eingefallenen Leibern, denen weder Blut noch Wasser mehr inne wohnte. Man schlussfolgerte darauf, dass die Heilbringerin womöglich vor Liebeskummer verrückt geworden sei, nachdem ihr Geliebter nicht wiedergekehrt war und der Schmerz darüber, sie schließlich zu diesem Irrsinn getrieben habe. Der Mob versuchte die Heilbringerin zur Rechenschaft zu ziehen, doch war sie nirgendwo mehr zu finden, auf das man den Tempel niederbrennen wollte, um wenigstens diese ungerechtfertigte, blasphemische Huldigung zu beseitigen. Es war daraufhin, dass sie sich wie aus dem Nichts zeigte und in ihrer Rage jeden angriff, der ihr zu nahe war. Im Nachhinein kam die angsterfüllte Spekulation auf, dass sie sich womöglich ihres gebrochenen Herzens wegen, selbst das Leben genommen hatte und einzig ihr von immenser Verzweiflung getriebener Geist zu jener Zeit noch den Tempel bewohnt habe. Man habe ihr mit einfachen Mitteln nicht beikommen können und darauf schien das Schicksal dieses Ortes für die kommenden Jahrzehnte besiegelt. Féitián Jué war wie ein eigens angelegter Bienenstock, den man unter einer eisernen Glocke hielt. Und selbst die Glocke war ein makabres Symbol dafür, dass die Bienenkönigin keinen ihrer Arbeiter so einfach ziehen lassen würde. „Die Granatapfelplantagen die sich um diese Stadt ziehen; keiner von diesen Bäumen ist natürlichen Ursprungs. Jeder der versucht hat zu fliehen, fand sein Schicksal darin sich in solch einer Form wiederzufinden.“, hatte ihnen Lìn Pòsuǒ erzählt und nach dem Umfang den diese Plantagen zeigten, hatte es schon zu viele Opfer gefordert. Ihre Seelen waren in diese Bäume verwachsen, dass es für sie wahrlich kein Entkommen gegeben hatte, außer von ihrer menschlichen Hülle. Diese Seelen waren es auch, die dieses immense Barriere-Siegel speisten und ironischer Weiße, damit ebenso dazu beitrugen, das sich niemand unbemerkt davonstehlen konnte. Ein gigantisches Wurzelsystem zog sich unter der Stadt entlang, gleich einem feingewobenen Spinnennetz. Und das Zentrum all dieses Wahnsinns, war, nicht wirklich überraschend, der alte Granatapfelbaum auf dem Tempelgelände. Ihr Geist war zudem clever genug dazuzulernen, hatte er wohl über das letzte Jahrhundert verstanden, dass er seinen Bestand nur sichern konnte, wenn er dafür sorgte das seine Bienen, wenn sie zwar nicht flüchteten, ihm ebenso wenig einfach wegstarben. Um eine Stadt lebendig zu halten, brauchte es genug Bewohner. Brauchte es Nachwuchs. Worauf dieses Festival in jedem Jahr abgehalten worden war. Nicht zu vergessen die Kinder. Yi Ling schauderte es vor Abscheu und Ärger, je länger er sich das ganze abermals durch den Kopf gehen ließ. Es war ein perfides Geflecht, von welchem er nicht glauben wollte, dass es nicht noch einen tieferen Sinn besaß. Solch ein enormer und komplex gestalteter Aufwand, sprach für ihn deutlich vom Gegenteil. Letztendlich hatte ihr Geist alles recht gut auskalkuliert und sie konnten von ihrer Seite her, bei einigen Dingen nur mutmaßen. Was es ziemlich kompliziert machte, wenn man nicht wusste, was einen tatsächlich noch alles erwarten würde, sollten sie versuchen dem Ganzen ein Ende setzen zu wollen. Das Problem war, das sich die Geisterfrau nur für die letzten shíchen (ca. 2 Stunden) des Festivals zeigte, danach wieder für ein ganzes Jahr verschwunden blieb und nur ihre eisernen Zügel über den Ort noch deutlich machten, dass sie noch immer präsent war. Lìn Pòsuǒ war auch nicht einverstanden ihre eigenen Leute in ein womöglich blutiges Ende zu schicken, gegen welches sie sich nicht einmal richtig erwehren konnten, standen sie schließlich unter einem fremden Einfluss. Er erinnerte sich noch recht lebhaft an dieses Gespinst, das er sich am ersten Abend aus seinem Körper gezogen hatte und so wie es aussah, war dies eine gängige Methode die Leute hier kontrollierbar zu halten. Es bedeutete also, dass sie unbemerkt zu besagter Geisterfrau vordringen müssten, um diese dann auch schnell und effizient zur Strecke zu bringen. Etwas, das leichter gesagt als getan wäre. Weswegen Yi Ling auch ein weiteres, unschlüssiges Raunen von sich gab, über die Aufstellung eines handfesten Plans. „Lan Zhan. Wie wäre es mit etwas Unterhaltung, hm? Ich hab den Kopf so voll und komm nicht weiter. Gibt es nicht ein Lied von euch, das du mir singen könntest? Irgendwas Nettes? Irgendwas mit hübschen Mädchen und nie versiegenden Weinquellen?“ Yi Ling stippte den Beutel, in den sich Lan Zhan meist zurückzog, mit dem Zeigefinger an, doch zeigte sich der andere wie immer unzugänglich über seine Offerten. „LAN ZHAAAAN…“, Er piekte diesen wiederholt und unnachgiebig, bis er ihm ein grantiges „Genug damit!“, entgegen brachte, dass es ihn breit grinsen ließ, er aber mit seinem Gestichel dennoch nicht innehielt, hatte man ihm noch immer nicht auf seine Bitte geantwortet und er fühlte sich momentan wirklich etwas gestresst und ruhelos. „Sing mir was. Sing. Mir. Was. Komm schon! Als Dank, dass ich mich um dich kümmere, hm? Es ist doch nicht viel verlangt, oder? So undankbar kannst du doch nicht sein, oh großer Rammler und Finder des Chaos. Herr über Schnee und Wuschelschwänzchen. Meister des….“ „Noch nie begegnete mir solch ein Wesen mit derartig nerviger Unverschämtheit!“, unterbrach man ihn erzürnt in seinem sinnfreien Gesäusel, doch noch bevor Yi Ling hätte etwas weiteres nachsetzten können, vernahm er das melodische Summen einer Melodie in seinem Kopf, das in Worte, gesungen in einer tiefen aber angenehmen Stimme, überging, dass es ihn für einen Moment tatsächlich wie gebannt hielt, bevor sich ein seichtes Lächeln auf seine Lippen legte und er die Augen schloss. Es mochte keine Weise über schöne Maiden und süffigen Wein sein, doch ließ es dennoch eine warme, innere Ruhe in ihm zurück, die seinen Geist aufklarte und seine Gedanken wieder schärfte. Als das Lied verstummte, blieb ein versonnener Ausdruck auf seinem Gesicht zurück. „Das war wirklich schön. Danke.“ Lan Zhan erwiderte nichts weiter dazu, schaute ihn jedoch abwartend an. Ein Ausdruck den er schon gelernt hatte an ihm zu deuten. Und er glaubte auch zu wissen, warum man ihn so anvisiert hielt. „Ok, ich gebe zu, das ich etwas Hilfe gebrauchen könnte. Ich bin es halt nicht gewöhnt jemanden dabei zu haben, wenn es um das ausklügeln von Plänen geht.“ Lan Zhan hatte ihn, als sie Lìn Pòsuǒ´s Haus wieder verließen gefragt, was sie nun tun sollten, und er ihm damit geantwortet, das er sich schon was einfallen lassen würde. Lan Zhans Reaktion war nicht mehr als ein zweifelndes „Hm.“, gewesen was ihn umso sturer an der alleinigen Umsetzung einer Strategie festhalten ließ. Nun allerdings musste er zugeben, dass er sich albern verhielt, ging es hier nicht um irgendeine egobezogene Nichtigkeit. Zudem hatten sie auch nur noch 2 shíchen. „Überfällig.“, ließ dieser ihn wissen, dass es Yi Ling etwas trotzig die Backen aufblasen ließ. „Nun, wie weit bist du mit deinen Gedanken gekommen?“, überging man seine Mätzchen routiniert und er ließ es auch erst einmal dabei. * Wangji musste sich eingestehen, das so manche Dinge in Bezug auf Yi Ling einfach nicht hinterfragt werden sollten und es besser für seine Nerven war, diese schlicht hinzunehmen. Er war sowieso nicht in einer Position, etwas verhindern zu können. Sie hatten diverse Optionen durchgespielt, wie sie unbemerkt auf das Tempelgelände gelangen könnten, was an sich nicht wirklich Früchte getragen hatte, gab es ebenso einige Faktoren zu bedenken, wie es danach weiter verlaufen sollte. Es bestätigte sich, dass das gesamte Grundstück unter magischer Überwachung stand und ungebetene Personen sofort erkannt werden würden. Dies funktionierte auf dem Prinzip, das sämtliche Dienerinnen ihrer Geisterfrau mit einer Markierung versehen waren. Es war nichts, dass man von außen erkennen und somit einfach kopieren konnte. Eine innere Signatur. Lìn Pòsuǒ in ihrer Rolle als Heilerin war die einzige Ausnahme, doch würde Wangji nicht behaupten, dass sie damit ein besseres Schicksal herausgeschlagen hatte. Die Geisterfrau war auf deren Können und Wissen angewiesen, doch war es nur eine Freiheit im Geist, die ihr dadurch gelassen wurde. „Die Frauen in meiner Familie haben diese Position seit dieser Fluch über unseren Ort kam. Es gibt ausführliche Schriften über diese Zeit, wie sehr es den Menschen hier zugesetzt hatte. Es mag am Ende nur ein verschwindender Erfolg sein, doch bin ich stolz darauf, dass meine Familie versucht hat, wenigstens ein kleines Stück dazu beizutragen, dieses Drama abzuschwächen. Zuvor waren die meisten nicht mehr als Nutzvieh, für diese Kreatur, und ihre Zwecke. Sie waren nicht in der Lage jedes Opfer zu verhindern, aber ihre Motivation diese Stadt nicht im Stich lassen zu wollen, ist etwas das auch mich bewegt. Vor allem wegen den Kindern.“ Die Dienerinnen der Geisterfrau, welche im Tempel lebten, so stellte sich heraus, waren keine Menschenfrauen, sondern von ihr erschaffene Geschöpfe, die Lìn Pòsuǒ nur als Baumpuppen bezeichnete. Um diese so menschenecht wie möglich erscheinen zu lassen, war eine weitere Opfergabe notwendig. Das junge Blut der Kinder. Wangji mochte sich nicht vorstellen, wie es den Eltern ergehen würde, müssten sie deren perfiden Nutzen mit klaren Verstand hinnehmen und stets damit rechnen, dass das ihre womöglich nicht wieder zurückkommen würde, da es solch eine Prozedur nicht überstanden hatte. Doch da die gesamte Stadt sich in einer Trance befand, nahm niemand Kenntnis von all den Dingen, die hier im Geheimen vor sich gingen und es war schwer zu entscheiden ob dies zum Vor- oder Nachteil der Bewohner angesehen werden sollte. Sein Blick fiel auf Yi Ling zurück, während sie auf Lìn Pòsuǒ warteten, um mit ihr gemeinsam zu besprechen, welche Löcher es in ihrer Strategie noch zu stopfen galt. Sie hatten sich wieder etwas abseits des Trubels begeben, war ein Treffen in ihrer Herberge keine sichere Option, würden die Baumpuppen die Heilerin auf jeden Fall erkennen. Auch blieb ihnen nicht viel Zeit, war ihr Erscheinen im Tempel eine festgelegte Routine. Es war wirklich zu erhoffen, das sie diesem ganzen Spuk ein Ende bereiten würden können. Es gab ein altes Getreidelager, welches nicht mehr benutzt wurde, zu dem sie sich schlichen und in den Schatten auf Lìn Pòsuǒ warteten, um es dann gemeinsam mit ihr zu betreten. Yi Ling brachte abermals seine Talismane aus, die dafür sorgten, das nichts von ihrem Gespräch nach draußen dringen würde. Die junge Frau, schaute beeindruckt, doch fand sie rasch zu ihrer Besinnung zurück und griff nach dem kleinen Beutel den sie an ihrer Seite trug. „Ich bin mir nicht sicher, ob sie überhaupt benötigt werden.“ Sie zog ein paar ihrer eigenen Siegelzettel hervor. „Aber wohl eher nicht.“ Yi Ling griff nach einem ihrer Talismane, erneut ein Ausdruck von Wunder in seinem Gesicht, das ungewohnt wirkte, ließ es ihn nahezu unschuldig jungenhaft erscheinen. „Nur keine falsche Bescheidenheit Lin gū niang.“, erwiderte dieser. „Diese Talismane sind faszinierend ungewöhnlich. Wie ist es euch gelungen sie herzustellen? Das Qi das sie enthalten…“ Yi Ling zeigte sich konzentriert, als würde er Teile eines Puzzles zurechtschieben. „Oh.“ Dieser schaute plötzlich begeistert. „Das ist wirklich grandios. Natürliches Qi? Wie war es euch möglich es zu extrahieren und zu binden?“ Nun hörte auch Wangji genauer hin. „Natürliches Qi? Du meinst wie es von der Natur her in jedem Lebewesen vorhanden ist?“ Es war natürlich nicht unmöglich sich diese Kraft zu Nutze zu machen. Der Mensch fand sie in pflanzlicher Medizin. Seiner Nahrung. In den Elementen. Doch es direkt zu entziehen, nur die pure Essenz zu nutzen, dem gehörte wahrlich tiefreichendes Wissen und Geschick an, von dem er annahm, das es nur den Seinen vorbehalten sei. „Genau. Faszinierend nicht wahr? So viele Möglichkeiten, die sich damit verbinden ließen.“ Lìn Pòsuǒ schaute nicht zum ersten Mal abmessend über Yi Lings Neugier, war es ihr nicht zu verdenken, dass sie ihr Wissen nicht so einfach preisgeben wollte. „Es ist eine Art der Kultivierung die meine Familie seit Generationen praktiziert und verfeinert hat. Niemand von uns war je mehr als ein simpler Heiler. Doch fanden wir einen eigenen Weg, mit dem Wissen das uns unsere Berufung verlieh.“ Yi Ling raunte verstehend. Es sah so aus als akzeptiere er das Gewicht das fest auf diesem Familiengeheimnis ruhte und welches auch seine Neugier nicht einfach zur Seite schieben würde. „Wahrlich eine beeindruckende Kunst. Und für diese hier…“ Er raschelte etwas mit dem Talisman in seiner Hand. „…spreche ich euch und eurer Familie wirklich Bewunderung aus.“ Lìn Pòsuǒ nickte schlicht als Anerkennung. „Also, zurück zu unserem Plan.“, hörte er ihn darauf sagen und Wangji wünschte er könne darauf verweisen, dass besagter Plan nicht gänzlich mit seinem Einverständnis einherging. Lìn Pòsuǒ skeptischer Ausdruck war nicht wirklich verwunderlich, als Yi Ling seine Idee, sich als eine der Baumpuppen auf das Tempelgelände zu schleichen erklärt hatte, sie aber auch keine Einwände vorbrachte, wäre es tatsächlich die praktischste Lösung für ihr Problem. Allerdings lag es nun an der Sache der Umsetzung, da eine simple Verkleidung wenig Effekt haben würde, solange dieser einzigartige Stempel fehlte, der ihn als eine der Baumpuppen erkenntlich machen würde. „Ich denke ich könnte eine künstliche Signatur herstellen. Da ihre Existenz auf dem Blut der Kinder aufbaut könnte ich sie kopieren.“ Wann immer es um die Kinder ging, zeigte sich auf ihrem Gesicht ein Ausdruck von schwerer Melancholie. Sie sprach nie von einem eigenen Spross, doch hatte Yi Ling das Gefühl, dass es dennoch eine eigene Geschichte für sie dazu gab. In Anbetracht der vorherrschenden Situation, in welcher sich diese Stadt befand, war anzunehmen, dass es keine erfreuliche wäre. „Wir müssten die Puppe auf dem Weg zurück in den Tempel austauschen, damit es nicht auffällt.“ Sie schaute Yi Ling daraufhin prüfend an. „Es muss ohne unnötiges Aufsehen funktionieren. Die anderen Puppen sind nicht darauf ausgelegt, sich über ihre Aufgabe hinweg miteinander zu beschäftigen. Solange wir sie optisch ausreichend täuschen können, sollte es machbar sein.“ Sie seufzte folglich, stützte ihre Hände in die Hüften und legte ihren Kopf in den Nacken. „Wenn es schief gehen sollte…es stehen nicht nur unsere Leben auf dem Spiel.“ Dann richtete sie einen resoluten Blick zurück auf Yi Ling. „Es muss funktionieren, eine andere Option gibt es einfach nicht. Dieser Fluch muss endlich zu seinem Ende kommen.“ In ihrer Stimme waren nahezu greifbare Emotionen eingeflochten. Wut. Hilflosigkeit. Sorge. Entschlossenheit. Yi Ling lächelte verstehend. „Ich kann nur versprechen, dass wir unser Bestmöglichstes versuchen. Dass es unerwartete Probleme gibt ist nicht auszuschließen, aber ich denke, dass wir diese Gelegenheit nutzen sollten, um dieser Tragödie endlich ein Ende zu bereiten.“ „Ich höre immer wir. Wie viele sind, „Wir“ genau?“, hakte sie etwas zweifelnd nach, dass es Yi Ling nur noch breiter strahlen ließ. Wangji wusste was nun folgen würde, noch bevor dieser den Zauber von ihm nahm und er nun auch für Lìn Pòsuǒ sichtbar wurde. Das ihr buchstäblich der Mund aufklappte über diese, für sie wohl recht merkwürdige Offenbarung, konnte er nachvollziehen. „Der Hase? Er gehört zu ihnen?“ Sie schaute rasch in Yi Lings Gesicht, hatte sie wohl so einige Fragen auf den Lippen. „Ihr zwei? Niemand sonst? Ein Hase und sie?“ Sie klang verständlich fassungslos und schüttelte darauf auch ungläubig ihren Kopf. „Ich kann nicht sagen, dass ich viel erwartet hätte, aber das ist nun doch etwas…“ „Enttäuschend?“ Yi Ling klang nicht gekränkt über seine Auslegung, eher amüsiert, dass es Lìn Pòsuǒ abermals seufzen ließ. „Was kann dieses Tier ausrichten? Das letzte Mal als ich es sah, war es dabei von einer Katze gemeuchelt zu werden.“ Ah, das war eine Information die er gehofft hatte nie mit Yi Ling teilen zu müssen und nun warf man ihm diesem Kerl quasi zum Fraß vor. „Lan Zhan!“, hörte er darauf auch schon dessen nervige Stimme in seinem Kopf, war er wenigstens umsichtig genug, ihn nicht direkt vor Lìn Pòsuǒ zum Gespött zu machen. „Ich wäre schon zurechtgekommen.“, versuchte er sich zu rechtfertigen. Etwas das ebenso auch an seinem Stolz kratzte, wusste er, dass es lächerlich war und er normalerweise über solchen Dingen stand. Yi Ling war allerdings die irritierenste Person die ihm je begegnet war. „Hm…wenn du meinst.“, war dann überraschenderweise alles was dieser dazu zu sagen hatte, sein Ton weder aufziehend noch bemitleidend. Eher klang er verstehend? Aber das bildete er sich sicherlich nur ein und es unterstrich seine Ansicht nur noch deutlicher. Er konnte ihn einfach nicht richtig einschätzen. „Keine Sorge, wir sind ein eingespieltes Team. Stimmt´s nicht Lan Zhan?“, verkündete dieser darauf schlicht, und er spürte dessen Finger, die ihn keck hinter den Ohren kraulten. Yi Ling konnte seinen schnappenden Zähnen abermals entkommen und behielt sein Grinsen ebenso bei. Lìn Pòsuǒ rieb sich zweifelnd über ihre Stirn und es war ihr nicht zu verdenken. * Es war der vorletzte Abend des Festivals und ihre letzte und einzige Chance an den Geist heranzukommen, zeigte sich dieser nur direkt, wenn das Ritual ihren Höhepunkt erreicht hatte. Die Blüte des Granatapfelbaumes. Nun ging es darum, dass sie in den Tempel gelangten, ohne aufzufliegen. Der Abend neigte sich seinem Ende, was bedeutete, dass die Baumpuppen bald wieder zurück in den Tempel kehren würden. Sie hatten sich abermals in dem verlassenen Speicher zusammengefunden, um ihren Plan ins Rollen zu bringen. Lìn Pòsuǒ hatte eines der Kleider besorgen können, die die Puppen trugen und ebenso all die anderen Utensilien, um Yi Ling so authentisch wie möglich zurecht zu machen. Wangji war noch immer der Meinung, dass es nicht funktionieren würde, selbst wenn dieser die Signatur an sich trug. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Yi Ling das Zeug hatte, als eine dieser femininen, zierlichen Frauen durchzugehen. Somit beschäftigte er sich damit, noch einmal all die Dinge durchzulesen, die sie sich notiert hatten, als darauf zu achten, wie man Yi Ling gedachte herzurichten. Ein weinerliches „Au, Au, Au…“, war zu hören, gefolgt von Lìn Pòsuǒ´s ergebenen Seufzen. „Nun stellen sie sich nicht so an. Um das Haare machen kommen sie nicht drum rum.“, wies sie Yi Ling zurecht, der darauf ein schmollendes Murren von sich gab. Wangji atmete innerlich ebenso zweifelnd durch. Es war etwas später, als er ein skeptisches Raunen von ihr vernahm. „Soweit mag alles stimmen, aber…“ Wangji drehte seinen Kopf den beiden zu und musste doch kurz in seinen Gedanken innehalten. Yi Ling war so gesehen nicht wieder zu erkennen, mit der penibel gemachten Frisur und dem gekonnt aufgetragenen Make up. Der elegante Hanfu wirkte allerdings etwas merkwürdig an seiner Figur. Selbst wenn er mit seinen Gesicht überzeugen könnte, gab sein sehniger, und nicht unbedingt zierlicher Körper nicht das Bild wieder, das diese grazilen Puppen ausmachte. Sein freiliegendes Dekolleté zeigte zu prominente Schlüsselbeine und fehlende Oberweite. Zudem waren auch seine Hände, erkennbar die eines Mannes. Das Gewand mochte durch seinen fallenden Stoff, fehlende Kurven übertünchen können, dennoch wirkte es nicht so recht stimmig. Yi Ling selbst schien auch nicht überzeugt genug, nach dem Blick in einen Spiegel, den er mit etwas Magie erzeugt hatte. „Ok, dann müssen wir es wohl doch anders angehen.“ Damit zog er einen unbeschrifteten Talisman hervor und ließ sich von Lìn Pòsuǒ das Blut, welches die Signatur kopieren sollte, in einem Flakon reichen. Yi Ling ritzte sich seinen Zeigefinger ein und zeichnete einige Symbole auf das Papier, die er darauf mit weiteren Zeichen im Blut aus dem Fläschchen ergänzte. Schließlich klemmte er das Papier aufrecht zwischen Zeige- und Mittelfinger, schloss seine Augen und konzentrierte sich. Wangji sah den Hauch an goldener Energie durch die Symbole des Talismans fließen. Mit einem etwas zu tiefen Durchatmen, kam Yi Ling wieder zu sich. Wangji entging nicht die Hand die Yi Ling kurz über seiner Brust in dem Stoff des Hanfus festigte, genau wie die Anspannung in dessen Unterkiefer, bevor sich dieser wieder fasste und eines seiner Grinsen aufsetzte. „Rein theoretisch sollte es funktionieren.“, meinte Yi Ling im Echo eines Déjà-vu und noch bevor Wangji oder Lìn Pòsuǒ die Möglichkeit hatten zu hinterfragen, was funktionieren sollte, legte sich Yi Ling den Talisman unter einem Murmeln auf seine Brust, worauf ihn ein weißes, blendendes Licht umfasste. Man das angestrengte Grollen und Japsen vernehmen konnte, dass dieser von sich gab, als durchleide er einiges an Schmerzen. Es saß in einer unangenehmen Empfindung in Wangji, das Yi Ling wieder etwas getan hatte, das diesem selbst abermals zu viel abverlangte. Warum nur, war dieser stets so unbesonnen, in solchen Dingen? Das Licht wurde wieder schwächer und es war nicht unbedingt verwunderlich, als Yi Ling auf seine Knie sank und angestrengte Atemzüge von sich gab. Lìn Pòsuǒ war sofort mit ihm zu Boden gesunken und schaute etwas überfordert über dessen Zustand. „Yi Ling?“, rutschte es Wangji in einem Ton hervor, den er keinesfalls mit Besorgnis verband, sondern einzig mit einer etwas zu weich geratenen Schellte. „Nur keine Sorge.“, gab dieser immer noch etwas matt von sich, doch klang es dennoch merkwürdig hell. Dann hob Yi Ling sein Gesicht und richtete sich mit Hilfe von Lìn Pòsuǒ wieder auf. Diese gab ein beeindrucktes Pfeifen von sich und auch Wangji musste zugeben, dass er etwas perplex war. Hatte Yi Ling zuvor noch etwas unbeholfen in seinen Kleidern gewirkt, so füllte er sie nun perfekt aus. Er war etwas kleiner als zuvor, dafür aber graziler in seiner Statur. Seine Haut wirkte weich und zeigte sich makellos. Auch sein Gesicht sah nun feiner und femininer aus, das ein Vergleich zu Yi Lings eigentlicher Erscheinung doch schwer fallen würde. Einzig seine Augen waren noch vertraut. Yi Ling zwinkerte ihm neckend zu, hatte er diesen wohl etwas zu lange gemustert, das er seinen Blick wieder von ihm abwandte. „Aww, Lan Zhan, nur nicht so schüchtern.“, vernahm er dessen aufziehenden Ton und noch bevor er sich versah, war Yi Ling zu ihm herangetreten, nahm ihn auf und presste ihn sich in einer unmöglichen Geste einer Liebkosung gegen seine ungewohnten, aber dennoch vollen Brüste, das Wangji vor lauter Scham und Fassungslosigkeit die Worte wegblieben. Das einzige was er tun konnte, war in dessen Halt zu strampeln, in der Hoffnung, dass dieser ihn wieder absetzen würde. Yi Ling gab ein inniges Lachen, über seine Anstalten, von sich und es regte Wangji widerholt auf. Wie oft war er nun schon zum Witz für Yi Ling geworden!? Dieser konnte sich sicher sein, sollte er wieder zu seiner eigentlichen Form zurückfinden, dann würde er… Ah, es war zum Verzweifeln, das er sich überhaupt auf solch eine Ebene der Frustration begab, war dies am Ende nichts weiter, als eine weitere Blamage für ihn. Man schien nun doch genug Amüsement aus ihm herausgeschlagen zu haben, setzte Yi Ling ihn nun endlich wieder ab, und begab sich zurück zum Spiegel um sich zu richten. „Dann wollen wir mal.“, meinte er darauf schlicht und auch wenn man es so nicht hören mochte, hing ein gemeinsames tiefes Durchatmen zwischen ihnen in der Luft.     Kapitel 7: ----------- Das Treiben auf den Straßen und in den Häusern klang nach und nach ab, was die Gelegenheit darstellte, das sich Yi Ling mit einer der Puppen austauschte. Er hatte sich in einer der schmalen Gassen, die von der Hauptstraße abging, verborgen gehalten. Das Problem war nun, eine davon einzeln zu erwischen, fanden sie sich stets in Gruppen zusammen, auf ihrem Rückweg in den Tempel. Somit wäre es das Beste, wenn er eine überwältigen könnte, bevor dies passierte. Yi Ling schlich weiter zu einem Hintereingang eines der Wirtshäuser, und stahl sich hinein. Die Betreiber und auch die verbleibenden Besucher sahen in ihm nichts Ungewöhnliches. Er war nur eine der hübschen Maiden, auf das man ihm das ein oder andere lüsterne Grinsen zuschickte, auf welche er nur leicht lächelte und sich zurückhielt sich nicht zu offensichtlich vor Ekel darunter zu schütteln. Jemand hielt ihn plötzlich am Handgelenk fest, und er fand sich mit einem der angetrunkenen Gäste gegenüber, der sich ebenso nicht scherte, ihn von oben bis unten mit einem gierigen Blick abzugehen. Yi Ling blieb nichts anderes übrig als mitzuspielen, wollte er keinen Aufstand dieses Herrn riskieren. Somit lächelte er weiterhin schüchtern hinter seinem Fächer hervor. Konnte sich aber nur gerade so noch zurückhalten, diesem nicht eine zu verpassen, als dessen Hand von seinem Handgelenk mit einem Male forsch an seiner Hüfte landete und das ungeduldige Grapschen bei ihm wirklich die Nackenhaare aufstellte. Aus dem Augenwinkel erfasste er das Szenario, wie eine der Puppen sich mit jemanden in den zweiten Stock begab, wo die Gästezimmer zu finden wären und er nutzte seine Chance. Er drängte sich flirtend an den Kerl zu seiner Rechten und umklammerte einen Arm von ihm, darauf aus, dass seine Oberweite auch gut dagegen spürbar war, bevor er diesen in Richtung der Treppe mit sich zog. Man folgte ihm willig und mit immer ungezügelteren Händen, die er in einer verlegen wirkenden Geste stets versuchte von sich zu schieben. Doch schien man sich dadurch nur noch weiter motiviert zu sehen und Yi Ling rollte genervt mit den Augen über diese brünstigen Gebärden. Sie erreicht schließlich die Etage und waren somit aus den Augen der anderen Gäste, als er seinen Freier schlicht mit einem gezielten Magieimpuls gegen dessen Stirn, zum Zusammensinken brachte und ihn einfach nur am Boden zurückließ. Die Puppe, die er zuvor beobachtet hatte, und ihre Beute, waren gerade daran ein Zimmer betreten zu wollen. Er näherte sich dem Paar und noch bevor man ihn wirklich registrierte, nutzte er einen der Talismane den er mit Lìn Pòsuǒ´s Elixier beschrieben hatte. Es zeigte sofort seine Wirkung, sank die Puppe, wie eine Marionette ohne Stränge, in sich zusammen. Zum Missfallen ihres Freiers, der schon ansetzte sich lautstark erbosen zu wollen, was vor sich ging, als er diesen ebenso bewusstlos werden ließ. Er schleppte erst ihn in das Zimmer hinein und auf das Bett, bevor er die Puppe ebenso hineintrug und neben ihn legte. Sie aber vorsichtshalber noch mit etwas Magie fesselte. Sie sollte sich nicht wieder erholen, würde sie nicht zur rechten Zeit zurück zum Tempel kommen, da ihre Energie nur für eine bestimmte Zeitspanne ausgelegt war. Doch sicher, war sicher. Was bedeutete, dass er sich wieder nach unten begeben sollte, um sich unbemerkt mit einzublenden. Er hatte sich soweit in eine der Gruppen einfügen können, die wirklich nichts weiter tat, als schweigend ihren Weg zu beschreiten. Wie das Gefolge das es war. Demnach musste Yi Ling auch ein Durchatmen unterbinden, als sie ihr Ziel erreicht hatten und es sich nun zeigen würde, ob ihr kopiertes Siegel ihn durch die Barriere bringen würde, ohne aufzufliegen. Er hatte Glück! Er folgte den Puppen in die unterirdischen Kammern, von den er schon gehört hatte, ließ sich aber zurückfallen, um darauf unbemerkt in einen Raum zu huschen, der ihm von Lìn Pòsuǒ vorgegeben worden war. Als er diesen betrat, warteten Lan Zhan und sie schon auf ihn. Auch ihnen war die Erleichterung anzusehen, dass er hatte unbemerkt hier mit hindurchschlüpfen können. „Wieviel Zeit bleibt uns noch?“, fragte er eilig nach, da sie keine unnötigen Verzögerungen riskieren sollten. „Etwas an die zwei kè (2x15min.)“, meinte Lìn Pòsuǒ unruhig, auf das Yi Ling ihr ein stummes Nicken zukommen ließ. Es war nicht das erste Mal, das er sich mit einem Geist befasste, und er hatte gelernt, dass man diese nie unterschätzen sollte. Schon gar nicht, wenn sie über solch eine lange Zeit auf der weltlichen Ebene ausgeharrt hatten, was immer ein Hinweis dafür war das das, was auch immer sie noch hier hielt, ihnen von enormen Wert erschien und sie sich nicht so einfach davon abbringen lassen würden. Zudem sie ihm zu einem Zeitpunkt gegenüber zu treten gedachten, wo dieser am stärksten wäre. Nun wo er genug Energie hatte sammeln lassen, um seinem Ritual zum Höhepunkt zu verhelfen. Lìn Pòsuǒ meinte, das sich alle Puppen zum gegebenen Moment, um den alten Granatapfelbaum versammeln würden. Seine Chance dem Geist nahe genug kommen zu können. Wenn alles funktionierte, bedurfte es nur ein paar seiner verbesserten Talismane, die er mit einem Teil seines Blutes und einem Teil des natürlichen Qi-Elixiers beschriftet hatte. Das Lìn Pòsuǒ ihnen letztendlich doch genug zu vertrauen schien, das sie Féitián Jué würden helfen können, war mit dieser Geste unmissverständlich und er hoffte wirklich, das er sie nicht würde enttäuschen müssen. In diesem Falle, würden sie wohl alle nicht unbeschadet hier davonkommen. Yi Ling setzte ein bedächtiges Lächeln auf. Auch das wäre nicht das erste Mal, dass er sich in solch eine heikle Situation gebracht hätte. „Bist du dir sicher, dass du es allein wirst handhaben können?“, vernahm er Lan Zhans ernste Stimme und dessen Zweifel ließen sein nüchternes Lächeln in etwas Verspieltes wechseln, worauf ihm ein tadelndes Murren zuteilwurde. „Nimm diese Angelegenheit nicht auf die leichte Schulter, es geht hier nicht nur um dich!“, wies Lan Zhan ihn zurecht, das es ihn ein Seufzen entlockte. „Etwas mehr Vertrauen, hm?“ Lan Zhans Schweigen darauf, zeigte das er sich schwer damit tat. Blieb nur übrig es ihm zu beweisen. Das Schlagen der Tempelglocke schwang durch die Luft; das Zeichen, dass es losging. Yi Ling rückte sich seine Kleidung zurecht. „Ich verlass mich auf euch.“, meinte er nach einem kurzen, versichernden Blick auf Lìn Pòsuǒ, wie auch Lan Zhan, und verließ das Zimmer. Im Hof angekommen, reihte er sich mit den Puppen vor dem alten Granatapfelbaum auf und wartete gespannt, was sich ihm nun offenbaren würde. Er hoffte nur, das er auch einen Moment abpassen würde können, um diesem vermeintlichen Geist nahe genug zu kommen, um etwas auszurichten. Er spürte, wie sich mit jedem weiteren Glockenschlag eine befremdliche Aura immer stärker zu manifestieren begann und ihm darüber ein schmerzhaftes Pulsieren durch den Kopf zuckte.   Dann nahm er den rötlichen Schein wahr, den jede der Baumpuppen nun umgab und mit jedem Augenblick kräftiger um diese herum erstrahlte, dass es schmerzhaft wurde direkt hinzuschauen. Doch da er inmitten der Versammlung stand, blieb ihm nichts anderes übrig, als seine Augen kurzzeitig zu schließen. Das unangenehme Pulsieren intensivierte sich über diesen immensen Strom an Energie den diese abgaben, dass es ihm das Atmen und das Konzentrieren schwer machte. Ein erneuter Blick auf das was um ihn herum geschah und er konnte wage verfolgen, wie das Licht geradewegs zum Baum floss. Womöglich waren es die letzten Ressourcen die die Puppen gesammelt hatten und nun für den großen Auftritt ihrer Herrin dienlich wurden. Für ihn fühlte es sich allerdings an, als würden zwei Seiten ihn in entgegengesetzte Richtungen ziehen wollen, je länger er an Ort und Stelle stand und diesen auch nicht verlassen konnte, wollte er nicht riskieren aufzufallen. Ein Schmerzimpuls, der einer Stichwunde gleich kam, brachte ihn jedoch mit einem gepeinigten Grollen in die Knie, wo er sich krampfhaft eine Hand gegen die Brust drückte, dort wo der Schmerz am intensivsten anschwoll. Er konnte nicht verhindern, dass seine Tarnung für ihn nicht mehr aufrecht zu erhalten war, und er schließlich wieder nur einen Kerl darstellte, der sich zu einer Frau hatte zurechtmachen lassen. War nur zu hoffen, dass man ihn dennoch nicht gleich durchschauen würde. So wie es aussah, schien das Glück ihm da gediegen, standen die restlichen Puppen wie angewurzelt und schenkten ihm nicht einen Moment irgendeine Art von Aufmerksamkeit. Das Glühen verebbte kurz darauf und als es ihm wieder möglich war sich soweit umzusehen, durfte er feststellen, dass er mit dem angewurzelt nicht einmal übertrieben hatte. Je schwächer der Lichtschein, umso offensichtlicher wurde die wahre Form der Puppen, zeigten sich ihre Körper starr und hölzern, als habe jemand sein Leben damit zugebracht diese zu schnitzen. Dann hörte er ein aufgebrachtes, unnatürliches Kreischen. Er hatte sich durch seinen Zustand wohl etwas zu sehr abgelenkt gesehen, konnte er dem ersten peitschenden Hieb eines ast-artigen Armes gerade so ausweichen, nur um sich daraufhin unter Dutzenden mehr hinwegducken zu müssen. Waren ihre Gesichter zuvor noch die von bildhübschen jungen Frauen gewesen, so hatten sich ihre Konturen nun  in bizarrer Weise verzerrt, das sie ganz und gar wie die seelenlosen Kreaturen erschien, die sie waren. Die Puppen mochten sich nicht mehr von ihrem Platz bewegen können, schien mit dem Aussaugen der Energie ihre alte Form zurückzukommen, doch waren sie noch präsent genug, um ihn als einen Eindringling erkannt zu haben und ihn aufhalten zu wollen. Ihr dichtes Beieinanderstehen machte es ihm wahrlich schwer einen Weg an ihnen vorbei zu finden, dass es auch nicht ausblieb das ihn einer der Hiebe erwischte und er spürte, wie es ihm die eine oder andere Wunde riss. Selbst mit einer Waffe, wie einem Schwert, wäre es eine umständliche Sache, konnte er sich so kaum ausreichend bewegen, das er sich daran hielt so nahe am Boden entlang zu stolpern wie es ihm möglich war und somit auch weniger Angriffsfläche zu bieten. Sein Ziel war ein Bestimmtes. Er musste dem Baum erreichen und hoffen, dass Lan Zhan und Lìn Pòsuǒ ihren Teil des Planes hatten durchführen können, während er die Aufmerksamkeit auf sich gezogen sah. „Yi Ling!“ Ah, das war das Zeichen auf das er gewartet hatte. Rasch zog er einen Talisman aus seinem Ausschnitt und mit dem nötigen Worten, verlieh er ihm die Essenz die er benötigte, bevor er ihn einer der Puppen in das entstellte Gesicht schlug. Der Bannkreis offenbarte sich wie Wellen auf dem Wasser, in welches man einen Stein geworfen hatte, gefolgt von einem Chor aus schrillen Gekreische, welches aus jeder einzelnen Puppe hervorstieß, bis diese sich komplett regungslos zeigten. Nichts weiter mehr, als eine störrischen Wall aus Wildwuchs um ihn herum bildeten. Wangji erlaubte sich nicht den Luxus erleichtert durchzuatmen, als das Toben der Puppen erstarrte, und ihn wissen ließ, das Yi Ling seinen Ruf, den von ihm gesetzten Bannkreis zu aktivieren, vernommen hatte. Es war das erste Mal, dass er zugeben würde, das ihm seine jetzige Form einen dankbaren Vorteil brachte, konnte er so unbemerkt die ihm zugeteilten Talismane, um den Hof platzieren, so wie sie es zuvor besprochen hatten. Sie mochten die Puppen damit ausgeschaltet haben, doch schien es für den Star des Abends keine Behinderung darzustellen. Etwas das es ihnen noch ein Stück leichter gemacht hätte. Dennoch konnte er nicht abstreiten, das es ein atemberaubender Anblick war der sich ihnen bot, als sie mit ansehen konnten, wie sich der alte Baum nun mit einer vollen Knospe nach der anderen schmückte, die wie ein Feuerwerk aufsprangen um große, prächtige, blutrote Blühten zu offenbaren, deren golden glänzender Stempel dieser Pracht etwas majestätisches verliehen. Erst als auch die letzte Knospe aufgetrieben zu sein schien, zeigte sich der Geist auf welchen sie gewartet hatten. Erschienen die Puppen schon von unverkennbarem Liebreiz, so war die Anmut mit welcher diese Geisterfrau sich schmückte, etwas das man nicht anders als übersinnlich beschreiben konnte. Ihre blasse Haut wirkte wie Mondlicht auf ruhigem Wasser, verlieh ihr dieses kühle, geisterhafte Strahlen. Ihr zartes Gesicht ließ nicht annehmen, dass sich dahinter ein Wesen verbarg, das seit Jahrzehnten die Menschen hier für sich gefügig hielt. Die Frage war jedoch noch immer, aus welchem Grund. Nur glaubte Wangji nicht, das, selbst wenn sie es herausfanden, es weniger kompliziert für sie werden würde. Allerdings wäre es eine Information die ihnen von großen Nutzen in ihrer Mission wäre. Wangji warf einen eingehenderen Blick auf ihr Gewand. Es war so Rot wie die kräftig blühende Krone des Granatapfelbaumes. Verziert mit feinen, goldenen Stickereien, einem langen, eleganten Schweif der äußeren Robe und weiten Ärmeln die beinahe den Boden berührten. Ein Hochzeitsgewand? Ihr Haar war penibel und aufwendig zurechtgemacht, jedoch zierte dies nicht der üppige Schmuck, wie es üblich wäre für eine Braut. Stattdessen trug sie eine Zierte aus dunklem, kunstvoll gearbeitetem Holz, welche filigrane, zarte Blüten zeigte, in deren Mitte Schmucksteine eingearbeitet waren. Diese schienen von schlichtem Wert, war ihr matter Glanz nicht das eines vollwertigen Edelminerals. Ein ebenso aufwendig gearbeitetes Yāopèi (Hüftornament) war an ihrer Schärpe befestigt. Ihr Blick schien in ersten Moment unberührt über die Störung, mit welcher sie empfangen wurde, doch zeigte sie sich sofort missbilligend, als sie Yi Ling erfasste. Dieser gab sich wie immer nonchalant. Etwas von dem Wangji nur zu gut wusste, wie provozierend es sein konnte. „Ah, gū niang, es freut mich endlich ihre Bekanntschaft zu machen.“, meinte er ebenso unbefangen und verbeugte sich dazu noch ein Stück vor dieser. Wangji konnte sich nicht recht entscheiden, ob er diesen Weg der Annäherung als weise empfinden sollte, oder als leichtsinnig. Sie wussten immer noch nicht, womit genau sie es zu tun hatten. Zudem rutschte Yi Lings Auftreten oft viel zu schnell in etwas, das ihn in Schwierigkeiten bringen konnte, indem sich sein Gegenüber entweder deutlich oder subtil gereizt fühlte. Er hatte einfach diese chaotische Art an sich. „Ein schönes Fleckchen haben sie hier unter ihrer Hand.“, versuchte sich Yi Ling weiter, und Wangji war danach vor Anspannung die Luft anhalten zu wollen, als der Geist sich nun plötzlich direkt vor Yi Ling materialisierte und ihm mit ihrem Gesicht so nahe kam, das nur eine Handbreite zwischen ihnen frei blieb. Yi Ling regte sich nicht, lächelte nur weiterhin, als habe er wirklich nur eine hübsche Maid vor sich. „Na, na, nur nicht so stürmisch. Auch wenn ich mich geschmeichelt fühle.“ Er zwinkerte dem Geist verstohlen zu, auf das sie ruckartig wieder Abstand nahm, und abermals missbilligend schaute, als habe dieser sie geradeheraus beleidigt. Yi Ling hatte tatsächlich den Nerv ein Schmollen aufzusetzen. „Hey, unter diesem Fummel und dem Make-up, steckt ein überaus attraktiver Kerl. Nur damit sie es wissen!“ Ah, ging es Wangji durch den Sinn und er konnte auch von Lìn Pòsuǒ her einfangen, wie sie entgeistert den Kopf schüttelte über diese unangebrachte Marotte. „Er wird uns wohl eher alle umbringen, als dem Spuk ein Ende zu bereiten.“, wisperte sie darüber hinaus nervös. Doch war alles was passierte, das der Geist sich von Yi Ling abwandte, als wäre er ihre Zeit nicht wert. Yi Ling nutzte seine Chance und zog die Talismane hervor. Rasch fanden diese ihr Ziel und hafteten sich daran, dass der Geist ein aufgebrachtes Fauchen von sich gab und vorerst bewegungsunfähig zu Boden sank. Ein apathisches Zucken brachte deren Gestalt zum Flackern, als wäre sie dabei sich aufzulösen. Wangji fing eine Bewegung von unterhalb Yi Lings ein, doch war es schon zu spät ihn noch zu warnen. Im nächsten Moment war es Yi Ling der einen überraschten, doch nicht weniger gequälten Aufschrei tat, und kurz darauf auf die Knie sank. Wangji war bereits aus seiner Deckung hervorgeeilt, bevor er sich eines Besseren besinnen konnte. Man schien soweit auch keine Kenntnis von ihm genommen zu haben, erreichte er Yi Ling ohne Umstände. „Lan Zhan. Ich war wohl etwas unvorsichtig.“, hörte er diesen feststellen und er lenkte seinen Blick in dessen Gesicht, auf welchem, in Bezug auf seinen Zustand vollkommen unangebracht, ein Grinsen zu finden war. „Was Ist passiert?“, hinterfragte er dessen Hinweis, auf das Yi Ling seine Hand von seinem Bauch zurücknahm. Das er in seiner derzeitigen Form kein Problem hatte auch im Zwielicht ausreichend zu sehen, ließ ihn somit erkennen was diesem wiederfahren war. Wurzeln. Wurzeln, die hinterrücks durch die Linke Seite seines Unterleibs gestoßen waren. Einzeln nicht dicker als junger Efeu, doch so zusammengeflochten und nach vorn ausreichend verjüngt, dass es einer Lanze gleichkam. Jeder Strang zeigte sich daraufhin unruhig, primitiv lebenshungrig ihn seinem Winden und Wachsen, dass es die Wunde immer weiter aufbrach. Ein kratziges Lachen drang zu ihnen heran, und mit einem steigenden, unwohlen Gefühl konnte Wangji verfolgen, wie sich der Geist trotz der Talismane zu sammeln schien und diese damit nach und nach zum Zerreißen brachte. Ihnen blieb kaum noch Zeit etwas zu unternehmen, oder sich zurückzuziehen, um sich neu zu organisieren. Etwas raffte den Geist plötzlich wieder in eine aufrechte Position, und er erkannte die kräftigen, zahlreichen Wurzelstränge die diesen trugen. Nein, es sah eher so aus, als wären sie ein Teil von ihm. Wangji schaute auf den mächtigen Baum zurück und er glaubte zu verstehen. „Mù yù nǚ?! Eine Baum-Jungfer.“, kam Wangji die Erkenntnis in einem Tadel über sich selbst, hatten sie sich durch die alten Erzählungen zu sehr darauf versteift, es mit einem irrsinnigen Geist zu tun zu haben. „Sieht so aus.“ Nun da sich ihr Ziel verschoben hatte, brachte dies auch ihren gefassten Plan zum Erliegen. Der Baum. Ihn müssten sie bis auf die letzte Wurzel entfernen, um versichern zu können, dass nichts mehr von dessen Einfluss übrig bliebe. Es wäre ein Ding der Unmöglichkeit für sie drei allein. „Wir werden nichts ausrichten können.“ „Ah Lan Zhan, niemand braucht deinen Pessimismus.“, raunte Yi Ling und es war ihm unverständlich wie dieser versuchte dennoch so zu tun, als hätten sie noch ein Ass im Ärmel, das alles würde zum Guten wenden können. Er selbst fühlte sich wiederholt nur unbrauchbar, das es ihn nahezu zornig machte mit anzusehen, wie Yi Ling sich trotz seines Zustandes nun versuchte wieder aufzurichten. Er sich nicht so simpel geschlagen zeigen wollte. „Gū niang…“, brachte dieser mit schwerer Stimme hervor, der aber ebenso etwas Mokantes inne wohnte. „Mit so einem ungastfreundlichen Verhalten, ist es kein Wunder das man sie hat sitzen lassen.“ Yi Ling brachte sich in einen Lotussitz und schaute mitleidig über seine Anklage. „Welcher Mann möchte schon so eine unkultivierte Frau an seiner Seite haben. Was würden die Leute sagen?“ Er schüttelte theatralisch seinen Kopf und Wangji hörte das aufgebrachte Zischen, dass die Baum-Jungfer von sich gab. „Eine Schande für jeden guten Hausha…“ Sein Satz blieb ihm im Hals stecken, hatte sich die Jungfer der Talismane entledigen können und ihn mit einem aufgebrachten Hieb erwischt, der ihn blutspuckend wieder komplett zu Boden geschickt hatte. Spindelige Finger legten sich um Yi Lings Hals, während man ihn mit zornerfüllten Augen anstierte. „Wie kannst du es wagen unsere Liebe zu verspotten!“, fauchte diese ungehalten und mit einer wallenden, blutdurstigen Aura versehen. „Solch eine Anmaßung, von solch einem erbärmlichen Geschöpf!“ Sie beäugte ihn sich abfällig. „Nichts weiter als verrottendes Fleisch.“, spie sie ihm in das immer aschfarbener werdende Gesicht, das es auch Yi Ling ein geisterartiges Aussehen verlieh. „Er wird nicht zurück kommen…“, brachte Yi Ling mit einem angestrengten Krächzten hervor. „LÜGEN!“ Es war ein Kreischen, das in den Ohren schmerzte. „Er versprach es mir! Zur ersten Hälfte des Mondes der Granatapfelblüte. Er versprach mir den Blick auf die himmelblauen Felder seines Dorfes! Er versprach mir den Sternen-Wasserfall zu zeigen. Er versprach mir, mich zur Frau zu nehmen. Er versprach mir eine Familie!“ Mit jedem Versprechen, das sie ihm zitierte, festigte sich der Griff um Yi Lings Hals ein Stück mehr. Das war also ihr Antrieb. Sie wartete auf eine verschollene Liebe. Ließ deswegen womöglich den alten Baum in dieser üppigen Fülle und passionierten Farbe erblühen, um an ihr Versprechen zu erinnern. Das sie noch immer daran festhielt. Das sie auch jetzt noch auf ihn wartete und dieses Monument ihrer Liebe das erste wäre, was er sehen würde, sollte er hierher zurückkommen. Es festigte die Wahrscheinlichkeit, dass sie all diese Menschenopfer benötigte um genug Energie für ihr jährliches Ritual zu bekommen. Das es genug Gewalt kostete den gesamten Ort unter Verschluss zu halten war eine Tatsache, dass es nicht verwunderte, wenn sie für diesen Höhepunkt einfach mehr Nahrung benötigte. Doch zeugten all diese Versprechen ihres Geliebten auch davon, dass sich dieser nicht im Klaren gewesen zu sein schien, das es sich bei seiner Herzdame um einen Naturgeist handelte. Es wäre nicht möglich, sie von ihren Wurzeln zu trennen, um ihr die Welt zu zeigen. Liebe war wirklich ein Spiel ohne greifbare Logik. Ob nun für Mensch, yāoguài oder vom Himmel Geweihte. Wangji war über diese Gedanken zurück zu Lìn Pòsuǒ gesprintet, die das Ganze mit schreckgeweiteten Augen verfolgte, das er ihr einen der übrigen Talismane entziehen konnte, und eilig wieder zurückhuschte. Mit einem kräftigen Sprung und geglückter Koordination brachte er den Talisman an dem Arm an, der Yi Ling gefasst hielt. Ein überraschtes Zischen und der Arm zog sich rasch zurück. Yi Ling sank kraftlos nach hinten und regte sich nicht. „YI LING!“ Keine Antwort. Wangji spürte seinen Unmut über die gesamte Situation weiter in sich aufkommen. Mit einem weiteren Sprung landete er direkt auf dessen Brustkorb, drehte seine Rückseite zu ihm und verpasste ihm einen Tritt mit seinen Hinterläufen ins Gesicht. Ein schwaches Stöhnen von Yi Ling folgte und Wangji atmete einmal tief durch. Dass es Erleichterung war, würde er nicht zugeben. „Lan Zhan…kannst du nicht etwas sanfter sein….“, murrte dieser in seiner üblichen Manier, als er seine Augen ein stückweit geöffnet hatte. Wangji kam nicht dazu etwas darauf zu erwidern, packte ihn etwas und beförderte ihn ruckartig in die Luft, auf das er hart auf dem Boden aufschlug. Es war genug für diesen schwächlichen Körper, um ihn nahezu bewusstlos werden zu lassen. Dennoch versuchte er bei Sinnen zu bleiben. „Lan…Zhan…“ Yi Ling hatte sich etwas aufgerafft und klang aufgebracht besorgt. „Noch solch eine niederträchtige Kreatur.“ Der Talisman an ihrem Arm hatte sich bereits wieder aufgelöst, doch schien ihre Rage sich verstärkt zu haben. Nicht wirklich verwunderlich. Sie griff nach ihm und zeigte ein sadistisches Lächeln. „Wie leicht es wäre ihm das Genick zu brechen, nicht wahr? Nichts anderes sollte mit solch widerspenstigen, dreisten Unruhestiftern geschehen.“ Wangji spürte das Überdehnen seines Genicks und rechnete jeden Moment mit seinem Ende. Es war ehrenvoller, als von einem wilden Hund gerissen zu werden, sagte er sich. „Warte! Ich kann ihn für dich finden. Deinen Geliebten. Nur tu ihm nichts.“ Wangji glaubte nicht das Yi Ling noch wirrsinniger werden könnte, als er es sonst schon war. Doch erreichte dieser mit seiner Finte tatsächlich, das man etwas von ihm abließ, wenn auch nicht gänzlich freigab. „Versuche nicht dich durch verlogene Versprechen, deinem hier gefundenen Ende zu endziehen.“, ließ ihn die Baum-Jungfer wissen, doch glaubte Wangji das sie es dennoch nicht komplett abtun konnte. „Tue ich nicht.“ Yi Ling erschien selbstsicher, nur würde es ihn auf lange Sicht nichts bringen. Wie sollte er jemanden finden der seit gut hundert Jahren schon verstorben sein mochte? „Es gibt einen Weg.“ Sie schaute skeptisch aber schien der Wunsch ihm glauben zu können immer mehr zu überwiegen. Er hatte sich ihrer größten Sehnsucht zugewandt, auch wenn es nur eine Ablenkung war. Sie tauchte nun direkt wieder vor Yi Ling auf, der ihren argwöhnischen Blick fest erwiderte. „Belügst du mich, dann wird es sein Leben kosten. 12 shíchen (ca.24 Stunden), nicht mehr.“ Yi Ling nickte akzeptierend. „12 shíchen.“ Darauf schaute dieser zu Wangji und lächelte erschöpft aber zuversichtlich. „Keine Sorge, Lan Zhan.“ Ihm war danach die Augen zu rollen. Was versuchte der Kerl ihm Zuversicht zu schenken, wenn so viel auf dem Spiel stand, das sein Leben nicht als erste Priorität gelten sollte. „Yi Ling! Sei kein Narr und nutze die Zeit die du gewonnen hast, um einen anderen Weg gegen sie zu finden. Du bist mir nichts schuldig. Wenn das Schicksal hier das Ende für mich sieht, dann werde ich mich dem beugen.“ Yi Ling schüttelte den Kopf. „Immer so dramatisch. Habt ihr in euren himmlischen Hallen nichts anderes gelernt?“, war seine schlichte und aufziehende Antwort darauf. „Ich komme zurück, versprochen.“, meinte er daraufhin an die Baum-Jungfer gerichtet, die sich mit einem abschätzigen Laut auflöste und Wangji mit sich nahm. Yi Ling unterdrückte den Aufschrei als die Wurzeln mit einem blutig, schmatzenden Geräusch aus seiner Wunde zurückwischen, und ihn der Schmerz einen Moment taumelig machte, bevor ihm Lìn Pòsuǒ half sich aufzurichten und ihn in die Kammer führte, wo sie zuvor zusammengekommen waren. „Lassen sie mich danach sehen.“, meinte sie als er einen weiteren schmerzerfüllten Laut versuchte zu unterdrücken. „Ich habe keine Zeit. Ich muss wissen, ob es Aufzeichnung über die Instandhaltung des Tempels gibt. Wann er gebaut wurde. Wer daran gearbeitet hat.“, informierte er sie und doch rührte er sich nicht gleich wieder von seinem Platz. „Ihre Verletzung hat Vorrang! Ich werde danach nach solchen Unterlagen schauen. Wahrscheinlich sind sie im Quartier des hier zuletzt Zuständigen. Soweit ich weiß, wurde der Tempel nie richtig genutzt, da die Baum-Jungfer ihn sich kurz nach der Fertigstellung zu Eigen machte.“ Yi Ling raunte überlegend. Wenn dies stimmen sollte, hatte er vielleicht Glück und es würde ihn nicht allzu viel Zeit kosten, diese Information zu bekommen. Lìn Pòsuǒ griff sein Handgelenk und zeichnete etwas mit einer bräunlichen Dinktur darauf. Ein warmes Strahlen ging von dort aus durch seinen Körper und sie legte zwei ihrer Finger auf den Punkt kurz unter seinem Rippenbogen und zeigte sich konzentriert. „Es hilft mir andere Verletzungen ausfindig zu machen, die man oberflächlich nicht wahrnehmen kann.“, erklärte sie ihm und er konnte verfolgen, wie sie kurz darauf ihre Augenbrauen irritiert zusammenzog. „Merkwürdig…“, murmelte sie und Yi Ling erahnte den Grund für ihre Verwirrung. Dann riss sie ihre Augen rasch wieder auf und schaute ihm mit einem erschütterten Ausdruck an. „Wie ist das möglich?“ Seine Antwort war ein tiefes, ergebenes Durchatmen. „Dinge passieren. Entweder man ergibt sich ihnen oder man lernt damit zu leben.“, setzte er nach. „Ja aber, dieses Maß an Yin Energie sollte für keinen Menschen erträglich sein. Und so wie ich es sehe, ist ihr Körper nicht weit davon entfernt tatsächlich darunter zu kollabieren. Ich spüre zwar auch ein Pulsieren von Yang aber unter diesen Umständen wird es früher oder später ebenso erlöschen.“ Yi Ling raunte matt über diese Analyse. „Ich bin mir dem bewusst. Aber es ist nichts was ich ändern könnte und ich habe mich damit abgefunden. Ich kann am Ende nur das Beste aus meiner verbleibenden Zeit machen.“ Lìn Pòsuǒ schaute mitfühlend, doch strafften sich ihre Gesichtszüge wieder und sie zeigte sich entschlossen. „Dann werde ich für den Moment tun was mir möglich ist.“ Sie senkte ein wenig ihren Kopf in einer Geste der Melancholie. „Ich hatte einst auch einen Sohn. Seit dem Tag als ich wusste, dass ich ihn in mir trug, habe ich überlegt, wie ich ihm dieses bevorstehende Schicksal dieser Stadt ersparen könnte. Es mochte egoistisch erscheinen, trotz des Wissens, das dieser Ort ihm ein einziger Käfig sein würde, ihn zu bekommen. Zudem trug ich das Geheimnis dieser Stadt allein. Doch allein sein, wollte auch ich nicht. Mein Mann kam noch vor dessen Geburt bei einem Erdrutsch um, ohne je gewusst zu haben, dass sein Leben nie wirklich das seine war. Ich ließ es schließlich so aussehen, als hätte ich eine Todgeburt. Ich legte meinen Sohn, zusammen mit einem Brief in eine Holzkiste, spannte ein Biberfell darüber und versah es mit einem Talisman der vorgeben sollte, dass es sich um ein lebendes Tier handle und täuschte somit die Überwachung. Ich schickte ihn flussabwärts, einzig mit der innigen Hoffnung, dass man ihn finden und sich seiner Annehmen würde. Ich habe so oft gezweifelt, ob es wirklich das Richtige war, oder ob ich ihn einfach nur in seinen Tod geschickt habe. Doch diesmal, möchte ich nicht zweifeln, sondern daran glauben, das sich alles zu einem Besseren wenden lassen kann.“ Auf ihren letzten Satz hin, hatte sie ihn wieder mit festen Augen angesehen und Yi Ling wusste, dass er nicht enttäuschen durfte. Für sie. Für Lan Zhan. Für die Bewohner hier und für sich selbst. Kapitel 8: ----------- Ich wünsche Frohe Weihnachten und angenehme Feiertage : ) Bleibt gesund! *** Seine Schmerzen waren zu einem dumpfen Pulsieren abgeklungen, doch konnte auch eine Heilerin von Lìn Pòsuǒ´s Können, solch eine klaffende Wunde nicht einfach dazu bringen sich mit einem Fingerschnippen wieder zu schließen. Sie hatte sie vernäht, so gut es ihr möglich war, was bei solch einer garstigen Verletzung sich nicht als ganz so einfach darstellte. Sie strich noch eine seltsam riechende Paste darüber und erklärte ihm, wohl in einer Angewohnheit ihrer Zunft, dass diese aus dem Su Mu Kraut gefertigt wurde, das gegen Blutungen half und zudem schmerzlindernd wirkte. Sie legte ihm noch einen Verband um und reichte ihm ein paar Pillen. „Gu Sui Bu hilf dabei den Körper zu heilen und zu stärken. Doch es ist kein Wundermittel, also versuchen sie es nicht zu übertreiben, bei dem was sie sich vorgenommen haben, verstanden!“ Es war schon ein wenig rührend, wie sie sich um ihn Gedanken machte, aber das lag wohl ebenso an der Passion einer Heilerin. Ihr zu sagen, dass das was er vorhatte, äußerst kräftezerrend sein würde, wäre somit schon etwas unfair. Also nickte er lediglich. Sie reichte ihm zudem noch etwas alte Kleidung, die er nur zu gern mit seinem derzeitigen Aufzug tauschte. Als nächstes verschwand Lìn Pòsuǒ zu besagten Quartier und Yi Ling hing seinen Mutmaßungen zu dieser Miesere weiter nach. Er hatte wage Anhaltspunkte, doch brauchte er etwas Handfesteres und er hoffte die Aufzeichnung zum Tempelbau würden ihm dabei aushelfen können. Die Tür der Kammer tat sich wieder auf und Lìn Pòsuǒ betrat diese mit einigen Schriftrollen und Büchern in ihren Armen. „Das ist alles was ich habe finden können.“ Es war nicht viel, was entweder gut war, da sie so schneller die gewünschte Information in die Hände bekamen, oder schlecht, weil bei dem wenigen Material gar nichts für ihre Belange dabei war. Yi Ling hatte auf etwas wie eine Liste der hier tätig gewesenen Handwerker gehofft, doch zeigten sich die Aufzeichnungen wenig aufschlussreich darüber. „Warum gerade die Arbeiter?“, hinterfragte Lìn Pòsuǒ seine Suche, während sie selbst über einem der Bücher saß. „Der Haarschmuck der Baum-Jungfer. Diese Verzierungen; sie sind denen an den Türstöcken und Holzpfeilern ungemein ähnlich, wenn ich herausfinden kann, wer für diese Verzierungen zuständig war. Wenn sich nichts über die letzten hundert Jahre an diesem Tempel geändert hat, dann könnte es ein und dieselbe Person gewesen sein. Mit einem Namen wäre es einfacher herumzufragen.“ „Aber wo wollen sie damit anfangen, wenn sie den Namen finden sollten? Dieser Handwerker könnte von überall her gewesen sein.“ Ihre Zweifel waren nicht unberechtigt. „Nicht zu vergessen, dass er womöglich nicht mehr am Leben ist, er wäre sonst gut über 120 Jahre alt.“ „Sie sprach von einem Sternen-Wasserfall und himmelblauen Feldern. Auf dem Weg hier her, kamen Lan Zhan und ich an einem Wasserfall vorbei, der auf diese Beschreibung passen könnte. Es wäre auf jeden Fall ein Anfang. Ich muss letztendlich nur wissen, wo er verblieben ist. Selbst ein Grab würde schon reichen.“ Lìn Pòsuǒ schaute weiterhin als könne sie ihm nicht folgen. Er hatte Chénqíng Bàng Hēi anvertraut, wollte er nicht riskieren, das die Energie seiner Dízi Grund gewesen wäre, Lìn Pòsuǒ´s Signatur, die sie ihm verpasst hatte, zu stören, und dadurch doch noch erkannt zu werden. Dass sein geflügelter Freund unruhig war, hatte er die gesamte Zeit über verspürt, war diese an seine Präsenz gebunden und nicht glücklich darüber, dass er ihn nicht hatte in ihre Auseinandersetzung mit eingreifen lassen. Doch wollte er sie ebenso wenig in einen Bannkreis schicken, der ihr Schaden zufügen würde. Seine Hoffnung schwand allerdings, als sich einfach keine Aufzeichnungen finden ließen und er mit sinkendem Herzen zu einem Bündel loser Blätter griff, die Lìn Pòsuo ebenso mitgebracht hatte. Wie sich herausstellte waren es die Baupläne der Gebäude. Und nicht nur das. Mit aufkeimender Hoffnung ging er die Papiere durch, welche ebenso Skizzen für die dekorativen Elemente enthielten. Sie schien alle von einer Person entworfen worden zu sein, wie er der Signatur unter jeder Zeichnung entnehmen konnte. Auch die der Blütenfiligrane. „Kǎi Qīngsōng.“ Hoffentlich hatte er Recht mit seiner Annahme und er wäre die Person die es zu finden galt. Yi Ling nahm sich darauf ein Pergament, welches er auf einem der Tische liegen sah und schnitt sich in den Finger, dass es Lìn Pòsuǒ ein Murren entlockte. „Ich hab sie gerade erst zusammengeflickt…“, Yi Ling schmunzelte kurz und beschrieb das Papier mit geübten Strichen. „Transport-Talisman.“, erklärte er auf ihren fragenden Blick, der darauf in etwas Perplexes wechselte. „So etwas ist möglich?“ „Ist es. Nur nicht ganz ungefährlich. Wenn man nur einen Strich vergisst oder falsch setzt, kann es passieren das man nicht in einem Stück sein Ziel erreicht.“ Er grinste über den Horror in ihrem Gesicht über die Folgen solch eines Fehlers. „Keine Sorge, ich weiß was ich tue.“ Sie sah nicht überzeugt aus. Sie begaben sich darauf aus dem Tempel heraus, wo auch schon Bàng Hēi aus einem der umherstehenden Bäume herangeflogen kam und wie immer den Platz auf seiner Schulter einnahm. „Ok, dann mach ich mich mal auf den Weg.“ „Wohin?“ „Das Dorf in der Nähe des Wasserfalls. Ich hoffe, dass ich dort vielleicht etwas herausfinden kann.“ Lìn Pòsuǒ atmete in einer Geste der Beruhigung durch und schaute ihn dann noch einmal fest an. „Viel Glück.“, meinte sie und Yi Ling aktivierte den Talisman. Mit einem leidlichen Stöhnen, fand er sich an besagten Wasserfall vor, hatte ihn dieser Sprung, wie zu erwarten, Kraft gekostet, die er noch nicht wieder aufgefüllt hatte. Da er sich leider nur an Plätze transportieren konnte, wo er schon einmal gewesen war, und er das Dorf welches er meinte, damals nur von einer Anhöhe gesehen hatte, musste er den Rest des Weges so zurücklegen. Sie hatten zunehmenden Mond, dessen Licht durch die lichteren Baumwipfel auf das Wasser vor ihm fiel. Das Gestein über welches dieses hinabstürzte funkelte hier und da mystisch, unter dem silbernen Schleier und der Reflektion des fließenden Stroms, dass es einen tatsächlich an Sterne erinnern konnte. Yi Ling wusste, von ihrem Abstecher hier her, dass es sich dabei um Mineraladern aus Katzensilber handelte, die diese poetisch anmutende Illusion wiederspiegelten. Es musste einfach der Ort sein, den die Jungfer erwähnt hatte. Ohne weiter zu verweilen machte er sich auf den Weg, den er sich von Bàng Hēi weisen ließ, hatte sie einfach eine bessere Sicht von weiter oben, während er mit der kleinen Flamme, die er über seiner Handfläche beschwor, denn Wald durchquerte. Die Sonne brach den Horizont in einem Schwall aus glühendem Orange und schläfrigen Violett auf, als er das Dorf erreichte und Bàng Hēi sich zur Ruhe begab. Yi Ling schritt weiter voran. Er wollte nicht unbedingt an sämtliche Türen klopfen müssen, war die Wahrscheinlichkeit groß, dass man ihn für einen merkwürdigen und manierlosen Tunichtgut hielt, wenn er umso eine Zeit schon für Unruhe sorgte. Doch wenn es sein musste, dann würde er auch davor nicht Halt machen. Allerdings schien er Glück zu haben. Eine ältere Frau sammelte gerade die Eier ihrer Hühner aus einem Verschlag ein, welche er vom Zaun her vorsichtig ansprach, um sie nicht zu verschrecken. „Lǎo dà mā.“ Man schaute trotz allem etwas überrascht auf und blickte sich nach ihm um, worauf sie ihn fragend anschaute. „Verzeiht die Störung, aber ich bin auf der Suche nach jemandem. Vielleicht wisst ihr etwas über diese Person oder deren Familie? Es würde mir wirklich weiterhelfen.“ Er setzte ein freundliches Lächeln nach, etwas das meist sein Ziel nicht verfehlte. Und auch diesmal konnte er sich darauf verlassen, kam die Frau an ihn heran, sodass er sich weiter erklären konnte. „Ich suche einen Holzbildhauer oder Zimmermann. Sein Name ist Kǎi Qīngsōng. Er hat den kleinen Tempel ein paar Ortschaften weiter mit aufgebaut. Es ist schon recht lange her, aber vielleicht lebt seine Familie hier irgendwo in der Nähe.“ Yi Ling zeigte ihr zudem noch die Pergamente mit den Skizzen in der Hoffnung, dass vielleicht der Stil der Arbeiten auffällig genug wäre, um ihn wiederzuerkennen. „Eine Familie namens Kǎi ist mir hier nicht bekannt.“ Eine weitere Person kam aus der kleinen Behausung und die ältere Frau winkte diese zu sich heran. Ihr Mann, wie er mitbekam, schaute ebenso überlegend, doch schüttelte dann den Kopf. Es wäre auch zu einfach gewesen. „Fragen sie mal den alten Huáng, der war selbst Handwerker und ist seiner Zeit hier und da herumgekommen.“ Man verwies ihn die Hauptstraße entlang und das er am Haus des Laternenbauers, welches nicht zu verkennen sei, rechts gehen solle, bis er zu einer etwas schäbigen Hütte mit einer bizarren Affenfigur am Hauseingang ankäme. Man ließ ihn ebenso wissen das der alte Huang nicht immer ganz bei Sinnen wäre, trank er schon seit Jahren zu viel. Yi Ling machte sich in so einem Fall nicht allzu viel Hoffnung, aber es wäre einen Versuch wert. Er erkannte die Affenfigur sofort und nachdem sich nichts tat als er zwei, drei Mal den Namen des Hausbewohners gerufen hatte, betrat er das verwahrlost wirkende Grundstück. Allerlei Krempel säumte den kurzen Pfad an die Haustür heran an welche er nun auch klopfte. Es tat sich wiederholt nichts, dass er es noch einmal versuchte. Er wollte schon aufgeben, als ein Poltern zu hören war und ein weiteres, dumpfes Geräusch, worauf sich die Tür nur einen Spalt breit öffnete, als ihm der Dunst von Alkohol auch schon entgegenstieg. „Wer sind sie? Was wollen sie?“, maulte man mit einem Leiern in der Stimme, auf das Yi Ling sein Anliegen vortrug. „Nie gehört!“ Damit knallte man die Tür wieder zu und Yi Ling gab ein frustriertes „Tsk“ von sich. „Von dem brauchen sie nichts erwarten. Der hat seinen Verstand schon längst dem Wein überlassen.“ Yi Ling erkannte einen anderen älteren Herrn, der gerade den Weg an der Hütte vorbei kam. „Was ist denn ihr Ersuchen junger Mann?“, erkundigte man sich und da es eine Gelegenheit wie jede andere war, setzte er abermals an sich zu erklären. „Oh, das ist selbst noch vor meiner Zeit.“ Der alte Herr überlegte jedoch noch einen Moment. „Wenn er an einem Tempel gearbeitet hat, war er vielleicht auch einmal an dem, nicht unweit von hier, tätig. Solche Gebäude brauchen doch stets geschickte Zimmerleute um sie in Stand zu halten.“ Man wies ihm noch den Weg, wo er besagten Tempel finden würde und er bedankte sich höflich für die Hilfe. Es konnte jedoch nicht schaden, jeden der ihm begegnete, ebenso anzuhalten und nachzufragen, ob man etwas über die von ihm gesuchte Person oder deren Familie wusste. Zudem überlegte er unentwegt, was es mit den himmelblauen Feldern auf sich haben könnte. Würde er herausfinden was damit gemeint wäre, hätte er wenigstens schon einmal das Dorf von Kǎi Qīngsōng gefunden. Yi Ling erreichte den Tempel kurz vor dem höchsten Stand der Sonne, machte ihm seine Verletzung doch etwas mehr zu schaffen als es ihm lieb war. Man begegnete seinem Anliegen zuerst ebenso unwissend, doch schien man Mitleid mit ihm zu haben, als er unter einem müden Stöhnen bat, sich einen Moment ausruhen zu dürfen, und einer der Tempeldiener meinte, dass man einen Blick auf ein paar Aufzeichnungen werfen könne, um ihm vielleicht weiterzuhelfen. Yi Ling gab ein dankbares Lächeln von sich, auch wenn ihn das eilige Vorbeiziehen der Zeit mit einer nervösen Rastlosigkeit versah. Jemand brachte ihm noch einen kleinen Krug mit Wasser und eine Trinkschale, auf das er sich an die Pillen von Lìn Pòsuǒ erinnerte und diese gleich damit herunterschluckte. Er befüllte sich die Schale erneut und schwenkte diese gedankenverloren, ließ die Wolken über die darin eingefangene Spiegelung ziehen. Wenn er ehrlich war sah es nicht gut aus, dass er sein Ziel finden würde, und er zog ein leidliches Gesicht darüber, dass er sich, in Anbetracht von Lan Zhans Schicksal, zu selbstsicher gegeben hatte ihn retten zu können. Yi Ling strich mit der anderen Hand über die schwarze Bambusflöte an seiner Hüfte. Sollte er tatsächlich versagen, müsste er wohl doch zu radikaleren Maßnahmen greifen. Er wollte weder Lìn Pòsuǒ noch die Kinder damit in Gefahr bringen, war die Kraft die von Chénqíng ausging etwas das ihnen Schaden zufügen würde. Es war stets die letzte Option für ihn. Nicht zuletzt, weil es auch ihm einiges abverlangte. Aber das war momentan nicht sein Problem. Er war gerade daran den restlichen Inhalt seiner Schale zu leeren, als ihn ein Gedanke traf, während er abermals auf das Wasser darin blickte. Konnte es sein? Der Tempelgehilfe tauchte wieder auf, und teilte ihm mit das man ihm nicht weiterhelfen könne, doch gab es einen Ort weiter einen Zimmermann, der womöglich eher etwas wissen könne. Yi Ling nickte verstehend. „Kann man mir noch sagen, ob es hier irgendwo Reisfelder gibt?“ Er war auf dem Weg zu besagter Ortschaft und das sogar ohne sich selbst anstrengen zu müssen. Ein junges Paar das mit einem Pferdekarren unterwegs war, hatte ihn aufgesammelt und er ihr Angebot nur zu gern angenommen. Sie fragten ihn woher er denn sei und ob er ein paar interessante Geschichten zu erzählen hätte von seinem Umherreisen, kamen sie selbst nur in die umliegenden Ortschaften um ihre Töpferwaren zu verkaufen. Yi Ling nutzte die Gelegenheit erneut sich zu erkundigen. Man kannte den Zimmermann, doch nicht die Person die er suchte. Auch die Information mit den Reisfeldern, war weniger erbauend, befanden sich die nächsten gut zwei Tage südlich von hier. Wenn dem so wäre verschwendete er hier nur seine Zeit. Sie näherten sich schließlich einer Brücke die über eine Schlucht führte und man ihn wissen ließ, dass sie ohne diese Brücke gut drei Tage mehr einrechnen müssten, führte sonst kein Weg über den Abgrund, dass man in alter Zeit nur einen Umweg in Kauf nehmen konnte. Doch hörte er nur beiläufig zu, das er auch gar nicht recht mitbekam, als sie den nächsten Ort erreicht hatten und man ihm sogar direkt vor dem Haus des Zimmermanns absetzte. Yi Ling bedankte sich innständig und auf das Darreichen einiger Münzen, tat man seine Geste nur mit einem Lächeln und Kopfschütteln ab. Er ließ es sich dennoch nicht nehmen ihnen das Geld in die Hand zu drücken, wusste er selbst gut genug, das man als einfacher Händler nicht allzu reichlich verdiente und er auch mitbekommen hatte, das man bald Familienzuwachs erwartete. Und diese beiden hatten sich seinen Dank redlich verdient. Er winkte ihnen noch kurz nach, als sie weiterzogen, bevor er sich dem Haus zuwandte und er beinahe von einer sich hastig entfernenden Gestalt umgerannt wurde. Jemand rief in einem Grollen aus dem Inneren des Hauses, das man sich nicht noch einmal blicken lassen sollte, auf das er sich schon mit dem Gesicht eines kräftig gebauten Mannes gegenübersah, der ihn argwöhnisch anfunkelte. „Wenn sie zu dem gehören…“ Dieser deutete auf die immer noch eilig davonstolpernde Person. „…dann können sie gleich mit verschwinden.“ Na, da hatte er wohl einen etwas schlechten Zeitpunkt getroffen. Dennoch setzte er ein Lächeln auf und verbeugte sich kurz im Gruß. „Mein Name ist Yi Ling und ich lediglich auf der Suche nach jemandem. Ich hoffte man könnte mir hier vielleicht damit weiterhelfen.“ Der Mann vor ihm schaute noch einen Moment skeptisch, bevor sich seine Gesichtszüge etwas erweichten, es ihn aber immer noch ausreichend einschüchternd aussehen ließ. „Um wen soll es denn gehen?“, erkundigte man sich darauf und Yi Ling erklärte sich wiederholt. Man hatte ihn hereingebeten, und es stellte sich heraus dass Rèn Yìngqì nicht so ein grimmer Charakter war, wie es von seiner Erscheinung her den Eindruck erweckte. Man führte ihn, in die sich an das Haus anschließende Werkstatt, wo er sich recht interessiert umschaute. „Ich komme eigentlich aus einer anderen Ortschaft, weiter im Norden. Meine Frau jedoch, wurde hier geboren und ich zog mit in ihre Heimat, als wir heirateten.“ Rèn Yìngqì suchte in ein paar Kisten nach etwas, während er ihm dies erzählte. „Vor ein paar Jahren, kam jemand vorbei und fragte, ob ich Verwendung für diverse Skizzen und Aufzeichnungen hätte, da man sie sonst gedachte einfach wegzuwerfen, hatte die Familie keine Verwendung dafür.“ Rèn Yìngqì holte schließlich ein gut verschnürtes Bündel vergilbten Papiers aus einer der Kisten und legte sie auf seine Werkbank. „Die Zeichnungen die sie mir zeigten; sie kamen mir bekannt vor.“ Er löste den Strick und blätterte einige der Unterlagen durch, bevor er ihm eine davon zeigte. Es war eine Skizze eines ähnlichen floralen Motives, das Yi Ling sofort nach der Signatur darunter schaute. Und tatsächlich. „Darf ich?“ Er deutete auf den Stapel, ob er ihn sich selbst einmal durchschauen könne und nach einem „Nur zu.“, dies auch tat. Es waren wirklich alles Aufzeichnungen von Kǎi Qīngsōng und es ließ sein Herz sogleich noch etwas hektischer schlagen. „Können sie mir sagen, wo ich die Familie finden könnte?“ Rèn Yìngqì  überlegte erneut. „Wenn ich mich recht entsinne waren sie aus Nínán Cǎo.“ Yi Ling zog ein Gesicht, konnte er mit dem Namen nicht wirklich etwas anfangen, was man ihm auch anzusehen schien und ihm kurzdarauf eine Karte zeigte. Es wäre abermals ein Tag zu Fuß. Aber selbst mit einem Pferd würde er es wohl nicht rechtzeitig schaffen, müsste er immer noch die Familie finden und wo sich Kǎi Qīngsōngs Gebeine befanden, glaubte auch er nicht, dass dieser noch am Leben sei. Yi Ling schaute weiter abwägend auf die Karte. Es gab einen Fluss der eingezeichnet war und er dessen Verlauf folgte. Wenn er sich nicht ganz irrte, dann waren sie diesem sogar ein stückweit gefolgt auf ihrem Weg. Seine Augen weiteten sich in einer Hoffnung. „Ist das der Ort mit den Färbern?“, hakte er etwas ungeduldig nach und erhielt darauf ein bestätigendes Nicken. “Wir bauen ab und an neue Zuber für ihre Arbeit.“ Ein erleichtertes Ausatmen kam ihm über die Lippen und er bedankte sich ebenso eilig, um sich wieder auf den Weg machen zu können. Sie hatten diesen Ort durchquert und somit konnte er auch einen weiteren Transport-Talisman einsetzen, doch sollte er das ab von neugierigen Augen tun. Er erreichte die Anhöhe die hinab zu Nínán Cǎo führen sollte, und konnte bei dem Anblick der sich ihm bot nur ein ungläubig, müdes Auflachen von sich geben. Unterhalb, am Rande des Dorfes, wiegten sich die frisch gefärbten Stoffe Reihe um Reihe aufgehängt im warmen Südwind. Es waren keine himmelblauen Felder (天藍 tiān lán-himmelblau) gemeint gewesen, sondern 靛藍 diàn lán; Indigo gefärbte. Ah, er hätte sich mit diesem Detail sicherlich etwas Zeit einsparen können, doch nun war es auch nicht mehr von Belang und er hatte so oder so hier her gefunden. Mittlerweilen war es kurz vor Sonnenuntergang und er kaum noch im Stande sich auf den Beinen zu halten, nach seiner verkürzten Reise, dass es ihm vor Anstrengung klammen Schweiß auf die Haut trieb und er das Gefühl hatte sich übergeben zu wollen. Seine Wunde pulsierte ärgerlich und nach einem Blick auf den Verband konnte er ausmachen, dass sich diese wieder etwas geöffnet hatte. Ein angriffslustiges Wallen zerrte zudem an der Barriere zwischen seinem líng- und yuàn qì, das nur an Impulsivität dazugewinnen würde. Er hasste dieses Gefühl, sich die dunkle Energie wie hervorquellende Innereien wieder hineinstopfen zu müssen. Denn so sehr seine inneren Schatten auch auf eine Jagd aus waren, so waren sie dennoch an ihn gebunden. Es war ein Preis den er zu zahlen hatte. Mühsam schleppte er sich voran und erkannte das kleine Teehaus, vor welchem er mit Lan Zhan damals gesessen hatte. Ein paar Leute saßen davor, tranken Tee und schwatzten. Es war ein Gewaltakt sich zu straffen und so zu tun als wäre er nicht kurz vor einem Zusammenbruch, während er sich nach der Kǎi Familie erkundigte. Nur um darauf gesagt zu bekommen, dass diese fortgezogen wären, um wo anders ihr Glück mit dem Geldverdienen zu versuchen. Aber noch gab es eine Hoffnung, und zwar das deren verstorbene Familienmitglieder dennoch hier begraben lagen. „Ah, das war der, den man für verrückt gehalten hat, als er meinte eine Brücke über die Schlucht in den Bergen bauen zu wollen.“, meinte einer als er Kǎi Qīngsōng´s Namen erwähnte. „Wer hätte gedacht, dass er gar nicht so verrückt war, und man ihm nun sogar dankbar dafür ist.“ Die Runde Männer nickte zustimmend. „Ein Jammer das er beim Bau sein Leben gelassen hat, als er einen der Arbeiter hatte retten wollen, der drohte in die Schlucht zu fallen. Man hat seine Überreste nie gefunden. Ein Trauerspiel für dessen Familie. Wahrlich.“ Eine Brücke? Er ließ sich beschreiben, wo sich diese befand und sein Irrweg schien ihm nun doch noch von Nutzen, als er erfuhr, dass es jene war, die er zuvor mit dem jungen Paar überquert hatte. Die Dämmerung floss wie träges, glühendes Gestein über den Horizont, als er sich zur Brücke brachte und er sich eingestehen musste, das sein Körper seine Grenze so gut wie erreicht hatte, sackte er nur noch auf seine Knie, das Gefühl abzudriften in der Schwere seiner Lider und Gliedmaßen, dass er dem Gedanken erlag, am Ende doch noch alle im Stich zu lassen. Seine inneren Dämonen als ein hämisches Gelächter in seinen Ohren. Ein leichtes Picken gegen seinen Kopf, brachte ihn dazu wieder zu sich zu finden, und das erste was er sah war Bàng Hēi gefolgt von der Erkenntnis, dass es bereits Nacht geworden war, worauf es ihn panisch aufschrecken ließ, nur um sich seine mitleidlos schmerzende Verletzung zu halten und das Schwindelgefühl abzuwarten, das ihn erfasst hatte. Das yuàn qì kratzte noch immer ungeduldig an seinem Käfig, das mit einem ärgerlichen Fauchen etwas zurückwisch, als er ein Symbolsiegel mit seiner Hand gegen sein Sonnengeflecht presste, das sein líng qì für einen kurzen Moment mit einem Schub versah. Gleich einem kräftigem Herzschlag. Es musste vorerst ausreichen, die Schatten zu bändigen, war seine Mission noch nicht an ihrem Ziel angelangt. Er schaute darauf nach oben, um den Stand des Mondes zu prüfen, und atmete kurz erleichtert durch, war immer noch etwas Zeit übrig. Die Taubheit in seinen Fingerspitzen, sagte genug über seinen Zustand aus, als er schließlich nach Chénqíng griff und sich Bàng Hēi auf seinem Knie platzierte, wusste sie was in diesem Fall ihre Aufgabe war. Yi Ling spielte ein paar Töne die schwer und träge klangen, nichts was einem fein-geistigen Gehör Freude bereiten würde. Dennoch brauchte es geschulte Konzentration, wäre jede falsche Note ein loser Strang in dem Band das er mit dieser Melodie zu flechten begann. Sollte es eine Seele geben die noch hier verweilte, wäre es ihre Möglichkeit dieses Band zu ergreifen, um sich erkennbar zu machen. Bàng Hēi´s Augen gaben ein Glühen wieder, ein Zeichen das seine Melodie etwas eingefangen hatte. Allerdings schien es nicht nur eine Seele zu sein die daran zog. Sie gab ein kurzes Krähen von sich, bevor sie sich in die Lüfte schwang und kurzdarauf in die Schlucht tauchte. Ein Grollen drang aus der Kluft herauf und Yi Ling spürte die dunkle Energie die wie züngelnde Flammen nach oben griff. Es war nicht abwegig, das einige Leben in diesem Abgrund ihr Ende gefunden hatten. Aus welchen Gründen auch immer, doch schienen ein paar dieser Seelen derart von Zorn getrieben, das dieser wie eine Infektion in diesen Tiefen herangewachsen war. Sollte Kǎi Qīngsōng eine dieser blinden Seelen sein, wäre es aufwendig, wenn nicht gar unmöglich ihn herauszufiltern. Er hörte erneutes aber deutlich aggressiveres Krächzen von Bàng Hēi, als ihm plötzlich etwas seine Dízi aus den Händen riss. Sein erster Gedanke war, das eine der ungehaltenen Seelen es geschafft hatte sich hinaufzuziehen, doch landete nun Bàng Hēi auf seiner linken Schulter und krähte ein paar Mal, dass es ihn folglich etwas erleichtert zusammensinken ließ. „Kǎi Qīngsōng?“ Es war nicht im Stande eine Seele zu sehen, doch war es ihm durch Bàng Hēi als Medium möglich mit einer zu kommunizieren, war sie selbst ein spirituelles Wesen und er mit ihr auf solch einer Ebene verbunden. Er legte ihr eine Hand an das Gefieder und konzentrierte sich auf die übersinnliche Energie, bis er ihre Stimme vernehmen konnte. Sie war leise aber deutlich, was zeigte das sie bei genug Verstand geblieben war, trotz all der Jahre ihrer Gebundenheit an diesen Ort. Unter all diesen wütenden, anderen Seelen. „Sie kennen mich?“, fragte man ihn verwundert, mit einem Hauch Vorsicht versehen, konnte sich Yi Ling denken, dass es Kǎi Qīngsōng reichlich seltsam vorkommen musste, das eine ihm vollkommen fremde Person, sich die Mühe machte, nach ihm gesucht zu haben, obwohl er schon nicht mehr unter den Lebenden weilte. „Könnte man so sagen.“ Yi Ling nahm erst einmal seine Dízi wieder auf und fühlte die Erschöpfung abermals deutlicher nach ihm greifen. „Ihre Liebste; sie wartet noch immer auf sie. Ich habe ihr versprochen sie zu suchen, damit sie meinen Gefährten nicht den Kopf abreißt. Und das meine ich wortwörtlich.“ Yi Ling gab ein gequältes Schnaufen von sich, lief ihm die Zeit davon und auch die Kraft sich bei Bewusstsein zu halten. „Zhèliú Huā?“(Granantapfelblüte) Kǎi Qīngsōng klang melancholisch. „Als ich hier in den Tod fiel, war sie mein letzter Gedanke. Diese Brücke; ich hatte sie extra entworfen, um den Weg zu ihr so schnell wie möglich bestreiten zu können. Es schien jedoch, als habe das Schicksal es nicht gutheißen wollen. Jedoch bereue ich nicht mein Leben dafür gegeben zu haben, um ein anderes zu bewahren. Einzig das Wissen, das sie nie erfahren würde was mit mir geschah, ließ mich keine Ruhe finden.“ Es war nicht ungewöhnlich das ein Mensch kurz vor seinem Tod, einen letzten innigen Wünsch in sich aufkommen sah und dieses Bedürfnis ihn nicht weiterziehen ließ. Ebenso, dass solch eine Seele über dieses treibende Verlangen, dass sie sich nicht mehr erfüllen hatte können, dem Irrsinn erlag und zu einer nicht zu unterschätzenden Gefahr für die noch Lebenden werden konnte. Es war bemerkenswert das Kǎi Qīngsōng sich über all die Jahre dennoch nicht hatte von seinem Weg abbringen lassen, selbst wenn er wusste, das sein Wunsch sich nicht erfüllen würde. „Ich kann sie zu ihr bringen. Allerdings hätte es seinen Preis. Da auch ich eine gebundene Seele nicht einfach mit mir nehmen kann. Es sei denn ich kann auch das bewegen, woran sie gebunden ist.“ Es war leichter gesagt als getan, denn in manchen Fällen, war es schlicht nicht möglich, zum Beispiel wenn sich eine Seele an einem unbeweglichen Objekt festhielt. Wie ein Gebäude oder einen bestimmten Ort. Oder, eine Brücke… Was er nun tun konnte war, die Seele in ein vorübergehendes Transportobjekt zu platzieren, doch würde dies bedeuten, dass deren Existenz, fern von ihrem selbstgeschaffenen Hort, sich Stück für Stück auflöste. Lúnhuí (Reinkarnation) wäre somit unerreichbar für sie. Das alles ließ er Kǎi Qīngsōng wissen. Yi Ling mochte ein Narr sein, indem er mit seiner Ehrlichkeit auch die Wahrscheinlichkeit erhöhte, das man sich verweigerte. Dennoch, keine würdige Seele hatte es verdient derart heimtückisch in solch ein unwiderrufliches Ende hinein gelogen zu werden. „Der Anhänger…“ Yi Ling sah sich aus seinen Gedanken gezogen über diese Worte. „Anhänger?“ „Es war ein Geschenk von ihr, das ich immer bei mir trug. Mein Körper mag bereits verrottet sein, doch er befindet sich noch immer dort unten.“ Das war eine unerwartete Neuigkeit, doch nicht weniger erfreulich. „Zeigen sie meinem Freund hier wo er ist, dass er ihn zu mir bringen kann. Wir haben kaum noch Zeit übrig.“, teilte er Kǎi Qīngsōng mit, worauf Bàng Hēi mit einem Krähen seine Flügel aufspannte und abermals in der Schlucht verschwand. Es war ein aufreibendes Warten, doch nutzte Yi Ling die Möglichkeit sich seiner Verletzung anzunehmen, auch wenn er nichts weiter tun konnte, als etwas von der Paste aufzutragen, die Lìn Pòsuǒ ihm mitgegeben hatte, um die Blutung zu stillen. Er schaute auf die Pillen, von denen sie gemeint hatte, dass sie ihm einen kurzen, Energieschub ermöglichen würden, sollte er darauf angewiesen sein. Er hoffte, dass es ausreichen würde sie noch ein letztes Mal mit dem Talisman reisen zu lassen. Es mochte ein halbes Räucherstäbchen (ca. 30 min.) gebraucht haben, als er Bàng Hēi´s Flügelschlagen vernehmen konnte und zu ihr aufsah. Sie war zerzaust und schmutzig, als sie sich wieder auf seine Schulter setzte. Sie ließ etwas in seine offene Hand fallen die er ihr hinhielt, das auf den ersten Blick nichts weiter als ein Klumpen Erde hätte sein können, doch als er diese entfernte zeigte sich ein mattes Funkeln. Eingelassen in rötlich schimmernden Bernstein, befand sich ein Knospenpaar. Yi Ling spürte Kǎi Qīngsōng Essenz darin pulsieren. „In Ordnung.“, meinte er knapp und steckte sich den Anhänger ein. Die Pillen waren bitter und rutschten träge, doch spürte er den gewünschten Effekt ohne lange darauf warten zu müssen und machte sich innerlich die Notiz, Lìn Pòsuǒ ausreichend zu danken, sollten sie alles heil überstehen. Ein grünes Flackern umgab und verschluckte ihn, nachdem er den Talisman gebrauchte, der sie zurück zum Tempel brachte. Kapitel 9: ----------- Ich wünsche allen Lesern, einen Guten Rutsch ins Neue Jahr! *** Noch immer ragte der Baum, bedrohlich schön über den verwaisten Hof, doch nahm Yi Ling dies nur vage für sich wahr. Er fühlte wie die Schatten ihre Chance erneut witterten und dieses Mal mit mehr Vehemenz versuchten auszubrechen, dass es sich anfühlte als würde dicker, brennender Qualm in ihm nach oben kriechen, doch konnte er jetzt nicht nachgeben. Mit zittrigen Fingern zog er den Bernsteinanhänger hervor. „Ich habe mein Versprechen gehalten!“, rief er darauf mit kratziger Stimme, der Geschmack von Blut an seinen Worten. Zhèliú Huā tauchte vor ihm auf, Augen argwöhnisch und gefahrversprechend, sollte er gelogen haben. Er hielt ihr den Anhänger vor. Ihr Ausdruck wechselte von Unglauben in Hoffnung, zu Übermut. Vorsichtig griff sie nach dem Stein, wirkte überwältigt. Yi Ling war sich sicher, wäre es einem Wesen wie ihr möglich, dann hätten sich nun Tränen auf ihren Wangen gezeigt. „Wir hatten eine Abmachung…“, erinnerte er sie mit schwindender Kraft und wegbrechendem Bewusstsein. Sollte sie ihren Teil nicht einhalten, wäre er nicht einmal mehr im Stande seinen letzten Trumpf auszuspielen, selbst als seine Hand zu Chénqíng rutschte. Zhèliú Huā sagte nichts, doch brachte sie mit einer Handbewegung Lan Zhan hervor, der sich träge aufraffte und darauf leicht schüttelte, als habe er schlicht die gesamte Zeit geschlafen. „Du hast es tatsächlich geschafft?“ Lan Zhan klang gewohnt zweifelnd. Yi Ling lächelte erleichtert, bevor er zu Boden sank. Er sah das Lan Zhan auf ihn zugesprungen kam, doch Sorge wollte er ihm nicht unterstellen. Zu spät kam ihm in den Sinn, dass er ihn vor seinen bissigen Schatten warnen sollte, doch war Lan Zhan zu flink in seiner Form. Was dann geschah erschien genauso überraschend, wie dessen Wandlung damals, nur dass er sich nun einem bloßen, kräftigen Körper gegenüber sah, der vor ihm kniete. Augen im Glanz einer geweihten Tiger-Seele(1) und welche etwas vertraut gewordenes reflektierten, während sie ihn nicht weniger ungläubig anschauten. Aus einem Gesicht das atemberaubend, unwirklich in seiner Anmut erschien und das von langen, losen Haarfluten gerahmt wurde. Das Funkeln seines dreiblättrigen huā diàn auf dessen Stirn. „Lan Zhan?“ „Unfassbar.“, hörte er den anderen in einem Ton murmeln, der ein Zusammenspiel aus Tadel, Fassungslosigkeit und Besorgnis wiedergab. „Ich nehme zurück, was ich gesagt habe…“ Yi Ling konnte seinen Blick nicht von Lan Zhan nehmen, selbst wenn er gewollt hätte. „…es wäre wahrlich eine Verschwendung so ein Gesicht unter einem Hasenfell zu verstecken.“, gab er trunken vor Erschöpfung und Schmerzen von sich, nicht einmal mehr im Stande seine Mundwinkel anzuheben, um den neckenden Aspekt seiner Worte zu verdeutlichen. „…ich werde deine langen, flauschigen Ohren vermissen…“ Lan Zhan gab ein wenig amüsiertes Schnaufen von sich. Es war das Letzte was Yi Ling noch vernahm, bevor ihn die Schatten wie verhungerndes Vieh in den Abgrund seines Unterbewusstseins zogen. (1)(In China gab es den Glauben, das Bernstein durch eine geweihte Tiger-Seele entsteht, die in die Erde zurückkehrte) Wangji schaute abermals fasziniert über die goldschimmernden Symbole, die wie eingelassen in Yi Lings blasse Haut wirkten und sich über seinen gesamten Oberkörper zogen. Eine komplexe Siegelkombination, die ihn Bewunderung an die Person aussprechen lassen würde, die diese entworfen hatte. Sie hatten sich erst gezeigt, als er mit seinem spärlich wiedergefundenen líng qì versucht hatte, Yi Ling etwas von seiner verlorenen Energie zurückzugeben. Zuerst hatte er angenommen eine Art Fluch zu erblicken, bis er nach genauerem Studieren die wahre Bewandtnis dafür verstanden hatte. Dass es eine regelrechte Qual dargestellt haben musste, diese Prozedur über sich ergehen zu lassen, stand außer Frage. Es wäre nicht damit getan gewesen, es einfach nur auf die Haut aufzutragen, sondern hatte in mehreren Schichten, gleich einem soliden Mauerwerk, und mit virtuos geschulten líng qì in den Körper gebrannt werden müssen, damit es seine Wirkung tun konnte. In diesem Fall, um etwas daran zu hindern frei zu kommen. Es hatte sich nicht von dessen Verletzung brechen lassen, war nur etwas schwächer an dieser Stelle geworden, doch knüpfte es sich selbstständig wieder zu voller Kraft zusammen, über das Heilen der Wunde, die trotz allem eine Narbe hinterlassen würde. Yi Ling´s Körper wies einige davon auf. Eine recht markante die sich ringsum dessen rechten Oberarm spannte, wie auch die Vernarbung, unter welcher dessen goldener Kern ruhte. Er hatte vorher schon gespürt, das Yi Ling ein ungewöhnlich hohes Maß an yuàn qì inne wohnte, doch nun wo er die Siegel sah, stellte er sich nur noch mehr Fragen darüber. Wer war dieser unfassbare und nervenraubende Mann, der so viel zerstörerisches Potenzial in sich herbergte und doch nicht dem Wahnsinn verfiel und schlicht daran zu Grunde ging? Was war der Ursprung seines Schicksals? Wer hatte ihm gelehrt, es in einem gewissen Maße sogar für sich nutzbar zu machen und woher stammten diese Siegel? Wangji seufzte leise und irritiert über die Person die nun schon seit drei Tagen noch nicht wieder zu sich gekommen war. Was dachte sich dieser nur dabei auf solch eine irrsinnige Suche zu gehen, nur um ihn wieder aus den Fängen der Baumjungfer zu ertauschen? Was hatte dieser davon so viel zu riskieren, wo sie sich kaum zwei komplette Mondverläufe kannten? Er schüttelte ungläubig den Kopf. Darüber, dass es ihm am Ende dennoch gelungen war. „Unfassbar, in der Tat.“, meinte er ein wenig gedankenverloren, während er weiter dem eifrigen Branden, welches beständig durch das Siegel zuckte, zusah. Es hatte fast etwas Hypnotisches. Das plötzliche Verkrampfen, das Yi Ling´s ganzen Körper erfasste, riss ihn aus seinem Abdriften und er griff reflexartig nach dessen Schultern, um ihn daran zu hindern von der Schlafplattform zu fallen. „Yi Ling!“ Wangji war unsicher was vor sich ging und ob er etwas tun müsste. Doch dann entspannte sich der Körper von Yi Ling Stück für Stück wieder und kam schließlich gänzlich zur Ruhe. Nur einen Moment darauf öffnete dieser verschlafen die Augen, blinzelte einige Male und gab beim Versuch seinen Kopf zur Seite zu drehen, ein kratziges Stöhnen von sich. Wangji nahm die Schale mit Wasser auf und hielt sie Yi Ling an die Lippen. Etwas unbeholfen trank dieser sie mit seiner Hilfe leer. Es reichte vorerst aus, dass sich Yi Lings Aufnahmefokus etwas schärfte, auf das dieser ihn nun offen und ungeniert anstarrte. „Ich hab es also nicht geträumt, huh?“, war seine Feststellung die klang, als habe er sie an sich selbst gerichtet. Dann war dessen albernes Grinsen auch schon wieder zurück, und Wangji ahnte nichts Sinnvolles. Was sich auch bestätigte, als Yi Ling eine Hand nach ihm ausstreckte und ihn dreist hinter einem seiner Ohren zu kraulen begann. Wangji erhob sich mit einem missfälligen Brummen über diese Geste und sah Yi Ling nicht weniger zurechtweisend an. Eigentlich hatte er sich erkundigen wollen, wie der andere sich fühlte, doch schien dies nicht notwendig. „Ah, und ich dachte schon dass mit deiner Wandlung, auch etwas Humor zu dir zurückgekommen wäre. Aber so wie es aussieht, war da nie welcher vorhanden.“, hörte er Yi Ling folglich lamentieren, bevor es einen Moment wieder still blieb. „Was ist aus Kǎi Qīngsōng und Zhèliú Huā geworden?“, wollte er wissen und Lan Zhan zog den Bernsteinanhänger hervor. Yi Ling schaute fragend darauf, bevor er ihn wieder ansah. „Ihre Energien sind beide in diesem Stein versiegelt. Sie nahm es als Strafe für ihre Taten an.“ Er brauchte nicht zu erklären, dass ihre Energie sich unter diesem Siegel allmählich auflösen würde. Doch am Ende hatte sie genug Unglück verbreitet, dass es einer gerechten Strafe gleichgesetzt werden konnte. „Lass Lìn Pòsuǒ den Anhänger bekommen. Sie soll entscheiden was damit weiter geschieht.“ Lan Zhan nickte auf dessen Worte verstehend, dem ein inniges Magenknurren von Yi Ling folgte. „Ich werde Lìn gū niang wissen lassen, dass du zu dir gekommen bist.“ Damit wandte sich Wangji von ihm ab, hörte aber dessen ahnendes Seufzen über deren bevorstehende Lektion, noch bevor er den Raum verließ. „Alles in Ordnung, soweit es in ihrem Fall möglich ist.“ Lìn Pòsuo erhob sich wieder, nachdem sie sich seine Verletzung noch einmal angesehen hatte und auch den Rest seiner vitalen Werte abgegangen war. Die Wunde hatte sich bereits wieder zu schließen begonnen, und er ihr schon zu ihrem Heiler-Talent ein Kompliment gemacht, als sie ihn wissen ließ, das es wohl mehr der Fürsorge von Lan Zhan, oder „Meister Wangji“, wie er sich ihr vorgestellte hatte. Als sie meinte, dass er gut drei Tage bewusstlos gewesen sei, steigerte sich Yi Ling´s Verwunderung nur noch weiter, hätte Lang Zhan in dieser Zeit schon längst seines Weges gehen können, anstatt ihn mit líng qì zu versorgen. Aber womöglich war es sein Weg einer Begleichung. Lan Zhan erschien ihm als ein Charakter, der solche Dinge bereinigt sehen wollte. Er strich sich über die Stelle unter der sein goldener Kern nistete. Es war Jahre her, dass dieser sich so ausgeglichen und satt angefühlt hatte und es brachte eine gewisse Melancholie mit sich. Er würde Lan Zhan später noch für sein Bemühen danken müssen. Lìn Pòsuǒ reichte ihm eine Schale mit einer bitter riechenden Flüssigkeit, die sie ihm befehligte zu trinken und er ein Würgen kaum unterdrücken konnte als er dem nachgekommen war. Sie schmunzelte ein wenig selbstgefällig über seine Anstalten. Generell erschien sie entspannter und gelöster. „Wie liegen die Dinge nun im Ort?“ Sie schaute ihn darauf mit einem warmen Lächeln an, das beinahe Antwort genug hätte sein können, doch interessierten ihn nun auch die Details, die ihm entgangen waren über sein Schlummern. Der Bann hat sich gelöst, nachdem Lan xiān shī (unsterblicher Meister) die Baumjungfer versiegelt hat. Dieser musste ihr den Anhänger vorhin noch übergeben haben, hielt sie ihn nun in ihrer Hand. „Wenn ich ehrlich bin, möchte ich nichts weiter als ihn in die tiefsten Wasser zu werfen, nach allem was die Menschen hier haben durchstehen müssen.“ Ihre Einstellung war ihr wirklich nicht zu verdenken und Yi Ling sagte ihr das auch. Sie steckte den Anhänger weg, und sich mit einem tiefen Durchatmen wieder zu sammeln schien, bevor sie ein Lächeln aufsetzte und ihn schlicht weiter berichtete, was sich noch getan hatte. „Seitdem ist der alte Baum im Tempel bar von Blüten und Laub.“, erzählte sie. Auch die Plantagen die den Ort umsäumt hatten, waren verwittert, nun wo die dort gehaltenen Seelen endlich ihre Freiheit gefunden hatten. Doch war Lìn Pòsuǒ guter Dinge. Die Menschen hier zeigten sich zwar etwas irritiert doch schien keiner von ihnen sich an den Bann der über sie gelegt worden war zu entsinnen. Sie würden sich mit dem Anbau neuer Kulturen befassen müssen, doch auch das sah sie mit Optimismus. Auf die Frage wie es den Kindern ginge, meinte sie, dass sie länger bräuchten um sich zu erholen, doch es keinen Grund zur Besorgnis gäbe und sie zurück bei ihren Familien wären. Sie wischte sich ein paar aufkommende Tränen aus den Augen, als Yi Ling ein Mal an ihrem rechten Unterarm auffiel. „Lìn gū niang, wie alt wäre ihr Sohn jetzt eigentlich?“ Auf diese recht unerwartete Frage schaute sie ihn einen Moment nur an, bevor sie ihm Antwort gab. „Acht Jahre, seit dem letzten Pfirsich-Mond.“ Er hatte ihr nicht die Stimmung verderben wollen, nun wo sie mit solch traurigen Augen versuchte dennoch ein tapferes Lächeln zu zeigen. „Nínán Cǎo. Ein kleines Dorf. Es liegt drei Tage von hier Richtung Westen. Ich und Lan Zhan trafen dort auf einen kleinen Jungen der ein fast identisches Mal an seinem Unterarm trug.“ Lìn Pòsuǒ legte sich über einem hoffnungsvollen Ausdruck beide Hände vor den Mund und Yi Ling betete er gab ihr keine falsche Illusion mit seinen Worten. „Kennen sie seinen Namen?“, fragte sie mit zittriger Stimme nach. Yi Ling überlegte einen Moment, bevor es ihm wieder einkam. „Sein Freund nannte ihn A-Tōng. Er hatte es noch gar nicht richtig ausgesprochen, als sie gänzlich in Tränen ausbrach und zu Boden sank über ihre Emotionen. „Lìn Chàngtōng(2). Ich wollte das er wenigstens im Namen ohne Fesseln wäre.“ Es zog selbst an Yi Lings Herz und er wünschte sich wirklich für sie, dass ihr doch noch die Chance auf eine Familie mit ihrem Sohn gegeben sei. (2) (Chàngtōng - ungehindert, frei fließend, gerader Weg, sich bewegen ohne Hindernisse) Es brauchte noch ein paar Tage, bis er sich soweit wieder erholt hatte, dass einer Weiterreise nichts mehr im Weg stand. Lìn Pòsuǒ ließ es sich nicht nehmen ihn mit diversen, medizinischen Allerlei zu versorgen, die er brav in seinem Beutel verstaute. Er schaute etwas sinnierend darauf, nun wo Lan Zhan wieder in seine alte Form zurückgefunden hatte, hatte er Platz um anderes in seiner Tasche zu verstauen. Lan Zhan selbst war noch nicht wieder aufgebrochen, und er nahm an, dass dieser diese Pause ebenso nutzte, um seine Kräfte wieder etwas aufzufrischen, hatte er ihn öfter beim Meditieren beobachten können, wenn er ihn nicht gerade mit líng qì aufpäppelte. Er hatte sich nicht überzeugen lassen, dass dies nicht weiter nötig sei, doch war er auf seine eigene Art stur genug, das er es schließlich aufgegeben hatte ihn abwimmeln zu wollen. Nun allerdings würden sich ihre Wege wieder trennen, doch war er es am Ende gewöhnt für sich selbst umherzuziehen, dass es ihm nicht weiter schwerfallen würde in dieses vertraute Schema zurückzufallen. Yi Ling schaute auf das Bündel das Lìn Pòsuǒ für sich selbst geschnürt hatte und welches sie sich nun über die Schultern band. Sie hatte ihnen gesagt, dass sie seinem Hinweis würde folgen wollen. Selbst wenn sich nichts daraus ergeben sollte, wollte sie dennoch nach ihrem Sohn auf die Suche gehen. Und wenn nur deswegen, um zu erfahren, ob jemand über dessen Schicksal etwas wusste. Er konnte sie verstehen. Dass sie einen Abschluss oder einen Neuanfang für sich mit dieser Reise suchte. An der Tür zog sie ihn kurzum in eine feste Umarmung, und er erwiderte sie über ihre innigen Worte des Dankes und das sie für immer in ihrer Schuld stehen würde, mit einem Lächeln. Als sie ihr Haus verließen, wartete Lan Zhan schon am Zaun. Dieser trug einen nicht weniger simplen duǎn dǎ, (Kombination aus Oberteil und Hose- aus Hanf oder Tierhaaren gewebt; getragen vom einfachen Volk) wie in der Nacht, als sie gegen dieses Ding gekämpft hatten und Lan Zhan darauf verletzt wurde. Doch war seine Kleidung dieses Mal in einem verwaschenen Grau anstelle des dunklen Blaus. Darüber trug er eine ebenso robust gewebter bèi zǐ (offene Jacke mit engen Ärmeln) in einem erdigen Braun. Yi Ling glaubte allerdings nicht, das Lan Zhan weniger Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde, nur weil er wie ein einfacher Mann gekleidet war. Niemand würde an solch einem ansehnlichen Gesicht vorbeischauen können. Wenigstens hatte er das huā diàn auf seiner Stirn mit einem Band verdeckt. Er holte den kleinen Beutel aus seinem Ärmel, den er damals als einziges von Lan Zhan´s Hab und Gut mitgenommen hatte und warf ihm diesen zu. „Ich dachte den willst du vielleicht zurück. Keine Sorge, ich hab mich nicht dran vergriffen. Also egal was für brisante Dinge sich darin befinden; ich hab nichts gesehen.“ Er zwinkerte ihm neckend zu, doch anstatt ihn auf diese Anspielung zu ermahnen, wie er es schon erwartet hatte, folgte lediglich ein „Danke.“ Es war beinahe unbefriedigend, so stellte Yi Ling für sich fest. Lìn Pòsuǒ verbeugte sich vor diesem ebenso mit dem Worten von Dankbarkeit und Wiedergutmachung. „Es besteht kein Grund dazu. Ich habe am wenigsten zu einem Erfolg beigetragen.“, erwiderte dieser, mit einer Aura die von bescheidener Größe sprach. Schließlich verabschiedeten sie sich von ihr, und wünschten ihr viel Glück. Yi Ling wandte sich darauf an Lan Zhan. „So, das war es dann wohl, hm? Ich hoffe Lan xiān shī wird mich in guter Erinnerung behalten.“ Er verbeugte sich. Es war das erste Mal das Yi Ling sich die Mühe machte, diesen mit einer angebrachten Anrede anzusprechen, auch wenn es klar war das er es eher aufziehend meinte. Wahrscheinlich war, dass dieser sogar noch einen viel höheren Titel mit sich trug. Lan diàn xià (Majestät/Hoheit) oder so etwas, entsann er sich, wie er in dessen Erinnerung gehört hatte, das er seinem Bruder, dem nächsten Führer der Lans, eine Stütze sein solle. All dieses Rang-Geschwänzel war jedoch noch nie sein Ding und er würde jetzt auch nicht damit anfangen. So recht ehrlich könnte er es eh nicht mehr meinen, nun wo er Lan Zhan über Wochen, in dieser putzigen Hasenform mit sich herumgetragen hatte. „Es war mir eine Ehre mit ihnen Reisen zu dürfen. Passen sie auf sich auf.“ Yi Ling wartete nicht auf eine Reaktion, war er eh kein Freund von steifen Abschieden, und er glaubte das Lan Zhan es auch so begrüßen würde, wenn sie sich ohne großes Drum Rum wieder trennten. Ein paar Schritte und ihm tat sich der Gedanke auf, dass er sich vielleicht, VIELLEICHT hätte auch entschuldigen sollen, für das ein oder andere, aber bei genaueren darüber nachdenken, verfing sich einzig ein Grinsen auf seinen Lippen. Er hatte schon seinen Spaß daran gehabt den anderen aus seiner mürrischen Reserve zu locken. Er müsste sich nun wirklich erst einmal wieder daran gewöhnen allein zu sein. Yi Ling schluckte ein aufkommendes Seufzen rigoros herunter. Am Ende war es besser so… Es war eher ein Impuls, als er sich doch noch einmal umsah. Seine Augen weiteten sich überrascht wie irritiert, als er Lan Zhan nur wenige Schritte hinter sich ausmachen konnte. Doch kam er zu der Erkenntnis, dass dieser schlicht denselben Weg aus dem Ort gewählt habe. „Lan Zhan, du hättest auch sagen können, das wir noch ein Stück zusammen laufen würden.“ Dieser schaute unberührt. Ah, womöglich wollte dieser nun einfach nichts weiter mit ihm zu tun haben müssen und…ja… Eine unbequeme Atmosphäre hing zwischen ihnen, je länger sie schweigend den Pfad zur Stadtgrenze beschritten und Yi Ling dieses zwickende Gefühl in seinem Nacken einfach nicht mehr ertragen konnte, das die frostige Präsenz des anderen dort auslöste. Ein Steinbrocken am Wegrand; und er setzte sich mit einem falschen Gähnen darauf. Es mochte den anderen nicht interessieren, als er sich dennoch erklärte. „Ich bin wohl doch noch etwas schlapp, geh ruhig schon mal. Ich werde mich noch etwas ausruhen.“ Er winkte Lan Zhan leicht als endgültigen Abschied zu. Wie zu erwarten zog dieser keine Miene. Doch ging dieser auch nicht wie erhofft weiter und es ließ Yi Ling innerlich raunen. Schlimmer noch; kam Lan Zhan nun auf ihn zu und griff nach einem Handgelenk von ihm, zeigte sich konzentriert. Yi Ling hatte dies nun oft genug über sich ergehen lassen, das er genau wusste was dieser tat und entzog sich dessen Griff eilig. „Ich bin in Ordnung. Nur müde…wie es bei normalen Leuten nun mal vorkommt.“ Er lachte etwas angestrengt über den Unwillen Lan Zhans ihn einfach sitzen zu lassen. Warum verstand dieser keinen subtilen Wink? „Du bist nicht normal.“, hörte er ihn dann auch in einem abgeklärten Ton sagen, der Yi Ling trotzig zum Schmollen brachte. „Das ist wirklich nicht nett.“ Er verschränkte die Arme noch vor seiner Brust. „Eine Tatsache.“, ließ ihn Lan Zhan unberührt wissen. Es verstrich ein weiterer, unangenehmer Moment, in welchem Lan Zhan einfach nur dastand, in all seiner überirdischen Eleganz und kein weiteres Wort von sich gab.   Yi Ling riss seine Arme mit einem ergebenen Raunen nach oben. „Lan Zhan! Wenn du noch etwas zu sagen hast, dann sag es einfach. Ist es, weil ich dich in deiner Hasenform zu oft aufgezogen habe? Oder, weil ich dich in dieses unglückliche Abenteuer verwickelte? Wenn du auf Vergeltung oder so etwas aus bist, dann gib mir wenigstens einen Hinweis. Oder hast du einfach nur vor, mir wie ein Rachegeist zu folgen, und mich mit tadelndem Schweigen und deinem hübschen Gesicht in den Irrsinn zu treiben?“ Er wusste sich momentan wirklich nicht zu helfen mit ihm. „Zwei Leben. Es ist eine Schuldigkeit für die ich mich zu revanchieren habe. Es ist ein Eid von mir an dich.“ Yi Ling blinzelte etwas überfordert über diese gewichtigen Worte. Und weil er noch nie gut mit solchen heroischen Gerede war, gab er ein amüsiertes Lachen von sich. Lan Zhan sagte nichts, doch zeigte sich dessen Kritik über sein wohl recht unziemliches Verhalten in dem leichten Bogen einer seiner Augenbrauen. „Lan Zhan, du schuldest mir nichts, ok. Sagen wir einfach wir sind quitt, für all die Zeit in der ich dich geärgert habe, hm? Du hast sicherlich besseres zu tun, als so einem Niemand wie mir zu folgen. Ich bring dich bestimmt nur wieder in Schwierigkeiten.“ Er zwinkerte Lan Zhan verschmitzt zu. „Oder geht es hier darum, mich in einem eurer himmlischen Kerker wegsperren zu wollen? Ich weiß, dass ihr Lans jemanden wie mich, gern mit heiligem Feuer würdet läutern wollen. Ist es das?“ Yi Lings Ausdruck hatte etwas Schneidendes angenommen, um zu verdeutlichen das er sich nicht ohne Gegenwehr verschleppen lassen würde, nur um daraufhin auf einem Blutgerüst göttlicher Obliegenheit zu enden. „Eine Schuld zu begleichen liegt ihm Ehrgefühl der Lans. Es ist ein Weg, der Erleuchtung, wie auch Demut verkörpert.“ Die Loyalität zu diesen Werten war greifbar und es ließ Yi Ling mit einer unguten Ahnung zurück. „Heißt, dass du mir auch bis ans Ende der Zeit folgen würdest, um diese Schuld zu begleichen?“, grinste er in leichtem Spott über diese unmögliche Unsinnigkeit. Wer würde schon so einem Eid folgen? Mehr noch, wer würde solch einen Eid als bindend empfinden, wenn er genau wusste, dass die Person an die man diesen gebunden hatte, fern von redlich und rein war? Lachhaft! „Wenn es das ist, was es bedarf.“ Yi Ling verschluckte sich prompt an seinem angesetzten Lachen. *** Wie Yi Ling über die nächsten Tage feststellen durfte hatte sich nicht viel geändert. Er war es der meist etwas zu erzählen hatte und Lan Zhan zog es vor ihn größtenteils zu ignorieren. Doch er wusste sich auch so zu beschäftigen, hatte er einem der Kinder aus dem letzten Dorf, durch das sie gekommen waren, sein chě líng (Diabolo) abgeluchst, indem er diesem einen ihrer gerade gefangenen Fische überlassen hatte. Ihm fehlte eindeutig Übung damit, sprang ihm die Bambus-Spule oft genug von der Schnur, das sie beinahe schon im Feuer gelandet war, welches zwischen ihnen in der Dunkelheit des Waldes knisterte. Aber es hatte etwas beruhigendes sie tanzen zu sehen, wenn man den Bogen raus hatte. Ein Blick zu Lan Zhan zeigte ihn in seiner üblichen Meditationspose. Er hatte ihm entlocken können, dass dieser zwar wieder seine übliche Form angenommen hatte, doch das Potenzial seines goldenen Kerns nicht automatisch wieder auf sein eigentliches Niveau gerutscht war, weswegen er die Zeit in welcher sie sich ausruhten in Meditation verbrachte. Dass dieser sich überhaupt so plötzlich wieder in seine menschliche Gestalt gewandelt hatte, hatte er mit der Theorie erklärt, dass es womöglich mit seinem yuàn qì. in Zusammenhang stehen könnte. Nachdem was ihm Lan Zhan über seinen Zustand, in Hasenform, wissen ließ, bestand die Möglichkeit, dass er vielleicht nicht alles der giftigen Materie in ihm neutralisiert hatte. Dass sich ein winziger Teil weiter an seinem líng qì festgesetzt hielt, und er es deswegen nicht hatte regenerieren können. Erst als Lan Zhan seinem yuàn qì, so direkt und in solch einem Maß ausgesetzt gewesen war, könnte dieses letzte Fragment darunter verloschen sein. Am Ende war es jedoch nur Spekulation, aber eine, die nicht gänzlich auf Unlogik basierte, so fand er. Dessen immer noch zu schwaches líng qì war auch der Grund, warum Lan Zhan auch nicht wieder dazu übergegangen war sein Aussehen zu verfälschen. Er konnte zudem weder sein Schwert noch seine Gǔqín materialisieren. Ihm war sofort durch den Sinn gegangen, dass er es in diesem Fall, nicht auch noch mit ihm hätte teilen sollen. Ersparte sich allerdings ihn genau darauf zu verweisen, war anzunehmen, dass dieser ihm nur wieder eine Ansprache über die rechtschaffenden Ambitionen seines Geblüts halten würde. Na, die Damen freute es stets, wenn sie so einen gutaussehenden Herren erblickten. Deswegen hatte sich Lan Zhan auch erneut einen dǒulì (spitzkegeliger Strohhut) zugelegt unter dem er sein Gesicht versteckten konnte. Yi Ling fragte sich wiederholt was es wohl bedurfte, ihn diese Pflicht erfüllt zu sehen, wegen welcher dieser ihm folgte. Sollte er sich nun Hals über Kopf in die waghalsigsten Aktionen stürzen, damit Lan Zhan ihn vor größerem Schaden bewahren konnte? Er war sich sicher das jener lieber heute noch als Morgen diese Angelegenheit bereinigt haben würde wollen. Aber auch wenn er sonst eher ein Händchen dafür hatte in unberechenbare Situationen zu stolpern, war er keine Maid die sich sofort retten lassen musste. Er kam bis jetzt ganz gut allein zu recht. Wenn es nur eine Schuld Begleichung wäre, könnte er sich was einfallen lassen. Er war gut darin sich dramatisch zu geben, wenn es eine Situation erforderte. Wie ein ungeschickter Sturz. Ein passender Abhang, der, sollte es Lan Zhan doch nicht die Mühe wert sein, ihm dennoch nicht gleich das Genick brechen würde, sollte er hinabpoltern, wovor dieser ihn dann heldenhaft bewahren könnte. Oder einen Streit mit ein paar Strolchen provozieren, sobald einer ein Schwert oder Messer ziehen würde, könnte er sich hinter Lan Zhan verstecken, und schon wäre es so als hätte Lan Zhan ihn vor einer tödlichen Klinge geschützt. Er könnte eine Erkrankung vorgeben. Lass ihn ein paar heilende Kräuter für ihn sammeln und tada; ein Leben zurückgezahlt. Nur irgendwie wollte er nicht glauben, dass es Lan Zhan ihm so einfach machen würde. Dieser wirkte eher wie jemand, der erst seine Pflicht erfüllt hatte, wenn er ihn aus den Fängen einer tollwütigen Bā Shé (riesige Schlange die ganze Elefanten verschlingen kann) befreit, oder ihn aus dem Schlund einer Shuǐ Xíng Yuān (waterborn Abyss) gezogen hätte. Alles Szenarien auf die er nicht aus war, sich darin wiederfinden zu wollen. Shī fu (Titel für Lehrmeister) hatte ihn im Training einmal, einen jahrhundertealten Dǎo Shòu (Bestie mit Körper eines Tigers und Gesicht eines Menschen) aufspüren lassen und das war näher an einem weiteren lebensverändernden Trauma als ihm lieb gewesen war. Auf der anderen Seite wollte er ihn aber auch nicht unbedingt in etwas verwickeln, das unvorhergesehenen Schaden anrichten würde, wenn dieser nicht einmal seine Waffe zur Verteidigung nutzen konnte. Lan Zhan einfach bei Nacht und Nebel sitzen zu lassen, war eine Option die ihm auch schon eingekommen war, Doch bei all der Entschlossenheit die diesem inne wohnte, ihm zu folgen, würde er wohl stets und ständig das Gefühl haben ihn im Nacken zu spüren. Und er hatte nicht das Bedürfnis auf diese Art von paranoidem Stress. Yi Ling ließ die Spule weiter über die Schnur zurren, brachte sie ab und zu zum Hüpfen und je öfter es ihm gelang sie wieder einzufangen, umso mutiger wurde er damit. Bàng Hēi´s unerwartetes Krähen brachte ihn jedoch aus dem Konzept, das er der Spule zu viel Schwung gab und sie geradewegs auf Lan Zhan zuflog. Schon die Augen geweitet über dieses Malheur, schnellte Lan Zhan´s Hand trotz geschlossener Augen vor sein Gesicht, wo er das Geschoß ohne weiteres abfing. Yi Ling gab ein beeindrucktes Pfeifen von sich. Lan Zhan´s stechender Blick, der ihm daraufhin zu Teil wurde, ließ ihn schuldbewusst grinsen und er sich darauf theatralisch in eine Verbeugung brachte. „Verzeih oh großer Lan xiān shī, das war wirklich keine Absicht.“ Lan Zhan warf ihm die Spule wieder zurück und schloss seine Augen erneut. Yi Ling fühlte sich alberner Weise genervt von dessen wortloser Akzeptanz und blies die Backen etwas auf. „Du bist wirklich die Langeweile in Person!“, moserte er und warf ihm im Trotz die Spule wieder zu. Nur diesmal lehnte sich Lan Zhan schlicht zur Seite, das sie an ihm vorbei, in das dunkle Unterholz flog, das ihre Raststelle umgab. Yi Ling japste empört über diesen unfairen Akt. Doch er wollte sich nun auch nicht die Blöße geben und danach suchen gehen. Mit einen Schnalzen wandte er sich ein Stück von Lan Zhan ab und kramte etwas aus seinem Beutel hervor, um sich nun damit die Zeit zu vertreiben. Das Rascheln der Seiten des Buches welches er aufgeschlagen hatte, ließ Lan Zhan wieder zu ihm schauen. Yi Ling hatte in der Zeit seiner Genesung, ebenso mitbekommen, dass dieser recht büchervernarrt zu sein schien, hatte er, wenn er nicht meditierte oder sein líng qì mit ihm teilte, auch gesehen, dass dieser seine Nase gern in alle möglichen Schriften gesteckt hielt. Er hatte in kürzester Zeit sämtliche medizinische Ausführungen von Lìn Pòsuǒ studiert und sich sogar mit Büchern über Acker- und Kanalbau befasst. Essen oder Schlafen schien er nur aus dieser aufgekommenen Notwendigkeit heraus zu folgen, die ihm sein schwaches líng qì auferlegte. Lan Zhan überflog den Titel des Buches sichtbar mit seinen Augen. „Lotosblüten auf seidenen Lagen“, las er leise für sich vor und verengte folglich die Brauen in Nachdenklichkeit. „Ein Poesiebuch?“, erkundigte er sich und Yi Ling meinte so etwas wie einen Hauch von Interesse zu vernehmen über diese Möglichkeit. „Wieso? Dachtest du ich wäre derart unkultiviert?“ „Ich nahm nicht an, dass jemand von deinem Temperament Poesie zu seinen Vorlieben zählen würde.“ Yi Ling, schaute übertrieben getroffen. „Natürlich mag ich Poesie.“ Und er räusperte sich darauf wichtig. „Duì jiǔ bù jué míng Luò huā yíng wǒ yī Zuì qǐ bù xī yuè Niǎo huán rén yì xī“ (Facing my wine, I did not see the dusk, Falling blossoms have filled the folds of my clothes. Drunk, I rise and approach the moon in the stream, Birds are far off, people too are few.)   Li Bai (自 遣 – zì qiǎn   Dispel myself) Rezitierte er ausdrucksvoll, bevor er in ein breites Grinsen wechselte. „Na, beeindruckt?“ Lan Zhan verzog keine Miene, aber war wohl nicht weit davon entfernt mit den Augen rollen zu wollen. Der Schalk setzte sich folglich mit Erwartung in Yi Lings Nacken. „Ah, Lan xiān shī schätzt wohl eher Gedichte über gewichtigere Dinge als Wein und trunkene Dämmerstunden.“ Er gab sich offen über diese Feststellung und schmunzelte. „Ich bin somit gern bereit diese tiefsinnige Literatur mit ihnen zu teilen, wenn er sich herablassen würde, mir die Bambusspule wiederzubringen.“ Lan Zhan sah abwägend auf das Buch. Als er sich dann tatsächlich erhob, musste Yi Ling ein erfreutes Feixen zügeln. Was ihm allerdings den Spaß nahm, war der Umstand das Lan Zhan nur einmal in das Dickicht schauen brauchte und mit einem simplen Fingerwink hatte er sein Spielzeug herangerufen. Spielverderber… Man reichte ihm die Spule und wie versprochen tauschte er das Buch dafür. Lan Zhan setzte sich zurück an seinen Platz, das Gesicht blank jeder Regung. Yi Ling beobachtete ihn kindlich erwartungsvoll, als dieser das Buch aufschlug. Ein Wimpernschlag und Lan Zhan´s starre Fassade wechselte von peinlich berührter Entrüstung, zu Unmut, welchen er direkt auf ihn fixiert hielt, gepaart mit deutlich roten Ohren, ob nun aus Ärger oder Verlegenheit, und Yi Ling nicht anders konnte als einfach nur in haltloses Gelächter auszubrechen, je erboster dieser zu werden schien. Dabei war er noch nicht einmal zu den besten Bildern dieses schlüpfrigen Heftchens gekommen. Und das würde er auch nicht mehr, konnte er nur mit Schrecken verfolgen, wie Lan Zhan es ins Feuer warf und sogar noch etwas seiner spärlichen spirituellen Energie opferte, um die Flammen soweit anzufachen das nichts mehr zu retten war. „Lan Zhan! Nur weil du so ein prüdes Stück Eiswüste bist, musst du deinen himmlischen Jungfrauen-Frust nicht an meiner wertvollen Bettlektüre auslassen.“, motzte er beleidigt, gefolgt von einem Aufschrei des Entsetzens als man ohne mit der Wimper zu zucken, mit einem weiteren Funken líng qì nun auch noch seine chě líng (Diabolo) in Brand steckte. Ah, was für ein Abend voller Verluste… Kapitel 10: ------------ Sie hatten über ihre Reise, von der auch Yi Ling ihm nicht sagen konnte, wohin sie führte, eine größere Stadt erreicht, und dieser gemeint, das ihm das Geld knapp geworden sei und es Zeit wäre, sich etwas dazuzuverdienen. Wangji selbst war nicht unbedingt darauf angewiesen, störte er sich nicht daran unter freiem Himmel zu schlafen und sich sein Essen, wenn es ihn danach verlangte, selbst zu fangen oder zu suchen. Doch konnte auch er nicht abstreiten, dass es ohne seine himmlischen Kräfte, ab und an schon angenehm war, sich erholen zu können, ohne stets darauf Acht geben zu müssen, was um einen herum passierte. Doch in so einem Fall, wollte er auch selbst für die Kosten aufkommen können. Er hatte sich Yi Ling schließlich aus eigenem Ermessen angeschlossen. Er überlegte was er tun könnte, dass man ihn dafür bezahlen würde wollen, dass er Yi Ling schlicht die Straßen entlang folgte, welche um diese Zeit von leuchtenden Laternen gesäumt waren, war der Abend bereits angebrochen. Im Nachhinein hätte es ihm ein Zeichen sein sollen, dass es so ungewohnt still von dessen Seite her war, konnte dieser doch sonst seinen Mund kaum halten. Erst als eine Dame mit einem zu tief gesetztem Ausschnitt ihres Gewandes in seine Sicht trat, wurde er sich seiner Umgebung wieder deutlicher bewusst. Yi Ling war jedoch nirgendwo zu sehen. Besagte Dame schenkte ihm ein kokettes Lächeln und rückte ihre Reize noch etwas deutlicher zurecht, dass er einen irritierten Blick auf das Viertel warf, welches sie betreten hatten. Die roten Laternen und die Anzahl anderer, provokativ gekleideter Frauen, mit dem typischen Lärm von Trinkfreudigen ließ ihn zur Erkenntnis kommen. Ein Amüsierviertel. Er wusste von ihrer Existenz, war er über seine Wanderschaft auch in anderen Städten schon an ihnen vorbei gekommen. Doch betreten hatte er bis jetzt nie eines, bestand nicht ein triftiger Grund für solch eine Frivolität. Und da er wohl etwas zu überfordert wirkte, nutzte die Dame ihre Chance und schlang sich um einen Arm von ihm, mit dem Versprechen ihm eine gute Zeit bereiten zu können, wenn er ihr folgen würde. In ihrem Taumel rempelten ihn zwei Trunkenbolde an, das ihm sein dǒulì (spitzkegeliger Strohhut) vom Kopf rutschte und zu Boden ging, sie aber noch den Anstand besaßen sich zu entschuldigen bevor sie weiterschwankten. Dann wurde er auch wieder daran erinnert, warum er sich diesen Hut in erster Linie zugelegt hatte, fand er nun nicht nur einen interessierten Blick auf sich ruhen. Er vernahm die verzückten Laute der anderen Damen und sah sich darauf mit einem kleinen Schwarm von ihnen konfrontiert, und jede versuchte ihm davon zu überzeugen, dass er mit ihr den besten Fang für die Nacht machen würde. Es ließ ihn eine unangenehme Wärme in sich aufkommen spüren, wie auch eine Unbeholfenheit mit der er nicht umzugehen wusste. Doch da es unziemlich war, sich mit groben Gesten von diesen Offerten zu distanzieren, konnte er nur versuchen sich so uninteressiert wie möglich zu geben. Ein Plan der nicht wirklich Erfolg zeigte. Hatte ihn Yi Ling absichtlich hier her geführt, weil er genau wusste, dass er ihn hier würde abschütteln können? Womöglich um seine eigenen Gelüste befriedigen zu lassen? War das die Rache dafür, dass er diese anzügliche Literatur, wenn es diesen Namen überhaupt verdiente, ruiniert hatte? Der Geruch von zu süßem Parfum und Puder ließen ihn sich nur noch unwohler fühlen, dass er nur noch nach seinem Hut greifen wollte, um dieses Viertel so schnell wie möglich wieder zu verlassen. „Ladies, Ladies…“, drang Yi Lings heitere Stimme zu ihm heran und er seinen Kopf ruckartig in dessen Richtung drehte. Dieser schob sich an den Damen vorbei, bis er an seiner Seite auftauchte und zu seiner weiteren Verwirrung sich um seinen anderen Arm klammerte. „Tut mir leid, aber er hier gehört zu mir.“, säuselte er und streifte ihm dann sogar mit einer Hand über die Brust, auf das Yi Ling ihn mit einem lasziven Ausdruck ansah. „Stimmt doch, oder Lan Zhan?“ Dieser schmiegte sich noch etwas inniger an ihn. Lan Zhan verspürte ein leichtes Zwicken in seiner Seite. „Oder?“ Yi Ling schaute ihn nun mit großen, schmachtenden, nachdrücklichen Augen an. Wangji mochte verstehen, was dieser gedachte mit seinem Akt zu erreichen, doch fühlte er sich wahrlich nicht besser darunter darin mitzuspielen. Er seufzte innerlich und hoffte seine Ahnen mögen ihm ihren Zorn ersparen. „Mn, ich versprach dir auf allen Wegen zu folgen.“, erwiderte er, Yi Ling´s Blick versucht überzeugend zu imitieren. Da es eh schon ein Desaster war, strich er Yi Ling eine seiner langen Haarsträhnen sachte hinter das Ohr. Dieser strahlte zugetan, gefolgt von dem enttäuschten Raunen der Damen, die sich nun wieder von ihnen zurückzogen. Wangji war schon dabei sich dessen Halt rasch wieder entziehen zu wollen, als Yi Ling diesen verstärkte. „Ertrage es noch einen Moment.“, wisperte dieser ohne sein falsches Lächeln zu unterbrechen, während er ihn mit sich weiter die Straße entlangführte, bis sie in einer dunkleren Gasse haltmachten. Erst dann ließ er ihn wieder frei. Das folgende Grinsen jedoch voll mit Schamlosigkeit. „Wer hätte gedacht, dass der große Lan xiān shī (immortal Master), doch nicht so ein Prinzipienreiter ist. Ich gebe zu, es war erfrischend in seiner Ungewohntheit.“ Wangji ignorierte dessen Amüsement auf seine Kosten und schaute sich um. „Wo sind wir hier?“, erkundigte er sich, wirkte diese Ecke doch schon recht zwielichtig, mit dem schwachen Licht und den lungernden Gestalten, die nichts Gutes erahnen ließen. „Ich musste mich erst etwas umhören, aber man sagte mir, dass es hier ein wenig Geld zu machen gibt.“ Wangji hob skeptisch eine Augenbraue. Sein Argwohn zu dieser Aussage sollte auch nicht lange unbegründet bleiben. Yi Ling gab zu, das es vielleicht nicht seine beste Idee gewesen war, jemanden wie Lan Zhan zum Glücksspiel mitzuziehen. Zwischen geschäftigen tiān jiǔ (1) Spielen und dem Dunst aus Schweiß, Tabak und Alkohol, hatte er ihnen einen Platz an einem der niǔ tiān jiǔ (2) Tische gesucht. Lan Zhan eine missbilligende Präsens an seiner Seite. Nun, da dieser ihm ja unbedingt folgen wollte, musste er sich eben damit abfinden, dass solche Abstecher mit inbegriffen waren, hatte er sich ebenso geweigert draußen zu warten, als dieser ihm seinen Unmut über seine Art Geld zu beschaffen mitgeteilt hatte. Vielleicht hätte er ihn doch den eifrig werbenden Damen überlassen sollen. Dessen Gesicht, als er ihn vorhin von ihnen umringt gesehen hatte, war doch recht belustigend gewesen. Das dieser mit fleischlichen Gelüsten nichts anzufangen wusste, ließ ihn beinahe Mitleid empfinden, schien es generell nicht viel zu geben, was dieser als Spaß bezeichnen würde. Man setzte nun die rechteckigen Steine in gleichen Stapeln in die Mitte des Tisches und das Spiel begann, indem er den ersten davon mit der Punktseite nach oben legte. Es war die dritte Runde die er verlor, als er Lan Zhan dabei beobachten konnte, wie dessen Gesicht einen Ausdruck annahm, dem etwas zu Rechtschaffendes anhing, das er dessen Handgelenk ergriff und sich zu ihm lehnte. „Immer mit der Ruhe.“, wies er ihn an. „Dieses Spiel geht nicht mit rechten Dingen zu.“, ließ dieser in einem etwas zu lauten Murren und mit einem herausfordernden Blick auf Yi Ling´s Gegenüber wissen. Yi Ling tätschelte ihm die Hand, bevor er sich wieder dem Spiel zuwandte. „Ich hab nur kein rechtes Glück, das ist alles. Nicht wahr?“ Er grinste seinen Spielgegner unbedarft an. „Sieht so aus.“, grunzte dieser knapp und abtuend, dass man Schummelei bei ihm gewittert haben könnte und begann die nächste Runde. (1)tiān jiǔ - Überbegriff für bestimmte Art von Glücksspielen (wörtlich übersetzt; Himmel und Neun) (2)niǔ tiān jiǔ - wird mit Steinen, ähnlich des Domino, gespielt (wörtlich übersetzt; Umwenden von Himmel und Neun) Es war stets eine Genugtuung, dachte Yi Ling für sich, als er die Münzen mit einer Hand von der Tischplatte in seinen Geldbeutel schob und diesen mit einem zufriedenen Lächeln wieder verschnürte. „Wer hätte gedacht, dass es doch noch so gut laufen würde.“, meinte er darauf an Lan Zhan gerichtet. Das missmutige Starren des Verlierers ignorierte er absichtlich. Jemanden mit seinen eigenen Waffen zu schlagen brachte einen ganz eigenen Kitzel mit sich und das Gute in dieser Situation war, das man ihnen nicht einmal etwas vorwerfen konnte, würde man nur selbst auffliegen lassen, dass das Spiel von vornherein gezinkt gewesen war. Mit einer verabschiedenden Geste in die Runde erhob er sich, und Lan Zhan folgte wortlos. Es war ebenso nicht ungewöhnlich, dass man bei einem größeren Verlust versuchte das Geld auf anderem Wege wieder zurückzuholen. Die vier Gestalten die ihnen folgten, nachdem sie die Gasse verließen, waren wenig subtil in ihrer Absicht, doch tat Yi Ling weiterhin ahnungslos und schwatzte auf Lan Zhan ein, als dieser plötzlich stehen blieb und sich in einer fließenden Bewegung umdrehte, um die vier Kerle mit einem kalten Blick zu fixieren. Yi Ling seufzte ergeben, hatte er gehofft Lan Zhan mit seinem Gerede soweit abzulenken, das ihm ihre Verfolger entgehen würden. Doch wem machte er da was vor? Selbst ohne volle Kräfte, war dieser immer noch auf einem anderen Level angesiedelt als der einfache Straßenschläger. Diese zeigten sich jedoch wenig beeindruckt über dessen Mut. Was Yi Ling nun allerdings nicht riskieren wollte war, dass dieser etwas tat das unnötige Aufmerksamkeit auf sie ziehen würde. Es waren genug Leute um sie herum unterwegs, das jegliche Auseinandersetzung Blicke darauf ziehen würde. Er hatte wenigstens gehofft sich in einer der dunklen Seitengassen um sie kümmern zu können, wo es niemanden gleich auffallen würde. „Ihr hab da was, was dem Boss gehört.“, meinte der am kräftigsten Gebaute des Trupps. Eine auffällige Narbe zog sich längs über seine Stirn, dass Yi Ling schon der Kommentar entweichen wollte, ob man versucht habe ihm mal ein Gehirn zu verpassen. Aber das wäre nur Öl fürs Feuer. Ein anderer, etwas untersetzter Kerl ohne Haare legte eine Hand an den Griff des Messers an seinem Ledergürtel, gefolgt von einem widerlichen Spucken zur Seite. Er war sicherlich nicht der Einzige mit einer Waffe, aber so lenkte man die Aufmerksamkeit eines ungeschickten Opfers vorerst auf diese eine, sichtbare Warnung. Yi Ling war dabei den Kopf zu schütteln, als Lan Zhan ohne weiteres Zögern auf die Kerle zuging, und ihm damit ein etwas überrumpeltes Japsen entlockte. „Und was ist es das eurem Meister gehört?“, fragte dieser herausfordernd und selbstsicher, dass es die Kerle sofort aufstachelte und sie ihn einzukreisen versuchten. Versuchten deswegen, weil sie sich im nächsten Moment schon vor Schmerzen krümmend am Boden wiederfanden, ohne dass einer von ihnen auch nur mehr als ein perplexes Keuchen hatte von sich geben können über diese Wendung. Lan Zhan hatte sie innerhalb eines Fingerschnippens mit einer gezielten, und äußerst effizienten Schlagtechnik handlungsunfähig gemacht. Selbst Yi Ling blinzelte kurz etwas verblüfft. Das war in der Tat beeindruckend. Es war gut zu wissen, dass dieser sich auch auf die Kampfkünste ohne Schwert verstand, was Yi Ling innerlich eine Notiz machen ließ, Lan Zhan in Zukunft vielleicht doch nicht gar so penetrant zu necken oder zu nerven. „Ich denke die Rechnung ist damit beglichen.“, hörte er diesen in einem kühlen, warnenden Ton sagen, bevor er sich abwandte und darauf auch an Yi Ling vorbeizog, der ihm mit einem breiten Grinsen nachfolgte. „Das war so männlich, das ich ganz weiche Knie bekommen habe.“, meinte er als er sich dann auch bei diesem einhenkelte, und seinen Kopf an dessen Schulter legte. „Unterlasse diesen Unsinn.“, knirschte Lan Zhan mit den Zähnen, und unternahm einen nachdrücklichen Versuch ihn wieder loszuwerden. „Oh, dann möchtest du also doch die Nacht mit ein paar der Damen hier zubringen?“, erinnerte er ihn daran, wo sie sich noch immer befanden und verfolgte mit Vergnügen, wie dieser sich zu besinnen schien. „Muss es dennoch derart schamlos sein?“, hinterfragte er sein Verhalten zurechtweisend und gab zumindest für den Moment auf, ihn wie ein lästiges Insekt abschütteln zu wollen. „Lan Zhan, Lan Zhan. Du hast ja keine Ahnung, wie schamlos ich wirklich sein kann.“ Und ah, er würde nie müde werden diesem hübschen, störrisch anmutenden, Gesicht dabei zuzusehen, wie es doch zu so etwas wie Emotionen fähig war. In diesem Fall; unheilschwanende Verlegenheit. Yi Ling sagte nichts weiter, zwinkerte ihm nur verstohlen zu und zog ihn zum nächsten Lokal, um sich einen verdienten Krug Wein und etwas Gutes zu Essen zu gönnen. Als er sich über das warme und kindlich überschwängliche Gefühl, das der Alkohol in ihm ausgelöst hatte, dachte, das Lan Zhan wirklich etwas lockerer werden könnte, während er seine Weinschale mit dessen Schale Wasser tauschte, hatte er nicht gedacht, dass es damit enden würde, das er dessen unkooperativen Körper durch die Nacht schleppen würde dürfen. Eine halbe Schale Wein! Eine halbe Schale Wein und es hatte den großen Lan xiān shī komplett ausgezählt. Womöglich lag es aber auch an dessen geschwächten goldenen Kern, dass er so anfällig darauf reagiert hatte? Wie dem auch sein mochte… Er war wirklich müde, hatte er die letzten Nächte kaum geschlafen. Zwei Nächte lang, war es der Regen gewesen, der ihm das Übernachten unter freiem Himmel ungemütlich gemacht hatte. Zum anderen war Lan Zhan jemand der das Schlafen derart militärisch vollzog, dass dieser immer schon aktiv war, wenn er sich noch im Schlaf drehte. In letzter Zeit war es ihm auch stets so, als würde dieser ihn im Schlaf beobachten. Er dessen eindringliche Blicke auf sich ruhen spürte, wie etwas Physisches. Es machte ihn wahnsinnig! Doch sobald er seine Augen aufschlug, war nichts mehr davon zu merken. Lan Zhan kümmerte sich entweder um das Feuer, oder las ein Buch, welches er sich in einer der letzten Ortschaften zugelegt hatte. Oder er meditierte. Seiner aufziehende Frage, ob er nicht genug von seinem attraktiven Gesicht bekommen könnte, sich aber nur traute ihn anzuschauen wenn er schliefe, wurde mit einem abwertenden Blick, begegnet. Und nun auch noch das hier… Yi Ling raunte unglücklich über sein Los und seine, nach hinten losgegangene, Albernheit. Warum war dieser Kerl auch so schwer? Man könnte meinen er wäre aus purer Jade! Sein eigener, leichter Alkohol-Dusel ließ ihn einen Blick auf Lan Zhan werfen, empfand er diese Möglichkeit in Bezug auf dessen Abstammung und der immer noch unwirklich anmutenden Ansehnlichkeit, gerade gar nicht so abwegig. Lan Zhan´s dǒulì hing komisch schief auf dessen Kopf und Yi Ling lachte angeheitert. Zog ihm diesen dann aber herunter und setzte ihn sich selbst auf. Dann festigte er den Halt um dessen Arm, der über seine Schultern gelegt war und an der Hüfte des anderen und rückte ihn sich etwas zurecht. Es war ebenso dumm gewesen, sich nicht schon ein Zimmer für die Nacht gesucht zu haben, stand außer Frage, dass er ihn zurück zu einer der Herbergen außerhalb des Viertels buckeln würde müssen. „Ich hatte wirklich nicht vor auf der Straße zu schlafen.“, murrte er und fragte sich, warum er es nun wieder war, der auf den anderen aufpasste. So war das definitiv nicht gedacht gewesen! Naja, dass er nicht ganz unschuldig an dieser Situation war, konnte er nicht abstreiten und es entlockte ihm ein erneutes, langgezogenes Raunen. Wer konnte auch ahnen, dass der himmlische Herr so sensibel auf etwas menschgemachten Wein reagieren würde. „Uhm, entschuldigen sie xiàng gong (junger Gentleman), ich kam nicht umhin ihr Problem mitzuhören.“ Yi Ling schaute auf die unsicher wirkende Frau, die ihn gerade angesprochen hatte und er erkannte sie von vorhin wieder. Während er sich nach einem Ort für Glücksspiele ungehört hatte, hatte er erleben müssen, wie einer dieser überheblichen, besserbetuchten Schnösel, sie sich grob aus dem Weg stieß und auf ihr zu Boden stürzen nichts weiter als abfällige Worte von sich gab. Niemand machte sich die Mühe ihr wieder aufzuhelfen, bis er zu ihr herangetreten war. Yi Ling  hasste solch ein Verhalten zutiefst, waren diese Frauen trotz ihres Gewerbes, Menschen wie sie alle auch, und nicht nur Objekte um sexuelle Triebe zu befriedigen. Gut das der Kerl schon in der Menge verschwunden war, sonst hätte er ihm noch ein paar Worte zu sagen gehabt. Oder auch einen kleine Fluch an ihn geheftet. Er lächelte ihr zu, wenn auch etwas müde. „Ja, mein Freund hier verträgt nicht viel, wenn es um das Weintrinken geht.“ Sie schaute mitfühlend auf den Mann in seinem Halt, als sich ihre Augen etwas weiteten und sich ein Rotschimmer auf ihren Wangen zeigte. „Oh, die Mädchen haben wirklich nicht übertrieben.“, meinte sie mit einem gebannten Blick auf Lan Zhan und für ihn etwas zusammenhangslos, worauf sie sich wieder an ihn wandte und noch etwas verlegener erschien auf seinen fragenden Blick. „Uhm, ich hörte wie die anderen Mädchen über einen unglaublich attraktiven Herren sprachen, der ein Stirnband trug, und welcher heute Abend hier aufgetaucht wäre. Auch wie enttäuscht sie waren, dass dieser leider den männlichen Reizen zugetan sei.“ Sie schien sich zu besinnen, worüber sie gerade gesprochen hatte und haspelte folglich mit Worten der Entschuldigung, sollte sie ihnen zu nahe getreten sein, dem Yi Ling mit einem kurzen Lachen begegnete. „Schon in Ordnung. Wir zwei, sind in der Tat, ein ungewöhnliches Paar.“ Er hätte sie berichtigen können in ihrer Annahme, doch wenn ihr Ruf eh schon die Runde gemacht hatte, war es ihm die Mühe nicht wert. Sie würden eh schon morgen wieder weiterziehen. Von daher. „Wenn…wenn es sie nicht stört, könnte ich versuchen ihnen ein Zimmer in unserem Haus zu besorgen. Als Dank für vorhin.“, bot sie ihm an und Yi Ling brauchte nicht lange zu überlegen, wollte er wirklich nur noch in ein Bett und darin schlafen. „Weißen sie den Weg gū niang (junge Dame).“, meinte er und entlockte ihr damit ein leichtes Lachen. „Entweder sie sind wirklich ein ungewöhnlich höfflicher Herr oder zu unbedarft was den Umgang in solch einem Viertel anbelangt.“, gab sie amüsiert wieder. „Diese Art von junger Dame werden sie hier nicht finden.“, zwinkerte sie ihm folglich noch zu, und führte ihn zu dem Gebäude gegenüber das sich „Gelbe Kamelie“ (im.jap. Symbol für Sehnsucht) nannte. Sie entschuldigte sich kurz, um die Chefin des Hauses zu informieren, das Yi Ling den Moment nutzte Lan Zhan vorerst gegen einen der Pfeiler des Eingangsbereiches zu lehnen, dass er seine verspannten Muskeln wieder etwas dehnen konnte. Eine Frau mittleren Alters, mit attraktiv geformten, rot-gefärbten Lippen, in einem ebenso Rot gehaltenen Gewand, das ihre fraulichen Kurven unterstrich, erschien aus dem hinteren Raum und beäugte sie deutlich abmessend. Yi Ling war klar, dass diese Establishments nicht dazu dienten ihre Zimmer an Leute zu vergeben, die nicht vor hatten ihr Geld bei einem ihrer Mädchen zu lassen. Er verbeugte sich dennoch höflich, was sie ein kurzes, ungläubiges Schnaufen von sich geben ließ. „Ich bin mir nicht sicher, ob dies eine Geste aus Spot gewesen sein soll, oder ob A-Jí tatsächlich Recht hat und sie schlicht zu unbedarft. Allerdings glaube ich nicht das unbedarft für sie das richtige Wort wäre.“ Sie schaute abwertend, erst zu ihm, dann auf Lan Zhan, um dessen Hüfte er noch einen Arm gelegt hielt, damit dieser ihm nicht umkippen würde. Yi Lings folgendes Lächeln war weder ehrlich noch freundlich. Wer sich als duàn xiù zhī pǐ (cut sleeve) preisgab, hatte es nicht einfach. Aber auch wenn es für sie nur einen Deckmantel dargestellt hatte, so war er niemand der jemanden für den Weg Liebe finden zu wollen, verurteilen würde. Dieses Stück Menschlichkeit konnte er getrost noch sein Eigen nennen. Und wer wusste es schon?, gab ihm sein etwas taumeliger Geist vor. Vielleicht würden er und Lan Zhan auf einer anderen Ebene der Zeit, in einem anderen Fragment der allmächtigen Schöpfung, sogar als Liebende zusammenfinden! Er verzog innerlich nun doch zweifelnd das Gesicht. Es müssten wohl extrem willige und schicksalhafte Umstände sein. Er glaubte nicht, das es eine Realität geben würde, wo dieser ihm nicht am liebsten wie ein Bündel Reisstroh verschnüren und in den höchsten Baum hängen würde wollen, sobald er auch nur den Mund aufmachte. „Nun gut, wenn dies alles ist, werden wir uns eine andere Bleibe suchen müssen.“ Er verbeugte sich erneut. Es würde ihnen nichts als Ärger bringen sich angefeindet zu zeigen. „Na, komm xiǎo tù zi (kleiner Hase).“ Er zog Lan Zhan wieder an sich. Es war purer Trotz der ihn den Moment ebenso ausnutzen ließ, um sich offen zutraulich mit seinem angeblichen Geliebten zu geben, um zu zeigen das er über solchen Feindseligkeiten stand. Lan Zhan nutzte genau diesen Augenblick, um seinen Kopf auf Yi Lings Schulter zu rollen und sich mit dem Gesicht in dessen Halsbeuge zu schmiegen und ein leises, versonnenes Raunen von sich zu geben. Es war derart unerwartet und so gar nicht Lan Zhan typisch das Yi Ling, anstatt sich peinlich berührt über diese trunkene Marotte des anderen zu fühlen, schlicht etwas auflachte und ihm die etwas in Unordnung geratenen Haare wieder zurechtstrich. Yi Ling war schon im Begriff, sie wieder nach draußen zu bringen, als eine weitere Frau, in einem zart türkisfarbenen Gewand, hinter der Herrin des Hauses auftauchte. Jünger und mit intensiven Augen in einem makellosen, zarten Gesicht, dessen heller Teint nicht von Puder zu kommen schien. Eine elegante yān dài (schlanke chin.Tabakpfeife), an welcher ein silberner Anhänger in Form eines Fuchses schaukelte, zwischen ihren vollen Lippen deren Rot satt und doch natürlich anmutete. Sie setzte der Herrin darauf einen Kuss in den Nacken, während sie sie von hinten umarmte. Es war ein Akt der liebevoll und ehrlich erschien. Dann lächelte man über deren Schulter ihnen zu. „Nun lass sie nicht so zappeln, qīn ài de nǐ (mein Liebling).“, meinte diese zu der Frau ihn ihren Armen, die darauf ergeben durchatmete und sich etwas nach hinten lehnte, kurz die Augen schloss. „Sie sind deine Verantwortung.“, meinte diese dann und straffte sich wieder. Mit einem letzten Blick zu ihr, der einen Austausch unausgesprochener Worte darstellte, verschwand sie wieder nach hinten. Die zweite Dame schlenderte mit einem grazilen Hüftschwung auf sie zu. „Mein Name ist Báiwù “, stellte sie sich vor und Yi Ling kam nicht umhin etwas Ungewöhnliches an ihr auszumachen. Doch wurde er von diesem Gedanken abgelenkt, als sich Lan Zhan zu regen begann und es so aussah als wolle er endlich wieder auf seinen eigenen zwei Füßen stehen wollen. Jedoch schaute er noch immer recht benommen, was annehmen ließ, das er fern von nüchtern war. „Uhm, mein Name ist Yi Ling.“ Er deutete auf sich. „Und dieser charmante Herr hier, ist Lan Zhan.“, erwiderte er die Etikette und man schenkte ihnen ein kurzes Schmunzeln. „Hier entlang.“, gab Báiwù ihnen vor, doch hatte Yi Ling kaum einen Schritt getan, da packte ihn eine Hand an der Schulter, auf das er fragend hinter sich blickte. Lan Zhan rückte so nahe zu ihm auf, das er dessen Körpergewicht merklich in seinem Rücken spürte und es ihn etwas überrascht nach vorn schob. „Trag mich.“, hörte er darauf Lan Zhan in einem trotzigen Ton verlangen, der eher zu einem kleinen Kind gehörte. „Sicher nicht. Hast du eine Ahnung wie schwer du bist?“ Dieser ließ sich nicht beirren. Stattdessen zupfte er ungeduldig an Yi Ling´s Robe herum, immer noch den verbohrt wirkenden Ausdruck des nicht Kleinbeigebens auf seinen sonst so geschulten Zügen. „Trag mich.“, meinte er abermals, doch nun etwas bestimmter, das Yi Ling nicht wusste, ob er über diese Situation lachen oder fluchen sollte. „Lan Zhan! Du wirst diese wenigen Schritte schon selbst schaffen, ich…“ Er kam nicht weiter in seiner Rede, legte ihm Lan Zhan nun beide Arme über die Schultern, und verschränkte diese vor seiner Brust. „Trag mich… du hast mich immer getragen…“, nuschelte dieser viel zu nahe an seinem Ohr und mit vehementer Kraft in seinen Armen die, da war sich Yi Ling sicher, sich nicht so einfach wieder lösen würden. „Ja, aber da warst du noch…klein und flauschig“, konnte er sich noch verkneifen, schaute und hörte ihnen Báiwù mit einem fragenden Blick zu, während sie wartete. Lan Zhan gab ein widerwilliges Murren von sich, als sich Yi Ling noch immer nicht in Gang gesetzt hatte ihn aufzuhucken, das er letztendlich resigniert mit den Augen rollte und sich soweit vorbeugte das er dessen Kniekehlen zu fassen bekam. Mit einem Stöhnen richtete er sich wieder halbwegs auf und folgte Báiwù schließlich nach. Natürlich machte man es ihm nicht einfacher, indem er folglich noch eine schmale Treppe hinauf ächzen durfte, während der große Lan xiān shī doch tatsächlich wieder eingeschlafen zu sein schien. Wenn Yi Ling von sich selbst nicht wüsste, dass er ein permanenter Langschläfer war, würde er noch diese Nacht den Plan in die Tat umsetzen, sich klangheimlich aus dem Staub zu machen. Sie erreichten schließlich das Zimmer, das man ihnen überlassen wollte. Das Bett war groß genug für zwei und er definitiv zu geschafft, um sich noch um etwas anderes zu kümmern. Etwas unzeremoniell ging er daneben in die Knie damit er seine Fracht darauf ablegen konnte. Vorausgesetzt besagte Fracht würde endlich wieder von ihm ablassen. Stattdessen kippte er unter einem überforderten Quieken mit ihm nach hinten, als dieser ihn einfach mit sich zog und dabei fast noch erwürgte. „Lan Zhan…“, japste er wirklich fast am Ende mit seinen Nerven für diesen Abend, und wand sich mit etwas Anstrengung und einer reichlich zerzausten Frisur aus dessen Fängen. „Das machst du doch mit Absicht.“, murrte er und erhob sich. Báiwù  hatte dem ganzen Schauspiel offensichtlich zugesehen, stand sie noch immer in der Tür als er sich wieder umdrehte. Jedoch hatte ihr Ausdruck nun etwas Kühles und in ihren Augen lag etwas Stechendes. Er war dabei sich zu erkundigen, ob noch etwas sei, als diese auf ihn zu trat, einen langen Zug von ihrer Pfeife nahm, nur um völlig unerwartet ihre Lippen auf den Seinen zu spüren, den merkwürdig süßlich schmeckenden Dunst ihres Rauchkrautes auf seiner Zunge, als sie ihm diesen einflößte. Dann trat sie schließlich wieder von ihm zurück und lächelte in einer Art der Zufriedenheit. „Eine kleine Aufmerksamkeit des Hauses.“, hörte er sie sagen, doch klang es wie aus der Ferne, auf das ihn ebenso ein Schwindelgefühl erfasste. Ah…verdammt, dachte er für sich, als ihm bewusst wurde, dass er in seiner Müdigkeit doch zu unvorsichtig gewesen war, und er hin zum Bett stolperte, wo Lan Zhan weiterhin schlief. Ein Blick zu Báiwù, deren Augen nun denen eines Raubtieres glichen, in ihrer lehmigen Farbe und mit den länglich schwarzen Pupillen, ließ gefahrverheißendes erahnen. Er wandte sich von ihr ab, und rüttelte stattdessen kräftig an Lan Zhan´s Schulter, um ihn wach zu bekommen, doch fühlte er sich mehr und mehr benommen, das er schließlich nur neben dem Bett zusammensinken konnte. Das leichte, zynische Auflachen von Báiwù, das letzte was er für sich wahrnahm. Als Yi Ling wieder zu sich kam, war es Dunkel um ihn herum und die Luft angefüllt mit diesem süßlichen Rauch, mit dem man ihn auch ausgezählt hatte. Er stöhnte leidlich. Sein Kopf schmerzte, wie auch seine Schultern, hatte man ihm die Arme nach hinten gezogen, stand er mit dem Rücken gegen einen Pfeiler, wo man auch seine Hände dahinter gefesselt hatte. Es gab keine Lichtquelle, dass er nicht sagen konnte, wo genau man ihn hingebracht hatte. Er fühlte sich träge durch den Rauch, der sicherlich auch genau das bezwecken sollte und für den Moment machte er sich auch nicht die Mühe etwas versuchen zu wollen. Er gab ein ergebenes Raunen von sich. Wer hätte auch erahnen können, gerade hier auf eine hú jīng (yāoguài in Gestalt einer Fuchs-Frau) zu treffen? Warum sie ihn allerdings hier her verschleppt hatte, war ihm nicht ganz ersichtlich. Es gäbe nichts an ihm was dieser von Nutzen sein könnte, besaß er weder Geld noch Einfluss der dieses einbringen würde. Es machte auch nicht gerade den Anschein, dass sie sexuelles Interesse an ihm gefunden zu haben schien, es sei denn sie hatte eine recht eigenwillige Art dies zu zeigen. Dennoch war sie vorsichtig genug, ihn mit ihrer geistvernebelnden Kunst handlungsunfähig halten zu wollen. Ein Leichtes, wenn er nicht gerade der wäre der er war. Er zog einmal prüfend an seinen Fesseln, die straff genug gebunden waren, dass es kaum möglich erschien. Dennoch wären sie kein wirkliches Hindernis, wenn er denn entkommen würde wollen. Wenn! Es mochte vermessen sein, aber vielleicht war dies eine Gelegenheit schon einmal die erste Hälfte einer Wiedergutmachung aufzulösen. Dass es Lan Zhan soweit gut ging war erleichternd zu spüren, hatte man es wohl wirklich nur auf ihn abgesehen. Wenn dieser die Zeichen richtig zu deuten vermochte, und tatsächlich an seinem Eid festhielt, sollte es nicht mehr bedürfen als hier abzuwarten. Vorausgesetzt man nahm sich seiner nicht vorher noch einmal an. Aber soweit es ihm möglich war, hörte er nur das leichte Ächzen von hölzernen Dielen und den Gesang einiger Vögel. Hatte man ihn womöglich aus der Stadt herausgebracht? Allerdings konnte er nicht mehr als 2 lǐ (etwas über 1km) weit weg von Lan Zhan sein, war der dünne Faden spiritueller Energie, welchen er zwischen ihnen befestigt hatte, bevor er ohnmächtig wurde, noch intakt, und dies die exakte Reichweite die er damit überbrücken konnte. Das regelmäßige aber etwas schläfrige Pulsieren das er von Lan Zhan´s Qi darüber empfing, ließ annehmen, dass dieser noch nicht wieder aufgewacht war. Dessen Gesicht, wenn er mitbekommen sollte, wo er die Nacht verbracht hatte, hätte er schon zu gern gesehen, brachte ihn allein der Gedanke daran zum Grinsen. Kapitel 11: ------------ Als Wangji erwachte, fühlte er sich ungewohnt steif und unausgeruht, dass es ihn irritiert die Augenbrauen zusammenziehen ließ, über diesen, seinen Zustand. Verwunderlich war ebenso, dass er in seiner kompletten Gewandung genächtigt hatte, etwas das, wenn er schon in solch einer Herberge unterkam, normalerweise nicht tat. Was sollte ihn dazu bewogen haben? Doch egal wie sehr er sich anstrengte seine Erinnerung zurück zu rufen, kam er nicht weiter, als sich mit Yi Ling in einem Gasthaus eingefunden zu haben. Wangji schaute sich seine Umgebung eingehender an. Das Zimmer war ausreichend ausgestattet. Es gab ein Regal mit einigen Büchern und in einem schwarz lackierten Holzständer, sah er eine pípa (chin. Saiteninstrument, ähnlich einer Laute) untergebracht. Ebenso einen Bronze-Spiegel über einem kleinen Tisch, auf welchem sich ein Tintenstein, Pinsel und Pergament befanden. Wie auch ein paar Schmink-Tiegel und zierliche Porzellanfläschchen. Einen Sichtschutz, der die Privatsphäre beim Umkleiden ermöglichte. Das auffälligste allerdings, war das Bett. Es war größer als er es von anderen Unterkünften her kannte. Mit mehr Kissen in seidenen, bunten Hüllen, als es notwendig wäre. Rote Schleier zogen sich um das Bett herum, die die Sicht darauf leicht obskur halten würden, wären sie komplett zugezogen. Es erschien unnötig überladen für ein simples Gästezimmer. Das kleine Fenster, das dem Raum zugehörte, zeigte, dass der Morgen bereits angebrochen war, worauf er sich erhob und zu diesem hinüber ging; es aufschob. Ein Blick hinaus zeigte ihm einen Hinterhof und zwei junge Frauen, die einen kleinen Zuber mit Wasser füllten. Sie waren nur ihn ihren Unterkleidern und schwatzten in einem verhaltenen Ton, der sich der Stille des Morgens anpasste. Mit reichlich peinlicher Berührtheit trat er von dem Fenster wieder zurück, als sich die Frauen ihre Roben abstreiften und sich zu waschen begannen. Schamlos… Mit dem Zurechtrücken seiner Kleidung, und dem Prüfen seines Stirnbandes, verließ er das Zimmer. Es war anzunehmen, dass Yi Ling noch immer schlief, erinnerte er sich noch, dass dieser gestern Abend dem Wein wieder recht zugetan gewesen war. Er stieg die Treppe hinab, auf welcher ihm eine weitere junge, und freizügig bekleidete junge Frau entgegen kam und ihm mit einem leichten Lächeln kokett zuzwinkerte, als sie an ihm vorbei stieg. Etwas begann in ihm zu dämmern. Doch würde selbst Yi Ling nicht so dreist sein sie in solch einem Etablissement unterzubringen, …oder? Am Fuße der Treppe standen ebenso zwei Frauen, nicht weniger ungeniert in ihren Gewändern und als sie ihn erblickten, huschte eine eilig davon, während die andere ihr Gesicht hinter einem Handfächer verbarg. Ihn verstohlen von dahinter musterte. Schritte waren zu hören und eine weitere, aufwändiger hergerichtete Dame, deren Gesichtszüge ihm vertraut erschienen, trat auf ihn zu, auf das jene die noch immer neben ihm stand ansetzte sich zu entfernen. Ihm allerdings noch einen letzten, interessierten Blick schenkte, bevor sie in einem anschließenden Flur verschwunden war. „Hánguāng-jūn.“, vernahm er darauf in Ehrfurcht, worauf sich die Dame vor ihm verbeugte. Es war recht ungewöhnlich, unter den Menschen jemanden anzutreffen der ihn bei diesem formellen Titel kannte. „Mein Name ist Báiwù. Vielleicht erinnern sie sich noch an diese bescheidene Getreue?“ Wangji mochte nicht wissen, was letzten Abend vorgefallen war, doch war ihm dieser Name auch über die Jahre nicht fremd geworden, erklärte es ebenso, woher er glaubte sie schon einmal gesehen zu haben. Eine junge hú jīng, welcher er einst in den Bergen von Gusu begegnet war. Ausgehungert und mit Verletzungen die ihr Ende bedeutet hätten. Er hatte sich ihr angenommen und mit in die Wolkenschlucht genommen, wo er sie den Lan-Heilern anvertraut hatte. Es war gut sie bei Gesundheit zu sehen. Auch wenn sie ihr Haar nun in tiefem Schwarz trug, um sich den Menschen anzupassen, und nicht in silbrigem Weiß, wie es in ihre Natur lag. Sie schien weit herumgekommen zu sein, wenn er sie hier, so weit entfernt von Gusu, wieder sah. „Ich erinnere mich.“, gab er ihr zu verstehen. „Das ehrt mich.“, meinte sie, auf das sie sich wieder aufrichtete. „Würden sie mir bitte folgen? Es gibt etwas das ich mit ihnen besprechen würde wollen.“ Wangji nickte leicht und ließ sich in ein Zimmer führen, in dem sich ein niedriger Tisch in der Mitte des Raumes befand, auf welchen bereits ein Teegedeck aufgebracht worden war. Sie bedeutete ihm sich zu setzen, auf das sie es ihm gleich tat und ihm darauf etwas von dem Inhalt der Kanne in eine der Schalen eingoss. „Verzeiht, dass ich ihnen nichts Besseres bieten kann. Es ist schwer hier an gute Teeblätter heranzukommen.“ Er sah keine Beleidigung darin, dass man ihm eine gewöhnliche Sorte angeboten hatte, auch wenn er den aus der Heimat doch schon zu missen begann. „Was gibt es zu besprechen?“, erkundigte er sich, nachdem er einen Schluck genommen hatte und Báiwù abwartend anschaute. Diese zeigte sich abermals demütig, indem sie ihren Kopf etwas senkte. „Ich hoffe Hánguāng-jūn´s Wohlbefinden ist vollständig zurückgekehrt?“ Es war eine überraschende Frage, die annehmen ließ, das Báiwù wusste, dass er sich zu Beginn des Tages etwas mitgenommen gefühlt haben musste. Oder mehr noch, dass sie wusste, was der Grund für diese unerwartete Abgeschlagenheit war. „Hat diese Frage einen tieferen Grund?“ Báiwù schien unentschlossen auf sein Nachhaken, etwas das ihn nur noch misstrauischer werden ließ, was die Vorkommnisse des letzten Abends betrafen. „Es ist nicht in meiner Absicht Hánguāng-jūn zu nahe zu treten.“, meinte sie, straffte sich dann aber bevor sie weitersprach. „Ich fand sie gestern in sonderbarer Begleitung und in angreifbaren Zustand in unserem Hause vor. Etwas das mir ungemein besorgniserregend erschien. Diese dreiste Person, gab vor…“, hier zögerte sie merklich und wandte auch ihren Blick zur Seite ab, das Wangji nichts Gutes schwante. „Diese Person gab vor?“, setzte er dennoch nach und sie klärte ihre Stimme leicht. „…sie gab vor, ihr Liebhaber zu sein.“, weihte sie ihn ein und Wangji atmete beinahe ergeben durch. Es erstaunte Wangji, das ihn diese Erklärung nicht so aus dem Konzept warf, wie es der Fall sein sollte, etwas das er eindeutig der beständigen Gegenwart Yi Ling´s zuschreiben durfte. Allerdings ließ er das Báiwù nicht wissen und gab ihr schlicht mit einer Geste der Hand an, dass sie weitersprechen solle. „Diese meinte, das ihnen der Wein zugesetzt habe und….“ Hier allerdings konnte er sich ein wenig erfreutes Raunen nicht verbieten, was Báiwù sofort innehalten ließ in ihrer Ausführung. Nun ergab es schon mehr Sinn, warum er in solch einer Verfassung zu sich gekommen war. Das Yi Ling ihm seinen Wein untergeschoben haben musste, erschien, in Betracht auf dessen unmöglichen Charakter, nun höchstwahrscheinlich. Doch am Ende war es sein eigenes Verschulden, nicht vorsichtiger gewesen zu sein, war dieser doch stets und ständig unberechenbar in seinen Unsinnigkeiten. Es war irgendwo beschämend, doch war Alkohol eines der wenigen Dinge, die ihn schwächten. Ein Geheimnis, das er versuchte so eisern wie möglich unter Verschluss zu halten. Und nun wusste es ausgerechnet Yi Ling. Es war schon nahezu erstaunlich, wie viel Ärger ihm diese einzelne Person allein bescheren konnte. „In welchem Zimmer hier, befindet sich diese Person?“ Auf diese Frage hin schaute Báiwù derart perplex, als habe er sie nach dem Namen des nächsten Kaisers gefragt, dass er keine Antwort darauf erhielt. Sollte Yi Ling ihn hier abgeladen, und sich dann auf und davon gemacht haben? Nun wo auch ihm klar geworden war, wo! er sich hier befinden musste. Es war sicherlich ein maßloser Scherz in dessen Augen, doch glaubte er, dass dieser der Pointe auf jeden Fall beigewohnt hätte, um sich nur noch ungehöriger darüber amüsieren zu können. Nur… Dass dieser nicht besonders angetan war, als er ihm unterbreitet hatte seine Schuldigkeit begleichen zu wollen, was beinhaltete ihm zu folgen, war offensichtlich gewesen. Er wartete auch nicht mehr darauf das Báiwù ihm Antwort gab, sondern konzentrierte sich auf Yi Ling´s ungewöhnliche Energie, was ihm sogleich ein leichtes Stechen in seinem Nacken einbrachte und er eine Hand zu diesem Punkt führte. Ein Faden aus líng qì (spirituelles Qi), nicht kräftiger als der eines Spinnennetzes glitt seine Finger entlang, verschwand jedoch, sobald er seine Konzentration auf Yi Ling schweifen ließ. Wortlos erhob er sich, und folgte der Spur, Báiwù nervöses „Hánguāng-jūn?“, nur ein Hintergrundgeräusch. Der Faden führte ihn aus dem Haus und auf eine noch nicht allzu belebte Straße. Weiter bis an die Grenze der Stadt und ein gutes Stück in den anliegenden Wald, bis er eine Hütte entdeckte. Sie war unbewohnt und überwuchert von der umherwachsenden Vegetation, das sie fast unauffällig erschien, wenn man nicht genau hinschaute. Er öffnete die Tür und fand sich schließlich vor einer hölzernen Luke im Boden wieder, zu welcher der Faden hinabführte. Das erste was ihm entgegenschlug, als er diese aufzog, war schwerer Dunst, doch verschenkte er keine Zeit, zog ein Tuch aus einer Tasche hervor, dass er sich vorhalten konnte und stieg hinunter. Er erkannte die Umrisse von Yi Ling´s Körper, der sich an einen der hölzernen Stützbalken gefesselt befand und schloss sogleich zu diesem auf. „Yi Ling?“, sprach er ihn mit fester Stimme an, auf das dessen hängender Kopf etwas hin und her rollte, gefolgt von einem schwammig klingenden „Lan Zhan…“, als wäre dieser ziemlich betrunken. Wangji entdeckte das Räuchergefäß, das noch immer satten Rauch ausstieß und er diesen, kurzum, mit etwas Qi zum Abklingen brachte. Er löste die Fesseln und fing den haltlos zu Boden sinkenden Körper auf, bevor er Yi Ling nach oben und an die frische Luft brachte, während dieser vor sich hin brabbelte, dass er auf ihn gewartet habe und das er sich ruhig hätte beeilen können. Wie er auch zu hören bekam, dass er eine lahme Herrlichkeit sei, dafür dass er keinen Wein vertrage. „…durch die Nacht zu schleppen…Treppen rauf! …wie ein kleines Kind…“, nuschelte dieser, versucht aufgebracht über all die Unfairness und ehe sich Wangji versah, kletterte Yi Ling nahezu an ihm hinauf mit der Forderung nun von ihm getragen werden zu wollen. „…ist nur gerecht…“ Es war unkoordiniert, wie auch unziemlich. Es zeigte sich jedoch das all das Gezappel Yi Ling müde zu machen schien und es nicht viel mehr brauchte, dass er noch, über Wangji´s Rücken drapiert, wegschlief. Báiwù hatte nun ebenso zu ihnen aufgeschlossen, und schaute reichlich überfordert, wie auch erschrocken. „Hánguāng-jūn? War mein Handeln in dieser Angelegenheit unangebracht?“, fragte sie hörbar unsicher, mit einem schweifenden Blick auf Yi Ling der selbst im Schlaf noch vor sich hin murmelte. Wangji konnte es Báiwù nicht wirklich übelnehmen, das sie Yi Ling für einen zwielichtigen Charakter gehalten hatte, überforderte dieser sein Umfeld doch in beständiger Routine. Ihn nun so außer Form zu sehen, ließ auch ein winziges Stück Genugtuung in ihm aufkommen, auch wenn sich solch eine Regung, laut einer der Lan-Regeln, nicht schickte. Nur brachte Yi Ling auch den ausgeglichensten Geist ins Schwanken. Etwas das ihm ein Ansporn sein sollte, seinen nur noch weiter zu festigen. „Es besteht kein Grund für Zurechtweisung. Jedoch bin ich durch einen freiwilligen Schwur an diese Person gebunden. Gleich wie irritierend sie auch erscheinen mag.“ Báiwù schaute einen Moment unentschlossen, doch schien sie sein Urteilsvermögen über ihre Zweifel zu stellen. „Wenn ihr es sagt Hánguāng-jūn. Ihn hier her zu bringen basierte auf dem Gedanken, solltet ihr ihn einer verdienten Strafe zuführen wollen, er euch nicht hätte entkommen können, während ihr euch erholt habt.“ Wangji schätzte ihre Loyalität und nickte verstehend, wie auch dankend. „Wir sollten uns zurückbegeben.“, meinte er darauf. Báiwù schaute abermals auf Yi Ling. „Soll ich ihn für euch tragen?“ Dass sie als eine hú jīng dazu mit Leichtigkeit im Stande war, war ihm bewusst, doch würde dies nur ein auffälliges Licht auf sie werfen. „Es ist kein Umstand.“ Báiwù zog hörbar und leicht schockiert die Luft ein, als er Yi Ling auf seinem Rücken zurechtrückte und ihn schließlich aufhuckte. „Hánguāng-jūn! Jemand wie ihr, solltet wirklich nicht solch eine würdelose Last zu tragen haben.“, klang Báiwù nahezu flehend, doch ließ er sich nicht abbringen, war Würde in vielen Fällen ebenso etwas, das einem nur im Weg stehen konnte, wenn man es mit falschem Stolz verwechselte. Er würde es nicht laut aussprechen, doch hatte ihn Yi Lings selbstlose Art, in einer ehrlichen und bodenständigen Weise inspiriert, die ihm das Herz voll und die Schritte durch die Welt leichter erscheinen ließen. Mit dem Gefühl ein Fellknäul in seinem Mund zu haben, kam Yi Ling wieder zu sich und blinzelte sich die Benommenheit träge aus den Augen. Er befand sich zurück in einem Zimmer, untergebracht in einem Bett, dass er beinahe annahm, dass er sich seine Entführung nur eingebildet habe. Das unangenehme Gefühl von überdehnten Schultern und die roten Abschürfungen um seine Handgelenke, zeugten jedoch davon, dass dem nicht so war. Er schaute sich etwas um, und erblickte Báiwù die ihn aus einer Ecke des Raumes mit verengten Augen fixiert hielt, dass es ihn erschrocken etwas zurückweichen ließ, mit dem Erfolg, das er geradewegs aus dem Bett fiel. Yi Ling raunte missmutig über sein anhaltendes Pech, als sich die Tür des Zimmers öffnete und es ihn über die Bettkante hinüber spähen ließ. Lan Zhan schaute mit einem Blick, der so etwas wie Resignation in sich tragen könnte, als er ihn am Boden hockend vorfand. Sagen tat er jedoch nichts und kam schlicht auf ihn zu. „Wie geht es dir?“ Es war das erste Mal, dass dieser ihn das fragte und es auch tatsächlich so klang, als wäre er an der Antwort interessiert. „Uhm…ich könnte etwas zu trinken gebrauchen. Aber sonst.“ Er grinste zur Bestätigung und raffte sich wieder auf. Báiwù indes hatte ihm eine Schale mit Wasser gefüllt, die sie ihm in einer etwas ruppigen Manier vorhielt, dass etwas von deren Inhalt über den Rand schwappte. Er warf einen Blick zu Lan Zhan, ob er der Sache trauen sollte, auf das dieser leicht nickte und er ihr die Schale dankend abnahm. Als er sie geleert hatte, setzte er sich zurück auf das Bett und schaute in die Runde. „So, würde mir nun einer erklären, was hier eigentlich los ist?“ Yi Ling verschluckte sich prompt an seinem bāo zi (gefülltes Dampfbrötchen), zum einen vor Unglauben, zum anderen, und das hauptsächlich, weil ihm wirklich zum Lachen zu Mute war, nach Báiwù´s Interpretation der Dinge. „Ah…ich fühlte mich schon lange nicht mehr so erheitert…“ Yi Ling wischte sich ein paar der Tränen, die erst vom Husten und dann, eben, vom Lachen in seine Augenwinkel getreten waren. „Ich denke wenn ich wirklich etwas Unlauteres mit unserem kostbaren Lan xiān shī vorgehabt hätte, dann hätte ich mir einen weniger auffälligeren Ort dafür gesucht.“ Er schaute zu Lan Zhan und wippte albern anzüglich mit den Brauen, dem man mit stummer Zurechtweisung, die allein über Lan Zhan´s Augen verteilt wurde, begegnete. „Zeige gefälligst mehr Respekt!“, schimpfte Báiwù empört und ohne Scheu ihre Fuchs-Merkmale zu zeigen, funkelten ihre sandfarbenen Augen gefährlich und auch die spitzeren Zähne, die sie ihm provokativ demonstrierte, gaben ihr Missfallen wieder über sein flegelhaftes Verhalten. „Hey! Ich bin hier das Opfer dieser schiefgelaufenen Rettungsaktion!“, gab er ihr in einem trotzigen Ton zu verstehen. „Meine Sachen riechen immer noch nach diesem furchtbaren Räucherwerk.“ Er schnüffelte dazu noch an seinen Haaren und rümpfte die Nase. „Das mindeste was ich als Wiedergutmachung verlangen kann, ist ein Bad und das man meine Kleidung wäscht, oder nicht?“ Er schaute dazu wieder zu Lan Zhan, wusste er das er ohne dessen Zustimmung bei Báiwù keine Chance haben würde, seine Wünsche erfüllt zu bekommen. Er hatte zwar auf dessen Reaktion dazu gehofft, doch als dieser dann ein kurzes Nicken zeigte, war es dennoch unerwartet das dieser ihm beipflichtete und er sich das triumphale Grinsen darüber nicht verbieten konnte, das er dann auch direkt an Báiwù richtete. Mit einem Schnalzen in seine Richtung und einer Verbeugung vor Lan Zhan, mit den Worten sich um alles zu kümmern, verließ diese schließlich das Zimmer. Yi Ling gab ein zufriedenes Raunen von sich und stopfte sich noch ein bāo zi in den Mund, bevor er sich wieder an Lan Zhan wandte und ihm ebenfalls eines davon in die Hand drückte. Dieser war womöglich nicht hungrig, aber da sie wirklich gut waren, wollte er dies auch mit jemandem teilen, was er ihm auf dessen skeptischen Blick auch sagte. „Wenn ich ein unendliches Leben vor mir hätte, dann würde ich genießen was mir möglich ist. Auch die kleinen Dinge.“ Es war zu spekulieren, ob Lan Zhan darauf einen Bissen nahm, weil er seinen Worten Wert zusprach oder weil er einfach nicht riskieren wollte, weiter von ihm vollgeredet zu werden. Was am Ende auch egal war, aß dieser das Dampfbrötchen in manierlicher Ruhe dennoch komplett auf. „Gut, oder?“ „Mm.“ Es war mehr als Yi Ling erwartet hatte zu hören. Man hatte ihm kurz darauf die Wanne hinter dem Paravent im Zimmer gefüllt und sich seiner Kleidung angenommen, auf das er mit einem langen, glücklichen Seufzen in das warme Wasser sank.   Es ließ ihn beinahe vergessen, was ihn zu dieser Wonne verholfen hatte. „Lan Zhan, magst du mir nicht die Haare waschen? Wir könnten es mit einer deiner Ein Leben für ein Leben- Philosophie verrechnen. Wie wär’s?“, bot er ihm an, doch erhielt wie zu erwarten keine Antwort darauf. „Ahhh…du machst es einem echt nicht einfach. Dabei wäre etwas Zuwendung auch mal ganz nett. Wenn ich mich schon von einem deiner Fans so schikanieren lassen musste.“, murmelte er, bevor er soweit ins Wasser rutschte, das sein Kopf nur noch ab den Augen hinausschaute und er trotzig vor sich hin blubberte. Er hatte keine Ahnung wie lange er darauf einfach nur vor sich hingedöst hatte, doch war das Wasser bereits unangenehm lau, als er die Tür des Zimmers sich öffnen hörte und darauf Schritte in seine Richtung kamen. Báiwù tauchte vor ihm auf, das er im Klamauk erschrocken verlegen tat und sich seine Arme vor die Brust hielt und ein gespielt empörtes „Schamlos!“ von sich gab. Ein genervtes Zischen war von ihr zu hören, über seinen albernen Akt, worauf sie ihm ein Bündel Sachen neben die Wanne warf. Yi Ling stieg schließlich ohne die zuvor vorgegebene Scham aus dem Badezuber, was Báiwù schließlich doch noch dazu brachte sich ein stückweit genierlich zu zeigen und sie sich von ihm abwandte. „Hánguāng-jūn, wie wäre es mit einem Tee?“, hörte er sie darauf in einer vollkommen anderen Manier fragen, doch lehnte Lan Zhan dankend ab. Yi Ling warf das Handtuch mit dem er sich abgetrocknet hatte zu Boden und griff nach der Kleidung. „Hey!“, rief er mit deutlicher Einwende in der Stimme, als er das Kleidungstück aufgefaltet vor sich hielt. Genauer gesagt war es ein zhíjū. Für Frauen… Báiwù schaute über ihre Schulter zu ihm, ein deutlich aufziehendes Lächeln auf ihren Lippen. „Etwas nicht zu ihrer Zufriedenheit xiàng gong (junger Herr)?“ Dass sie ihre Frage nicht ansatzweise ernst nahm, versteckte sie nicht und Yi Ling wusste, dass sie ihm schlicht versuchte eines auszuwischen. Aber da kannte sie ihn einfach zu schlecht. „Oh, nichts weiter. Ich finde nur das dieses Grün nicht zu meinen Augen passt.“ Er klimperte unschuldig mit den Wimpern, dass es ihr ein unamüsiertes Schnaufen entlockte. Dann zog er sich ohne weitere Einwände an, und trat schließlich hinter dem Paravent hervor. „Lan Zhan, was sagst du dazu? Steht es mir diesmal besser, als das letzte Mal als ich so etwas getragen habe?“, Dieser schaute von seinem Buch auf, das er gerade las und hob eine seiner Augenbrauen skeptisch, als er ihn musterte. Yi Ling drehte sich für den Effekt, um ihm eine komplette Ansicht zu geben. „Und?“ „Es ist wirklich nicht deine Farbe.“, meinte dieser trocken, bevor er weiterlas. Yi Ling gab ein enttäuschtes, maidenhaftes Jauchzen von sich und hielt sich den Rücken seiner rechten Hand theatralisch an die Stirn. „Lan Zhan, warum sagst du mir nie das ich hübsch bin? Waren all die Nächte die wir gemeinsam verbrachten doch nur eine Lüge.“ „Indezente Idiotie!“, war alles was dieser dazu zu erübrigen hatte. Báiwù indes schaute recht überfordert, über das was sie gerade gehört hatte und es amüsierte Yi Ling nur noch weiter. „Ah, nicht eifersüchtig sein A-Wù. Euer Hánguāng-jūn hat eben seine Präferenzen, wen er gern in so einer  netten Aufmachung sehen mag.“ Er zwinkerte ihr verstohlen zu, über ihren entrüsteten Ausdruck, den sie ihm zuwarf. In einem Schritt war sie bei ihm und zog ihm zornig an den noch feuchten, losen, langen Haaren die über seine Schulter fielen, dass es ihn ein gepeinigtes Jammern entlockte. „Was hat so eine unverfrorene Person getan, um jemand so noblen wie den Zweiten Jade Herren der Lans unter seinen Bann zu bringen?!“, fauchte sie ihn an. „Je länger ich diesem Nonsens zuhören muss, umso mehr festigt sich der Verdacht, dass ihr ihn verblendet habt! Also wenn euch euer Leben lieb ist, dann hebt diesen Zauber wieder auf, oder ich…“ „Báiwù.“ Lan Zhan Stimme ließ sie innehalten, auf das sie ruckartig wieder von ihm abließ, das sich Yi Ling erst einmal über die schmerzende Stelle seines Kopfes rieb, wo sie ihm beinahe die Haare herausgerissen hätte. Normalerweise hatte er nichts gegen etwas wildere Frauen, nur in diesem Fall verfehlte es den sonst damit einhergehenden Reiz mit viel zu spitzen Zähnen und Krallen. „Verzeiht.“ Sie verbeugte sich entschuldigend vor Lan Zhan, kam ihr wohl erst jetzt wieder in den Sinn, dass sie sich in dessen Gegenwart gesitteter zeigen sollte. „Ah, solch eine Loyalität. Wirklich herzerwärmend.“, seufzte Yi Ling in keiner wirklich spottenden Absicht, doch schien Báiwù´s Temperament wirklich das eines wilden Tieres zu sein, wenn sie sich oder ihre Werte herunterreduziert sah, das sie ihm schon wieder an den Kragen ging, bevor er hätte blinzeln können. „Lan Zhan….Lan…Zhan. Nun ruf sie schon endlich zurück, huh? …komm schon! Ich streichle dir dafür auch den Kopf. Das mochtest du doch, auch wenn du es nie zugeben wolltest.“ Wangji seufzte innerlich über das Chaos und den Lärm, doch hatte er auch nicht vor einzugreifen, solange es nicht wirklich aus dem Ruder lief. Yi Ling mal am kürzeren Ende seiner sonst so großspurigen Allüren zu sehen, war einfach zu selten. Doch wenn es so weiter ging, würde das Zimmer bald in Trümmern liegen, versuchte Yi Ling mit jedem möglichen Objekt Abstand zwischen sich und Báiwù zu bringen, war er trotz allem nicht provoziert genug, um selbst handgreiflich werden zu wollen, egal wie oft sie ihn auch schon erwischt hatte und ihm mit ihrem zusammengefalteten Fächer einen schwungvollen Hieb verpasste. „Oww.“, hörte er es abermals jammern, gefolgt von einem Knall und dem Platschen von Wasser, das sich folglich über den Boden verteilte und Wangji in die Richtung des Tumults blicken ließ. Der Badezuber stand noch an Ort und Stelle, doch schwappte das Wasser darin kräftig hin und her, dass einer der Beiden wohl ungeschickt dagegen gestoßen war über ihre Jagt. Er war gerade dabei sie zu ermahnen, schienen weder der eine noch der andere genug zu haben, als er eine Bewegung am Fenster einfing, neben welchem er gesessen hatte. Etwas perplex schaute er auf den Sonnenvogel der dort saß. „Bruder.“ Er verbeugte sich angebracht, was nun auch die Aufmerksamkeit der anderen zwei auf sich zog und Yi Ling der erste war, der hinter ihm auftauchte und seine Hände auf seine Schultern legte um darüber hinweglinsen zu können. „Was erzählst du da, Lan Zhan?“, fragte dieser amüsiert ahnungslos, als er einzig den kleinen Vogel vor sich sah. Wangji schob dessen Hände von sich, was Yi Ling schlicht dazu brachte seinen Kopf auf seine Schulter zu legen und ein Schmollen zu zeigen. „Nun sei nicht so. Der kleine Kerl ist sicherlich nur hungrig.“ Er holte etwas von dem übriggebliebenen Krummen seines letzten Mahls herzu und hockte sich vor den Besucher, dem er die Hand vorsichtig vorhielt. „Yi Ling!“ Wangji war kurz davor ihn zu packen und zurückzuziehen über diese beschämende Geste, wurde allerdings von der sanften und leicht belustigten Stimme seines Bruders unterbrochen. „Wangji, mir scheint das du recht interessante Freunde auf deiner Reise gemacht hast?“ Das ließ nun auch Yi Ling etwas den Mund offen stehen, bevor dieser zurück zu seinen üblichen unsinnigen Gedankengängen fand. „Ist das so ein Familien-Ding, sich in Tiere zu verwandeln? OH! Heißt das, sie wurden ebenso von so einem seltsamen Ding angegriffen?“ Yi Ling besaß tatsächlich die narrenhafte Unbedarftheit seinem Bruder einen Finger auf die gelb-gefiederte Brust zu legen, und schaute darauf konzentriert. „Hm, also an spiritueller Energie scheint es nicht zu mangeln.“, stellte er fest und schaute mit so etwas wie einem Lächeln zu ihm. „Da kannst du schon einmal beruhigt sein.“ Yi Ling meinte wohl, das seine Starre darauf beruhte, das er ebenso annahm sein Bruder wäre Opfer dieser giftigen Materie geworden, das er nicht wusste, ob er sich bewegt fühlen sollte über dessen Anteilnahme, oder ein weiterer Hieb mit Baiwu´s Fächer angebrachter wäre. Sein Bruder lachte nun etwas offener über dieses sich ihm bietende Schauspiel und Wangji fühlte sich darunter augenblicklich peinlich berührt. Was dieser nun denken mochte? Der Sonnenvogel zeigte nun ein leichtes Leuchten, bis ihn der blassblaue Schein komplett eingehüllt hatte und sich die Vogel Silhouette  zu strecken begann. Kurz darauf stand ein Abbild seines Bruders vor ihnen. Dessen Konturen wie mit Mondlicht gezeichnet, dass es diesem dieselbe Anmut verlieh, wie es Wangji auch nicht anders von dessen wahrer Person her kannte. Auch fehlte das sanfte, warme Lächeln nicht. Selbst wenn er in dieser Form nur eine Botschaft darstellte. Wangji verbeugte sich abermals. Báiwù tat es ihm mit einem ehrfürchtigen „Zéwú-jūn.“ gleich. Nur Yi Ling hockte noch immer am Fenster und schaute einfach nur kindlich neugierig drein. „Lan Zhan, warum hast du mir nie erzählt das dein Bruder so attraktiv ist?“ Von allen möglichen Dingen, die dieser hätte dazu sagen können, war es solch ein Nonsens, das Wangji es routiniert ignorierte und er sich wieder an seinen Bruder wandte, war ihm bewusst was diesen dazu gebracht haben musste nach ihm zu sehen. „Xiōng zhǎng (Anrede für älteren Bruder). Verzeiht, wenn ich mit dem Ausbleiben einer Benachrichtigung, Umstände bereitet habe. Mir war es über die vergangenen Wochen nicht möglich, eine Nachricht zu senden, hat mich mein nachlässiges Verhalten in eine unvorteilhafte Lage versetzt, von deren Konsequenzen ich mich noch nicht wieder habe vollends erholen können.“ Er hatte gehofft, dass sein Bruder nicht zu viel in den Umstand hineinlesen würde, dass er sich nicht gemeldet hatte, wie er es sonst zu jedem zweiten Vollmond tat. „Wangji, es ist ungewöhnlich nichts von dir zu hören und natürlich mache ich mir als dein älterer Bruder Gedanken, wie es dir ergangen sein möge.“ Wie so oft wusste er nicht so recht mit der Führsorge seines Bruders umzugehen, hatte er sein Leben seit jeher so gestaltet, dass niemand solch eine Bürde, ihn betreffend, tragen müsse. Doch war Xichen jemand der sich nie von seiner distanzierten Art hatte abschrecken lassen. Etwas das für ihn als Kind einen sicheren Hafen bedeutete, nachdem ihre Mutter von ihnen gegangen war. Allerdings zeigten ihm die darauf kommenden Jahre, das er diesem nicht weiter zur Last fallen durfte, warteten auf Xichen so viele Aufgaben, ruhte die Zukunft ihrer Sippe auf dessen, zu jener Zeit, noch viel zu schmalen Schultern. Also hatte er gelernt unnötige Emotionen zu vermeiden, so wie es ihm ihr Onkel damals nahelegte. Es war am Ende ein Prozess, der ihm leichter fiel, als er geglaubt hatte. Halfen ihm das Meistern der sechs Künste (1), das tägliche Trainieren mit dem Schwert und das Studieren von allem was ihrem Clan eine Grundfeste war, die Jahre auszufüllen. Xichen´s Zuwendung, wann immer dieser Zeit für ihn einräumte, war daraufhin stets etwas das ihm ein schlechtes Gewissen bescherte, wollte er ihn nicht von wichtigeren Angelegenheiten abhalten. So wie jetzt. „Es war zudem besorgniserregend, das ich nicht in der Lage war die Aura deines líng qì zu finden, gleich wie oft ich mit meinen spirituellen Boten nach dir schickte. Doch es erleichtert mich zu sehen, dass du letztendlich wohl auf bist.“ Wangji fiel abermals nichts dazu ein, außer sich wiederholt dafür zu entschuldigen, ihm Umstände bereitet zu haben. „Wie habt ihr mich hier finden können?“, fragte er darauf, war sein líng qì noch immer schwach genug, dass dieses nicht hätte als Wegweiser dienen sollen. „Ich fragte die Quelle der sì xiàng (2).“ Wangji weitete seine Augen ungläubig über dieses Stück Information. „Wie habt ihr die Ältesten und Onkel davon überzeugen können, ihren Nutzen für solch einen ungebührlichen Vorfall in Anspruch zu nehmen?“ Die Quelle der Vier Wächter war seit her ein heiliger Ort für ihren Clan und wurde nur in Zeiten schwerer Nöte befragt. Sie besaß eine allsehende Macht, was die Geschehnisse in den verschiedenen Welten anbelangte. Es bedurfte einer strengen, kräftezerrenden Zeremonie, um ihre Gunst zu wecken, was nur einer Person mit starkem Geist gewährt wurde. Einer Person die in der Lage wäre, das Yin und Yang des eigenen Seins in vollkommene Balance zu bringen. Nur dann durfte diese Person die Ebene der Weitsicht betreten. Es war nicht absonderlich, wenn man derart viel Energie dafür opferte, um darauf der Schwäche wegen, tagelang das Bett nicht mehr verlassen zu können. Das Xichen solch einen Schritt gegangen war, nur wegen ihm, erschien in seinen Augen überstürzt. Nahezu unüberlegt. Doch er würde diese Gedanken nicht äußern, nun wo es bereits vollzogen worden war. Sein Bruder gab ein kurzes Seufzen von sich und sein Blick nahm etwas Schwermütiges an. „Es ist nicht einfach nur ein ungebührlicher Vorfall, wenn es meinen geschätzten, kleinen Bruder betrifft. Du bist meine Familie Wangji. Wie könntest du es mir nicht wert sein?“ Es war zum Verzweifeln, ging es Wangji durch den Sinn, drückten ihn all diese Worte der Zuneigung nur noch weiter in eine unbeholfene Position. So sehr er seinem Bruder auch keine Last sein wollte, so schien er es dennoch immer wieder zu sein und sei es, indem er ihn glauben machte, das er dessen brüderliche Liebe nicht zu schätzen im Stande war. „Ich…“ „Zéwú-jūn, richtig? Verzeiht mir mein Einmischen, aber Lan Zhan hatte eine komplizierte Nacht hinter sich, das er wohl noch etwas angeschlagen ist. Er ist ja so schon nicht besonders kreativ mit seinen Worten.“ Yi Ling lachte heiter über seinen Hinweis. „Aber um nicht noch unhöflicher zu erscheinen; mein Name ist Yi Ling. Es ehrt mich ihre Bekanntschaft machen zu dürfen.“ Es war Yi Ling´s skurrile Unbefangenheit, für die Wangji in diesem Augenblick dankbar war, welche die Aufmerksamkeit seines Bruders von ihm wegführte. Auch wenn es wenig sittenhaft war, das Yi Ling in einem femininem Hanfu steckte und sich zudem, nicht wie ein Mann verbeugte, sondern passend zu seinem Gewand, wie eine Frau. Es brachte ein kurioses Lächeln auf die Lippen seines Bruders. „Yi xiàng gong. Kann ich davon ausgehen, dass ihr meinen Bruder nicht erst seit kurzem kennt? Und wärt ihr so frei, mir zu berichten, was eure anfängliche Sorge betraf, das mich ein ähnliches Schicksal wie Wangji getroffen hätte?“ Yi Ling besaß die seltene Umsicht zuerst zu ihm zu schauen, ob ihm die Offenbarung all dieser Details von seiner Seite her gestattet sei. Wangji seufzte ergeben, nickte dann aber. (1)Die sechs Künste: Bräuche/Riten (禮)  Musik(樂)  Bogenschießen(射)  Streitwagen führen(御) (für Wangji´s Fall, das Fliegen mit dem Schwert lernen) Kalligraphie (書)  Mathematik (數) (2) sì xiàng – übersetzt; die vier Symbole, welche für die Wächter der vier Himmelsrichtungen stehen (Azur Drache-Osten, Zinnoberrote Vogel-Süden, Weißer Tiger-Westen, Schwarze Schildkröte-Norden) Die Quelle die ich hier erwähnte, ist jedoch meiner Fantasie entsprungen. „Und wie ist es euch gelungen Wangji zurückzubringen? Wenn das was ihr mir gerade berichtet habt wahr ist Yi xiàng gong, dann muss die Lösung dafür nicht weniger kompliziert gewesen sein.“, hörte Wangji seinen Bruder die Geschehnisse hinterfragen. Eigentlich hätte er sich klar darüber sein müssen, dass ihn dieser Fakt natürlich ebenso interessieren würde. Doch zeigte Yi Ling´s Ausdruck momentan genau das, was sie hätten vermeiden oder wenigstens bedenken sollen. Xichen zu sagen, dass es Yi Ling´s yuàn qì gewesen sein mochte, das ihm geholfen hatte, barg ein nicht zu unterschätzendes Risiko in sich. Nicht, dass er seinem Bruder Vorwürfe machen würde. Jemand der solch eine unberechenbare Kraft in sich trug, sollte nicht einfach so umherwandern. Doch konnte man Yi Ling ebenso wenig etwas vorwerfen, hatte er sich nichts zu Schulden kommen lassen. Zumindest soweit, wie er involviert war. „Uhm…“ Yi Ling suchte noch immer nach einer Antwort, wusste er wie kein anderer, was eine ehrliche Offenbarung für ihn bedeuten konnte. „Yi Ling verfügt über unkonventionelle Fähigkeiten, deren Studie ich mich angenommen habe. Deswegen auch unser gemeinsames Reisen, erlaubte er mir ihn begleiten zu dürfen.“, sprang er nun für diesen ein und hoffte das sein Bruder sich durch diese wage Antwort nicht vor den Kopf gestoßen sehen würde. Xichen schaute ihn für einen Moment an, und für jeden der ihn nicht inniger kannte, wirkte das seichte Lächeln nicht viel anders als zuvor. Wangji allerdings entging die prüfende Essenz darin nicht, der er einzig mit einem resoluten Blick seinerseits begegnete, der versichern sollte, dass er wisse was er tue. Zu seinem Glück, war auch sein Bruder der einzige der verstand ihn zu lesen. „Nun gut, wenn dem so ist, dann setze ich mein Vertrauen in dich Wangji.“ Xichen lenkte seine Aufmerksamkeit zurück auf Yi Ling. „Und auch in sie, Yi xiàng gong.“, meinte er mit einer seichten Verbeugung, was Yi Ling wohl recht unerwartet traf, wirkte er sichtlich überrumpelt, bevor er sich ebenso verbeugte, und diesmal wie es sich für einen Mann schickte. „Ich fühle mich geehrt, euer Vertrauen zugeteilt zu bekommen Zéwú-jūn. Ich werde versuchen es nicht zu enttäuschen.“ Sein Bruder lächelte nun wieder gewohnt warm und schaute mit derselben Emotion zu Wangji. „Niemand wäre enttäuscht von dir, wenn du zum Regenerieren deines líng qì, nach Hause kommen würdest Wangji. Es wäre keine Schande.“ Sein Bruder war schon immer von feinfühliger Natur gewesen, dass diese Option, die dieser ihm hier einräumte, nicht die des zukünftigen Clanführers war, sondern ein weiterer Hinweis darauf, dass jener, sich als Teil seiner Familie, um ihn Sorgen machte. „Das ist nicht notwendig. Es ist eine Lektion, die ich aus eigener Kraft zu meistern anstrebe. Zudem wird es mir das Leben der Menschen besser verbildlichen können. Den hauptsächlichen Grund für meine Reise.“ Es war in seinen Augen nur eine weitere Hürde, deren Überwinden ihn als Charakter wachsen lassen konnte. „Gut, dann vertraue ich Wangji´s Wohlergehen ebenso Yi xiàng gong an.“, fügte Xichen noch hinzu, dass es nun Wangji war der sich überrumpelt fühlte, über diese Worte. „Xiōng zhǎng.“, rutschte es ihm in einem Ton hervor, der von Unzufriedenheit sprach, über dessen unterschwelligen Hinweis, dass er in dessen Augen doch nicht selbst richtig auf sich Acht geben könne. „Wangji. Ich bin froh, dass du einen Freund gefunden hast, mit dem du deinen Weg bestreiten kannst. Ich bin mir sicher, das ihr voneinander lernen und profitieren könnt, nicht wahr?“ „Ganz bestimmt! Lan Zhan ist für mich wie der kleine Bruder den ich nie hatte. Ich nehme ihn gern unter meine Flügel, um ihn an meiner Weisheit teilhaben zu lassen.“ Wangji würde es nicht sagen, aber er begrüßte in dem Moment das Báiwù Yi Ling auf diese Unverfrorenheit noch mal einen Hieb mit ihrem Fächer auf den Hinterkopf verpasste. „Was?“, moserte er folglich trotzig. „Ich bin ein großartiger Lehrer! Nimm nur die Tatsache, dass Lan Zhan zuvor nicht mal einer hübschen Maid in die Augen schauen konnte und nun entspannt er sich in einem Brothel, ohne auch nur rot zu werden.“ Der Horror flog Wangji über das Gesicht, ob diesem so selbstverständlich vorgebrachten Fakt, war dies das letzte Detail von dem er wollte, dass es ausgerechnet sein Bruder mitbekam. Dem folgte ein Schub aus Frustration und Beschämung, den auch Yi Ling zuvor noch nicht in diesem Maße in ihm ausgelöst hatte. Was womöglich auch der Anschub dafür war, als er ein Seil aus spiritueller Energie befehligte, das sich fest um dessen Körper legte, bevor er es mit Schwung dazu brachte Yi Ling hochzureißen, das er den Boden unter den Füßen verlor, und er ihn in Richtung des Badezubers dirigierte, in welchen er ihn unzeremoniell wieder fallen ließ. Einzig ein erschrockenes Quieken war diesem noch möglich, bevor er in dem nun gänzlich kalten Wasser endete. Selbst etwas überrascht über sein Handeln, doch mehr darüber das ihm dies mit seinem Qi möglich gewesen war, prüfte er selbst den Zustand seines goldenen Kerns, um mit Erstaunen festzustellen, dass er sich ein wenig stabiler anfühlte. „Interessant. Wangji?“, hörte er seinen Bruder, ging ihm wohl die selbe Erkenntnis durch den Sinn. „Es scheint etwas bewirkt zu haben.“, antwortete er ihm, selbst noch immer etwas fasziniert darüber. „Sag ich doch. Der perfekte Lehrmeister.“, schaltete sich Yi Ling dazwischen, der noch immer im Zuber saß, durchweicht, während ihn einige seiner langen Haare in fetten, nassen Strähnen im Gesicht klebten, welches, trotz allem, ein breites Grinsen zierte. Zéwú-jūn hatte sich wieder verabschiedet, dass Yi Ling sich darum kümmern konnte, sich zum zweiten Mal an diesem Tag abzutrocknen. Seine eigenen Sachen waren, dank der Sommersonne, schon wieder anziehbar und er seufzte zufrieden über das vertraute Gefühl seiner eigenen Kleidung am Leib. Báiwù war vorerst zurück nach unten gekehrt, brach der Abend langsam an, was bedeutete das sich bald die erste Kundschaft einfinden würde und davor gab es, wie überall, einiges zu tun. Es war irgendwo schon herzerwärmend, das Báiwù gerade hier, in der Herrin des Hauses, ihre große Liebe gefunden hatte und nun als dezenter Wachposten agierte, sollte einer der hier vorbeischauenden Herren sich nicht an die Regeln halten wollen. Die Kraft hatte sie auf jeden Fall dazu und wenn dies nicht half ihre Fuchs-Magie. Sie hatte Lan Zhan, über das Erzählen ihres Hierseins, eilig versichert, dass sie nur in ernsten Fällen von beiden Gebrauch machte und nicht grundlegend darauf aus war Unheil zu verrichten. Dazu war ihr ihre Frau einfach zu wichtig, deren Geschäft sie nicht ruinieren wollte. Zudem erfüllte es sie mit dem Gefühl etwas Nützliches zu tun, wenn sie den Frauen hier Sicherheit gewährleisten konnte. Diese Zunft war nie ein sicheres Gefilde, doch blieb manchen nichts weiter übrig, als hier ihr Geld zu verdienen. Es war eine ehrenwerte Einstellung, so fand Yi Ling, das er ihr auch zum Teil ihre recht kratzbürstige Art ihm gegenüber verzeihen konnte. Mit einem letzten Blick in das Zimmer, ob er auch nichts vergessen habe, verließ er es, hatte Lan Zhan darauf bestanden nicht im Wege sein zu wollen. Yi Ling wusste das es simpel darum ging, das er nicht miterleben wollte, was sich in einem Brothel abspielte, wenn es geschäftig wurde. Dieser wartete somit bereits unten. Er unterhielt sich gerade mit  Báiwù, als dieser ihn erblickte und ihm einen stummen Ausdruck der Ermahnung schenkte, das er sich nicht mehr hatte beeilen können. Sie verabschiedeten sich schließlich. Lan Zhan ging voraus und Yi Ling drückte Báiwù noch ein paar Münzen für die Umstände ihrer Unterbringung in die Hand. Sie schaute, wie zu erwarten, skeptisch auf diese seine Geste. Dann holte sie selbst etwas aus ihrem Ärmel, das sie ihm reichte. Ein kleines, bauchiges Fläschchen. „Öl?“, hakte er nach, als er sich etwas davon auf einen Finger tropfte. Sie nickte knapp. Yi Ling zog fragend seine Augenbrauen nach oben und lehnte sich dann zu ihr hinüber. „A-Wù, ich weiß deine Führsorge zu schätzen, aber Lan Zhan und ich sind noch nicht soweit in unserer Beziehung.“, meinte er im Versuch ernst zu wirken, doch brachte es ihm einzig wieder einen kräftigen Hieb mit ihrem Fächer ein. „Halte deine schmutzigen Finger von ihm fern, verstanden!“, zischte sie missbilligend über seine unsittliche Anspielung. „Es ist ein hú jīng-Olibanum.“, erklärte sie zurechtweisend. „Ich sah die Talismane, zwischen deinen Sachen. Beschrifte sie damit und es kann sich als nützlich erweisen. Kapitel 12: ------------ Wangji vernahm das kräftige Rauschen des Regens, vor dem Eingang der Höhle, in welcher sie ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten. Sie waren seit Tagen an keiner Ortschaft mehr vorbeigekommen, so weit im Gebirge. Yi Ling hatte gemeint, dass er eine bestimmte Gegend wieder einmal besuchen wolle und der Weg dorthin führte sie über diesen Bergkamm. Dieser hatte sich wieder in die Tüftelei mit seinen Talismanen vertieft, Bàng Hēi auf seiner rechten Schulter und Wangji die Stille begrüßte und nutzte, um sich weiter dem Stärken seines goldenen Kerns zu widmen. Soweit hatten sie herausgefunden, dass ein kräftiger emotionaler Schub dabei behilflich sein konnte. Doch war er weit davon entfernt, diese Herausforderung in Yi Ling´s Hände zu legen. Auch jemand wie er hatte seine Grenzen, wenn es darum ging, sich mit den unsinnigsten Offerten provozieren zu lassen. „Vielleicht würde auch ein anderes inniges Gefühl helfen.“, hatte Yi Ling ihm seine Theorie vor ein paar Tagen mitgeteilt, als dieser nach einem weiteren Versuch, ihn aus der Ruhe zu bringen, nur erreicht hatte, sich selbst zu ermüden. Womöglich hatte er dennoch nicht ganz unrecht mit seiner Idee, nur war Wangji niemand der je gut mit großen, offenen Emotionen umgehen konnte. Somit griff er auf das zurück, mit dem er sich vertraut sah. Dem Meditieren. Er hatte seine Augen gerade geschlossen, als er ein hektisches Japsen von Yi Ling vernahm, dem auch schon ein äußerst bissiger Geruch folgte, dass es ihn seine Augen wieder öffnen ließ. Gelblicher Qualm füllte die Höhle, welcher von einem Talisman ausging, der am Boden lag. „Das war dann wohl ein weiterer Fehlversuch.“, hörte er Yi Ling zwischen angestrengtem Husten sagen, und Wangji raunte innerlich resigniert. Bàng Hēi zog es vor, trotz des Regens, nach draußen zu flüchten. Es war nicht ungewöhnlich, dass Yi Ling´s Versuche solch ein Ende fanden. Das letzte Mal war er seiner eigenen Halluzinationserschaffung zum Opfer gefallen, die er mit einem Talisman und dem Olibanum von Báiwù erzeugen wollte. Er war insoweit erfolgreich, dass er geglaubt hatte, von wilden Hunden gejagt zu werden, das es Wangji gut eine xiǎoshí (ca. eine Stunde) gekostet hatte ihn wieder von dem Baum herunterzureden auf welchen dieser sich geflüchtet hatte. Ein merkwürdiges Kribbeln machte sich nun unter seiner Haut breit, das er es als angebracht empfand etwas zu unternehmen. Wangji nahm den Talisman schließlich und brachte ihn nach draußen, wo der Regen ihn genug einweichte das die Magie sich verwässerte und das Qualmen stoppte. Allerdings hing der Dunst noch immer in der Höhle fest, dass er kurzum etwas Windmagie befehligte um auch diesen noch zu vertreiben. Yi Ling´s Husten verstummte, gefolgt von einem heißer klingenden „Danke“. Wangji schüttelte ergeben den Kopf, bevor er sich wieder seiner Meditation zuwandte. Das nächste Mal als Wangji sich dort herausgerissen fand, war durch ein gedämpftes „Lan…Zhan…Lan Zhan“, dem eine subtile Panik innewohnte. Ihr Feuer war fast heruntergebrannt, während seiner Meditation und Yi Ling´s Schlaf, das der dimme Lichtkreis nicht mehr reichte ihn Yi Ling ordentlich erkennen zu lassen. Er legte ein paar Äste nach und gab etwas Qi dazu, um sie schneller zum Brennen zu bringen. Als er Yi Ling wieder ausmachen konnte, musste auch er seine Augen etwas weiten, über den Anblick der sich ihm bot. Yi Ling schaute ihn mit anhaltender Unruhe in seinem Gesicht an, bevor er seinen Blick wieder auf den Grund seiner Panik richtete. Etwas hatte sich auf dessen Bauch niedergelassen. Im Schein der Flammen glänzte es schwach golden, doch verlor sich dies in einem Nachthimmel-Blau. Feine Schuppen waren zu erkennen, doch war das, was auch immer sich Yi Ling als Schlafplatz ausgesucht hatte, zu sehr in sich zusammengerollt, als das man Genaueres hätte darüber sagen können. Bàng Hēi hüpfte auf Yi Ling´s Schulter zurück und gab einen kurzen, leisen Laut von sich, der das Bündel auf Yi Ling dazu brachte sich etwas zu regen. Dieser zog darauf scharf die Luft ein, machte er sich wohl auf etwas Unerfreuliches gefasst. Wangji verfolgte jede träge Bewegung des unbekannten Wesens, als sich schließlich ein Kopf zeigte der direkt zu Yi Ling hochschaute. „Awww.“, gab dieser unerwarteter Weise von sich und sein Ausdruck nahm etwas Entzücktes an. Wangji war nicht in der Lage, von seiner Position her zu erkennen, was dieser sehen mochte. Bàng Hēi krähte nun etwas lauter und das Wesen zeigte plötzlich ein leichtes Zittern, ausgelöst durch den Versuch sich aufrichten zu wollen. Es stand nur einen Wimpernschlag auf seinen wackeligen, dünnen Beinen, bevor es wieder in sich zusammensackte. Yi Ling war rasch dabei es etwas abzufangen, doch hatte es Wangji gereicht um identifizieren zu können, was sich ihn als Wärmequelle auserkoren hatte. „Lóng mǎ?“, meinte er nachdenklich, war es recht ungewöhnlich ein Drachenpferd in der Menschenwelt zu sehen. Noch dazu ein Junges ohne Mutter. Wangji ließ sein Qi die Höhle abtasten, doch konnte er keine weitere Signatur eines Lebewesens einfangen. Das Junge, hatte nicht aufgehört zu zittern und Yi Ling gab dem Versuch nach, ihm vorsichtig eine Hand auf den dürren Leib zu legen. Wenn junge Drachenpferde aus Drachenperlen schlüpften, waren sie zuerst nicht größer als eine ausgewachsene Katze. Nur mit etwas längeren Beinen und den nicht zu verkennenden Flügeln. Zuerst schien es verunsichert über diese Geste, schnappte es kläglich nach ihm, doch schien dies alles an Kraft zu sein, was es noch aufbringen konnte. Wangji rückte zu ihnen auf und als er sah, dass das Junge seine Augen geschlossen hatte, ging er dessen körperliches Befinden mit einem sanften Hauch seiner spirituellen Energie ab. „Es ist ausgehungert. Aber nicht verletzt.“, konnte er feststellen und schaute erneut nachdenklich. Es würde nicht mehr lange durchhalten, in dieser Verfassung, doch war Yi Ling schnell mit einer Lösung. „Lan Zhan gib mir etwas von dem Wasser.“ Dann zog er den Medizinbeutel hervor, den ihm Lìn Pòsuǒ gegeben hatte und nahm eine der runden Pillen heraus. „Könntest du…“, fragte Yi Ling, während er beide Hände aneinander legte und die Finger wölbte. Wangji verstand auf was dieser hinaus wollte. Auch wenn es wirklich nur als eine Spielerei angesehen werden konnte, formte er eine Schale, indem er sein Qi festigte, wie er es mit dem Seil getan hatte. Yi Ling fand es extrem praktisch, wie er ihm auch schon gesagt hatte, als er einfach nur mit den Möglichkeiten seiner jetzigen Qi Leistung herumprobierte. Er füllte das Behältnis mit Wasser und Yi Ling löste die Pille darin auf. Dann führte er die Schale dem Drachenpferd vor, dessen Nasenflügel leicht zuckten, hatte es wohl den Geruch der Medizin erfasst. Mehr geschah aber auch nicht. Yi Ling runzelte seine Stirn besorgt. „Gibt mir den Apfel.“ Er deutete auf die Frucht die etwas abseits von seinem Schlafplatz lag, war sie ihm wohl aus seinem Beutel gerollt. „Oder warte. Kannst du ihn zerkleinern? Dass ich ihn unter das hier mischen kann?“, Er hob die Schale leicht an und Wangji nickte verstehend. Sie hatten schließlich einen Brei fertigbekommen, in welchen Yi Ling einen Finger stippte und etwas von der Masse dem Drachenpferd vor die Schnauze hielt. Diesmal zuckten nicht nur die Nasenflügel, auch dessen Augen öffneten sich etwas, bevor es einen unsicheren Zungenschlag gegen Yi Ling´s Finger tat. Ein zögerlicher Moment verstrich, als es diese Geste wiederholte, und sie beide erleichtert ausatmeten über diesen kleinen Erfolg. Yi Ling hatte es dazu bringen können den Brei komplett aufzulecken, worauf es nun auf dessen abgelegter äußerer Robe, nahe dem Feuer, wieder eingeschlafen war. Bàng Hēi zeigte ein hektisches Flügelschlagen und flog weiter in die Höhle hinein, die, so bei ihrer ersten Durchleuchtung, kaum 20 zhàng (knapp sechseinhalb Meter) aufgezeigt hatte. Als Bàng Hēi das nächste Mal krähte klang es fern und echohaft, das es Wangji und Yi Ling einen fragenden Blick tauschen ließ, bevor sie, mit einem Flammentalisman der Sache auf den Grund gingen. „Ein Felsrutsch?“ War das der Grund, warum sie nichts weiter in der Höhle hatten ausmachen können? Als sich Bàng Hēi durch einen Spalt zwischen den Steinen wiederzeigte, lag diese Möglichkeit recht nahe. Yi Ling legte ihm einen Finger auf das Köpfchen und Wangji wusste, das er mit ihr kommunizierte. Sicher um herauszufinden, was sich hinter dem Fels verbarg. „Verstehe.“ Darauf suchte er das Gestein ab, im Versuch die Öffnung mit dem Wegschieben einem der anderen Steine zu vergrößern. Mit einem angestrengten Stöhnen, stemmte er schließlich einen der Felsen soweit zu Seite, das ein Zugang entstand, der zwar nicht groß, aber ausreichend zum Hindurchkriechen war, wenn man sich etwas hindurchzwängte. Was Yi Ling schließlich auch tat. „Ich weiß nicht, ob ihre Heiligkeit mit seinen breiten Schultern hier hindurchpasst.“, hörte er ihn noch witzeln, das es Wangji nur mit den Augen rollen ließ, und er ansetzte diesem zu folgen. Die andere Seite der Höhle war niedriger, doch reichte es sich aufzurichten ohne sich den Kopf anzustoßen. Yi Ling ließ die Flamme den Raum stückweise erhellen, als sie schließlich etwas entdeckten. Den Kadaver der Drachenpferd Mutter. Sie schlossen beide zu dem toten Tier auf und hockten sich neben den eingefallenen Leib. Er befand sich im Stadium einer Mumifikation, was ihn soweit gut erhalten zeigte, doch man sich fragen musste, wie lange das Junge bereits hier ohne seine Mutter ausgeharrt hatte. Yi Ling leuchtete den Körper genauer ab. Es gab eine große merkwürdig gefärbte Stelle an dessen Hinterlauf. Die Haut darunter wirkte, im Gegensatz zum sichtbaren Rest des Körpers, aufgesprungen und an manchen Stellen wulstig, als habe sich die Haut zuvor dort aufgebläht. Da es sich über das gesamte hintere Bein erstreckte war naheliegend, dass es womöglich an dieser Verletzung verendet war. Wangji kam dennoch nicht umhin, sich zu fragen, wie es dazu hatte kommen können. Ein Drachenpferd war ein mystisches Geschöpf. Mit großer spiritueller Kraft, nichts Menschgemachtes sollte ihm derart zusetzen können. Selbst ein natürliches Feuer, wenn er die Ursache dieser Wunde deuten müsste, wäre nichts, dass solch einen Zustand verursachen würde. Und all das sagte er auch Yi Ling, der noch immer die Verletzung studierte, als habe er ähnliches Bedenken zu dessen Ableben. „Ich habe so etwas schon einmal gesehen. Allerdings könnte ich mich auch damit irren, könnte der Zustand des Körpers einiges verfälscht haben.“, hörte er Yi Ling in einem grübelnden Ton mitteilen. Wangji erwiderte dessen Blick, den dieser ihm schenkte, wohl weil er sichergehen wollte, dass er ihm auch zuhörte und sein Gerede nicht als Unsinn ignorierte. Wangji nickte knapp aber bekräftigend, das er sich erklären solle. „Damals, als wir versuchten dieses schleimige Ding zur Strecke zu bringen, welches so auf deine spirituelle Energie fixiert war. Als es dich erwischte, kam ich in direkten Kontakt mit ihm und das Resultat war dem hier…“, er deutete auf die Verletzung des Drachenpferdes. „…sehr ähnlich.“ Wangji zog seine Augenbrauen zusammen über diese Annahme. Sollte es tatsächlich sein, wie Yi Ling vermutete, wäre das wahrlich ein recht beunruhigender Verlauf. Wangji streckte beide Hände über den Kadaver. Vielleicht konnte er noch etwas von dieser unheilvollen Energie ausmachen. Er wusste genau, wie sie sich anfühlte und sie sollten allen Zweifeln oder, in diesem Falle, Tatsachen, nachgehen. Yi Ling schaute unbehaglich, über das was er zu tun gedachte, doch war er der einzige von ihnen, der es überprüfen konnte, war die Wahrscheinlichkeit, dass Yi Ling´s yuàn qì sie vorher zersetzen würde, bevor sich etwas bestätigen ließe, nicht auszuschließen. „In Ordnung, aber sei ja vorsichtig.“, wies ihn dieser an und Wangji ließ sein Qi die Verletzung abtasten. Zuerst stellte er nichts Ungewöhnliches fest. Es geschah abrupt, das er ein Stechen in seinen Fingerkuppen zu spüren begann, als habe er in Dornensträucher gefasst, gefolgt von dem ominösen Gefühl das etwas auf der Lauer liege. Er kannte diese Energie und es ließ ihn seine Hände schließlich fest zu Fäusten schließen. „Du hattest Recht.“ Yi Ling schaute ebenso missmutig auf seine Worte und schob ihn darauf leicht zur Seite. „Lass mich das zu Ende bringen.“ Es war kein Rest der giftigen Energie mehr übrig geblieben, nachdem er etwas von seinem yuàn qì zum Einsatz gebracht hatte und Lan Zhan den Kadaver darauf noch einmal überprüfte. Doch allein die Tatsache, dass es mehr von diesen Dingern geben musste, hatte ihnen ein äußerst unwohles Gefühl beschert. Was, wenn es nicht nur noch dieses eine wäre? Was, wenn es Dutzende sein könnten? Sie hatten keinen Anhaltspunkt, was diese Dinger überhaupt waren, noch woher sie kamen. Einzig das sie eine ungemein Gefahr darstellten. Yi Ling schaute auf das immer noch ruhende Lóng mǎ-Junge. Sie konnten nur spekulieren, wie es überlebt hatte. Es war ein mehr als glücklicher Zufall, dass sie gerade in dieser Höhle Unterschlupf suchten. Zudem war es nicht auszuschließen das sein kleines, rauchiges Experiment dazu beigetragen haben könnte, das Junge hervorzulocken. Lan Zhan schaute noch immer tadelnd, nachdem er ihm seine Theorie, warum es sich plötzlich zeigte, unterbreitet hatte. Dabei war es wirklich nur ein Test gewesen. Báiwù ´s Geschenk hatte ihn auf ein paar Ideen gebracht. Eine Halluzination über einen Talisman erzeugen hatte einiges an Selbstversuchen gekostet, das er froh war Lan Zhan damit vertrauen zu können, das dieser ihn nicht in ernsthafte Probleme rennen ließ. Auch wenn ihm immer noch zum Schmollen zu Mute war, dachte er daran, dass dieser nicht mal versucht hatte ihn aufzufangen, als er sich, nach einem seiner Fehlversuche, auf einen Baum flüchtete und am Ende fern von grazil wieder aus diesem zu Boden gefallen war, in seinem Tran. Ein weiterer Effekt der nützlich sein würde, war das Betäuben oder Schläfrig machen. Es hatte selbst ihn ausreichend beeinflusst, als Báiwù ihn, Lan Zhan´s Ehre wegen, verschleppt hatte. Derzeit aber, arbeitete er an dem Effekt des Bezirzens. Es könnte überaus nützlich werden, wenn man jemanden etwas erledigen lassen würde wollen, um selbst nicht in Aktion dafür treten zu müssen. Oder einfach, um jemanden so zu verblenden, das man diese Person ohne Mühe ablenken konnte. Dass sein Talisman urplötzlich in Rauch aufgehen würde, hatte er nicht beabsichtigt. Aber da er eben auch nicht richtig fertiggestellt war, hatte er nichts wirklich bewirkt. Außer vielleicht, das Junge soweit zu beeinflussen, das es sich derart anhänglich gefühlt hatte, um ihre Nähe gesucht zu haben. Solch eine Entdeckung zu diesen giftigen Dingern zu machen, war besorgniserregend, aber so wussten sie auch, dass sie ihre Reise mit größerer Vorsicht fortsetzen sollten. Auch wenn das Ganze am Ende einen traurigen Verlust für das Jungtier darstellte. Natürlich hatten sie es nicht über das Herz bringen können, das Junge zurückzulassen, worauf Yi Ling abermals einen Mitreisenden in seinem Umhängebeutel herumtrug. Es war schwerer als es Lan Zhan in seiner knuffigen Hasenform gewesen war, aber das störte ihn nicht wirklich. „Yǔshén (Gott des Regens), scheint es wirklich nicht gut mit uns zu meinen.“, seufzte Yi Ling und schaute in den anhaltenden Regen, vor welchem sie unter dem üppigen, astartigen Luftwurzel-Geflecht eines Banya-Baumes Zuflucht gesucht hatten. Lan Zhan trug einen Schirm mit sich, welchen er sich umsichtig genug, im letzten Ort gekauft hatte, den er aber nicht bereit war mit ihm zu teilen. Aber für ihn tat es am Ende auch eines der 苳 dōng –Blätter, die es zu Hauf am Wegrand zu finden gab und ihm schon öfter bei solch einem Wetter gute Dienste geleistet hatten. Ein Blick auf Lan Zhan und er musste etwas amüsiert grinsen, als er sich ihn mit eben solch einem Blatt auf dem Kopf vorstellte. Aber ihm war auch zuzutrauen das er das Ganze sogar noch vornehm ausschauen lassen würde. Er stöhnte in so etwas wie Ergebenheit über diese Wahrscheinlichkeit. Doch auch wenn es für ihre Reise ungünstige Verhältnisse waren, so mochte er den erdigen Geruch, den der feuchte Waldboden verströmte, hatte es für ihn schon immer einen beruhigenden Effekt gehabt. „Yǔshén, sieht keinen Nutzen darin sich nur auf uns zu beziehen. Zudem braucht die Natur seine Gabe.“, wies in Lan Zhan über seinen, nicht ansatzweise ernstgemeinten Kommentar, zurecht, was ihn schlicht ergeben Raunen ließ. Xiǎo píng guǒ (Kleiner Apfel), so hatte er das Junge genannt, hatte es eine Vorliebe für Äpfel gezeigt, ließ seinen kleinen, drachenartigen Kopf aus dem Beutel schauen, seine Knopfaugen halb geschlossen, als wäre es kurz vor dem Einschlafen. Yi Ling kraulte es behutsam unter dem Kinn, dass es einen zufriedenklingenden, pfeifenden Laut von sich gab. Bis Xīzhào Shùlín waren es noch gut zwei Tage. Doch mit seinen Gefährten konnte er nicht auf einen Transport-Talisman zurückgreifen, wie er es sonst für einen Besuch dort tat. Wen Qin würde ihm so wie so erst einmal die Ohren langziehen, das er sich jetzt erst wieder zeigte. Auch wenn sie ihre Besorgnis, stets unter ihrer rauen Art zu verstecken versuchte, so schätzte er ihren Einsatz sich diese Mühe zu machen, dennoch. Er schmunzelte unbewusst über ihre Reaktion, wenn sie seinen, störrisch, gutaussehenden Kumpanen zu Gesicht bekam, bis Lan Zhan ihm einen seiner skeptischen Blicke zuwarf, dass er sich dem gewahr wurde. „Ah, Lan Zhan, immer so schnell mit dem Verurteilen.“, tadelte er ihn, was nicht dazu führte, das sich dessen Ausdruck änderte. „Es ist nie ein gutes Zeichen.“, hörte er diesen klarstellen, dass es Yi Ling schlicht nur noch breiter grinsen ließ. „In diesem Fall ist es wirklich nur ein Zeichen meiner Vorfreude. Es ist schon eine Weile her, dass ich Xīzhào Shùlín besuchte. A-Yuan ist sicher schon ein gutes Stück gewachsen. Zudem ist der Wein, den sì lǎo bó (4ter Onkel) macht, wirklich einer der Besten. Nicht, dass das jemand wie der große Lan xiān shī es beurteilen könnte.“, zog er Lan Zhan auf, der schlicht seinen Blick von ihm abwandte, als habe er ihn nicht gehört. Dass er ihn gehört hatte, bewies er indem er ihm kurz darauf eine Frage stellte, dass dessen Interesse Yi Ling einen Moment etwas überraschte. „Ist Xīzhào Shùlín deine Heimat?“ Yi Ling schwieg zunächst mit einem sentimentalen Lächeln. „Nicht direkt, aber das Naheliegenste, was ich als ein zu Hause bezeichnen würde.“ Lan Zhan sagte nichts weiter darauf, schien er für sich entschieden zu haben, das er das Gewicht in diesen Worten nicht befugt war zu hinterfragen. Es war auch keine Geschichte die er jetzt, hier würde erzählen wollen, und somit war er dankbar für die Zurückhaltung des anderen. * Nebel schmeichelte Wangji wie eine neugierige Katze um die Beine, als sie den Berg hinaufstiegen , Yi Ling´s beständiges Mosern in der Luft, das er zu alt für solche anstrengenden Wanderungen wäre, bis sie schließlich das kleine Dorf namens Xīzhào Shùlín erreichten. Der Regen hatte nachgelassen, doch schienen die Bewohner es dennoch zu bevorzugen in ihren Hütten zu bleiben, dass sie die Einzigen waren, die sich auf dem matschigen Hauptweg wiederfanden, der durch den winzigen Ort hindurchführte. Yi Ling ließ sich nicht beirren und führte ihn resoluten Schrittes zu einem der Häuser, aus dessen halb geschlossenen Fenstern er das warme Licht von Kerzen ausmachen konnte und das plötzliche Auflachen eines Kindes. Ohne zu zögern klopfte Yi Ling an, auf das man ihm kurzdarauf auch schon öffnete. Wangji kam nicht umhin sich etwas irritiert zu fühlen, über die eher schlagkräftige Begrüßung in Form eines deftigen Hiebes auf den Brustkorb, die Yi Ling empfing, sobald man registriert hatte, wer der Besucher war. Eine junge Frau, mit strengen Gesichtszügen, und gehobener Haltung schaute unbeeindruckt über dessen Gejammer, das besagte Frau nie einen Ehemann finden würde, mit solch grobschlächtigen Manieren, das man ihn an einem seiner Ohren packte, und es ihn eilig um Verzeihung bitten ließ. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit argwöhnisch und abmessend auf ihn. „Muss ich mir Gedanken machen? Hast du dir wieder Ärger eingehandelt, den du selbst nicht gradebiegen kannst?“, hörte er sie, an Yi Ling gerichtet fragen, doch blieb ihr Blick fest auf ihm liegen. Sie schob einzig ihre Hände unter ihren langen Ärmeln zusammen. Yi Ling war rasch dabei sich wieder neben ihn zu stellen und ihm in einer nervigen Manier einen Arm über seine Schultern zu legen. „Ah, das geht schon in Ordnung. Lan Zhan ist mein Kumpel.“ Darauf zog ihn Yi Ling noch etwas näher und zeigte dieses alberne, überschwängliche Grinsen. Wangji indes befreite sich mit einem mahnenden Murren aus dessen Fängen. „Keine Freunde.“, stellte er klar, was Yi Ling einen beleidigten Schmollmund ziehen ließ. „Verleugnender Langweiler.“, vernahm er ihn noch grummeln, doch änderte sich dessen Laune schlagartig wieder, als er die anderen zwei Personen in der Hütte erfasste und Wangji´s Kommentar damit schon wieder vollkommen vergessen schien. „Wen Ning. A-Yuan!“ Dieser rauschte, ohne weiter abzuwarten, in die Hütte hinein. „Lan Zhan, komm, ich will sie dir vorstellen.“ Ein ergebenes Raunen war von der Frau einzufangen. Sie zog ihre Hände wieder aus ihren Ärmeln hervor, dass Wangji nur flüchtig noch soetwas wie lange, feine Nadeln ausmachen konnte, die sie darin versteckt hielt. Schließlich verbeugte sie sich leicht vor ihm und stellte sich mit dem Namen „Wen Qing“ vor. Xīzhào Shùlín, so lernte Wangji, wurde von ein paar Nachfahren des Wen Clans bewohnt, auch wenn diesem Namen, nach gut 5 Jahrhunderten, nichts mehr von seiner einst barbarischen Autorität innewohnte. Die Geschichte um Wen Mao, war unter seines Gleichen ein Lehrstück in jeder Historie eines himmlischen Clans geworden. Wen Mao, dem Irrsinn verfallen in seinem rücksichtslosen Streben nach endloser Macht. Sein Regime das unter Terror Unruhe in ihrer Welt und der der Menschen verbreitet hatte. Bis man ihn hatte beikommen können und ihm seine göttliche Kraft vollends entzog, um ihn darauf in die Welt der Menschen zu verbannen. Was danach mit ihm geschah ist lückenhaft in den Aufzeichnungen. Doch heißt es, dass er trotz seiner Verbannung nicht aufgegeben habe seine Macht wieder zu erreichen. Am Ende soll er, irgendwo in den Bergen um Qishan eines erbärmlichen Todes gestorben sein, sein Geist und sein Körper zerfressen von Wahnsinn. Es war 200 Menschenjahre später, das sich ein Wen Ruohan damit rühmte ein Nachfahre des großen Wen Mao zu sein und er dessen Erbe wieder zu neuem Ruhm verhelfen würde. Wie er auch Rache an den Himmeln nehmen wollte, für die Schmach die man seinem Vorfahren angetan habe. Wen Ruohan gründete seinen eigenen Clan, der über die folgenden Jahrzehnte beständig wuchs und sich aggressiv Ländereien aneignete, wo er den Menschen die Wahl ließ sich ihm anzuschließen oder unter seiner Klinge zu sterben. Man sagte, dass er sich mit dunklen Künsten seinen Weg geebnet habe, doch hatte man es in den Himmelreichen schlicht als ein Problem der Menschen abgetan. Es stand geschrieben das Wen Ruohan sich nicht gescheut habe Experimente an Menschen durchzuführen, die so grausam gewesen seien, dass es eine Erlösung gewesen war, darunter zu sterben und nicht als eine seiner bizarren, entstellten Kreaturen zu enden, die er zu einer Armee ausweiten wollte. Erst als er mit seiner unheiligen Macht den Göttern zu nahe kam, hatte man beschlossen sich seiner anzunehmen. Es hieß er habe blutrünstige und mächtige Monster unter seiner Kontrolle gehalten, mit einem schwarzen Schwert aus purem Yin. Niemand hat dieses Schwert je ausfindig machen können, nachdem Wen Ruohan und seine Sippe ihr Ende gefunden hatten und es zu einer Legende wurde. Das was an Wens hatte flüchten können, hatte nicht noch einmal versucht Wen Mao´s Streben zur Vollendung zu bringen. Der Name Wen, wurde unter den Menschen einer wie jeder andere, das es schließlich kaum noch Erinnerungen an deren tatsächlichen Ursprung gab. Zudem zerstreute sich die direkte Nachkommenschaft über die Zeit, hatte man in andere Familien eingeheiratet und andere Generationen trugen andere Familiennamen. „Awww, ist er nicht der niedlichste kleine Kerl den du je gesehen hast?“, hörte er Yi Ling gurren, während er A-Yuan nicht zum ersten Mal in die Pausbacken kniff und ein entzücktes Grinsen zeigte, während dieser ihn bestehend wissen ließ, dass er bald schon fünf Jahre alt werden würde und somit kein Baby mehr wäre. Yi Ling lachte zugetan und lehnte sich über ein Flüstern zu dem Jungen. „Aber nicht weiterverraten.“, gab er ihm noch zu verstehen, was A-Yuan ernst nicken ließ, als Yi Ling auch schon etwas aus seinem Ärmel hervorholte und ihm überreichte. Es war das Holzschwert, das er für den Jungen zuvor auf einem Markt der letzten Ortschaft gekauft hatte. Eigentlich, sollte er dieses zu seinem vorhin erwähnten Geburtstag bekommen. Nicht das einzige Spielzeug, hatte Yi Ling in seinem Unvermögen sich zwischen einer bō làng gǔ (Rasseltrommel), einem Papier Drachen in Form eines schillernd-bunten Fènghuáng (Art von Phönix), und eine bù dǎo wēng (Roly-Poly Doll), die ausschaute wie ein Hase, und über welche jener ihn mit einem heiteren Funkeln in den Augen angesehen hatte, entscheiden zu können, und schließlich alles gekauft. Yi Ling´s Freude war fast genau so groß, A-Yuan das Holzschwert geben zu können, wie die von A-Yuan, es bekommen zu haben. Lan Zhan hörte das ergebene Seufzen von Wen Qing, die dem ganzen aus dem Augenwinkel gefolgt war. „Du verziehst ihn nur.“, mahnte sie, doch ohne irgendeinen missbilligenden Unterton. Eher lächelte sie selbst leicht über das Schauspiel, das die beiden gerade aufzogen, in welchen Yi Ling das böse Monster mimte, das A-Yuan heldenhaft mit seinem Schwert zur Strecke bringen würde. Man hatte ihm erklärt das Wen Qing und Wēn Qiónglín Geschwister waren und A-Yuan ihr Neffe, dessen Eltern leider nicht mehr unter ihnen weilten. Wangji warf einen kurzen, überlegenden Blick auf Wen Ning, der sich ihm auf Abstand aber dennoch höflich vorgestellt hatte. Allerdings gab es etwas an dem jungen, zurückhaltenden Mann, das an seinen Instinkten kitzelte. Etwas das ihm sagte, dass etwas anders mit diesem war. Außer, dass er ungemein blass und kränklich erschien. Yi Ling ließ sich in keinster Weise von dessen stillem Charakter entmutigen und löcherte diesen mit Fragen, während er diesem ab und an mit einer Hand ausgelassen auf den Rücken klopfte, wenn er ihm zu mehr Mut in einer Sache riet. So gesehen war es eine normale kleine Familie, und doch fragte sich Wangji, was genau Yi Ling mit ihnen verband. Wusste man hier von seinen ungewöhnlichen und gefährlichen Kräften? Dass, er kein Mensch wie sie war? Wangji hoffte, das Yi Ling sich ihre Gesellschaft nicht aus einem unlauteren Motiv heraus gesucht hatte, auch wenn es ihm nun doch schon etwas schwerer fiel sich dies tatsächlich vorstellen zu können. Dennoch blieb er aufmerksam, was den anderen betraf. Es würde auf keinen Fall schaden. Es war mittlerweile spät genug, für das Abendessen, was die Geschwister den Tisch dafür herrichten ließ, und man Yi Ling´s Angebot nach Hilfe synchron und eilig ablehnte. „So viel Geschirr hat niemand, um das zu riskieren.“, wies in Wen Qing auf seine trotzige Einwende zurecht, das es Yi Ling nur mit einem Schnauben die Arme vor der Brust verschränken ließ. Doch war auch dieser Ärger schnell wieder verflogen, als ihm A-Yuan eines seiner Spielzeuge vorhielt und ihn damit ausreichend abzulenken wusste. Anscheinend hatte man sich wirklich schon auf dessen chaotischen Charakter eingestellt und selbst der Jüngste hier wusste ihn schon zu handhaben. Dieser gab ein erfreutes Quieken von sich, als man ihn eine Schale mit süßer Suppe hinstellte, und Wangji feststellen konnte, dass der Großteil der Speisen von einem unheiligen Rotton geziert wurde, der von reichlich Würze sprach. „Oh, warte.“ Es war Yi Ling der sich darauf erhob und zu der kleinen Kochnische polterte, um wenig später mit einer Schale blanken, gekochten Reis neben ihm zu erscheinen und sie ihm vorzusetzen. Dann platzierte er sich wieder neben A-Yuan und schenkte Wangji ein verschmitztes Zwinkern, bevor er den Geschwistern erklärte, dass er kein scharfes Essen aß und generell recht langweilig in seinen kulinarischen Präferenzen sei. Wangji unterdrückte ein Augenrollen über dessen vorlautes Gerede. Es folgte ein erschrockenes Kreischen von A-Yuan, das alle Augen auf den Jungen fielen, der wie versteinert seinen Löffel in einer kleinen Hand hielt und von dem seine Suppe auf den Boden tropfte. Dessen Blick ebenso nach unten gerichtet, das Yi Ling der erste war der nachschaute, was dessen Reaktion hervorgerufen haben mochte. „Ah, da haben wir doch glatt jemanden vergessen.“ Mit einem Schmunzeln, griff Yi Ling unter den Tisch und holte Kleinen Apfel hervor dessen Schnauze sehnsüchtig dem Geruch von A-Yuan´s Suppe zu folgen schien. „Was um alles in der Welt, ist das!?“, hörten sie Wen Qing fragen, welche argwöhnisch auf das Drachenpferdjunge schaute. „Unser Baby, nicht wahr Lan Zhan?“ Er schüttelte nur leicht den Kopf über diesen unsinnigen Hinweis. „Oh, du bist gemein! Wie kannst du es verleugnen?“ Yi Ling schaute Kleinen Apfel hingerissenen an und machte alberne Geräusche, wie es Menschen machten, wenn sie ein Baby vor sich hatten. Kleiner Apfel leckte ihm leicht über die Nase, das es Yi Ling zum Lachen brachte und er das Junge schließlich A-Yuan zeigte, der das Ganze mit großen, neugierigen Augen beobachtet hatte. Dennoch zeigte er sich noch unsicher, hielt er eine kleine Hand von sich mit der anderen umfasst. „Du kannst es streicheln, wenn du magst. Es tut dir nichts. Aber sei behutsam.“, ermutigte ihn Yi Ling sanft. Kleiner Apfel gab eine Art schnurrenden Laut von sich und schaute abermals auf die Schale mit der süßen Suppe und streckte seinen Hals danach aus. A-Yuan schien kein Problem darin zu sehen, diese teilen zu wollen, nahm er die Schale in seine Hände und hielt sie dem Jungen vor, das sofort gierig anfing diese aufzulecken und dabei so ungeduldig wurde, dass es etwas aus Yi Ling´s Halt rutschte und mit seinem Kopf in die Suppe tauchte. „Das hast du nun davon.“, tadelte Yi Ling, doch schien es sich nicht wirklich daran zu stören, leckte es die Stellen an seinem Kopf, die es erreichen konnte ab, das es A-Yuan ein erheitertes Lachen damit entlockte und er nun doch vorsichtig eine Hand nach diesem ausstreckte. Sein rundes Gesicht zeigte so etwas wie Wunder, als er den schuppigen Rücken entlangstreichelte und dann zögerlich einen der ledrigen Flügel berührte, auf das Kleiner Apfel diese komplett auffaltete, schien es auf diese Art der Berührung immer etwas unwillkürlich zu reagieren. „Du bist wirklich eine Hand voll…“, murrte Yi Ling, dessen Gesicht das Ziel des zweiten Flügels geworden war und er noch immer moserte als er Kleiner Apfel zu Boden setzte. „Ich wünschte ich könnte behaupten, dass es mich mehr irritieren sollte, das du mit einem…“ Wen Qing deutete auf Kleiner Apfel, aus Ermangelung einer Bezeichnung, das ihr Wangji mit der Erklärung „Lóng mǎ.“, aushalf. „Danke. Das du mit einem Drachen-Pferd? hier auftauchst, als wäre es nichts weiter als ein streunender Hund, den du eingesammelt hast.“ Yi Ling schüttelte sich in Horror über diesen Vergleich, grinste dann aber über ihre Feststellung. „Das ist Teil meines Charmes. Nicht wahr Lan Zhan?“ „Ich bin mir nicht sicher, von welchem Charme die Rede sein soll.“ Yi Ling weitete über diesen  Kommentar, der Wangji im Affekt über die Lippen gekommen war, empört die Augen, als es Wen Qing amüsierte Stimme war die Wangji mitteilte, das er ihr sympathisch wäre und es Yi Ling nur noch mehr Prusten ließ über diese Gemeinheit. „Ich rede keinen Ton mehr mit euch!“ Eine Drohung die dazu führte, dass sie beide gleichzeitig erleichtert durchatmeten, das nun sogar Wen Ning den Kopf senkte um seine Erheiterung zu verstecken. „SO UNFAIR!“ Kapitel 13: ------------ Wie sich herausstellte besaß Yi Ling eine eigene Hütte, etwas abseits. „Sollte ein Experiment mal schief gehen.“, erklärte er mit einem Grinsen, und Wangji verstand sofort. Man hatte ihm angeboten im Gästequartier übernachten zu können, das sich ihre Wege für diesen Abend getrennt hatten. Kleiner Apfel blieb bei ihm, hatte Yi Ling von einer Nacht der Tüftelei gesprochen. Was, so gesehen, alles Mögliche nach sich ziehen würde können. Er legte sich schließlich zur Ruhe, Kleiner Apfel in einem Korb mit Stroh neben seinem Bett. Der Regen setzte wieder ein und ließ ihn in einen ruhigen Schlaf driften. Wangji erwachte zum Zwitschern der Vögel und dem alsbaldigen Aufgehen der Sonne. Er vernahm einige Stimmen, deren Worte er allerdings nicht verstehen konnte und dem Geräusch von mehreren platschenden Schritten auf dem regennassen Boden. Kleiner Apfel schlief tief und fest und er störte das Tier auch nicht als er das Bett verließ. Er nahm sich kurzdarauf heraus seine Unterkunft zu verlassen, bevor er sich für seine morgendliche Meditation zurückzog, und schaute sich den Ort bei Tageslicht nun etwas genauer an. Es gab nichts auffälliges, außer das ihm die Bewohner, die ebenso schon auf den Beinen waren, interessierte Blicke schenkten, doch stets freundlich grüßten, wenn sie aneinander vorbei liefen. Er folgte dem Hauptweg ein stückweit aus dem Dorf hinaus und fand einige Feld-Terrassen in den steilen Berghang gearbeitet. Einige davon waren für den Reisanbau, andere zeigten die Triebe von Sorghum und Hirse. Und wenn er nicht ganz falsch lag, gab es auch Terrassen für Wasser-Kastanien. Eine Gruppe Dorfbewohner, wie es schien, hatte sich zusammengefunden, wovon er Wen Qing und deren Bruder erkennen konnte. Es war nicht seine Absicht, neugierig zu erscheinen, dass er gedachte einen anderen Weg einschlagen zu wollen, als etwas gegen sein rechtes Bein stieß und sich folglich daran festklammerte. Ein Blick nach unten zeigte ihm, dass es sich um A-Yuan handelte, der nicht weniger überrascht zu ihm hinauf schaute, als er zu ihm hinab. „A-Yuan.“ Es war Wen Ning´s unsicher klingende Stimme, der nun auf sie zukam und er schon von weitem erkennen konnte, wie sich der junge Mann entschuldigend verbeugte. A-Yuan schaute nun etwas suchend über ihn, etwas das Wangji im ersten Moment nicht so recht nachvollziehen konnte. Hatte er sich nicht korrekt angezogen? War irgendetwas seltsam an ihm? Die Reflektion seiner Wasserschüssel hatte nichts offenbart, was sein Gesicht betraf. „Kleiner Apfel?“, hörte er den Jungen darauf nuscheln, was dessen Aufmerksamkeit voll und ganz erklärte. „Er schläft noch.“, ließ er A-Yuan wissen, der darauf etwas enttäuscht aussah. „Er ist noch zu klein und braucht seinen Schlaf.“, erklärte er ihm, was diesen schließlich verstehend nicken ließ, und er aus einer seiner Taschen einen Apfel holte und ihm vorhielt. „Für ihn zum Frühstück.“ Wangji kam nicht umhin es liebenswert zu finden. Sein Kopfschütteln, das angeben sollte, dass er ihm den Apfel später auch selbst geben könnte, ließ dessen Gesichtszüge in etwas Niedergeschlagenes wechseln, und er setzte mit seinem Vorschlag sogleich nach. Es ließ A-Yuans Gesichtszüge sofort wieder aufhellen, als nun auch Wen Ning zu ihnen aufgeschlossen hatte, und den Jungen auf einen Arm nahm, sich abermals verbeugte und entschuldigte. „Es ist nichts passiert.“, beschwichtigte Wangji ihn. Auch heute sah der junge Mann noch immer unwohl aus. Wangji weitete seine Augen mit einem Male argwöhnisch, als ihm dessen dunkle Aura bewusst wurde. Sie war der von Yi Ling ähnlich, doch bei weitem nicht so intensiv. Es war gut möglich, dass ihm diese gestern Abend nicht auffällig erschien, weil sie von der von Yi Ling überdeckt worden war. Dessen Schwester und zwei der anderen Bewohner kamen zu ihnen heran und man begrüßte ihn, auf das Wen Qing ihn den beiden älteren Frauen als Yi Ling´s Reisegefährten vorstellte. Er kam nicht umhin deren fragende Blicke zu bemerken, die sie Wen Qing zuwarfen, sie aber nur sacht den Kopf schüttelte. „Ich hoffe sie haben gut geschlafen?“, erkundigte sie sich und er konnte ihr dies ohne Zögern bestätigen. Seine Aufmerksamkeit fiel zurück auf Wen Ning, der gerade A-Yuan etwas über Insekten erzählte und ihn dabei leicht auf dem Arm wippte. War jener womöglich besessen? Solche Dinge konnten ungeahnt geschehen und von einem einfachen Heiler auch nicht ohne weiteres bestimmt werden. Wen Ning machte nicht den Eindruck einer Gefahr, doch würde er sich nicht blind darauf verlassen. Wenn er tatsächlich das Opfer einer unruhigen Seele geworden war, oder ihn ein Fluch getroffen haben sollte, konnte sich dessen Wesen schlagartig ändern und dieser einflusslos auf seinen Zustand, ungeahntes Unheil anrichten. Niemand schien sich Wen Ning gegenüber distanziert zu verhalten, aber waren Menschen auch nicht darauf geschult solche Energien für sich wahrzunehmen. Er sollte dies so schnell wie möglich mit Yi Ling besprechen. Wen Ning ließ A-Yuan wieder runter, auf das dieser voran tollte in seinem kindlichen Übermut und es Wangji augenblicklich etwas erleichterte, das sich der Junge vorerst aus der direkten Gefahr befand. Mit einer leichten Verbeugung gab er an sich wieder auf den Weg begeben zu wollen und strebte folglich Yi Ling´s Hütte an. Dass dieser nicht munter sein würde war ihm bewusst, doch galt es eilig zu handeln, und als man ihm auch nach dem dritten Mal klopfen nicht antwortete, ließ er sich selbst hinein. Das kitzelnde Gefühl das in dabei kurz umfing, überging er ohne Nachgedanken über sein Anliegen. Der Geruch von oxidiertem Metall und eine Note von Schwefel lagen in der Luft, als er eintrat. Es verwunderte Wangji nicht, die Hütte in einem kompletten Chaos vorzufinden. Der Boden war mit unzähligen Schriften, angesengten oder unfertigen Talismanen, zerknülltem Papier und diversen Büchern übersät. Hier und da Behältnisse mit ihm unbekannten Inhalten. Eines davon, ein kleines Tongefäß, befand sich in der Mitte eines Siegels das zur Isolation diente. Was es isolierte war fraglich und er konnte nur hoffen, Yi Ling wusste was er tat. Dessen Kleidung lag ebenso verstreut. Einer seiner Stiefel sogar auf dem Kang-Tisch (diese typisch niedrigen chin.Tische), an welchem dieser gearbeitet zu haben schien. Yi Ling lag in seinem Bett, wie das Desaster das er war. Seine Decke, wie auch sein Kissen hatte er über seinen Schlaf ebenso auf den Boden geschoben. Er war nahezu unbekleidet, war er nur in seiner unteren Robe ins Bett gefallen, die sich schon soweit gelockert hatte, dass es ein wirklich inadäquates Bild ergab, aber auf der anderen Seite Yi Ling´s Charakter nicht hätte besser darstellen können. „Yi Ling.“ Dieser zeigte keine Regung und Wangji trat näher an ihn heran. Dessen Stirn war sichtbar in Falten gelegt und er erkannte dessen angespannten Unterkiefer, wie auch die Hand die sich in das Unterbett verfestigt hielt. Es war anzunehmen, dass dieser einen schlechten Traum hatte. „Yi Ling!“, versuchte er es abermals, doch zeigte sich dieser weiter in seinem Schlaf gefangen. Er könnte ihn wachrütteln, doch empfand er es als zu unverfroren ihn einfach zu berühren, wenn dieser halb nackt war. Allerdings war sein Anliegen von ungemeiner Wichtigkeit und somit überwand sich Wangji, legte ihm eine Hand auf die bloße Schulter und noch ehe er sich versah, wurde er mit groben Schwung herum gezogen, dass er unsanft auf dem hölzernen Bettgestell landete. Über ihm die gehetzt starrende Gestalt von Yi Ling, der Wangji´s einen Arm in einem schmerzhaften, verdrehten Griff hielt, dessen andere Hand sich fest um Wangji´s Hals gelegt hatte. Sein Ausdruck glich dem eines wilden Tieres. Dessen Atmung ging stoßweise und schwer, das leicht rötliche Klimmen in dessen Augen und die schwarz-grauen Schwaden an yuàn qì die ihn um waberten ließen vermuten, dass dieser sich seiner nicht bewusst zu sein schien. Wangji wusste von dessen Albträumen. Auf ihrer Reise hatte er ihn ab und an daraus aufschrecken hören oder gesehen, doch derart überwältigt und aggressiv hatte er ihn noch nicht erleben müssen. Es bedurfte etwas das diesen beruhigen konnte, ohne ihn noch weiter aufzustacheln, das ihm nur in den Sinn kam ihm zwei seiner Finger an die Stirn zu legen und einen sanften Strom seines Qi zu senden, der dessen Verwirrung hoffentlich würde auflösen können. Ein tiefes Durchatmen war kurzdarauf von Yi Ling zu vernehmen. Nach und nach wisch die heftige Anspannung aus seinem Körper und ließ ihn schließlich in sich zusammensacken. Wangji befreite sich aus dessen ermatteten Griff und schob ihn ein stückweit zur Seite, um sich wieder aufrichten zu können. Jedoch hielt ihn Yi Ling davon ab, indem er eine Hand in seiner Robe verkrallte und ein erschöpftes „T´schuldige…war keine Absicht.“, in einem kratzigen Ton hervorbrachte. Sich darauf auch nicht weiter bewegte. Doch waren seine Augen halb geöffnet, das Wangji hoffte er wäre soweit munter ihm zuhören zu können. Zuerst schaute er sich mit einem suchenden Blick um. Er entdeckte den Krug und eine dazugehörige Schale die er mit Wasser füllte und diesem reichte. Einen Moment machte Yi Ling den Eindruck, als habe er keine Ahnung was er wolle, raffte sich dann aber, etwas steif, in eine sitzende Position auf. „Danke.“ Es war nicht zu übersehen, dass dessen Händen ein leichtes Zittern innewohnte, und er das Wasser gieriger trank als es gut war. Das kräftige Husten das folgte, ließ ihn Recht behalten. Yi Ling ließ die leere Schale darauf einfach auf das Bett sinken und strich sich in einer erschöpften Geste durch seinen wirren Haarschopf. „Das eben war ziemlich gefährlich.“, ermahnte Wangji ihn. „Was wenn es A-Yuan gewesen wäre, der dich hätte versuchen wollen zu wecken?“ Yi Ling raunte geschlagen und ließ den Kopf weiter hängen. „Sie wissen es. Sie wissen, dass keiner versuchen soll mich aufzuwecken. Außer Wen Ning.“ Auf diesen Verweis hob Wangji fragend seine Brauen. Hatte aber auch gleich eine passende Überleitung, warum er hier hergekommen war. „Es ist wegen Wen Ning, weswegen ich hier bin.“, erklärte er sich folglich, was Yi Ling ruckartig und mit einem besorgten Ausdruck zu ihm aufschauen ließ. „Ist etwas passiert?!“ Er konnte verfolgen, wie Yi Ling hektisch den rechten Ärmel seiner Robe nach oben zog und die Innenseite seines Unterarmes mit dem Daumen entlang strich. Eine Reaktion die unsinnig erschien. Wangji schüttelte kurz den Kopf. „Noch nicht, doch nahm ich eine ungewöhnlich hohe yuàn qì Aura bei ihm war, als ich ihm vorhin begegnete. Er könnte jeden Moment zu einer Gefahr werden, wenn nichts unternommen wird.“ Er war gerade dabei anzufügen, was seine Vermutungen diesbezüglich waren, doch hörte er Yi Ling nur lang und für ihn unverständlich, erleichtert ausatmen, dass dieser sich darauf sogar wieder auf seinem Bett ausstreckte. „Ah, verstehe. Da mach dir mal keine Sorgen. Wen Ning ist…nun sagen wir mal, etwas Besonderes.“ Für Wangji erklärte es rein gar nichts und es ließ ihn mit einem ansteigenden, genervten Gefühl zurück. Nahm ihn Yi Ling womöglich gar nicht ernst? Es wäre nicht das erste Mal das dem so wäre! „Lan Zhan, Lan Zhan. Wenn dein Blick noch frostiger wird, wachsen hier Eiszapfen.“ Erneut raunte Yi Ling und verschränkte seine Arme hinter dem Kopf. Ein Bein winkelte er an und legte das andere darüber. Noch immer ein indezenter Anblick in seiner Unbekümmertheit. „Wen Ning…er ist ein xiōng shī (fierce corpse).“ Yi Ling hob sofort seine Hand, um ihm von einer Unterbrechung abzuhalten, als dieser mitbekam, dass er seinen Ohren wohl nicht trauen konnte. „Er ist anders, wie du sicherlich schon festgestellt hast. Er steht unter meiner Kontrolle.“ Er deutete auf seinen Unterarm, auf welchem er nun ein Siegel auftauchen sah, welches blutrot und ominös auf dessen Haut glimmte. „Sollte sein yuàn qì in zu große Aufruhr geraten, bemerke ich es sofort. Egal wo ich mich auch befinde. Es ist ein guter Grund gewesen, meine Transporttalismane zu perfektionieren.“ „Wie ist dies möglich?“ Wangji wusste genug über xiōng shī, doch war ihm noch nie untergekommen, das es möglich war, diese bei Verstand zu halten und sie ihr Menschenleben einfach weiterführen zu lassen. „Das, ist eine längere Geschichte. Und ich bin eindeutig noch zu müde.“ Um dies noch zu unterstreichen, gähnte er laut und ungeniert. Dann drehte er sich schließlich auf die Seite, dass dessen Rücken zu ihm gewandt war. Es war klar, dass Yi Ling ihm einfach nur mit dieser Antwort auswich, doch blieb ihm auch nichts weiter übrig, als es vorerst darauf beruhen zu lassen. Es gab keinen Grund, warum dieser ihm weitere Details verraten sollte. Solch ein Vertrauen war nicht Teil ihres Miteinanders. Doch würde er sich nicht abbringen lassen, in dieser Hinsicht seine eigene Vorsicht walten zu lassen. Yi Ling schlief bis in die Mittagszeit, hatte sein erstes, unschönes Aufwachen seine aufgeladene Energie glatt wieder verpuffen lassen. Er machte Lan Zhan keinen Vorwurf deswegen, doch fühlte er sich schon etwas schuldig, ihn mit seinem groben Handhaben überrumpelt zu haben. Bis jetzt hatte dieser ihn seinen unruhigen Schlaf stets von selbst auflösen lassen, wenn sie unter freiem Himmel nächtigten und so war ihm nie der Gedanke gekommen ihn darin einzuweihen, warum er es auch dabei belassen sollte. Allerdings gebrauchte er auf Reisen auch stets eine von ihm entwickelte Schutzmagie, die ihn erwachen lassen würde, sobald sich jemand auf ein bestimmtes Maß näherte. Hier hatte er einen ähnlichen Schutz im Eingang seiner Hütte angebracht, doch war ihm Lan Zhan da einfach durchgerutscht, war diese Magie auch nur für einfache Menschen gedacht gewesen. Er hätte wohl auch die Sache mit Wen Ning im Vorfeld erklären sollen, doch hatte er glatt vergessen, das Lan Zhan ebenso empfindlich auf solche Dinge anschlug mit seiner Abstammung und all dem überirdischen Geplänkel. Im Nachhinein konnte man wohl nur von Glück sprechen, das er noch immer an der Regenerierung seines goldenen Kerns arbeitete und sich Wen Ning deswegen nicht einfach selbst vorgenommen hatte. Nach etwas Schwatz mit ein paar der Älteren des Dorfes, die ihn willkommen zurück hießen und der Information, dass sein Begleiter mit A-Yuan beim Gästequartier gesehen worden war, folgte er der Richtung. Und tatsächlich, fand er die beiden zusammen auf der kleinen Terrasse vor der Hütte vor. Lan Zhan hatte A-Yuan auf seinem Schoß sitzen, während sie Kleiner Apfel fütterten. Yi Ling verweilte einen Moment mit einem sympathisierenden Schmunzeln auf den Lippen, und schaute der Szene zu. Wer hätte gedacht, dass jemand so steifes wie Lan Zhan mit Kindern umgehen konnte. Schließlich schritt er weiter auf die beiden zu, von denen Lan Zhan ihn auch als Erster bemerkte. Dessen Ausdruck gab etwas Inspizierendes wieder. „Ich bin in Ordnung. Kein Grund für diesen kritischen Blick.“ Als er dies sagte, drehte nun auch A-Yuan seinen Kopf zu ihm und strahlte ihn mit seinem kindlichen Charme an. „Gē ge (großer Bruder). Lan gē ge hat mir erlaubt Kleinen Apfel zu füttern.“, ließ dieser ihn stolz wissen und es wärmte Yi Ling das Herz. Er setzte sich dazu und ließ sich mit Erheiterung die Sauerei zeigen, die Kleiner Apfel und A-Yuan mit dem gemachten Brei veranstaltet hatten, den das Junge als Futter bekam. A-Yuan´s Hände waren klebrig damit und Kleiner Apfel schien erneut Hals über Kopf über seine Mahlzeit hergefallen zu sein. Es war dennoch gut zu sehen, dass das Kleine nun schon wesentlich kräftiger und lebhafter geworden war. Es war jedoch verwunderlich, dass Lan Zhan diese Unordnung so hinnahm, aber es ließ ihn auch ein stückweit ungezwungener erscheinen. Etwas das dieser ruhig Öfter versuchen könnte zu zeigen. Als die Fütterung vorbei war und er A-Yuan, wie auch Kleiner Apfel zu dem Waschzuber in der Hütte brachte, um die beiden wieder sauber zu bekommen, nutzte Yi Ling die Gelegenheit sich noch mal für seinen Übergriff von heute Morgen zu entschuldigen. Lan Zhan sagte nichts dazu, und Yi Ling nahm an das es das auch gewesen sei, erwartete er nicht wirklich etwas darauf, kannte er den anderen in dieser Hinsicht nun schon. Dann erinnerte er sich, wie dieser ihn hatte wieder beruhigen können. „Und uhm, danke für die Hilfe.“ Lan Zhan verstand auch ohne, dass er dies weiter erläutern musste, und nickte einfach nur knapp. Es klopfte darauf an der Tür. Es war Wen Ning der sich zu erkennen gab und fragte, ob man hungrig wäre, was Yi Ling mit einem theatralischen Ausruf, das sein Magen schon ganz verkümmert sei, beantwortete und es ihm gar nicht eilig genug gehen konnte, als sie sich darauf Wen Ning anschlossen, der den Weg wies. * Prüfend schaute Yi Ling über das angelegte Reisfeld, welches verwüstet worden war und er über das Essen von Wen Qing erfahren hatte, dass dies in der letzten Zeit viel zu häufig vorkam, dass man um eine ausreichende Ernte zu fürchten hatte. Jemand oder Etwas hatte sämtliche Pflanzen herausgerissen, und zudem umgab ein unangenehmer Geruch von fauligem Schlamm das Feld, dass es ihn die Nase rümpfen ließ. Andere Male wären Felder zertrampelt oder heruntergefressen worden. Auch würden immer Dinge verschwinden. Wie Werkzeuge und Haushaltsutensilien. Oder Wasserfässer hatten plötzlich ein Leck und man musste diese immer wieder reparieren. Bis jetzt sei noch niemand zu Schaden gekommen, doch konnte das auch nur eine Frage der Zeit sein. Lan Zhan hatte sich unterdes zu anderen Stellen in Dorf führen lassen, ob es womöglich irgendeinen Anhaltspunkt gäben könnte, was hier vor sich ging. Er glaubte nicht, dass es jemand aus dem Dorf selbst war, dafür hatten diese Leute einfach zu viel zusammen durchstehen müssen. Was dennoch die Frage aufwarf, was jemand von außerhalb mit solchen Attacken bezwecken würde wollen. Hier gab es nichts und das was es gab, war nicht mehr als man zum Leben benötigte. Zudem lag Xīzhào Shùlín recht abgelegen. Der nächste Ort war einen halben Tag zu Fuß entfernt. Um ganz sicher zu gehen, hatte er auch überprüft, ob es irgendetwas mit dunkler Energie zu tun haben könnte, doch hatte er kein Quäntchen davon aufspüren können. Es wäre wohl förderlich, wenn sie eine Dorf-Sitzung einberufen würden, damit er sich in sämtliche Details einweihen lassen konnte. Manchmal war es das Unscheinbare, das einem den nötigen Hinweis gab. Er und Lan Zhan hatten darauf diverse Talismane im Dorf und an den Feldern angebracht, als sich bestätigte, dass ihr oder ihre Übeltäter geradezu unsichtbar zu sein schienen. Denn egal wie oft man Wache an den Feldern gehalten hatte, war niemanden etwas aufgefallen, doch der Schaden dennoch angerichtet. Es war auch nicht die einfachste Aufgabe nachts jede Regung im Auge zu behalten. Mit allem was sie von den Bewohnern gesagt bekommen hatten, war es unwahrscheinlich, dass es sich um Menschen handelte die diese Missetaten ausführten. Na, wenn sie Glück hatten, dann würden die Talismane etwas bewirken können, und wenn sie ihnen auch nur einen Anhaltspunkt geben würden. Die ersten drei Nächte gingen ereignislos vorüber, doch war dies laut den Leuten hier nicht so ungewöhnlich. Manchmal blieb es einfach ruhig. Tagsüber machte sich Lan Zhan nützlich, wo immer es etwas zu erledigen gab und erarbeitete sich damit das entzückte Wohlwollen der Damen und das dankbare Schulterklopfen der Männer. Sie verbrachten Zeit mit A-Yuan, der gegenüber Lan Zhan doch recht schnell aufgetaut war. Yi Ling hatte ehrlich angenommen, dass dessen störrisches Gesicht auf kleine Kinder eher eine einschüchternde Wirkung haben würde. Aber A-Yuan zeigte sich sichtlich angetan, wenn Lan Zhan ihm verschiedene Dinge erklärte oder zeigte, um dann später begeistert weiterzuerzählen was er gelernt hatte. Wie er auch mit einem Kichern verriet, was er und Yi Ling an Unsinnigkeiten angestellt hatten. Wie die Hühner von Tante Mù mit einem kleinen Zauber Grün zu färben. Oder wie Tante Mù, Yi gē ge darauf eine mit ihrer Holzkelle verpasst hatte, bis sie sich versichert sah, das ihr Federvieh spätestens am nächsten Morgen wieder seine natürliche Farbe zurückbekommen würde. Yi Ling rieb sich in Erinnerung daran über die Stelle an seinem Hinterkopf, die Tante Mù so zielsicher getroffen hatte. Und wenn er keinen Unfug anstellte, dann grübelte er weiter über seinen Erfindungen, hatte man ihn von allen Arbeiten die auch nur ein wenig Feingefühl erfordern würden verbannt. Bei seiner Rückkehr war er erfreut zu sehen, dass man das Dach des Gemeindehauses wieder hatte vollkommen reparieren können, nach diesem kleinen, wirklich unbeabsichtigten Brand, den eines seiner Experimente verursacht hatte. Er hatte sich an einem ewigen Feuer versucht. Etwas das im Winter in einem so abgelegenen Ort und mit hauptsächlich älteren Bewohnern, sich als etwas Nützliches hätte erweisen können, müssten sie sich somit nicht um das mühselige Beschaffen von Feuerholz sorgen. Leider hatte ihm Wen Qing darauf verboten weiter daran zu arbeiten, um erneute Schäden an der Gemeinde zu unterbinden. Was aber nicht hieß, dass er dieses Projekt vollkommen aufgegeben hatte und sich weiter daran versuchte, wann immer sich unterwegs die Gelegenheit dafür bot. Das Knurren seines Magens, ließ ihn in seiner Arbeit innehalten, auf das er sich erst einmal ausgiebig streckte. Er hätte sich vom Abendessen etwas mitnehmen sollen. Nun war es bereits mitten in der Nacht, was bedeutete, dass er sich nun höchstens noch etwas aus dem Vorratslager stibitzen konnte. Zudem würde ihm ein kleiner Spaziergang auch ganz gut tun. Bàng Hēi begrüßte ihn sobald er seine Hütte verließ und er ihm ein paar Maulbeeren reichte, die dieser eilig verschlang. Mit ihm auf der Schulter schlenderte er durch das schlafende Dorf. Ein lauer Nachtwind huschte an ihm vorbei und brachte den harzig-würzigen Geruch des Waldes mit sich. Es herrschte wirkliche Stille hier oben, in den Bergen. Deswegen war es auch ein Leichtes das folgende Rumoren zu hören, das vom Rande des Waldes zu kommen schien. Keiner der Talismane war bis jetzt aktiviert worden, was bedeutete, dass sich nichts dem Dorf noch den Feldern genähert haben sollte. Er schickte Bàng Hēi los um sich umzusehen. Es konnte nicht schaden sich selbst zu vergewissern, dass es am Ende doch nichts weiter war. Als er den Wald betrat, war es ungewöhnlich still. Zu still, dass es ihm eine Warnung sein sollte, doch war er noch nie gut darin gewesen sich besonders besonnen zu zeigen. Lan Zhan´s abgeklärtes, tadelndes Gesicht, tauchte vor seinem inneren Auge auf, dass es ihn ungläubig Schnaufen ließ, über diesen schon eingespeichert erscheinenden Reflex, wann immer dieser etwas nicht gutheißen würde, was er gedachte zu tun. Soweit er es erspüren konnte, war keine dunkle Energie am Werk, was er schon einmal als ein gutes Zeichen ansah. Mit allen anderem sollte er auch ohne größere Anstrengungen zurechtkommen. Er hatte sich soweit in den Wald hineinbegeben, wie er etwas mit dem Licht eines halben Mondes erkennen konnte, ohne einen Feuertalisman zu nutzen, da er nicht auf sich aufmerksam machen wollte, sollte sich doch etwas; jemand, hier in den Schatten versteckt halten. Er hörte Bàng Hēi´s aufgeregtes Krähen, verbunden mit dem rapiden Knacken von Ästen und aggressiven Stampfen, das auf ihn zuhielt. Es war um Haaresbreite, dass er dem Angriff eines riesigen Ebers hatte ausweichen können. Der prompt nachsetzte, als er in einem Sprint versuchte diesem zu entkommen. Dass mit diesen Tieren nicht zu spaßen war, wusste er. Nun wäre ein Papier-Talisman recht nützlich. Nur hatte er keinen bei sich, da er vorhin nur in seiner unteren Robe und ohne die Absicht auf eine Auseinandersetzung nach draußen gegangen war. Was ihn nur mit der Option zurück ließ einen in die Luft zu zeichnen. Doch dazu müsste er erst einmal die Gelegenheit bekommen anhalten zu können. Dann vervielfachten sich plötzlich die schlagenden Klauen auf dem Boden und es setzte nun doch merkliche Panik in ihm ein. Er brauchte eine Ausweichmöglichkeit! Bàng Hēi tauchte an seiner Seite auf und er ließ sich von ihm führen, hin zu einem hohen Felsmassiv das grob genug war das er daran hinaufklettern konnte. Deutlich außer Atem ließ er sich auf das kleine Plateau sinken. Die Rotte Wildschweine ein aufgebrachtes Schnaufen und Scharren unter ihm. Von dem was er erkennen konnte, waren es gut fünf oder mehr dieser störrischen Biester. Er schaute sich um und sah, dass der Fels über einen schmalen Kamm zu einer Anhöhe führte, die er folglich auch hinaufstieg. Hier sollte er sicher sein. Er hatte noch gar nicht richtig durchgeatmet, als er eine Bewegung in seinem Augenwinkel ausmachen konnte. Mit einem perplexen Laut hechtete er zur Seite nur um sich darauf mit einem stattlichen Hirsch konfrontiert zu sehen, dessen Geweih der Jahreszeit wegen noch nicht gänzlich ausgewachsen war, aber dennoch beeindruckend genug. Und genau dieses Geweih senkte dieser nun wieder, als wäre er ein potenzieller Rivale in der Paarungszeit. Ein kräftiger Schlag mit dem Vorderlauf und er setzte Yi Ling nach. Diesmal war er noch schnell genug einer Abfolge an Zeichen in die Luft zu setzen, doch diese nicht komplettieren konnte, pfiff mit einem Male etwas nur knapp an seinem Kopf vorbei. Erst einmal, dann noch einmal, als ihn etwas an der Wange erwischte und ihn missmutig zischen ließ. Er hörte das Kreischen eines Kauzes, dem ein antwortender Laut folgte. Yi Ling sah sich nun doch überfordert mit dieser gesamten Situation. Warum schienen diese Tiere derart darauf aus zu sein, ihm so gezielt nachzusetzen? Es konnte nicht an territorialem Verhalten liegen, oder? Erneut kreischte ein Vogel. Eine Eule womöglich und Yi Ling ging wieder in einen Sprint über. Ein Schwarm Vögel tauchte über ihm auf und er fürchtete, dass er der Überlegenheit an Schnäbeln und Krallen nichts entgegenzusetzen hatte. Dann war es Bàng Hēi´s Krähen das er hörte und der Schwarm darauf zu reagieren schien. Hektisches Flügelschlagen und kampfbereites Kreischen durchdrang den Wald und er lief so schnell er konnte, um genug Abstand zu gewinnen. Etwas traf in unverhofft und schmerzhaft im Genick, dass es ihn ins Straucheln brachte und ihn in die Knie gehen ließ. „Was zum…!?“ Es war nichts zu erkennen, doch vernahm er das hämisch klingende Brüllen von Affen über ihm. Weitere Geschoße gingen auf ihn nieder, dass er sich unter einem Fluchen aufrichtete und weiterrannte. Das verfluchte Gackern der Affen in seinem Nacken. Mittlerweilen, hatte er auch vollkommen die Orientierung verloren. Yi Ling gab ein missmutiges Schnalzen über diese seine unglückliche Situation von sich. Der nächste hastige Schritt den er tat, um den Geschoßen auszuweichen, ließ ihn ins Leere treten, worauf er einen Abhang herunterrollte und er mit einem Stöhnen in einer Wasserlache landete. Als er sich wieder aufraffte, war das erste was ihm bewusst wurde, das es nun abermals unnatürlich still war um ihn herum. Dann vernahm er ein leises Knacken, dann wieder nichts. Er brachte sich auf seine Füße, nur um darauf gequält zu Raunen, als er seinen rechten Fuß nicht weiter belasten konnte, ohne einen kleisenden Schmerz zu verspüren. Das hatte ihm nun wirklich noch gefehlt! Doch nun wo er nicht mehr auf der Flucht war, ließ er eine Flamme über seiner Hand erwachen die ihm seine Umgebung deutlicher machte. Wie zu erwarten kam ihm nichts bekannt vor oder gab ihm einen Anhaltspunkt, wo er sich befand. Abermals drang ein Geräusch aus dem Unterholz zu ihm heran, dem er sich rasch zuwandte, nur um festzustellen, dass es mit einem Male von allen Seiten her zu kommen schien. Das wilde Tiere das Feuer scheuten, sollte ihm ein Vorteil sein, doch müsste er sich mehreren gleichzeitig stellen, würde es schwierig werden. Das letzte was er wollte, war den Berg in Flammen setzen und damit das neugefundene zu Hause der Wens, in einer Wiederholung ihrer kummervollen Vergangenheit, zerstören. Und da er nun auch nicht mehr davonlaufen konnte, musste er darauf vertrauen, das ihn seine kultivierten Fähigkeiten hier heraushelfen würden können. Er wollte auch nicht unnötig töten müssen, doch wenn er sein Leben retten wollte, blieb ihm wohl nichts anderes übrig. Mit einem tiefen Durchatmen, machte er sich auf das Unbekannte gefasst, das, so wie er schon hatte am eigenen Leib erfahren dürfen, von überallher angreifen konnte. Sein yuàn qì wallte ungeduldig in ihm, seit er vor dem Wildschweinen geflohen war, reagierte es stets fordernd, wenn es merkte, dass er sich in einem Zustand größerer Angespanntheit befand. Aber solange er sich anderweitig behelfen konnte, würde er dem Drängen, von ihm Gebrauch zu machen, nicht nachgeben. Zumal es immer noch keinen erkennbaren Grund für die Aggression dieser Tiere gab. Er sah das Funkeln von grün-gelben Augen, die sich im umherbefindlichen Dickicht wie Irrlichter zu bewegen schienen und es erfüllte ihm mit einer bösen Ahnung, wem diese Augen gehören mochten. Das letzte Mal als er einem Tiger begegnet war, war er fünfzehn und im Training gewesen. Es hätte albern sein sollen, das er sich Untoten, Monstern und Geistern stellen konnte, doch ihn dieser Anblick nahezu erstarren hatte lassen. Es war ein Zufall, dass sich ihre Wege kreuzten und das Tier sich mehr aufgeschreckt von ihm gezeigt hatte, als das es eine Beute in ihm sah. Diese Begegnung hatte ihm das Herz beinahe aus dem Brustkorb springen lassen, vor lauter Schreck und unterschwelliger Panik. Der Tiger war noch jung gewesen und womöglich war es seine Unerfahrenheit, die ihn hatte schlicht wieder weiterziehen lassen, doch war ihm diese Erinnerung deutlich im Kopf geblieben. Dieses Mal war es ein ausgewachsenes Tier von anmutiger, kraftstrotzender Gestalt und mit gefährlich, spitzen Zähnen die es ihm zeigte. Ein Rascheln zu seiner Linken und Yi Ling wusste, dass man es ihm nicht so einfach machen wollte. Der Tiger beäugte ihn weiterhin intensiv und schritt angriffslustig auf ihn zu. Sein yuàn qì wisperte unabdinglich seine Kraft zu nutzen. Yi Ling zeichnete einen Bann für Starre in die Luft und schleuderte ihn dem Tiger entgegen, der darauf mitten im nächsten Schritt einfror und ein aufgebrachtes Fauchen von sich gab. Bàng Hēi´s Krähen war in der Ferne zu hören. Etwas das er nur flüchtig für sich registrierte, als mit einem Male mehrere Schlangen zu seinen Füßen auftauchten, dass es ihn ungeschickt nach hinten stolpern ließ und er dank seiner Verletzung rücklinks zu Boden ging. Zu spät um einen weiteren Bannspruch zu zeichnen. Die schwarze Energie die aus ihm hervorbrechen wollte, schien in jenem Moment seine letzte Option. Ein tiefer, schneidender Ton, vibrierte plötzlich wie der weite, silberne Schlag einer Sense durch die Dunkelheit und ließ die Schlangen mit einem lähmenden Zucken zurück. Yi Ling brachte dennoch Abstand zwischen sie und sank mit einem erschöpften Seufzen in sich zusammen. Lan Zhan zeigte sich, gleich einer übersinnlichen Erscheinung, aus dem Dickicht, ohne das auch nur ein Haar an ihm in Unordnung geraten wäre, wohingegen er sich fühlte als habe er bereits Tage hier im Unterholz verbracht, war seine Kleidung nass und schmutzig, seine Haare ein Chaos an losen, verfitzten Strähnen und nicht zu vergessen, all die Blessuren die er sich in der letzten Stunde zugezogen hatte. „Ah, Lan Zhan, mein Held.“, ließ er ihm mit einem müden, breiten Grinsen zukommen, als dieser auf ihn zukam und ihn sich kritisch beäugte. „Unbelehrbar.“, hörte er diesen in einem strengen Ton von sich geben, dass er fast schon annahm, dass man ihn hier nun zur Strafe sitzen lassen würde und ohne ihn zurückkehrte. „Um…, ich kann es erklären.“, wand er ein. „Nicht hier. Lass uns zuerst zurückgehen.“ Damit wartete dieser, dass er sich wohl endlich erhob. Etwas umständlich, durch seine Verletzung, tat er das auch, nur um daraufhin erneut Opfer von dessen kritischer Aufmerksamkeit zu werden. Der Morgen dämmerte und ließ dessen Gestalt noch etwas einschüchternder wirken im Spiel der grauen Schatten. „Es ist nichts weiter, ehrlich.“, versuchte er es herunterzuspielen, auch wenn er gewaltig die Zähne zusammenbeißen würde müssen für den Rückweg. Lan Zhan erwiderte nichts dazu, kam schlicht soweit an ihn heran, das er direkt vor ihm stand, wo er einen Arm von ihm ergriff, und er sich darauf so drehte, das er gegen dessen Rücken gezogen wurde. „Lan Zhan?“ Abermals blieb dieser stumm, nahm nur seinen anderen Arm über seine Schulter und ging etwas in die Hocke, wo er sich schließlich seine Beine unter den Knien griff. Schon befand sich Yi Ling aufgehuckt, wie ein kleines Kind, das er im ersten Moment zu perplex war zu protestieren, dann aber noch ein langgezogenes, weinerliches „Lan Zhaaan!“, von sich gab über diese peinliche Situation. „Es ist nicht das erste Mal. Also still.“, wies dieser ihn zurecht, das er auf dessen Hinweis tatsächlich Ruhe gab, konnte er sich nicht entsinnen, das sie sich schon einmal in solch einer Position befunden hätten. Am Ende war er auch einfach zu müde um weiter zu jammern und akzeptierte sein Los. „Wie hast du mich überhaupt finden können?“ „Bàng Hēi kam zu mir und wies mir darauf den Weg.“ Yi Ling schmunzelte leicht. Dafür hatte sich sein gefiederter Freund ein paar extra Maulbeeren verdient. Sie hatten es ohne weitere Probleme aus dem Wald heraus geschafft und Yi Ling wollte wirklich nur noch ins Bett. Lan Zhan allerdings brachte ihn zuerst zu Wen Qing, die wenig begeistert von ihrem viel zu frühen Erscheinen war, auf seine lädierte Person aber in ihren Heiler Modus wechselte und sie hineinbat. Mit einem Grollen über sein unvorsichtiges Verhalten, als er von seinem nächtlichen Abenteuer erzählte, reinigte sie seine Wunden. „Er ist verstaucht. Es wird ein paar Tage brauchen, bis er wieder in Ordnung ist.“, meinte sie nach der Untersuchung seines Fußes und setzte an ihn mit einer festen Bandage einzubinden. Ein leichter aber zurechtweisender Klapps auf seinen Hinterkopf, war das Zeichen das sie fertig war und er darauf gedachte zu seiner Hütte zu hopsen, als Lan Zhan ihn, zwar nicht mehr huckepack nahm, aber einen Arm über seine Schulter legte um ihn zu stützen. Yi Ling gab ein ergebenes Raunen von sich und ließ sich schließlich handhaben. Kapitel 14: ------------ Die letzten dornigen Stränge eines Alptraumes lösten sich von seinem Unterbewusstsein und zogen sich wie lichtscheues Getier eilig zurück. Yi Ling seufzte erleichtert, ob nur in seinem traumartigen Zustand oder tatsächlich, konnte er in diesem warmen, wohligen Moment nicht bestimmen. Alles was er wahrnahm, war das Gefühl von innerer Ruhe und Geborgenheit, an die er sich klammern wollte, wie ein kleines Kind an seine Mutter. Dann allerdings spürte er ein nachdrückliches Ziehen in seinem Bauch, gefolgt von einem derart lauten Magenknurren, dass es ihn aus seiner Trance zu holen vermochte. Wiederwillig öffnete er seine Augen, die letzten sanften Klänge einer Melodie in seinen Ohren und drehte seinen Kopf darauf in die Richtung, aus der er sie vernommen hatte. Lan Zhan saß an dem niedrigen Tisch in der Mitte des Raumes und schaute ebenso direkt zu ihm. Vor ihm eine siebenseitige Guqin aus edlem, schwarzen Holz, auf deren Saiten seine Handflächen ruhten. „Seit wann kannst du sie wieder herbeirufen?“, war die erste Frage die ihm über die Lippen kam, nun wo er sich auch wieder entsann, wie dieser ihm im Wald zu Hilfe gekommen war. „Seit ein paar Tagen.“ Yi Ling zog eine Schnute. „Warum hast du mir das nicht gesagt?“, wollte er in einem trotzigen Ton wissen. „Es schien nicht von Belang.“ Und das mochte für Lan Zhan auch tatsächlich so sein, doch konnte sich Yi Ling nicht verkneifen noch etwas mehr Drama daraus zu machen. „Was heißt nicht von Belang? Lan Zhan! Sind wir nicht mittlerweile die bestesten Freunde? Und Freunde sagen sich alles. Aaaaalles! Verstanden?“ Lan Zhan´s Mine zeigte keine Regung als er sprach. „Bestesten ist kein Wort.“, berichtigte er seine Standpauke und schaute, als habe er noch ein weiteres Argument im Ärmel, das er dann auch prompt mitteilte. „Du stinkst. Nimm ein Bad.“ Darauf erhob er sich in einer flüssigen Bewegung, ließ sein Instrument wieder verschwinden und störte sich nicht an dem geschockten Ausdruck den Yi Ling ihm auf seinen letzten Kommentar hin zuwarf. „Ich lass Wen gū niang wissen, dass du aufgewacht bist.“ War alles was dieser noch sagte, bevor er die Hütte verließ. Yi Ling blinzelte mehrmals, bevor er sich wieder besann und prüfend an sich schnüffelte. Mit gerümpfter Nase zog er seinen Kopf rasch zurück. Er hatte ein Bad wirklich nötig. „Das hättest du aber auch etwas netter sagen können!“, rief er lautstark, auch wenn ihn Lan Zhan schon nicht mehr hören sollte. Dennoch schmunzelte er, als ihm bewusst wurde, das Lan Zhan diesmal nicht abgestritten hatte, dass sie Freunde seien. *** Die folgenden Tage verbrachte Wangji damit, etwas mehr über den Vorfall im Wald herauszufinden, nachdem ihm Yi Ling noch einmal alles darüber erzählt hatte. Solch eine gezielte Jagt auf einen Menschen erschien in der Tat ungewöhnlich. Man hatte darauf, der Sicherheit wegen, das Betreten des Waldes vorerst untersagt. Zudem hatte jeder Bewohner einen Talisman bekommen, den, wenn man sich in Gefahr befand oder etwas Merkwürdiges mitbekam, simpel damit aktivieren konnte, indem man ihn in zwei Teile zerriss. Ein Lichtsignal wurde darauf freigesetzt und man konnte zu Hilfe kommen. Yi Ling hatte ebenso die Alarmbarriere um das Dorf verstärkt. Dennoch blieb die Frage, was diese Aggressionen in der umliegenden Fauna ausgelöst hatte. Es gab keinen Ansatz von yuàn qì, das dafür verantwortlich sein könnte. Da Yi Ling ihn nicht hatte bei seinen Nachforschungen begleiten können, war Wen Ning mit ihm gekommen. Womöglich sah Yi Ling es auch als eine Möglichkeit, dass er sich dabei selbst überzeugen konnte, dass es vor Wen Ning nichts zu befürchten gab. Bei jeden Schritt der sie darauf weiter in den Wald hineingeführt hatte, war zu spüren, dass man sie beobachtete. Wangji nahm das natürliche Qi wahr das von jedem Lebewesen ausging, wenn er sich darauf konzentrierte. Einzig Wen Ning gab diese ominöse Aura wieder, die zwar nicht angenehm war, aber auch nicht mehr als ein behäbiges Wabern von yuàn qì darstellte. Ihm war es abermals unverständlich, wie Yi Ling im Stande gewesen sein mochte, Wen Ning zu erschaffen. Es war ebenso bedrückend still, genau wie es ihnen Yi Ling schon geschildert hatte. Selbst die Insekten schienen sich im Verborgenen zu halten und abzuwarten. Bei ihrer Rückkehr konnten sie vermelden, dass sie genauso ratlos waren wie zuvor. Nichts hatte sie angegriffen, oder anderweitig versucht sie von ihrem Weg abzuhalten oder abzubringen. Es konnte aber genauso gut die Ruhe vor dem Sturm darstellen. Wangji befand sich auf dem Weg zu Yi Ling´s Hütte, nachdem er seine Meditation für diesen Nachmittag beendet hatte. Wen Ning hatte diesem eine Gehhilfe gebaut, von der jener auch eifrig Gebrauch machte, hatte dieser nach einem Tag Bettruhe schon gejammert, wie unsäglich langweilig ihm wäre. Es war wohl für jeden hier von Vorteil, dass dieser schneller heilen konnte als der normale Mensch. Allerdings hatte er es abgelehnt sich von ihm dabei mit seinem Qi helfen zu lassen und er ihn letztendlich auch nicht dazu gezwungen. Yi Ling saß, wie so oft um diese Zeit, auf der kleinen Terrasse vor seiner Behausung, dass er dessen heiteres Auflachen schon von Weiten hatte hören können. A-Yuan, der auf Wen Ning´s Schoß saß, leistete ihnen Gesellschaft. Er betrachtete sich Wen Ning abermals etwas genauer, war dessen Existenz faszinierend, wie auch verstörend. Er konnte auch nichts gegen das instinktive Unbehagen tun, wann immer er diesen mit A-Yuan sah und wie einfach es für eine xiōng shī (fierce corpse) wäre, solch ein unschuldiges und wehrloses Leben zu beenden. Das Yi Ling derartiges Vertrauen in den jungen Mann hatte, sollte mit Wahnsinn gleichgesetzt werden. Der hohe Kragen von Wen Ning´s Gewandt versteckte die sichtbaren, dunklen Adern, die sich an dessen Hals nach oben zogen. War dies eines der wenigen Merkmale die ihn sofort verrieten, oder wenn man es nicht besser wusste, auf jeden Fall merkwürdig erscheinen ließen. A-Yuan gab ein Kichern von sich und zappelte etwas auf dessen Beinen hin und her. Wangji atmete die Anspannung in sich herunter. Er hoffte wirklich innständig, Yi Ling wusste was er hier zuließ. Als er näher trat, fand er das Yi Ling Kleiner Apfel in seinen Armen hielt und alle vier mit gespannten Minen vor, während sie auf die zwei großen Nashornkäfermännchen schauten, die sich gerade ein Kräftemessen lieferten. Bei näherem Hinschauen, war es wohl eher der Fresstrieb, der Kleiner Apfel, mit geweiteten, großen Augen so gebannt auf die Käfer starren ließ, und ihn Yi Ling deswegen wohl auch festhielt, damit er ihnen den Spaß nicht verspeiste. Man hatte die Käfer auf ein Stück eines zurechtgesägten Astes gesetzt, der als Arena fungieren und von welchen die Käfer sich gegenseitig herunterbefördern sollten. Einer der Käfer hatte einen roten Punkt auf seinem Panzer, um ihn von dem anderen unterscheiden zu können. „Na komm schon Xiao Ling.“, meinte Yi Ling anfeuernd, auf das der Käfer mit der Markierung nun den anderen mehr an den Rand drängte. „Haha, genauso.“ A-Yuan gab ein unerfreutes Quieken von sich über dieses Schauspiel, war der andere Käfer wohl in seinem Team. Für den Moment sah es so aus, als würde Xiao Ling die Runde für sich entscheiden, als sein Gegner diesen mit einem Male mit seinem Horn aushebelte, dass Xiao Ling unbeholfen mit seinen Beinen zappelte, bevor man ihn dann mit einem Ruck seitlich weg und vom Ast warf. A-Yuan klatschte siegreich und mit einem freudigen Lachen in seine Hände, während Yi Ling einen Schmollmund zog und Xiao Ling wieder einsammelte. Erst jetzt schien man sich auch seiner Person gewahr zu werden, hellte sich Yi Ling´s Gesicht mit einem lautstarken „Lan Zhan.“, wieder auf. Kleiner Apfel strampelte in dessen Armen, das Yi Ling ihn herunterließ und das Junge sogleich auf ihn zu gestakst kam, seine Balance stets mit seinen Flügeln ausglich. Es war bereits ein Stück gewachsen, seit sie es gefunden hatten, nicht ungewöhnlich für ein überirdisches Wesen dieser Art und es erleichterte ihn, dass es sich so gut entwickelte, nach seiner Zeit in der es nur auf sich gestellt gewesen war. Wangji strich ihm über den Kopf, als es diesen in einer zutraulichen Geste gegen seine Beine schmiegte, und er nun schon die Ansätze von dessen Geweih spüren konnte. Wangji holte etwas von den getrockneten gǒuqǐ Beeren hervor, nun wo Kleiner Apfel auch festere Nahrung zu sich nehmen konnte, die es mit einem zufriedenen Zirpen hinterschlang. Er bemerkte, dass A-Yuan ihn beobachtete, doch sobald er den Jungen ansah, verschüchtert nach unten schaute und mit seinen Händen im Stoff seines Hemdes herumnestelte. Wangji schaute zu Yi Ling, der ihn mit einem Schmunzeln begegnete und mit einem Kopfzeig aufforderte wieder zu A-Yuan zu schauen. Wen Ning redete mit sanfter Stimme seinem Neffen zu, das dieser sich ruhig trauen sollte zu fragen. „Lan gē ge hat bestimmt nichts dagegen.“, ermutigte ihn Yi Ling nun ebenso und Wangji fühlte sich etwas unbeholfen, ob dieser kryptischen Situation. Er versuchte nicht zu ernst zu wirken, als A-Yuan ihn schließlich wieder anschaute, seine Nervosität immer noch deutlich an ihm abzulesen. Er wusste, dass er recht unnahbar erschien und das es für ein Kind nicht einfach sein mochte damit immer umzugehen. „Lan gē ge…“ Er stockte in seinen Worten und schaute wieder unsicher zu seinem Onkel. Wangji begab sich nun in die Hocke, das er mit A Yuan auf Augenhöhe war, um ihm etwas mehr Mut zu geben. „A-Yuan, was möchtest du?“, fragte er ihn geduldig. Es brauchte noch einen Moment, bis dieser sich wieder traute. „Ich…ich möchte gern die Musik hören.“ Wangji war einen Augenblick überrascht über diesen Wunsch. „Er hört dich manchmal auf deiner Guqin spielen und wollte gern, das du ihm einmal etwas darauf vorspielst.“, erklärte Yi Ling den Hintergrund zu dieser simplen Bitte. Wangji sah kein Problem darin ihm diese zu erfüllen und nickte darauf verstehend und zustimmend. „Das ist einzurichten.“ A-Yuan strahlte ihn mit kindlicher Begeisterung an. Wangji setzte sich im Lotus-Sitz mit auf die Terrasse und ließ seine Guqin mit einer fließenden Bewegung vor ihm erscheinen. A-Yuans Augen weiteten sich ungläubig über diese Zauberei, dass er eine Hand neugierig ausstreckte, um das Instrument berühren zu wollen, wovon ihn Wen Ning jedoch mit dem Hinweis abhielt, das es unhöflich sei, dies zu tun. A-Yuan schaute enttäuscht, aber widersprach auch nicht und nickte einsichtig. Wangji brachte die erste Saite in einem tiefen Ton zum Schwingen und verwob weitere zu einer leichten Melodie. „Oh, das kenn ich.“, meinte Yi Ling darauf und zog seine Dizi hervor. Zuerst sah sich Wangji etwas irritiert, erinnerte sich allerdings daran, sie Yi Ling einmal vorgetragen zu haben, als dieser nicht nachgelassen hatte ihn damit zu nerven ihm etwas vorzusingen. Dieser schaute ihn nun mit einem spitzbübischen Ausdruck an, als wisse er genau was ihm gerade durch den Kopf gegangen war. Und um ihn davon abzubringen unnötiges Getratsche von sich zu geben, begann er noch einmal von Vorn, um ihm die Möglichkeit zu geben mit seiner Flöte einzustimmen. Es erinnerte ihn an die Duetts die er mit seinem Bruder manchmal gespielt hatte, doch merkte er schon kurz darauf, dass es mit Yi Ling nicht dem Fallen von sanften Schneekristallen glich, wie er es mit der Musik seines Bruders verband, sondern das Yi Ling´s Spiel, diese Melodie mit einer ihm typischen Dynamik versah, die mehr an einen quirlig, gluckernden Bach erinnerte und es ihn ein stückweit sogar überrumpelte, wie einfach er sich davon mitnehmen ließ. Würde sein Onkel dieses Zusammenspiel hören, würde er es mit einem kritischen Blick allein unterbinden. Musik war in den Augen seiner Abstammung etwas das einzig dazu diente den Geist zu beruhigen und zu festigen. Oder als Waffe und Hilfsmittel, wenn es eine Situation verlangte. Dieser Gedanke ließ ihn beinahe innehalten, um wieder Ordnung in sein Musizieren zu bringen, doch dann schaute er auf und sah, das sie nicht mehr die Einzigen waren, hatten sich ein paar Bewohner um sie versammelt und lauschten mit zugetanen, lächelnden Gesichtern. Es war das erste Mal, das er solch eine Reaktion bei denen die ihm zuhörten einfangen konnte und es ließ ein warmes und ungewohntes Gefühl in ihm zurück. Ein Gefühl, das seine Musik dennoch angelangte, wo sie angelangen sollte. Nicht nur der Geist suchte ab und an nach einem Balsam, sondern auch das Herz. *** Es war zwei Tage darauf, dass erneut etwas vorfiel das, das Dorf in Unruhe und Sorge versetzte. Yi Ling saß vor seiner Hütte und tüftelte an einer neuen Erfindung herum, während Lan Zhan sich mit etwas Schwerttraining beschäftigte. Er konnte seine spirituelle Waffe zwar wieder heraufbeschwören, doch verbrauchte das Handhaben weiterhin zu viel seines líng qì, das er während dieses Trainings mit einem simplen Schwert trainierte. Er meinte, dass er nur zu sehr aus seiner Form geraten würde, wenn er noch länger darauf wartete, bis er Bichen wieder zu seinem vollen Potenzial nutzen konnte. Das Lan Zhan tatsächlich außer Form sei, konnte er nicht bestätigen. Ihm zuzusehen barg eine Faszination in sich, die ihn viel zu oft von seinem eigentlichen Vorhaben abbrachte, das er sich stets mit einer Ermahnung wieder davon abbringen musste. Doch im Moment war sein Blick wieder, wie von selbst zu ihm hinübergedriftet, das ihm das unstete Heraneilen von A-Yuan´s Großmutter sofort auffiel. Etwas musste passiert sein, war deutlich, dass sie sich für ihr hohes Alter zu sehr verausgabte um sie zu erreichen, dass er ihr sogleich entgegen kam. „A-Yuan, ist verschwunden!“, teilte ihnen diese völlig aufgelöst mit, während ihr die Tränen über das vom Alter gezeichnete Gesicht liefen und sich ihre Hände in ihrer Robe festklammerten. „Die anderen Suchen bereits nach ihm.“, meinte sie mit wackeliger Stimme und gab ein tiefes, bestürztes Klagen von sich. „Ich habe ihn nur einen Moment aus den Augen gelassen, um mich um das Mittagessen zu kümmern. Er ist sonst immer ein gehorsamer Junge, dass ich mir nichts dabei dachte ihn allein zu lassen.“ Sie sank in einem kräftigeren Weinen in sich zusammen, doch stützte Yi Ling sie sofort, und warf einen Blick zu Lan Zhan, der ihm nur kurz zunickte und sich auf den Weg machte. Großmutter Wen schluchzte und er spürte das Zittern das durch ihren, sicherlich erschöpften Körper ging. Er geleitete sie zu der Treppe seiner Terrasse und ließ sie sich auf eine der Stufen setzen. „Wir finden ihn. Ganz bestimmt. Mach dir keine Sorgen Granny.“, versuchte er sie zu beruhigen, doch sprach sie folglich die Sorge aus, die auch Yi Ling nicht abtuen konnte. „Was wenn er in den Wald gelaufen ist? Mit allem was in letzter Zeit vor sich geht. Was wenn man ihm etwas tut? Es ist so gefährlich dort draußen…“ Eine andere Frau aus dem Dorf kam zu ihnen hinüber, um mitzuteilen, dass sie ihn noch immer nicht hatten finden können, was Großmutter Wen nur noch inniger Klagen ließ. Yi Ling bat die Frau sich ihrer anzunehmen, um selbst mit suchen zu können. „Kleiner Apfel ist ebenso verschwunden.“, ließ Lan Zhan ihn wissen und auch sein Gesicht zeigte eine tiefsitzende Sorge. Es war anzunehmen, das sich die beiden zusammen davongestohlen hatten, waren die zwei fast unzertrennlich, seit Kleiner Apfel gelernt hatte, seine langen Beine zu koordinieren und nicht weniger zu einem Wildfang geworden war, wie es A-Yuan sein konnte. Yi Ling schaute in Richtung des Waldes und Lan Zhans Blick folgte ihm. Seine Alarmtalismane waren nur darauf ausgelegt etwas zu erkennen, das in das Dorf hineingewollt hätte, aber nicht wenn etwas das Dorf verließ. Dann allerdings zuckte eine Eingebung durch seinen Kopf und er hastete, mit einem „Ich hab eine Idee! Lan Zhan ich brauch deine Hilfe dabei.“, zurück zu seiner Hütte. Lan Zhan folgte ihm auf dem Fuße. Wangji konnte Yi Ling kurz darauf dabei beobachten, wie dieser in seinem Chaos, das dessen Hütte nie wirklich verließ, nach bestimmten Dingen suchte und dabei unentwegt etwas vor sich hinmurmelte. „AH, da ist es ja!“ Er hielt einen kleinen schwarzen Stoffbeutel triumphierend nach oben, dessen Inhalt er folglich in einen Mörser aus grauem Granit schüttete. Es waren feine in Perlmutt schimmernde Fragmente. „Das Drachenpferd-Ei.“, stellte Wangji für sich fest und Yi Ling nickte bestätigend. „Gut, das ich etwas davon mitgenommen habe.“, meinte er, doch erklärte sich für Wangji immer noch nicht, was genau er damit vorhatte. „Könntest du das zu einem feinen Pulver für mich mahlen? Je feiner desto besser.“ Yi Ling wartete nicht auf eine Zustimmung, sondern setzte seine Suche sogleich weiter fort. Wangji folgte dessen Bitte sowieso, doch interessierte ihn der Nutzen. „Was hast du damit vor? Und wie soll es dabei helfen A-Yuan wiederzufinden?“ Ein nachdenkliches Brummen war von Yi Ling zu hören, der gerade kopfüber in einer schweren, großen Holztruhe wühlte und dabei einen Großteil des Inhaltes ebenso auf dem Boden darum verteilte. „Ich habe vor einiger Zeit versucht einen Ortungs-Zauber zu entwickeln. Lao Zhāng´s Ziegen haben die Angewohnheit sich gern davonzumachen und es ist stets mühsam sie alle wieder einzufangen oder eben zu finden. Nun ja, wie mit allem ist die Theorie immer undefinierter als die Praxis. Ich habe zuerst versucht, sie mit Hilfe meines líng qì, über das mentale Abtasten der Umgebung ausfindig machen zu können. Was keine Ergebnisse bringt, wenn man sein Ziel nicht klar definieren kann. Ich hatte darauf ein spezielles Siegel entworfen, welches dieses Vorgehen verstärken und verfeinern sollte, um die Tiere zu finden.“ Yi Ling seufzte matt und langgezogen, was annehmen ließ, das er immer noch enttäuscht über seine Misserfolge diesbezüglich war. Was es nur noch fraglicher für Wangji machte, warum er nun glaubte, dass es ihnen behilflich sein könnte. „Das Problem lag am Ende darin, das kultiviertes Qi und natürliches Qi unterschiedliche Frequenzen besitzen. Kultiviertes Qi mag potenter sein, doch ist das natürliche Qi allumfassend, da es durch jede Lebensform fließt. Ich hätte den Fluss von natürlichen Qi überblenden müssen. Zudem konnte ich immer noch nicht definieren, was genau ich finden wollte. Das Siegel machte keine Unterschiede. Es zeigte mir jedes Tier, das sich in meinem Abtastzirkel befand und dann auch nur als einfache Energiepunkte, die nur in ihrer Intensität variierten. Es war somit völlig sinnlos.“ Schließlich holte er einen Stapel Pergament hervor, die er eilig durchblätterte, bevor er sich eines davon herauszog. „Dann dachte ich mir jedoch, dass es mit spezifischen Verbindungen vielleicht doch noch funktionieren könnte. Wie etwas von dem Fell der Ziegen oder etwas Blut. Etwas das jedes Tier individuell erkennen würde. Ihr natürliches Qi ist zwar schwach, um damit eine Bindung zu erstellen, doch wenn sie nicht weiter als eine bestimmte Distanz entfernt waren, war es machbar.“ Er kam zu Wangji hinüber, der die Ei-Schalen nun schon zu einem gleichmäßigen Pulver verarbeitet hatte und nickte zustimmend. Dann holte er ein bauchiges Tongefäß herzu und streute etwas von dessen dunkelbraunen Inhalt in den Mörser. „Es ist ein Mix aus Erde und Mineral des Berges. Es ist das tragende Medium für mein Jägerwind-Siegel.“, erklärte er ihm auf seinen fragenden Blick hin. „Es braucht die Grundsubstanz der Umgebung, um diese so effizient wie möglich abtasten zu können.“ Ja, das machte durchaus Sinn, sich auf diese Weise mit dem Berg zu verbinden, um die Wahrnehmung darüber auszubreiten und zu verstärken. Schließlich mischte Yi Ling alles mit etwas Wasser aus einer naheliegenden Quelle zu einer dicklichen Flüssigkeit zusammen. „Kleiner Apfels übersinnliches Qi, sollte es einfach machen ihn hierdurch zu finden, da ich ihn mit meinem líng qì suchen kann. Die Eierschale sollte die Verbindung zu ihm herstellen.“ Er rührte noch einmal die Masse durch, bevor er den Mörser Wangji wieder in die Hand drückte und ihm dazu noch einen Pinsel und das Pergament reichte, das er herausgesucht hatte. „Dein Teil der Aufgabe.“, meinte er und zu Wangji´s Empörung fing dieser an sich den oberen Teil seiner Roben abzustreifen, dass er folglich mit bloßem Oberkörper vor ihm stand. „Nun schau nicht so pikiert. Du lässt mich glatt denken, dass ich unattraktiv bin.“, schmollte dieser ihm zu, das es Wangji nur abtuend schnalzen ließ und er zur Seite wegschaute. Der Sinn von Yi Lings anzüglichem Entblößen, so stellte sich heraus, war, das dieser Wangji bat ihm die Symbole, die sich auf dem Pergament geschrieben befanden, nach eingehender Erklärung, auf dessen Haut aufzutragen. Doch zuvor hatten sie sich wieder nach draußen begeben, wo Yi Ling das angesprochene Siegel auf den lehmigen Boden zeichnete, in dessen Zentrum er sich in Lotuspose setzte. Wangji erkannte die Zeichen der fünf Elemente, die sich in gleichen Abstand zueinander aufgeschrieben befanden und am dominantesten hervortraten. Unter Anweisung ließ er sich leiten, wo und wie er die Symbole aufzubringen hatte, welche sich somit von dessen Handrücken über seine Arme zogen, über dessen Hals und Gesicht hinweg. Wangji spürte dessen Aufmerksamkeit, wie etwas Physisches auf sich ruhen, auch wenn es nur darum ging, das Yi Ling sichergehen wollte, das er alles richtig machte. „Lan Zhan, deine Kalligraphie ist wirklich Perfektion. Vielleicht sollte ich dich in Zukunft meine Talismane schreiben lassen.“ Yi Ling klang zur Abwechslung tatsächlich beeindruckt anstatt aufziehend, doch erwiderte er dennoch nichts auf dessen Worte. Zwei weitere Symbole, eines für Weitsicht, das andere für Klarheit, trug er in kräftigen Strichen auf dessen Handflächen auf. Das Letzte Symbol bedeutete Einklang, welches er in die Mitte seines Oberkörpers setzen sollte. „So groß und Kräftig wie möglich. Es ist das Zentrum das meine erweiterten Sinne zusammenfügen wird.“ Wangji kam nicht umhin sich etwas verspannt zu fühlen, als er sich Yi Ling´s bloße Haut betrachtete, um abzumessen, wie er das Zeichen ansetzen sollte damit es seinen Zweck so effizient wie möglich erfüllen konnte. Es fühlte sich unsittlich an, doch atmete er innerlich einmal tief durch und machte sich ans Werk. Es blieb nicht aus, das er Yi Ling dafür näher kommen musste, als ihm angenehm erschien und er bereits davon ausging, dass dieser es ihm auch anmerken würde, so wie er von ihm fixiert wurde. Das dieser seinen Mund in so einem Fall nicht würde halten können, kam demnach nicht überraschend. „Wow, Lan Zhan, du bist wirklich eine Schönheit. Nicht der winzigste Makel in deinem hübschen Gesicht. Schade nur, dass es nicht freundlicher dreinschaut. Eine wahre Verschwendung, wirklich.“, hörte er diesen säuseln, und blieb in seinem Tun irritiert regungslos, als dieser plötzlich eine hervorrutschende Haarsträhne für ihn wieder nach hinten strich, sie sanft hinter sein Ohr schob. Wangji setzte seine Arbeit wortlos fort, wenn auch mit einem seltsamen Flackern von Wärme in seiner Brust. Es blieb darauf still zwischen ihnen, bis er den letzten Strich getan hatte und wieder Abstand einräumte. Yi Ling begegnete ihm, nach einem Blick an sich hinab, mit einem befürwortenden Grinsen. „OK, dann verschwenden wir mal keine weitere Zeit.“ Yi Ling hielt seine Handflächen auf den Boden gepresst, während das Siegel in kurzen Intervallen pulsierte, wie die sich ringförmig, ausbreitenden Wellen auf einer Wasseroberfläche, auf welche man einen Stein geworfen hatte. Er selbst war nicht aus dem magischen Formationszirkel getreten, um ihn nicht vielleicht zu brechen in dem er einen unbedachten Schritt getan hätte. Somit blieb ihm nichts weiter übrig, als auf Yi Ling zu blicken, der sich in tiefer Konzentration befand. Ein Bild das sich eher selten bot. Ein plötzliches Zischen und dessen Gesicht zeigte sich angestrengt. Yi Ling biss kurz darauf sichtlich die Zähne zusammen und auch sein Körper zeigte sich immer angespannter. Ein Zittern in dessen Armen das deutlich machte, das es ihn Kraft kostete die er kaum aufbringen konnte, ließ Wangji mit einer beschämenden Erkenntnis zurück. Es musste ein gewaltiger Akt für Yi Ling sein, solch eine Prozedur durchzuführen, wenn sein líng qì sich in dem ständigen Zustand der Gegenwehr zu seinem aggressiven yuàn qì befand. Er sah das Rinnsal an Blut das aus dessen Nase floss und schalte sich einen ignoranten Narren, nicht eher verstanden zu haben. Behutsam legte er ihm zwei seiner Finger an die Innenseite seines rechten Handgelenkes und ließ sein líng qì ihn unterstützen. Ein leises Seufzen drang zu ihm heran. Wangji allerdings, fühlte sich weniger erleichtert, eher schuldig über sein Versäumen seine Hilfe schon vorher angeboten zu haben. Welchen Wert hatte sein Eid, wenn er nicht einmal auf solche Dinge Acht gab, um den anderen zu unterstützen? „Hab sie…“, hörte er es leise und erschöpft und öffnete seine Augen rasch die er über die Qi Infusion geschlossen hatte. Yi Ling schenkte ihm ein müdes Lächeln, als er sich auch schon aufrichten wollte, seine Suche ihm aber doch mehr abverlangt hatte, als er berechnet zu haben schien. Ein angestrengtes, feuchtes Husten folgte einem kurzen Taumeln, das es Wangji eilig an dessen Seite treten ließ und er ihn stützte. Es war offensichtlich, dass Yi Ling versuchte das Blut welches er sich rasch aus dem Mundwinkel gewischt hatte vor ihm zu verbergen, doch entging es seiner Aufmerksamkeit nicht. Auf dessen überspieltes Grinsen, schenkte er ihm einen eisernen Blick. Doch wusste er auch, das in der gerade herrschenden Situation keine Ermahnung oder ein Verweis sich zu schonen angebracht war, wenn nur Yi Ling ihnen sagen konnte, wo A-Yuan und Kleiner Apfel sich befanden. Er selbst kannte die Umgebung nicht eingehender und es war immer noch zu gefährlich jemand anderen in den Wald zu schicken. Und das wusste auch Yi Ling, der seinen Zustand, wie zu erwarten, überging, sich etwas fahrig wieder anzog und sich in Bewegung setzte. „Ohne das Siegel, kann ich sie nur für eine begrenzte Zeit noch wahrnehmen. Wir müssen schnell sein. Wo ist Wen Ning? Er soll mitkommen.“, rasselte er hektisch herunter und versuchte den nächsten Hustenimpuls vehement herunterzuschlucken, was ihm nur halbwegs gelang. Wangji war schnell dabei eine Entscheidung zu treffen und griff erneut nach dessen Handgelenk. „Lan Zhan! Denkst du wirklich ich lass mich zurückhalten!“ Es war ebenso selten Yi Ling mit einem derart furiosen Gesichtsausdruck zu sehen, doch ließ er sich nicht beirren. Auch nicht als dieser versuchte sich ruppig aus seinem Griff zu befreien, nahm er anscheinend an, dass er ihn nicht gehen lassen wollte. „Ich will dich nicht aufhalten.“, erklärte er ruhig und hielt weiter an ihm fest, ließ erneut sein líng qì in ihn fließen, auf das er es war der Yi Ling mit sich zog, dem darauf einzig ein verstehendes und etwas belegtes „Oh.“ hervorrutschte. Kapitel 15: ------------ Es gab nur zwei Pferde im Dorf und diese waren mehr für die Arbeit auf einem Feld oder für das Holzrücken ausgelegt, als im Galopp durch den Wald getrieben zu werden, doch waren sie immer noch schneller, als sie es zu Fuß gewesen wären. Sie durchquerten das unwegsame Unterholz in Richtung Westen, so schnell es ihnen möglich war. Yi Ling´s Vision von A-Yuan und Kleiner Apfel war nicht glasklar gewesen, doch auch durch den milchigen Schleier seiner Sichtung, hatte er erkennen können, wo sie sich befanden. Es gab einen weitläufigen See der inmitten von meterhohen, felsigen Steilwänden lag und den es wenigstens einen Tag brauchte ihn zu Fuß zu umlaufen. Es gab keinen direkten Weg um das Wasser zu erreichen, außer man wagte es sich, an den zerklüfteten Felsen herabzuklettern. Es barg unnötig viele Gefahren, was den See für Xīzhào Shùlín uninteressant machte und sich aus genau diesen Gründen, auch sonst kaum jemand dorthin begab. A-Yuan und Kleiner Apfel dort zu wissen, ließ die heftige Unruhe in Yi Ling nur noch weiter anschwellen, wäre jede Hilfe zu spät, sollten sie hinabstürzen. Dass er und Lan Zhan zusammen auf ein Pferd aufstiegen, anstatt er sich eines mit Wen Ning teilte, hatte die Wen Geschwister etwas verwundert. Wen Qing schenkte ihnen eine skeptisch hochgezogene Augenbraue, sagte aber nichts. Wen Ning hingegen stolperte unbeholfen, als dessen Blick auf Lan Zhan´s Hand gefallen war, welche ihn noch immer umfasst hielt. Yi Ling merkte die vorwitzige Wärme, die sich auf seinen Wangen zu zeigen begann, über die Mutmaßung die den Geschwistern darüber, womöglich, durch den Sinn gehen mochte. Doch gab es momentan an wesentlich Wichtigeres zu denken. Er hatte die Verbindung zu A-Yuan und Kleiner Apfel, als ein schlichtes Empfinden in seiner Wahrnehmung verankert, doch wurde es beständig schwächer, ohne eine Basis in der sich die suchende Energie sammeln und konzentrieren konnte. Sollten die zwei sich plötzlich in eine vollkommen andere Richtung bewegen, würde er sie wieder komplett verlieren. Das ein vier Jahre altes Kind und ein Baby-Drachenpferd es überhaupt bis dorthin geschafft hatten, war in sich recht widersprüchlich, wenn sie selbst im vollen Sprint so viel Zeit benötigten. Es ließ also annehmen, dass sie nicht von selbst den ganzen Weg in solch kurzer Zeit bewältigt haben konnten, was auch eine der Hauptsorgen ihrer Mission darstellte. Denn egal was die beiden dorthin gebracht hatte, der Grund dafür war, nach all den unschönen Vorkommnissen der letzten Zeit, offensichtlich ein missfälliger. Es gab dutzende Szenarien, die Yi Ling das Blut in den Adern gefrieren ließen, wenn er zu intensiv darüber nachdachte. Selbst sollten sie ebenso Vorsicht walten lassen, wäre keinem geholfen, wenn ihnen hier etwas zustieß. Bis jetzt gewährte man ihnen einen freien Weg, aber keiner von ihnen war naiv genug, sich in falscher Sicherheit zu wiegen. „Nur noch ein kleines Stück.“, meinte er mehr zu sich selbst, als es als eine Ansage gelten zu machen, worauf sich die Bäume um sie herum auch schon lichteten und sie kurz darauf an einem tiefen Abhang zum Stehenbleiben gezwungen waren. Es mochte gut ein 1/2 lǐ (200-250m) nach unten sein. Der See lag ruhig zu ihren Füßen, und doch lag etwas Drückendes, Aufgerührtes in der Luft, das sich wie unsichtbarer Nebel über diesen Ort legte. Yi Ling nahm A-Yuan und Kleiner Apfel in etwas Abstand zu ihrer Rechten wahr. Er schlug vor von ihren Pferden abzusteigen, nicht das irgendetwas diese scheuen ließ, erinnerte er sich noch gut an jene Nacht, in der man ihn in diesem Wald so zugesetzt hatte. Er wollte nicht riskieren, dass sie samt Pferden in den Abgrund getrieben wurden. Yi Ling führte die anderen beiden an, bis sie ihr Ziel erreicht hatten. Man hatte A-Yuan in einen Käfig aus einem leicht, grünlich schimmernden Geflecht aus Ranken und Ästen gesperrt, von welchem eine unverkennbare, starke Magie ausging, die womöglich nicht so einfach zu brechen wäre. Zudem konnte er das Gefühl nicht abschütteln, dass man sie sehr eindringlich aus dem Schutz des Waldrandes beobachtete. Es war zu erkennen, dass A-Yuan geweint hatte, waren dessen Augen feucht und rot. Ein beständiges Schniefen war von ihm zu hören, während er auf seinen Knien saß und seine kleinen Hände in den Stoff seiner Hose verkrampft hielt. Sonst war nichts weiter auszumachen. Auch von Kleiner Apfel fehlte jegliche Spur und er konnte ihn auch nicht weiter wahrnehmen. A-Yuan hatte sie noch nicht bemerkt, dennoch blieb es abzuwägen, was nun zu tun sei. Er könnte einen seiner Talismane verwenden, um die Situation auf Abstand etwas besser bestimmen zu können. Nur wollte er nicht riskieren, dass er durch solch eine Aktion womöglich etwas auslöste, das A-Yuan Schaden zufügen würde. Sie wussten noch immer nicht, was genau hier vor sich ging. Dann plötzlich drang das laute, verweinte Jammern von A-Yuan zu ihnen heran, der sie entdeckt hatte und nun kläglich ihre Namen rief, dass es einen nur ans Herz gehen konnte. Yi Ling tat einen vorsichtigen Schritt nach vorn, als man ihn auch schon von beiden Seiten davon abhielt weiterzugehen, indem ihn Wen Ning, wie auch Lan Zhan an seinen Armen festhielten. „Ich werde zu ihm gehen.“, hörte er es darauf von beiden gleichzeitig und über einen sturen Blickwechsel über seinen Kopf hinweg, was diese Entscheidung anbelangte, und Yi Ling konnte nur ein ergebenes Seufzen beisteuern. Noch immer wimmerte A-Yuan, wohl reichlich verunsichert und verängstigt, warum sie ihn nicht einfach befreiten. „A-Yuan. Du musst noch eine Weile tapfer sein, in Ordnung?“, richtete Yi Ling seine Aufmerksamkeit an ihn, was A-Yuan zuerst nur ein hilfloses Schniefen von sich geben ließ. „Wir werden dir helfen, versprochen. Nur noch einen kurzen Moment, ja? Kannst du das für deinen gē ge tun?“ A-Yuan sagte nichts, wischte sich aber die Tränen vom Gesicht und nickte dann. „Gut. Du bist ein mutiger junger Mann.“, lobte ihn Lan Zhan unerwartet, aber nicht weniger führsorglich. „Kannst du uns sagen, wie du hier hergekommen bist?“, fragte Wen Ning ihn daraufhin, und es schien A-Yuan im Augenblick wirklich schon zu reichen, das er nicht mehr allein war, zeigte er sich nun schon wesentlich gefasster. Doch schüttelte er auf diese Frage den Kopf. „Kleiner Apfel. Er lief in den Wald. A-Yuan weiß, dass der Wald gefährlich ist. Aber Kleiner Apfel lief davon. A-Yuan wollte ihn zurückbringen.“ Seine Worte klangen nun wieder etwas verschwommen über sein leises Schluchzen. „Kleiner Apfel ist noch ein Baby. A-Yuan wollte ihn beschützen.“, erklärte er und Yi Ling konnte nicht anders, als stolz auf ihn zu sein, selbst wenn es extrem unvorsichtig gewesen war. „Es ist in Ordnung.“, versicherte er ihm, schaute er nun so geknickt und versuchte dennoch weiter tapfer zu bleiben. Es war nur fraglich, was in der Zwischenzeit mit Kleiner Apfel geschehen war. Er konnte nur hoffen, dass es ihm soweit gut ging. Sollte ihn jemand erwischt haben der wusste, was für einen spirituellen Wert das Drachenpferdjunge hatte, gab es einige unerfreuliche Optionen, was mit diesem geschehen würde können. Es gab genug Personen die nur darauf warteten solch einen Fang zwischen ihre Hände zu bekommen und das meist mit grausamen Absichten. Fanatiker die nach der Magie des Übersinnlichen strebten, um dadurch mehr Macht oder gar Unsterblichkeit zu erlangen. „Lasst es mich versuchen.“, meldete sich Wen Ning und sah ungewohnt entschlossen aus. „Sollte man angreifen, sobald man sich dem Käfig nähern will, habe ich die besten Chancen.“ Yi Ling wusste auf was dieser ansprach, war dessen Natur nicht mehr mit dem eines normalen Menschen zu vergleichen. Selbst wenn man ihn verletzen sollte, wäre es weniger fatal für Wen Ning, als für einen von ihnen. Dennoch war Yi Ling nicht wohl dabei, ihn einfach so als Köder vorzuschicken. Wen Qing würde ihm den Kopf abreißen, sollte ihrem kleinen Bruder etwas zustoßen. „Meister Ying. Ich weiß was ihr denkt. Lasst es mich dennoch versuchen.“ Wen Ning war kein kleines Kind mehr und durchaus im Stande für sich selbst zu entscheiden. Yi Ling wusste, das dieser ebenso seinen Platz in dieser Welt suchte und sich und seinen Wert zu beweisen versuchte. Somit atmete er innerlich tief durch, bevor er ihm ein kurzes Nicken zukommen ließ. „Ich gebe dir Rückendeckung.“ Er legte seine Hand um Chenqing als Versicherung. Es mochten nur noch zwei, drei Schritte gewesen sein, bevor Wen Ning das Geflecht erreicht gehabt hätte, als ein derart heftiger Wind aufkam, das man sich direkt dagegen lehnen musste, um nicht vollkommen das Gleichgewicht zu verlieren. Zudem machte der aufgewirbelte Staub und das lose Laub es schwer weiter die Sicht zu halten. Mit einem missmutigen Zischen, mussten sie verfolgen wie sich A-Yuans Käfig nach oben und aus ihrer Reichweite bewegte, dass dieser nur hilflos seine Hände nach ihnen ausstrecken konnte. Er war krampfhaft am Überlegen, wie sie diese Sache zu ihren Gunsten wenden konnten, als sich etwas merklich um seine Beine und Arme legte, und ihn kurzerhand bewegungsunfähig machte. Zu sehen war jedoch nichts von den Fesseln, die sich nur enger zogen, je mehr er sich dagegen wehrte. Der Wind ebbte abrupt wieder ab. Yi Ling gab ein frustriertes Schnalzen von sich. Zu seinem Leidwesen musste er feststellen, dass er nicht das einzige Opfer geworden war, befanden sich Lan Zhan und Wen Ning in ebenso steifen Positionen und zeigten verbitterte Gesichter. Das etwas in der Lage war Wen Ning gebunden zu halten, zeigte das sie es mit etwas zu tun hatten, das man auf keinen Fall unterschätzen oder unangemessen provozieren sollte, besaß dieser trotz seines unscheinbaren Erscheinungsbildes als xiōng shī (fierce corpse) Kräfte die mit keinem Menschen vergleichbar wären. Ein plötzliches Rascheln drang aus dem umliegenden Wald zu ihnen heran, das klang als würde sich etwas geschmeidig doch in rascher Geschwindigkeit durch das Unterholz bewegen. Ein Wall schlingender Vegetation stieß wie aufgeregte Schlangen hervor, welche sich darauf miteinander verflochten und umrankten, bis sich eine Silhouette ausmachen ließ, die menschähnlich erschien. Wilder Wein und dornige Brombeerstränge. Wald-Reben und Efeu, Wisteria und Morgen-Pracht. Mannigfaltig an farbenprächtigen Blüten, die von filigran zu voll und üppig reichten, erschienen wie ein edel besticktes Gewand, das sich um diesen befremdlichen Leib legte. Es war keine Kreatur die Yi Ling je zu Gesicht bekommen hatte. Ihr Körper war schlank und großwüchsig. Dass sie ihn gut drei Köpfe überragte. Ihr Gesicht gab keine Mimik wieder, bestand ihr Haupt einzig aus kräftigen, verschlungenen Ranken, deren Spitzen lange, zart violette Blütenrispen eines Wisteriabaumes zierten und Kaskadenartig über dessen Rückseite herunterwuchsen. Sich in einer leichten Brise wiegten. Sie war bizarr schön und doch erhaben würdevoll. „Eine Seele des Waldes.“, meinte Lan Zhan mit so etwas wie Verwunderung in seiner Feststellung. Yi Ling hatte über sie gelesen. Sie hatten keine feste Gestalt, wie Mensch oder Tier und zeigten sie sich doch einmal, dann nahmen sie unterschiedliche Erscheinungen an. Doch geschah dies recht selten und somit gab es kaum bildliche Aufzeichnungen von ihnen. „Sie zeigen sonst nie ihre Gestalt, es sei denn es ist unabdingbar. Zudem sind sie eher von friedfertiger Natur und vermeiden jeden direkten Kontakt. Vor allem zu Menschen.“, bestätigte Lan Zhan sein Wissen über sie. Nun ja, ging es Yi Ling bei diesem Hinweis ebenso durch den Sinn, sie waren alle drei keine Menschen im normalen Sinne, was womöglich auch der Seele des Waldes nicht entgangen war. Bergseeblaue Augen, in denen das Sonnenlicht, wie auf Wasser glitzerte, musterten sie stumm und eingehend. Etwas streifte plötzlich Yi Ling´s Wahrnehmung, ohne dass sich etwas in seiner Sicht verändert hätte, doch war zu spüren, dass sich etwas in seinen Geist einschlich. Es war wie ein Wispern. Das sanfte Rauschen von Blättern im Wind. Das Murmeln eines Baches. Eine Melodie gesungen von Vögeln und Insekten. Seltsam befremdlich und doch schien es mit etwas in ihm zu harmonieren, eine Verbindung einzugehen, das all diese Klänge zu einer verständlichen Sprache für ihn werden ließ. „Wir hätten uns gewünscht, dass es nicht so weit kommen müsste.“, vernahm er die ernsten, anklagenden Worte in seinem Kopf und war sich im ersten Augenblick nicht sicher, ob nur er sie hören konnte und schaute darauf fragend zu seinen beiden Gefährten. „Habt ihr das ebenso gehört?“, gab er in einem Mix aus Flüstern und Zischen wieder. Wen Ning und Lan Zhan bestätigten seine Frage mit einem Nicken. „Jedoch lasst ihr uns keine Wahl. Wir haben es mit Warnungen versucht, doch brachten diese nichts als weitere Ignoranz und anhaltenden Schaden.“ Die Aufmerksamkeit der Seele des Waldes, legte sich nun eindringlich auf Yi Ling, der sich darunter merklich nervös zu fühlen begann. „Es liegt nicht in unserer Art, verletzen oder töten zu wollen. Noch zu Verhalten aufzurufen, das solch ein Ende hervorrufen würde. Der Schritt eines eurer Jungen zu entführen, soll euch deutlich machen, dass unsere Geduld ihr Ende erreicht hat. Unterbindet das Vergiften unseres Wassers, oder ihr werdet das Junge nicht zurückerhalten, noch werden wir eure Siedlung verschonen. Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie dieser Berg zum Sterben verurteilt wird.“ Yi Ling legte über diesen Vorwurf und Anspielung irritiert seine Stirn in Falten. „Tut mir leid, wenn ich etwas nicht mitbekommen habe, aber ich habe keine Ahnung, von was hier die Rede ist.“, meinte er demnach ebenso unwissend, ohne eine ignorante Absicht zu hegen. So etwas wie ein Sträuben, gleich einer Katze die ihre Aufgebrachtheit mit gebuckelten Rücken und einem Fauchen deutlich machte, ging von der Seele des Waldes auf seine Worte aus, raschelte das Laub um ihren Körper in einem aufgebrachten Zischen und ihre Augen wurden nachtschwarz. Verengten sich gefahrverheißend. Ein spürbares Festerziehen ihrer unsichtbaren Fesseln ging damit einher, was in sich kein gutes Zeichen darstellte, die Situation tatsächlich noch besonnen regeln zu können. „Yi Ling!“ Lan Zhan klang ernst und gleichzeitig tadelnd, wie er es sonst gern tat, wenn er ihn über unangebrachtes Verhalten ermahnen wollte. „Verzeiht die Unbedarftheit meines Kameraden.“, versuchte Lan Zhan die angespannte Regung ihres Gegenübers wieder zu neutralisieren. „Doch auch wenn seine Worte von Ignoranz zu sprechen scheinen, so ist seine Unwissenheit auch die unsere. Was auch immer solch einen drastischen Disput zwischen den Hütern des Waldes und den Menschen, die hier leben, ausgelöst haben mag, so wären wir euch wirklich verbunden, wenn man uns die vorliegende Situation eingehender erklären würde.“ Yi Ling gab ein beeindrucktes Raunen von sich, über Lan Zhan´s diplomatische Konfrontation zu ihrer Lage. Noch einmal raschelte die Seele aufgebracht. „Der See. Sein Wasser bringt den Tod. Tod, wie er von ihm ausgeht. Widernatürlich und giftig.“ Die Seele des Waldes wandte ihre Aufmerksamkeit direkt zu Wen Ning, der unter dieser Andeutung eingeschüchtert in sich zusammenschrumpfte. „Hey! Er hat sicherlich nichts damit zu tun. Auch wenn er anders ist, heißt es nicht, dass er zu so etwas im Stande wäre. Wie sollte er einen See dieses Ausmaßes vergiften und vor allem warum?“, trat Yi Ling für seinen Freund ein, kein Ansatz von Lan Zhans Taktgefühl über seine Empörung, was man Wen Ning zu unterstellen versuchte. Es brachte ihm, das nun wirklich schmerzhafte und luftraubende fester Schlingen, von was auch immer sie festhielt, ein. „Eure Dreistigkeit und Verleumdung, ist Beweis genug. Wer glaubt ihr zu sein, mit dem Gleichgewicht der Natur spielen zu können, ohne sich den Konsequenzen stellen zu müssen?! Es ist genau diese Ignoranz und Selbstsucht, die die Menschen zu einer immer weiter wachsenden Plage machen!“, fauchte man in ihren Geist, das die brennende Aggression dahinter sogar körperlich spürbar wurde. „Und das Drachenpferd-Junge? Habt ihr es seiner Mutter entrissen, sie getötet? Grundlos? Wie ihr so vieles grundlos tötet! Ist sein Ende nicht ebenso nur ein Käfig in dem es elend zu Grunde gehen wird?!“ Die Wut der Seele wurde mit jeder Beschuldigung beißender und Yi Ling entging nicht, das solch ein Hass ein gefälliger Nährboden für giftiges Yin darstellte, und in einem aufwiegelnden Wispern dessen Rage weiter schürte. Es war eine heikle Entwicklung ihrer eh schon misslichen Lage. „Wen Ning und auch die Menschen im Dorf haben nichts damit zu tun, was auch immer den See befallen haben soll.", widersprach Yi Ling versucht gefasst, auch wenn sein Kopf den Eindruck machte beinahe bersten zu wollen und sein Widerspruch mehr ein gepeinigtes Zischen darstellte. „Gut, wenn es kein Zugeständnis von eurer Seite gibt, dann auch keine Nachsicht mehr von der unseren.“, ließ man ihm nicht die Möglichkeit weiter zu sprechen, mit der Absicht seine Hilfe anzubieten. Ein schrilles Jammern drang darauf durch die Luft und sie konnten mit schreckgeweiteten Augen verfolgen, wie der Käfig der A-Yuan gefangen hielt sich beständig zusammenzog und den Jungen angstgeplagt, laut weinen ließ. „WARTE! Selbst ihr solltet nicht so grausam sein, ein wehrloses Kind so hinrichten zu wollen.“ „Was ist mit unseren Kindern, wenn dieser Berg stirbt! Nur weil ihr ihre Stimmen nicht hören werdet, bedeutet es nicht, dass sie keine Qualen erleiden, dass sie nicht schreien und weinen würden!“ Yi Ling war nach einem frustrierten Auflachen zu Mute. Irgendwie war er wirklich nicht der Richtige die Situation in sanfteres Wasser zu lotsen. Dabei war es nicht so, dass er keine Sympathie für das Leid dieser Wesen, dieses Berges, aufbringen konnte. Nur sah man sich leider viel zu oft und viel zu schnell von seiner Art Dinge handzuhaben provoziert. Eine Eigenheit, die er nie so Recht hatte in den Griff bekommen können. Was dann in einer Situation wie dieser hier enden konnte. Es folgte ein weiteres Kreischen, doch diesmal war es nicht A-Yuan. Etwas preschte aus dem Unterholz und erhob sich deutlich unbeholfen in die Luft. Kleiner Apfel taumelte, ob seiner noch nicht so kraftvollen Flügel mit jedem Windstoß, das es aussah als würde es eher wie ein Blatt davongetrieben werden. Doch man sah, dass es kämpfte. Es war nicht gekonnt mit dem Fliegen und stieß eher hart gegen den Käfig den es zu erreichen versucht hatte, das es dadurch die Kontrolle über sich verlor und ein stückweit nach unten schlingerte, bevor es sich gerade so wieder fangen konnte. Dann setzte es erneut an den Käfig zu erreichen und als es ihm gelang, in die erste Ranke biss, die es mit seinem Maul fassen konnte. Eifrig zerrte es daran, was auch A-Yuan sein Wimmern verstummen ließ und er ebenso ansetzte an dem Geflecht zu ziehen. Es war ein herzzerreißendes Schauspiel, das auch Yi Ling wieder in Aktion brachte. Wenn auch nur mental. „Lan Zhan, tu was! Sag ihr, das wir bereit sind zu helfen, wenn wir es können.“ Es war eine Weile her, dass er diese Verbindung zu Lan Zhan zuletzt genutzt hatte, aber wie sich herausstellte, war es noch immer eine hilfreiche Sache. „Zu viele unnötige Worte!“ Yi Ling war nach einem Schmollen zu Mute über diesen harschen Verweis. „Weiß du, langsam finde ich deine ewig kritisierende Art wirklich charmant.“, konterte er stattdessen, was ihm ein missfälliges „Nicht angebracht!“, einbrachte. Er wünschte er könnte es mit dem Lachen annehmen, das ihm dazu auf der Zunge lag. Doch war ihre momentane Lage gerade alles andere als zum Lachen. „Wir entschuldigen uns. Es war nicht in unserer Absicht überheblich zu erscheinen.“, versuchte sich Lan Zhan darauf wie von ihm gebeten. „Gebt uns die Gelegenheit diese Sachlage selbst in Augenschein zu nehmen. Wenn es uns möglich ist, werden wir versuchen zu helfen.“ Zuerst erschien es, als würde man dessen Worte vollkommen ignorieren, bevor Lan Zhan erneut sprach. „Ihr habt nichts dabei zu verlieren, oder? Wir stehen unter eurer Gnade. Wenn es ist wie ihr sagt, möchten wir ebenso versuchen dieses Sterben zu verhindern.“ Etwas schien die Seele daraufhin an Lan Zhan zu interessieren, schaute sie ihn an als könne es in seine Seele blicken. „Ihr seid nicht wie die anderen zwei, und doch ebenso wenig Mensch.“, stellte diese fest. „Ich bin ein Wanderer. Ich stamme von einem heiligen Berg, weit im Süden. Unsere Lehren basieren auf dem Einklang mit Geist und Natur. Es ist das, was uns unsere Kraft verleiht, unser Wissen formt. Wenn es hier von Nutzen sein kann, zu helfen, dann würde ich es versuchen wollen. Wenn ihr mir keinen Glauben schenken könnt, werde ich euch einen Einblick in mein Bewusstsein gewähren.“ Yi Ling weitete auf diesen Vorschlag seine Augen. „Lan Zhan, bist du dir sicher, dass das so eine gute Idee ist? Was wenn es unlautere Absichten verfolgt?“, murrte er in dessen Kopf, als müsse er seine Worte geheim halten. Und oh, womöglich konnte die Seele ihren Dialog tatsächlich hören, wenn sie auf eine ähnliche Art mit ihnen kommunizierte? Wenn den so war, machte sie keine Anstalten etwas zu unterbinden. „Es ist in Ordnung.“, vernahm er Lan Zhans überzeugten Verweis. Zuerst schien nichts zu passieren, bis er das leichte Verziehen von Lan Zhan´s Gesicht einfangen konnte. „Lan Zhan!“, rief er diesem zu, ohne seine Sorge in dessen Kopf zu verstecken. „Es ist…in Ordnung.“, erwiderte dieser abermals, doch merklich angestrengt und Yi Ling blieb nichts weiter übrig, als es ihm abzukaufen. „Ihr habt die Wahrheit gesprochen. Nun gut.“, hörte er die Seele kurz darauf mit weitaus ruhigerem Auftreten sagen. Lan Zhan gab ein tiefes Durchatmen wieder, das wohl dazu diente sich zu sammeln. Der Käfig um A-Yuan schrumpfte nicht weiter und man brachte ihn zurück auf den Boden. Kleiner Apfel folgte sofort. In einem erschöpften Zusammensinken landete es neben dem Käfig, doch leckte es die Hand von A-Yuan die dieser ausgestreckt hatte, um es über den Kopf zu streicheln, war dieser sich wohl auch bewusst, wie viel Energie es dieses gekostet haben musste, allein nur in der Luft zu bleiben. Auch ihre Fesseln lockerten sich und Yi Ling gab ein erleichtertes Stöhnen von sich, sobald er sich wieder frei bewegen konnte. Sie strebten A-Yuans Käfig an, doch befand sich noch immer dieselbe Barriere Drumherum wie zuvor, das sie nichts weiter tun konnten, als in ein paar Schritten Abstand davor zu verharren. „Shū shu (Onkel-Wen Ning), gē ge…“, schniefte A-Yuan und Yi Ling versuchte sich an einem hoffentlich ermutigenden Lächeln. „Wir sind hier. Wir werden uns darum kümmern, dass du bald wieder zu Hause bist. Ja?“ Es war zuerkennen, das dessen Unterlippe etwas zu zittern begann und er doch versuchte die aufkommen wollenden Tränen zurückzuhalten. „Du warst bis jetzt wirklich tapfer, A-Yuan. Wir sind alle stolz auf dich. Du hast dir eine Belohnung verdient, wenn wir wieder daheim sind.“ Die Aussicht auf eine Belohnung schien ein wenig zu helfen ihn zu beruhigen, schaute A-Yuan mit gespannter Neugier zu ihm. „Kann ich einen táng hú lu (kandierter Früchtespieß) ganz für mich allein haben?“, fragte er hoffnungsvoll und in seinem Wert so unschuldig, wie es nur von einem kleinen Kind kommen konnte. „Ich denke, dass wir Wen Qing und Großmutter dazu überreden können.“, meinte er mit einem warmen Lächeln. Kleiner Apfel gab ein müdes Zirpen von sich und Yi Ling holte ein paar der getrockneten Maulbeeren aus seinem Beutel, die sonst für BangHei gedacht waren. Kleiner Apfel raffte sich bei der Aussicht auf einen Snack etwas mühsam auf und stolperte auf ihn zu. Es verschwendete keine Zeit und fraß die Beeren hastig, als es seine Hand erreicht hatte in der er sie hielt. „Gut gemacht.“, lobte er dieses, auch wenn es nicht wissen mochte, was er damit ausdrücken wollte. Ein weiteres Zirpen zwischen eiligen Bissen, das wie ein fragender Laut klingen mochte und Yi Ling streichelte es sanft über den Kopf, dem es sich angetan entgegenschob. „Pass weiter auf A-Yuan auf, in Ordnung.“ Damit erhob er sich aus seiner Hocke und schaute die Seele des Waldes auffordernd an. „Also gut, zeigt uns, an was ihr uns die Schuld gebt.“ Er konnte nicht verhindern, das ihm ein überrumpelter Laut entwisch, als sie darauf ebenso ein ominös grün glühender Wurzelkäfig umfing und sie sich in die Luft gezogen befanden, nur um darauf die Klippe hinab zu trudeln, dass es ihn krampfhaft seine Augen zusammenkneifen ließ. Es war nicht unbedingt ein sanftes Aufkommen, aber immerhin waren sie noch an einem Stück. Wenn auch seine Haare ausreichend windzerzaust daherkamen und ihm das Herz beinahe aus der Brust springen wollte. Himmel, er war nicht gut mit Überraschungen solcher Art. Mit einem empörten Schnaufen stellte er fest, das Lan Zhan pristin wie immer aussah, während Wen Ning etwas grün um die Nasenspitze erschien und, wenn dieser es noch könnte, sich wohl gern würde übergeben wollen. Er konnte es ihm Voll und Ganz nachfühlen. Dennoch straffte er sich, um nicht den Eindruck zu geben, als habe er gerade mehrere Jahre seines Lebens dahinfliegen sehen. „Nun denn.“ Wangji entging die schwelende, unreine Energie nicht, die das Wasser umfing und ein Blick zu Yi Ling zeigte, das er es ebenso spürte. Der See war von einem steinigen, flachen Ufer umsäumt, an welches das Wasser leckte. Wangji trat näher und hielt seine rechte Hand ausgestreckt knapp über die Oberfläche. Die Beschuldigung der Seele des Waldes bestätigte sich ihm, nahm er die giftige Essenz ohne weiteres wahr, die geradezu nach seinen Fingern zu schnappen schien. „Yi Ling.“ Dieser nickte verstehend über seine Erkenntnis und prüfte die Yin Konzentration die sie umgab, seinerseits. Mit zusammengezogenen Augenbrauen und harter Miene blickte er ihn wieder an. „Das sieht nicht gut aus.“, meinte er mit einem leichten Murren in der Stimme, ließ sich recht ungraziös auf den rund gewaschenen Kies des Ufers fallen und wischte sich in einer überfragten Geste mit einer Hand über das Gesicht. Ein unerwartetes Pulsieren von líng qì, das die Wasseroberfläche leichte Wellen werfen ließ und den Boden spürbar zum Vibrieren brachte, ließ Wangji sich reflexartig anspannen. „Was…“, hörte er Yi Ling aufgeschreckt fragen, als das Wasser, nicht unweit von ihnen, gleich der sprühenden Gischt eines Geysirs in den Himmel sprühte, hervorgerufen von einem riesigen Wels der sich daraus erhob. Sein Leib war immens, sicherlich mehr als 35 bù (etwas über 50 m) und glänzte in einem rötlich goldenen Sonnenton. Seine Barteln kräftiger wie Baumstämme und nahezu genau so lang wie der Wels selbst. Mit einem imposanten Klatschen tauchte er wieder unter, doch kam kurz darauf wieder soweit an die Oberfläche, dass sein Körper zur Hälfte zu sehen war. Nun war auch zu erkennen, dass es schwarze unförmige Verfärbungen gab die dessen Haut durchbrach und auch das dessen Augen ein leichter Schleier überzog. Doch was Wangji´s Aufmerksamkeit letztendlich komplett zu greifen vermochte, war die Zeichnung auf dessen Stirn. „Ein Sonnenbrüter?“, meinte er überrascht. „Ein was?“, vernahm er Yi Ling´s Stimme eindeutig zu nahe neben sich und durfte feststellen, dass er nicht mitbekam, wie dieser sich zu ihm gesellt hatte über seine Beobachtung. Wangji trat ein Stück von diesem weg, bevor er zu einer Erklärung überging. „Ein Sonnenbrüter. Ein Geschöpf das durch den beständigen Einfluss von purem, konzentriertem Ying den Weg zur Unsterblichkeit erreichen kann. Dieses Ying Qi ist vergleichbar mit einem kultivierten goldenen Kern. Die Schriften nennen es bái chì xīn. Es verleiht einem Sonnenbrüter das Vermögen einen Ort mit anhaltender Lebenskraft zu speisen.“ Yi Ling summte interessiert über seine Worte. „Er ist demnach für das Wohlergehen des Berges verantwortlich? Eine Art Wächter oder Gottheit? War es das auf was die Seele ansprach?“ Wangji nickte, war es das was auch er annahm. „Das giftige Wasser ist der perfekte Nährboden um Yin gedeihen zu lassen. Etwas das sich ohne den Sonnenbrüter irgendwann über den See hinaus erstrecken würde. Ich nehme an, dass ihm über diesen Kampf die Kräfte schwinden. Was Grund für die schwarzen Male darstellen könnte. Die Färbung der Zeichnung auf seiner Stirn verrät, dass er noch recht jung ist für seines Gleichen. Sollte dieser giftige Strom nicht enden, könnte es ihn genug schwächen, dass er daran zu Grunde geht. Zudem hat er in seiner Form nicht die Möglichkeit sich diesem Einfluss entziehen zu können, da er an das Wasser gebunden ist. Er kann somit nur versuchen es im Zaum zu halten.“ Wangji ging ein weiteres Szenario durch den Kopf über diese Situation. „Es wäre ebenso nicht auszuschließen, dass sich der Sonnenbrüter durch solch einen quälenden Prozess in einen Yao verwandelt. Ein Geschöpf von solch hochgradiger spiritueller Existenz, würde unter dem Einfluss von zu viel fauligem Yin Qi ein nahezu unbändiges Monster hervorbringen.“ „Es würde den Berg zum Sterben bringen.“, ergänzte Yi Ling seine Befürchtung darauf und raunte missmutig. „Wir müssten, um dies zu verhindern, also den kompletten See reinigen.“ Dieser streckte auf jene Feststellung seine Arme weit zur Seite aus. „Den. Kompletten. See…“, wiederholte er mit einem leicht irrwitzigen Unterton. Wangji konnte nicht abstreiten, das er sich ebenso überfordert fühlte mit diesen Aussichten. Es würde einen unglaublichen Aufwand bedürfen, um solch ein Vorhaben umsetzen zu können. Wenn man denn erst einmal eine Lösung dafür gefunden hatte. Sie standen so gesehen vor einer unmachbaren Aufgabe, die sie allein nicht würden bewältigen können. Nach nichts anderem sah es momentan aus. Auf der anderen Seite stand auf kurz oder lang das Leben jedes Lebewesens auf diesem Berg auf dem Spiel. Mit oder ohne ihr Zutun. Hoffnungslosigkeit war ein Wort, das er stets versuchte eines Besseren zu belehren. Doch in diesem Fall… „Wir haben keine Zeit zu verschwenden.“, riss ihn Yi Ling´s unerwartet, feste Stimme aus seinen Gedankengängen. „Es wird sich nichts ergeben, wenn wir es von vornherein als aussichtslos ansehen. Sollten wir scheitern, dann wenigstens mit dem Wissen, das wir nichts unversucht gelassen haben.“ Es war seltsam, bemerkte Wangji, das es gerade der Ansporn von jemanden wie Yi Ling war, der ihn wieder den Kopf heben ließ und es so etwas wie einen Funken Zuversicht in ihm entfachte. Selbst wenn es nur das Aufschieben eines unaufhaltsamen Desasters war, so wollte etwas in ihm Yi Ling in nichts nachstehen. „So ist es.“, stimmte er diesem schlicht zu und erntete dafür einen kumpelhaften Hieb auf seine Schulter. „Das lob ich mir Lan Zhan. Gemeinsam gegen das Chaos.“ Yi Ling wirkte darauf sofort einen Moment nachdenklich, das dessen Hand wahrscheinlich unbewusst auf seiner Schulter verharrte, während er grübelte. Und da er ihn nicht unnötig darin unterbrechen wollte, beließ er es vorerst dabei. Zumal es ihn nicht mehr gar so aufwühlte wie zuvor. Womöglich wurde er langsam resistent gegen dessen Berührfreudigkeit? „Ok, wir brauchen eine Wasserprobe, mit der ich Versuche starten kann. Wen Ning.“ Ohne zu hadern, reichte Wen Ning Yi Ling seinen Wasserbeutel, den er an sich getragen hatte, das Yi Ling ihn leerte und mit dem Seewasser füllte. „Dann müssen wir zurück ins Dorf, damit ich daran arbeiten kann.“ Sie schauten einheitlich die Klippe hinauf. „Uhm, das könnte länger dauern als gedacht.“, raunte Yi Ling geschlagen, straffte sich dann aber ebenso rasch wieder. „Hey! Wenn ihr wollt das wir uns der Sache annehmen, dann wäre etwas Mitarbeit ganz hilfreich!“, gab er in lauter Stimme darauf von sich und sie warteten stumm und aufmerksam, ob sich etwas tun würde. Ein leichter Wind war zunächst alles was sich regte. Dann war der glühende Käfig zurück und man zerrte sie wie an Angelschnur schwungvoll wieder hinauf. Die Landung war nicht weniger unsanft als die erste, doch fing sich Wangji mit der angebrachten Behändigkeit. Die Seele des Waldes hatte ihre Form nicht aufgegeben und stand noch immer an ihrem Platz. „In Ordnung. Es wird euch nicht gefallen, aber um etwas tun zu können, muss ich ins Dorf zurück. Hier kann ich nichts ausrichten.“ Wangji konnte verfolgen, dass die Seele Yi Ling mit Missfallen bedachte und brachte sich selbst in dieses Gespräch mit ein. „Was mein Gefährte sagen möchte ist, dass wir versuchen wollen zu helfen, doch brauchen wir die nötigen Mittel um eine Lösung finden zu können. Es ist nun euch überlassen, ob ihr es auf eine Chance ankommen lassen möchtet, indem ihr uns dies gewährt, oder diesen Versuch ungenutzt verstreichen lassen wollt. Es liegt an euch zu endscheiden.“ Yi Ling schnaufte in seiner typisch trotzigen Manier, wohl weil er ihn abermals in den Belangen der angebrachten Kommunikation die Zügel aus der Hand genommen hatte. Oder aber weil er sich, zu recht, seines nicht vorhandenen Feingefühls abermals bewusst geworden war. Die Seele blieb stumm, doch bevor Wangji der Annahme erliegen konnte das sie sich nicht darauf einlassen wolle, vernahm er wieder deren Stimme in seinem Kopf. „Wir werden euch dieses Vertrauen gewähren, doch bleibt das Kind solange bei den unseren. Wir sehen es als eine Sicherheit an.“ Es war Yi Ling anzusehen das er protestieren wollte, und das nicht zu Unrecht, doch kam er diesem zuvor. „Wir verstehen, doch erlaubt ihm wenigstens jemanden an seiner Seite der sich angemessen um ihn kümmern kann. Wenn jeder des Dorfes ohnehin unter eurer Nachsicht steht, sollte dies kein Hindernis darstellen. Der Junge ist unschuldig in seiner Unbedarftheit. Ich denke ihr versteht dies.“ „Ihr wisst eure Worte weiße zu wählen, Herr aus der Wolkenklamm. Ich werde euch diese Bitte gewähren, weil ihr es seid, der darum bat. Ich hoffe ihr werdet ehrlich zu eurem Handeln stehen.“ Kapitel 16: ------------ Es waren drei Tage vergangen, seit sie zurück zum Dorf gekommen waren und die Situation dort erklärt hatten. Wen Qing war es, die sich ohne Umschweife dazu bereit erklärt hatte, bei A-Yuan zu bleiben und Yi Ling seitdem ununterbrochen nach einer Lösung forschte. Seine Augen fühlten sich gereizt und seine Lider schwer an. Erneut stahl sich ein Gähnen hervor. Er hatte schon diverse Versuche gemacht, um erst einmal herauszufinden, was genau mit dem Wasser des Sees vor sich ging. Solange er das nicht bestimmen konnte, konnte er auch nicht nach einem Ausweg suchen. Dieser gesamte Vorfall saß wie ein lästiges Jucken unter seiner Haut, das mit jedem Tag nerviger zu werden schien. Ihn sich überspannt und unstet fühlen ließ. Yi Ling gähnte wiederholt und sein Kopf sackte darüber unbewusst nach vorn, dass es ihn rasch die Augen wieder aufreißen ließ, bevor er unsanft in seine Untersuchungsutensilien knallte. Das einzige was er bis jetzt mit Sicherheit sagen konnte war, das es ein beständig wachsendes Maß an Yin gab, das er auf die infizierten Lebensformen im See zurückverfolgen konnte. Der Sonnenbrüter versuchte das Wasser vor einer kompletten Kontaminierung zu bewahren, indem er mit seinem líng qì (spirituelles qi) unentwegt dagegen drückte. Doch auch er konnte nicht auf ewig solch eine Barriere aufrechthalten. Jeden Tag brachte man ihm befallene Fische, Krebse, Insekten und Muscheln die er untersuchte. Einige davon mit deutlichen äußerlichen Mutationen. Groteske Wesen, doch nicht verändert genug, das sie im Einzelnen größeren Schaden anrichten konnten. Doch sollten es noch mehr werden… Selbst die Pflanzen im Wasser waren infiziert. Normalerweise waren Pflanzen zu schwach, um Yin Energie zu speichern und gingen schlicht darunter ein. Es sei denn, es handelte sich um kräftige, alte Gewächse. Nicht simples Wassergras oder Blasenalgen. Was ihn dazu brachte anzunehmen, das es nicht nur mit dem wachsenden Yin zu tun hatte, was diesem See so zu schaffen machte. Was immer noch die Frage offen ließ, wie es überhaupt in das Wasser gelangt war. Yi Ling schüttelte resigniert den Kopf über diesen Gedanken. Er vernahm, wie sich die Tür seiner Hütte mit einem leisen Knarren öffnete, doch schenkte er dem keine Beachtung, war es entweder Wen Ning, der ihm etwas zu Essen brachte oder Lan Zhan, der ihn mit prüfender Wortlosigkeit bedachte, als könne er ihn damit dazu bringen, endlich etwas Brauchbares zu präsentieren. Das nächste, was er für sich wahrnahm war, das er sich bewegte, nicht von sich aus, fand er seinen Körper dazu zu unkooperativ und seinen Geist zu schwammig. Doch das alles war nicht von Belang, als er auf etwas Weichem zum Ruhen kam und augenblicklich in einen festen Schlaf abdriftete. Die Luft in seiner Hütte fühlte sich warm und stickig an, als er wieder zu sich fand und mit einem schlaftrunkenen Murren auf die Seite rollte. Er schmatzte über die unangenehme Trockenheit in seinem Mund, auf das ihn etwas leicht an der Hand berührte und ihn die Augen langsam aufschlagen ließ. Das erste was er wahrnahm war, der Becher den man ihm vorhielt und er sich über den Durst, der sich nur zu intensivieren schien, etwas unbeholfen aufsetzte, das er das Gefäß auch annehmen konnte. Es tat gut das Kratzen zu stillen, das er ein zufriedenes Brummen von sich gab. Er fühlte sich gleich etwas munterer. Zudem hatte ihn auch nicht ein einziger Albtraum geplagt, dennoch fühlte er sich etwas angeschlagen, was er wohl den ewigen Stunden seiner Nachforschung zuschreiben konnte und der Tatsache, dass darüber kaum die Möglichkeit bestand, wirklich einmal etwas herunterzufahren. Er hatte seine Hütte nicht verlassen, seit er hier her zurückgekommen war, sah er es mehr als eine unangebrachte Zeitverschwendung an. Schließlich erwartete man Ergebnisse von ihm! Da man bis jetzt nichts zu ihm gesagt hatte, war es auch nicht verwunderlich, das er Lan Zhan neben seinem Bett stehend vorfand, als er sich zur Seite wandte. Wen Ning hätte längst gefragt, ob er irgendetwas anderes benötige oder wenigstens, ob er gut geschlafen habe. Yi Ling´s Blick fiel an Lan Zhan vorbei und er sah dessen Guqin auf einem der Kang Tische stehen. Elegant und mit einer übersinnlichen Aura, wie es auch ihr Meister verkörperte. Er musste für ihn gespielt haben, was seinen ruhigen Schlaf erklären würde. Er konnte nicht anders, als leicht zu schmunzeln. „Hast du etwa die gesamte Zeit über auf mich Acht gegeben, Lan Zhan? Ich wette, du hast deine Augen nicht von mir nehmen können, während ich geschlafen habe, hm? Ich wusste, dass der große Lan xiān shī eine schamlose Seite besitzt und nur zu schüchtern ist sie zu zeigen.“ Er zwinkerte Lan Zhan keck zu, über seinen aufziehenden Nonsens. „Es wäre, wie einem schlafenden Maultier zuzusehen. Etwas das der Zeit nicht lohnt.“, ließ dieser ihn mit abgeklärter Miene wissen, dass es Yi Ling kurz die Sprache verschlug, über diesen unerwartet sarkastischen Konter. Und man es ihm auch im Gesicht ablesen musste können, konnte er schwören das, für einen unscheinbaren Moment, so etwas wie ein selbstzufriedenes Lächeln über dessen Lippen zuckte. „Lan Zhan! Seit wann bist du so spitzfindig?“, gab er mit gespielter Empörung von sich und faste sich, des Schauspiels wegen, ans Herz. „Wer ist der schlechte Einfluss, das sich selbst Lan xiān shī nicht helfen kann?“ Yi Ling grinste nun selbstherrlich breit über seine Frage. „Ich frage mich was es bedarf,  Lan Zhan einmal gänzlich die Fassung verlieren zu lassen? Und ich meine damit nicht ausschließlich durch Verärgerung.“ Yi Ling begab sich in eine sinnliche Pose, indem er sich, seitlich wie er noch lag, seinen Oberkörper auf einen Ellenbogen abstützte und ein Bein, angewinkelt, über das andere fahren ließ, sich vollends bewusst das sich seine Robe über den Schlaf genug gelockert hatte, um hier und da etwas zu viel Haut preiszugeben. Er lächelte kokett. Allerdings verschluckte er sich fast daran, als er verfolgen konnte, das sich Lan Zhan, nicht wie erwartet und gewollt, peinlich berührt abwandte, sondern ihn wahrlich eingehend zu mustern schien, das er es nun war der sich albern verlegen zu fühlen begann. Doch war er nie jemand gewesen, der sich in die Ecke getrieben zeigte und hielt der Musterung versucht selbstsicher stand. Es würde ihn brennend interessieren, was in Lan Zhan´s Kopf gerade vor sich ging. Dieser schaute ihm abschließend direkt in die Augen, das es Yi Ling unbeabsichtigt schwerer schlucken ließ und er erneut das Bedürfnis nach etwas Wasser verspürte. „Niveaulos.“, hörte er diesen unbeeindruckt klingend sagen und auch wenn es kindisch war, so fühlte sich Yi Ling´s Ego doch merklich angekratzt über dieses Urteil. „Lan Zhan! Hast du mich tatsächlich gerade abblitzen lassen? Du bist zu herzlos. Ich sage dir, mit so einer Manier findest du nie eine Frau. Dann wirst du am mich denken und…“ Ja was, und? Er fand sich gerade selbst etwas irritiert über solche Gedanken. Wollte er, das Lan Zhan, auch Jahre später noch, an ihn dachte? Es hatte etwas Melancholisches, wie auch etwas flüchtig Ergreifendes. Würde jemand wie Lan Zhan, ihre Zeit zusammen, als etwas aufbewahren, über das er sich irgendwann sinnierend zeigen würde? Yi Ling seufzte über diese unnötigen Gefühlsduseleien. Es war nicht die Zeit noch der Ort, sich über so etwas sentimental zu geben, wenn es wichtigeres gab, um das er sich zu kümmern hatte Lan Zhan war in der Zwischenzeit wortlos zurück zu seiner Guqin gegangen und ließ diese sich, mit einem Handstreich, auflösen. „Du solltest trotz allem darauf achten, deinen Körper nicht zu vernachlässigen. Regelmäßiges Essen und Trinken hilf der Konzentration und verleiht die nötige Energie. Wenn du zu müde wirst, schlafe. Frische Luft bringt einen klaren Geist. Die Menschen hier vertrauen auf deine Hilfe. Also mache ihnen nicht noch mehr Sorgen, indem du dich ausbrennst.“ Das Lan Zhan Recht hatte, mit seinem Verweis, konnte er nicht abstreiten und er raunte verstehend und nachkommend. „Dann ist es ja gut, dass ich dich habe, um mich an all das zu erinnern.“, neckte er ihn trotzdem noch etwas, bevor dieser mit einem schlichten „Mn.“, antwortete und ihm die Privatsphäre einräumte, sich für den Tag herzurichten, indem er die Hütte verließ. *** Weitere Tage verstrichen, und auch wenn ihn niemand zu mehr Eile drängte, fühlte sich Yi Ling durch anhaltende Misserfolge mehr und mehr gehetzt, endlich ein nützliches Resultat vorweisen zu können. *** Es war ihm gelungen, diese unbekannte Komponente, die dem Yin anhaftete, zu extrahieren, doch brachten auch all seine Tests keine brauchbaren Ergebnisse, um was genau es sich handelte, was es nur schwieriger machte, dagegen anzugehen. Also hatte er angefangen schlich darauf los zu forschen, was mühselig und zeitaufwendig war. Es war eine Essenz, die sämtlichen ihm bekannten natürlichen, wie auch übernatürlichen, Gesetzen trotzte. Eine Materie, die sich nicht greifen lassen wollte und ihm quasi wie Wasser durch die Finger ran. Es war paradox, wie es auch frustrierend war. Wie sollte er da einen Anfang finden? Sie brauchten ein komplettes Bild, um darauf eine effektive Lösung finden zu können. Und wer wusste schon, wie lange die Geduld der Waldseelen anhielt? Wen Ning berichtete regelmäßig, das es A-Yuan und Wen Qing gut erging, brachte er diesen ebenso Essen und was soweit nötig für die beiden war. Lan Zhan war meist mit irgendetwas anderem beschäftigt, das ihn erst spät abends wieder ins Dorf zurückkehren ließ. Yi Ling fragte nicht nach, glaubte er, dass man ihm eh keine Antwort darauf schenken würde. Allerdings konnte er den, über die letzten Tage anschwellenden Unmut darüber, nicht unterdrücken, der von einem pulsierenden Kopfschmerz begleitet wurde. Sicher, Xīzhào Shùlín ging Lan Zhan nicht wirklich etwas an. Er war nur ein Fremder, den er hierher mitgenommen hatte. Warum sollte er also seine Zeit damit verschwenden, dem Dorf aus seiner misslichen Lage helfen zu wollen? Yi Ling gab ein abfälliges Zischen von sich, als er intensiver darüber nachdachte. Am Ende gab es ihrer eisigen Herrlichkeit nur eine verquere Art der Genugtuung, wenn er Tag für Tag mit ansehen konnte, wie er sich mit einer Lösung schwer tat. Dass er trotz seiner großspurigen Art, eben doch nur ein abnormaler Unruhestifter war. Niveaulos, wie er ihm erst gesagt hatte. Und wenn schon! Das Lan Zhan ihn nur begleitete, weil er es als eine Pflicht ansah, die ihm irgendein Ehrenkodex seiner Sippe vorgab, war in seinem Kopf allgegenwertig. Dass es diesen nicht scheren mochte, selbst wenn die Welt der Menschen im kompletten Chaos versank, da er schlicht in seine himmlische Residenz zurückkehren konnte. Seines Gleichen, über ein Spiel wéiqí (der chin. Begriff für das Go-Spiel) und dem dekadenten tafeln von Goldfasanen und Feuerdatteln, von der Armseligkeit der Sterblichen berichtete. Von ihm. Geschöpfe wie Lan Zhan, waren über kurz oder lang nur an sich selbst interessiert und spotteten über das Schicksal derer, die ein simpleres Dasein ihr Eigen nannten. Er wünschte wirklich er wäre gerade hier. Er würde ihm all das in sein arrogantes Gesicht sagen. Er würde… Mit einem erstickten Japsen, das der harte Aufprall auf den Boden aus ihm gepresst hatte, unterbrach sich sein aufgewiegelter Gedankengang, und er spürte wie dieses vermaledeite Kratzen und Beißen unter seiner Haut, ihn mit einer Art der Aggression ausfüllte, die die Ränder seines Verstandes mit aufhetzenden, unruhigen Schatten säumte. Das Krachen eines umgestoßenen Tisches folgte. Der Drang sich die rostigen Nägel aus der Kehle schreien zu wollen, schürte seinen Wahnsinn nur weiter, hörte das quälende Gefühl, als wolle sich sein Körper aus seiner Haut herausreißen wollen, einfach nicht auf. „Yi Ling!“ Nur seinen Namen in dieser verhassten Stimme zu hören, ließ ihn einen rasenden Wutschrei hervorbringen, und der dickflüssige Geschmack von Blut seinen Mund flutete und ihn kratzig würgen und spucken ließ. Die Hand die sich auf seine Schulter legte, ein Gewicht das ihn zu verbrennen drohte. Alles fühlte sich unerträglich an, das er wie ein verletztes, wildes Tier nach allem ausschlug das seine Qual vergrößern würde. Bis plötzlich all der Schmerz, wie Schnee zu schmelzen begann. Langsam, aber beständig. Das Wasser ein beruhigender Balsam, der über all seine inneren Wunden wusch. Sie reinigte. Mit einem erschöpften, dankbaren Keuchen sank er auf seine Knie, sein Körper schwach und ausgelaugt, doch warm und lebendig. Umfangen von Geborgenheit, die ihm schon fremd geworden war, an die er sich mit dem letzten Rest an Kraft klammerte, den er noch erübrigen konnte, und er seine Augen schloss. Es dämmerte als er die Augen wieder aufschlug. Ob Abend-oder Morgendämmerung, konnte er allerdings nicht bestimmen, fühlte sich seine Auffassungsgabe träge und haltlos an. „Wie fühlst du dich?“ Lan Zhan´s Stimme klang fest, aber glaubte Yi Ling so etwas wie Besorgnis darin erkennen zu können. Er fühlte sich ziemlich durcheinander und kränklich kraftlos. Als habe man seine Gliedmaßen gefesselt und seinen Geist absichtlich unter einen milchigen Schleier gelegt. Nicht einmal seinen Kopf konnte er drehen. „Was…?“ Ihm fiel auf, dass er sich auch nicht mehr in seiner Hütte befand, was diese Situation nur noch irritierender für ihn machte. Er konnte sich nicht entsinnen, die seine verlassen zu haben. „Wie fühlst du dich?“, fragte man ihn wiederholt und es ließ Yi Ling etwas genervt die Augenbrauen verengen. Als habe er ihn nicht schon beim ersten Mal gehört. Glaubte Lan Zhan, das er es mit einem kleinen Kind…“ Etwas ließ seinen Körper sich schlagartig verkrampfen, dass ihm darüber die Luft wegblieb. Ein quälendes, brennendes Gefühl hatte seinen Verstand erfasst, ließ den rauchigen Schleier dunkler, schwerer werden, als plötzlich ein goldenes Licht hindurchbrach und ihn Schwade für Schwade auseinandertrieb, bis er gänzlich zerstoben war. Yi Ling atmete tief und erschöpft durch, als wieder Klarheit in seinen Kopf zurückkehrte und sein Körper sich ebenso entspannte. Dennoch konnte er sich noch immer nicht frei bewegen und es ließ ihn missmutig über diesen unliebsamen Zustand raunen. Es war ein Gefühl, das alte Erinnerungen in ihm aufwogen ließ. Erinnerungen an die Tage, kurz nachdem man ihn in den Grabhügeln gefunden hatte. Erinnerungen, an die er jetzt nicht denken wollte. „Lan Zhan! Warum kann ich mich nicht rühren?“, moserte er und erneut stellte ihm dieser die Frage, nach seinem Befinden. Diesmal seufzte Yi Ling schlicht ergeben. „Ich bin mir nicht sicher, was du hören willst. Ich denke mir würde es besser gehen, wenn ich mich nicht wie ein zòngzǐ (in Bambusblätter eingebundener, gefüllter Reiskloß) fühlen würde.“ Lan Zhan blieb noch einen Moment still. „Bist du wieder bei Verstand?“, hinterfragte dieser folglich, das Yi Ling schon eine spitzfindige Antwort dazu auf der Zunge lag, doch Lan Zhan´s ernster Tonfall ihm sagte, dass es nicht der Moment für seinen Unsinn sei. „Uhm… soweit ich es beurteilen kann.“ „Was ist das letzte, an das du dich erinnern kannst?“, folgte die nächste Aufforderung sich zu erklären, auf das er sich wirklich bemühen musste, diese Erinnerung in sein Gedächtnis zurückzurufen. „Ich…ich habe über dem Yin Problem gebrütet, wie über die letzten Tage auch. Ich war frustriert, das ich nicht vorankam, dass du…“ Hier hielt er rasch inne und räusperte sich in einem Anflug der Beschämung. Es war nicht fair ihm vorzuwerfen, dass dieser stundenlang verschwand, während er über dieser Sache beständig mehr verzweifelte. Etwas das sonst nicht seine Art war, doch hier war es wie ein Würgegriff, der sich immer kräftiger um seine Kehle zu schließen begonnen hatte. Er schien seinen souveränen Touch zu verlieren und es ließ ihn selbstkritisch über sich murren. Was auch immer ihn bewegungsunfähig gehalten hatte, löste sich mit einem Male auf und er seufzte dankbar. Dann spürte er Lan Zhan´s Finger an seinem Pulspunkt des rechten Handgelenkes. Sogleich, drehte er seinen Kopf zu ihm, nun wo er wieder die gewohnte Kontrolle über seinen Körper hatte. Yi Ling weitete seine Augen, als er die sich bereits verfärbten Blutergüsse und Kratzer an diesem erkennen konnte. Ein Schnitt zog sich über dessen rechte Wange, welcher nicht versorgt worden war. Wie auch all die anderen Blessuren. Das getrocknete Blut ein unweigerlicher Kontrast zu Lan Zhan´s ungesund blasser Haut. Auch dessen Gewand war hier und da zerrissen. Rostbraune Flecke zeugten von Verletzungen die sich darunter befinden mussten. Er mochte noch immer nicht ganz wieder bei Sinnen sein, als er eine Hand ausstreckte, um diese an dessen Wange führen zu wollen, doch hielt ein fester, wenn auch nicht grober Griff um sein Handgelenk, ihn davon ab. Es brachte Yi Ling genug zu sich, das er sich etwas peinlich berührt zu fühlen begann, seine Hand zurückzog und man ihm dies auch ohne weiteres gewährte. „Entschuldige.“, meinte er an Lan Zhan gerichtet, dessen eindringlichen Blick er nur zu deutlich auf sich ruhen spürte und er sich in Ablenkung zu dieser Inquisition in eine sitzende Position aufraffte. „Was mach ich in deinem Quartier?“, rutschte es ihn schließlich hervor, als er sich seiner Umgebung gänzlich bewusst geworden war. Und nicht nur simpel in dessen Quartier, nein, auch noch in dessen Bett! „Lan Zhan!“ Die gesamte Situation ließ eine unheilschwanende Unruhe in ihm losbrechen. „Was ist passiert?!“ Ein weiterer, prüfender Blick über Lan Zhan und dessen zerschundene Person und er fühlte sich immer unwohler. „War ich das?“ Yi Ling deutete auf dessen verletzte Wange und fragte sich, warum dieser seine Wunden nicht schon selbst geheilt hatte. Es sollte kein Problem mit seinem derzeitigen Qi Level darstellen. „Ich war unvorsichtig.“, gab ihm dieser als Antwort. Eine Antwort, die ihm gar nichts verriet. Oder zumindest nicht das, was er wissen wollte. „Ah, dann nehme ich an, dass du mich aus einem unlauteren Impuls heraus an dein Bett gebunden hattest? Lan Zhan, Lan Zhan, wir müssen uns wirklich einmal über deine schamlosen Vorlieben unterhalten. Ich fühle mich schon ein wenig benutzt.“ Es war nichts von seiner üblichen, aufziehenden Art in seinen Worten wiederzufinden, das es auch Lan Zhan nicht entgehen sollte, das er unzufrieden mit seiner Verschwiegenheit und somit auch mit ihm war. Es klopfte an der Tür, die sich nach einem monotonen „Mn.“, von Lan Zhan öffnete. Wen Ning schaute zuerst unsicher, doch als sein Blick auf ihn fiel, erhellte sich sein Auftreten rasch. „Meister Wei, ihr seid wach. Wie fühlt ihr euch?“, fragte dieser sofort nach, während er ein- und darauf, zu ihnen herantrat. Lan Zhan erhob sich, und Yi Ling wusste, dass dieser den Moment ausnutzte, um sich aus der Affäre ziehen zu wollen. „Lan xiān shī.“ Wen Ning verbeugte sich unerwartet tief vor diesem. „Vielen Dank, für ihre Hilfe. Wenn ihr irgendetwas benötigt, lasst es mich wissen und ich kümmere mich sofort darum.“ Lan Zhan indes schüttelte nur leicht den Kopf. „Es sollte überstanden sein.“ Damit verließ er den Raum und erst dann richtete sich Wen Ning wieder auf. „Meister Wei. Ich bin wirklich froh, dass es euch wieder besser geht.“ Wen Ning stellte das Tablet, welches er mit sich gebracht hatte, vorsichtig auf seinen Oberschenkeln ab und forderte mit einer etwas schüchternen Handgeste auf, das er essen solle, was sich darauf befand. Dann nahm er den Platz neben dem Bett ein, den Lan Zhan zuvor besetzt hatte. Yi Ling hatte genug Hunger, das er dem auch ohne Zögern folgte, bevor er, zwischen einem Löffel Melonensuppe und einem Happen dòuhuā (Tofupudding), erneut nach einer Antwort fragte, was nun tatsächlich vorgefallen sei. Wen Ning schaute einen Augenblick zwiegespalten, das Yi Ling schon annahm, Lan Zhan hätte ihn zum Schweigen aufgerufen. „Ihr habt…ihr habt die Kontrolle verloren.“, murmelte dieser kaum hörbar, doch verstand Yi Ling ihn dennoch. „Die Kontrolle?“ „Über…über euer yuàn qì (dunkles qi). Ich hab es…es gefühlt, aber es war schon…zu spät.“ „Oh?“ Er konnte nicht anders, als sich überrascht und irritiert zu zeigen. Das letzte Mal, als er die Kontrolle verloren hatte und es nicht einmal bemerkte, war etliche Jahre her und er noch immer im Training gewesen. Baoshan Sanren, sein shī fu (Meister), hätte ihn nie ziehen lassen, hätte er ihr nicht beweisen können, die Kontrolle über sein yuàn qì vollends gemeistert zu haben. Dazu hatte er einen extremen Test nach dem anderen bestehen müssen, die ihn wahrlich an seine Grenzen gebracht hatten. Doch schließlich hatte er irgendwann alle bestanden. Jetzt plötzlich und ohne eine tatsächliche Erinnerung daran, gesagt zu bekommen sein yuàn qì habe ihn überwältigt, ergab für ihn keinen Sinn. Zumal es nicht einmal einen erklärbaren Auslöser dafür zu geben schien. „Wen Ning, erzähl mir genau was passiert ist und lass nichts aus, verstanden?“ Wen Ning nickte gehorsam und begann. Er berichtete davon, dass er sich auf dem Rückweg von seinem täglichen Besuch bei A-Yuan und Wen Qing befand, als ihn dieses unruhige, zerrende Gefühl erfasst hatte. Es sei ein Instinkt gewesen der ihm gesagt habe, dass etwas mit ihm nicht zu stimmen schien und als er das Dorf erreicht hatte, er das deutliche Pulsieren an yuàn qì von seiner Hütte her wahrnehmen konnte. Er hatte dem erstbesten Dorfbewohner der ihn begegnete gesagt, dass er ein Hilfe Signal abgeben solle, um Lan xiān shī zu informieren. Als er dann die Hütte hatte betreten wollen, schlug ihn das yuàn qì vehement zurück, und auch jeder weitere Versuch es zu überwinden scheiterte. Lan Zhan hatte sich schließlich mit Hilfe einer magischen Technik, die sich wie ein Schutzschild um ihn gelegt habe, einen Weg durch die aggressive Energie schlagen können. Ab da, konnte Wen Ning nur erahnen was vorgefallen war. Erst als dieser mit seiner bewusstlosen Gestalt im Arm wieder aus der Hütte aufgetaucht war, konnte er genauer weitererzählen. Das Lan Zhan ihn in sein Quartier gebracht habe und ihn unter diesem Fessel-Bann gelegt hätte, weil er nicht sagen konnte, was genau passiert sei und nichts riskieren wollte, sollte Yi Ling wieder zu sich kommen. Dann habe er zwei Tage und zwei Nächte ununterbrochen eine reinigende Melodie für ihn gespielt, und sich auch nicht verarzten lassen wollen. Auch Essen und Trinken hätte er nicht angerührt, auch nicht als es ihm selbst ansehbar schlechter ging. „Zum Glück, ist Meister Wei wieder aufgewacht.“, meinte Wen Ning und die Erleichterung war ihm auch ehrlich anzusehen. Yi Ling hatte allerdings so viele Fragen in seinem Kopf, die er hier nicht beantwortet bekommen würde. Dazu müsste er zurück in seine Hütte. Aber auch er war nicht so undankbar sich gleich wieder ins Chaos stürzen zu müssen. Das Lan Zhan so mitgenommen und abgespannt aussah, lag am Ende daran, dass dieser sein líng qì dazu verwendet hatte für ihn zu spielen, anstatt sich erst einmal um sich selbst zu kümmern. Yi Ling legte sich mit einem schweren Seufzen zurück in die Lagen. Dieses ganze Rettungs-Projekt war ein einziges Desaster. „Gibt es irgendwelche Neuigkeiten vom See?“, fragte er dennoch nach. „Uhm…Lan…Lan xiān shī hat etwas herausgefunden.“ Yi Ling spitzte die Ohren. „Hat er das?“ Wen Ning nickte. „Er sagte, dass der See von einem unterirdischen Fluss gespeist wird.“ Ein unterirdischer Fluss? Yi Ling zeigte sich sichtlich überrascht. Es war ein Hinweis der womöglich ein paar Dinge klären würde können. „Wie hat er das herausgefunden?“ „Er hat den Wald gefragt. Mit Musik. Meist hätte man ihm nichts sagen können. Doch anscheinend hat sich die Nachricht verbreitet und man konnte ihm antworten.“ Wen Ning wirkte über seine Erzählung unsicher, wie auch kindlich beeindruckt, über das was er ihm gerade mitteilte. „Hm, das klingt nach etwas, das nur Lan Zhan zu Stande bringen würde.“ Doch musste es diesen einiges an líng qì gekostet haben, solch einer Routine über Tage hinweg beizukommen und später dann noch für ihn zu spielen, um seine Albträume im Zaum zu halten. Ihn dann auch noch aus diesem schneidenden Sturm zu zerren und mit unerschütterlichen Einsatz dafür zu sorgen, dass er wieder zu verstand kam. Kein Wunder, das er so zerschlagen aussah. Unter besorgtem Protest von Wen Ning schob er sich aus dem Bett. „Lass uns nach ihm sehn.“ Nun wo er ihn auch noch aus seiner Unterkunft vertrieben zu haben schien, fühlte er sich nur noch mieser ihm gegenüber. Wen Ning legte einen Arm über seine Schulter, um ihn zu stützen und ihn zur Tür zu führen. Ihre Suche war bereits erfolgreich, als sie die kleine Holzterrasse davor betraten. Lan Zhan mochte auf den ersten Blick wirken, als würde er schlicht meditieren. Doch war anstatt der tranceartigen Ausgeglichenheit, die sonst damit einherging, ein leichtes aber anhaltendes Zittern bei ihm auszumachen. Dessen Gesicht aschfarben und klamm von Schweiß. Er zeigte keine offensichtliche Regung darauf, doch war sein Unterkiefer angespannt und seine Augenbrauen, in versuchter Konzentration, verengt. Das unregelmäßige Heben und Senken von dessen Brustkorb, ein weiteres Zeichen, das er mit seinem Zustand zu kämpfen hatte. Dieser hatte sie auch noch nicht wahrgenommen, dass Yi Ling sich von Wen Ning zu diesem führen ließ und vor ihm in die Hocke ging. „Lan Zhan.“, sprach er diesen vorsichtig an, was ihm ein abgehacktes Kopfschütteln einbrachte. „Du solltest deine Kräfte schonen.“, wies jener ihn zurecht, doch anstatt des gewohnt mahnenden Untertons, klang er rau und angestrengt, auch wenn er verbissen versuchte sich zusammenzunehmen. „So wie du, deine Kräfte geschont hast?“ Yi Ling gab ein tadelndes Schnalzen von sich, über dessen verbohrte Art. „Lass uns dir helfen, hm?“ Er legte ihm seine Hand auf eine angespannte Schulter, welche man versuchte eilig wegzudrehen, doch verfestigte Yi Ling seinen Griff schlicht und ließ nicht von ihm ab. „Ich weiß es mag vielleicht nicht deinem Stolz entsprechen, aber ich glaube es schadet auch nicht, mal zu versuchen sich nicht ständig zu pushen. Stattdessen esse einfach etwas. Schlaf dich aus. Ich mach dir auch einen Tee, von Wen Qing´s geheimen Vorrat. Hm?“ Lan Zhan schwieg lange genug, um annehmen zu lassen, dass er ihn und seinen Vorschlag ignorierte. „Lan Zhan, soll ich deinem Bruder etwa berichten, das es dir nicht gut geht? Glaube nicht, das ich nicht einen Weg finden würde mit ihm Kontakt aufzunehmen. Ich bin mir sicher, er würde sich Sorgen um dich machen. Willst du das….“ Weiter kam er nicht mit seiner Erpressung, die in diesem Fall seine Berechtigung fand, wie er meinte. „Genug! Bruder hat wichtigeres zu tun. Belästige ihn nicht…“ „Dann lass es einfach nicht darauf ankommen, oder? Ich meine was kann es schaden, es auf meine Art zu versuchen? Wenn es dir gar nichts bringen sollte, dann lass ich dich gern solange meditieren bis du Moos ansetzt.“ Yi Ling tränkte seine nächsten Worte mit Herausforderung. „Also? Wie entscheidet sich der oh so große Lan xiān shī?“ Ein frustriertes Zischen war zu hören und Yi Ling wähnte sich siegreich. Lan Zhan´s Blick, als er die Augen folglich öffnete, war glasig, sein Bestreben sich ohne Hilfe aufzurichten nicht ungraziös, doch mit deutlich geballten Fäusten und zusammengebissenen Zähnen verbunden. Yi Ling war nach einem Augenrollen zu Mute, über diese starrsinnigen Allüren. Somit nutzte er auch den ersten Schwenker der Lan Zhan´s Voranschreiten erfasste, um an dessen Seite zu huschen und ihm, wie zuvor Wen Ning bei ihm, zu Stützen. „Das ist nicht notwendig.“, murrte man ihm zu, doch war die fehlende Gegenwehr Zeichen genug, das er es nicht darauf ankommen lassen wolle. „Meister Wei?“ Yi Ling schüttelte auf Wen Ning´s besorgten Ton leicht den Kopf. „Ich kümmere mich drum.“, ließ er ihn wissen, wusste er, das Lan Zhan wohl seine Nähe auch nur tolerierte, weil ihm die nötige Kraft fehlte, sich zu sträuben. Zudem war es nicht das erste Mal, dass sie sich in solch einer Position befanden. „Ich hab ihn mir schon zurechtgezähmt. Fremde beißt er gern, wenn sie ihm zu nahe kommen.“, witzelte er mit einem Zwinkern, gefolgt von einem müden aber doch noch merklich genervten Raunen, von dem Mann in seinem Halt. Kapitel 17: ------------ Wangji war bereits seit einiger Zeit munter, doch lag er weiterhin in seinem Bett, fürchtete er Yi Ling´s unausweichliche Aufzieherei, wenn dieser mitbekam, das sein Rat nicht unsinnig gewesen war. Er hatte Bàng Hēi im Fenster sitzen sehen, als er erwachte, wohl um ein Auge auf ihn zu haben. Als diese merkte, dass er zu sich gekommen war, hatte sie sich mit einem leisen Krächzen verabschiedet. Zwar fühlte sich Wangji noch etwas matt, doch schon wesentlich geerdeter, als vor seinem ausgedehnten Schlaf. Sein líng qì hatte sich darüber wieder etwas regenerieren können, das er mit nachfolgender Meditation wieder rasch zu vollen Kräften kommen sollte. Er verstand erneut, wie zerbrechlich ein Körper war, der nicht auf solch einen Speicher zurückfallen konnte. Dass die Menschen trotz dieser Fragilität kämpften, strebten, lebten, erschien ihm mühselig. Doch er bewunderte ihren Antrieb, der nicht in ewigem Leben bestand, sondern darin zu versuchen etwas aus ihrer gegebenen Zeit zu machen, selbst mit dem Wissen über ihre Vergänglichkeit. Es war nicht nur melancholische, seidengewobene Poesie, wie er es zu einer früheren Zeit betrachtet hatte, wann immer er über die Menschen nachdachte. Nein, es war so viel mehr. So viel fassetten- und lehrreicher. Eindrücke die er, zu Haus, so nie hätte sammeln können. Es fühlte sich, trotz all der Unwegsamkeit, ungemein bereichernd an. Es war eine weitere Erfahrung, die er in seine Reiseaufzeichnungen niederschreiben mochte. Etwas stieß dumpf gegen die Tür, gefolgt von einem Fluchen, und Wangji gab ein ergebenes Raunen von sich. Schließlich schob man die Tür mit einem zufriedenen „Ha!“, auf und Yi Ling strahlte in seiner bekannt, albernen Art. Er balancierte ein Tablet in beiden Händen und eine Schriftrolle unter seinem rechten Arm. Seine Frisur war ein einziges Durcheinander und seine Robe noch immer die, in welcher er ihn aus seiner Hütte geholt hatte. Dessen Zungenspitze schaute etwas hervor, als er sich in voller Konzentration, nichts aus dem Geschirr, das er auf dem Tablet trug, zu verschütten und wirkte dabei ungemein Jungenhaft. Er fragte sich nicht zum ersten Mal, wie alt Yi Ling eigentlich war. Doch erachtete er es als eine Angelegenheit, die er nicht von selbst erfragen würde. „Man hat mir gekräht, dass der Herr wieder munter wäre.“ Er stellte das Tablet auf den Kang Tisch neben dem Bett. „Wie geht es dir?“ Das Grinsen, mit dem man Wangji musterte, verriet das Yi Ling nur darauf wartete, das er ihn bestätigte. „Besser.“, gab er knapp zu verstehen, was Yi Ling´s Grinsen etwas sanfter werden ließ und er sich, überraschender Weise, mit einem verstehenden Brummen seinerseits mit dieser Antwort zufrieden gab. Dann reichte er ihm eine der Schalen, in der sich Suppe befand. Der appetitliche Geruch von Frühlingszwiebeln und geräuchertem Tofu stieg davon aus und er nickte dankend, als er sie annahm. „Und weil Lan Zhan so brav war.“ Wangji konnte verfolgen, wie Yi Ling aus einer kleinen Teekanne etwas in eine der dazugehörigen Schalen goss. „Qing-jiě hatte ihn gut versteckt, aber Wen Ning hat mir geholfen.“ Wangji fragte sich ob „geholfen“ in diesem Fall beinhaltete, das er Wen Ning mit irgendeiner Unsinnigkeit davon überzeugt hatte, es ihm zu verraten. Oder Wen Ning schlicht nicht riskieren wollte, das Yi Ling die Hütte seiner Schwester komplett auf den Kopf stellte. „Das wäre nicht nötig gewesen. Ich möchte nicht den Grund für Streitigkeiten darstellen.“ Yi Ling tat seine Einwände mit einer Handbewegung ab. „Ich bin mir sicher sie hat nichts dagegen, wenn es für einen guten Zweck ist.“ Besagter Tee hatte ein würziges Bukett, wie seine kräftige, Morgenrot-Farbe schon erahnen ließ, war aber dennoch nicht zu überwältigend. Eher hatte er etwas von einem tiefen Atemzug an einem sonnigen Herbsttag, mit all seinen angenehm warmen Aromen. „Danke.“, fand er, das er sich erkenntlich zeigen sollte, auch wenn er dies nachträglich an Wen Qing richten würde. „Sehe es als einen Akt unter Freunden.“ Yi Ling zwinkerte ihm zu, gepaart mit diesen Gesichtsausdruck, den er immer zeigte, wenn er meinte etwas besonders selbstloses von sich gegeben zu haben. Wangji nippte an seinem Tee, ohne darauf einzugehen. Freunde. Er fühlte sich ungeschickt, solch einen Gedanken tatsächlich in Betracht zu ziehen. Es dauerte noch einen halben Tag, bis er sich wieder vollends erholt fühlte und Yi Ling keine Zeit verschwendete, ihn dazu zu bringen die Hände ergeben in den Himmel zu heben. Dessen Leichtsinn schien unerschöpflich. „Ach, nun schau nicht so kritisch, als trautest du mir kein Stück Verstand zu. Ich habe ausreichende Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Und tada! Alles ging gut.“ Es machte ebenso wenig Sinn etwas dazu zu sagen, war geschehen was geschehen war. Das Zähmen eines zhūhuái (menschenfressende Bestie, in Gestalt eines Wildschweines), schien nicht umständlicher, als Yi Ling davon abzuhalten irgendeiner Dummheit nachzugehen. „Was hast du herausgefunden?“, fragte er stattdessen und ließ die Tatsache das Yi Ling, während er ruhte, seine Hütte inspiziert hatte, ohne zu wissen, was dort mit ihm geschehen war, am Rande stehen. „Ah, gut das du fragst.“ Dieser fläzte sich neben ihn, hatte er bei dessen Ankunft auf den wenigen Stufen gesessen, die zur Terrasse seiner Unterkunft führten. „Mir ist wohl eine Unachtsamkeit unterlaufen, während ich nach einer Lösung für den See suchte.“ Man hörte die Selbstverurteilung in seinen Worten mitschwingen. „Du hattest Recht, das ich besser auf mich hätte Acht geben sollen, bot mein angeschlagener Zustand die Möglichkeit mich angreifbar zu machen. Ich war so vertieft und verbissen darin, endlich etwas vorweißen zu können. Dieser Kontrollverlust. Es sieht so aus, als wäre ich zwischen die Fronten geraten, was mein yuàn qì und dieses Gift aus dem See anbelangt. Wenn ich es richtig deute, ist diese unbekannte Essenz an ein bestimmtes Level an Yin-Energie gebunden, damit sie sich richtig entfalten kann. Nun war es ihr, mit den Lebewesen die es im See gab, nur nicht wirklich möglich. Mein anhaltender Kontakt mit dieser unbestimmten Energie, hat ihr Potenzial wohl aufwerten können, ohne dass ich es wahrnahm, über all den Stress den ich mir auflud. Das Ende war, dass mein yuàn qì versucht hatte, seinen Wirt gegen diesen zu groß gewordenen Einfluss, der es darauf abgesehen hatte sich ebenso in mir einnisten zu wollen, wie ein tollwütiges Biest zu verteidigen.“ Yi Ling seufzte langgezogen. „Ich hätte vorsichtiger sein sollen, ohne Frage, doch…“ Dessen Augen nahmen ein Funkeln an, als habe er einen Geniestreich überführt, über seine nächsten Worte. „Es brachte mich dennoch zu ein paar neuen Erkenntnissen, die es sofort auszutesten galt. Nein warte, lass mich ausreden…“ Man hatte beschwichtigend die Hände gehoben, als sich seine Augen über diese Information kritisch verengten. „Ich habe diese Essenz unterschätzt, weil ich mich zu sehr darauf versteifte, sie als einen unverständlichen Teil der Yin-Energie zu sehen. Nicht aber, dass das Yin, ein Teil von ihr sein könnte.“ Es klang nach einer Erkenntnis die Gewicht hatte, doch brachte dies Wangji nicht dazu sich besänftigt zu fühlen über die Aussicht, das Yi Ling sich kurz nach diesem Vorfall, schon wieder in unbekannte Risiken gestürzt hatte, um zu jener Erkenntnis kommen zu können, und er raunte etwas missfällig darüber. „Warte, warte…wie wir wissen entsteht yuàn qì bei rastlosen Seelen, was dazu führen kann, das sie als yāo wiedererscheinen. Oder aber auch, das sich besonders giftiges Yin-Qi einen Wirt sucht, um sich verbreiten zu können. Wie es mit dem See geschehen ist.“ Yi Ling lehnte sich auf seine Ellenbogen gestützt auf den Stufen zurück. „Der unterirdische Fluss; Wen Ning erzählte mir davon. Das dieses manipulierte Yin höchstwahrscheinlich darüber in den See gelangte.“ Yi Ling lächelte ihn nun mit so etwas wie Stolz entgegen. „Gute Arbeit, Lan xiān shī. Ich schäme mich auch nur einen verschleierten Moment gedacht zu haben, dass dir das Wohl des Berges gleich wäre. Nehmt meine demütige Entschuldigung bitte an.“ Dieser sprang von den Stufen, vor die Treppe und verbeugte sich darauf tief. Wangji war etwas überfordert mit dessen Worten, gab aber dennoch ein ehrliches „Mn.“, von sich. „Meine Hilfsbereitschaft ist meine eigene Entscheidung. Tadel dich nicht für die Annahme, sie vorausgesetzt zu haben.“, fügte er an, das ihn Yi Ling darauf mit einem Blick anschaute, den er nicht zu deuten vermochte. „Sie sind wirklich nicht von dieser Welt, Lan xiān shī.“, meinte dieser in einem ehrerbietigen Ton und richtete sich schließlich wieder auf. „Ich wäre aber trotzdem noch einmal auf besagte Hilfsbereitschaft angewiesen.“, ließ er ihn wissen und zeigte sich etwas verstohlen wirkend. „Um was handelt es sich?“ „Ein kleines Experiment. Aber keine Sorge, alles mit der strengsten Sicherheit bedacht. Ehrenwort!“ Er hielt drei seiner Finger der rechten Hand nach oben um dies zu unterstreichen. Wangji seufzte innerlich ergeben und nickte lediglich stumm, als Antwort. Sie fanden sich vor Yi Ling´s Hütte wieder. Es war nichts mehr von der aufgewühlten Energie wahrzunehmen und er der Sache soweit vertraute, dass er diesem hineinfolgte. Es hatte sich nicht viel getan, was das, durch Yi Ling´s Ausbruch verursachte Chaos anbelangte Nur dessen Arbeitstisch war wieder an seinem Platz, und mit diversen Papieren übersät. „ Also, wo waren wir…“, murmelte dieser und schaute sich etwas suchend um. „Ah.“ Yi Ling griff nach etwas, das er als das versiegelte Behältnis wiedererkannte, welches ihm hier zuvor schon aufgefallen war. Dass er es in der Hand hielt ließ annehmen, dass das Siegel entweder verändert oder erneuert wurde. „Was hat es damit auf sich.“ Denn egal was sich darin befinden mochte, die Tatsache, dass es ein Siegel benötigte, hieß sicherlich, dass dem Inhalt eine gewisse Kraft innewohnte. Und er wollte gern darauf vorbereitet sein, wenn es denn möglich wäre. „Das hier?.“ Yi Ling schüttelte es in seinen Fingern etwas hin und her. „Ich glaube du wirst die Antwort nicht unbedingt mögen.“, fügte er mit einem dieser Grinsen an, die verrieten, dass er sich wahrscheinlich auch hier etwas unnötig, waghalsiges geleistet hatte. „Wenn ich es dir verrate, versprich mir besonnen zu bleiben, okay? Es ist alles im Namen der Wissenschaft passiert.“ Wangji behielt sich das ergebene Kopfschütteln vor. Was sollte er auch von jemanden wie Yi Ling erwarten? „In Ordnung.“, gab er ihm an, sich weiter zu erklären. „Gut. Als wir damals die Mutter von Kleiner Apfel entdeckten und herausfanden, was sie angefallen haben musste. Uhm, ich hab mir eine Probe davon mitgenommen.“ Der Blick den er darauf auf Yi Ling gerichtet hielt, schien zu seiner Genugtuung zu verdeutlichen, was er davon hielt, war dieser nun etwas von ihm weggerutscht und hielt abermals seine Handflächen beschwichtigend in seine Richtung. „Nur eine winzige, ich schwöre. Und mit allen notwendigen Versiegelungen.“ „Was spielt sie für eine Rolle?“ Über all die Zeit, in der er Yi Ling´s Hütte aufgesucht hatte, hatte er nichts von dieser besonderen Yin Energie wahrnehmen können, was heißen musste, das das Siegel einwandfrei funktioniert hatte. Oder, und wie er es auch eigentlich annahm, dass das fremdartige Yin durch den Einfluss von Yi Ling gänzlich eliminiert worden war. „Nun, als ich es zuvor untersuchte, habe ich nicht wirklich etwas herausfinden können. Ich nahm an es neutralisiert zu haben, wissen wir beide ja, das es sich mit meinem yuàn qì nicht verträgt. Somit ließ ich es erst einmal bei Seite. Am Ende war es gut, dass ich es nicht ohne Versiegelung gelassen habe, denn wie sich nun herausgestellt hat, hat es sich regeneriert. Ich vermute durch den hohen Anteil an Yin, der sich über die letzten Tage, über meine Nachforschungen, hier in der Luft ansammelte.“ Dieser zeichnete mit Kohle einen magischen Zirkel auf den hölzernen Boden der Hütte und stellte das Gefäß im Zentrum ab. Dann trat er selbst wieder heraus und mit einem kurzen Fingerzeig löste er die Versiegelung davon. Es passierte… nichts, darauf. Yi Ling holte einen abgedeckten Korb heran, den ebenso etwas Magie umspannte. Etwas irritiert konnte Wangji verfolgen, wie dieser nun einen der entstellten Fische aus dem See hervorzog, und er diesen in das Siegel warf. Der Fisch klatschte nicht, wie anzunehmen gewesen wäre, zu Boden sondern wurde von etwas aufgefangen. Was es auch sein mochte, brachte den Fischleib zum Zucken, als wäre er noch lebendig, doch konnten sie beobachten wie dieser nach und nach in sich zusammenfiel, als würde er vertrocknen. Die Überreste krümelten schließlich zu Boden, das Wangji einen fragenden Blick zu Yi Ling schickte. „Über meine Suche, nach einer Problemlösung für den See, habe ich keine Gedanken daran verschwendet diese Probe aus der Höhle mit einzubeziehen. Und womöglich hätte ich sie auch weiterhin nicht als relevant erachtet, wäre nicht dieses unschöne Debakel hier passiert. Meine Theorie ist, das sich dieses manipulierte Yin, schwächeres Yin zu Eigen macht, jedoch nicht von selbst stärker werden kann. Wie mit dem Lebewesen im See. Ein winziger Fisch, wird nicht zu einem riesigen Monster, wenn es davon infiziert wurde. Er verändert sich zwar darunter, aber die Kraft des veränderten Yin, wird dennoch nicht stärker. Es sitzt quasi in dem schwachen, eingenommenen Körper fest. Aber je größer und kräftiger der Wirt, umso potenter auch der Einfluss darauf. Aber um vorranzukommen braucht es diese Trittsteine. Würde es den Sonnenbrüter tatsächlich überwältigen können, wird daraus womöglich ein Monster ungeahnten Terrors. Und es ist dasselbe Yin, wie das was auch die Mutter von kleiner Apfel erwischt hatte. Warum sie jedoch so verendete, kann ich nicht erklären. Womöglich hat es etwas mit der líng qì Potenz, des Opfers zu tun. Deswegen brauche ich auch deine Hilfe, da niemand hier mehr spirituelle Energie in sich trägt, als der große Lan xiān shī.“ Wangji verstand auf was Yi Ling hinauswollte und es war erstaunlich, das er in solch kurzer Zeit und mit nur einem unerwarteten Anstoß, dies alles in Betracht gezogen hatte. „Was soll ich tun?“, erkundigte er sich folglich nur, war auch er interessiert, was sich womöglich noch offenbaren ließe. „Allerdings bleibt weiterhin offen, was zu dieser merkwürdigen Flut der Yin-Qi Fragmente im See geführt hat. Doch ich schätze die Antwort befindet sich Flussaufwärts.“ Es klang zuerst, als habe Yi Ling diese Worte eher an sich selbst gerichtet, doch schaute er dann wieder zu Wangji und schmunzelte in einer aufziehenden Manier. Wangji konnte mit dem leichten, freundschaftlichen Stoß, den Yi Ling mit seiner eigenen Schulter gegen die seine machte nichts anfangen und zog nur etwas seine Augenbrauen zusammen. „Ich muss sagen, dafür dass du mir so in den Ohren gelegen hast, dass ich mich nicht ausbrennen soll, hast du gute Arbeit geleistet, es für dich selbst zu ignorieren.“ Es folgte ein Schulterklopfen. „Ich weiß es jedoch wirklich zu schätzen, dass jemand wie Lan Zhan mir beisteht.“ Die Hand blieb einen Moment länger als notwendig erschien auf seiner Schulter liegen, bevor sie zurückgezogen wurde. Befremdlich unbeholfen unter diesen, diesmal so ehrlich wirkenden Gesten und Worten, brauchte er einen Augenblick zu lang, um Yi Ling zu antworten, was dieser sofort ausnutzte. „Aw, Lan Zhan. Kann es sein, das ich dein Herz bewegt habe und du deswegen sprachlos bist?“ Dieser lachte laut und unbefangen. „Ah, schön wär´s. Aber ich weiß ja, das du kein großer Redner bist und solche sentimentalen Emotionen wohl keinen Weg durch deine Jade Rüstung finden.“ Dieser sprang nun wieder auf und streckte sich ausgiebig und mit einem beherzten Raunen. „Dann mal zurück an die Arbeit.“ Mit zurück an die Arbeit meinte Yi Ling vorerst, die Materie die sich noch immer im Bannkreis befand, weiter zu…füttern. Denn es war so gesehen nichts anderes. Yi Ling hatte erklärt, dass er die Materie kräftigen wolle für sein Experiment. Durch das manipulierte Yin, das, den infizierten Tieren im See anhaftete, konnte es problemlos weiter wachsen. Wangji verfolgte dies mit einem unwohlen Gefühl, doch hatte ihm Yi Ling versichert, das er wisse was er tue. Es war nicht unbedingt eine Erleichterung und auch wenn er versuchte sich nichts anmerken zu lassen, so schien Yi Ling es ihm dennoch anzusehen oder zu erahnen. „Lan Zhan, ich verspreche dir, das ich dich nicht zu Schaden kommen lassen werde.“ Er schaute souverän auf seine Worte. Dann grinste er jedoch wieder etwas. „Auch wenn ich zugeben muss, dass ich Häschen-Lan Zhan schon etwas vermisse. Du warst wirklich zu putzig.“ Yi Ling hatte die Nerven noch entzückt zu seufzen. „Was genau ist deine Absicht mit diesem veränderten Yin?“ Yi Ling schob den Korb zur Seite, wohl weil er dessen Inhalt aufgebraucht hatte und wirkte nachdenklich, als er zusah, wie die Materie sich die letzte Gabe einverleibte. Wo man zuerst nichts von ihr hatte mit den bloßen Augen sehen können, war sie nun ein nebelhaftes Schwarz das in bestimmten Schwaden ein rotes Schimmern zeigte. „Ich denke, wir können es versuchen.“, erwiderte er als Antwort auf seine Frage und Wangji drängte nicht auf eine deutlichere Erklärung, nahm er an, das er nun eh sehen würde, was Yi Ling geplant hatte. „Lass einfach dein líng qì in den Bannkreis. Am besten einen beständigen, aber nicht allzu starken Strom.“, wies dieser ihn an, und nach einem prüfenden Blick zu ihm und dessen bestätigendem Nicken, tat er wie ihm geheißen. „Weißt du, es gibt da eine Sache die mich wundert.“, fuhr Yi Ling fort und schritt um das Siegel herum, ohne seine Aufmerksamkeit von der Materie darin zu nehmen. Diese nahm sein líng qì ebenso gierig auf, wie zuvor das Yin. Wangji folgte Yi Ling mit den Augen. “Wir wissen das yāoguài, und mó, nach spiritueller Energie jagen, um mehr Macht und Unsterblichkeit zu erlangen. Das war es auch was ich annahm, als wir uns dem ersten dieser Monster annahmen. Es war der logischste Verlauf. Doch nun wo ich weiß, wie hoch dein tatsächliches líng qì Potenzial, selbst nur auf halber Kraft ist, fragte ich mich, wo diese immense Energie geblieben war. Dieser Rest der dich erwischte; auch wenn er sich mit deinem líng qì schlicht übernommen haben sollte, warum gab es keine Rückstände deiner spirituellen Energie? Oder, warum konnte es sich diese am Ende nicht zu Nutze machen?“ Wangji konnte dazu nicht viel ergänzen, war alles was er von jenem Zeitpunkt noch aufrufen konnte, das dieser unscheinbare Rest Materie ohne weiteres im Stande gewesen war, ihn von einem Moment auf den anderen, seiner Kraft zu berauben. Er hatte noch nichts Vergleichbares erleben müssen. Auch im Nachhinein, konnte er keine Schrift oder Überlieferung irgendeiner Art in seinem Kopf abrufen, die über solch eine Kraft berichtete. Er schaute wieder auf die Materie und ihren unbändigen Hunger auf Energie, doch wuchs es trotz allem nicht weiter, wie durch das zugefütterte Yin. „Seltsam, nicht wahr?“, schien Yi Ling seine Gedanken lesen zu können. „Es verändert sich nicht. Es wird weder stärker noch schwächer. Lan Zhan, steigere die Intensität deines Qi soweit, bis ich stopp sage.“ Wangji konnte sich ein hörbares, tiefes Durchatmen nicht verbieten, über solch eine waghalsige Aufforderung, worauf er Yi Ling´s Hand wieder auf seiner Schulter spürte und er ihn nicht einmal ansehen musste, um das nötige Vertrauen in sich zu finden. „Stopp.“ Yi Ling hatte seine Hand die gesamte Zeit über auf seiner Schulter belassen und es fühlte sich, wie die Menschen es gern beschrieben, wie eine kleine Ewigkeit an, bis dieser einwendete. Wangji war über ihren Versuch nun ebenso eine Erkenntnis gekommen, die er simpel aussprach. „Es absorbiert nicht, es neutralisiert.“ Yi Lings Hand klopfte seine Schulter. „So meine Vermutung, die sich dank dir nun auch bestätigen ließ.“ Er klang noch immer ernst und Wangji konnte es ihm nicht verdenken. „Uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Der Sonnenbrüter bleibt so oder so, das Opfer dieser Materie und somit auch der Berg.“ Yi Ling hatte Recht. Zudem wäre angebracht seinem Bruder über diese Enddeckung Bericht zu erstatten. Es könnte auch für die ihren zu einem Problem werden, wenn sie es ignorierten. Doch dazu müsste er zurück in die Wolkenschlucht. Es würde einige Zeit in Anspruch nehmen sie zu erreichen, wollte er solch eine Angelegenheit nicht über einen Boten mitteilen. Es würde sicherlich Fragen zu dieser Sache geben, auf die er persönlich Antwort geben wollte. Aber er hatte genauso wenig vor, dem Dorf und seinem vorherrschenden Problem, den Rücken zuzukehren. Noch gab es keine Lösung und auch ihm war bewusst, dass die Geduld der Waldseelen sich früher oder später erschöpft zeigen würde. Aber nun hatten sie wenigstens schon einmal einen Hinweis, wenn auch noch immer keine direkte Lösung. Etwas anderes als Zuversicht, würde sie allerdings nicht weiterbringen und so behielt Wangji diese weiterhin bei. Es war am übernächsten Tag, oder bessergesagt der frühe Morgen dieses Tages, als Yi Ling einen Plan entwickelt hatte. Er lachte etwas aberwitzig über seine Notizen und Aufzeichnungen. Es war ein Plan. Ein Plan mehr, als sie gestern noch hatten, doch es war immer noch die Umsetzung die die größte Herausforderung darstellte. Sie brauchten etwas das das Wasser von dem manipulierten Yin-Qi säuberte und dann ebenso verhinderte, dass weiteres nachfolgte. Sie konnten schwer den Zustrom des unterirdischen Flusses lahmlegen. Es würde am Ende erfordern den halben See aufzuschütten, laut den Informationen die Lan Zhan zugetragen worden waren. Etwas das ihre Arbeitskräfte nicht hergeben würden, selbst wenn hier hundertmal mehr Menschen lebten. Sie müssten den Berg an einer Stelle abtragen, um überhaupt das notwendige Material dafür aufzubringen. Also blieb nur der Weg der Magie. Aber auch auf dem, sah es nicht weniger herausfordernd aus. Über diese Aussichten, ließ er sich auf den Rücken fallen und schloss nachdenklich seine Augen, während er seine Arme hinter dem Kopf verschränkte. Das Hauptproblem war das Maß an Qi, das er dafür benötigte. Yi Ling seufzte müde. Sein Plan war ebenso nicht ohne Risiken. Etwas worüber er Lan Zhans ernste Stimme, schon in den Ohren hatte. Er atmete langgezogen durch. Wenn sie kein líng qì würden nutzen können…dann müsste er es mit yuàn qì versuchen. Bis jetzt hatte er noch nie ausgetestet, solch eine gewaltige Menge davon kontrollieren zu wollen. Und nur mit Chenqing würde er dies auch nicht schaffen. Er bräuchte so etwas wie einen Speicher. Einen Verteiler, der dafür sorgte das kontrollierte Energiemengen dorthin flossen, wo sie hin sollten und das sie auch dort blieben. Es wäre mehr als kontraproduktiv, wenn sein eingesetztes yuàn qì am Ende das veränderte Yin zwar auflösen könnte, nur um dann selbst dessen Platz einzunehmen. Er legte eine Handfläche direkt auf den Boden auf dem er lag und ließ einen Energieimpuls über das Holz fließen, bis es das Siegel erfasste, welches er über einen versteckten Hohlraum darunter angelegt hatte. Dort bewahrte er diverse Aufzeichnungen auf, die nicht für andere Augen und Köpfe gedacht waren. Und sollte das Siegel aus irgendeinen Grund doch einmal brechen, dann würde dennoch niemand seine Schriften öffnen können, hatte er sie mit einer Blutsignatur und einem Talisman-Schlüssel versehen. Sollte er irgendwann sein Leben lassen, würden sich seine Aufzeichnungen selbstzerstören, sodass er sicher gehen konnte, dass sie auch nach seinem Dahinscheiden, nicht in falsche Hände gerieten. Vielleicht war er auch etwas paranoid was dies betraf, doch er wusste das man nicht vorsichtig genug sein konnte, mit dieser Art von Wissen. Wissen das er sich über die Jahre seiner Wanderschaft angeeignet hatte, um seine unstete Kenntnis, über das was er bereits wusste, zu festigen. Sich yuàn qì als eine eigene Form zu Nutze zu machen. Und wer wäre dafür besser geeignet, als jemand dessen halbe Existenz davon besessen war? Das Yīn Hǔ Fú (Stygian Tiger Seal) war bis jetzt nur Gedankengut auf Pergament, aber er hatte es über die Jahre immer wieder verbessert und geschliffen. Einzigartig werden lassen. Ein Objekt, das die Bürde seines verfluchten Lebens, nach all der Zeit, in der er sein Entkommen aus den Grabhügeln, als einen makabren Weg des Schicksals angesehen hatte, geformt, und das Macht gewähren konnte etwas auszurichten, wo es keine anderen Optionen mehr gab. Und genau in solch einer Lage befanden sie sich nun. Yi Ling trommelte mit den Fingerspitzen einen gedankenverlorenen Rhythmus auf die rauen, hölzernen Dielen. Er war nicht naiv genug anzunehmen, dass die Waldseelen seine Methode gutheißen würden, doch am Ende müssten sie sich die Frage stellen, ob in diesem Fall ein gewagtes Risiko, das Erfolg versprechen könnte, nicht besser sei, als gar nichts gewagt zu haben. Ah, Lan Zhan wäre so aufgebracht, würde er davon erfahren, wie er gedachte die Situation zu meistern. Was ihn zu einem anderen Gedankengang brachte, den er in den letzten Tagen, in den unruhigen Momenten nachgegangen war, wenn er trotz aller Müdigkeit nicht einschlafen konnte. Lan Zhan hatte es bis jetzt nicht angesprochen, und er glaubte, dass es daran liegen mochte, dass er sich an dieses unheilvolle Problem von Xīzhào Shùlín gebunden sah. Er kannte ihn nun schon so weit, dass er behaupten würde, dass es dessen Edelmut und fast schon unschuldige Moral war, die ihn hier hielten. Das er deswegen überging, das seine Schuldigkeit, die ihn dazu gebracht hatte ihm in erster Linie zu folgen, erfüllt worden war. Dessen tiefreichende Rechtschaffenheit wäre für sein Vorhaben nun allerdings im Weg. Das Lan Zhan gegen die Kultivierung dämonischer Energie war, hatte er nie verheimlicht. Doch lief ihnen die Zeit davon. Es bestärkte ihn nur noch mehr darin, dass er schließlich mit ihm reden sollte. Kapitel 18: ------------ Yi Ling würde es nicht unbedingt als ein Ritual bezeichnen, von Lan Zhan geweckt zu werden, aber da er neben Wen Ning der einzige war, bei dem er nicht fürchten musste ihn in einer Phase der geistigen Desorientierung Schaden zuzufügen, hatte dieser es sich angeeignet, eben genau das zu tun. Es war für Yi Ling ebenso nicht ungewöhnlich, dass er selten seinen Weg ins Bett fand und schlicht dort einschlief, wo er zuletzt zugebracht hatte. In letzter Zeit, war dieser Platz, über seinen Notizen. Mit einem müden Brummen rieb sich Yi Ling die Augen und setzte sich auf, wo er seinen Kopf sofort auf die Hand seines rechten Armes legte, den er auf dem Kang Tisch abgestützt hielt. Er roch das herbe Aroma von rotem Tee, und scharf gewürztem Hirse Porridge. Zunächst stand Lan Zhan mit seinem Tablett, auf dem sich sein Frühstück befand, weiterhin nur neben dem Tisch, bis Yi Ling verstand und rasch das Chaos darauf etwas zur Seite schob, damit dieser es abstellen konnte. Dann setzte sich dieser ihm gegenüber und Yi Ling überkam eine ungewollte Melancholie bei dem Gedanken, dass es das letzte Mal sein könnte, das sie hier oder auch irgendwo anders zusammen saßen. Es war ernüchternd, wie sehr er sich doch schon an die Präsens des anderen gewöhnt hatte. „Yi Ling…“ „Lan Zhan…“, kam es zur selben Zeit über ihre Lippen, das ein kurzer Moment des schweigenden Anschauens verstrich. Lan Zhan´s Aufmerksamkeit legte sich auf das oberste, der schlampig zusammengeschobenen Blätter auf dem Tisch, doch war Yi Ling mit seinem Porridge beschäftigt, um dem mehr beizumessen, als das er seine Unordnung nicht gut hieß. „Du hast einen Weg gefunden?“ Yi Ling´s Augenbrauen rutschten in Erkenntnis über dessen Worte nach oben. Er zog das verräterische Papier eilig zu sich und versuchte es mit gespielter Nonchalance. „Ah, Lan Zhan, spionieren gehört sich nicht. Es ist nur eine Idee, noch nicht ausgereift.“ Dieser sagte nichts zu seiner Reaktion, oder zu dem was er hatte überfliegen können, doch gab es Yi Ling keineswegs das Gefühl, dass er die Kurve noch einmal gekriegt hätte. Und um weiter davon abzulenken, setzte er fort das vorzubringen, was er vorhin gedacht hatte endlich anzusprechen. „Was ich eigentlich sagen wollte.“ Er räusperte sich unnötig und zog etwas unter den Zetteln hervor, das er diesem schließlich zuschob. „Dein Pass für den Heimweg. Oder wohin auch immer du gehen willst.“, erklärte er ihm auf dessen fragenden Blick, über den dargebotenen Talisman. „Ein Transport Talisman. Er wird dich an jeden Ort bringen, solange du schon einmal dort gewesen bist, und dich an einen bestimmten Punkt erinnern kannst.“, fuhr er über dessen prüfende Mine weiter fort, doch zeigte sich auch dann keine aussagekräftige Regung in dessen Gesicht. „Warum?“, war alles was dieser darauf von sich gab und Yi Ling grinste hoffentlich überzeugend genug. „Weil dein Soll erfüllt ist, oder nicht? Du hast mir zwei Mal aus einer Situation geholfen, die mein Leben in Gefahr brachte und damit ist deine Schuldigkeit getan. Nichts bindet dich mehr an mich.“ Er goss sich etwas Tee in eine Schale, fiel es ihm etwas schwer Lan Zhan´s Blick weiterhin zu erwidern. Dieser schwieg erneut und es machte es Yi Ling nur schwieriger seine Unruhe zu überspielen, das er das tat was er immer tat, wenn er nicht so recht weiter wusste. Er redete drauf los. „Sag nicht, dass du nicht mitgezählt hättest.“ Er lachte etwas auf. „Wer weiß was passiert wäre, hättest du mich, bei diesen Angriffen im Wald, nicht rechtzeitig finden können. Und die Sache mit dem veränderten Yin. Hätte der große Lan xiān shī nicht eingegriffen, hätte es womöglich nicht nur für mich unangenehm enden können. Also sehe es als einen verdienten Gewinn an, hm? Niemand wird dich aufhalten, wenn du deine Reise wieder aufnimmst. Letztendlich ist es nicht deine Aufgabe, das Problem mit dem See zu lösen. Du kannst eh nicht viel tun, also…“ Der letzte Hinweis, war unfair, das wusste Yi Ling, aber so lange es seinem Zweck dienlich sein würde, Lan Zhan wieder auf den Weg zu schicken. Dessen Augen verengten sich in einer Geste des Zweifelns. „Und du kannst mehr ausrichten?“ Es war eine nicht unbegründete Frage, doch grinste Yi Ling stur weiter durch seinen Plot. „Ich bin ein unterschätztes Genie. Ich bin mir sicher, eine Lösung liefern zu können. Aber wie schon gesagt, hat dies nichts mehr mit dir zu tun. Somit trennen sich unsere Wege hiermit wieder.“ Er schob ihm den Talisman noch etwas nachdrücklicher entgegen. „Unsere kleine, gemeinsame Reise war unterhaltsam, aber ich gebe auch zu, dass mir das Alleinsein besser bekommt. Niemand der einem ständig den Spaß madig macht.“ Lan Zhan musste nicht wissen, dass er durch dessen Begleitung so viel mehr Unterhaltung gehabt hatte. Ihm ungewohnt das Herz etwas eifriger schlug, jemanden an seiner Seite zu haben, der es mit ihm aufnehmen, der mit ihm mithalten konnte. Aber dies waren nichts weiter als unangebrachte Sentimentalitäten. Nichts davon war von Nutzen, bei dem was er geplant hatte. Sollte er das ganze tatsächlich richten können und es überleben, würde er sich schnell wieder an sein altes Muster gewöhnen. Kein Grund etwas nachzuhängen, das früher oder später eh in einer Trennung ihrer Welten und Leben enden würde. „Ich werde den anderen sagen, dass dich eine familiäre Situation hat gehen lassen, wenn du dich nicht extra von ihnen verabschieden willst. Und keine Sorge, ich werde kein schlechtes Licht auf dich fallen lassen, wenn es das ist, was du befürchtest.“ Das Lächeln hing wie festgesetzt in seinem Gesicht, in der Hoffnung, dass es die nötige Ungerührtheit vermittelte, die dieser Abschied von seiner Seite her vermitteln sollte. „Ich werde gehen.“ Nur diese drei Worte und sein Lächeln schwankte einen kurzen, hoffentlich unbemerkten, Moment, eingefasst von einem unangenehmen Stechen in seiner Brust, das er schnell dabei war es zu kaschieren, während sich Lan Zhan aufrichtete und den Talisman aufgriff. „Tu das.“ Yi Ling blieb sitzen, lümmelte sich sogar noch etwas zur Seite, in versuchter Gleichgültigkeit zu diesem Abschied. Lan Zhan schaute noch einen inquirierenden Augenblick auf ihn, bevor er sich umwandte, die Tür anstrebte. „Tue nichts Unüberlegtes.“ Mit dieser letzten Ermahnung, war er schließlich aus der Hütte und somit auch aus Yi Ling´s Leben verschwunden. Nicht einmal ein Wort des Abschiedes war gefallen und er fühlte sich beklemmend abgehakt. Aber es war auch besser so. Er war nie ein Freund von sentimentalen Gerede und Gesten gewesen und Lan Zhan sicherlich heil froh, endlich wieder seine Freiheit zurück zu haben. So, wie auch er froh darüber sein sollte. Froh darüber, wie einfach sich dieser hatte überzeugen lassen, zu gehen. * Er hätte es ahnen sollen, das Yi Ling versuchen würde, die Bürde des Berges allein tragen zu wollen. Es hatte ihn sogar schon etwas verwundert, dass dieser ihn so lange hatte mitwirken lassen. Doch deutete er dessen Worte, das sich ihre Wege genau jetzt trennen sollten, mit einer Ahnung, dass dieser etwas vor hatte, von dem er nicht wollte das ein Außenseiter wie er, mit hineingezogen wurde. Zweifelsohne etwas Gefährliches. Und so wie er ihn über die letzten Monate hatte kennenlernen können, war er sich ebenso sicher, dass dieser sich nicht umstimmen ließe, in seinem märtyrerischen Vorhaben. Egal, wie viel Hilfe man ihm auch anbieten mochte. Also hatte er nichts weiter gesagt. Ihm war, im Bezug auf die Materie, etwas eingekommen, als er eingehender über den Vorfall nachdachte, die Yi Ling zwischen die Fronten der zwei Yin-Energien gebracht hatte. Das Yin das er hatte zurücktreiben müssen, um ihn aus dessen Hütte holen zu können. Es war nicht das von Yi Ling gewesen, das nach ihm ausschlug. Er kannte dessen ganz bestimmte Yin Signatur, doch nahm er damals an, dass er sich in dieser Annahme wohl überschätzt hatte. Nun, wo er wusste, dass es zwei verschiedene Energien waren, erklärte sich auch, warum es sich zu jener Zeit so seltsam befremdlich anfühlte. Doch war die Frage, warum es ihm dennoch möglich gewesen war Yi Ling dort herauszuholen, ohne selbst Schaden genommen zu haben? Nach reichlicher Überlegung, hatte sich eine Vermutung dazu aufgebaut. Eine Theorie, die er eigentlich zusammen mit Yi Ling hatte testen wollen. Doch nun musste er es wohl allein in die Hand nehmen, weswegen ihn seine nächsten Schritte zum See führten. Er brauchte etwas von dem veränderten Yin für seinen Versuch. Er traf auf seinem Weg auf Wen Ning, der sich vor ihm immer etwas zu tief verbeugte, bevor dieser ihn fragend ansah, doch nicht den rechten Mut aufbringen konnte, ihn auch anzusprechen. Wen Ning war die ungewöhnlichste Xiōng shī die ihm je begegnet war und es erinnerte ihn daran, dass er noch immer nicht wusste, wie dieser dazu hatte werden können. „Wēn Qiónglín. Wie ist die Situation am See?“ Unter seinem üblichen Stottern, erklärte man ihm, das soweit alles noch ruhig wäre, aber auch ihm war anzumerken, dass er nicht darauf vertraute, das dem noch lange so bleiben würde. „Ich habe ein Anliegen und wäre für eine helfende Hand dankbar.“ Wen Ning schaute ihn an, als könne er nicht glauben, dass er ihn tatsächlich um etwas gebeten habe, doch straffte er sich recht schnell wieder und nickte resolut. „Bei was auch immer ich behilflich sein kann.“ Es war darauf, dass sie sich am Ufer des Sees wiederfanden. Er brauchte etwas von dem Yin in reiner Form. Er wusste nun, dass es sich, nachdem sein Wirt gestorben war, auf die Suche nach einem neuen machte, und genau diesen Prozess musste er abpassen. Er brauchte somit eines der infizierten Lebewesen aus dem See. Je größer, desto besser. „Wēn Qiónglín, was ist die größte Lebensform in diesem Gewässer, ausgeschlossen des Sonnenbrüters?“ Man schaute ihn einen Moment fragend an, bevor dieser sich zu besinnen schien und etwas nachdachte. „Wáwayú (chin. Riesensalamander), würde ich sagen, allerdings ist es schwierig sie zu fangen, da sie sich recht gut verstecken. Jedoch ist alles was infiziert wurde, um einiges aggressiver und dadurch leichter zu ködern. Ich denke aber, das wir dafür auf den See hinaus müssten, dort wo es tiefer ist.“ Wangji nickte verstehend. Ohne ein Boot wäre es nicht möglich und eines hier her und hier herunter zu bekommen wäre recht aufwendig. Zumal es nicht einmal gesagt war, das es im Dorf ein Boot gäbe. Die Bewohner hätten dafür in den Bergen eh keine Verwendung. Ihm kam ein Gedanke. Vielleicht könnten ihnen die Waldseelen damit aushelfen. Es brauchte am Ende nicht mehr, als etwas das sie sicher über das Wasser bringen würde und wieder zurück. Man hatte sich kooperativ gezeigt auf seine Bitte, etwas worüber er mehr als erleichtert war, sparte es ihnen Zeit und Mühe. Ihr Behelfs-Boot war am Ende mehr ein Floß aus robusten Bambus, doch erfüllte es seinen Zweck alle mal. Als Köder hatte Wen Ning ein paar Hühnerkadaver aus dem Dorf organisiert. Die Konzentration von Yin war allgegenwärtig, je weiter sie auf den See hinaustrieben und er sich selbst davon überzeugen konnte, was Wen Ning ihm vorhin gesagt hatte, trieb ein dichter Schwarm von infizierten Fischen lauernd um ihr Floß herum. Nicht nur einmal mussten sie einem besonders angriffslustigen Exemplar ausweichen, das auf das Floß gesprungen war und gierig nach ihnen schnappte. Wen Ning war recht schnell diese zu erlegen und als weitere Köder zu behalten. Nun wo sie wussten, das Yi Ling´s yuàn qì eine Schwäche für diese Kreaturen bedeutete, und etwas davon auch durch Wen Ning´s Körper pulsierte, hatte dieser keine Schwierigkeiten mit dieser Aufgabe. Die Sonne war gut ein Viertel weitergerückt, seit sie sich auf die Suche nach einem der Riesensalamander gemacht hatten, bis ihnen schließlich ein Exemplar ins Netz ging. Es war ebenso ein ziemlicher Kraftakt dieses gebändigt zu bekommen, war es fast mannsgroß und kraftvoll genug, das es ihr Floß gefährlich ins Kippen gebracht hatte. Es war diese Wahrscheinlichkeit, die Wangji dazu veranlasst hatte einen Teil seiner Theorie bereits auszutesten, indem er diesen mit einem Seil aus líng qì zu fesseln versuchte. Zuerst zeigte es sich, wie vermutet, kaum nützlich, schwächte sich dessen Kraft, je länger es um den zappelnden Körper gebunden blieb. Er ließ ein Band eines Verstärkungs-Zaubers sich um das Seil winden, um dieses zu festigen, bis es komplett davon umschlossen war. Das Zappeln ließ nach, doch verebbte nicht gänzlich. Es ließ Wangji dennoch hoffen, das seine Theorie hier schon etwas Fuß gefasst hatte. „Was habt ihr mit ihm vor?“ Sie hatten das Ufer wieder erreicht und den Salamander abgeladen, dass Wen Ning nun etwas unbeholfen neben diesem verharrte. „Das manipulierte Yin extrahieren, um etwas auszutesten.“ Wen Ning nickte knapp. Auf Wangji´s Bitte hin, erlöste Wen Ning das Tier von seiner unheiligen Qual und bat ihn sich soweit wie möglich zurückzuziehen, dem dieser nur zögerlich Folge leistete. Wangji war somit das einzige Lebewesen, in das sich das veränderte Yin flüchten konnte und er wartete, seine Guqin vor sich, dass es sich zeigte. Bei der Größe des Salamanders sollte es zu erkennen sein, wenn es diesen verließ. Und das tat es. Dieselben feinen, rot-schwarzen Schwaden, die auch Yi Ling hatte hervorlocken können, krochen aus dem toten Körper hervor, und blieben für einen Augenblick schlicht in der Luft hängen und wanden sich um sich selbst. Fast, als würde es sich zunächst orientieren müssen. Dann schien es seine Gegenwart zu erfassen, lehnte sich der Nebel in seine Richtung und… Die ersten kräftigen Klänge der Guqin peitschten durch die Luft, griffen nach dem Yin wie Klauen eines Adlers. Wangji verfolgte was vor sich ging aufmerksam, ohne sein Spiel zu unterbrechen. Die Magie die in der Vibration seiner Noten steckte, zeigte sich effektiv, hatte das Yin noch keine Möglichkeit gefunden, sich dieser zu entziehen oder sie zu neutralisieren. Genau was er gehofft hatte bestätigt zu sehen. Seine Melodie wurde schwerer, intensiver in ihrer Kraft, bis es das Yin regelrecht darunter pulverisierte und die letzten Partikel sich unter der Magie der letzten Klänge auflösten. Wangji spürte ein Aufwallen, über diesen Erfolg, das ihn an Yi Ling´s Temperament erinnerte, war es ungestüm und vorwitzig in seinem Aufkommen. Doch ließ er es nicht an die Oberfläche. Er hatte etwas zu erledigen und er sollte keine weitere Zeit dafür verstreichen lassen. Er wandte sich noch einmal an Wen Ning, bevor er Yi Ling´s Transporttalisman nutzte, um sich in die Wolkenschlucht zu bringen. *Wangji hatte sich dafür endschieden seine Rückkehr geheim zu halten, hatte er nicht vor länger als notwendig zu bleiben. Doch er wollte seinem Bruder über die beunruhigenden Vorkommnisse berichten und ebenso eine Bitte vorbringen. Er hatte sich mit dem Talisman in das Hinterland der Wolkenschlucht bringen lassen, wusste er, dass sein Bruder um diese Zeit dort zu meditieren pflegte. Es war eine der wenigen Möglichkeiten mit ihm unter vier Augen sprechen zu können. Es war von Vorteil, dass er sich auf diese feste Gewohnheit verlassen konnte. Sein Bruder wählte dafür stets den Platz in der Nähe des kleinen Wasserfalls, dessen Strom in ein seichtes Wasserbecken fiel, an welches ein kleines, erhöhtes Felsplateau angrenzte. Sein Bruder saß im Lotossitz auf ebendiesem Plateau, die Augen geschlossen und strahlte erhabenen Einklang von Geist und Körper aus. Normalerweise war es ein Frevel solch eine meditative Phase zu stören, wenn der Grund dafür nicht gerechtfertigt werden konnte. Eine Nacht zur Disziplinierung in der kalten Quelle, war die Strafe dafür. Er würde dieser Nachkommen, sobald er offiziell von seiner Reise zurückgekehrt sei. Er betrat das Plateau und kniete sich seinem Bruder im gebührenden Abstand gegenüber. Es bedurfte keiner Worte, um diesen seine Präsenz bemerken zu lassen. Etwas das sein Bruder schon früher zu beherrschen schien, als er sich nach dem Tot ihrer Mutter, oft genug vor der Welt versteckt hatte. Es war zu jener Zeit beruhigend gewesen zu wissen, dass es jemanden gab, der dafür sorgte, dass er nicht verloren ging, ob nun in seiner Trauer oder seiner Einsamkeit. „Wangji.“, hörte er ihn in einem sanften Ton sagen, bevor sich dessen Augen öffneten und dieser ihm ein warmes Lächeln schenkte. „Bruder.“, er verbeugte sich vor ihm angebracht. „Was hat dich nach Hause gerufen?“ Xichen versteckte die leichte Verwunderung in seiner Stimme nicht, wie auch den Faden Besorgnis der sich dort mit eingewoben befand. „Ich habe etwas zu berichten. Doch ist der Hauptgrund für mein Erscheinen ein anderer.“ Die Augen seines Bruders zeigten diesen mildtätigen Ernst, der ihn zu solch einer respektablen Persönlichkeit für ihn machte. „Ich nehme an es ist etwas dringliches, wenn du deine Reise dafür so abrupt unterbrochen hast?“ Wangji nickte bestätigend. „Was ist vorgefallen?“, erkundigte sich Xichen und Wangji weihte ihn in die Vorkommnisse mit der Yin-Materie ein. Es blieb nicht aus von seiner eigenen Erfahrung damit zu berichten, wollte er verdeutlichen, was für eine unbekannte Gefahr diese darstellte. Xichen hatte ihn über seine Erzählung nicht unterbrochen, doch sah er ihm seine brüderliche Sorge dennoch an. „Das ist in der Tat besorgniserregend. Und ich bin froh, dass dir nichts Schlimmeres dadurch zugestoßen ist. Ich schulde Yi-xiàng gong (junger Gentelman) meinen aufrichtigen Dank, dass er sich so uneigennützig meinem geschätzten, kleinen Bruder annahm. „Ich schulde ihm mein Leben.“, unterstrich Wangji diese Tatsache selbst noch einmal fest und Xichen nickte verstehend. „Ich möchte daher die Erlaubnis erbitten, diese Schuldigkeit mit etwas gleichwertigen begleichen zu können.“ Wangji verbeugte sich soweit, das seine Stirn die vor ihm auf dem Fels ruhenden Hände berührte. „Wangji, welcher Wunsch bringt dich dazu dich mit solch einer Demut zu verbeugen? Muss ich mir doch innigere Sorgen machen, als du mich hast glauben lassen?“ Wangji verblieb in seiner Position, während er weitersprach. „Der Mann der mein Leben rettete, ist von ungeschliffener, schamloser und leichtsinniger Natur. Es bedarf unnötiger Mengen an Geduld und Selbstbeherrschung seiner Präsenz Herr zu werden. Wenn Gusu Lan auf 3000 Regeln beruht, dann sind es 3000 Idiotien die für ihn sprechen.“ Wangji hätte noch ein paar Dinge zu Yi Ling zu sagen, doch… „Und doch, ist er jemand dessen Großzügigkeit, Fürsorge und Selbstlosigkeit unbestreitbar sind. Sein Wesen mag dem eines wilden Flusses gleichkommen, doch ist sein Herz dort, wo es auch die Regeln unseres Clans wissen wollen. Wie auch sein Geist mit einer eigenwilligen, überraschenden Brillanz glänzt. Mein Wunsch wäre ein gleichwertiges Aufwiegen meines Dankes an ihn. Ich habe zu befürchten, dass er abermals seiner Leichtsinnigkeit erliegen wird und das womöglich mit irreparablen Folgen für ihn selbst.“ Er berichtete von Xīzhào Shùlín, dem Berg wo es sich befand, dem Sonnenbrüter im See und dem Schicksal das diese drei ereilen würde, würden sie nicht helfen. Yi Ling´s Plan, den er überflogen hatte und von dem er wusste, das dieser versuchen wollte ihn möglich zu machen. Egal der Kosten für sich selbst. „Deswegen…deswegen lasst mich in den heiligen Berg gehen, um eine der Drachenschuppen zu entnehmen.“ Xichen´s tiefes Durchatmen, kam nicht unerwartet. Seine Bitte war eine Unverfrorenheit, die auch keine Strafe in der kalten Quelle würde wieder berichtigen können. „Wangji…“ Allein in diesem einen Wort hörte er all die Dinge heraus, die sein Bruder nicht sagte. Dass er nicht weniger Leichtfertig erschien. Dass es nicht so einfach war, bedurfte es die Einwilligung der Ältesten, welche, und sei sein Grund auch noch so nobel, sie ihm nicht geben würden. Eine Drachenschuppe war eine heilige Kostbarkeit. Das Lan-Clan Anwesen wurde auf einer Drachenvene errichtet, welche diesen Ort mit pulsierendem líng qì belebte, ihn zu einem heiligen Berg machte. Es war reine, ungebändigte Energie. Eine Drachenschuppe war ein Einschluss eines Tropfens dieses líng qì. Feine schuppenartige Kristalle, puren Lebens. Die in falscher Hand aber ebenso unermesslichen Schaden verursachen konnten. Xichen´s anhaltendes Schweigen war ebenso nicht verwunderlich, doch hatte Wangji für sich bereits einen Entschluss gefasst. Wenn es sein musste, dann würde er auf eigene Faust versuchen an eine der Schuppen zu gelangen. „Du hast deine Entscheidung bereits getroffen, nicht wahr?“ Brüderliche Ergebenheit wohnte dieser Feststellung inne. „Doch es stärkt mein Herz zu sehen, das du eine, dir so wichtige, Freundschaft gefunden hast. Der Kontakt zu anderen schien dir stets nur eine Notwendigkeit, als der Wunsch Bindungen zu knüpfen.“ Freundschaft; so ging es Wangji durch den Sinn. Etwas das ihm in seiner tieferen Bedeutung nicht vertraut war. Etwas das ihn auch nie wirklich gestört hatte, lenkte der zu innige Kontakt zu anderen ihn nur von seinen Pflichten und Zielen ab. Doch nun wurde es erneut mit ihm in Verbindung gebracht und es stimmte ihn nachdenklich. Freundschaft. War es das was ihn mit Yi Ling verband? Abermals fühlte er sich unbeholfen über diese Möglichkeit. „Bis du dir wirklich sicher, dass du soweit gehen möchtest?“ Wangji hatte den Gesichtsausdruck seines Bruders vor Augen, den jener gerade zeigen mochte, als er ihn dies fragte. Nachdenklich besorgt. Es war ein Ausdruck, wenn dieser zwiegespalten war; des einen, weil er seinen Bruder unterstützen wollte, des anderen, weil er wusste, dass sein Anliegen ihm, Wangji, Schaden zufügen könne. Xichen´s Beschützerinstinkt, wenn es um ihn ging, war etwas das ihr Onkel oft genug ermahnt hatte, als sie noch Kinder waren. Und auch wenn sein Bruder es über die Jahre zurückgestellt hatte, da auch er wusste, dass er für sich selbst heranwachsen musste, so hatte er es nie vollkommen aufgegeben. „Ich verstehe deinen Wunsch, doch werde auch ich nicht viel tun können, um die Ältesten und Onkel zu überzeugen.“ Xichen schwieg, doch lag dieser Pause ein Unterton inne, der Wangji nicht unbekannt war. „Sollte jemand trotz aller Vorkehrungen den Berg betreten haben können, liegt es wohl an uns, diesen für die Zukunft besser zu sichern.“, setzte er darauf fort. „Sollte dieser jemand nicht vorsichtig genug sein, und versuchen arglos solch eine Schuppe hier herauszuschmuggeln, ist es an ihm, die Konsequenzen zu tragen, sollte man ihn stellen. Dieser jemand, sollte somit gut durchdacht haben auf was er sich einlässt.“ Bedeutungsschweres Schweigen legte sich für einen Moment um sie. „Danke, Bruder.“, war alles was Wangji zu sagen im Stande war, wusste er, dass es für Xichen nie leicht war seinem Starrsinn nachzugeben. So wie dieser auch wusste, dass er sich nicht würde abhalten lassen, wenn er sich erst einmal etwas vorgenommen hatte. Es war eine Frage von Respekt, auch wenn sie bezogen auf ihre Regeln, nicht das solide Gewicht darbot, wie es angebracht wäre, das er nicht schlicht unbemerkt zurückgekommen war und sich einfach nahm was er ersuchte. Nicht, das er so etwas in Betracht gezogen hatte. Er war nicht undankbar gegenüber dem Wohlwollen seines Bruders, noch dem Halt dem ihm der Clan gab. Xīzhào Shùlín helfen zu wollen; Yi Ling helfen zu wollen, sah er als eine Pflicht. Zumindest sollte es das Gefühl sein, das ihn handeln ließ. Dass sich etwas darin wiederfand, das er irritierend nachdrücklich; befremdlich beflügelnd fand, schob er auf die Dringlichkeit der Situation. Er verbeugte sich erneut gebührend, bevor er sich wieder aufrichtete, was sein Bruder mit einem besorgten aber ehrlichen Lächeln erwiderte. „Geb auf dich Acht Wangji. Und richte Yi xiàng gong meine besten Wünsche aus. Ich hoffe du wirst erreichen, was dir dieses Risiko wert ist.“ Der Eingang in den heiligen Berg wurde nicht offensichtlich bewacht, um unerwünschte Aufmerksamkeit darauf zu vermeiden. Somit hatte man eine Vielzahl sich überlagernder Siegel darüber gelegt. Sollte man auch nur eines davon nicht korrekt aufheben, würde es ein Alarmsignal auslösen und binnen weniger Momente wäre der Platz mit Wachen gefüllt. Zudem war es auch nicht jedem aus dem Clan erlaubt, beziehungsweise möglich, den Berg zu betreten. Nur jene die zur Hauptlinie der Familie gehörten oder denen der einen der höchsten Ränge in ihrer Clanordnung zugehörte, war es erlaubt. Wangji kannte die Komplexität der Siegel, hatte ihn ihr Onkel für diesen Prozess mit zur Seite genommen, damit er sich mit der Kunst solcher Magie auseinandersetzte, war er immerhin ein direkter Nachfolger des Lan Familiennamens. Lan Qiren hatte zu jener Zeit sicherlich nicht einen Gedanken daran verschwendet, das sein zweiter Neffe dieses Wissen eines Tages unautorisiert missbrauchen würde. Doch war sein Onkel oftmals viel zu eisern an die alten, steifen Traditionen gebunden, dass er wusste, das er diesen mit seinem Vorbringen einem einfachen Dorf der Menschen aushelfen zu wollen, kein Gehör geschenkt hätte. Solche Dinge waren etwas, das die seinen schlicht als ein Schicksal dieser betrachteten. Seine Mutter hingegen hatte ihm beigebracht, dass sie ihre Kräfte und Möglichkeiten für das Gute nutzen sollten. „Warum sonst, sollte uns die Macht gegeben worden sein, wenn nicht dafür, zu helfen wenn es uns möglich ist?“ Egal wer sie benötigte. Alles andere sei nichts weiter, als grob entschuldigte Arroganz. Bis heute, konnte er sie nur für ihren aufrechten Willen bewundern, der sich auch nicht hatte brechen lassen, selbst als man ihr sämtliche Freiheiten, ihres alten Lebens, genommen hatte. Einzig, weil sie sich in einen Mann verliebte, der nicht ehrlich zu ihr sein konnte. Was auch immer der Grund seines Vaters dafür gewesen sein mochte, ihr Vertrauen zu hintergehen, er würde ihm nie verzeihen können. Am Ende hatte sich dieser im krankhaftem Kummer, und dem Ergeben ihrer unbeugsamen Traditionen und Regeln versteckt, bis ihn das Ableben seiner Frau ebenso den letzten Rest an Lebenswillen nahm. Es war absurd in seiner überspitzten Dramatik und ein weiterer Beweis für seinen Egoismus. Hätte ihr Vater es nur wirklich gewollt. Hätte er es nur wirklich versucht, anstatt dieses, von außen bestimmte Schicksal einfach hinzunehmen, vielleicht hätten sie die Familie werden können, die er sich so viele Jahre danach noch ersehnt hatte. Wangji war nicht wie sein Vater, und deswegen würde er auch nicht einfach aufgeben, solange es noch Chancen gab. Es war eine kräftezehrende Aufgabe die Siegel zu lösen, wenn er nicht das volle Potenzial seines goldenen Kerns nutzen konnte. Es wäre nicht mehr von Belang sobald er den Berg betreten würde. Das líng qì hier war kraftvoll genug um seinen Kern wieder aufzuwerten. Auch wenn es die Einschränkung seiner Potenz nicht aufheben würde. Solange er nicht offiziell zurück in die Wolkenschlucht kehrte, würde die Limitation bestehen bleiben, konnte er nicht selbst darüber bestimmen. Doch es reichte ihm auch schon dieser geringe Fortschritt, den er sonst wohl nur über weitere Wochen Training und Meditation hätte wieder erreichen können. Die gewaltige Energie war sofort spürbar, sobald er das letzte und aufwendigste Siegel geöffnet hatte, dass es ihn einen Augenblick fast überwältigte. Der unverhoffte Vorteil seiner líng qì Einschränkung war der, dass das der Drachenvene nicht ungehalten in ihn einströmen konnte um ihn, in der Tat, zu überwältigen.  Dennoch war eiserne Konzentration erforderlich, um dieser Gewalt standhalten, sich überhaupt darunter bewegen zu können. Auch der kraftvollste goldene Kern verlangte von seinem Träger ab, dass er dessen Energie handhaben konnte. Zuviel líng qì das mit einem Male in einem untrainierten Körper aufgenommen wurde, konnte jemanden in wortwörtliche Stücke, oder in anderen Fällen, in den Wahnsinn reißen. Deswegen war das Kultivieren dieser Kraft ein Prozess den es nicht zu hetzten galt, auch wenn es Jahrhunderte in Anspruch nehmen konnte. Wangji kämpfte sich durch den dicken Wall an Energie, als müsse er sich durch eine meterhohe Schneeschicht graben, was schwieriger wurde je weiter er sich vorarbeitete. Als würde der Schnee zu Eis werden. Es erschien ihm folglich wie als würde er sich in einer Art von Trance befinden, die ihn fürchten ließ, das seine Sinne ihm zu schwinden drohten, als er die Drachenschuppen wie Katzenaugen blitzen sah. Nicht größer als eine Kinderhand musste sie für ihre Zwecke sein. Der Kristall als er ihn aufnahm, fühlte sich unbeständig in seiner Konsistenz an, unwirklich und ohne das geringste Gewicht. Als habe er versucht einen Strahl der Sonne mit bloßer Hand festzuhalten. Vorsichtig verstaute er die Schuppe in dem zuvor entwendeten Mondjade-Gefäß, das für diese Zwecke Nutzen fand und das líng qì sicher in sich verschloss. Dessen fehlen würde für Aufregung sorgen, sobald es bemerkt werden würde, doch da wäre er hoffentlich schon wieder auf seinem Weg. Auf Bichen würde er wohl gut drei Tage brauchen um Xīzhào Shùlín wieder zu erreichen. Drei Tage die ausschlaggebend sein konnten, würde Wen Ning Yi Ling nicht bis zu seiner Rückkehr von größeren Dummheiten abbringen können. Wäre sein goldener Kern nicht eingeschränkt in seiner Kraft, hätte er einen Reisezauber anwenden können, doch so blieb ihm nichts weiter übrig, als der lange Weg zurück. Trotz seiner Eile, legte er jedes Siegel wieder präzise über den Eingang Er war gerade dabei sich wieder davonzustehlen, als er ein Zwitschern vernahm, das seine Aufmerksamkeit auf einen Beutel nicht unweit des Eingangs lenkte und er an diesen herantrat. Ein Sonnenvogel saß darauf und schaute abwartend. „Bruder.“, murmelte Wangji leise. Der Vogel zwitscherte abermals und flog davon, Wangji nahm den Beutel auf, dessen Stoff von feinen magischen Seidenfäden durchwoben war und in welchem er das Jade Gefäß sicher verstauen konnte. Der eingewobene Zauber würde dabei helfen es unbemerkt aus der Wolkenschlucht herauszuschaffen, schirmte dieser die líng qì Signatur ausreichend ab, das niemand etwas davon auffallen sollte. Doch bevor er sich wieder auf den Weg machte, schlug er noch einen kurzen Abstecher in seine Jìngshì ein. Durch den geheimen Eingang, sollte er dabei unentdeckt bleiben. Er wusste genau was er suchte und schenkte seinen Räumlichkeiten somit nicht mehr, als ein flüchtiges Umblicken. Erfolgreich in seinem Vorhaben, verstaute er auch dieses Objekt in dem Beutel und begab sich zügig zurück in das Hinterland, bis er einen Platz gefunden hatte, von welchem er sich unbemerkt mit Bichen in Bewegung bringen konnte.   Kapitel 19: ------------ Yi Ling ballte seine zitternden Hände krampfhaft zu Fäusten, doch lenkte es ihn nicht von dem klammen, erstickenden Gefühl ab, das seinen Körper über die letzten Tage in Besitz genommen hatte. Es wurde Zusehens schwieriger unterscheiden zu können, ob er sich überwältigt oder schlicht ausgehöhlt fühlte, je länger er versuchte dem Tiger-Siegel Form und Kraft zu verleihen. Er hatte keine Ahnung, wie viele Tage bereits vergangen waren, seit er sich in dieser Höhle verschanzt hatte. Um das Siegel formen zu können, benötigte er mehr yuàn qì als er allein in sich trug. Somit war er aufgebrochen welches zu sammeln. Um es halten zu können, hatte er eine eiserne Truhe mit einem eigens entwickelten magischen Bann belegt, der die mit Chenqing eingefangene Energie in sich aufnehmen, und nicht wieder entweichen lassen würde, solange er den Bann nicht aufhob. Allzu weit konnte er jedoch nicht fort, nicht wenn er alles an eigener Energie benötigte, die ihm noch innewohnte. Aber das brauchte er auch gar nicht. Es gab einen Ort, einen alten Steinbruch, einen Tagesmarsch, von Xīzhào Shùlín entfernt, der einst als ein Arbeitslager für Straftäter und jene galt, die sich durch unglückliche Umstände etwas zu Schulden hatten kommen lassen. Das solche Lager gnadenlos vorgingen, war in aller Munde und jeder der dort endete, blieb auch dort. Man sorgte dafür. Den Gefangenen Hoffnung vorzugaukeln, sich ihre Freiheit wieder erarbeiten zu können, nur ein perfides Mittel kein Geld für solch eine undankbare Arbeit erübrigen zu müssen. Es war ein heftiger Bergrutsch nach tagelangem, starken Regen, der dem Ganzen ein Ende setzte. Kaum jemand hatte es überlebt und man sich nicht die Mühe gemacht die Verschütteten zu bergen, war es eh nur der Abschaum, der gutbürgerlichen Gesellschaft, der dort verendet war. Seitdem war dieser Ort verflucht, behauptete man, wuchs auch nach Jahren kein Halm mehr auf diesem Boden und Mensch, wie auch Tier hielten sich weitläufig davon fern. Der perfekte Ort für sein Vorhaben. Er hatte das aggressive Brodeln der unruhigen Seelen schon aus der Entfernung spüren können. Sie zerrten und zogen an ihm, wie ein böiger Wind, je weiter er sich vor wagte. Es mochten letztendlich hunderte solcher Seelen sein, die hier umhertrieben. Jene die jämmerlich unter Schlamm und Geröll gestorben waren und jene die zuvor schon in diesem Steinbruch ihr Leben ließen und man ihre Körper nur wie Abfall verscharrt hatte. Oder, wie es auch nicht unüblich war, sie den Hunden vorwarf, die man in solchen Lagern hielt, um die Gefangenen in Schach zu halten. Schließlich spielte er auf Chenqing, bis seine Lungen brannten und seine Lippen taub wurden. Er hatte, wohl Stunden später, alles an Yin Energie eingefangen, was möglich war. Und doch… Und doch konnte er nicht den Erfolg zu Stande bringen, der nötig wäre, um etwas damit bewirken zu können. Er aß nicht und er schlief nicht, und doch kam er nur minimal voran. Solch ein Maß an Yin-Qi zu bündeln, es währenddessen unter Kontrolle zu halten und in ein taugliches Objekt zu transferieren, das diese gewaltige Energie auch würde halten können, ohne zu zerbrechen. Es war wie sich mit einem Messer durch einen massiven Fels scharren zu wollen. Langwierig und kräftezerrend. Er würde am Ende Monate benötigen. Zuviel kostbare Zeit, von der er nicht ausgehen konnte, dass bis dahin nicht schon das Schlimmste geschehen war. Doch blieb ihm am Ende nichts weiter übrig, als es weiterhin zu versuchen. Nun, wo er allein vor dieser immensen Aufgabe stand und es keine andere Option als einen Erfolg für ihn gab! Er wusste aus eigener Erfahrung, um den Horror den ein aus Yin hervorgekommenes Monster anrichten konnte. Dieses Mal jedoch, war er nicht mehr schwach und unnütz. Dieses Mal, würde er alles versuchen, um die Menschen die ihm wichtig geworden waren; die er Familie nannte, vor solch einem grausamen Schicksal zu bewahren. Ein abrupter Gedanke ließ ihn sich wieder etwas mehr fokussieren. Vielleicht sollte er nicht versuchen die gesamte Yin-Energie in ein Objekt zu übertragen, sondern es in Teilstücken versuchen und diese dann zusammenfügen? Er müsste nur… Seine Sicht verschwamm mit einem Male und das Rauschen in seinem Kopf wurde zu einem Schwall schriller, gepeinigter Laute. Ein Zeichen das er mental kurz vor dem Zusammenbruch stand. Doch er hatte keine Zeit. Er musste… „Yi Ling…“ Ihm war nach einem freudlosen Lachen zu mute, über diese eine Stimme die nicht versuchte seinen Wahnsinn zu schüren, den er unaufhaltsam nahen spürte. Irgendwie schien es immer Lan Zhan zu sein, den er in solchen Momenten des ungewollten Abdriftens vernahm. „Yi Ling.“ Er würde nicht sentimental werden. Lan Zhan wegzuschicken war die richtige Entscheidung gewesen, daran glaubte er auch jetzt noch. „Yi Ling!“ Dennoch schien der letzte Rest Verstand in seinem Kopf anderer Meinung und er konnte nicht sagen, warum dem so war. Gäbe es nicht auch andere Stimmen, die in solch einem Moment zu ihm sprechen könnten? Warum… Etwas zerrte an seiner trüben Wahrnehmung, gefolgt von diesem wohligen Empfinden, das ihm stets nur wie der Anfang eines sanften Traumes erschien. „Unverbesserlich.“, stahl es sich zwischen die warmen Daunen von denen er sich umgeben fühlte und glaubte sogar ein Lächeln zu Stande bekommen zu haben, über diesen bekannten Vorwurf. „Ah, Lan Zhan. Wann wirst du endlich einmal nett zu mir sein…? Ich versuche doch nur mein Bestes…“, ging es ihm durch den Sinn. „Ich weiß.“ Es wäre schön gewesen, es ihn tatsächlich einmal sagen gehört zu haben, aber selbst über diese Illusion konnte er nicht anders, als zugetan zu lächeln. „Dann ist es ja gut…“ * „Es hat wirklich seinen ganz eigenen Liebreiz, das, wenn ich die Augen aufmache, es stets dein Gesicht ist, das sich mir daraufhin zeigt. Ziemlich romantisch, nicht?“, säuselte Yi Ling schlaftrunken und konnte verfolgen, wie Lan Zhan beinahe so etwas wie ein Augenrollen auf seine Worte zeigte, bevor er sich von dem Tisch, vor dem er saß, erhob und mit erhabenem Schweigen zu ihm ans Bett herantrat. Dieser griff nach seinem Handgelenk; eine Geste die er schon zu deuten vermochte, um seinen Qi Fluss zu überprüfen. „Ich fühl mich gut.“, versuchte Yi Ling ihn zu überzeugen, und zog seine Hand trotzig vor und zurück in dessen beständigen Griff. „Was hattest du erhofft zu erreichen, mit dieser immensen Leichtsinnigkeit?“ Ah, da war die erwartete, scharfe Zurechtweisung. Irgendwie fühlte er sich albern sentimental darüber. Bis ihm deutlich wurde, das Lan Zhan diese Frage nicht gestellt hatte, weil er ahnungslos war, sondern weil er seinen Weg die Dinge richten zu wollen, natürlich als etwas Frevelhaftes ansah. „Und wenn schon. Es war die einzige Option.“, erwiderte er etwas abweisend. Es war immer noch besser, als gar nichts zu versuchen. Lan Zhan schenkte ihm einen strengen, eindringlichen Blick. „Ist dein Leben dir nicht mehr wert, als es ständig als ein entschuldbares Opfer zu betrachten? Denkst du je an diejenigen, die über deinen Verlust ehrlich trauern würden?“ Yi Ling entzog sich dessen Griff etwas ruppig und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn dieses Opfer dazu beitragen kann, die zu beschützen die mir wichtig sind, dann ja! Man kann nicht immer alles mit schönen Worten regeln.“ Lan Zhan schloss kurz seine Augen, wie es schien, in einer Geste der Ergebenheit. „Und überhaupt, warum bist du wieder hier?“ Yi Ling wusste das er sich wie ein zickiges, kleines Kind anhörte, doch das war ihm momentan egal. „Warum hast du mich weggeschickt?“, wurde seine Frage gekontert und es ließ ihn nur noch hitzköpfiger reagieren. „Um dich vor etwas zu bewahren, das dich dein Leben kosten könnte!“ Lan Zhan´s Ausdruck wurde bedeutungsvoll, als er ihn ansah. „Somit hast du deine Antwort.“, meinte er mit etwas wie Herausforderung in der Stimme, die Yi Ling verdeutlichte, das er ruhig versuchen sollte darüber mit ihm zu diskutieren, das er seinen Mund, der ihm über dessen Aussage etwas aufgeklappt war, stumm wieder schloss. Man hatte ihn da wohl mit den eigenen Waffen geschlagen. Das alberne, warme Gefühl in seiner Brust schob er schlicht auf seinen noch etwas ermatteten Zustand. Lan Zhan sagte ebenso nichts weiter dazu, holte nur einen feinen Seiden-Beutel hervor und entnahm diesen daraufhin etwas. Ein edles, feingearbeitetes Gefäß aus weiß-leuchtender Jade, welches die Abbildung eines Drachens zeigte der sich um das Behältnis schlang und von welchem immens starke Energie ausging. „Deine Aufzeichnung. Die Lösung für das Problem, um deinen Plan durchführen zu können.“ Yi Ling schaute skeptisch auf das Gefäß. „Du weißt, dass wir auch mit der größten Menge líng qì nichts bewirken würden.“ „Können wir. Wenn du mir dieses Mal zuhören würdest.“ Yi Ling fühlte sich deutlich überrascht, doch war es seine eifrige Neugier die ihn interessiert raunen ließ. „Dann erleuchte mich, oh großer Lan xiān shī.“ Und das tat dieser darauf auch. „Du sagst also, dass man das veränderte Yin, mit líng qì beseitigen kann, solange sich das líng qì von ausreichend starker Magie umhüllt befindet? Wie in einer Rüstung?“ Lan Zhan nickte bestätigend. Sollte es tatsächlich möglich sein, das sie auf diese Art und Weise das líng qì doch noch einsetzen konnten? Er spürte wie sich sein Herzschlag rasch erhöhte über den Drang, sich sofort an die Arbeit setzen zu wollen. Es würde nur ein paar kleinere Anpassungen, zu seinem bereits gemachten Plan erfordern. Dann zog er etwas die Augenbrauen zusammen über seinen nächsten Gedanken. „Wie hast du es herausgefunden? Du hast nicht das isolierte Yin in meiner Hütte dafür nutzen können, also wie…“ Yi Ling weitete seine Augen in einer Erkenntnis. „Sag mir nicht, dass du nur auf deine wackelige Theorie hin, die dir bei meiner Rettung aus der Yin Kollision gekommen war, losgezogen bist um es zu testen?“ Lan Zhan verzog natürlich keine offensichtliche Miene, doch hatte Yi Ling, über ihre Zeit zusammen gelernt, ihn schon besser zu lesen. Und das fast unmerkliche Anheben seiner Brauen und der nicht mehr ganz so eindringliche Blick, der nur eine Winzigkeit an ihm vorbei ging, anstatt ihn direkt anzusehen, war alles was er als Antwort brauchte. Yi Ling stützte über ein Schnaufen die Arme in die Seiten. „Was wenn du falsch gelegen hättest? Gefiel es dir in deiner Hasenform doch so gut? Oder was, wenn es diesmal sogar noch schlimmer ausgegangen wäre?“ Er war sich irgendwo über seinem Tadel bewusst, dass er wohl die letzte Person sein sollte, die andere über unvernünftiges Verhalten belehrte. „Lan Zhan! Das war extrem unvorsichtig.“, setzte er noch nach, bevor sein mahnendes Gesicht in ein warmes Lächeln wechselte. Es war trotz allem, oder gerade wegen dessen Risikobereitschaft, das solideste an einer Problemlösung, was sie bis jetzt zu Stande gebracht hatten und die Hoffnung die damit einherging, war ein überschwängliches Pulsieren, das durch Yi Ling´s Körper rauschte, das er sich nicht kümmerte, ob Lan Zhan ihn zurechtweisen würde, als er ihn darauf einfach umarmte. Fest und ungestüm. „Ich bin dir etwas schuldig.“ Lan Zhan blieb steif in seinen Armen und Yi Ling feixte etwas darüber. „Eine Gegenleistung ist nicht von Belang.“, hörte er diesen schließlich doch noch erwidern. „Ist es nicht das, was Freunde füreinander tun würden?“ Es war selten, aber Yi Ling fehlten wiederholt die Worte, in einem recht kurzen Abstand und er ließ eher unbewusst wieder von Lan Zhan ab. „Du sagtest es selbst. Oder interpretierte ich deine Worte falsch?“ Lan Zhan sah nun ungewohnt unsicher aus. Als wüsste er tatsächlich nicht, ob sein Verweis nicht haltlos gewesen war. Als habe er keine Ahnung, was zu einer Freundschaft gehörte und er seinen Nachdruck darüber schlicht von ihm kopiert hatte. Es wirkte so unbeholfen, dass es Yi Ling am Herzen zupfte und er ein langgezogenes Seufzen von sich gab. „Es ist ein Teil davon, sich Sorgen zu machen. Helfen zu wollen.“, erlöste er ihn aus seiner Irritation. „Aber Lan Zhan…“ Er grinste nun breit und aufziehend. „…du hättest auch einfach fragen können, ob ich dein Freund sein möchte. Nicht, das ich es nicht zu schätzen weiß, dass du deine Schüchternheit mit einem magischen Kleinod überschatten willst. Aber ich würde es doch schon gern aus deinem Mund hören wollen.“ Yi Ling verstellte seine Stimme in eine alberne und viel zu hohe Lage. „Oh großer und so ungemein gutaussehender Yi Ling, lasst mich bitte euer Freund sein und an eurer unerreichbaren Brillanz teilhaben. Führt mich mit eurer Weisheit, auf das ich mit Erfüllung in meine himmlischen Hallen zurückkehren kann.“ Lan Zhan´s Gesichtsausdruck, auf seine Imitation war mehr als unbeeindruckt. Dann setzte er an das Jadegefäss wieder einzupacken, und sich zu erheben, in der Demonstration, das er ihn einfach mit seinem dümmlichen Geschwätz hier sitzen lassen würde, das Yi Ling rasch dessen Arm griff, um ihn davon abzubringen. „Oh, nun sei nicht so sensibel. Es hat mich nur einfach überrascht. Natürlich würde ich mich geehrt fühlen, den großen Lan xiān shī zu meinem bescheidenen Freundeskreis zählen zu können.“, meinte er mit einem sanften Schmunzeln. „Wer könnte zu so einem hübschen Gesicht schon nein sagen? Oder ist es mein hübsches Gesicht dem du nicht wiederstehen kannst?“ Darauf zwinkerte er diesem verstohlen zu und der ehrliche Augenblick wisch seiner Schamlosigkeit. Lan Zhan erhob sich schließlich wortlos, doch ließ er das Gefäß bei ihm stehen und es brachte eine impulsive Verbundenheit mit sich, die ihn erneut etwas irritierte, bevor er dieses Gefühl einfach zuließ. „Meister Yi?“, vernahm er darauf und ein Blick zur Tür zeigte ihm einen demütig in sich zusammengesunkenen Wen Ning dort stehen. „Ich weiß ihr gabt mir den Befehl, niemanden zu euch zu lassen, während eures…eures…“ Es war deutlich, dass Wen Ning nicht das richtige Wort zu seiner Selbstaufopferung über die Lippen kommen wollte. Wie er auch wusste, dass sich dieser recht unwohl fühlen musste, seinen Befehl am Ende ignoriert zu haben. Dass er der Grund war, warum ihn Lan Zhan überhaupt in dieser abgelegenen Höhle hatte finden können. Es war ein wiederholtes Gefühl der Verbundenheit, das Yi Ling darüber ausfüllte. Lan Zhan hatte, wie so oft, nicht unrecht gehabt. Man sorgte sich um ihn. Zudem nahm er es Wen Ning wirklich nicht übel. Er war einfach ein Charakter, der sich um die die ihm nahestanden mit ganzem Herzen kümmerte. Dieser hatte ihn sogar abbringen wollen, von seinem Vorhaben, und er am Ende seine Autorität als dessen Meister genutzt, um ihn gehorchen zu lassen. Etwas das er ungern getan hatte, schätzte er Wen Ning als Freund und Kammeraden, und nicht nur, weil er eine seiner Kreationen war. Wen Ning erklärte sich nicht weiter, doch hob er seinen Kopf ein stückweit, hatte er noch immer nichts zu ihm gesagt, dass es ihn unruhig machen musste. „Es ist in Ordnung, wirklich.“, versicherte er ihm mit einem ehrlichen Lächeln. „Und seien wir ehrlich, Lan Zhan´s überernste Miene, wenn er etwas fordert, ist selbst für einen Veteranen wie mich nicht ohne. Was etwas heißen will, ist deine Schwester auf ihrer eigenen Ebene eine ebenbürtige Macht.“ Wen Ning´s Mundwinkel zuckten etwas unbeholfen, doch wusste Yi Ling, das es dessen Ansatz zu einem zustimmenden Lächeln war. * Nun wo sie eine Energiequelle hatten, erschien der Rest der Vorbereitungen, auf die Reinigung des Sees, ihm nicht mehr wie hungrige Biester im Nacken zu sitzen. Dennoch gab es noch einige Dinge zu überdenken und auszuklügeln. Wie die Verankerung des Siegels auf dem Grund des Sees, sodass das Yin noch vor dem Einfließen in das Gewässer neutralisiert werden konnte. Das Siegel brauchte einen festen, beständigen Halt das zur Filterung beitrug. Es war Lan Zhan der vorschlug es durch die Wurzeln von Bäumen zu fixieren, die tief genug, zum Grund des Sees, reichten. Das der See in einer felsigen Senke lag machte dies allerdings schwer. „Dann lass sie uns selbst an das Ufer setzen.“ Es hörte sich aus dessen Mund wie ein Kinderspiel an. „Wenn wir sie selbst wachsen lassen, sollte es möglich sein.“ Yi Ling lachte darauf etwas aberwitzig. Dieses ganze Projekt nahm immer kuriosere Ausmaße an. Es war mit Hilfe der Waldseelen, die sich um die Beschaffung der Zitan-Samen gekümmert hatten, war das Holz dieser Bäume extrem hart und schwer, dass sie die geeigneten Anker würden bilden können. Er hatte jeden Samen mit Magie versehen, die mit den Bäumen wachsen würde, bevor die Seelen diese um den See herum verteilten. Yi Ling hoffte nur, das diese mysteriöse Drachenschuppe, die Lan Zhan mitgebracht hatte, tatsächlich so viel Qi in sich barg, damit alles funktionieren würde. Es waren gut hundert Bäume die sie damit würden wachsen lassen müssen und das zu mächtigen Stämmen, die normalerweise Jahrhunderte bräuchten, um diese Größe zu erreichen. Aber es war ein Plan und er bestrebt solange Zuversicht walten zu lassen, bis sie eines besseren belehrt werden würden in ihrem Unterfangen. Und deswegen saß er nun auch hier, in aller Frühe, an besagtem Sees, das er Mühe hatte von seiner aufgetragenen Meditation nicht in ein Schläfchen abzudriften. Lan Zhan hatte darauf bestanden, das er vor dieser Aufgabe seinen Geist stärkte und er auch nur einmal versuchte, es als unnötig und mit einem arglosen Grinsen abzutun, bevor dieser androhte Wen Qing zu berichten, was sein Notfallplan gewesen wäre und er deren Unmut gern gegen etwas Meditation eingetauscht hatte. Zudem war er auch etwas stolz darauf, das Lan Zhan sich ein paar Tricks angeeignet hatte, die er zu Beginn ihrer Reise wohl deutlich verpönt hätte. Er schien wohl doch etwas auf ihn abgefärbt zu haben. „Yi Ling.“, vernahm er die zurechtweisende Stimme zu seiner Rechten, hatte sein Grinsen über diese Feststellung wohl verraten, das er nicht ganz bei der Sache war. „Schon gut, schon gut. Ich meditiere ja. Kein Grund schon wieder…“ „In Ruhe.“ „Tsk.“, murrte Yi Ling und murmelte trotzig vor sich hin, bis er nichts mehr zu mosern fand und versuchte sich doch noch auf das Meditieren zu konzentrieren. „Ich muss zugeben, dass ich ein wenig beeindruckt bin.“, hörte er darüber die kühle Feststellung von Wen Qing, welche allerdings nicht an ihn gerichtet war, wie er beim Lunschen mitbekam. „Das es jemanden gibt, der diesen Unruhestifter freiwillig an die Leine nimmt.“ Ihr Blick wandte sich mit einer wissenden Miene zu ihm und er schloss rasch seine Augen wieder und gab sich in sich gekehrt. Ein ergebenes Durchatmen von ihr folgte. „Eine Leine ist nicht notwendig.“, erwiderte Lan Zhan und Yi Ling rutschte ein keckes Grinsen auf die Lippen. Na, wenigstens einer der seinen Freigeist zu akzeptieren gelernt hatte. „Er ist simpel genug in seinen Bedürfnissen.“ Yi Ling lag das motzige „Hey!“ schon auf der Zunge, als Lan Zhan weitersprach. „Er hat sich dennoch einen Knochen verdient, wenn sein Plan erfolgreich sein sollte.“ Wen Qing lachte in ihrer scharfkantigen Art. Yi Ling gab es auf so zu tun, als wäre er in Meditation und schaute nun mit einem finsteren Gesichtsausdruck zu den beiden, während er mit einem drohenden Zeigefinger auf sie deutete. „Lästert ihr nur hinter meinem Rücken. Ihr werdet noch früh genug vor meinem Genie auf die Knie fallen.“ Wen Qing lächelte wenig überzeugt und Lan Zhan´s Ausdruck war ebenso unbeeindruckt.“ Ungläubige! Zugegeben fühlte sich Yi Ling nach seiner Meditation doch wesentlich ausgeglichener und geistig gefestigt, doch gab er Lan Zhan nicht die Genugtuung dies verbal mitzuteilen. Stattdessen redete er über andere Dinge die ihm gerade in den Sinn kamen. Er würde nicht zugeben, dass er sich damit auch etwas abzulenken versuchte, von dem was ihm noch bevorstand. Er hatte genug Tests durchgeführt, was das Siegel betraf, wenn auch nicht auf solch einen Maßstab. Er atmete noch einmal tief durch, bevor er an Lan Zhan herantrat. Der idealste Punkt um die Reinigung beginnen zu können, war der Mittelpunkt des Sees. Zuerst war der Plan, diesen mit einem Boot zu erreichen, doch hatte er auch bedenken das das Boot einen Störfaktor darstellen könnte, wenn er das Siegel ausbringen würde. Lan Zhan, der ewige Retter in der Not, hatte darauf gemeint, das er ihn über den See würde bringen können, was mehr als optimal für sein Ritual wäre, hätte er somit auch eine bessere Übersicht auf den Verlauf. Was Yi Ling in jenem Moment jedoch nicht bedacht hatte, als er diesem Angebot ohne Umschweife zustimmte war, wie sich dieses „über den See bringen“ gestallten würde. Auf einem Schwert zu fliegen, war ihm nicht neu. Nicht, das er es selbst je hatte tun können, fehlte ihm dafür das nötige líng qì, oder vielmehr, wollte er das was er aufbringen konnte nicht verschwenden, wenn es ihn eh nur für einen Moment in der Luft halten würde. Das und die Tatsache, dass er ab einer bestimmten Höhe schlicht Panik bekam. Selbst das Sitzen in einem erklommenen Baum, hatte ihm, nach seinem Sturz in die Grabhügel, mit Angstschweiß versehen. Shifu hatte ihn wie einen widerspenstigen Apfel aus der Krone pflücken müssen und er hatte es eine gute Weile nicht wieder versucht. Später hatte er es unter Kontrolle bringen können, nachdem er besser in seinem spirituellen Training geworden war, doch die Höhe von der sie hier sprachen, war etwas vollkommen anderes! Lan Zhan mochte solch ein Problem nicht nachvollziehen können, wartete er noch immer, das er endlich zu ihm auf sein Schwert stieg, damit er ihn an die gewünschte Stelle bringen konnte. „Ist etwas nicht in Ordnung?“, hakte dieser schließlich auf sein Verharren nach. Dafür das dieser es sonst nicht gut hieß, wenn man ihm zu nahe kam, schien er recht gelassen über die Aussicht, das sie auf dieser kurzen Klinge, kaum voneinander Abstand halten würden können. Vielmehr noch, er würde sich an diesem festhalten müssen. Würde es sich um eine andere Situation handeln, würde er den Umstand, Lan Zhan so nahe rücken zu dürfen, mit einem süffisanten Kommentar verbinden, doch fehlte ihm momentan wirklich die Gelassenheit dafür. „Lan Zhan, ah…auf einem Schwert fliegen ist so altmodisch. Hast du nicht ein paar von diesen fetzigen Feuerrädern? Du weißt schon, wie dieser großspurige Götterbengel mit der Mädchenfrisur.“ Er wusste es war Unsinn und Zeitverschwendung sich herausreden zu wollen, war dies die einzige und eine mehr als begünstigte Variante die ihnen zur Verfügung stand. Lan Zhan zog über seinen Kommentar die Augenbrauen zusammen. „Fēng huǒ lún (Nezha´s Feuerräder) ist ein einzigartiges Artefakt. Ich denke nicht, das sein Meister bereit wäre es weiterzugeben.“, meinte dieser in seinem typisch ernsten, aufklärenden Ton und ehe Yi Ling noch weiter hätte herumdrucksen können, griff Lan Zhan ihn am Arm und zog ihn hinter sich auf das Schwert. „Es bleibt somit nur Bichen. Es wird seine Aufgabe ebenso anstandslos erfüllen.“ All seine Bedenken wichen einem erschreckten Japsen, als Bichen auch schon abhob und er gar nicht anders konnte, als sich an Lan Zhan festzuklammern und seine Augen zusammenzukneifen. Der Wind zerrte an seinen langen Haaren und seinem Gewandt und er festigte seinen Griff instinktiv noch etwas mehr, war ihm als würden seine Knie jeden Moment nachgeben, vor lauter Stress. „Yi Ling.“ „Keine Chance! Ich lass dich nicht los, das kommt rein gar nicht in Frage.“ Er schüttelte nachdrücklich den Kopf den er, wie er erst jetzt bemerkte, gegen Lan Zhan´s Rücken gepresst hielt. Aber auch wenn dieser ihn nun als schamlos betiteln würde, er würde kein Stück weichen! „Wir sind über der Mitte des Sees.“, ließ man ihn schlicht wissen und oh… Er würde loslassen müssen, um das Ritual durchführen zu können. Yi Ling lachte etwas irrwitzig in Lan Zhan´s Robe. „Ok, ich denke es ist Zeit etwas zu gestehen. Ich bin nicht besonders gut darin, auf einem schmalen Stück Metall, etliche lǐ (Einheit für Längenmaß) in der Luft zu schweben und dabei komplizierte Magie durchzuführen.“ Er lachte wackelig. Lan Zhan sagte nichts, aber Yi Ling spürte wie sich dieser leicht bewegte und den darauf folgenden Impuls von Magie der sich um sie ausbreitete. „Ist dir dies sicher genug?“, hörte er ihn nachfragen, und wenn er nicht so panisch wäre, womöglich sich auch die Zeit genommen hätte, über den Funken Führsorge, den er in diesen Worten glaubte gehört zu haben, ein Späßchen zu machen. So öffnete er nur zögerlich seine Augen und schaute unter sich. Bichen´s blaue Aura hatte sich in einem Zirkel um sie herum ausgedehnt, dass er gut zwei, drei Schritte tun könnte ohne Gefahr zu laufen abzustürzen. Vorsichtig streckte er einen Fuß aus. Die Magie war solide in Form und Halt, das es ihn hörbar, erleichtert durchatmen ließ. So sollte es machbar sein. „Es wäre schon etwas romantischer gewesen, wenn du dich angeboten hättest, mich mit deinen starken Armen festzuhalten. Aber ich schätze das tut es auch.“ Er trat gänzlich von der Klinge und studierte eingehend ihre Position. Es würde wahrlich ein Kraftakt werden. Körperlich, wie auch auf sein Können bezogen. „Yi Ling.“ Er wandte sich Lan Zhan zu, der etwas aus dem Beutel an seinem Gürtel zog und ihm darreichte. Yi Ling lachte etwas verblüfft. „Lan Zhan, willst du mir sagen, dass ich unter die Mönche gehen soll, wenn das hier überstanden ist? Ich glaube nicht das…“ „Es wird helfen dein yuàn qì unter Kontrolle zu halten, sollte es notwendig werden. Drachenblutperlen absorbieren negative Energien. Sie stärken zudem Beherztheit und Selbstvertrauen.“, erklärte man ihm. Yi Ling nahm die Gebetskette an sich und ließ die tiefroten Perlen, deren Farbe im Licht der Sonne ein mystisches Funkeln zeigten, durch seine Finger gleiten, wo sie folglich über die Malamünze streiften, welche von einem eleganten Wolkenmotiv geprägt war. „Du hast an alles gedacht, hm?“ Er fühlte sich merklich bewegt über diese Geste und es machte ihn ungewohnt verlegen. „Wenn du es schon nicht tust.“, zog ihn Lan Zhan tatsächlich auf, auch wenn seine Stimme neutral und sein Gesicht gewohnt unbewegt blieb. Dann nahm dieser ihm die Kette wieder aus den Fingern und legte sie ihm schließlich um den Hals. Ebenso eine Geste die ungewohnt feinfühlig erschien. „Danke.“, ließ er ihn ehrlich wissen, anstatt dem angelernten Impuls eines weiteren, albernen Kommentars zu folgen. Und da er eindeutig schon genug Zeit vergeudet hatte, machte er sich schließlich ans Werk. Es war gut das der Berg nicht weiter bewohnt oder bewirtschaftet wurde, war es ein reichliches Spektakel, als all die gesetzten Samen der Zitan Bäume in kürzester Zeit und mit Unterstützung der Drachenschuppe, sowie der Waldseelen, unter einem Grollen, das den Berg zum Vibrieren bringen musste, himmelwärts preschten und sich kräftige, meterhohe Stämme bildeten, mit Kronen die im satten, dichten Blattgrün leuchteten. Die Magie die er ihnen zuvor zugeführt hatte pulsierte in einem klaren, ungestörten Strom durch ihr Holz. Ein Schutz der dafür sorgte, dass man sie nicht ohne Einwirkung weiterer Magie würde brechen können. Yi Ling holte ebenso viele Talismane, wie sie hatten Bäume wachsen lassen hervor, die er als Ankerpunkte an den Zitanen befestigen würde, um das Siegel daran spannen zu können. Mit einem tiefen Durchatmen sammelte er sich. „Sei vorsichtig. Ich werde da sein, wenn du mich brauchen solltest.“, versicherte ihm Lan Zhan und es war erleichternd zu wissen. Yi Ling konzentrierte sich auf die Talismane, die er in gleichen Bündeln, um das Jadegefäß mit der Drachenschuppe gelegt hatte. In einem Wirbel sogen diese sich mit líng qì voll, dass er sie darauf zu ihren Zielen befehligte. Es war nicht schwer, den sich bildenden magischen Ring, der sich damit um den See legte, zu erfühlen, war die pralle Energie spürbar, wie eine Berührung. Sobald der Kreis sich geschlossen hatte, zeichnete Yi Ling mit raschen, geübten Fingerstrichen das Siegel in die Luft und befehligte es nach Komplettierung mit seiner Handfläche über das Jadegefäß, so dass dieses sich im Zentrum davon befand, bevor er das Siegel mit einem kraftvollen Vorschnellen seiner Hand nach unten drückte. Das Gefäß zerbrach, wie es gedacht war und ließ das líng qì sich wie flüssiges Metall durch das Siegel ziehen, bis es zu seiner Vollendung gebracht wurde. Es war fast unerträglich sich in unmittelbarer Nähe solch geballter Energie zu befinden, obwohl das Siegel sie in seine Form eingeschlossen hielt, die Kraft dahinter es ebenso in seine notwendige Größe dehnte, bis es sich über den gesamten See erstreckte. Der bloße Kontakt mit dieser Schuppe hätte einen wohl schlicht wie Papier im Feuer zu Asche zerfallen lassen. Eine Erkenntnis, die ihn mit einem abrupten Panik-Hoch versah, welches seinen Körper mit Energie pushte, wodurch er die enorme Anstrengung, das Ritual weiterzuführen, kaum wahrnahm. Das Siegel sank wie ein gleisender Stempel auf das Wasser zu. Was Yi Ling jedoch nicht bedacht hatte war, das sein Siegel stark genug wäre, um die ausgedehnte Aura von Bichen zum Splittern zu bringen. Mit einem erschrockenen, tonlosen Laut verlor er unerwartet den Halt unter seinen Füßen. Sein Fall war vom Jaulen des Windes begleitet und dem peitschenden Flattern seiner Robe. Das Heranschnellen der Wasseroberfläche, ließ ihn seine Augen zusammenkneifen. Es war nicht das schlimmste Ende, das er hätte finden können, noch das Nutzloseste, sollte sein Plan erfolgreich sein. Ein etwas schmerzhaftes Rucken erfasste seinen Körper, der, so wie er kurz darauf feststellen konnte, nicht mehr zu fallen schien. Das nächste was er wahrnahm war der vertraute Geruch von Sandelholz und der sichere Halt um seine Hüfte und seinen Oberkörper. Seine Augen öffneten sich mit einem Schmunzeln, doch da er sich mit dem Rücken an Lan Zhan´s breite Brust gedrückt befand, konnte er es ihm nicht präsentieren. „Ah, Lan Zhan, du bist also doch der romantische Typ.“, konnte er sich nicht verkneifen von sich zu geben, worauf sich die Arme um ihn leicht lockerten, dass er sich hektisch an diesen festhielt. „Okay, okay, dann eben kein Romantiker. Nur der gute, alte, mürrische Lan Zhan.“ Sie landeten am Ufer und Yi Ling sackte schlicht mit einem erschöpften Stöhnen in sich zusammen. Er fühlte sich plötzlich so ausgelaugt und müde, dass es ihm egal war, würde er hier auf dem groben Kies einschlafen. Lan Zhan jedoch zog ihn wieder auf die Beine, das es ihn ein wenig erfreutes Jammern entlockte. „Lass mich einfach hier liegen. Ich will nicht laufen, oder Himmel bewahre, auf ein Schwert. Hier ist es gut…perfekt…ěi Lan Zhan hörst du mir überhaupt zu…“, moserte er, als man ihn nicht wieder losließ. Dann verlor er abermals den Halt unter den Füßen und zog überrumpelt die Luft ein, nur um sich daraufhin auf Lan Zhan´s Arme genommen zu sehen, als wäre er eine hilfebedürftige Maid. Es fühlte sich in jenem Moment gar nicht so schlecht an, das er auch keinen Protest darüber von sich gab, sondern die Situation einfach annahm, natürlich nur, weil er schlicht zu müde war. „Das ist wirklich eine stattliche Brust.“, merkte er in einem Murmeln an, während er seinen Kopf dagegen lehnte und diese mit einer Hand leicht tätschelte. Einen Moment blieb es still, nur die sachten Schritte von Lan Zhan auf dem Kies waren zu hören. Er war beinahe schon weggeschlafen als es ihn traf, doch er nur noch Energie für ein paar Worte erübrigen konnte. „Lan Zhan, hat es funktioniert?“ Es sollte irgendetwas ersichtlich sein, selbst wenn es nicht geklappt haben würde. „Mn. Es macht den Anschein.“ Yi Ling raunte vorerst erleichtert. „Yi Ling hat gute Arbeit geleistet.“, meinte er noch zu hören, und auch wenn er es sich in seinem Tran nur eingebildet haben sollte, ließ es ihn zufrieden grinsen. „Ich bin eben unvergleichlich…“, murmelte er oder dachte es sich nur, doch der Fakt blieb so oder so bestehen. „Das ist er.“, strich es ihm in einem zutraulichen Wispern um den schlaftrunkenen Geist und es ließ das Lächeln auf seinen Lippen verweilen. Kapitel 20: ------------ Es stellte sich heraus, dass die Reinigungsprozedur tatsächlich funktioniert hatte. Auf Yi Ling´s großspurigen Kommentar, das er eben ein Genie sei, rollte Wen Qing nur mit den Augen, doch hatte er das seichte Lächeln auf ihren Lippen gesehen, als sie endlich wieder zurück in das Dorf kehren konnten. A-Yuan hatte die gesamte Situation wirklich wie ein Großer gemeistert und das ließ er diesen auch gerne wissen, als er ihn in eine feste Umarmung nahm und sich ein paar Mal mit ihm im Kreis drehte, dass es diesen freudig quieken ließ. Kleiner Apfel hatte sich ebenso eine Belohnung verdient gehabt und steckte seinen gesamten Kopf übereifrig in die Schale mit süßem Apfelbrei, die Großmutter Wen extra für ihn zubereitet hatte. Yi Ling gab ein zufriedenes Raunen von sich, während er im Gras auf einem der Hügel nahe des Dorfes lag und im Schatten der Bäume döste. Lan Zhan hatte sich angeboten den Sonnenbrüter zu untersuchen, was dessen Yin-Infektion anbelangte, und die Waldseelen schienen nun Vertrauen genug in sie zu haben, das sie es zuließen. Es waren erst zwei Tage, von denen er vor Erschöpfung eineinhalb verschlafen hatte, doch gab der See schon eine wesentlich gesündere Aura von sich und er war guter Hoffnung, das sich das Leben darin wieder ausbalancieren würde. Allerdings war die Ursache für die Verseuchung damit nicht abgestellt. Sein Siegel war nur eine Gegenmaßnahme. Um wirklich sicher zu gehen, sollten sie versuchen den Ursprung dafür zu finden und wenn möglich ihn auch beheben. Es sollte nicht so schwierig sein. Wenn sie herausfinden konnten, wo der Fluss an der Oberfläche entlangfloß, bräuchten sie ihm nur weiter Stromaufwärts folgen. Lan Zhan konnte sicherlich bei den Waldseelen erfragen, ob sie ihnen den richtigen Weg weisen könnten. Seine Finger streiften gedankenverloren über die Drachenblut-Perlen, die ihm Lan Zhan umgelegt hatte. Ihre Wirkung war nicht zu leugnen und es ihm klar, dass diese Kette einen ungemeinen spirituellen Wert besaß. So etwas kaufte man nicht an einem Straßenstand, noch gab man es einfach so weg. Das Emblem das die Mala-Münze zierte ließ ebenso darauf schließen, dass es ein Clan Wertstück war. Es war amüsant sich vorzustellen, das Lan Zhan es, wie ein rebellischer Quertreiber, klangheimlich entwendet haben könnte. Aber Lan Zhan hatte darauf bestanden, dass er sie behalten solle, als er angesetzt hatte sie ihm zurückgeben zu wollen. Vielleicht fühlte er sich damit auch etwas entspannter, wenn es um seine yuàn qì Kontrolle ging. Es war ein Bonus, das die Perlen in seiner Lieblingsfarbe waren. *** A-Yuan und Kleiner Apfel schauten gleichwertig unglücklich, als sie sich wenige Tage später, nun wieder auf den Weg machten, um dem Fluss zu folgen. Besser sie kümmerten sich bei Zeiten um dieses Problem, bevor es noch anderweitig zu einem unkontrollierbaren Ärgernis werden würde. Sie ließen Kleiner Apfel im Dorf, war nicht abzusehen, was für Gefahren ihnen auf ihrer Mission bevorstanden. Hier wäre es sicher und ein guter Spielkamerad für A-Yuan, waren die beiden nur noch unzertrennlicher geworden. Yi Ling wuschelte A-Yuan zum Abschied liebevoll durch die dunklen Haare und tätschelte den Kopf von Kleiner Apfel in derselben sanften Geste. Dann straffte sich seine Haltung und er legte seine Hände auf den Rücken, während er wie ein General vor seiner Armee auf und ab schritt. „Ihr zwei habt die Aufgabe auf das Dorf Acht zu geben, verstanden?“, wies er in einem ernsten Ton an, der anzeigen sollte, wie wichtig dieser Auftrag war und es war schon allerliebst zu sehen, das sich A-Yuan nun ebenso etwas grader hinstellte und eifrig auf seine Worte nickte. „Ihr zwei habt großen Mut bewiesen; Lan Zhan und ich sind gewiss, das wir uns auf euch verlassen können. Also haltet die Stellung, bis wir wieder zurückkommen.“ A-Yuan gab ein seriöses „Verstanden, Yi gē ge!“, von sich und es ließ Yi Ling innerlich hingerissen jauchzen. „Wir verlassen uns auf euch.“, meinte Lan Zhan darauf ebenso gewichtig, das es Yi Ling ein leichtes Lächeln auf die Lippen trieb, das dieser in seine kleine Ansprache mit einstieg. Dann wandte sich Yi Ling an Wen Qing und Wen Ning, die sie ebenso bis an die Grenze des Dorfes gebracht hatten. „Passt auf euch auf.“ Wen Qing knuffte ihn darauf etwas derb gegen den Oberarm. „Das solltest du dir selbst zu Herzen nehmen.“, meinte sie bedeutungsschwer und mit einem kritischen Blick, dem er mit einem überspielenden Räuspern auswich. „Wenigstens brauchen wir uns nun keine allzu großen Sorgen mehr machen, mit Lan lǎo ye (respektvolle Anrede; Lord oder Meister) in deiner Nähe.“ Yi Ling grinste albern darüber. „Was nicht heißt, dass du seine Geduld überstrapazieren sollst!“, wies sie ihn sogleich wieder zurecht und kniff ihn in die Seite, dass es ihn leidlich japsen ließ. „Ich doch nicht.“ Ihr ergebenes Raunen sprach für sich, doch zog sie ihn dennoch in eine kurze Umarmung. „Wen Ning, nun schau nicht so. Ich bin schneller wieder zurück, als dir lieb sein wird.“, richtete er sich schließlich an ihn und umarmte diesen fest und mit einem freundschaftlichen Klopfen auf den Rücken. „Ich freue mich auf eure Rückkehr Meister Yi.“ Yi Ling raunte begrüßend über diese Worte. „Wenigstens einer, der es ehrlich ausspricht.“, meinte er mit einem verstohlenen Blick zu Wen Qing. Diese schnalzte genervt mit der Zunge und gab ihm einen Schubs. „Nun geh schon, du wirst schließlich auch nicht jünger.“ „Aber dafür attraktiver, stimmt´s nicht Lan Zhan?“ Wen Qing raunte erneut. Lan Zhan wandte sich mit einer verabschiedenden Verbeugung an die Geschwister und ließ ihn ohne einen Kommentar stehen. „Āi, Lan Zhan! Ich weiß du bist nur zu schüchtern um mir zuzustimmen.“, rief er, bevor er ihm nachsetzte, sich aber noch einmal umdrehte um zurückzuwinken. „Bist du sicher, dass du schon wieder gehen solltest? Ich könnte allein nach dem Fluss suchen.“, hörte er Lan Zhan sich bei ihm erkundigen, als das Dorf außer Sichtweite geriet. „Sie kommen klar. Wen Qing und Wen Ning können kleineren Ärger gut allein regeln.“ „Wēn Qiónglín. Du vertraust ihm uneingeschränkt?“ Yi Ling schwieg einen Moment, hatte er sich denken können, das Lan Zhan dieses Thema trotz allem nicht einfach zur Seite geschoben hatte. „Er ist ein guter Kerl. Ich denke, das hast du selbst erkennen können.“ Yi Ling scheute sich nicht, sich verteidigend zu zeigen. „Auch bevor…bevor er zu dem wurde. Er war der liebenswerteste und schüchternste junge Mann der mir je begegnete. Das komplette Gegenteil von seiner dominanten Schwester. Aber sag ihr nicht, das ich das gesagt habe, ok?“ Lan Zhan erwiderte nichts darauf, doch war klar, dass er noch immer eine erklärende Antwort erwartete. „Das Dorf der Wens, bevor sie hierhergekommen sind, wurde geplündert und niedergebrannt. Es passierte über Nacht, und kostete viele Leben. Darunter auch das der Eltern von A-Yuan. Ich kannte das Dorf. Besuchte es, wenn ich wieder einmal in der Gegend war, da man einen stets willkommen hieß. Es war der Morgen, nach dem Angriff, als ich es in Schutt und Asche vorfand. Ich suchte nach Überlebenden, fand aber nur noch die verbrannten Überreste einiger Bewohner. Doch ich wollte die Hoffnung nicht aufgeben und suchte in den umliegenden Wäldern weiter. Ich fand Wen Qing und die anderen, in einer Höhle. Sie waren alle in schlechter Verfassung, körperlich wie auch mental. Wen Ning war zu jener Zeit kaum noch am Leben. Er hatte versucht seinen Leuten, die Flucht zu ermöglichen, und dafür wurde er übel zugerichtet. Ich habe Wen Qing keine große Hoffnung gemacht, ihm noch helfen zu können, egal wie sehr sie mich auch anflehte etwas zu tun.“ Yi Ling schaute einen Moment stumm in den azurblauen Himmel. „Sie ist eine clevere Frau. Sie wusste, dass ich nicht der simple Wanderer war, der ich immer vor gab zu sein. Spätestens, als sie eine Verletzung von mir hatte behandeln wollen. Es war dasselbe wie mit Lìn Pòsuǒ. Ihr konnte ich auch nichts vormachen. Am Ende versuchte ich was ich konnte, selbst nicht sicher, was das Ergebnis sein würde, doch es war besser als ihn einfach nur sterben zu lassen. Wen Ning erzählte mir später, das die Plünderer auf der Suche nach etwas gewesen waren. Gingen sie davon aus, das ein Dorf mit Wen Familien, wenigstens eines von Wen Mao´s oder Wen Ruohan´s Artefakten versteckt halten könnte. Eine völlig widersinnige Annahme, doch gingen sie gnadenlos mit den Bewohnern vor. Es hat Monde gedauert, doch es hat sich ausgezahlt. Wen Ning hat selbst meine Erwartungen übertroffen. Er ist der erste seiner Art, etwas das für ihn gefährlich werden kann, sollte herauskommen was er ist. Ich zweifle nicht daran, dass es genug machtgierige Finger gibt, die ihn nur zu gern, ihr Eigen nennen möchten. Nichts weiter in ihm sehen würden, als eine emotionslose Waffe. Wen Ning ist viel zu gutmütig, doch wird er nicht zögern die, die ihm wichtig sind, mit allem zu verteidigen, was er hat. Und wie ich schon erwähnte; sollte etwas mit ihm passieren, merke ich es sofort. Sein Yin, ist das meine und somit steht er auch unter meiner Obhut.“ Er hoffte seine Worte reichten aus, um Lan Zhan soweit zu beruhigen, das er nicht dennoch darauf bestand, Wen Ning unter Verschluss stellen zu müssen. „Ich werde dir damit vertrauen.“, hörte er ihn nach einer Weile des Schweigens sagen und es machte Yi Ling das Herz überraschend leicht, hatte er zuvor gar nicht gemerkt, wie wichtig ihm dessen Zuspruch wirklich war. *** Qīngshuǐ Tāodài (Clear water silk ribbon) war eine beschauliche kleine Stadt, nicht unweit vom Fuß des Berges den sie herabgekommen waren und die ihren Namen zurecht trug. Ein schmaler Wasserlauf, wie ein seidenes Band, zog sich durch die Mitte des Ortes, über welchen sich halbrunde hölzerne Brücken bogen, die mit bunten Bändern geschmückt waren und Qīngshuǐ Tāodài damit einen eigenen Charme verliehen. Es ging keine Yin Präsenz vom Wasser hier aus, dass dessen Quelle nicht mit dem unterirdischen Fluss in Verbindung gebracht werden konnte. Die Seiten des Wassers waren mit weißem Stein befestigt worden, welche einen angenehmen Kontrast zu den dunkel gehaltenen Häuserfronten bot. Lotus-Mond war in den Orchideen-Mond (1) übergegangen, ohne das es Wangji wirklich für sich wahrgenommen hatte, doch war die ansteigende Hitze und Schwüle Zeichen dafür, das der Sommer sich voll entfaltet hatte. Man schöpfte Wasser auf die trockenen Straßen, um den Staub zu bändigen, der sich sonst über Waren und Kleidung legte, ging es um diese Tageszeit recht rege zu. Yi Ling gab ein weiteres Jammern über seine zerrissenen Hanfu (chin. Gewandung) von sich und zupfte unglücklich an diesem herum. „Er war mein liebstes Stück, wo finde ich einen Ersatz, der so gekonnt meine Figur betont und trotzdem robust genug ist, für all die wilden Abenteuer die uns noch bevorstehen?“ Yi Ling seufzte theatralisch über sein Schicksal. Dabei war er selbst daran schuld, dass ihn dieses Malheur passiert war. Kurz bevor sie Qīngshuǐ Tāodài erreichten, hatte dieser einen Baum mit wildwachsenden Pfirsichen ausgespäht und war entschlossen, ihnen welche als Reiseproviant zu pflücken. „Sie mögen nicht besonders schön aussehen, aber ich garantiere dir, dass sie ausgezeichnet schmecken.“ Mit diesen Worten war er auch schon auf seiner Mission, den Stamm hinaufzuklettern, als er ihm sagte, dass es einfacher wäre, würde er auf seinem Schwert dieses Hindernis übergehen. „Wo liegt denn da der Spaß drin?!“, hatte dieser regelrecht empört gemeint und er ihn schließlich seinen Trotz ausleben lassen. Der Baum war hoch genug, das es etwas Geschick bedurfte sich durch das Geäst zu bewegen, um an die vollsten Früchte heranzukommen. Yi Ling ignorierte seinen Einwand, dass sie nicht so viele würden mitnehmen können, wie dieser einsammelte, schien ihn aber in seinen nahezu kindlichen Eifer komplett zu ignorieren. Am Ende waren dessen Ärmel voll und schwer genug, das der Ast der ihn trug aufgab und dieser sich nicht mehr rechtzeitig hatte irgendwo festhalten können, mit all den Früchten die seine Arme ebenso nach unten zogen. Einzig ein, „Lan Zhan! Fang mich!“, war zu hören gewesen. Und als er diesen dann gefangen hatte, war dessen erheitertes Lachen etwas, das den gesamten Wald um sie herum ausgefüllt hatte. Erst als er den Schaden an seinem Gewand mitbekam, wechselte seine überschwängliche Stimmung in Weinerlichkeit. So gesehen war dessen Hanfu schon recht abgetragen gewesen, was den Stoff dünn und anfällig gemacht hatte und es wohl nur eine Frage der Zeit darstellte, bis er ihm zerrissen wäre, das auch das Flicken nicht mehr viel ausrichten würde. Abermals hörte er ihn seufzen, bevor dieser mit einem mürrischen Gesicht in einen der Pfirsiche biss, die er aus seinem Beutel gefischt hatte. Sein Ausdruck nahm darauf etwas Zufriedenes an, bevor dieser ihm den Pfirsich vor die Nase hielt. „Hier probiere, der ist wirklich gut. Selbst eure Götter-Pfirsiche werden da nicht mithalten können.“, gab dieser überzeugt von sich und schob ihm die angefangene Frucht etwas näher ins Gesicht. Es war eine flegelhafte Geste etwas bereits Angebissenes weiterzureichen, wenn es nach den Sitten seines Clans ginge, was ihn weiter unwillig auf die Frucht schauen ließ, ohne dass er sie entgegennahm. „Lan Zhan, nun stell dich nicht so an, oder hast du Angst das man uns für ein Liebespaar halten könnte? (2)“ Dieser wippte albern mit den Augenbrauen und grinste süffisant. Wangji schenkte ihm einen Blick der ausdrücken sollte, dass er sein Gerede für Nonsens hielt. „Warum sollte man das tun?“, hakte er mit irritierter Stimme nach, was Yi Ling mit einem leicht überraschten Ausdruck quittierte, er aber schnell wieder zu seinem breiten Feixen zurückfand. „Ach Lan Zhan, so rein und unverdorben.“ Er lachte folglich in dieser aufziehenden Art. „Nun? Immerhin habe ich dafür mein Leben riskiert.“ Wangji seufzte innerlich über dessen nervige Beharrlichkeit. „Einen anderen.“, forderte er und hielt Yi Ling eine offene Hand vor. „Der Herr ist sich nur zu fein, huh?“, moserte dieser, aber reichte ihn schließlich eine neue Frucht. Yi Ling hatte Recht. Der Pfirsich war süß und aromatisch, etwas das ihr blasses und etwas fleckiges Äußeres nicht vermuten ließ. „Akzeptabel.“, war seine Antwort auf dessen erwartungsvollen Ausdruck, doch schien Yi Ling sein Zuspruch nicht der richtige zu sein, schnaufte dieser ungläubig. „Genussblinder Schnösel.“, murrte dieser und stapfte voran. (1)In China gab es versch. Möglichkeiten wie man die Monate benannte. Neben den Namen der 12 chin. Sternzeichen, gab es auch die Variante sich an der Natur zu orientieren. Hier zum Beispiel, ist der Zeitraum vom 21 Juni bis 23 Juli der Lotus-Monat. Das Schriftzeichen für Monat und Mond ist das gleiche, deswegen habe ich mich für den Begriff Lotus-Mond entschieden, da ich es für meine Story schöner fand. (2)“the bitten peach” oder “the pleasure of the bitten peach” war im alten China eine Umschreibung für Homosexualität. Genau wie „Cute sleeve“ zu einem Begriff für eine homosexuelle Person wurde.   Wangji entging nicht, das sich Yi Ling eingehender umschaute, als sie die lebhafte Hauptstraße mit den Geschäften und Verkaufsständen durchquerten, sein Blick zu scharfsinnig, als das ihn einfach nur die angebotenen Waren locken würden. Ein Junge, nicht älter als 12 lief an ihnen vorbei, und schaute begeistert auf etwas das er in seiner Hand hielt, wobei er fast in sie hineinstolperte. Wangji erkannte es als die kristallartige Silhouette eines Hasen an einem dünnen Holzstäbchen. „Du siehst aus, als wolltest du auch einen.“, vernahm er Yi Ling´s heiteren Hinweis der seinem unbewussten Blick, dem Jungen nach, gefolgt war. Wangji schüttelte seinen Kopf abtuend, während er sich wieder umwandte. „Unnötig.“, unterstrich er dies noch, doch durfte er feststellen, das Yi Ling nicht mehr an seiner Seite war, was ihn suchend über die Menge schauen ließ. Er fand ihn, nicht unweit an einem der Straßenstände, nahe am anderen Ufer vor, ein flirtendes Lächeln auf den Lippen, das er an die junge Frau dahinter gerichtet hielt. Sie schien etwas verschämt. Yi Ling sagte etwas zu ihr in der gleichen flirtenden Manier und Wangji fühlte sich unerklärlich stehengelassen. Es war nicht das erste Mal, das Yi Ling einfach auf und davon war, noch dessen Liebäugeln mit den Frauen. Eine solche Gefühlsregung sollte nicht das Resultat darauf sein. Verwirrt wendete er sich von dem Schauspiel ab. Seine Aufmerksamkeit erfasste ein Schild, das auf ein Geschäft für Schriften und Bücher hinwies und ihm eine willkommene Ablenkung bot, sobald er es betrat. Es war ruhig und roch nach Pergament und dem lackiertem Holz der Regale. Wangji fühlte sich sofort ausgeglichener. Eine weitere Sache, die er neben dem guten Tee seiner Heimat, auf dieser Reise vermisste, war der Pavillon der Schriften. Es war für ihn stets ein meditativer Ort gewesen. Ein Ort der ihn mit Wissen und beständiger Neugier auf die Welt angefüllt hatte. Deswegen war es auch kein Mühsal gewesen sich auf Wanderschaft zu begeben. Im Gegenteil, es hatte ihn mit Erwartung versehen. Wangji schaute sich interessiert um, in der Hoffnung etwas zu finden, das sein Interesse wecken würde können. Er war fast allein hier. Einzig ein junger Mann, in vornehmerer Kleidung und einem faltbarem Fächer, den ein Landschaftsmotiv in Tusche zierte, und mit welchem dieser sich über seiner eigenen Suche hier Luft zufächelte, war zu sehen. Wangji war gerade dabei nach einem Gedichtband in einer der obersten Ablagen des vor ihm befindlichen Regals zu greifen, als man die Tür des Shops schwungvoll aufschob, dass diese in ihrem Rahmen wackelte. „Lan Zhan!“, drang es darauf empört durch die Stille, gefolgt von lauten Schritten. „Es ist wirklich anstrengend dich zu befriedigen!“, zog sich Yi Ling´s viel zu laute Stimme durch den Raum. Etwas ging mit einem dumpfen Klatschen im Hintergrund zu Boden, dem er allerdings nicht weiter Beachtung schenkte, tauchte Yi Ling nun vor ihm auf, einen tadelnden Zeigefinger in der Luft. „Erst verweigerst du meinen Pfirsich und dann läufst du mir davon, wenn ich versuche dir etwas Gutes tun zu wollen!“, wetterte dieser nicht ungleich einer aufgebrachten Ehefrau. Erneut rumorte es hinter dem Regal, als würde man eilig etwas zusammenräumen, als Yi Ling ihm mit besagten Zeigefinger trotzig gegen die Brust stippte. „Was hast du dazu zu sagen?“, forderte dieser unsinnigerweise zu wissen, als wäre es nicht er gewesen, der in der Menge verschwunden war. „Bezieht sich das; mir etwas Gutes tun zu wollen, darauf, mit jungen Frauen zu flirten?“ Es mochte kühler klingen als berechtigt erschien, immerhin hatte sich Yi Ling nicht vor ihm für seine Vorlieben zu rechtfertigen. Schließlich war er es der beschlossen hatte ihm weiterhin zu folgen, in seinem Anliegen die Quelle für die Verunreinigung des Sees zu finden. Yi Ling sagte zuerst nichts, sondern schaute ihn nur mit einem abmessenden Ausdruck an, bevor er wieder ein Grinsen aufsetzte. „Eifersüchtig, das ich so gute Chancen mit den Frauen habe?“ Wangji war nach einem schnippischen Schnaufen. „Es gibt Wichtigeres. Oder nicht?“ Yi Ling raunte mit einem Augenrollen. „Ich sehe schon. Dann willst du das hier dann wohl nicht haben, da es nicht unter Lebensnotwendig fällt, hm?“ Dieser hielt ihm eines dieser Stäbchen vor, das er vorhin bei dem Jungen hatte sehen können. Darauf befand sich ebenso eine dieser filigranen Hasenform. Yi Ling schmunzelte, hatte er seinen interessierten aber unentschlossenen Gesichtsausdruck offensichtlich nicht übersehen. „Es nennt sich táng huà (Sugar Painting).“, erklärte dieser ihm, und hielt ihm das Stäbchen, trotz seiner vorangegangenen Entscheidung, es ihn nicht geben zu wollen, etwas nachdrücklich entgegen. Wangji nahm es ohne weiteres Zögern in seine Finger und beschaute sich das Gebilde eingehender. „Du kannst es ruhig probieren.“ Wangji verengte seine Augenbrauen über diese Aufforderung, fand er es schon schade darum. „Ich nehme es mit mir.“, meinte er knapp, zog ein Tuch aus seinem Ärmel in das er es wickelte und dann dort wieder vorsichtig verstaute. Yi Ling´s Schmunzeln wechselte in ein Schmollen. „Was, und keinen Kuss auf die Wange für meine Mühe? Ich musste meine besten Komplimente herausholen, um es günstiger zu bekommen.“ Ah, das war es also, wobei er Yi Ling vorhin hatte beobachten dürfen. Wangji sagte zu beidem nichts, nahm das Buch das er herausgesucht hatte jedoch mit und schritt stumm an diesem vorbei, um es bezahlen zu gehen. „Lan Zhan!“ Es war schwer das Lächeln, das an seinem Mundwinkel zupfte wieder zu schulen, als Yi Ling zu ihm aufschloss und weiter über seine Undankbarkeit vor sich hin lamentierte. „Okay, ich muss noch ein paar Besorgungen machen. Also sagen wir, das wir uns in diesem Gasthaus…“ Yi Ling deutete auf das Gebäude in Wangji´s Rücken, „…wiedertreffen.“ Wangji schenkte ihm einen skeptischen Blick. „Nun schau nicht so. Ich brauche ein neues Gewand und ein paar andere Kleinigkeiten.“, versuchte er sein Anliegen zu begründen, doch wusste Wangji, das das nicht alles war, was dieser vorhatte. „Wie gedenkst du diese Dinge bezahlen zu wollen?“ Yi Ling hatte gerade noch gejammert seine letzten Münzen für das táng huà gegeben zu haben, was seine Besorgungen zweifelhaft erscheinen ließen. Das ertappte Schnalzen mit der Zunge, verriet Yi Ling´s Unmut erwischt worden zu sein. „Es gibt immer irgendwo etwas zu verdienen.“, meinte dieser mit Trotz in der Stimme und es dämmerte Wangji, was dieser damit anspielen mochte. Wahrscheinlich hatte er sich deswegen auch vorhin so intensiv umgesehen, ob er hier einen Platz finden konnte, wo es leichtes Geld zu verdienen gäbe. Er erinnerte sich noch gut an das letzte Mal und griff nach dem Seiden-Säckchen in seinem Robenärmel. „Ist dies ausreichend?“ Er gab es an Yi Ling weiter, der es mit Argwohn öffnete und darauf einen lauten, ungläubigen Laut von sich gab, der kurz Blicke auf sie lenkte. „Wo…woher hast du das?“ Dieser lehnte sich so nahe zu ihm, das er dessen Atem an seinem Ohr wahrnehmen konnte und ein Kribbeln spürte, als dieser zu flüstern begann. „Du hast doch nicht etwa wen bestohlen? Lan Zhan, das würde mir ehrlich das Herz brechen.“ Im Gegensatz zu seinen Worten, klang er keineswegs betroffen. „Unsinn!“, wies er diesen zurecht. „Mein Bruder überließ es mir bei meinem letzten Besuch.“ Wangji war nicht wirklich überrascht gewesen, als er in dem Beutel, den sein Bruder für ihn zurechtgelegt hatte, auch dieses Säckchen mit Münzen darin vorfand. Yi Ling raunte verstehend. „Ich würde deinen Bruder eines Tages wirklich gern einmal persönlich treffen wollen.“ Man stieß ihn in einer rauen, doch unter Menschen wohl freundschaftlich gemeinten Geste, mit dem Ellenbogen etwas in die Seite. „Er kann mir bestimmt auch ein paar peinliche Geschichten zu seinem kleinen, störrischen Bruder erzählen.“ Unlauteres Gerede war verboten in ihren Kreisen, doch konnte er sich vorstellen das Xichen einen Weg finden würde, es als etwas anderes auszulegen. Nicht aus Böswillen, sondern weil es ihn erfreuen würde solche Geschichten mit Wangji´s einzigem Freund teilen zu können. Und es verstörte ihn, sich vorzustellen, dass dieser solche Dinge ausgerechnet Yi Ling erzählen mochte. „Bruder ist viel beschäftigt. Solch eine Gelegenheit mag sich daher nicht einrichten lassen.“, versuchte er Yi Ling den Wind aus den Segeln zu nehmen, doch verriet ihm dessen spitzbübischer Gesichtsausdruck, das er sich so leicht nicht würde entmutigen lassen. Am Ende war die Wahrscheinlichkeit, dass die beiden sich persönlich begegnen würden, tatsächlich recht gering. Xichen verließ Gusu seltener, nun wo er Clanführer werden würde, was hieß das ein Treffen der beiden nur möglich erschien, würde Yi Ling die Wolkenschlucht besuchen. Wangji glaubte nicht, dass dieser dafür gewappnet sei, noch dass Onkel und die Ältesten es begrüßen würden, sollte Wangji einen Außenseiter mit sich bringen. Und doch, so stellte Wangji für sich fest, würde er Yi Ling seine Heimat gern einmal zeigen wollen. Warum war ihm nicht wirklich bewusst, hatte so etwas weder Zweck noch Nutzen. Aber vielleicht war es etwas das Freundschaft in einem bewirkte? Yi Ling hatte ihn ohne Zaudern zu seinem zu Hause mitgenommen und man hatte ihn wirklich umstandslos dort aufgenommen. Womöglich war es der Gedanke, dass er es ihm gleich tuen wollte, um zu zeigen, dass er es wertschätzte, dass dieser ihm in dieser Hinsicht ohne weiteres vertraut hatte. Er sagte nichts weiter dazu, wusste er in jenem Moment auch nicht was er noch hätte dazu erwidern sollen. Stattdessen entdeckte er einen Händler der Stoffe und Kleidung anbot. Er nahm das Säckchen aus Yi Ling´s Hand, der dies mit einem unglücklichen Laut auffasste, als habe er ihn schlicht vorgeführt mit der Aussicht ihm Geld überlassen zu wollen. Dennoch schritt er unverzagt voran. Warf einzig einen auffordernden Blick über seine Schulter auf Yi Ling, der ihm schließlich mit trotzig aufgeblasenen Backen folgte. Es war eine ungewöhnliche Erfahrung jemandem beim Einkauf neuer Kleidung zu begleiten. Yi Ling zupfte an Stoffrollen herum, um sich von der Qualität ein Bild zu machen, oder sich eine Bahn davon anzuhalten, ob die Farbe oder das Muster seinem Geschmack entsprechen würden. „Auf den kritischen Blick des Verkäufers, hatte Yi Ling nur auf Wangji gedeutet und gemeint das er den schweren Geldbeutel besitze und das er nicht knauserig sein würde, sollte er etwas finden was ihm gefiel. Wangji hatte das Abmessen des Händlers seiner Person, mit einem kühlen Blick erwidert, bis dieser das Geldsäckchen in seiner Hand erblickt hatte und sich wohl damit zufrieden gab, das er womöglich doch ein gutes Geschäft mit ihnen machen könnte. „Lan Zhan, was sagst du dazu?“ Wangji mochte gern behaupten wollen, das er nicht damit vertraut war, das Yi Ling ihn fragte, wie ihm etwas stand, doch war der Unterschied diesmal, dass es keine Frauenkleider waren. Dieser trat in einem Dashang, (äußere, offene Robe mit weiten Ärmeln) der die Farbe von reifen Pflaumen trug und durchweg mit einem Lotusmuster verziert war, vor ihn. Yichang (Oberteil mit Kreuzkragen und Rock) in einem etwas milderen, doch harmonischen Fliederton. Die Schärpe um seine Taille aus schwarzem Leder mit silbernen Ringornamenten. Yi Ling breitete seine Arme aus und drehte sich für eine Gesamtansicht vor ihm. Es war keine unansehnliche Gewandung, doch konnte er die Farbe nicht mit Yi Ling in Harmonie bringen und schüttelte schlicht den Kopf. Yi Ling spitzte wenig erfreut die Lippen. Das nächste Ensemble war in Sturmgrau, mit weißer Blüten-Stickerei am Saum des Chang (Rock). Der Banbi (kurzärmlige Jacke) war ebenso mit filigraner Handarbeit versehen die zwei Phönixe zeigte die sich über die Schultern legten. Das Yi (Oberteil mit Kreuzkragen) wie auch der seidene Bindegürtel war in ebenso in einfachem Weiß gehalten. Wangji schaute überlegend, was hieß das seine Brauen zusammengezogen und seine Augen etwas verengt waren. Es schien schon auszureichen, um Yi Ling ein ergebenes Seufzen zu entlocken und er sich, ohne eine Antwort abzuwarten, wieder abwandte. Er versuchte sich noch an einem Ensemble in tiefen Grüntönen und goldenen Akzenten, aber auch das schien an ihm nicht richtig. Wangji schaute sich selbst etwas um. In einer der hintersten Ecken des Ladens fiel ihm ein nachtschwarzer Dashang aus kräftigem Material ins Auge, der schlicht ausfiel, bis auf die mondlichtsilbernen Schwaden, die in dessen weite Ärmel gestickt waren, und sich um den filigranen Blütenkopf einer roten Spinnenlilie woben. Wangji griff nach einer kirschroten Yichang-Kombination über dessen komplette rechte Seite des Chang sich die imposante Stickerei eines silbernen Drachen zog. Einzelne Elemente des gewundenen Leibes mit schwarzem Faden hervorgehoben, dass es ihm eine gewisse Art von Lebendigkeit verlieh. Er schüttelte kurz den Kopf. Zu auftragend. Ein Zhiju (äußere lange Robe mit Kreuzkragen und weiten Ärmeln) im selben tiefen Farbton, über dessen Kragen sich Stickereien von schwarzen Federn befanden, erfassten sein Interesse. Eine schwarze Schärpe aus Seide, und darüber einen Pendant-Gürtel mit silbernen Akzenten und aus robusten Leder, vervollständigte seine Auswahl und er nickte zufrieden darüber. Der Ledergürtel war praktisch um diverse Dinge in den zugehörigen Taschen zu verstauen oder anderes daran zu befestigen, wie dessen Flöte oder gar ein Schwert. Als er sich damit umwandte, fand er Yi Ling mit vor der Brust verschränken Armen und einem kokettem Lächeln auf den Lippen vor, hatte dieser ihn wahrscheinlich die gesamte Zeit über bei seiner Suche beobachtet, das Wangji sich plötzlich ziemlich albern vorkam, sich überhaupt daran beteiligt zu haben. „Zeig her.“, unterbrach ihn Yi Lings interessierte Aufforderung, in seinem Anflug, die Sachen einfach wieder zurücklegen zu wollen und trat auf ihn zu. „Hm, du hast Geschmack, Lan Zhan.“, meinte er nach eigener Inspizierung und verschwand kurzum, um sie anzuprobieren.   *** Hier ein Link auf Englisch, sollte jemand die Story mit dem Pfirsich interessieren; https://www.niwdenapolis.com/2007/03/bitten-peach.html Kapitel 21: ------------ „Du hättest dir auch etwas Neues kaufen können.“ Wangji schüttelte auf diesen Verweis den Kopf. „Es besteht kein Grund meine Kleidung zu wechseln. Sie erfüllt ihre Anforderungen noch anstandslos.“ Yi Ling hatte seinen Arm nicht mehr losgelassen, seit er seine Zustimmung zu dem von ihm ausgewählten Hanfu gegeben und dieser folglich, mit einem überschwänglichen Grinsen, besagten Arm umklammert hatte. Noch als er diesen zu bezahlen gedachte und ihnen der Händler, trotz Zufriedenheit über ein geglücktes Geschäft, wohl in falscher Annahme ihrer Beziehung zueinander, seine peinlich berührte Einstellung darüber, nicht überspielen konnte. Oder wollte. Etwas das Yi Ling nur noch mehr beflügelte, sich anhänglich und schamlos zu geben. Diese Dinge schienen ihn stets mit äußerster Erheiterung auszufüllen, lachte dieser immer noch ab und an, als sie bereits einer der anderen Straßen folgten, um sich nach einer Unterkunft für die Nacht umzusehen und sie damit abermals einige Blicke auf sich zogen. Nach all der Zeit hatte sich Wangji erspart ihn, seines Verhaltens wegen, zu tadeln, war klar, dass es, wie all die Male zuvor, eh nichts bewirken würde. Zudem erschien es ihm nun auch eher wie ein Reflex, als eine tatsächliche Zurechtweisung hinter der er, voll und ganz, mit seinen Werten stand. Onkel würde ihm dafür sicherlich eine Lektion oder drei vortragen, die er dann, zur Besinnung, zu kopieren hatte. Yi Ling´s Einfluss war ein schleichender und unbemerkter Prozess wie es schien. Doch ließ ihn auch diese Erkenntnis nicht mehr gar zu angespannt zurück, wie noch zu Beginn ihrer Reise. Es fühlte sich eher wie ein winziges Stück Befreiung an. Ob dies etwas Positives war, sollte er wohl später etwas genauer durchdenken. Momentan allerdings, zerrte ihn Yi Ling zu diversen anderen Ständen und Geschäften mit ihren dargebotenen Auslagen. Wangji´s Blick schweifte über Yi Ling´s Haarband, welches doch schon etwas abgetragen aussah. „Ein neues Haarband?“, fragte er, während Yi Ling gerade über einem Tisch mit Kämmen, Haarnadeln und anderen schmückendem Zubehör grübelte. Er hatte gemeint Wen Qing etwas mitnehmen zu wollen. Auf seinen Vorschlag ihn jedoch mit einem Ausdruck ansah, den er nicht recht deuten konnte, wirkte er plötzlich unerwartet ernst. „Nein, das ist schon…in Ordnung.“ Dieser ließ seine rechte Hand mit einem Ende seines Haarbandes spielen, ein melancholischer Ausdruck auf dem Gesicht. „Es ist das letzte Andenken an Xiao shī zūn (eine Form der Lehrer/ Meister Anrede). Er schenkte es mir kurz bevor…“ Er beendete seine Erklärung nicht, doch verstand Wangji auch so. Er hatte die letzten Stunden des Mannes in Yi Ling´s Erinnerungen gesehen. Den tatsächlichen Grund für dessen Ableben oder vielmehr, was ihn zu der gravierenden Entscheidung getrieben hatte, wenigstens Yi Ling bewahren zu wollen, wusste er jedoch nicht. Es war ein Horror, der Yi Ling noch bis heute zu verfolgen schien, war das verzweifelte Rufen nach dieser Person oft Teil seiner Albträume. „Hm, vielleicht sollte ich es einmal mit einer anderen Frisur versuchen? Etwas vornehmer vielleicht?“ Yi Ling tat überlegend. „Was sagt unser Lan xiān shī dazu?“ Wangji schaute über die Auswahl an guān´s (Haarornamente für Männer) Eines aus dunklem Leder, das in der Mitte von einem matt silbernen Lotusornament geziert wurde und Akzente mit Rot gesetzter Schnürung bekommen hatte, ließ ihn danach greifen. „Ah, Lan Zhan, ich meinte es eher als einen Witz. Du musst wirklich nichts kaufen.“, lachte er, nahm es ihm wieder aus der Hand und legte es zurück. „Ich habe eh keine Ahnung, wie man sowas auf den Kopf bekommt.“, hörte er diesen zugeben. „Du kannst es lernen.“, meinte er schlicht, gefolgt von einem „Ah, immer so streng.“, bevor Yi Ling einen der Kämme kaufte und sie sich schließlich weiter begaben. Die Sonne war hinter dem Berg gesunken, das sie sich nun endlich eine Herberge suchen sollten, hatte Yi Ling zudem noch einigen Kleinkram erstanden, von dem dieser meinte, das er ihn für etwas Bestimmtes benötigen würde. Wangji hatte es sich vorbehalten, es zu hinterfragen. Es wurde ruhiger auf den Straßen, schlossen die Händler langsam ihre Geschäfte und räumten ihre Stände zusammen. Bauern kamen von den Feldern wieder heim und Frauen holten ihre Kinder zum Abendessen vom Spielen zurück. Und auch Yi Ling´s Bauch gab ein hungriges Grollen von sich. „Möchtest du zuerst noch etwas essen?“, erkundigte er sich bei diesem, und erntete dafür ein angetanes Strahlen. „Wenn du mich unbedingt einladen möchtest! Wer bin ich, um da nein zu sagen.“ Erneut griff man ihm am Arm. „Ich habe vorhin ein Gasthaus gesehen, das pí dàn (Tausendjährige Eier) (1) anbot. Ich hatte die schon ewig nicht mehr.“ Wangji war nicht unbedingt ein Freund von solchen abenteuerlichen Speisen, aber er hatte gelernt, dass Yi Ling auch in dieser Hinsicht ein spezieller Charakter war. Niemand sollte mit solch einer Menge scharfer Gewürze in seinem Essen zurechtkommen, wie es Yi Ling tat. (1)Ein Link dazu, wenn es jemanden interessiert ;) https://de.wikipedia.org/wiki/Tausendj%C3%A4hrige_Eier Sie durchquerten eine der schmaleren, hinteren Gassen, um auf die Hauptstraße zurückzufinden, als ihnen laute Stimmen entgegenkamen, die zu den beiden bulligen Kerlen, nicht unweit vor ihnen, gehörten. Ein paar andere Passanten eilten mit zügigen Schritten aus der Gasse heraus, was sie zu viert zurück ließ. Oder besser gesagt zu fünft. Einer der Kerle trat etwas zur Seite und zeigte einen schmächtigen, jungen Mann, mit verschrecktem Gesichtsausdruck, der sich eisern an seinem zusammengefalteten Fächer klammerte, während er die Herren mit eingeschüchterter Stimme zu besänftigen versuchte. Es war wie das Bild von einer Maus vor zwei Tigern, waren die Männer gut das Dreifache an Körpermasse und überragten den Anderen gut einen Kopf. Zudem schauten diese, als würde nicht mehr viel fehlen, dass sie den Winzling in Stücke brechen würden, Yi Ling war, wie so oft, schneller dabei sich einzumischen, als sich zu überlegen, ob dies solch eine gute Idee wäre. „Gute Männer, warum so missmutige Mienen? Was hat der Bursche angestellt? Vielleicht kann man es auf gesetzte Weise klären?“, mischte er sich folglich ein, und glaubte so etwas wie ein ergebenes Raunen zu hören, das zu Lan Zhan gehören konnte. Zuerst starrte man ihn nicht weniger feindzählig an, über sein Auftauchen, doch ließ sich Yi Ling davon nicht beeindrucken. „Nun?“ Ein genervtes Schnaufen war von einem der Kerle zu hören. „Der Bursche hat uns des Betruges bezichtigt.“, meinte der andere mit aufgesetztem Benehmen. „Er hat Ware bei uns erstanden, nur um daraufhin zu behaupten es wäre eine Fälschung. Eine äußerst dreiste Anschuldigung. Immerhin sind wir ehrliche Handelsmänner.“ Man lächelte ebenso falsch über diese Erklärung. „Es ist eine Fälschung. Ich will mein Geld zurück…“, kam es in einer duckmäuserischen Manier von dem jungen Mann, der ein verschrecktes Quieken von sich gab, als einer der Kerle mit einem drohenden Blick einen Schritt auf ihn zu tat und dieser etwas zurückstolperte, sein Gesicht hinter seinem hektisch ausgefalteten Fächer abwandte. „Du.“ Yi Ling deutete auf den jungen Mann, der bei dieser Aufforderung noch etwas mehr in sich zusammensank, beinahe als hoffe er, sich komplett hinter seinem Fächer verstecken zu können. „Erzähl uns, was genau vorgefallen ist.“, forderte er diesen auf und nach einem kurzen Moment der Unschlüssigkeit nickte man gefügig. „Ich…ich hab mich nur etwas umsehen wollen, als diese…diese Herren meinten etwas anbieten zu können, dem nur jemand mit gehobenem Geschmack würdig sei und zeigten mir darauf eine…eine Jade-Brosche. Sie war in der Tat exquisit gearbeitet und von echter Qualität, das ich anbot sie ihnen abzukaufen. Solche Dinge haben selbstverständlich ihren Preis, aber er war durchaus gerechtfertigt. Doch als man sie mir dann übergab, war es nicht dieselbe. Nur…nur eine Kopie. Natürlich wollte ich darauf die echte oder mein Geld zurück.“, stammelte der junge Mann, ständig den panischen Ausdruck im Gesicht, das man ihm ans Leder wolle. Yi Ling hatte genug gehört, um zu verstehen was vor sich gegangen sein musste, war solch eine Masche nicht gerade neu. Zuerst bietet man jemanden die echte Ware an und wenn man dann das Geld dafür bekommen hatte, tauscht man diese schlicht gegen eine billigere Fälschung aus und gibt sich, sollte es auffliegen, unschuldig. Kaum jemand ist in so einem Fall im Stande zu beweisen, das es nicht das sei was er zuvor in den Händen gehalten hatte, es sei denn, man ist auf schlagkräftigen Ärger aus. Solch eine Abzocke ging immer gut mit naiven, gutbetuchten Herrschaften. Vor allem, wenn sie allein unterwegs waren. Es war ein gängiges Schema für Betrüger dieser Art. Yi Ling trat auf den jungen Mann zu, der nicht weniger verhuscht wirkte, als wenn er einer der Kerle wäre. „Ich würde mich gern selbst von dieser ominösen Ware überzeugen wollen.“ Er zeigte ein Lächeln, das wohlwollend erscheinen sollte und streckte seine Hand auffordernd dem jungen Mann entgegen. Dieser schaute auf die Hand und kramte schließlich das Schmuckstück aus seinem Robenärmel. Eine grüne Jadebrosche in der Form einer Chrysanthemenblüte. Sie sah auf den ersten Blick ganz hübsch aus und könnte jedem der keine Ahnung von solchen Dingen hatte, als etwas Wertvolleres untergejubelt werden. Doch wenn man Ahnung hatte, dann fielen einem diverse Dinge ins Auge. Zuerst das Gewicht. Echte Jade wäre in dieser Größe merklich schwerer. Bei näheren Hinsehen zeigten sich ebenso feinere Einschlüsse, die nichts mit dem natürlichen Schimmer der Jade zu tun hatten. Yi Ling ließ eine winzige Menge líng qì in das Schmuckstück vordringen. Normalerweise sollte sich diese wie ein sanfter Strom hindurchbewegen können, doch gab es nicht mehr als ein kurzes Pulsieren, was passierte, wenn das Mineral nicht rein genug war. Wie es auch die Farbe nicht verblassen lassen sollte. In diesem Fall hatte man den Stein wohl eingefärbt. „Ich würde sie nehmen.“, meinte Yi Ling darauf überzeugend, was einen der Kerle ein triumphales Grinsen ins Gesicht zeichnete. „Nicht für Geld versteht sich, denn dafür sollte sie schon aus echter Jade sein.“, fügte er nach, was das Grinsen in etwas missfälliges veränderte. „Also, der junge Mann hat alles Recht sein Geld wiederzubekommen.“ Yi Ling hielt abwartend seine Hand auf und lächelte. „Solange man uns nicht hier und jetzt einen glaubhaften Beweis bieten kann, dass es sich um eine Fälschung handelt, sehen wir keinen Grund das Geld zurückzugeben. Wer sagt denn, dass es sich nicht um besondere, einzigartige Jade handelt?“ Man lachte überlegen über seinen Versuch, hier etwas bewirken zu wollen. „Oh, ich hätte da eine Methode die beweisen kann, das es keine echte ist.“, ließ Yi Ling über den Spott wissen, was einen die Arme provozierend vor der Brust verschränken ließ und man ihn hämisch angrunzte. „So? Und was wäre das für eine Methode?“ Yi Ling nahm die Brosche zwischen Daumen und Zeigefinger und hielt sie prüfend vor seinem Gesicht etwas nach oben. Man feixte unbeeindruckt über sein Tun. „Diese hier.“ Er lächelte und mit einem kleinen, unauffälligen Schub yuàn qì drückte er die Brosche mit einem Mal schlicht zusammen, das nichts weiter von ihr übrig blieb als einzelne Bruchstücke. Die beiden Kerle schauten fassungslos und mit sichtbarer Panik. Als sie ihm darauf ins Gesicht starrten, ließ er ein kurzes, rotes Klimmen in seinen Augen sehen. „Das Geld.“, forderte er und hielt seine Hand abermals ausgestreckt. Und dieses Mal landete ein Beutel voller Münzen darin, bevor man unter panischem Gestammel und in aller Hast das Weite suchte. „Na, das lief doch ganz gut und niemand wurde verletzt.“, strahlte er zufrieden und wandte sich den jungen Mann zu. Dieser schaute recht perplex über den Verlauf der Dinge. „Das war…uhm…unerwartet.“ Darauf schaute er auf die Überreste der Brosche und mit fragender Miene zu Yi Ling. „Nur ein kleiner Taschenspielertrick.“ Er zwinkerte schelmisch und reichte den Geldbeutel an den jungen Mann. „Das ist nicht alles meins.“, wies er darauf hin und nahm sich das an Münzen heraus, was er wohl bezahlt hatte, um den Rest dann wieder an Yi Ling zurückzugeben. „Es steht ihnen zu, junger Herr.“ Yi Ling grinste angetan und wandte sich nun auch wieder zu Lan Zhan um. „Nun kann ich sogar selbst für mein Essen bezahlen.“ Er klimperte zufrieden mit dem Beutelchen. Xiāo Míngqín, wie sich der junge Mann ihnen vorgestellt hatte, hatte über ihre Worte, dass sie sich noch eine Herberge suchen wollten, angeboten ihnen den Weg zu der zu zeigen, wo er selbst untergekommen war. Auf dem Weg dorthin erzählte dieser, dass er sich auf Reisen befinde, um ein paar unangenehmen Familienangelegenheiten zu entfliehen und das ein oder andere nette Souvenir zu erstehen. Er sei ein Freund der schönen Künste, etwas das in seiner Familie eher mit Spott gesehen wurde und er deswegen so etwas wie das schwarze Schaf wäre. Zudem sei sein älterer Bruder eher aufbrausender Natur. Etwas das seine sensiblen Nerven stets überanstrengen würde. Die Herberge war etwas gehobener, doch warum sich nicht ab und an mal etwas Luxus gönnen, nun wo ihnen das Glück die nötigen Münzen dafür hatte zukommen lassen. Es war eher aus einer Angewohnheit heraus, das er für ein Zimmer für zwei fragte, doch da Lan Zhan keine Einwände geltend machte, beließ es Yi Ling auch dabei. Er würde es nicht so offen zugeben, aber er schlief tatsächlich besser mit Lan Zhan in der Nähe. Schließlich machten sie sich noch einmal auf den Weg, hatte Yi Ling sein Verlangen nach Tausendjährigen-Eier noch nicht aufgegeben. Xiāo Míngqín leistete ihnen kurzum bei ihrem Abendessen Gesellschaft, bestand dieser darauf für sie zu bezahlen. Als Dank für die Hilfe und Yi Ling hatte seit langem wieder einmal einen ebenbürtigen Trinkkameraden. Generell schien er mit Xiāo Míngqín in einigen Belangen auf einer Wellenlänge, sei es die Liebe zu gutem Wein, der Zuspruch zu einer gewissen Art der Leichtlebigkeit und der Sinn für Humor. Oder auch für die hübschen Dinge im Leben. Yi Ling zwinkerte darauf Lan Zhan mit einem verschmitzten Lächeln zu, was ihm allerdings nicht die Reaktion einbrachte, die er erwartet hatte. Denn anstelle des mahnenden, kühlen Blicks, erschien dieser, er würde sagen, irritiert? Der Moment war vorbei, als dieser sich ohne weiteres wieder seiner Schale Tee zuwandte und es nun Yi Ling war, der sich etwas konfus fühlte. Wahrscheinlich hatte Lan Zhan sein verspieltes Flirten nicht auf sich bezogen gesehen? Manchmal war dieser ja doch etwas ahnungslos in dieser Hinsicht. Seine Gedanken zerstreuten sich, als Xiāo Míngqín ihm seine Schale erneut mit Wein füllte und zu einer weiteren, kleinen Geschichte ansetzte, die ihm unterwegs zu Ohren gekommen war. Zurück in der Herberge verabschiedete man sich für die Nacht. „Ich hoffe es ist in Ordnung, wenn ich noch etwas vorhabe?“, erkundigte sich Yi Ling bei Wangji, sobald sie ihr Zimmer betreten hatten. Wangji sah es nicht als ein Problem an, solange es nicht mit Explosionen oder Dämonenbeschwörung zu tun habe, was er Yi Ling auch so wissen ließ. Dieser lachte amüsiert und es bedurfte einen winzigen Moment zu lange, bis er sich von ihm wieder abwenden konnte, dass es Wangji abermals verwirrte. Wie vorhin im Gasthaus. Es war ungewohnt geworden mit Yi Ling an einem Tisch zu sitzen und doch nicht dessen komplette Aufmerksamkeit zugeteilt zu bekommen. Doch anstatt sich befreit zu fühlen, das dessen Temperament für diesen Abend, ein neues Ziel gefunden hatte, fühlte er sich abermals an den Rand geschoben. Das Yi Ling seinen Spaß daran hatte, ihn mit schamlosen Gesten und Worten aus der Fassung bringen zu wollen, sollte er nun wirklich gewohnt sein. Und doch erfüllten ihn dessen Lächeln und das Funkeln in den dunklen Augen, welches der Wein intensiviert haben mochte, in jenem Moment mit einem Gefühl das er nicht wirklich greifen konnte. Wie eine Körperlose Umarmung die sich dennoch warm und anschmiegsam anfühlte. Ihn nun wieder für sich zu haben, brachte eine unerwartete innere Ruhe mit sich. Etwas das sonst eher mit dem kompletten Gegenteil endete. Yi Ling indes widmete sich den Dingen, die er heute erstanden hatte und breitete sie vor sich auf dem Kang-Tisch aus. Eine seidene Stoffbahn, von mittlerer Qualität, die er dem Händler im Kleidungsgeschäft noch für etwas weniger Geld hatte abschwatzen können. Ein Tintenstein und einen einfachen Kalligraphiepinsel, den er auch so immer bei sich trug. Ein Armreif, den ein einzelner schwarzer Turmalin zierte. Der Flacon mit dem Elixier das ihnen Lìn Pòsuǒ gegeben hatte. Sowie Nadel und Seidenfaden. Dann setzte er zur Arbeit an. Er schnitt einen Teil des Seidenstoffes in verschieden große Rechtecke. Dann entfernte er den Turmalin aus dem Armreif und ließ ihn in eine der Wasserschalen, die im Zimmer zu finden waren, fallen. Wie mit der falschen Jade, nutzte dieser dann einen gezielten Schub Qi, worauf der Stein auseinanderbrach, doch diesmal ließ er die Energie solange auf das Mineral einwirken, bis nur noch feiner Staub übrig blieb. Als nächstes rieb er sich frische Tinte. Er erschien unschlüssig was das Elixier betraf. „Mir kam der Gedanke durch deine Enddeckung mit dem veränderten Yin, das, wenn ich etwas davon untermische, es den Effekt des yuàn qì Stroms stabilisieren könnte. Quasi wie eine Hülle die es schwerer machen würde, das essenzielle Qi zu beschädigen.“ „Du möchtest Schutztalismane in deine Kleidung einbringen?“, hakte Wangji auf Grund seiner aufgekommenen Erkenntnis nach, was Yi Ling bestätigend nicken ließ. „Normalerweise kann man solche Siegel nur mit líng qì in den Stoff einbringen, aber um diese zu halten bedarf es einer beständigen Zufuhr. Etwas das ich mir nicht leisten kann. Also habe ich mir irgendwann gedacht, es so zu versuchen. Es ist wie mit dem Pinsel, wo es nur einen Anstoß braucht und die Energie sich darauf selbst aktiviert.“ Er seufzte etwas sehnsüchtig. „Eines Tages würde ich es gern einmal mit den besten Materialien versuchen wollen. Seide aus Húzhōu oder Pergament aus weißem Sandelholz. Kaiser-Jade, wenn auch nur ein winziges Steinchen davon. Tinte aus dem aufwendigsten Öl-Russ. Gebunden mit dem Weiß eines Luan-Vogel Ei´s. Oder der Haut eines Drachenkarpfens.“ Er lachte begeistert. „Die Kraft die solch einem Talisman innewohnen könnte. Ich würde es zu gern einmal ausprobieren wollen. Ich tüftle schon seit Ewigkeiten an einem, der einem unter Wasser atmen lassen kann, oder im Dunklen sehen. Bis jetzt, waren beide nicht wirklich erfolgreich. Zudem überlege ich, ob es möglich wäre, einen zu entwerfen, der das Qi einer magischen Waffe verstärken könnte. Es würde es einfacher machen, wenn die eigene Energie zu schwach wird oder ist.“ Yi Ling zwinkerte ihm zu. „Du hast mich auf die Idee gebracht.“ Dieser gab nun all seine Komponenten in gemessener Menge in die Wasserschale und vermischte sie vorsichtig mit dem Pinsel. Dessen Zungenspitze schaute dabei konzentriert zwischen den Lippen hervor. „Hoffen wir, dass es nicht in einer Explosion endet.“, meinte er folglich mit einem breiten Grinsen in seine Richtung und strich den Pinsel schließlich am Rand der Schale ab, das nur noch so viel daran haftete, das er damit würde sauber schreiben können. Mit geübten Strichen setzte Yi Ling das Siegel auf den seidenen Stoff des ersten Talismans, eine gut durchdachte Kombination aus Schutzsymbolen vor spirituellen, äußerlichen Einflüssen und, so wie er es erkennen konnte, Radikalen die dafür sorgen würden das der Talisman selbst beständig bliebe, er nicht anfällig auf Abnutzung und Strapazieren der Kleidung sein würde. Yi Ling schien soweit zufrieden mit seinem ersten Versuch, legte er den Pinsel zur Seite und hielt den Seidenstreifen vor sich. „Okay.“ Er legte folglich ein weiteres Siegel darum. „Sollte es Schaden anrichten.“, erklärte er und Wangji begrüßte dessen Umsicht mit einem zustimmenden „Mn.“ „Nun müssen wir ihn nur noch testen.“ Er schaute sich um und rümpfte seine Nase. „Es wäre vielleicht besser es auf draußen zu verlegen.“ Was sie auch taten. Bàng Hēi flatterte über ihren Köpfen durch den abendlichen Himmel und lenkte sie durch die nun nahezu verwaisten Straßen von Qīngshuǐ Tāodài. Etwas abseits eines der Viertel hatte dieser ein verlassenes, ungepflegtes Grundstück mit einem nach hinten gehenden Hof ausfindig machen können, das perfekt war,  um sie vor neugierigen Blicken zu bewahren und ausreichend Platz bot. Yi Ling hatte all seine Utensilien mitgenommen, sollte er Veränderungen an seiner Mixtur vornehmen müssen, wie auch seine alte Robe, die als Testobjekt dienen sollte. Stellte dann aber fest, dass die alten Schutzsiegel das Resultat verfälschen würden können und seufzte ergeben. Wangji legte kurzerhand seinen Dàchǎng (äußere, offene Robe mit weiten Ärmeln) ab und reichte ihm diesen. Er würde im Falle eines Falles eben doch einen neuen kaufen müssen. Yi Ling schaute zuerst überrascht, doch dann lächelte er ihm dankbar zu über sein williges Opfer. „Ich mach es wieder gut, sollte was damit passieren. Versprochen.“, versicherte man ihm noch und setzte zu einem ersten Versuch an. Er aktivierte den Talisman, dass das Siegel darauf golden glimmte. Ein abwartender Moment verstrich, in dem sich der Talisman nicht selbst entzündete oder anderweitig ungewollt reagierte, das Yi Ling ein zufriedenes Raunen von sich gab. „In Ordnung.“ Darauf heftete er diesen an einen der Ärmel des Dàchǎng und drapierte ihn über den maroden Holzzaun, der wohl einst Ziegen oder ähnliches Nutzvieh im Hof gehalten hatte. Yi Ling konzentrierte etwas von seinen yuàn qì und gab es auf den Talisman ab. (2)Die Sache mit der altertümlichen chin. Zeitmessung, finde ich nicht ganz so einfach umzusetzen aber ja, um auch da authentisch zu bleiben, habe ich es eingebracht. Es gab keine Stunden (60 min) wie heute, damals war ein Zeitabschnitt 2 Stunden und ca. 30 min. Somit ist es auch nicht korrekt übersetzt, das LZ genau um 21 Uhr zu Bett geht, aber das nur am Rande. Es gibt noch die Möglichkeit diese zwei Stunden plus, zu teilen aber das wird eindeutig zu viel Info hier. Also nur falls es jemanden wundern sollte, was es mit der Zeitangabe auf sich hat. Es war über zǐ shí (23-1 Uhr) (2) hinaus, als Yi Ling das gewünschte Ergebnis verbuchen konnte und mit einem müden Stöhnen auf dem staubigen Boden zum Sitzen kam. Bàng Hēi setzte sich mit einem kurzen Krähen, das man als ein „Gut gemacht“, hätte interpretieren können auf dessen Schulter und es ließ Yi Ling leicht lächeln, bevor er seinem geflügelten Kumpel ein paar seiner Lieblingsbeeren vorhielt. Zu seiner Verteidigung war zu sagen, das Lan Zhan´s Dàchǎng keinen kompletten Schaden davongetragen hatte. Nur ein faustgroßes Loch, und ein Ärmel der sich losgerissen hatte, in der Absicht ihn erwürgen zu wollen. Es war das Ergebnis seines yuàn qì auf Lìn Pòsuǒ´s Elixier. Es war am Ende nicht so überraschend. Das Elixier war erdgebundener Lebensgeist, wo yuàn qì reine negative Energie darstellte und da Lan Zhan´s Robe aus Hanffasern gewoben wurde. Auf jeden Fall war es ein interessanter Vorfall, über den er sich später noch ein paar Notizen machen würde. Es bedurfte einiges an Denkarbeit und weiteren Versuchen, bis sich alles in Balance gebracht befand und der Effekt fiel mehr als befriedigend aus. Dennoch würde er Lan Zhan eine neue Robe kaufen müssen, aber das sah er nicht als einen Verlust. „Wer hat dich das alles gelehrt?“, hörte er diesen unerwartet fragen, war es selten, das Lan Zhan diese Art von Konversation mit ihm suchte. Wohl eine der tausend Regeln, die es ihm verbot, sich zu neugierig zu zeigen. Yi Ling schmunzelte über seine kleine Rebellion dieser Regeln gegenüber, sollte er richtig damit liegen. „Shī fu hat mir die Grundsätze der Talisman-Magie beigebracht.“, erklärte er und räumte alles wieder in seinen Beutel. „Du kennst sie sicherlich. Sie hat sich so ihren Namen gemacht in eurer Welt.“ Lan Zhan schaute wie zu erwarten verblüfft. „Und wer ist dein Meister?“ Es war ihm ebenso anzuhören, dass er verwundert war, und es brachte ein vorwitziges Lächeln auf Yi Ling´s Lippen. „Ah, Lan Zhan, woher das plötzliche Interesse? Und warum gerade zu so etwas Langweiligem? Warum fragst du mich nicht stattdessen, nach meiner Lieblingsfarbe? Was für Literatur ich genieße? Was meine favorisierte Jahreszeit ist? Oder welcher Typ mich besonders anspricht? Ob ich ein Lieblingsgericht habe? Oder was mein Herz höher schlagen lässt?“ Yi Ling seufzte theatralisch. „Du solltest wirklich an deiner Schüchternheit arbeiten, Lan Zhan.“ Es war beinahe schon faszinierend, wie Yi Ling die simpelsten Dinge in solch einen überspitzten Akt verwandeln konnte. Wangji suchte Yi Ling´s Blick. „Deine Lieblingsfarbe ist Rot. Du neigst zu schamloser Literatur, doch kannst auch Gefallen an melancholischer Poesie finden. Du magst die Zeit der Lotusblüte, wie auch ihre Ernte. Du hast eine Schwäche für Frauen mit natürlicher, femininer Ausstrahlung. Nicht zu verhalten, doch herzlich. Du schätzt Humor und Schlagfertigkeit. Alles was mit ausreichend scharfen Gewürzen zubereitet ist, erklärst du zu etwas dass du unbedingt noch einmal probieren möchtest. Dinge die dein Herz höher schlagen lassen;...guter Wein und das Fallen aus großer Höhe?“ Yi Ying hatte über seine Aufzählung keinen Ton gesagt. Auch sein Grinsen war versiegt und einer perplexen Miene gewichen, komplett mit aufstehendem Mund. Welchen dieser nun rasch wieder zuklappte, das es hörbar war und unerwarteter Weise darauf etwas wuschig wirkte. Dann wandte er sich leicht ab und räusperte sich. „Da war ja wer recht aufmerksam.“, murmelte er, immer noch ungewohnt aus seinem Konzept gebracht, bevor er seine Robe unnötig straffte und sein Gesicht wieder schulte. „Bàoshān Sànrén.“, beantwortete er darauf seine zuvor gestellte Frage doch noch und Wangji war recht überrascht über diese Offenbarung. „Sie war deine Lehrmeisterin?“ „Für den größten Teil, ja.“ Wangji zog nachdenklich seine Augenbrauen zusammen, über diese Information. Bàoshān Sànrén, war in ihrer Welt ein Name, den viele mit gemischten Gefühlen in den Mund nahmen. Sie war einst angesehen unter ihnen gewesen, doch hatte sich mit ihren Streben das Geheimnis der Unsterblichkeit mit den Menschen teilen zu wollen viele Feinde und Verächter eingebracht. Sie hatte sich schließlich auf einem abgelegenen Berg zurückgezogen und sich nie wieder gezeigt. Jedoch war das nicht das Ende ihrer Existenz, ob nun im Namen oder als Person. Sie hatte ihr Streben nicht ruhen lassen. Man sagte, sie habe elternlose und verlassene Menschenkinder zu sich auf den Berg geholt, um diese zu ihren Schülern zu machen. Dies setzte jedoch voraus, dass jene einen goldenen Kern in sich trügen. Etwas das einen einfachem Mensch so nicht möglich war zu erlangen. Yānlíng Dàoren war der blutige Beweis, dass sie es dennoch möglich gemacht hatte. Wie, war noch immer eines ihrer bestgehüteten Geheimnisse. Yānlíng Dàoren, mochte durch seine Lehrmeisterin sein Ende unter der Beschwörung von „Tausende Schwerter“, gefunden haben, als seine Grausamkeit unter dem Menschen zu unbeschreiblich geworden war, doch brachte es ihren Willen dennoch nicht ins Wanken. Es gab weitere wie ihn, die den Berg verließen und fortan unter den Menschen lebten. Keiner ihrer Schüler wurde je wieder auffällig genug, das es die Himmel mit Interesse versehen hätte und sei es nur ihrem Scheitern mit schadenfrohen Gesichtern beizuwohnen. Dies alles hatte, genau wie Wen Mao´s Geschichte, noch vor seiner Zeit stattgefunden, das er ihr nie persönlich begegnet war und auch nur über sie und ihren Lebensweg hatte lesen können. Und nun war er genau solch einem Schüler begegnet und es erklärte mit einem Male so viele Dinge, was Yi Ling´s Können anbelangte. Nicht, warum er líng- und yuàn qì zusammen in sich trug, oder wer ihm geholfen haben musste, diese beiden Energien in sich tragen und auch für sich nutzen zu können. Wer die Sigel in dessen Körper verankert haben musste. Es wirbelte noch so viel mehr Fragen auf, aber Aufdringlichkeit war etwas, das er selbst nicht guthieß und schlicht verstehend nickte. Yi Ling erschien etwas überfordert mit seiner stummen Hinnahme, konnte sich Wangji vorstellen, dass dieser an seiner Stelle, den Mund nicht wieder zum Stillstand hätte bringen können vor lauter Neugier. „Ich habe gehört, sie sei ungewöhnlich in ihren Lehren und praktiziere ebenso unorthodoxe Magie.“ Yi Ling lachte nun etwas kräftiger auf. „Da hast du richtig gehört. Einmal, ich hatte das richtige Training unter ihr gerade erst begonnen, hat sie mich kopfüber an einen Baum gebunden und das für drei Tage! Es sollte mir dabei helfen den goldenen Kern als einen neuen Teil von mir zu erkennen und ihn zu nutzen. In jenem Fall, dass ich nicht verdursten oder verhungern würde. Oder mir der Kopf explodierte von all dem Blut das dort hineinschoss.“ Er schüttelte sinnierend den Kopf. „Ich hab nen halben Tag geheult, bis mir klar wurde, dass ich nichts erreichen würde, wenn ich es nicht einmal versuche. Xiao shī zūn, war wesentlich einfühlsamer in seinen Methoden gewesen.“ Er wirkte einen Moment in Gedanken verloren. „Aber am Ende kann ich froh sein, dass er dafür gesorgt hat, dass ich diesen totbringenden Ort habe verlassen können. Zumindest ist es das, was ich mir einrede.“ Yi Ling schaute ihn mit einem Lächeln an, das so voll von Schwermut war, dass es Wangji beinahe dazu brachte dessen Hand zu greifen, um ihm ein Beistand sein zu wollen. Auch wenn er nicht verstand, was genau Yi Ling gedachte auszudrücken. „Ich sollte dankbar sein, nicht wahr? Das ich am Leben bin, auch wenn es nur solch eines ist.“ Er deutete mit einer Hand über sich selbst und wirkte dabei so ungewohnt zerbrechlich, wie er ihn noch nie zuvor hatte sehen können. Wangji fehlten in diesem Augenblick die Worte, war deutlich das es ein äußerst wunder Moment für Yi Ling war und er diesen nicht mit einer unwissenden Floskel weiter verletzen wollte. Nur fehlte ihm in solch einer Situation einfach diese erfrischende Sanftheit, eines taubenetzten Sommermorgens. Das Geschick, eine betrübte Seele an die Hand zu nehmen und ihr den balsamierenden Trost zu geben, nach dem diese zu bitten schien. Somit war der Moment zerstoben, bevor Wangji hätte etwas hilfreiches tun oder sagen können, als Yi Ling kräftig seinen Kopf schüttelte, als könne er damit seinen Gefühlszustand einfach wieder zurechtrütteln. „Ah, hör nicht auf mein Gerede. Mir fehlt eindeutig der Schlaf. Du weißt, wie weinerlich ich da werden kann.“ Er grinste und nichts war von der vorangegangenen Melancholie mehr zu erkennen. Warum sich Wangji darauf mit einem stechenden Gefühl in der Brust konfrontiert sah, wäre für ihn, Wochen zuvor, noch ein Rätsel gewesen, doch nun erkannte er es. Es war Enttäuschung. Enttäuschung über sich selbst. Freundschaft war in der Tat ein unsteter Weg, der ihn mit Gefühlen überrumpeln konnte, die ihn sich ungewünscht unnütz fühlen lassen konnten. Er glaubte nicht, das er dieses Durcheinander, das es auszulösen vermochte, jemals mit einer unberührten Routine betrachten würde können. Yi Ling hatte sich bereits wieder erhoben und seine Sachen zusammengeräumt während er, in liebevollem Ton, mit Bàng Hēi wisperte, der nun auf dessen rechten Unterarm Platzgenommen hatte. Aber er wollte auch nicht aufgeben. Eher wollte er mehr darüber lernen, bis er, so seine Hoffnung, jemand geworden war, der Yi Ling der Freund sein konnte, den dieser zu brauchen schien. *** Erklärung: Was Yi Ling´s ersten Lehrer; die Person die ihn als Straßenjungen unter seine Obhut genommen hatte, anbelangt, ich weiß nicht, ob es damals deutlich wurde, aber diese Person war Xiao Xingchen. Ich habe ihn in Yi Ling´s Erinnerung/Albtraum erwähnt gehabt, in die Lan Zhan unbeabsichtigt gerutscht war. Yi Ling hatte ihn dort Dào Zhǎng genannt (wie es auch A-Qing im Original tat) weswegen womöglich dieser Fakt, wer Yi Ling von der Straße holte, etwas untergegangen ist. Dass er ihn nun Xiao shī zūn nennt, hat etwas mit höherem Respekt zu tun. Obwohl ich auch gestehe, das mich all diese spezifischen Anredemöglichkeiten recht konfus machen. Ich kann oft nur hoffen, ich hab die richtige erwischt. Zum Beispiel, hab ich keine Ahnung, wie Wen Ning Yi Ling in respektabler Form ansprechen müsste, weswegen ich schlicht auf „Meister“ zurückgriff. Im Fall von Yi Ling und Xiao Xingchen; Xiao Xingchen, hat Yi Ling damals nur simple Grundkenntnisse beigebracht, die er für das Zurechtkommen in der Welt gebrauchen konnte. Also keine Kultivierung, in dem Sinne. Nun ist hier Bàoshān Sànrén, Yi Ling´s shī fu (wenn ich das richtig verstehe, ist das die höchste Anrede für einen Lehrmeister) Die Anrede „shī zūn“, ist (mit Spekulation von meiner Seite) für den zweiten höchsten Lehrmeister im Rang eines Clans/Sekte. Yi Ling sieht somit XXC, neben seinem shī fu (Bàoshān Sànrén), als zweit höchsten Lehrmeister für sich an, also Xiao shī zūn. Ergibt das Sinn? Ich hoffe es doch XD Kapitel 22: ------------ Als Wangji am Morgen erwachte, saß Yi Ling noch immer bei dimmen Kerzenschein über seiner Kleidung und nähte die Talismane ein. Trotz, dass er vor ihrer Rückkehr in ihr Zimmer, gemeint hatte sich müde zu fühlen, bestand er darauf, wenigstens noch etwas Näherei hinter sich bringen zu wollen. Es war deutlich, dass dieser seitdem nicht geschlafen hatte. Auch schien er nicht zu bemerken, dass Wangji munter geworden war und so machte er auch nicht auf sich aufmerksam. Stattdessen schaute er ihm zu. Oder, so verwies ihn eine mahnende Stimme in seinem Kopf, er schaute ihn an. Etwas, das sich nicht ziemte und doch setzte er sich über diese Regelung hinweg. Dieser saß nur mit seiner Unterkleidung bekleidet vor dem Tisch und schien über seine Arbeit in einem tranceartigen Zustand vertieft. Warmes Licht ließ Schatten über ihn tanzen, gab seinen müden Augen einen Hauch von Lebendigkeit, die nicht vorhanden war. Er dachte an dessen Worte zurück. An die Melancholie, die diese umfangen gehalten hatte. „Ich sollte dankbar sein, nicht wahr? Das ich am Leben bin, auch wenn es nur solch eines ist.“ Yi Ling, wie er ihn kennengelernt hatte, schien fern von Traurigkeit und Ernst. Ein ungebändigter Freigeist mit schamlosen Allüren. Eine Verkörperung des menschlichen Lebens, wie es sich die meisten ersehnten. Wieviel davon, war am Ende nur ein gut eingeübtes Schauspiel? Wieviel Schmerz und Zweifel mochten hinter dieser Fassade der Leichtlebigkeit tatsächlich verborgen liegen? Wangji wusste nur zu gut, um das eiserne Zähmen von Emotionen. Die Kraft die es kostete, sie unbemerkbar zu machen. Die Nächte voller Hilflosigkeit, wenn sie sich doch wieder hervorstahlen und man es nur mit sich selbst ausmachen konnte. Die Leere, wenn man sich ihnen gegenüber in verbissene Ignoranz zwang. Womöglich, war Yi Ling´s Leichtsinn ebenso damit verbunden. Das dieser sein Leben viel zu oft und zu schnell bereit war zu riskieren. Vielleicht sah er es als dankbarer an, es für eine noble Sache zu geben, als es einfach nur zu verschwenden? Es waren alles Fragen, die er nicht fragen würde. Auch nicht glaubte, dass man sie ihm beantworten wolle. Ein Zischen drang an seine Ohren und er konnte sehen, wie Yi Ling auf das Blut schaute, das aus einem seiner Finger tropfte, in welchen er sich mit der Nadel gestochen haben musste. „Mist.“ Er ließ den Stoff sinken und rieb sich mit der unverletzten Hand über sein Gesicht, eine deutliche Geste, dass er übermüdet war. „Lass es mich zu Ende führen.“ Wangji war aus seinem Bett aufgestanden, noch bevor er seine Worte zu Ende gesprochen hatte und er auf Yi Ling zuging. Dieser schaute ihn mit schlafschweren Augen an und wirkte, als habe er gar nicht mitbekommen, was er ihm gerade vorgeschlagen hatte. Doch dann nickte er kurz und mit einem gemurmelten „Danke.“, kroch er schlicht auf allen Vieren zu seinem Nachtlager, hievte sich darauf und war nach einem erschöpften Seufzen auch schon eingeschlafen. Wangji nahm dessen Platz am Tisch ein und setzte die Arbeit fort. Sie hatten vor, sich über den Tag im Ort etwas umzuhören. Womöglich war jemandem etwas zu Ohren gekommen oder irgendwer hatte gar etwas gesehen, dass ihnen bei ihrer Suche behilflich sein konnte. * Wangji ließ Yi Ling weiter schlafen, als der Tag soweit angebrochen war, das sich der Ort rege zu zeigen begann und er beschlossen hatte, schon einmal ein paar Informationen zu sammeln. Wenn es denn welche geben sollte. Sie wussten bis jetzt nicht mehr, als das der Ursprung der Yin-Verseuchung des Sees, über den unterirdischen Fluss begann. Ein Fluss, der noch über mehrere 100 lǐ (abhängig von der Dynastie, ist 1 lǐ 300-500m) hinweg, unterirdisch würde bleiben können und sie so womöglich gar keine Chance finden würden, dem Übel tatsächlich ein Ende zu bereiten. Auf seinem Weg durch die Straßen, kaufte er hier und da noch ein paar Dinge, die für ein gutes Frühstück reichen sollten, doch konnte ihm keiner der Händler etwas berichten, das nützlich erschien für ihre Mission. Er fand sich schließlich in einer der Straßen wieder, wo sie auch gestern schon gewesen waren und erkannte den Stand, bei welchem Yi Ling den Kamm für Wen Qing kaufte. Das guān (Haarornament), das ihm Yi Ling wieder ausgeredet hatte, stand noch immer zum Verkauf. Die Dame des Standes schien ihn ebenso wiederzuerkennen und lächelte über seine Rückkehr erfreut. „Es ist wirklich eine hübsche Arbeit, nicht wahr? Ich denke auch, dass es ihrem Freund recht gut stehen würde.“, meinte sie über seinen Blick darauf, auch wenn es nur dazu dienen sollte, etwas von ihrer Ware an den Mann zu bekommen. Und, so sagte er sich, warum sollte er ihr nicht etwas bei ihrem Geschäften helfen, indem er ihr etwas abkaufte? Er hatte das guān gerade dankend von der Händlerin entgegengenommen und in seinem Ärmel verstaut, als sich eine weitere Person an den Stand gesellte. Ihre Blicke trafen sich kurz und Xiāo Míngqín lächelte ihn über seinen Fächer erkennend an, bevor er sich etwas verbeugte. Xiāo Míngqín hatte darauf beschlossen, ihm zurück in die Herberge zu folgen, war er nur auf einem kleinen Spaziergang gewesen und bestand abermals darauf, sie zum Frühstück einzuladen, als Wangji meinte, dass er damit noch auf Yi Ling gewartet habe. Es war schwer eine Lücke in dessen Schwatzen zu finden um abzulehnen, doch dann dachte er, dass Yi Ling vielleicht das Beisein einer gesprächigeren Person am Tisch begrüßen würde. Yi Ling schlief noch immer als er zurückkam, doch wachte er langsam auf, als er das Essen, das er gekauft hatte, nun als Reiseproviant verstaute. „Xiāo Míngqín wartet unten, dass wir ihm beim Frühstück Gesellschaft leisten. Er bestand darauf. Ich nahm an, es ist in deinem Sinne?“, informierte er Yi Ling, der sich mit einem Grummeln auf den Rücken rollte. „Ja ok. Bin gleich soweit.“ Damit raffte er sich auf und patschte mit nackten Füßen zum Waschzuber.Dann zog er sich, und es war ebenso merkwürdig, wie sein Puls darauf reagierte, bis auf seine untere Hose aus, das Wangji für einen Moment nicht wusste, was er in dieser Situation tun sollte, um nicht so unbeholfen zu erscheinen, wie er sich alberner Weise gerade fühlte. Er hatte Yi Ling schon öfter so gesehen und er hatte sich nie derart peinlich berührt darüber gefühlt. Zum Glück, schien Yi Ling nichts von seinem inneren Tumult zu bemerken, setzte er schlicht an sich zu waschen. Bei seinen Haaren gab er allerdings ein ergebenes Raunen von sich, als er mit seinen Fingern versuchte die Knoten darin wieder etwas zu entwirren. Dessen Haare waren meist ein rechtes Durcheinander, schenkte er diesen nie unnötig viel Aufmerksamkeit. Wangji nahm den Kamm, den er benutzte, aus seinem Beutel, während sich Yi Ling seine Arbeit der letzten Nacht anschaute, die er für ihn zu Ende gebracht hatte. „Ah, da hab ich dich wirklich mit dieser Sache sitzen lassen, hm? Ich dachte, ich hab es nur geträumt.“, meinte er etwas verlegen, über diesen Irrtum. „Mn. Dafür steht mir etwas frei.“, meinte Wangji ernst, das es ein kleines Vergnügen war, Yi Ling´s etwas dümmliche Miene auf seine, für ihn offensichtlich unerwartete Forderung, einzufangen. „Ich hab wirklich einen schlechten Einfluss auf dich. Aber ja, du hast etwas gut bei mir. Was möchte der große Lan xiān shī von diesem unwürdigen Schergen?“ Er verbeugte sich darauf noch theatralisch tief, das Wangji ihn an den Schultern griff und nach unten drückte, dass er zum Sitzen auf dem Boden kam. Das sich Yi Ling darüber eine schamlose Bemerkung nicht verkneifen konnte, war zu erwarten. „Das Bett ist gleich hier. Lan Zhan. Oder ist das eine von deinen wilden Fantasien?“ Und natürlich lachte er innig über den zurechtweisenden, wenn nicht auch etwas genervten Blick, den er ihm auf diesen Nonsens schenkte. „Oh.“, kam es darauf leise überrascht, als er sich hinter ihn begab und er den Kamm mit effizienten Strichen durch dessen dicke Haarfluten gleiten ließ. Yi Ling´s Körper entspannte sich sichtlich, rutschte er ein stückweit in sich zusammen und gab ein angetanes Brummen von sich, über diese Zuwendung. Als er fand, dass dessen Haare glatt genug waren, setzte er an einen Teil davon zu nehmen und sie in einem hohen Zopf mit seinem roten Haarband zusammen zu binden. Wangji fiel auf, dass Yi Ling dieses ebenso mit einem Schutzzauber versehen haben musste, war es trotz des langjährigen Tragens, immer noch fest und soweit unversehrt. Zwei leichte Strähnen ließ er ihm darauf noch von der Stirn her ins Gesicht fallen, das es ihm einen jugendlichen Charme verlieh. Dann nahm er das guān aus seinem Ärmel und band es um den Zopfansatz. Mit einem letzten, prüfenden Blick auf sein Werk, erhob er sich. Yi Ling murrte enttäuscht und öffnete seine Augen wieder, die er über seine Haarpflege geschlossen hatte. Er bewegte seinen Kopf leicht hin und her, bemerkte er wohl, dass an seiner Frisur diesmal etwas anders war, als sonst. Mit Bedacht, reichte er mit einer Hand an seinen Zopf und strich folglich mit seinen Fingern und einem fragenden Laut, über das guān. Er erhob sich darauf ebenso und ging zum Bronzespiegel hinüber, der sich in einer Ecke ihres Zimmers befand. „Lan Zhan, wann…“, fragte er verwundert über seine Reflektion darin, während er abermals das guān berührte. „Heute Morgen.“, war seine simple Antwort und er hoffte Yi Ling würde es nicht weiter hinterfragen, hatte er selbst keine richtige Erklärung dazu. Yi Ling beließ es, unerwartet, auch dabei. Schenkte ihm aber ein zufriedenes Lächeln, das Wangji sich ebenso zufrieden fühlen ließ. Bis Yi Ling forderte zu wissen, ob er hübsch aussehen würde und Wangji diese Frage für einen Moment, nicht als dessen übliche Neckerei auffasste, sondern sich ihn wirklich einmal mit dem Gedanken betrachtete, wie dessen Erscheinung zu beschreiben sei. Yi Ling war keines falls unattraktiv und das wusste dieser auch. Sein Selbstbewusstsein war nahezu eine eigene Form. Wie andere Menschen zum Beispiel, groß oder beleibt waren. Würde er ihn auch als hübsch bezeichnen? Nein zu sagen, fühlte sich falsch angesetzt an. Lügen war zudem verboten in ihren Grundwerten. „Yi Ling kann durchaus ansprechend erscheinen.“ Dieser schaute ihn mit großen Augen an, als wartete er noch auf eine passende Pointe. „War es keine zufriedenstellende Antwort?“, erkundigte sich Wangji, denn selbst wenn es Yi Ling als einen Scherz aufgefasst hatte, sollte er mit seiner Bestätigung zu dessen Frage doch trotzdem sein Ziel erreicht haben. Yi Ling lachte darauf etwas überfordert klingend. „Schon, aber wenn du es mit solch einem ehrlichen Ton sagst, könnte man fast denken, du meinst es tatsächlich ernst.“ Wangji stellte nicht zum ersten Mal fest, das Yi Ling wohl selbst nicht recht zu wissen schien, was er auf seine Albernheiten zu hören bekommen wollte und sagte somit nichts mehr dazu. Das Knurren von dessen Magen erinnerte sie wieder daran, das sie zum Frühstück geladen waren und so verließen sie das Zimmer kurz darauf. Lan Zhan ließ ihn wissen, dass er nichts Brauchbares über seine morgendlichen Besorgungen hatte herausfinden können. Doch es zeigte sich, das Xiāo Míngqín etwas zu erzählen hatte, als er ihm sagte, dass sie nach ungewöhnlichen Begebenheiten Ausschau hielten. Auch wenn er den eigentlichen Grund hinter der Erklärung verbarg, das sie nach etwas Spannung und Abenteuer suchten. Eineinhalb Tage von hier, in Richtung Norden, so habe er gehört, solle es eine Miene geben in der Unheimliches vor sich ginge. Viele der Arbeiter seien spurlos verschwunden, ohne das es auch nur das geringste Anzeichen gäbe, was ihnen zugestoßen sein könnte. Zuerst hatte man gemeint, dass sie sich mit dem geschürften Gut schlicht aus dem Staub gemacht hätten. Durch einen versteckten Ausgang womöglich. Andere meinten, dass sie verschleppt worden waren, gab es Gerüchte, dass der hiesige Magistrat Männer wegholte, um sich ein aufwendiges Anwesen bauen zu lassen. Dessen unmenschliche Ausbeutereien, waren kein Geheimnis in dieser Gegend. Wieder andere tuschelten, dass ein Monster in den Schächten sein Unwesen trieb, das die Erde zum Beben brachte, begleitet von seltsamen und furchteinflößenden Geräuschen. Xiāo Míngqín schüttelte über diese Möglichkeit eingeschüchtert den Kopf und fächelte sich etwas eifriger Luft zu. „Unheimlich, nicht wahr? Ich würde für nichts in der Welt freiwillig solch einen Ort aufsuchen.“ Er wirkte tatsächlich etwas blass um die Nase, brachte ihn wohl schon der bloße Gedanke in Panik. Norden war ebenso die Richtung in die die Waldseelen sie hatten weisen können, was den Verlauf des unterirdischen Flusses anbelangte. Es wäre somit einen Versuch wert, einmal dort vorbeizuschauen. „Habt ihr den Namen des Ortes, zu dem diese Miene gehört?“, erkundigte sich Yi Ling und blickte kurz zu Lan Zhan, der seine Absicht verstanden hatte und ihm ein knappes aber verstehendes Nicken zukommen ließ. „OH, sagt nicht, das ihr euch tatsächlich dorthin wagen wollt?! Was, wenn es wirklich solch ein grässliches Monster ist?“ Yi Ling lächelte mitfühlend, über das Entsetzen des Mannes vor ihm. „Wir wollen nur mal schauen. Sollte es ein Monster sein, dann kehren wir natürlich sofort wieder um.“ Xiāo Míngqín wirkte dennoch, als habe er den Verstand verloren, freiwillig solch ein Risiko auf sich zu nehmen, gab aber nach einem langgezogenen Raunen und Yi Ling´s nicht wankenden Eifer, nach. „Wenn ich mich recht erinnere, war der Name etwas mit Feuer…uhm…ah, ich hab es wieder; Shúshuì Huǒ (schlafendes Feuer) *** Sie hatten sich von Xiāo Míngqín verabschiedet, der meinte, sollten sie von einem Ungetüm erwischt werden, dann habe er damit nichts zu tun, und das sie ihn nicht als Rachegeister heimsuchen sollten. Yi Ling hatte ihm als Sicherheit, einen seiner Abwehrtalismane gegeben, auch wenn der andere nicht wirklich wissen konnte, das dieser, sollte es erforderlich sein, solch eine Wirkung haben würde. Dennoch hatte man sein Geschenk begeistert angenommen, machte Xiāo Míngqín den Eindruck, als wäre er über jegliche Art von Heilbringung dankbar. Basaltpfeiler wuchsen wie steinerner Bambus aus dem Berg und gaben ihrem Weg hinauf einen faszinierenden, pittoresken Hintergrund. Sie hatten Shúshuì Huǒ noch nicht erreicht, doch spürte man bereits, dass etwas nicht stimmte, je näher sie dem Dorf kamen. In der Luft hing eine unterschwellige Bitterkeit fest, was nichts Gutes erahnen ließ. Zudem war es unnatürlich ruhig. Kein Rascheln im Unterholz oder in den Baumwipfeln. Kein Vogelzwitschern oder Insektensurren. Lan Zhan sprach aus, was er selbst bereits wie einen beständigen Hauch hatte wahrnehmen können. „Es liegt eine schwache Yin Konzentration auf der Umgebung.“ Yi Ling nickte beipflichtend. „Nicht konzentriert genug, um tatsächlich Schaden anrichten zu können. Aber womöglich war es zuvor stärker und dies war, was übrig blieb?“ Es gäbe darauf die Möglichkeit, das, was auch immer diese Spur an Yin zurückgelassen hat, entweder ein hochgradiges Yāoguài war, welches bereits wieder verschwunden sein konnte, und das Yin deswegen nicht mehr Kraft besaß. Oder aber, dass es sich um ein minderwertiges Monster handelte, das womöglich noch irgendwo in der Nähe sein Unwesen trieb. Beides waren jedoch Optionen, die für das Dorf, so oder so, ein Unglück gewesen sein könnte. Sie schritten weiter den ausgetretenen Pfad entlang, bis die ersten Hütten des Ortes in Sichtweite kamen. Es waren zwei simple Häuser, am Rande der Siedlung, vom einfachen Volk gebaut und bewohnt. Ein Nutzgarten war zu erkennen, doch waren sämtliche Pflanzen verdorrt. Auch hier war immer noch kein Anzeichen von Leben wahrzunehmen. Es gab Ställe, doch kein Tier war zu sehen oder zu hören. „Das ist alles mehr als wunderlich.“, murmelte Yi Ling und nach einem prüfenden Blick vom Zaun her auf das Grundstück, betrat er es. Es gab nichts wirklich Auffälliges. Nichts das anzeigte, das etwas vorgefallen sein musste. Der Grund um das Haus, war nicht unordentlicher, als es für eine Arbeiterfamilie üblich wäre. Am Haus angekommen, klopfte Yi Ling dennoch an, nur um sicher zu gehen, das sie auch wirklich die einzigen hier waren. Es tat sich nichts und er schob die Tür schließlich vorsichtig auf. Auch im Inneren war alles recht normal. Die Feuerstelle zeigte, dass schon Tage kein Feuer mehr gebrannt hatte, wie auch das verrottete Gemüse darauf hindeutete, dass das Haus schon länger nicht mehr bewohnt worden war. Er stöberte etwas durch das Hab und Gut, was ihm von Lan Zhan eine Ermahnung in Bezug auf die Achtung der privaten Dinge Anderer einbrachte. Aber es war ja auch nicht so, als habe er vor etwas zu entwenden. Es ging schlicht darum nach Hinweisen zu suchen, was er diesem auch sagte. „Nichts. Absolut gar nichts.“ Yi Ling hielt sich eine Hand über die Augen, als er nach oben in den Himmel schaute, um sich ein Bild über die Tageszeit zu machen. Wèi shí. (13-15 Uhr) Sie hatten sich beide Gebäude angesehen, aber nichts Brauchbares herausgefunden. Doch, das musste nichts heißen, weswegen sie sich weiter begaben. Im Herzen des Ortes, war es jedoch ebenso totenstill. Die Straßen waren leer, wie es auch die Häuser schienen. Es war zudem schwer zu sagen, ob das, was man an Verwüstung ausmachen konnte, einem bestimmten Grund unterlag, oder ob nicht einfach ein paar wilde Tiere ihre Chance genutzt hatten, hier etwas Essbares finden zu können. Sie hatten keine Angaben, wie lange das Dorf bereits ohne Bewohner war. Yi Ling konnte ebenso nicht übergehen, dass es immer anstrengender wurde zu atmen, wirkte die Luft zäh und dickflüssig in seinen Lungen. „Lass mich etwas versuchen.“, teilte er Lan Zhan mit und zog Chénqíng aus seinem Gürtel. Die Melodie die er spielte, hatte etwas Aufgewühltes, doch legte er keinen aggressiven Ton hinein, auch wenn es für das Ohr etwas Disharmonisches wiedergab. Vielmehr sollte sie für ihn auf die Suche gehen, ihnen, wenn möglich, den Weg weißen, was die zerstobene Yin-Energie anginge, sollte ihre Quelle noch irgendwo zu finden sein. Wangji verfolgte die schwarzen, rauchartigen Schwaden, die Yi Ling mit seinem Spiel hervorrief, und es ihn an die Nacht zurückerinnerte, als er ihn zum ersten Mal hatte spielen hören. Und genau wie damals, erinnerten ihn die dunklen Nebel-Silhouetten an hungrige Biester die Beute gewittert hatten, stiegen sie in einem Wirbel auf und zerstreuten sich in sämtliche Richtungen. Auch wenn Wangji sich nun mehr als bewusst war, welche Kraft Yi Ling zu dirigieren vermochte, so legte sich dennoch ein klammes Unbehagen über seine Haut, je länger er dieser ungeschliffen klingenden Melodie zuhörte. Das rote Funkeln war das erste was er sah, als dieser seine geschlossenen Augen plötzlich aufschlug und er Chénqíng von seinen Lippen nahm. „Hier entlang.“ Es war alles was dieser ihm mitteilte, als er sich auch schon umwandte und einem der Wege aus dem Dorf hinaus folgte. Der Eingang der Miene ragte, wie der aufgerissene Schlund eines Ungeheuers, aus dem Fels, der beißende Geruch von fauligem Fleisch etwas, das einem Übelkeit verschaffte. Das Yin war hier stärker, merklich konzentrierter und von allen Optionen die ihnen Xiāo Míngqín aufgezählt hatte, warum die Bewohner verschwunden sein könnten, war die, das es sich um ein Monster handelte, das diese verschleppte, momentan die Naheliegenste. „Yi Ling.“ Dieser nickte zu seiner Erleichterung verstehend, hatte er fast schon angenommen, dass er ohne weiter darüber nachzudenken, die Miene hätte untersuchen wollen. Doch zeigte er sich der Situation angebracht besonnen und überlegend. Ein kratzendes Geräusch, als habe man etwas Schweres über den Fels gezerrt, hallte aus dem Schacht zu ihnen heran, doch verstummte es genau so abrupt, wie es aufgekommen war. Vielleicht einer der Arbeiter. Vielleicht aber auch etwas weitaus Gefährlicheres. Yi Ling zog ein paar Talismane aus der Tasche, die sich an seinem Gürtel befestigt befand. Einige davon blank. Sie waren im Nachteil, in solch einem unbekannten, unübersichtlichen und dazu weitestgehend geschlossenen Ort, sollte es nur diesen einen Ein-und Ausgang geben. Auch konnten sie nicht sagen, wie tief es in den Fels hineinging. Yi Ling beschrieb darauf diverse Talismane und reichte sie ihm. „Hier. Falls es notwendig wird, werden sie, was auch immer uns begegnen sollte, für einen Moment lahmlegen können. Zusammen mit deinem líng qì, wird der Effekt noch etwas langanhaltender und wirkungsvoller ausfallen.“ Yi Ling grinste darauf in seiner üblichen Manier. „Nicht, das ich annehme, das der große Lan xiān shī nicht auch so mit allem fertig werden würde, egal was sich uns in den Weg stellt.“ Er zwinkerte ihm über diese Bemerkung noch zu, als sie erneut das Scharren aus der Miene hören konnten. Diesmal verbunden mit einem unnatürlichen, gurgelnden Laut. Sie tauschten noch einmal einen couragierten Blick, und betraten den Schlund. Yi Ling leuchtete ihnen den Weg mit einem seiner Feuertalismane. Es blieb vorerst wieder totenstill, als sie sich den Hauptschacht entlangbegaben. Es war deutlich, das hier vor kurzem noch gearbeitet worden war. Kiepen mit abgetragenem Gestein lagen im Weg, wie auch halb abgebrannte Laternen, als habe man versucht eilig hier wegzukommen. Große, tönerne Gefäße, die wohl Wasser in sich hielten in Scherben oder umgestoßen. Zerschlagene Kisten und abgesplitterte Tragebalken die die Schächte stützten, zeugten ebenso davon, dass hier etwas seine Aggressionen ausgelebt zu haben schien. Alles getaucht in einen drückenden Dunst von Yin-Energie. Wangji war sich nicht sicher, was genau man hier abgebaut hatte, doch fielen ihm die zinnoberroten Einschließungen auf, die sich ab und zu freigelegt zeigten. Sie kamen an einer der Belüftungsanlagen vorbei, welche man ebenso zerstört hatte. Es ließ Wangji daran denken, dass es nicht nur auf Monster Acht zu geben galt. Giftige Gase oder die fehlende Frischluft die hier nicht zirkulieren konnte, wären Risiken, denen man ebenso zum Opfer fallen konnte. Er mochte es dank der Kraft seines goldenen Kerns für einen gewissen Zeitraum aushalten können. Er schaute zu Yi Ling, der sich weiter prüfend umsah. Yi Ling war womöglich nicht dazu in der Lage, oder, wenn er es mit einem seiner Zauber beeinflussen konnte, vielleicht für eine Weile. Und das womöglich auch nur, wenn sie sich nicht mitten in einen Kampf gezogen befanden. Es wäre angebracht, somit extra vorsichtig zu sein, um etwaige Zeichen rechtzeitig deuten zu können. Yi Ling schaute sich den Inhalt einer der Kisten an und zog ein Seil hervor, das er sich ebenso an seinem Gürtel befestigte. „Man kann nie wissen, ob es nicht nützlich werden könnte.“, erklärte er ihm, und steckte sich darauf noch einen zylinderförmigen Behälter ein, an dessen Inhalt er kurz gerochen hatte und es wohl als etwas ebenso Nützliches ansah. Sie griffen sich jeweils eine der noch intakten Laternen und erhellten diese, bevor sie sich weiter, über etwas wackelig wirkende hölzerne Stege begaben, die sich hier und da zwischen Felsabschnitten gespannt befanden und sie weiter in die Miene hineinführten. Bis jetzt hatten sie noch keinen der Arbeiter gefunden. Es gab weder Leichen, noch Überreste irgendeiner Art. Der Verwesungsgeruch jedoch, hing noch immer in der nun etwas stickiger werdenden Luft. Dann war das Scharren wieder zu hören, doch diesmal klang es nahe genug, dass sie sich rasch umschauten, um nicht einem Hinterhalt zu erliegen. Ein abgehacktes Stöhnen folgte, das von einem Raunen abgelöst wurde, welches bei näherem Hinhören auch ein Flüstern hätte sein können. Sie befanden sich an einem Absatz der verlangte, dass sie die lange Holzleiter vor ihnen hinaufsteigen müssten, wollten sie nicht wieder kehrt machen, um einem der anderen, abzweigenden Schächte zu folgen. Allerdings, war es ebenso eine kritische Stelle, konnten sie nicht sehen, was sie auf dem oberen Abschnitt erwarten würde und ob sie schnell genug wären darauf zu reagieren. Es war schwer eine bestimmte Yin-Qi Signatur auszumachen, wenn der gesamte Ort damit angefüllt war. Yi Ling schien ihm auch hier stumm beizupflichten, zog er eines seiner Papiermännchen hervor und versah es, anstelle von Schriftzeichen, mit einem geöffneten Auge. Dann ließ er es nach oben steigen und schloss seine Augen darüber. Wangji nahm an, das dieser nun wohl über das Männchen sehen konnte. Jenes streckte nun seinen Kopf über die Kante und drehte ihn hin und her. Schaute sich offensichtlich um. Das Flüstern war zurück, wechselte aber rasch in ein aufgebrachtes Grollen und dem Geräusch von brechendem Stein, das er das Vibrieren des Bodens unter seinen Füßen spüren konnte. Yi Ling riss seine Augen auf und beorderte das Männchen wieder zu sich. Er schaute ihn mit einem Ausdruck an, der ihm sagte, dass es nichts Erfreuliches war, was er zu berichten hatte. „Ich glaube wir haben einen der Arbeiter gefunden. Oder was aus ihm geworden ist.“ Sie sprangen noch rechtzeitig auseinander, als von oben her Gesteinsbrocken auf sie niedergingen und sich darauf eine groteske Imitation eines menschlichen Körpers an der Kante zeigte. Ihr Leib war unnatürlich dürr. Bräunliche, Wachspapier-artige Haut alles, was sich über deren Knochen spannte. Ihre Augen waren mit einem roten Leuchten ausgefüllt, während sie unverständlich vor sich hin wisperte. Sie trug noch immer einen Rest der Kleidung von einem der Arbeiter. Auch hielt sie, mit einem apathischen Schwanken ihrer deformierten Gestalt, an einer Spitzhacke fest. Dann öffnete sie ihren Mund und… „Uhhh, das nenn ich mal absolut widerlich!“ Yi Ling hatte sich über den grünlichen, schleimigen und wirklich abartig riechenden Auswurf, mit dem man auf sie gezielt haben mochte, die Nase zugehalten, und schaute Wangji mit etwas wässrigen Augen an. „Ich schätze, hier gibt es kein freundlich.“ Er klang noch immer nasal und Wangji entging ebenso nicht, das er ein Würgen wieder herunterschluckte. Dann zog dieser seine Dizi hervor und ließ deren Melodie ihre Arbeit tun. Die Gestalt gab ein gepeinigtes Kreischen von sich, ob der schrillen Töne, und taumelte am Rande der Kante, soweit bis einer ihrer Füße ins Leere trat und sie mit einem scheußlich klingenden Klatschen vor ihnen landete. Doch war es damit nicht vorüber, zuckte und stöhnte diese weiter, im Versuch sich aufrichten zu wollen. Was auch immer den Arbeitern hier zugestoßen sein musste, war stark genug, um sie mit solch einem verdrehten Existenzwillen zu beseelen, dass auch ein zerschmetterter Körper sie darin nicht aufhielt. Yi Ling spielte abermals auf Chénqíng, doch diesmal war es ein anderes Stück. Nicht so aggressiv, wie das vorherige. Die Gestalt stöhnte abermals, doch klang es diesmal schwach, als wäre sie müde, bis sie gänzlich in sich zusammensackte, und heißer röchelte. Es traf Wangji wie ein Hieb, als er verstand, dass es Yi Ling´s Version von einem „Zur Ruhe legen“, darstellte, das dieser spielte. Ein einziger, winziger glühender Funke entfloh dem verstümmelten Leib, und Wangji ging ebenso in Aktion, indem er diesen mit einem Binde-Zauber seinerseits einfing, ihn in einer bläulich schimmernden Kugel versiegelte, damit er ihnen nicht verlöschte. Es war das letzte Fragment der Seele, die einst zu dieser Person gehört hatte, bevor ihr solch ein Schicksal wiederfahren war. Dass dieser Seelen-Funken noch existierte, sagte ihnen, dass jene noch nicht lange in diesem Zustand gewesen sein konnte. Es war ebenso eine Möglichkeit, mehr darüber herauszufinden, was hier geschehen sein mochte. „Solch einen Assistenten lob ich mir.“ Wangji ersparte sich einen Kommentar dazu. Beide schauten auf die Sphäre und den darin hin und her huschenden Funken. „Ich denke, es ist besser, wenn du ihn befragst, mein yuàn qì verschreckt sie womöglich nur.“ Wangji nickte und legte seinen Zeigefinger an das Siegel, konzentrierte sich auf das Fragment darin. Es war gut möglich, dass es ihnen nicht viel verraten würde können, in diesem unvollständigen Zustand, doch es war einen Versuch wert. Er musste ebenso Acht geben, nicht zu überwältigend darauf einzuwirken, um es nicht zum Splittern zu bringen. Die erste Verbindung damit, gestaltete er daher wie ein vorsichtiges Anstippen, nicht anders als würde man versuchen wollen, einen Schlafenden sacht aufzuwecken. Er spürte die Irritation und Verunsicherung, die ihn darauf entgegenkamen, doch ließ er seine Absichten in sanfter Energie für sich sprechen und es brachte den gewünschten Effekt. Die ersten Bilder die man ihn einsehen ließ, waren etwas nebulös, das er nicht viel erkennen konnte. Einzig die panisch klingenden Wortfetzen, die damit einhergingen, ließen erahnen was er nicht sehen konnte. Die nächste Erinnerung, zeigte den Stollen. Die Männer die sich um ihn herum befanden, alle mit schreckbleichen Gesichtern, und zitternden Körpern. Grausam klingende Schreie, die aus den Schächten um sie herum wiederhallten. Jemand sprang auf, und ehe er sich versah, hatte dieser ein Messer gezogen und unter verstörten Worten, nicht auch so enden zu wollen, sich die eigene Kehle durchgeschnitten. Wangji sah den zuckenden Körper noch fallen, als abermals die Szene wechselte. „Wir hätten nie so tief graben sollen…diese Steine sind ein Fluch…“ Er war allein und nur mit dem verschwindenden Licht einer Öllampe, wirkte die Dunkelheit allesverzehrend. Seine zittrige Hand hielt ein paar zinnoberrote Kristalle und man verfluchte diese erneut. Er hörte das Scharren und Kratzen der Spitzhacken, die man über den Fels mitschleifte und warf die Kristalle mit einem verängstigten Wimmern, ziellos in die flackernden Schatten. Man kroch darauf weiter, ohne recht zu wissen wohin es einen führen würde, als ein sonderbarer, mattbrauner Dunst aufstieg, und den Träger der Erinnerung zum verzweifelten Luftschnappen brachte, als dieser Nebel an ihm hinauf waberte. Das letzte was er noch einfangen konnte, waren die rot glühenden Augen, eines der verwandelten Arbeiter, die im nächsten Augenblick schon direkt in die seinen starrten. Sich der faulende Körper über ihm ungemein kraftvoll zeigte, indem man ihn am Boden hielt und das Maul, das in dessen Hals biss, einen letzten verzweifelten, gurgelnden Laut aus dem Besitzer des Seelen-Funken herausquälte. Er nahm den folgenden Wandel zu ebensolch einer Kreatur noch kurz in seinem Bewusstsein wahr. Wangji fühlte sich einen kurzen Augenblick etwas benommen, doch fand er rasch zu seiner Positur zurück, und ihn Yi Ling bereits abwartend ansah, als er dessen Blick suchte. „Es stimmt, dass etwas in dieser Miene die Arbeiter verwandelt hat. Ich sah ungewöhnliche, rote Kristalle die man dafür verantwortlich machte. Dieser Arbeiter, wurde durch den Biss einer dieser Kreaturen, ebenso einer der ihren. Wir sollten zudem auf ein bräunliches Gas Acht geben, das womöglich eine Rolle in dem Ganzen spielte.“ Yi Ling raunte verstehend. „Das hört sich alles recht beunruhigend an. Wenn wir einen dieser Kristalle finden könnten, würde er uns vielleicht mehr verraten. „Wir wissen nicht, was sie bewirken. Somit sollten wir mit Bedacht vorgehen.“ Wangji griff nach der Sphäre und verstaute sie in seinem qián kūn Beutel. Er würde den Seelen Funken später weiterschicken. Vorausgesetzt, sie kamen unversehrt wieder hier heraus. „Lan Zhan, hältst du mich für solch einen Hitzkopf?“ Wangji schaute Yi Ling auf diese Frage, mit einem ergebenen, wissenden Gesichtsausdruck an. Kapitel 23: ------------ Je tiefer sie kamen, umso öfter trafen sie auf diese Kreaturen. Solange sie sich nicht gestört fühlten, so bekam Yi Ling mit, gingen sie schlicht weiter dem Graben nach. Sogar mit bloßen Händen, wenn sie kein Werkzeug bei sich hatten. Nun stellte sich die Frage, ob sie dies taten, weil es der letzte, menschliche Instinkt in ihnen war, oder aber, weil sie jemand…etwas dazu befehligte. Sie schienen, trotz allem, kein System in ihrem Tun zu verfolgen, sondern einfach nur zu handeln. Doch sobald diese sie bemerkten, wandelte sich diese Apathie schlagartig und man stürzte in unerwarteter Agilität und Schnelligkeit auf sie zu. Lan Zhan war gut darin, solche Angriffe mit seinem Schwert abzuwehren, doch solange man diese Kreaturen nicht regelrecht in Stücke geschlagen hatte, rafften sie sich stets wieder auf, was es mühselig machte ihrer Herr zu werden. Oder den geworfenen Steinen rechtzeitig auszuweichen, wie auch dem widerlichen Auswurf, denen man ihnen entgegenspie. Sie hatten eine kleine Horde zusammengetrieben, wie Yi Ling es Lan Zhan auftrug, als er sein Flötenspiel nutzte, diese dazu zu bringen sich selbst zu zerreißen. Was sie an Seelenfunken bergen konnten, nahmen sie bei sich auf. Schließlich kamen sie zu einem Punkt, den eine solch beißende Energie umgab, dass sie sich erst einmal wieder zurückzogen, um nicht Gefahr zu laufen, dadurch Schaden davon zu tragen. Wie Bronzestaub, schimmernde Schwaden krochen umher und man konnte die kräftigen, roten Kristallnester im Gestein ab und an durch diese hindurchfunkeln sehen. Das Gas schien von diesen unheilvollen Steinen auszugehen. Yi Ling nahm das zylinderförmige Behältnis wieder herzu, das er vorhin mitgenommen hatte und einen unbeschriebenen Talisman. Er stippte die Spitze seines speziellen Pinsels in das Behältnis, dessen Inhalt er als ein feines, schwarzes Pulver erkannte, und schrieb folglich auf das Papier. Dann ließ er den Talisman durch diesen unheilvollen Nebel schneiden, das er an einem Stück Fels haften blieb und Yi Ling ihm angab, mit ihm etwas zurück zu treten. Etwas in Deckung schickte er einen Qi Impuls zu dem Talisman, der mit einem Krachen explodierte, das der Fels um sie gefährlich bebte und der Staub um sie herum rieselte. Yi Ling grinste etwas entschuldigend. „Das war wohl etwas zu viel Feuerkraft. Aber zu meiner Verteidigung, es war ein erstmaliger Versuch.“ Wangji hob etwas verdutzt die Augenbrauen. „Es schien der praktischste Weg, um ein paar von den Kristallen loszulösen, indem ich das Schwarzpulver mit der Tinte mischte, die ich sonst dazu verwende um meine Feuertalismane zu schreiben.“ Es machte so gesehen schon Sinn, doch wäre er das nächste Mal dankbar, wenn man ihn vorher darin einweihen würde, das einem ein kompletter Stollen auf den Kopf fallen könnte, bei solch einem riskanten Versuch. Am Ende hatte Yi Ling bewirkt, was nötig war und dieser schloss einen der Kristalle in eine isolierende Versiegelung ein, bevor sie sie von zwei seiner Männchen herantragen ließen. Yi Ling schaute sich den Kristall prüfend an. „Soweit, nicht wirklich ungewöhnlich. Weder in der Farbe noch in seiner Erscheinung.“ Auch Wangji würde es beim einfachen Hinsehen, als ein Stück Zinnober deuten. Yi Ling murmelte darauf etwas vor sich hin und ließ etwas Energie in die Hülle vordringen, ohne sie zu beschädigen. „Es ist auf jeden Fall kein gewöhnlicher Kristall. Man spürt deutlich die Yin-Energie, die sich darin eingeschlossen befindet. Aber mehr wie feine Schlieren, als ein direktes Zentrum. Als habe sich der Kristall damit vermischt. In kleineren Bruchstücken eher weniger potent, doch in größeren Mengen… Das Mineral an sich, ist eher porös. Wie gewachsen, als durch das Felsgestein geformt.“ Das hörte sich ungewöhnlich an. Es sollte eher unwahrscheinlich sein, das ein Kristall nachträglich und direkt im Stein gewachsen sein könnte. Zumindest nicht auf natürliche Weise. „Es ist noch etwas anderes darin...“ Yi Ling´s Augenbrauen zogen sich über seine Analyse weiter zusammen, bevor sie abrupt nach oben schnellten und er wirkte, als habe er doch noch etwas herausgefunden. „Die Materie, und die Vergiftung des Sees. Diese eine, letzte unbestimmbare Komponente, die ich nie habe zuordnen können. Sie befindet sich auch in den Kristallen. Es ist dieselbe ungewöhnliche Struktur. Nur kräftiger. In diesem Falle hier; womöglich haben die Arbeiter diese Kristalle gefunden und abgebaut, in der Annahme es wäre Zinnober oder ein anderes verwertbares Mineral. Die Essenz dieser Kristalle, könnte nach und nach in sie eingedrungen sein, je länger sie damit in Kontakt waren. Wie eine schleichende Vergiftung. Dieser Nebel…“, er schaute auf die behäbigen Schwaden. „Wenn er aus identischen Bestandteilen besteht, und die Arbeiter vielleicht überrascht hatte, wäre es ein weitaus schnellerer Prozess der Infizierung. Wenn es stimmt was du sagtest, das sie sich gegenseitig anstecken können, reichte schon eine Person aus, um das Dorf in solch ein Unheil zu stürzen.“ Wangji sah die Nachdenklichkeit in Yi Ling sich verfestigen. „Das einfachste wäre, die Miene zu zerstören, und zu versiegeln, das nicht noch einmal jemand auf die Idee kommt hier schürfen zu wollen. Allerdings ist auch nicht klar, wo sich diese Kristalle überall befinden. Sollte deren Wachsen, davon profitieren, dass es sich bei diesem Berg um einen alten Vulkan handelt, wäre die Reichweite wenigstens einsehbar. Nur haben wir keine Möglichkeit, das auch genau zu bestimmen.“ Das Problem, so wusste auch Wangji, war, das sie den tatsächlichen Ursprung dieser Kristalle nicht kannten. Ob sie durch eine bestimmte Bedingung gewachsen waren, oder womöglich durch etwas eingeschleppt wurden. Noch wussten sie, wie schnell und wie weit sie sich ausbreiten konnten. Ein plötzliches, biestartiges Grollen, das durch die Schächte schallte, ließ sie sich rasch wieder in Anspannung bringen, war dies ein Geräusch, das sie bis jetzt noch nicht hier unten gehört hatten. Sie gingen zu dem Punkt zurück, wo sich dieser Schacht abzweigte und Yi Ling spähte zuerst in die Dunkelheit, die sich nun mit etwas weitaus unheilvollerem aufgeladen befand. Die Gestalt eines Arbeiters zuckte durch den schwachen Feuerschein, den ihre Öllampe erzeugte, doch schenkte dieser ihnen keine Beachtung und strauchelte weiter. „Yi Ling.“ Er zog diesen rasch zurück, als wie aus dem Nichts, ein weiterer Arbeiter aus dem schwarzen Schacht auftauchte und er schon Bichen zu ziehen gedachte, doch Yi Ling ihn darin aufhielt. „Warte.“ Dieser Arbeiter hatte sie auf jeden Fall gesehen, doch wie schon der andere, ließ er sie in Ruhe und folgte der Richtung des Ersten. Das Grollen war erneut zu hören und mehr und mehr Arbeiter kamen herangestolpert, als habe man diese gerufen und sie folgten anstandslos. Yi Ling haftete einen Talisman an eine der Gestalten, das sich mit dieser und Yi Ling´s Hand ein feiner Faden an Energie verband. Er kannte diesen Trick. Sie blieben vorsichtig, als sie der Meute folgten, ohne sich ihnen zu zeigen, wirkte der Faden als ihr Wegweiser. Schließlich war das Yin-Qi derart dick, dass es sich wie ein Kratzen über seine Haut anfühlte und er sein líng qì etwas kräftiger dagegen wirken lassen musste. Ein intensives, rotes Leuchten, war das Ziel der Arbeiter, das ausreichte, die nächsten Schritte auch ohne den Schein der Lampe sehen zu können. Dann eröffnete sich der Schacht zu einer weitläufigen Kammer, die nicht den Anschein machte, als habe man sie per Hand in den Fels geschlagen, gab es weder Balken noch Stützen, die diese hielten. Das Licht stammte von den unzähligen, üppigen Kristallnestern die sich über den gesamten Raum verteilten und wohl der Grund für das hohe Yin darstellten. Die Arbeiter hatten sich in der Mitte der Höhle versammelt. Raunten und zischten in ihrer unmenschlichen Art. Scharrten mit ihren Hacken über den nackten Stein. Es passierte mit dem nächsten Wimpernschlag, das sich der Boden unter einem rotbräunlich-schwimmenden Loch auftat, begleitet von diesem Grollen und sich eine riesige, scheußliche Kreatur zeigte, welche mit ihren deformierten Maul, in die Arbeiter schnappte und sie verschlang. Sie erinnerte mit ihrem fetten, wulstigen und grau-schimmernden Leib an eine Käferlarve. Ihr Haupt war enorm und mit Geschwülsten übersäht, die die winzigen, rot glühenden Augen nahezu überwuchert hatten. Ein paar noch zappelnde Körper, von den gefangenen Arbeitern, wanden sich in den Furchen zwischen den verschobenen, spitzen Zähnen und den gewaltigen, wildschweinähnlichen Hauern die aus deren Ober-und Unterkiefer hervorstachen Es besaß keine Beine, nur zwei knöchrige Arme aus denen jeweils drei lange, sichelförmige Krallen hervorragten, mit denen es in den Fels schlug, um sich voranziehen zu können. Für solch ein plumpes, unförmiges Wesen, war es jedoch ungemein agil. In seinem Hunger mähte es regelrecht durch die willenlosen Arbeiter, das man darauf auch erkennen konnte, das es nicht, wie angenommen aus diesem Loch herausgestiegen war, sondern das sich dessen Hinterleib noch immer darin verborgen befand. Dann tauchte es abrupt ab. Die rotbraune, flüssig erscheinende Materie im Boden wanderte und ließ auf ihrem Weg feine rote Kristalle zurück. Dann tauchte es an einer anderen Stelle wieder hervor und wütete weiter. „Ich denke, wir haben nun unsere Erklärung, wo diese Steine herkommen.“, wisperte Yi Ling in ihrer immer noch gehaltenen Deckung, am Eingang der Kammer. „Es sieht so aus, als könne es sich beliebig durch den Fels bewegen, was erklären würde, warum diese Kristalle sich überall hier befinden. Es wird schwierig ihm beizukommen, wenn es solch einen Vorteil nutzen kann. Wir müssten einen Moment abpassen, wo es sich an der Oberfläche befindet und es dort festhalten.“ Sie mussten überlegt vorgehen um zu vermeiden, in dessen Fänge zu geraten. Bei einem Yāoguài von solch einer Größe, bedurfte es geschicktes und effektives Handeln. Noch war es damit beschäftigt die Arbeiter zu fressen, wahrscheinlich um Kraft zu sammeln. Etwas das nicht zu ihrem Vorteil war. Sie hatten sich eine Strategie zurechtgelegt, auch wenn sie die Wahrscheinlichkeit des Unbekannten nicht kalkulieren konnten, war dieser Plan alles was sie im Moment schmieden konnten. „Gehe kein unnötiges Risiko ein.“, ermahnte Wangji Yi Ling, was ihm eines dieser Lächeln einbrachte, die ihn zu frustrieren wussten. Es war nicht nötig, dass Yi Ling etwas erwiderte, war klar, dass dieser seinen Verweis zwar verstand, aber sich nicht notgedrungen daran halten würde. Die Bestie hatte sich mit ihrer Rückseite dem Eingang zugewandt, was ihre Chance darstellte, sich in Aktion zu begeben. Sie teilten sich auf, um sich jeweils einer Flanke des Monsters anzunehmen. Sie wussten, sollte es sie bemerken, würde es entweder abtauchen oder einem von ihnen nachjagen. Bevor es zu einer Option davon kommen konnte, wandte Wangji die Starre-Talismane an, die ihm Yi Ling vor dem Betreten der Miene gereicht hatte. Die Bestie wand sich einen verstörten Moment, doch wurde der magische Druck schließlich zu groß und mit einem aufgebrachten Grollen blieb es in seiner Position verharren. Die Überreste ihres letzten Happens, rutschten aus ihren fauligen Fängen, doch sahen es die Arbeiter, die noch übrig waren, es nicht als ihre Chance an zu entkommen, sondern schlugen nun ebenso nach ihnen aus, wenn sie ihnen zu nahe kamen. Yi Ling zog einen weiteren Talisman hervor und der nach seinem Aufkommen zwischen den Arbeitern einen weißen Qualm freigab, der sich rasch verteilte. Die Arbeiter raunten zunächst weiter ungerührt, doch taumelten sie mit einem Male mehr als üblich, oder drehten sich sogar im Kreis. Wangji konnte das süßliche Aroma einfangen der diesem Nebel anhaftete und er erkannte es als den Rauch, den Báiwù benutzte. Yi Ling hatte ihn sich also bereits zu einer eigenen Waffe gemacht, die ihnen hier zum Vorteil war. Eine weitere Hürde ausgeschalten und Wangji zog Bichen, um dem Ungetüm einen kraftvollen Hieb zu verpassen, der sich über dessen gesamten Rücken zog und dieses gepeinigt kreischen ließ. Aber es reichte nicht aus, um es zu erlegen, weswegen er weiter nachsetzte. Yi Ling indes spielte eine Melodie mit Chénqíng, welche die Arbeiter unter ihren Bann zwang und diese nun ebenso auf das Monster niedergingen. Ob nun mit ihrem Werkzeug oder Händen und Mäulern. Es war das kurze, aber kraftvolle Zucken, das darauf den mächtigen Leib der Bestie erfasste, das Wangji gerade noch Yi Ling´s Namen rufen konnte, der über sein Spiel die Konzentration auf die Arbeiter gerichtet hielt, und somit dem plötzlich auftauchenden, wuchtigen Fortsatz, welchen die Kreatur bis jetzt unter der Erde verborgen hielt, nicht mehr gänzlich ausweichen konnte, als dieser nach ihm ausschlug. Mit viel zu viel Wucht, wurde dieser gegen eine der Felswände geschleudert und sackte darauf haltlos zu Boden. Mit einem gequälten Stöhnen, raffte sich dieser jedoch wieder auf und Wangji atmete tief durch und eilte auf Bichen zu ihm. Doch hatte die Bestie nicht vor, ihn an diesen heranzulassen, peitschte ihr Schweif nun ungehalten nach ihm, dass es dabei ebenso gegen die Felsen schlug. Yi Ling war noch benommen genug, das er den dadurch herausgebrochenen Steinen nur mühselig ausweichen konnte, und so kam Wangji einfach nicht an ihn heran. Dass sein líng qì nicht ausreichte, um dieses Ungetüm zu überwältigen, wusste er, weswegen sie auf Yi Ling´s Talismane zurückgegriffen hatten. Doch sollte es reichen, um einen Teil davon, wenigstens für einen Moment einzufrieren. Der wuchtige Schweif verlor seine Agilität genug, das er zu Yi Ling preschen konnte, um ihn aus der Gefahrenzone zu bringen, doch musste er nun auch wieder auf die Arbeiter achten, die nicht mehr unter dessen Einfluss standen, dass es schwer wurde, einen sicheren Platz zu finden, wo er ihn absetzen konnte. Dieser Gedanke erübrigte sich, als die Höhle zu beben begann und sie verfolgen konnten,, wie sich das Monster unter angestrengten Gebärden aus ihrem Bann zu befreien begann, indem es diese rotbraune, wallende Materie, mit der sie sich auch durch den Stein bewegte, dafür nutzte ihre Talismane einfach zu verschlucken. Mit einem aufgebrachten Kreischen hatte es sich schließlich losgesagt. Es verschwendete keine Zeit und setzte ihnen nach. Es war schwierig den langen, geschwungenen Krallen auszuweichen, wenn er noch jemanden bei sich hielt. Da es nun derart fixiert auf sie war, konnte er es auch nicht so einfach abschütteln, stellten die Felsen kein Hindernis für dieses dar, das sie sich hätten irgendwo verstecken können. Die Miene vibrierte mit dem Toben der Kreatur, das die Holzträger, die die Schächte hielten, knackten und ächzten, das sie wohl nicht mehr lange standhalten würden unter dieser Rage, das Wangji beschloss zum Eingang zurück zu fliegen. Yi Ling schien seine Eingebung zu erahnen. „Lan Zhan, wenn wir ihm jetzt nicht beikommen, dann besteht die Gefahr, dass es wieder verschwindet und irgendwo anders weiteres Unheil anrichtet.“ Yi Ling straffte sich in seinem Halt. „Vielleicht kann ich es mit meinem yuàn qì bändigen.“ Wangji schüttelte den Kopf. Sie brauchten einen neuen Plan! Es würde eine immense Menge yuàn qì benötigen, um solch einem Monster zusetzen zu können. Zudem war Yi Ling verletzt. Dinge die, wenn dieser nicht vorsichtig wäre, ebenso großen Schaden anrichten konnten. „Lan Zhan!“ „Nein!“ Yi Ling´s ergebenes Raunen, hatte ihn für einen verschwindenden Augenblick hoffen lassen, er würde Einsicht zeigen. Das Lächeln das dieser darauf aufsetzte, ließ allerdings geballte Panik in ihm aufkommen. Dieser war so verdammt schnell, sein Leben aufs Spiel setzen zu wollen, das es ihn regelrecht wütend machte. Die Kreatur war ihnen noch immer dicht auf den Fersen, dass kaum Zeit war, sich neu zu orientieren. Yi Ling setzte an sich aus seinem Halt zu lösen, doch hielt ihn Wangji darauf nur noch fester, das es dem anderen ein genervtes Murren entlockte. Sie durchquerten einen der unzähligen Gänge, der sich darauf ebenso zu einer Kammer öffnete, die natürlichen Ursprunges war, wuchsen von ihrer Decke unzählige Stalaktiten in unterschiedlichen Größen. Der Boden hingegen war übersäht mit diesen rot glühenden Kristallen. Dann war da nur noch Fels vor ihnen und es zwang Wangji harsch auszuweichen. Die Bestie war schnell dabei nach ihnen auszuholen, nun wo sie sich in die Enge getrieben befanden. Er konnte einen der größeren Stalaktiten gerade noch ausweichen, bevor dieser von einer der Klauen der Kreatur zerschlagen wurde. Er brachte sie an die höchste stelle der Kammer, welche diese so nicht erreichen würde können, doch war es nur kurz, das er sich erlaubte durchzuatmen und er sich kalkulierend umschaute. Die Tropfsteine! Wenn sie deren Masse und geballte Wucht nutzen könnten um das Monster damit zu schlagen. Seine Gedanken kamen abrupt zum Ende, als dieses plötzlich neben ihnen aus dem Fels starrte und er nur nach unten wegsinken konnte. „Yi Ling.“ Es war erstaunlich, wie dieser im Stande zu sein schien, ihn lesen zu können, nickte dieser bevor er seine Idee vorbringen konnte. „Die Stalaktiten.“ Wangji schaute Yi Ling einen Moment schlicht an, bevor er dessen Erkenntnis bestätigte. „Wir müssten sie, für den richtigen Effekt, alle auf einmal lösen, um sicher zu gehen, dass sie ihr Ziel auch treffen werden.“, fügte dieser an und ließ seine Flöte zwischen seinen Fingern kurz rotieren. „Ich weiß es wird dir nicht passen, aber ich kann versuchen es mit meinem Spiel festzusetzen.“ Yi Ling hatte Recht, es behagte ihm für dessen Wohlergehen nicht, aber er wusste, dass in diesem Moment wohl keine andere Option offen stand. Wenn er schnell und präzise mit seiner Guqin vorginge, müsste dieser die Belastung nicht zu lange auf sich nehmen. „In Ordnung.“ Sein eindringlicher Blick, den er Yi Ling darauf schenkte, ließ diesen mit den Augen rollen. „Ich werde schon auf mich Acht geben. Der Himmel weiß, dass du mich wohl noch im Tod aufsuchen würdest, um mich zu tadeln, sollte ich es übertreiben.“ „Mn.“ Yi Ling schüttelte mit einem fassungslosen Feixen den Kopf.“ „Na dann.“ Die Kreatur war gewiefter geworden, und machte es ihnen schwer, ihren unvorhersehbaren Angriffen auszuweichen, nutzte diese jedes Stück Felswand der Kammer zu ihren Gunsten. Es war Yi Ling, der deren Präsenz ein Stückweit zu orten gelernt hatte, strahlte sie genug Yin Energie aus. Allerdings war sie schnell, und immer noch voll Raserei. Ihre Krallen ein weiteres Hindernis in ihrem Versuch, es an den vorgesehenen Platz, in der Mitte der Kammer, zu lotsen. Es war nur ein kurzer Augenblick, als diese aus dem Boden unter ihnen hervorschoss, doch war Yi Ling ebenso schnell mit Chénqíng eine schrille und schneidende Melodie erklingen zu lassen. Die Kreatur kreischte über die Wogen an beißendem yuàn qì, die Yi Ling über diese hereinbrechen ließ. Es war ein immenser Druck, der Wangji selbst Kraft abverlangte, um sie an einen sicheren Platz zu bringen, wo er schließlich seine Guqin erscheinen lassen konnte und sie nicht Gefahr liefen, selbst von ihrem Angriff erfasst zu werden. Er verlor somit keine weitere Zeit, war deutlich das Yi Ling sich merklich anzustrengen hatte, konnte er zudem nicht abschätzen, wie verletzt dieser wirklich war. Mit geübten Fingern brachte er die Saiten zum Vibrieren, um die notwendige Energie zu konzentrieren. Mit koordinierten Handstrichen, ließ er die tiefen, klingenscharfen Töne sich nach vorn schlagen, dass sie das Gestein der Stalaktiten durchbrachen und diese in einem Tosen geradehin nach unten stürzten. Die steinernen Pfähle, die sich durch den Leib der Kreatur bohrten, ließen diese, in ihrer Qual, ohrenbetäubende Schreie von sich geben, dass es auch ihnen zusetzte. „Lan Zhan!“ Er las Yi Ling´s Worte mehr von dessen Lippen ab, als das er sie hörte. Die gesamte Kammer bebte und ließ den Fels wie Papier einreißen. Das Gestein brach nach und nach in sich zusammen, hagelte todbringend auf sie nieder. „Wir…“ Weiter kam Yi Ling nicht, sackte der Fels unter ihren Füßen ebenso zusammen und offenbarte einen Abgrund, dort wo der Boden eingebrochen war. Das klatschen von Geröll in Wasser war zu vernehmen, was annehmen ließ, das sich unter der Kammer ein weiterer Hohlraum befand. Wangji versuchte sie so behände wie möglich, vor der größten Wucht der Felsen zu bewahren, während er ein Qi Schild um sie gezogen hatte, das die kleineren Steine abwehrte. Ein abrupter, kraftvoller Schlag gegen Bichen, der von unten her rührte, ließ ihn jedoch die Balance verlieren. Ihr Fall war unausweichlich. Wangji erkannte wie die Bestie aus rot glühendem Wasser stierte, nicht ganz erlegt und mit mordlustigen Wahnsinn in ihrem verunstalteten Gesicht. Ihr Hinterleib hiebte gegen einen der fallenden Felsen, der auf sie zugeschossen kam, doch sie verfehlte. Damit hatte sie, sie wohl auch von Bichen reißen können. Das Wasser zeigte sich als ein breiter, fließender Strom, auf dem Wangji aufschlug und es ihm wie das Fallen in kochendes Öl erschien, brannte seine Haut und lähmte es seinen Körper. Er erkannte noch, dass das Flussbett überwuchert war mit den roten Kristallen, und ihn die Panik ergriff, was dies bedeuten könnte. Das seltsame Yin in diesen Steinen, er war ihm vollkommen ausgeliefert, war er nicht im Stande einen Schutzzauber anzuwenden, der dieses von ihm fernhalten könnte. Es würde sein komplettes líng qì regelrecht zersetzen, sollte es in seinen Körper gelangen, und dieses Mal wäre es sein sicheres Ende. Ein Schatten preschte durch das Wasser, wie eine nachtschwarze Seeschlange, das er mit einem anderen Untier rechnete, als dieser sich darauf um seine Gestalt wand und komplett einzuhüllen vermochte. Er wagte es nicht aufzuatmen, zu groß noch die Befürchtung dem Yin doch seine Chance zu geben. Yi Ling´s yuàn qì war ihm vertraut geworden, wenn auch nicht auf einem Level, wo er behaupten würde, es als etwas weniger unheilvolles zu empfinden. Doch war es in diesem Moment sein lebensrettender Anker, in dieser giftigen Flut. Jedoch hielt dieses Gefühl nur einen verschwindenden Moment. Das Wasser formte sich zu einem Strudel und sog ihn unweigerlich in dessen Zentrum. Wage konnte er diese merkwürdige rotbraun schimmernde Substanz erkennen, welche dieser Kreatur ihre Bewegungsfreiheit zu geben schien, und welche nun den Schlot dieses Strudels darstellte. Mit Unwohlsein, fragte er sich, was in diesem Schlund auf ihn warten würde und was aus Yi Ling geworden war. Er würde ihn wahrlich auf jeder Ebene der Existenz heimsuchen, sollte dieser seine letzte Kraft dafür aufgebraucht haben, ihn zu schützen. Er spürte noch den Fall ins Unbekannte, bis ihn eine andere Dunkelheit darauf gänzlich verschluckte. Yi Ling stöhnte geschunden, als er wieder zu sich kam und noch bevor er die Augen öffnete. Ein lästiges Pieken in seine Seite, ließ ihn mit einer Hand danach schlagen, dem ein abschätziges Schnauben folgte, welches nicht von ihm stammte. Es brachte ihn den letzten Rest zu sich, nur um daraufhin in das geisterhafte Gesicht eines Jungen zu blicken, der in Menschenjahren mit einem halbstarken Jugendlichen zu vergleichen war. Dessen Augen hatten die gleiche, tiefrote Farbe wie dessen wilde Haare, die wie von einer unsichtbaren Brise zum Tänzeln gebracht worden und an ein loderndes Feuer erinnerten. Seine Kleidung war schwarz und nebelhaft. Um dessen Hüfte gelegt, befand sich eine ebenso rote Kordel, die in einer Quaste endete, über der sich ein ringförmiger Silberobsidian eingeknüpft befand. „Wie lange willst du noch starren?“, moserte man ihn an und Yi Ling konnte ein viel zu breites Grinsen nicht zügeln, was den Jungen mit unheilschwanendem Gesichtsausdruck zurückweichen ließ, doch war Yi Ling schnell dabei, diesen in die Arme zu schließen und ihn wie ein überglücklicher Vater hin und her zu schaukeln. „Chénqíng! Frucht meiner dämonischen Lenden!“ Er drückte ihn noch etwas fester. „Ah, wie schnell sie doch groß werden.“, seufzte er herzensschwer. „DU! Lass den Schwachsinn!“ Yi Ling gab ein langgezogenes „Awwww“, von sich über diesen Protest. „Nur nicht so schüchtern.“, gurrte er zum weiteren Verdruss von Chénqíng, der versuchte sich aus seinen Fängen befreien zu wollen. „Und immer noch, genauso wiederborstig.“, lachte Yi Ling zugetan, bevor er diesen dann etwas von sich wegschob, aber nicht gänzlich losließ, um ihn sich noch einmal genauer anschauen zu können. „Du hast dich gut gemacht.“ Er ließ eine Hand führsorglich durch dessen Haare streifen. Chénqíng wandte sich mit einem Schnalzen von ihm ab. „Im Gegensatz zu dir. Nicht einmal mit so einem Ding wirst du mehr fertig.“ Dieser deutete auf den reglosen Leib der Kreatur aus der Miene, der nicht unweit von ihnen lag. Na, wenigstens war sie tatsächlich verendet, sodass sie keine Probleme mehr machen konnte. Yi Ling entsann sich schlagartig wieder. „Wo ist Lan Zhan?!“ Chénqíng gab ein ergebenes Raunen von sich. „Du hast dich ganz schön von ihm verweichlichen lassen.“, murrte er und deutete auf einen Kokon aus schwarzem yuàn qì, der sich über ihren Köpfen an einem der knorrigen, laublosen Bäume hängend befand. Yi Ling atmete kurz erleichtert durch. Bevor er eine Geste zu Chénqíng machte, der zwar genervt mit den Augen rollte, aber der Aufforderung folgte, indem er schlicht wie Rauch nach oben stieg und den Kokon nach unten brachte. „Bist du sicher, dass du ihn gerade hier aufwecken willst?“ Yi Ling verharrte über sein Vorhaben den Kokon öffnen zu wollen, grinste dann aber Chénqíng ihm gegenüber an. „Du wirst ein Auge auf ihn für mich haben.“ Abermals zeigte jener sich unerfreut und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das wird nicht reichen. Er ist wie ein xiāntáo (Pfirsich der Unsterblichkeit bzw. eine Frucht den Göttern vorbehalten), nach der jede Kreatur, die hier wandert, hungert.“ Yi Ling legte darauf seine äußere Robe ab und verstärkte die Schutzsiegel die sich darin eingearbeitet befanden. „Wie kommt es, dass du so vernarrt in diesem mickrigen Gott bist? War es nicht dein Bestreben, allein durch die Lande zu ziehen? Doch nun lässt du dich von ihm lehren und leiten.“ Was sollte Yi Ling darauf erwidern? Er war selbst etwas überfordert mit dem Verlauf der letzten Monate. „Du verstehst diese Dinge eh nicht.“, konterte er etwas trotzig, dem ein Grollen von Chénqíng folgte. „Und du bist ein Idiot! Daran hat sich nichts geändert!“ „Na, na, sollte man so mit seinem shī fu (Titel für (Lehr)-meister) reden?“ „Oh, mach doch was du willst!“ Ah, solch ein Temperament. Yi Ling lächelte zugetan darüber. Dann ließ er den Kokon sich langsam wieder auflösen, und legte Lan Zhan sofort seinen Dàchǎng (äußere, offene Robe mit weiten Ärmeln) um und schaute dessen bewusstlose Person, etwas länger als schicklich, an. Dann biss er in seinen Daumen, das ein wenig Blut hervorquoll. „Das ist doch nicht dein Ernst, oder!“, schaltete sich Chénqíng nun doch wieder dazwischen, indem er ihm darüber noch einen kräftigen Hieb auf den Kopf verpasste. Yi Ling jammerte wehleidig über diese Grobheit. Chénqíng lauerte weiterhin angespannt über seiner Schulter. Yi Ling rieb sich die getroffene Stelle wiederholt. Dann straffte er sich jedoch. „Du hast Recht. Es wird nicht reichen. Sollte mir etwas zustoßen …“ Chénqíng zischte missfällig, als er den ersten Strich auf Lan Zhan´s Stirnmitte zeichnete. „Ich hoffe, du bist dir vollkommen im Klaren, was das bedeutet?! Wenn er sich gegen dich wendet, dann…“ „Ja, vielleicht. Aber solange er nicht im Detail darum weiß…“ Er komplettierte das Symbol und zog seinen Finger weiter über dessen Nasenrücken, bis er über dessen Lippen einen kurzen Moment innehielt. Schließlich zeichnete er ein weiteres Symbol darüber. Der abschließende Strich zog sich von einem Mundwinkel zum anderen und er erlaubte sich, das damit einhergehende Gefühl zu verinnerlichen. Lan Zhan würde ihn verfluchen, wäre er nicht solch ein Verfechter der Rechtschaffenheit, sollte er je erfahren, was er hier getan hatte. Mit einem abschließenden magischen Touch, der die Zeichen leicht aufleuchten ließ bevor sie unsichtbar wurden, war seine kleine Prozedur beendet und er atmete einmal tief durch. Chénqíng grummelte immer noch verurteilend hinter seinem Rücken. Dann regte sich Lan Zhan´s Körper leicht und er kam nach und nach wieder zu sich. Yi Ling hielt ihn an den Schultern gefasst, als dieser seine Augen aufschlug und nicht unerwartet, orientierungslos wirkte. „Hey, Lan Zhan. Wie fühlst du dich?“ Dieser gab ein verhaltenes Stöhnen von sich und griff fester nach den Armen die ihn stützten, als er versuchte sich aufrichten zu wollen. „Immer mit der Ruhe. Komm erst einmal richtig zu dir.“ „Yi…Ling?“ „In voller Anmut.“ Lan Zhan´s folgendes Stöhnen, war offensichtlich nicht auf seinen Zustand zurückzuführen und es ließ Yi Ling leise auflachen. „Was ist vorgefallen? Was ist…“ Yi Ling stand nur vor einer Theorie, was genau passiert sein mochte, aber er wusste wohin es sie gebracht hatte. „Wir sind in der unheiligen Ebene. Ich nehme an, dass die Bestie in ihrem Todeskampf einen Weg hier her geöffnet hat. Ich habe von Yāoguài gelesen, denen es möglich sei, zwischen den Ebenen hin und her zu wandern. Diese roten Steine, womöglich hat das Teilen des Gefüges, das zwischen unseren Welten besteht, zu dieser Art von Kristallisierung der hier herrschenden Yin Energie geführt. Es stabilisierte seine Gänge womöglich damit.“ Lan Zhan zeigte sich noch immer etwas mitgenommen, nickte er zu seiner Erklärung nur knapp. „Es gab einen unterirdischen Fluss in der Miene, voll mit diesen Kristallen. Könnte dieser der Zulauf zum See sein?“ Yi Ling raunte kurz. „Die Wahrscheinlichkeit ist recht groß, nach allem was wir in der Miene haben herausfinden können. Um es zu prüfen, müssen wir allerdings erst einmal wieder hier weg.“ Lan Zhan nickte erneut. „Du bist in Ordnung?“, hakte dieser stattdessen nach und Yi Ling schmunzelte, unbewusst liebevoll, über dessen Sorge. „Das…“, hörte er es etwas abseits von ihnen murren. „ist einfach nur peinlich!“ Lan Zhan´s Kopf wandte sich derart rasch in die Richtung dieses Vorwurfes, das ihn Yi Ling schon ermahnen wollte, es vorsichtig anzugehen. Doch sparte er sich die Worte, in Anbetracht des geladenen Blickaustausches vor ihm. „Wer…“ Yi Ling war rasch dabei, Lan Zhan seine Frage abzunehmen. „Ah, lasst mich euch offiziell vorstellen. Der kleine Kerl hier…“ Er deutete mit einer dramatischen Handgeste auf die Figur vor ihnen. „…ist Chénqíng.“ „Chénqíng; das ist Lan Zhan.“ Yi Ling strahlte, über das Zischen von Chénqíng, das er kein kleines Kind sei, und die abmessenden Blicke, die die beiden sich weiterhin schenkten. „Okay, da wir das nun auch geklärt haben.“ Er legte sich zwei Finger an die Mundwinkel und ließ ein Pfeifen hören, das wenig später von Bàng Hēi´s Krähen erwidert wurde. Dieser setzte sich auf die Schulter seines Herren und wirkte nahezu kurios, was dessen Anwesenheit hier anbelangte und krächzte abermals. „Ja, ich weiß. Jemand wird nicht begeistert sein, das ich wieder hier aufgetaucht bin.“ Er verzog etwas leidlich das Gesicht. „Darauf kannst du wetten. Und diesmal, hast du niemanden, der dich aus der Sache mit gekonnten Worten wieder rausreden kann.“, erinnerte ihn Chénqíng noch gern. Eine leichte Häme in seinem Hinweis. Lan Zhan indes, schaute ihn nun mit diesem zweifelnden Ausdruck an, konnte er sich wohl auch ohne genauere Erklärung vorstellen, dass er in der Vergangenheit etwas angestellt haben musste, das sich auf diesen vagen Andeutungen aufbaute. Yi Ling winkte ab. „Das damals, war ein simples Missverständnis. Nichts weiter. Diese Nie Leute nehmen ihre Arbeit eindeutig zu ernst. Vor allem, ihr grantiger Clan-Führer.“ Er konnte nicht anders, als ein missmutiges Murren von sich zu geben, über dessen brodelndes Temperament. *** Zur Erklärung: Ich habe in meiner Story das „Unreine Reich“, des Nie Clans, hier zur Unheiligen Ebene gemacht, die ebenso ein Teil der Unterwelt ist. Der Nie Clan ist quasi dafür da, um dort für Ordnung zu Sorgen. Was Yi Ling und seinen erwähnten, ersten Abstecher in diese Ebene betrifft, das wird später noch etwas genauer aufgeklärt. Kapitel 24: ------------ Wangji musste wiederholt feststellen, dass es in Yi Ling´s Gegenwart nie an Überraschungen zu mangeln schien. Chénqíng in seiner korporalen Manifestierung zu sehen, war natürlich zuerst ungewöhnlich, brauchte es enormes Qi, um seiner spirituellen Waffe, eine solche Form zu verleihen. Doch da die unheilige Ebene voll mit Yin war, sollte es ihn letztendlich doch nicht so verwundern. Seine Hand wollte sich um Bichen schließen, es sich jedoch nicht an seiner Seite befand und er sich rasch danach umschaute. „Hier.“ Yi Ling reichte es ihm mit einem verstehenden Lächeln. Erst als Wangji seine Hand danach ausstreckte, fiel ihm auf, dass er dessen Dàchǎng (äußere, offene Robe mit weiten Ärmeln) trug, was ihn irritiert über den dunklen Stoff streichen ließ. „Warum?“ „Sie versteckt dein líng qì. Hier unten ist es wie ein Feuer für sämtliche Schatten. Ihr Instinkt allein, würde sie dazu treiben dich zu Jagen. Wir sollten uns zudem so unauffällig wie möglich verhalten. Ärger ist das letzte, was wir hier auf uns lenken sollten.“ Wangji schaute abermals auf die Robe. Yi Ling´s Erklärung machte Sinn. Er selbst hatte die Unheilige Ebene noch nie betreten, lag die Aufsicht seit jeher in den Händen des Nie Clans. Nie Mingjue, der Anführer, war ein guter Freund seines Bruders und ein Mann mit einer kampfgeprägten, strikten Aura. Wenn Yi Ling tatsächlich einmal mit ihm aneinander geraten war, konnte er sich vorstellen, dass dies nicht ohne Aufregung von Statten gegangen sein konnte. „Es war deine eigene Schuld. Mit all dem Chaos, das du hier veranstaltet hast. Wärst du clever gewesen, hättest du gut und gern unbemerkt wieder verschwinden können.“ Chénqíng hatte über diese Worte seine Arme vor der Brust verschränkt und schaute deutlich abschätzig. „Wärst du mir nicht Amok gelaufen, hätte ich das womöglich.“ Yi Ling klang nicht anklagend, sondern eher amüsiert. „Tsk! Wer wollte sich schon von so einem Wichtigtuer binden lassen.“, maulte Chénqíng, doch brachte es Yi Ling´s erheiterten Gesichtsausdruck nicht ins Wanken. „Du hättest ihn sehen sollen. So widerspenstig und kratzbürstig. Ich hätte bald noch einen Arm eingebüßt.“, meinte Yi Ling an Wangji gerichtet, als würde er einfach nur über einen Wildfang von Sohn erzählen, auf das dieser darauf noch versonnen raunte. „Die gute alte Zeit.“ Wangji konnte über diese Äußerung nur den Kopf schütteln. „Jedenfalls, sollten wir uns auf die Suche nach einem Weg hier heraus machen. Wir werden nicht vermeiden können, dass irgendetwas früher oder später auf uns aufmerksam wird.“ Bàng Hēi erhob sich wieder in die Lüfte, sicherlich um ein Auge auf ihre Umgebung zu haben und Wangji brachte sich ebenso auf seine Beine. Er fühlte sich angeschlagener als ihm lieb war, doch wollte er auch nicht als eine Bürde erscheinen und biss die Zähne zusammen, als er sich straffte. Ihm entging Yi Ling´s prüfender Blick nicht, doch tat er so als habe er dessen unausgesprochene Sorge nicht als solche erkannt. „Wie finden wir einen Weg zurück?“, erkundigte er sich stattdessen. Er wusste, dass die Unheilige Ebene, an die Unterwelt anschloss. Es gab eine Brücke, die diese beiden Ebenen verband, welche von Niútóu, dem Oxenkopf Wächter des Nie Clans bewacht wurde, um zu verhindern das die Kreaturen dieser Welt in die Unterwelt eindringen konnten und über die dort befindlichen Seelen herfielen, um sie zu verschlingen. Ihr Hunger danach war immens, dass ein Teil der zehn Gerichtshöfe der Unterwelt, bestimmte Sünder in die Unheilige Ebene schickte, wo sie ihre zugewiesene und gerechte Strafe erhielten. Doch nicht jede Kreatur hier, war von primitiver Natur. Er wusste, dass es versteckte Pfade gab, die sich diese zu Nutze machten, um in die Welt der Menschen zu gelangen und dort dann ihr Unwesen trieben. Es war ebenso die Aufgabe des Nie Clans, diese Wege zu finden und wieder zu versiegeln. Was es ihnen jedoch nicht einfacher gestalten würde, einen solchen Ausgang zu finden. „Ich würde es wirklich gern vermeiden die Obrigkeit mit unserem Dilemma zu behelligen. Also suchen wir uns eine Hintertür.“ Es war also wie er es sich gedacht hatte und Yi Ling einen dieser Pfade in Betracht zog. „Wie bist du hier her gelangt? Damals?“, stellte er diesem die Frage, die jener schon irgendwo erwartet zu haben schien, schmunzelte Yi Ling spitzbübisch. „Ich hatte ein paar der „geheimen“ Bücher von shī fu (Titel für (Lehr)-meister) aufgestöbert und mit dem ein oder anderen daraus herumprobiert. Hier zu landen, war mehr ein Versehen, und wie schon erwähnt, brachte es eine ganze Menge Aufregung mit sich. Aber ich dachte mir, wenn ich schon mal hier bin, kann ich mich auch etwas ausprobieren. Es war der perfekte Ort, um meine Idee eines yuàn qì kontrollierenden Instruments auszutesten. Ich las von euren Techniken, Musik für den Kampf zu nutzen und es faszinierte mich, dass ich mich davon inspirieren ließ. Es klappte natürlich nicht alles auf Anhieb, ist yuàn qì, wie du weißt, nicht gerade eine Energie die sich bereitwillig zähmen lässt. Shī fu, hat mich nach diesem kleinen Vorfall, einen vollen Tau-Mond lang (23 Okt.- 22 Nov.) alte Schriften übersetzen lassen, da ich ja so begierig nach Wissen suchte. Ah, es war sooo langweilig. Aber darüber kam mir der Gedanke, meine Transporttalismane zu entwickeln.“ Dieser schaute etwas ergeben. „Leider bringen sie uns hier nicht raus, da sie nicht dafür ausgelegt sind, über Welten hinweg zu funktionieren.“ Yi Ling schaute ihn entschuldigend an. „Aber ich bin zuversichtlich, dass uns die zwei schon einen Ausweg finden werden.“ Mit einem Kopfzeig deutete er auf seine Gefährten. Chénqíng´s Murren war auch über die Distanz, die dieser ihnen voran war, dennoch deutlich zu vernehmen. Über ihre Suche war das Gefühl beständig beobachtet zu werden, nicht abzuschütteln, selbst wenn sich, bis jetzt, noch nichts vor ihnen gezeigt hatte.   Die Landschaft unter ihrem roten, unheilvollen Firmament, war karg an Vegetation. Schwarze, laublose Bäume krallten sich in den ascheartigen Boden. Sträucher mit dolchlangen Dornen in denen sich bizarre Kleinstlebewesen versteckten oder auf Beute lauerten. Scharfkantige Felsformationen, skelettartig und knochenbleich, ergänzten die düstere Kulisse. Die Luft war schal und bitter, und trug den klebrigen Geruch von Verwesung. Es gab kein Wasser auf diesem verfluchten Land, nur Schwefelquellen, oder blubbernde Tümpel mit dunkler, schleimiger Masse. Die schroffen Steine perfekt, um sich dahinter zu verbergen, und sich auf die Lauer zu legen. Doch hielt man sich weiterhin von ihnen fern. Womöglich hatte es etwas mit Yi Ling und Chénqíng´s Aura zu tun, strahlte deren Yin in kräftigen, wuchtigen Wellen, dass es selbst ihm die Schritte schwerer machte. Er hoffte nur, dass es Yi Ling nicht zu Schaden brachte. Die Yin-Energie für ihn zu einnehmend werden würde. Er selbst spürte es, wie ein eisernes Gewicht auf ihm ruhen.   Es gab keine tatsächliche Nacht, doch wurde es mit dem verstreichen der Zeit kälter und klammer, und das Rot über ihnen wechselte in quirlende, rostbraune Schlieren. Sie suchten sich einen Rastplatz. Das Gefühl das ihn die hier herrschende, aggressive Energie beständig versuchte niederzudrücken, trug nicht dazu bei, dass Wangji seine Kräfte sammeln konnte und somit für diese Ruhepause innerlich dankbar war. Es versah ihn stets mit einem Empfinden der Nutzlosigkeit, wenn er Schwäche verspürte und auf dieser seiner Reise, hatte er es bereits etwas zu oft ertragen müssen. „Alles in Ordnung mit dir?“, vernahm er Yi Ling´s Frage, der Besorgnis anhing und er sich noch etwas unbeholfener zu fühlen begann. „Mn.“ Jedes weitere Wort schien zu viel von seinem vorherrschenden Zustand verraten zu können, doch schien Yi Ling ihn in dieser Sache abermals durchschaut zu haben. „Weißt du, es braucht einen Leugner, um einen anderen zu erkennen. Und wie du weißt, bin ich recht gut, wenn es darum geht nicht zugeben zu wollen, wie ich mich fühle.“ Wangji brauchte einen Moment, um darauf eine Antwort zu finden, das Yi Ling sein Schweigen mit einem ergebenen Seufzen aufnahm, weil er wohl annahm, dass er nicht weiter darüber sprechen wollte oder versuchte es schlicht zu übergehen. „Es bleibt ein ungewohnter Prozess, sich derart kraftlos zu fühlen. Auch wenn es mich lehrt, große Macht nicht als etwas Selbstverständliches zu sehen, bleibt nicht aus, das mir die Routine fehlt auch mit weniger Möglichkeiten, Situationen eigenständig zu bewältigen.“ Yi Ling raunte auf seine Erklärung verstehend und ließ sich schließlich neben ihn fallen. „Du schlägst dich dennoch ganz gut. Jede Hürde die man überwältigt, ist dennoch ein Schritt nach vorn. Und ich denke, dass du bereits an all unseren Abenteuern gewachsen bist.“ Yi Ling lächelte warm. „Auf eine menschliche Art und Weise.“, fügte er an und stieß ihn dabei leicht mit der Schulter gegen die seine. Es mochte an dessen Worten gelegen haben, das er sich mit einem Male etwas mehr bestärkt fühlte. Oder einfach nur an diesem unbefangenen Umgang, den er zusammen mit Yi Ling kennengelernt hatte. Doch was er mit Genauigkeit sagen konnte war, dass er es ungern wieder hergeben würde wollen. Diese Kameraderie. Diese Freundschaft. Dieses warme Gefühl, welches er nicht in Worte fassen konnte. „Seit ihr fertig mit eurem Gesäusel?“, kam es tonlos von Chénqíng, der auf einem der Felsen saß, die ihr Lager umgab, und die ihnen etwas Deckung bot. Wangji musste sich daran erinnern, dass sie nicht allein waren, während Yi Ling ein mokantes, „Nein, sind wir nicht.“, von sich gab, das Chénqíng mit einem abschätzigen Laut quittierte. „Er ist etwas eifersüchtig auf dich.“, wisperte ihm Yi Ling mit Erheiterung in der Stimme zu und auf Chénqíng´s scharfen Blick, konnte man davon ausgehen, dass dieser ihn gehört haben musste. „Einen Teufel bin ich, verstanden?!“, erhob dieser sich missgestimmt und leistete Bàng Hēi, auf einem der oberen Äste, der umherstehenden Bäume, Gesellschaft. „Du bist sein Meister. Es ist verständlich.“ Yi Ling lümmelte sich gegen den Fels in ihrem Rücken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Schaute nachdenklich in den unruhig wallenden Baldachin über ihnen. „Und doch wünschte ich manchmal, dass die Dinge einen anderen Lauf genommen hätten.“ Dieses Geständnis brachte Melancholie auf Yi Ling´s Gesicht. „Glaubst du, dass es naiv ist, so zu denken?“, fragte dieser, ohne dass es wirklich den Anschein erweckte, als erwartete er eine Antwort von ihm darauf. „Es ist nichts Einfältiges dabei, sich nach etwas zu sehnen, das einem das Herz leichter anstatt schwerer wiegen lassen würde. Ich selbst würde mir wünschen, dass bestimmte Geschehnisse einen erfreulicheren Weg gefunden hätten." Aber auch wenn er dies sagte, änderte es dennoch nichts daran, dass man die Vergangenheit nicht mehr verändern konnte. „Hm. Es ist beruhigend zu hören, das solche Wünsche auch nicht vor jemanden deines Ranges halt machen. Ich weiß, das Bedauern über Vergangenes ziellos ist. Aber ich mag es trotzdem, mir manchmal auszumalen, was ein anderes, einfacheres Leben bereithalten könnte.“ Yi Ling schaute ihn nun wieder an, der trübsinnige Schleier über seinem Gesicht ein wenig gelichtet. „Ich finde die Vorstellung, ein kleines Farmhaus zu besitzen, erbaulich. Nichts aufwendiges, aber heimelich und belebt. Vielleicht zwei, drei Kinder. Eine fette, mürrische Katze. Keine Hunde! Das sind Kreaturen, die einzig aus reiner Bosheit bestehen.“ Er schüttelte sich unter seinen Horrorgedanken.  Doch dann schmunzelte er wieder. „Oder vielleicht Hasen. Wäre dir das Verlockung genug, meine rechte Hand im Bauernglück sein zu wollen?“, witzelte er, doch sah Wangji darunter, dass er wohl mit so etwas wie Spott über seinen so unspektakulären Traum, rechnete. „Du wärst gut mit Kindern. Vielleicht kein guter Farmer. Zu ungeduldig. Unorganisiert.“, erwiderte er ernsthaft, was Yi Ling ihn kurz mit so etwas wie Widerspruch auf seinen Zügen ansehen ließ, bevor er in ein heiteres Lachen wechselte. „Du könntest recht haben mit den Feldern. Hm…“ Er schaute abermals etwas in Gedanken verloren. „Dann bräuchte ich wohl jemanden, der besser in diesen Dingen wäre.“ Nun wippte er mit den Augenbrauen. „Wie wär’s Lan xiān shī? Nicht Lust dazu, das Götter Dasein aufzugeben, um Felder zu bestellen?“ „Unsinnig.“, ließ er diesen wissen und doch brachte die Tatsache, dass Yi Ling, wenn auch nur im Scherz, ihn als solch eine Person überhaupt in Betracht zog, etwas Sanftes in ihm hervor. „Oder eine Hütte am Meer. Ich war bis jetzt nur einmal mit shī fu dort und es brachte mir als Kind das Gefühl von der großen Freiheit. Über das Wasser segeln und neue Orte entdecken, große Schätze finden.“ Yi Ling seufzte daraufhin abschweifend. „Doch am Ende, ist alles nichts weiter als Pfeiffenrauch.“ Und das mochte auch der Wahrheit entsprechen, doch kam Wangji nicht umhin, sich Yi Ling in ein etwas anderes Licht zu rücken. Es war solch ein simpler Wunsch und ließ ihn zum ersten Mal darüber nachdenken, das Yi Ling unter all dem yuàn qì und seinem chaotischen Charakter, auch nur ein Mensch war. Jemand der sich ebenso nach Stabilität und Unbeschwertheit sehnte. Es war nicht das Image des Mannes, denn er vor all den Monden kennengelernt, und welches er diesen unter Vorurteilen aufgelegt hatte. „Du könntest es immer noch versuchen.“, schlug er diesem vor, was bewirkte das dessen Blick wieder etwas schwermütiger wurde, und er nur ein „Vielleicht.“, dazu hervorbrachte, dem keine ehrliche Überzeugung innewohnte. Etwas regte sich in Wangji darauf. Ein winziges Aufflackern einer Emotion, die ihn wünschen ließ, dessen müde Akzeptanz nur einer Illusion nachzuhängen, einen Schups in Richtung Zuversicht geben zu können. „Der Blick auf die Zukunft, sollte nicht nur ein Blick auf ein Hindernis sein.“ Yi Ling raunte leise. „Nein, sollte er nicht.“   Es war unmöglich auf dieser Ebene die Zeit zu bestimmen, doch hatten sie lange genug Rast gemacht, das sie beide beschlossen sich wieder auf den Weg zu begeben. Man hatte mittlerweile von ihnen Witterung aufgenommen, waren sie so oder so, Beute für jedes Biest das sich ihnen überlegen fühlte. Eine Gruppe aus vier jiāng shī (chin. Zombie-Vampiere) hatte ihnen zwischen einem Hain aus dürren, kohle-schwarzen Bäumen aufgelauert, doch waren sie dank Bàng Hēi und Chénqíng nicht unvorbereitet auf diesen Angriff. Yi Ling brauchte kaum selbst einen Finger rühren, sah es so aus, als wollte Chénqíng etwas vor ihnen angeben, dass es ihn wissend schmunzeln ließ. Er hatte Lan Zhan davon zurückgehalten, sich ebenso mit einzubringen, war es angebracht, wenn dieser so wenig wie möglich seine Kraft hier zeigte. Es würde am Ende nur noch mehr Probleme anlocken. Zudem war es erkennbar, dass dieser sich mehr dazu zwang, sein angeschlagenes Befinden nicht durchblicken lassen zu wollen. Dass es Yi Ling trotz dessen penibler Performance auffiel, ließ ihn mit einem zugetanen Gefühl zurück. Sie waren gerade einer Xiqu (menschenfressendes Wildschwein) ungesehen ausgewichen, war es nicht ihr Anliegen, sich mit jedem Monster das hier unten hauste, einen Kampf liefern zu wollen. Die Bestie schien im ersten Moment getäuscht, doch zeigte das Strecken ihres Rüssels in die Luft, dass sie ihre Fährte wohl dennoch gewittert hatte.Bàng Hēi ging im Sturzflug auf diese nieder, was ihnen die Ablenkung war, die sie benötigten, um sich rasch weiter zu entfernen. Sie hatten schließlich den Blutfluss erreicht, den sie nicht ohne weiteres würden überqueren können, lauerten in dessen Tiefen nicht weniger unheilvolle Kreaturen. Ein furchterregendes Brüllen drang an sie heran, das von weiter Flussaufwärts zu kommen schien und sie in diesem Fall die entgegengesetzte Richtung wählen sollten. Das Vibrieren das kurz darauf den Boden durchzog, und das erneute aufgebrachte Grollen, das sich ihnen zweifelsohne näherte, ließ nichts Gutes erahnen. „Ein fēi tóu mán (飞头蛮), und es jagt etwas.“, berichtete Chénqíng von über ihren Köpfen. „Sieht aus wie eine Person.“ Diese Information ließ Yi Ling einen abschätzenden Blick mit Lan Zhan tauschen. Sie gingen vorerst in Deckung, um sich nicht überstürzt in Schwierigkeiten zu bringen. Nur weil etwas…jemand hier unten, wie eine Person aussah, hieß es nicht, dass dem auch so war. Hier in dieser Welt, sollte man bei jeder Begegnung extreme Vorsicht walten lassen. Das Tosen kam näher und Yi Ling erkannte die Gestalt auf der Flucht und auch deren Uniform die diese trug. Eine der Nie-Wachen. Es reichte ihm vorerst als Grund, sich nicht länger untätig zu zeigen. Der fēi tóu mán war ein immenser, dämonischer Kopf, mit scharfen Zähnen und flammenden Augen, dessen schwarzer, langer Bart es aussehen ließ, als würde er von einer haarigen Wolke getragen, dass es Yi Ling fast zum Lachen brachte. Ein großer, blutender Schnitt zog sich quer über dessen Gesicht, das es eines seiner Augen geschlossen hielt, und welcher wohl auch der Grund für deren Raserei war. Die Wache zeigte sich, trotz allem, recht agil, was man wohl auch sein sollte, bei solch einem Job. Sie trug zwei Schwerter bei sich und mit einem abrupten Satz nach oben, wich sie der Kreatur aus, nur um darauf auf deren kahlen Haupt zu landen. Die Wache schwang ihre Schwerter mit Präzision, was die Kreatur gequält kreischen ließ und sie in einem Akt des gepeinigten Wahnes anfing, sich wie wild zu drehen und zu schütteln. Ohne Zweifel, um ihren Peiniger abzuwerfen. Die Wache war nicht schnell genug sich festhalten zu können, auch wenn sie versuchte ihre Schwerter in die Kreatur zu bohren, um nicht haltlos nieder zu gehen. Doch ohne Erfolg. Eines der Hörner, die aus der Stirn der Bestie wuchsen, erwischte die Wache im Fall und schleuderte sie unsanft durch die Luft. Mit einem Fingerschnippen, ließ er Chénqíng diese auffangen, bevor sie auftreffen konnte. Yi Ling bündelte genug yuàn qì, um die Kreatur von der Wache abzulenken, als er diese damit, gleich einem Geschoß, an einer der Wunden traf. Diese wirbelte zu ihm herum, die Flammen aus ihren Augenhöhlen nun ein gleisendes Weiß, bevor sie mit einem Brüllen auf ihn zuhielt. Mit all dem Yin, das sie umgab, war es ein Leichtes es zu seinen Gunsten zu manipulieren und dieser mit scharfkantigen Wirbeln der dunklen Energie, die sich wie ein eiserner Käfig um sie schlossen, Einhalt zu gebieten, ohne dass diese eine tatsächliche Chance hatte sich dagegen zu wehren. Schließlich ließ er Chénqíng in einem wild anmutenden Tanz diese niederstrecken. Dieser zeigte sich deutlich zufrieden mit seiner Leistung, indem er eine siegreiche Pose auf der erlegten Kreatur einnahm. Yi Ling war nach einem Lächeln, wäre da nicht der brennende Schmerz, der seinen Körper darauf durchzog und es ihn beinahe in die Knie zwang, auf das er sich abwandte, um sein Befinden nicht offensichtlich zu machen. Seine Hand krampfte sich, über ein gequältes Keuchen, in den Stoff seiner Robe und er atmete tief und unstet über den Versuch, sich wieder unter Kontrolle zu bringen. Auch wenn seine Kraft hier ein weitaus höheres; gefährlicheres Potenzial besaß, änderte es nichts daran, dass sein Körper noch immer sterblich war. Zudem fühlte er auch immer noch die Auswirkungen von ihrem Kampf mit der Minenbestie. „Yi Ling?“ Ah, Lan Zhan fand auch immer die unpassendsten Augenblicke. Er lachte etwas kurzatmig, bevor er sich straffte und diesem in der Überzeugung, dass alles in Ordnung wäre, anstrahlte. „Lass uns nach der Wache sehn.“, gab er ihm an, war dieser zu gut darin geworden zu erkennen, wenn er etwas versuchte zu überspielen und er dessen Tadel darüber, gerade nur mit Flucht meistern konnte. Die Wache war ein junger Mann, mit dunklen Augen, denen etwas Ominöses innewohnte und einem vorwitzigen Lächeln. Sie war, trotz allem, noch einmal recht glimpflich davongekommen, war ihr, bis auf ein paar leichtere Verletzungen, nichts passiert. Diese stellte sich ihnen als Mo Xuanyu vor und auf Yi Ling´s Frage, was vorgefallen sei, schlicht erklärte, das er noch recht neu in seinem Posten war und unvorsichtig gewesen wäre, bei einer Routine-Runde. „Und wie hat es diese Herren hierher verschlagen?“, erkundigte man sich mit einem wissenden, neugierigen Ausdruck, der Yi Ling innerlich mit den Augen rollen ließ, hatte er wirklich keinen Bedarf, sich nun zur Nie-Festung zerren zu lassen. „Eine ungewollte Begegnung mit einem yāoguài. Wir sind selbst nicht sehr erpicht, uns länger als notwendig hier aufzuhalten. Es besteht somit wirklich kein Grund unser Hiersein irgendeiner Obrigkeit mitzuteilen.“, meinte er versucht locker, auch wenn er sich ebenso wenig vor der Wache erklären wollte. Diese raunte mit so etwas wie Verständnis darin, und nickte folglich kurz. „Ich bin euch etwas schuldig.“ Mo Xuanyu lächelte in einer Geste der autoritativen Rebellion. „Vielleicht kann ich behilflich sein. Es gibt einen versiegelten Pfad im Teerberg. Ich kann euch hinführen. Als Dank für eure Hilfe.“ Yi Ling wog dieses Angebot für sie ab. Je schneller sie hier raus wären umso besser. Es könnte ewig dauern, bevor sie selbst einen dieser Pfade finden würden. Er zuckte somit mit den Schultern. „In Ordnung.“ Mo Xuanyu lächelte zufrieden und gab an ihm zu folgen.   „Yi Ling.“, Lan Zhan hatte einen Moment abgewartet, der Mo Xuanyu weit genug vorangehen ließ, das dieser sie nicht hören sollte, war Chénqíng ebenso dabei ihn in einem Gespräch zu halten, das ihnen Zeit verschaffte. „Bist du dir sicher, das…, fuhr er fort, und Yi Ling grinste breit und übertrieben, als habe man ihm gerade etwas erzählt, das ihn derart zu amüsieren wusste. Er schuppste Lan Zhan kumpelhaft mit der Schulter nach vorn. „Lan Zhan, keine Sorge. Ich beschütze dich, wenn uns nochmal so ein Monster über den Weg laufen sollte. Also sei nicht so ängstlich.“ Er klopfte ihm darauf auf den Rücken und grinste weiter. „Sorry, für das kleine Schauspiel. Lass mich einfach reden, okay.“, schickte er diesem seine eigentlichen Worte in dessen Gedanken, und Lan Zhan sei Dank, verstand dieser seine Finte. Solange er auf diesen hörbar einredete, sollte man keinen Verdacht schöpfen, was in ihren Köpfen vorging. „Warum hast du sein Angebot angenommen? Es erscheint mir fragwürdig, ob er die Wahrheit sagte.“ Yi Ling verstand dessen Zweifel. „Ich weiß, aber ich denke, hätten wir es abgelehnt, wäre er uns dennoch, versteckt, gefolgt. So, haben wir ihn im Blick. Auch wenn ich nicht weiß, was sein Ziel sein könnte. Es wäre recht umständlich, sollte es dazu dienen uns zu Nie Mingjue zu lotsen. Er ist nicht der Typ für solche Spielchen.“ Lan Zhan nickte zustimmend und es bestätigte Yi Ling´s Annahme, dass etwas anderes, hinter dem Auftauchen der Nie Wache stecken könnte, noch etwas mehr. „Fürs Erste, folgen wir ihm. Bàng Hēi und Chénqíng sind ebenso angewiesen wachsam zu bleiben.“ Er legte ihm über sein Gerede nach außen, einen Arm über die Schultern und war etwas überrascht, das Lan Zhan nicht eine Spur des Missfallens darauf zeigte. Aber womöglich war das seine Art des Schauspieles. Zu zeigen, dass sie sich für solche Zutraulichkeiten nahe genug standen. „Yi Ling hat womöglich Recht.“, erwiderte dieser und zu Yi Ling´s Erheiterung, rempelte ihn Lan Zhan nun seinerseits in einer freundschaftlichen Geste etwas an, während sie Mo Xuanyu folgten. Der Teerberg lag inmitten eines Sumpfes, der, wie man bereits erahnen konnte, aus schwarzer, übelriechender Masse bestand, die hier und da ominös blubberte und über die sich ein behäbig schleichender Nebel bewegte. Es wäre der perfekte Ort, um jemanden auf nimmer wiedersehen verschwinden zu lassen, ohne sich, wenn denn möglich, die Hände schmutzig zu machen. Mo Xuanyu verwies sie auf einen Pfad, der sich unter welken Gräsern und widerspenstigem Gestrüpp versteckt befand. An manchen Stellen blieb ihnen nichts anderes übrig, als ein stückweit durch den fauligen Schlick zu waten, oder sich durch weiteres, starrsinniges Unterholz zu kämpfen. Und all dies mit dem beständigen Gefühl, das etwas im Dickicht auf sie lauerte. Sie beobachtete. Verschiedene, fremdartige Laute huschten ab und an durch die sumpfige Luft, ohne dass man hätte bestimmen können, aus welcher Richtung genau sie kamen. Yi Ling fluchte nicht zum ersten Mal über diesen vermaledeiten Ort. Diesen Geruch würde er wohl nie wieder aus seinen Kleidern bekommen. Mo Xuanyu indes behielt sein Lächeln bei. Ein Lächeln, das ihn, auf den ersten Blick unschuldig, ungefährlich erscheinen ließ, während er ihnen versicherte, dass sie es beinahe geschafft hatten. Doch zierte es dessen Gesicht stets mit einem unnatürlichen Schein, als wäre er es nicht gewöhnt solch eine Mimik zu zeigen. Ein merkwürdiges Surren drang an ihre Ohren, das sich in dem weiter aufsteigenden Nebel nur zu vermehren schien und die Luft mit einem Vibrieren versah, das einem das Herz in einen unangenehmen, holprigen Rhythmus versetzte. Es passierte von einem Augenblick auf den anderen, das ein Schwarm dunkelbläulich schimmernder Insekten durch den Dunst brach und diesen schwadenhaft aufwirbeln ließ, über das dutzendfache Schlagen von Flügeln. Yi Ling folgte Lan Zhan´s Abducken, als diese in wogenartiger Formation auf sie zuhielten, als wolle man sie, wie von einer Strömung erfasst, mitreißen. „Traumfänger.“, hörte er Lan Zhan in einem unerfreuten Ton feststellen. Diese Biester waren allein so groß, wie die Kuppe eines kleinen Fingers. Und wie Moskitos, mochten sie es sich in feuchten Lagen anzusiedeln.Allerdings besaßen sie drei nadelgleiche Saugrüssel. Ihre sechs Beine waren jeweils mit einer ebenso spitzen Kralle versehen, um sich besser an ihren Opfern festhalten zu können. Der Leib gepanzert, wie der eines Käfers, was ihnen zugleich eine Tarnung, wie auch Schutz war. Es war jedoch selten, sie in solch einem riesigen Schwarm anzutreffen. Verirrten sich eher vereinzelte Exemplare in die Menschenwelt, wo sie, wenn sie nicht auch genügend Yin-Qi zapfen konnten, eher harmlos und unerkannt blieben. Doch sollten sie sich zusammenfinden, reichten schon zehn dieser Dinger aus, um einen einfachen, erwachsenen Mann überwältigen zu können. Diese Wesen injizierten eine Substanz, die einen träge und schläfrig machte, bis ihr Opfer wehrlos zurückblieb. Meist erwachte man nicht von selbst wieder, sondern blieb in einer Illusion; einem Traum, gefangen. Solange bis diese Tierchen einen die komplette Lebensenergie ausgesaugt hatten. Wenn man wusste, womit man es zu tun hatte, war es einfach etwas dagegen zu unternehmen. Schon ein simples Serum konnte die Person wieder zu sich bringen. Solch ein Schwarm jedoch, würde eine ganze Stadt leersaugen können. Hier unten waren diese Viecher wesentlich aggressiver, was Yi Ling genervt murren ließ, als er abermals in Deckung gehen musste, bevor er einen Schild aus Yin um ihre Gruppe zog, dass diese nicht durchdringen konnten, bei Berührung jedoch benommen zu Boden fielen. Sie waren nicht intelligent genug, um ihren Nachteil zu erkennen, dass der Schwarm sich recht schnell zu lichten begann, und die letzten Traumfänger es dann doch aufgaben. Yi Ling behielt seine Vorsicht jedoch bei, und beließ das Schild um sie, bis sie den Sumpf hinter sich gebracht hatten. Eine massive Steilwand ragte darauf vor ihnen empor. Der Gipfel des Teerberges war von rotbraunen Wolkenfetzen umgeben und Yi Ling hoffte, dass sie nicht den kompletten Fels würden besteigen müssen. Sein Zustand wurde spürbar schwieriger auszubalancieren, tigerte das yuàn qì in seinem Körper, wie ein kampflustiges Raubtier umher. Es spürte, dass es hier zu Hause war und wollte nichts anderes, als aus seinem Käfig heraus und sich austoben. Es würde keine Rücksicht darauf nehmen, ihn in seinem Übermut zu zerreißen. „Es gibt eine Höhle etwas weiter oben.“, teilte ihnen Mo Xuanyu mit und nachdem sie ein Stückweit am Fuße des Berges entlang gegangen waren, zeigte sich ein Weg das Massiv hinauf. Er war schmal genug, das man nacheinander zu laufen hatte. Ein unbedachter Fehltritt in größerer Höhe wäre ebenso fatal, zeigte sich das Gestein an manchen Stellen porös und bereits abgetragen. Bis jetzt hatten weder Bàng Hēi noch Chénqíng etwas Ungewöhnliches bemerken können, was diesen Mo Xuanyu anbelangte, aber das hatte immer noch nichts zu bedeuten. Sie erklommen den Berg, der ihnen einen Blick über das Ödland um sie herum ermöglichte. Die Winde hier waren von fast schneidender Qualität, die einen ein bissiges Zwicken auf unbedeckter Haut spüren ließen. Dass er sich ein wenig schwummrig fühlte, schob er auf die Höhe. Doch selbst von hier oben, konnte man die Brücke, die zu Niútóu´s Tor führte nicht erspähen, was annehmen ließ, das sie recht weit im Inneren der Unheiligen Ebene gelandet waren. Kapitel 25: ------------ Es gab, in der Tat, eine Höhle. Ihr Eingang war von schwarzen Ranken überwuchert, die sich wie ein Nest Schlangen in sich wanden und ein eigenartiges, gelbliches Sekret ausstießen, als er etwas yuàn qì gegen diese richtete, in der Hoffnung sie zum Auseinanderweichen bringen zu können. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich dabei um ein Gift handelte, war recht hoch und er wollte gar nicht wissen, was dieses zu bewirken vermochte. Noch wollte er herausfinden, wozu dieses Gewächs im Stande wäre, wenn es sich zu sehr provoziert von ihnen sah. Einige Ausläufer schienen sich bereits neugierig nach ihnen auszustrecken, dass sie keine unnötige Zeit mehr verschwenden sollten. Er zog folglich einen Talisman hervor, den er rasch beschrieb. Báiwù´s Mittel und die richtige Symbol- und Schriftzeichenkombination, sollten den gewünschten Effekt bringen. „Luft anhalten, wenn ich es sage.“, verkündete er und ließ den Talisman auf die Pflanze treffen, auf das sich ein feiner silbriger Nebel davon ausbreitete. Das Winden der Ranken wurde träger und einige sackten bereits schlaff nach unten, als Yi Ling ein „Jetzt!“, von sich gab und mit seinem yuàn qì eine Öffnung auseinanderschob, durch welche sie hindurchhuschen konnten. Mit einem Feuertalisman, erhellte er darauf das Innere der Höhle. Sie war, soweit, nichts Besonderes, aber es war anzunehmen, das sich auch hier diverses Unheil versteckt halten würde. Es gab drei Gänge, die weiter in den Berg führten. Mo Xuanyu gab ein missbilligendes Schnalzen von sich, während er die Gänge fixierte. „Gibt es ein Problem?“, erkundigte sich Lan Zhan überraschend, hatte er über ihren Weg hier her, kein Wort mehr verloren. Nicht ungewöhnlich, wenn man ihn näher kannte. Doch schien Mo Xuanyu etwas irritiert über dessen plötzliches Einbringen in die Situation, schaute er zögerlich und sein souveränes Lächeln zuckte, für einen verschwindenden Moment, aggressiv in einem Mundwinkel. „Es liegen Siegel auf den Gängen, die dafür sorgen, dass sich der richtige Weg regelmäßig ändert. Zur Sicherheit, sollte wer versuchen diesen Ausgang unbefugt zu nutzen.“ Dieser grinste darauf in einer Manier, die ungewohnt aber weitaus natürlicher auf seinen Zügen wirkte, als dieser ihn ansah, um zu unterstreichen, dass sie genau diese unbefugten Objekte wären. „Ein falsch gewählter Tunnel, führt in einen Labyrinth-Zauber. „Verstehe. Bàng Hēi. Chénqíng.“ Beide nahmen sich jeweils einen der Tunnel vor und verschwanden darin. Solange sie ihn als Fixpunkt hatten, würden sie sich nicht verirren können. In der Zwischenzeit schauten sie sich etwas weiter um, doch gab es nicht wirklich viel mehr als blanken Fels. Das nervige Zwicken, das Yi Ling auch beim Aufstieg verspürte, ließ ihn eine Hand wirsch in seinen Nacken legen, um darüber zu reiben, als er etwas dort bemerkte und rasch ergriff. Nun war er es, der genervt schnalzte. „Verdammte Biester.“, zischte er beim Anblick eines zappelnden Traumfängers zwischen seinen Fingern, der sich unbemerkt an ihm hatte festsetzen können. Ein Scheppern war zu hören, und der Traumfänger entwischte ihm, über seinen Fokuswechsel. Mo Xuanyu schaute entschuldigend, als er eines seiner Schwerter vom Boden aufhob. „Ich dachte, ich hab was gehört.“, erklärte er dessen Ziehen und steckte es zurück in die Scheide. Der Traumfänger war verschwunden und er raunte ergeben. Bàng Hēi tauchte zuerst wieder auf. Kein Erfolg. Es dauerte noch etwas, bis Chénqíng es diesem Gleich tat und ihnen mitteilte, das am Ende eine Art Altar inmitten eines in Stein geprägten, magischen Zirkels zu finden sei, was, nach Mo Xuanyu´s Bestätigung, das gesuchte Ausgangsportal wäre. „Wird uns das Portal einfach so hindurchlassen?“, hinterfragte Lan Zhan, nicht zu Unrecht, auf das Mo Xuanyu selbstsicher einen runden Token aus einer Tasche an seinem Gürtel hervorzog, den das Siegel des Nie-Clans zierte. „Der Schlüssel, um es zu öffnen.“ Sie durchquerten den Gang, doch hielt Yi Ling seine Aufmerksamkeit auf ihre Umgebung gerichtet, wäre es nicht unwahrscheinlich, wenn es auf die letzten Meter noch eine Überraschung geben könnte. Sie hatten das Portal schon im Blick, das er Chénqíng voraus schickte, um es sich anzusehen, als Yi Ling nur ein winziger Augenblick blieb, um die Siegel zu bemerken, die sich aktivierten, als Mo Xuanyu der erste von ihnen war, der aus dem Tunnel trat. Zu spät um noch etwas verhindern zu können, vibrierte das Gestein um sie unheilvoll, verbunden mit einem lauten Schaben von Stein an Stein, das das Öffnen eines weiteren Tunnels frei gab. Jedoch war das was sich dahinter verbarg, etwas das Yi Ling regelrecht an Ort und Stelle festfrieren ließ. Wangji, wollte Mo Xuanyu noch zurückziehen, als er die Schutzmagie bemerkte, doch hatte ihn nicht mehr rechtzeitig greifen können. Die schwarze Bestie, die sich darauf aus dem Verborgenen zeigte, mit ihren rot glühenden Augen und wild peitschenden, weißen Schweif, verlor keine Zeit sich einfach nur einschüchternd zu zeigen, sondern hetzte aus ihrem Versteck und schnappte ungehalten mit ihren Reißzähnen nach ihnen, denen Mo Xuanyu gerade so noch ausweichen konnte, indem er hinter den Altar hechtete. Wangji schaute sich nach Yi Ling um, der wie versteinert an Ort und Stelle stand, seine Augen weit mit Horror und bleich, wie es der Schnee in der Wolkenschlucht war. „Yi Ling!“ Dieser regte sich nicht, noch schien er ihn überhaupt gehört zu haben. Einem Duōjí gegenüberzustehen, war in der Tat etwas das einen erstarren lassen konnte, doch hatte er Yi Ling mit weitaus mehr Mut erleben können, dass es ihn nicht ausgerechnet jetzt so aus dieser Souveräne werfen sollte. Das mächtige Ungetüm in Form eines Wolfes, kümmerte sich jedoch nicht um dessen Zaudern und schlug mit einer seiner scharfkralligen Pranken nach ihm, das Wangji ihn gerade noch so hatte zur Seite reißen können, damit er davon nicht zerquetscht werden würde. „Das ist der schlimmste Albtraum.“, hörte er diesen nur zusammenhangslos nuscheln, noch immer solch eine ungewohnte Panik in den Augen, und einem merklichen Zittern in den Gliedern. Dann entsann Wangji sich. Yi Ling´s Phobie vor Hunden. Er hatte es nie wirklich hinterfragt, doch zeigte dessen gegenwärtiger Zustand, das mehr dahinter zu stecken schien, als er vermutet hätte. Ein gequälter Aufschrei erfüllte die Höhle und mit Entsetzen musste Wangji mit ansehen, das der Duōjí Mo Xuanyu zwischen seinen Zähnen hielt und diese gnadenlos in dessen Leib sinken ließ. Mo Xuanyu gab ein blutiges Gurgeln von sich, während die Bestie ihren Kopf hin und her schüttelte, um seiner Beute sämtliches Leben zu entreißen. Wangji legte es darauf an, auch wenn er wusste, dass es ihm ein Nachteil werden würde und zog Bichen, mit dem er auf das Biest zu schnellte. Sein líng qì zog dessen Aufmerksamkeit sofort auf ihn und mit einem tiefen Grollen, schleuderte er den schlaffen Körper zwischen seinen Fängen in die Schatten, um folglich nach ihm zu schnappen. Und je länger er ihm auswich oder die wenigen Chancen nutzte, es mit seinem Schwert zu treffen, umso rasender wurde es. Ein Duōjí war ein kraftvolles, dämonisches Wesen und das nicht nur in seiner Erscheinung. Ein solches Ungetüm war im Stande allesverschlingende Feuersbrünste auszulösen, welche es mit seinen Pranken legen konnte, die sich nun in einem roten Glühen zeigten und die Luft um sie herum zum Schwimmen brachte. Er allein würde jedoch nicht mit ihr fertig werden können. „Yi Ling!“ Wangji sah wie Chénqíng bei diesem war und energisch an ihm zerrte. „Komm schon!“, hörte er diesen aufgebracht brüllen. „Oder willst du, das er am Ende doch noch hier zu Grunde geht!“, Chénqíng trat Yi Ling gegen das Gesicht, wohl seine Form einer kräftigen Ohrfeige und es reichte Yi Ling seinen Kopf heben zu lassen, das er dessen Blick für einen Moment einfangen konnte. Dann traf Wangji der Schweif des Duōjí und schickte ihn hart und benommen auf den nun aufgeheizten Fels unter ihm, dass er ebenso den Halt um Bichen verlor. Der Schmerz des Aufpralles und das Verbrennen der Haut seiner Hände, als er sich abfing ließ Wangji ein gepeinigtes Zischen von sich geben. Die Bestie hastete Bichen´s Aura nach, dass es ihm einen kurzen Moment zum Sammeln verschaffte. Er suchte abermals mit seinen Augen nach Yi Ling und erneut schaute dieser zu ihm, doch diesmal war die Panik in dessen Augen eine andere. „Lan Zhan.“ Es klang verbissen, wie auch etwas Rigoroses darin mitschwang, auf das er verfolgen konnte, wie Yi Ling sich schließlich aufrichtete, wenn auch mit zittrigen Knien. Eine stumme Konversation mit Chénqíng schien zu folgen, und er legte die Kette aus Drachenblutperlen ab. Es ließ Wangji mit einer rasant ansteigenden, unwohlen Ahnung zurück. Dann setzte sich Yi Ling das erste Mal, seit sie hier unten gestrandet waren, seine Dizi an die Lippen. Die Energie die daraufhin von Yi Ling in Bewegung gesetzt wurde, war der, der Bestie gleichzusetzen. Chénqíng war nicht mehr der jungenhafte Geist, hatte sich dessen Form in die eines Dämons gewandelt, mit einem sehnigen Leib, der jedem Angriff mit schlangenhafter Geschmeidigkeit auswich. Die einst tänzelnden Flammen seines Hauptes nun ein loderndes Feuer, das sich wie ein Kriegsbanner im Sturm bewegte und er die rubinroten Augen seines Meisters zeigte. Zusammen mit Bàng Hēi, der nun die Größe eines stattlichen Greifs mit feurig gold-roten Gefieder besaß, und dessen drei, kräftige Klauen, immer wieder in den Körper des Duōjí schlugen, schien die Bestie chancenlos. Yi Ling wieder in die Knie sacken zu sehen, während ihn das yuàn qì nahezu verschluckte, riss Wangji aus seinem Zusehen. Rasch befehligte er Bichen wieder zu sich und eilte zu Yi Ling. Es war sofort zu spüren, dass er das yuàn qì nur mit Mühe für sich kontrollieren konnte, war solch eine Flut, normalerweise, mit nichts zu bändigen. Selbst mit seinem líng qì in Takt, würde er nicht ohne die Hilfe Seinesgleichen versuchen, solch einer Kraft allein beikommen zu wollen. Wenn Yi Ling nicht aufhörte, würde es ihn zerreißen. „Yi Ling! Stopp!“, versuchte er durch das Tosen der dunklen Energie Wogen zu ihm durchzudringen, worauf er ebenso seine Hände nach ihm ausstreckte. Das yuàn qì biss wie wilde Tiere nach ihm, doch zog er sie dennoch nicht zurück. Er würde ihn verlieren, wenn er ihn nicht erreichen konnte! „Yi Ling.“ Dieser Wall schien undurchdringlich und es ließ sein Herz in einem frenetischen Takt pulsieren. So würde er nichts erreichen. Das Flötenspiel verstummte abrupt, doch löste sich der Funken Hoffnung sofort wieder auf, als dies nicht bewirkte, dass das yuàn qì sich zu beruhigen gedachte, sondern es Yi Ling nur erstickte Schreie von sich geben ließ. Wenn er nur an ihn herankommen könnte! Schließlich folgte er nicht seinem Verstand, sondern seinem immer noch verzweifelt schlagendem Herzen. Er zog seine nun blutenden Hände zurück und befehligte Wangji vor sich. Das Brennen in seinen Fingern, war nichts im Vergleich zu dem Gefühl, schon zu spät zu sein, als er diese über die Saiten fliegen ließ, und ein kraftvoller Ton nach dem anderen auf den yuàn qì Wirbel einschlug, in der Absicht diesen damit auseinandertreiben zu können. Das klägliche Jaulen des Duōjí nahm er nur im Hintergrund wahr, gönnte er sich keinen Moment der Unachtsamkeit in seinem Spielen. Erst als Chénqíng und Bàng Hēi neben ihm auftauchten, erlaubte er sich einen weiteren Fokus. „Sag uns, was wir tun sollen.“, hörte er Chénqíng, im harten Befehlston an ihn gerichtet vorbringen, auf das dieser ihn mit wilden Augen anfunkelte. „Er gab dir die Gewalt über uns, sollte es eine Situation erfordern. Er ist so ein gutgläubiger Spinner.“ Wangji verstand nicht, auf was Chénqíng hinaus wollte, doch war er zu aufgewühlt etwas zu hinterfragen und folgte dessen Aufforderung. „Die Melodie, die es ermöglicht sein yuàn qì zu kontrollieren. Zeig sie mir.“ Chénqíng schaute ihn darauf überfordert an. „Ich habe keine Ahnung! Ich folge ihr nur. Ich kann keines dieser Instrumente spielen.“ Wangji schüttelte den Kopf, hatte er sich dies bereits denken können. „Nicht vorspielen. Ich brauche sie in meinem Kopf. Ihre Essenz. Ihre Energie.“ „Bist du genau so wahnsinnig!“ Wangji wusste, dass es irrsinnig erscheinen mochte. Noch vor wenigen Monaten hätte er lieber einen Arm gelassen, als sich freiwillig dunkler Energie hinzugeben. Sich davon verunreinigen zu lassen. Doch hier hatte solch ein falscher Stolz keinen Platz. Sie mussten handeln. Sofort. „Ich vertraue dir...“, ließ er Chénqíng wissen, der dies mit einem mokanten Schnaufen erwiderte. „Ihr zwei, habt euch wohl wirklich gesucht und gefunden.“, murrte dieser folglich und legte seine nebelhafte Gestalt schließlich, wie in einer Umarmung von hinten, über Wangji s Rücken. „Sollte es schief gehen…“, wies dieser ihn noch zurecht, raunte über Wangji stummes Kopfnicken, jedoch nur ergeben. Er spürte, wie Chénqíng´s Geist in seinen Kopf überfloss. Ein Gefühl von unnatürlicher Qualität. Aufbrausend und dornig. Ein gehetzter Hunger nach Überlegenheit. Der Fall in einen pechschwarzen, bodenlosen Abgrund. Doch durfte er sich von keiner dieser Impulse überwältigen lassen. Dann spürte er, wie all diese Elemente in Stücke brachen, und jedes Fragment einen neuen Platz einnahm, bis sich daraus etwas ganz Eigenes formte. Die Melodie, nach der er verlangt hatte. Es war ein kompliziertes Unterfangen die Noten auf seiner Guqin zu spielen, war sein Instrument solch eine aggressive Disharmonie der Klänge nicht gewöhnt, dass es kostbare Zeit verschlang die notwendige Balance zu finden auf den nun bereits, von seinen Fingern, blutgetränkten Saiten. Doch als er verstand sie zu führen, sie zu befehligen, war es wie ein reißender Strom der losbrach und er alle Mühe hatte, nicht selbst davon mitgerissen zu werden. Jedoch würde es nicht reichen, das yuàn qì einfach nur zu zwingen sich ihm zu beugen. Es würde nichts daran ändern, dass es immer noch um sie herum schleichen würde. Darauf wartend wieder zuschlagen zu können. Somit ließ er den Frost sich einen Platz in der Melodie suchen, auf das das yuàn qì Stück für Stück von blühenden Eiskristallen verschlungen wurde, die es in Stasis versetzten. Es war Bàng Hēi der darauf eine der Saiten mit seinem Schnabel zum Reißen brachte und diese abrupte Unterbrechung Wangji, wie auch Chénqíng zurückbrachte. Der immense Druck auf seine Lungen verschwand und mit einem kräftigen Schnappen nach Luft, kam Wangji wieder zu sich. Seine Hände zitterten kläglich, dass er sie zu Fäusten zusammenzog. Er schüttelte seinen Kopf über die nur langsam abziehenden, dunklen Schwaden, während sein Herz kaum noch recht zu schlagen wusste. Es war, alles in allem, eine der elendigsten Verfassungen, die er bis jetzt in seiner Existenz ertragen musste. Und doch raffte er sich sogleich wieder auf und strauchelte ein, zwei Schritte, bis er bei Yi Ling war. Das yuàn qì war solide eingefroren, das er sich auch nicht zurückhielt, als er die Kristalle mit Bichen zum Splittern brachte, um an Yi Ling heran zu gelangen. Yi Ling´s Körper war leblos in die Kristallstruktur ein drapiert. Zeigte auch keine Regung, auf das Vorbringen seines Namens, als Wangji ihn vorsichtig daraus befreite. Das erste, was er tat als dieser haltlos in seine Arme fiel, war dessen Puls zu suchen und beim ersten schwachen Schlagen, das er einfangen konnte, ihm etwas von seinen líng qì zu schicken. Ein müdes Raunen, war zu hören und nach einem Blick zu seiner Rechten, sah er Chénqíng und Bàng Hēi zusammen am Boden sitzend. Bàng Hēi in seiner normalen Form, wo Chénqíng nun kaum noch so groß war, wie ein Kleinkind. „Danke.“, ließ er diesen wissen, der darauf seine geschlossenen Augen, geschlossen hielt, aber eine schlaffe, abtuende Geste mit einer Hand machte. Ein kratziges Stöhnen folgte etwas später von Yi Ling. „Yi Ling? “ „Hm…La…n Zhan? “ „Mn.“ Ein plötzlicher, Hustenanfall brachte Yi Ling´s Körper zum verkrampfen, gefolgt von gespucktem Blut, was Wangji besorgt seine Augenbrauen zusammenziehen ließ. Sie mussten endlich hier weg. Schwer atmend, wandte sich Yi Ling ihm wieder zu und versuchte sich an einem Lächeln, auf seinen farblosen Lippen. „Nun schau nicht schon wieder so.“ Dieser hob eine klamme Hand und strich ihm die Falten zwischen seinen Brauen glatt. „Es ist ein natürlicher Prozess, als Reaktion auf deinen endlosen Leichtsinn.“, gab er ihm zu verstehen, dass es Yi Ling etwas auflachen ließ, bevor er abermals zu Husten begann. „Nichts was eine kräftige Suppe nicht wieder hinbiegen könnte.“, witzelte er zwischen tiefen, schweren Atemzügen hindurch. Wangji schüttelte kurz den Kopf, als Yi Ling ein heftiges Zittern erfasste, dass dieser sogar mit den Zähnen klapperte. Wangji verlor keine Zeit und streifte die Robe ab die er trug, um sie Yi Ling überzulegen und diesen etwas näher zu sich ziehen zu wollen, als er dessen schreckgeweitete Augen erfasste. Im nächsten Moment hatte Yi Ling ihre Positionen getauscht, indem er ihn hastig unter sich und auf den Boden brachte. Wangji sah die Pranke des Duōjí, die sich in einem Hieb über Yi Ling´s Rücken zog und diesen gequält aufschreien ließ. Er hatte nicht vor Augen, wie es ihm über diesen Schock möglich gewesen war Bichen zu befehligen, auf das sich sein Schwert zwischen die Augen des Biestes bohrte. Sein Fokus war ganz und gar auf Yi Ling´s zusammengesackten Körper gerichtet und die garstigen Wunden auf dessen Rücken, die diesen schlagartig rot mit Blut färbten. „Da sind wir wohl etwas zu spät.“, drang unerwartet eine Stimme zu ihm durch. Dann erst wurde er sich dem Trupp an Nie Soldaten bewusst, der am Eingang der Kammer stand, vorne an ein Gesicht, das ihm bekannt war. „Xiāo Míngqín?“ „Ah, nicht ganz.“ *** Es war nichts, was in seiner Hand zu liegen schien, als Wangji sich abermals in einer von Yi Ling´s Erinnerungen wiederfand, während er diesen über das schwere Fieber, das ihn erfasst hatte, kaum von der Seite wich, nun wo er Yi Ling mit zu sich in die Wolkenschlucht brachte. Es war der einzige Ort, wo er hoffte ihm helfen zu können, nachdem sie die Unheilige Ebene wieder verlassen hatten. Die Wunden auf seinem Rücken, waren nicht mehr lebensbedrohlich, doch war dessen Körper einfach zu ausgelaugt und überanstrengt, dass ihn ein schweres, unreines Fieber heimsuchte, das auch mit ihrer Heil-Magie nur langsam in den Griff zu bekommen war. Xiāo Míngqín oder Nie Huisang, wie er sich schließlich vorstellte, hatte sie ohne weiteres Aufsehen zu einem Transportportal gebracht, das in direkter Verbindung mit der Wolkenschlucht stand, und eigentlich nur dem Nie Clanführer, Nie Mingjue, vorbehalten war zu benutzen. Wangji wusste nicht, ob er sich dafür bedanken sollte, stellte sich über Nie Huaisang´s nervöses Gerede heraus, dass er sie bewusst zur dieser Miene gelotst hatte. Wangji wollte keinen Moment länger mehr dort verweilen und brachte Yi Ling schließlich zum verwaisten Haus seiner Mutter, um sich dort um ihn kümmern zu können. Es bedurfte nur einer Berührung, wenn dieser sich besonders rastlos in seinem fiebrigen Schlaf zeigte, um diese Verbindung herzustellen. Dass es Erinnerungen waren und keine Träume, deutete er damit, das er all die Emotion und den Schmerz, wie die eigenen wahrnahm, während er von wilden, garstig kläffenden Hunden, durch schmutzige, enge Gassen gehetzt wurde. Seine nackten Kinderfüße ihn kaum noch weiter tragen wollten und er betete nicht wieder von ihnen gebissen zu werden. Dann das Gefühl zu fallen, tiefer und tiefer mit der panischen Erwartung des Aufschlagens, war alles was er um sich herum ausmachen konnte schwarze, dichte Nebel, die nach ihm griffen. Eine andere Frequenz ließ ihn in einer dunklen Kammer auf dem Boden hocken, und auch wenn ihm körperlich nichts wehtat, so war es der innere, seelische Schmerz, der ihn wie eine glühende Fessel umschlungen hielt. Soviel Einsamkeit. Soviel Trauer. Soviel Hoffnungslosigkeit. Soviel Angst. Es war ihm vertraut. Dieser Schmerz, und er fühlte für den Jungen, den er nie hatte kennenlernen können. Wieder und wieder, sah er durch Yi Ling´s Augen den Horror den dieser miterlebt hatte. Ein Biest in Gestalt eines riesigen Vogels, das, wenn er sich über sein Studieren mystischer Kreaturen, nicht täuschte, ein Gǔdiāo sein musste. Was sich bestätigte, als er dessen unheiliges Kreischen vernahm, das an ein schreiendes Baby erinnerte. Den verzweifelten Kampf des Mannes, den Yi Ling Dào Zhǎng nannte Sein Fieber trieb seine Erinnerung, viel zu oft zurück an diesen Ort. Es war ein solch festgesetztes Trauma, das nie etwas von der überwältigenden Hilflosigkeit verlor. Und er sah das Schwert. Schwarz und blutrünstig. Verstand die Verzweiflung des Jungen. Wie er auch wusste, dass dieser nur ein weiteres Opfer für dessen, von Wahnsinn geprägter Mordlust, sein würde, sobald dieser seine zittrigen, schmalen Hände daran legte. Die Welt schien für einen Moment schlicht still zu stehen, folgte weder Schmerz noch Irrsinn. Nur Kälte, die von schwarzen Flammen her rührte, die sich Biss für Biss durch sein Inneres fraßen. Bis die Schreie einsetzten. Endlos, wie vom Sturm gepeitschte Wellen, die wieder und wieder auf einen niederstürzten. Einen darunter geradezu erstickten. Und so sehr er selbst aus diesen quälenden Bildern hätte flüchten wollen, so hielt er weiter Yi Ling´s Hand. Selbst wenn es sinnlos war und er ihn nicht vor dem Geschehenen würde bewahren können, so wollte er ihn genauso wenig allein darin lassen. „Yi Ling… Komm zurück… Komm zurück zu mir…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)