In another life the sea is in the sky (Teil 1) von YoungMasterWei (Searching for the smile of the moon) ================================================================================ Kapitel 8: ----------- Ich wünsche Frohe Weihnachten und angenehme Feiertage : ) Bleibt gesund! *** Seine Schmerzen waren zu einem dumpfen Pulsieren abgeklungen, doch konnte auch eine Heilerin von Lìn Pòsuǒ´s Können, solch eine klaffende Wunde nicht einfach dazu bringen sich mit einem Fingerschnippen wieder zu schließen. Sie hatte sie vernäht, so gut es ihr möglich war, was bei solch einer garstigen Verletzung sich nicht als ganz so einfach darstellte. Sie strich noch eine seltsam riechende Paste darüber und erklärte ihm, wohl in einer Angewohnheit ihrer Zunft, dass diese aus dem Su Mu Kraut gefertigt wurde, das gegen Blutungen half und zudem schmerzlindernd wirkte. Sie legte ihm noch einen Verband um und reichte ihm ein paar Pillen. „Gu Sui Bu hilf dabei den Körper zu heilen und zu stärken. Doch es ist kein Wundermittel, also versuchen sie es nicht zu übertreiben, bei dem was sie sich vorgenommen haben, verstanden!“ Es war schon ein wenig rührend, wie sie sich um ihn Gedanken machte, aber das lag wohl ebenso an der Passion einer Heilerin. Ihr zu sagen, dass das was er vorhatte, äußerst kräftezerrend sein würde, wäre somit schon etwas unfair. Also nickte er lediglich. Sie reichte ihm zudem noch etwas alte Kleidung, die er nur zu gern mit seinem derzeitigen Aufzug tauschte. Als nächstes verschwand Lìn Pòsuǒ zu besagten Quartier und Yi Ling hing seinen Mutmaßungen zu dieser Miesere weiter nach. Er hatte wage Anhaltspunkte, doch brauchte er etwas Handfesteres und er hoffte die Aufzeichnung zum Tempelbau würden ihm dabei aushelfen können. Die Tür der Kammer tat sich wieder auf und Lìn Pòsuǒ betrat diese mit einigen Schriftrollen und Büchern in ihren Armen. „Das ist alles was ich habe finden können.“ Es war nicht viel, was entweder gut war, da sie so schneller die gewünschte Information in die Hände bekamen, oder schlecht, weil bei dem wenigen Material gar nichts für ihre Belange dabei war. Yi Ling hatte auf etwas wie eine Liste der hier tätig gewesenen Handwerker gehofft, doch zeigten sich die Aufzeichnungen wenig aufschlussreich darüber. „Warum gerade die Arbeiter?“, hinterfragte Lìn Pòsuǒ seine Suche, während sie selbst über einem der Bücher saß. „Der Haarschmuck der Baum-Jungfer. Diese Verzierungen; sie sind denen an den Türstöcken und Holzpfeilern ungemein ähnlich, wenn ich herausfinden kann, wer für diese Verzierungen zuständig war. Wenn sich nichts über die letzten hundert Jahre an diesem Tempel geändert hat, dann könnte es ein und dieselbe Person gewesen sein. Mit einem Namen wäre es einfacher herumzufragen.“ „Aber wo wollen sie damit anfangen, wenn sie den Namen finden sollten? Dieser Handwerker könnte von überall her gewesen sein.“ Ihre Zweifel waren nicht unberechtigt. „Nicht zu vergessen, dass er womöglich nicht mehr am Leben ist, er wäre sonst gut über 120 Jahre alt.“ „Sie sprach von einem Sternen-Wasserfall und himmelblauen Feldern. Auf dem Weg hier her, kamen Lan Zhan und ich an einem Wasserfall vorbei, der auf diese Beschreibung passen könnte. Es wäre auf jeden Fall ein Anfang. Ich muss letztendlich nur wissen, wo er verblieben ist. Selbst ein Grab würde schon reichen.“ Lìn Pòsuǒ schaute weiterhin als könne sie ihm nicht folgen. Er hatte Chénqíng Bàng Hēi anvertraut, wollte er nicht riskieren, das die Energie seiner Dízi Grund gewesen wäre, Lìn Pòsuǒ´s Signatur, die sie ihm verpasst hatte, zu stören, und dadurch doch noch erkannt zu werden. Dass sein geflügelter Freund unruhig war, hatte er die gesamte Zeit über verspürt, war diese an seine Präsenz gebunden und nicht glücklich darüber, dass er ihn nicht hatte in ihre Auseinandersetzung mit eingreifen lassen. Doch wollte er sie ebenso wenig in einen Bannkreis schicken, der ihr Schaden zufügen würde. Seine Hoffnung schwand allerdings, als sich einfach keine Aufzeichnungen finden ließen und er mit sinkendem Herzen zu einem Bündel loser Blätter griff, die Lìn Pòsuo ebenso mitgebracht hatte. Wie sich herausstellte waren es die Baupläne der Gebäude. Und nicht nur das. Mit aufkeimender Hoffnung ging er die Papiere durch, welche ebenso Skizzen für die dekorativen Elemente enthielten. Sie schien alle von einer Person entworfen worden zu sein, wie er der Signatur unter jeder Zeichnung entnehmen konnte. Auch die der Blütenfiligrane. „Kǎi Qīngsōng.“ Hoffentlich hatte er Recht mit seiner Annahme und er wäre die Person die es zu finden galt. Yi Ling nahm sich darauf ein Pergament, welches er auf einem der Tische liegen sah und schnitt sich in den Finger, dass es Lìn Pòsuǒ ein Murren entlockte. „Ich hab sie gerade erst zusammengeflickt…“, Yi Ling schmunzelte kurz und beschrieb das Papier mit geübten Strichen. „Transport-Talisman.“, erklärte er auf ihren fragenden Blick, der darauf in etwas Perplexes wechselte. „So etwas ist möglich?“ „Ist es. Nur nicht ganz ungefährlich. Wenn man nur einen Strich vergisst oder falsch setzt, kann es passieren das man nicht in einem Stück sein Ziel erreicht.“ Er grinste über den Horror in ihrem Gesicht über die Folgen solch eines Fehlers. „Keine Sorge, ich weiß was ich tue.“ Sie sah nicht überzeugt aus. Sie begaben sich darauf aus dem Tempel heraus, wo auch schon Bàng Hēi aus einem der umherstehenden Bäume herangeflogen kam und wie immer den Platz auf seiner Schulter einnahm. „Ok, dann mach ich mich mal auf den Weg.“ „Wohin?“ „Das Dorf in der Nähe des Wasserfalls. Ich hoffe, dass ich dort vielleicht etwas herausfinden kann.“ Lìn Pòsuǒ atmete in einer Geste der Beruhigung durch und schaute ihn dann noch einmal fest an. „Viel Glück.“, meinte sie und Yi Ling aktivierte den Talisman. Mit einem leidlichen Stöhnen, fand er sich an besagten Wasserfall vor, hatte ihn dieser Sprung, wie zu erwarten, Kraft gekostet, die er noch nicht wieder aufgefüllt hatte. Da er sich leider nur an Plätze transportieren konnte, wo er schon einmal gewesen war, und er das Dorf welches er meinte, damals nur von einer Anhöhe gesehen hatte, musste er den Rest des Weges so zurücklegen. Sie hatten zunehmenden Mond, dessen Licht durch die lichteren Baumwipfel auf das Wasser vor ihm fiel. Das Gestein über welches dieses hinabstürzte funkelte hier und da mystisch, unter dem silbernen Schleier und der Reflektion des fließenden Stroms, dass es einen tatsächlich an Sterne erinnern konnte. Yi Ling wusste, von ihrem Abstecher hier her, dass es sich dabei um Mineraladern aus Katzensilber handelte, die diese poetisch anmutende Illusion wiederspiegelten. Es musste einfach der Ort sein, den die Jungfer erwähnt hatte. Ohne weiter zu verweilen machte er sich auf den Weg, den er sich von Bàng Hēi weisen ließ, hatte sie einfach eine bessere Sicht von weiter oben, während er mit der kleinen Flamme, die er über seiner Handfläche beschwor, denn Wald durchquerte. Die Sonne brach den Horizont in einem Schwall aus glühendem Orange und schläfrigen Violett auf, als er das Dorf erreichte und Bàng Hēi sich zur Ruhe begab. Yi Ling schritt weiter voran. Er wollte nicht unbedingt an sämtliche Türen klopfen müssen, war die Wahrscheinlichkeit groß, dass man ihn für einen merkwürdigen und manierlosen Tunichtgut hielt, wenn er umso eine Zeit schon für Unruhe sorgte. Doch wenn es sein musste, dann würde er auch davor nicht Halt machen. Allerdings schien er Glück zu haben. Eine ältere Frau sammelte gerade die Eier ihrer Hühner aus einem Verschlag ein, welche er vom Zaun her vorsichtig ansprach, um sie nicht zu verschrecken. „Lǎo dà mā.“ Man schaute trotz allem etwas überrascht auf und blickte sich nach ihm um, worauf sie ihn fragend anschaute. „Verzeiht die Störung, aber ich bin auf der Suche nach jemandem. Vielleicht wisst ihr etwas über diese Person oder deren Familie? Es würde mir wirklich weiterhelfen.“ Er setzte ein freundliches Lächeln nach, etwas das meist sein Ziel nicht verfehlte. Und auch diesmal konnte er sich darauf verlassen, kam die Frau an ihn heran, sodass er sich weiter erklären konnte. „Ich suche einen Holzbildhauer oder Zimmermann. Sein Name ist Kǎi Qīngsōng. Er hat den kleinen Tempel ein paar Ortschaften weiter mit aufgebaut. Es ist schon recht lange her, aber vielleicht lebt seine Familie hier irgendwo in der Nähe.“ Yi Ling zeigte ihr zudem noch die Pergamente mit den Skizzen in der Hoffnung, dass vielleicht der Stil der Arbeiten auffällig genug wäre, um ihn wiederzuerkennen. „Eine Familie namens Kǎi ist mir hier nicht bekannt.“ Eine weitere Person kam aus der kleinen Behausung und die ältere Frau winkte diese zu sich heran. Ihr Mann, wie er mitbekam, schaute ebenso überlegend, doch schüttelte dann den Kopf. Es wäre auch zu einfach gewesen. „Fragen sie mal den alten Huáng, der war selbst Handwerker und ist seiner Zeit hier und da herumgekommen.“ Man verwies ihn die Hauptstraße entlang und das er am Haus des Laternenbauers, welches nicht zu verkennen sei, rechts gehen solle, bis er zu einer etwas schäbigen Hütte mit einer bizarren Affenfigur am Hauseingang ankäme. Man ließ ihn ebenso wissen das der alte Huang nicht immer ganz bei Sinnen wäre, trank er schon seit Jahren zu viel. Yi Ling machte sich in so einem Fall nicht allzu viel Hoffnung, aber es wäre einen Versuch wert. Er erkannte die Affenfigur sofort und nachdem sich nichts tat als er zwei, drei Mal den Namen des Hausbewohners gerufen hatte, betrat er das verwahrlost wirkende Grundstück. Allerlei Krempel säumte den kurzen Pfad an die Haustür heran an welche er nun auch klopfte. Es tat sich wiederholt nichts, dass er es noch einmal versuchte. Er wollte schon aufgeben, als ein Poltern zu hören war und ein weiteres, dumpfes Geräusch, worauf sich die Tür nur einen Spalt breit öffnete, als ihm der Dunst von Alkohol auch schon entgegenstieg. „Wer sind sie? Was wollen sie?“, maulte man mit einem Leiern in der Stimme, auf das Yi Ling sein Anliegen vortrug. „Nie gehört!“ Damit knallte man die Tür wieder zu und Yi Ling gab ein frustriertes „Tsk“ von sich. „Von dem brauchen sie nichts erwarten. Der hat seinen Verstand schon längst dem Wein überlassen.“ Yi Ling erkannte einen anderen älteren Herrn, der gerade den Weg an der Hütte vorbei kam. „Was ist denn ihr Ersuchen junger Mann?“, erkundigte man sich und da es eine Gelegenheit wie jede andere war, setzte er abermals an sich zu erklären. „Oh, das ist selbst noch vor meiner Zeit.“ Der alte Herr überlegte jedoch noch einen Moment. „Wenn er an einem Tempel gearbeitet hat, war er vielleicht auch einmal an dem, nicht unweit von hier, tätig. Solche Gebäude brauchen doch stets geschickte Zimmerleute um sie in Stand zu halten.“ Man wies ihm noch den Weg, wo er besagten Tempel finden würde und er bedankte sich höflich für die Hilfe. Es konnte jedoch nicht schaden, jeden der ihm begegnete, ebenso anzuhalten und nachzufragen, ob man etwas über die von ihm gesuchte Person oder deren Familie wusste. Zudem überlegte er unentwegt, was es mit den himmelblauen Feldern auf sich haben könnte. Würde er herausfinden was damit gemeint wäre, hätte er wenigstens schon einmal das Dorf von Kǎi Qīngsōng gefunden. Yi Ling erreichte den Tempel kurz vor dem höchsten Stand der Sonne, machte ihm seine Verletzung doch etwas mehr zu schaffen als es ihm lieb war. Man begegnete seinem Anliegen zuerst ebenso unwissend, doch schien man Mitleid mit ihm zu haben, als er unter einem müden Stöhnen bat, sich einen Moment ausruhen zu dürfen, und einer der Tempeldiener meinte, dass man einen Blick auf ein paar Aufzeichnungen werfen könne, um ihm vielleicht weiterzuhelfen. Yi Ling gab ein dankbares Lächeln von sich, auch wenn ihn das eilige Vorbeiziehen der Zeit mit einer nervösen Rastlosigkeit versah. Jemand brachte ihm noch einen kleinen Krug mit Wasser und eine Trinkschale, auf das er sich an die Pillen von Lìn Pòsuǒ erinnerte und diese gleich damit herunterschluckte. Er befüllte sich die Schale erneut und schwenkte diese gedankenverloren, ließ die Wolken über die darin eingefangene Spiegelung ziehen. Wenn er ehrlich war sah es nicht gut aus, dass er sein Ziel finden würde, und er zog ein leidliches Gesicht darüber, dass er sich, in Anbetracht von Lan Zhans Schicksal, zu selbstsicher gegeben hatte ihn retten zu können. Yi Ling strich mit der anderen Hand über die schwarze Bambusflöte an seiner Hüfte. Sollte er tatsächlich versagen, müsste er wohl doch zu radikaleren Maßnahmen greifen. Er wollte weder Lìn Pòsuǒ noch die Kinder damit in Gefahr bringen, war die Kraft die von Chénqíng ausging etwas das ihnen Schaden zufügen würde. Es war stets die letzte Option für ihn. Nicht zuletzt, weil es auch ihm einiges abverlangte. Aber das war momentan nicht sein Problem. Er war gerade daran den restlichen Inhalt seiner Schale zu leeren, als ihn ein Gedanke traf, während er abermals auf das Wasser darin blickte. Konnte es sein? Der Tempelgehilfe tauchte wieder auf, und teilte ihm mit das man ihm nicht weiterhelfen könne, doch gab es einen Ort weiter einen Zimmermann, der womöglich eher etwas wissen könne. Yi Ling nickte verstehend. „Kann man mir noch sagen, ob es hier irgendwo Reisfelder gibt?“ Er war auf dem Weg zu besagter Ortschaft und das sogar ohne sich selbst anstrengen zu müssen. Ein junges Paar das mit einem Pferdekarren unterwegs war, hatte ihn aufgesammelt und er ihr Angebot nur zu gern angenommen. Sie fragten ihn woher er denn sei und ob er ein paar interessante Geschichten zu erzählen hätte von seinem Umherreisen, kamen sie selbst nur in die umliegenden Ortschaften um ihre Töpferwaren zu verkaufen. Yi Ling nutzte die Gelegenheit erneut sich zu erkundigen. Man kannte den Zimmermann, doch nicht die Person die er suchte. Auch die Information mit den Reisfeldern, war weniger erbauend, befanden sich die nächsten gut zwei Tage südlich von hier. Wenn dem so wäre verschwendete er hier nur seine Zeit. Sie näherten sich schließlich einer Brücke die über eine Schlucht führte und man ihn wissen ließ, dass sie ohne diese Brücke gut drei Tage mehr einrechnen müssten, führte sonst kein Weg über den Abgrund, dass man in alter Zeit nur einen Umweg in Kauf nehmen konnte. Doch hörte er nur beiläufig zu, das er auch gar nicht recht mitbekam, als sie den nächsten Ort erreicht hatten und man ihm sogar direkt vor dem Haus des Zimmermanns absetzte. Yi Ling bedankte sich innständig und auf das Darreichen einiger Münzen, tat man seine Geste nur mit einem Lächeln und Kopfschütteln ab. Er ließ es sich dennoch nicht nehmen ihnen das Geld in die Hand zu drücken, wusste er selbst gut genug, das man als einfacher Händler nicht allzu reichlich verdiente und er auch mitbekommen hatte, das man bald Familienzuwachs erwartete. Und diese beiden hatten sich seinen Dank redlich verdient. Er winkte ihnen noch kurz nach, als sie weiterzogen, bevor er sich dem Haus zuwandte und er beinahe von einer sich hastig entfernenden Gestalt umgerannt wurde. Jemand rief in einem Grollen aus dem Inneren des Hauses, das man sich nicht noch einmal blicken lassen sollte, auf das er sich schon mit dem Gesicht eines kräftig gebauten Mannes gegenübersah, der ihn argwöhnisch anfunkelte. „Wenn sie zu dem gehören…“ Dieser deutete auf die immer noch eilig davonstolpernde Person. „…dann können sie gleich mit verschwinden.“ Na, da hatte er wohl einen etwas schlechten Zeitpunkt getroffen. Dennoch setzte er ein Lächeln auf und verbeugte sich kurz im Gruß. „Mein Name ist Yi Ling und ich lediglich auf der Suche nach jemandem. Ich hoffte man könnte mir hier vielleicht damit weiterhelfen.“ Der Mann vor ihm schaute noch einen Moment skeptisch, bevor sich seine Gesichtszüge etwas erweichten, es ihn aber immer noch ausreichend einschüchternd aussehen ließ. „Um wen soll es denn gehen?“, erkundigte man sich darauf und Yi Ling erklärte sich wiederholt. Man hatte ihn hereingebeten, und es stellte sich heraus dass Rèn Yìngqì nicht so ein grimmer Charakter war, wie es von seiner Erscheinung her den Eindruck erweckte. Man führte ihn, in die sich an das Haus anschließende Werkstatt, wo er sich recht interessiert umschaute. „Ich komme eigentlich aus einer anderen Ortschaft, weiter im Norden. Meine Frau jedoch, wurde hier geboren und ich zog mit in ihre Heimat, als wir heirateten.“ Rèn Yìngqì suchte in ein paar Kisten nach etwas, während er ihm dies erzählte. „Vor ein paar Jahren, kam jemand vorbei und fragte, ob ich Verwendung für diverse Skizzen und Aufzeichnungen hätte, da man sie sonst gedachte einfach wegzuwerfen, hatte die Familie keine Verwendung dafür.“ Rèn Yìngqì holte schließlich ein gut verschnürtes Bündel vergilbten Papiers aus einer der Kisten und legte sie auf seine Werkbank. „Die Zeichnungen die sie mir zeigten; sie kamen mir bekannt vor.“ Er löste den Strick und blätterte einige der Unterlagen durch, bevor er ihm eine davon zeigte. Es war eine Skizze eines ähnlichen floralen Motives, das Yi Ling sofort nach der Signatur darunter schaute. Und tatsächlich. „Darf ich?“ Er deutete auf den Stapel, ob er ihn sich selbst einmal durchschauen könne und nach einem „Nur zu.“, dies auch tat. Es waren wirklich alles Aufzeichnungen von Kǎi Qīngsōng und es ließ sein Herz sogleich noch etwas hektischer schlagen. „Können sie mir sagen, wo ich die Familie finden könnte?“ Rèn Yìngqì  überlegte erneut. „Wenn ich mich recht entsinne waren sie aus Nínán Cǎo.“ Yi Ling zog ein Gesicht, konnte er mit dem Namen nicht wirklich etwas anfangen, was man ihm auch anzusehen schien und ihm kurzdarauf eine Karte zeigte. Es wäre abermals ein Tag zu Fuß. Aber selbst mit einem Pferd würde er es wohl nicht rechtzeitig schaffen, müsste er immer noch die Familie finden und wo sich Kǎi Qīngsōngs Gebeine befanden, glaubte auch er nicht, dass dieser noch am Leben sei. Yi Ling schaute weiter abwägend auf die Karte. Es gab einen Fluss der eingezeichnet war und er dessen Verlauf folgte. Wenn er sich nicht ganz irrte, dann waren sie diesem sogar ein stückweit gefolgt auf ihrem Weg. Seine Augen weiteten sich in einer Hoffnung. „Ist das der Ort mit den Färbern?“, hakte er etwas ungeduldig nach und erhielt darauf ein bestätigendes Nicken. “Wir bauen ab und an neue Zuber für ihre Arbeit.“ Ein erleichtertes Ausatmen kam ihm über die Lippen und er bedankte sich ebenso eilig, um sich wieder auf den Weg machen zu können. Sie hatten diesen Ort durchquert und somit konnte er auch einen weiteren Transport-Talisman einsetzen, doch sollte er das ab von neugierigen Augen tun. Er erreichte die Anhöhe die hinab zu Nínán Cǎo führen sollte, und konnte bei dem Anblick der sich ihm bot nur ein ungläubig, müdes Auflachen von sich geben. Unterhalb, am Rande des Dorfes, wiegten sich die frisch gefärbten Stoffe Reihe um Reihe aufgehängt im warmen Südwind. Es waren keine himmelblauen Felder (天藍 tiān lán-himmelblau) gemeint gewesen, sondern 靛藍 diàn lán; Indigo gefärbte. Ah, er hätte sich mit diesem Detail sicherlich etwas Zeit einsparen können, doch nun war es auch nicht mehr von Belang und er hatte so oder so hier her gefunden. Mittlerweilen war es kurz vor Sonnenuntergang und er kaum noch im Stande sich auf den Beinen zu halten, nach seiner verkürzten Reise, dass es ihm vor Anstrengung klammen Schweiß auf die Haut trieb und er das Gefühl hatte sich übergeben zu wollen. Seine Wunde pulsierte ärgerlich und nach einem Blick auf den Verband konnte er ausmachen, dass sich diese wieder etwas geöffnet hatte. Ein angriffslustiges Wallen zerrte zudem an der Barriere zwischen seinem líng- und yuàn qì, das nur an Impulsivität dazugewinnen würde. Er hasste dieses Gefühl, sich die dunkle Energie wie hervorquellende Innereien wieder hineinstopfen zu müssen. Denn so sehr seine inneren Schatten auch auf eine Jagd aus waren, so waren sie dennoch an ihn gebunden. Es war ein Preis den er zu zahlen hatte. Mühsam schleppte er sich voran und erkannte das kleine Teehaus, vor welchem er mit Lan Zhan damals gesessen hatte. Ein paar Leute saßen davor, tranken Tee und schwatzten. Es war ein Gewaltakt sich zu straffen und so zu tun als wäre er nicht kurz vor einem Zusammenbruch, während er sich nach der Kǎi Familie erkundigte. Nur um darauf gesagt zu bekommen, dass diese fortgezogen wären, um wo anders ihr Glück mit dem Geldverdienen zu versuchen. Aber noch gab es eine Hoffnung, und zwar das deren verstorbene Familienmitglieder dennoch hier begraben lagen. „Ah, das war der, den man für verrückt gehalten hat, als er meinte eine Brücke über die Schlucht in den Bergen bauen zu wollen.“, meinte einer als er Kǎi Qīngsōng´s Namen erwähnte. „Wer hätte gedacht, dass er gar nicht so verrückt war, und man ihm nun sogar dankbar dafür ist.“ Die Runde Männer nickte zustimmend. „Ein Jammer das er beim Bau sein Leben gelassen hat, als er einen der Arbeiter hatte retten wollen, der drohte in die Schlucht zu fallen. Man hat seine Überreste nie gefunden. Ein Trauerspiel für dessen Familie. Wahrlich.“ Eine Brücke? Er ließ sich beschreiben, wo sich diese befand und sein Irrweg schien ihm nun doch noch von Nutzen, als er erfuhr, dass es jene war, die er zuvor mit dem jungen Paar überquert hatte. Die Dämmerung floss wie träges, glühendes Gestein über den Horizont, als er sich zur Brücke brachte und er sich eingestehen musste, das sein Körper seine Grenze so gut wie erreicht hatte, sackte er nur noch auf seine Knie, das Gefühl abzudriften in der Schwere seiner Lider und Gliedmaßen, dass er dem Gedanken erlag, am Ende doch noch alle im Stich zu lassen. Seine inneren Dämonen als ein hämisches Gelächter in seinen Ohren. Ein leichtes Picken gegen seinen Kopf, brachte ihn dazu wieder zu sich zu finden, und das erste was er sah war Bàng Hēi gefolgt von der Erkenntnis, dass es bereits Nacht geworden war, worauf es ihn panisch aufschrecken ließ, nur um sich seine mitleidlos schmerzende Verletzung zu halten und das Schwindelgefühl abzuwarten, das ihn erfasst hatte. Das yuàn qì kratzte noch immer ungeduldig an seinem Käfig, das mit einem ärgerlichen Fauchen etwas zurückwisch, als er ein Symbolsiegel mit seiner Hand gegen sein Sonnengeflecht presste, das sein líng qì für einen kurzen Moment mit einem Schub versah. Gleich einem kräftigem Herzschlag. Es musste vorerst ausreichen, die Schatten zu bändigen, war seine Mission noch nicht an ihrem Ziel angelangt. Er schaute darauf nach oben, um den Stand des Mondes zu prüfen, und atmete kurz erleichtert durch, war immer noch etwas Zeit übrig. Die Taubheit in seinen Fingerspitzen, sagte genug über seinen Zustand aus, als er schließlich nach Chénqíng griff und sich Bàng Hēi auf seinem Knie platzierte, wusste sie was in diesem Fall ihre Aufgabe war. Yi Ling spielte ein paar Töne die schwer und träge klangen, nichts was einem fein-geistigen Gehör Freude bereiten würde. Dennoch brauchte es geschulte Konzentration, wäre jede falsche Note ein loser Strang in dem Band das er mit dieser Melodie zu flechten begann. Sollte es eine Seele geben die noch hier verweilte, wäre es ihre Möglichkeit dieses Band zu ergreifen, um sich erkennbar zu machen. Bàng Hēi´s Augen gaben ein Glühen wieder, ein Zeichen das seine Melodie etwas eingefangen hatte. Allerdings schien es nicht nur eine Seele zu sein die daran zog. Sie gab ein kurzes Krähen von sich, bevor sie sich in die Lüfte schwang und kurzdarauf in die Schlucht tauchte. Ein Grollen drang aus der Kluft herauf und Yi Ling spürte die dunkle Energie die wie züngelnde Flammen nach oben griff. Es war nicht abwegig, das einige Leben in diesem Abgrund ihr Ende gefunden hatten. Aus welchen Gründen auch immer, doch schienen ein paar dieser Seelen derart von Zorn getrieben, das dieser wie eine Infektion in diesen Tiefen herangewachsen war. Sollte Kǎi Qīngsōng eine dieser blinden Seelen sein, wäre es aufwendig, wenn nicht gar unmöglich ihn herauszufiltern. Er hörte erneutes aber deutlich aggressiveres Krächzen von Bàng Hēi, als ihm plötzlich etwas seine Dízi aus den Händen riss. Sein erster Gedanke war, das eine der ungehaltenen Seelen es geschafft hatte sich hinaufzuziehen, doch landete nun Bàng Hēi auf seiner linken Schulter und krähte ein paar Mal, dass es ihn folglich etwas erleichtert zusammensinken ließ. „Kǎi Qīngsōng?“ Es war nicht im Stande eine Seele zu sehen, doch war es ihm durch Bàng Hēi als Medium möglich mit einer zu kommunizieren, war sie selbst ein spirituelles Wesen und er mit ihr auf solch einer Ebene verbunden. Er legte ihr eine Hand an das Gefieder und konzentrierte sich auf die übersinnliche Energie, bis er ihre Stimme vernehmen konnte. Sie war leise aber deutlich, was zeigte das sie bei genug Verstand geblieben war, trotz all der Jahre ihrer Gebundenheit an diesen Ort. Unter all diesen wütenden, anderen Seelen. „Sie kennen mich?“, fragte man ihn verwundert, mit einem Hauch Vorsicht versehen, konnte sich Yi Ling denken, dass es Kǎi Qīngsōng reichlich seltsam vorkommen musste, das eine ihm vollkommen fremde Person, sich die Mühe machte, nach ihm gesucht zu haben, obwohl er schon nicht mehr unter den Lebenden weilte. „Könnte man so sagen.“ Yi Ling nahm erst einmal seine Dízi wieder auf und fühlte die Erschöpfung abermals deutlicher nach ihm greifen. „Ihre Liebste; sie wartet noch immer auf sie. Ich habe ihr versprochen sie zu suchen, damit sie meinen Gefährten nicht den Kopf abreißt. Und das meine ich wortwörtlich.“ Yi Ling gab ein gequältes Schnaufen von sich, lief ihm die Zeit davon und auch die Kraft sich bei Bewusstsein zu halten. „Zhèliú Huā?“(Granantapfelblüte) Kǎi Qīngsōng klang melancholisch. „Als ich hier in den Tod fiel, war sie mein letzter Gedanke. Diese Brücke; ich hatte sie extra entworfen, um den Weg zu ihr so schnell wie möglich bestreiten zu können. Es schien jedoch, als habe das Schicksal es nicht gutheißen wollen. Jedoch bereue ich nicht mein Leben dafür gegeben zu haben, um ein anderes zu bewahren. Einzig das Wissen, das sie nie erfahren würde was mit mir geschah, ließ mich keine Ruhe finden.“ Es war nicht ungewöhnlich das ein Mensch kurz vor seinem Tod, einen letzten innigen Wünsch in sich aufkommen sah und dieses Bedürfnis ihn nicht weiterziehen ließ. Ebenso, dass solch eine Seele über dieses treibende Verlangen, dass sie sich nicht mehr erfüllen hatte können, dem Irrsinn erlag und zu einer nicht zu unterschätzenden Gefahr für die noch Lebenden werden konnte. Es war bemerkenswert das Kǎi Qīngsōng sich über all die Jahre dennoch nicht hatte von seinem Weg abbringen lassen, selbst wenn er wusste, das sein Wunsch sich nicht erfüllen würde. „Ich kann sie zu ihr bringen. Allerdings hätte es seinen Preis. Da auch ich eine gebundene Seele nicht einfach mit mir nehmen kann. Es sei denn ich kann auch das bewegen, woran sie gebunden ist.“ Es war leichter gesagt als getan, denn in manchen Fällen, war es schlicht nicht möglich, zum Beispiel wenn sich eine Seele an einem unbeweglichen Objekt festhielt. Wie ein Gebäude oder einen bestimmten Ort. Oder, eine Brücke… Was er nun tun konnte war, die Seele in ein vorübergehendes Transportobjekt zu platzieren, doch würde dies bedeuten, dass deren Existenz, fern von ihrem selbstgeschaffenen Hort, sich Stück für Stück auflöste. Lúnhuí (Reinkarnation) wäre somit unerreichbar für sie. Das alles ließ er Kǎi Qīngsōng wissen. Yi Ling mochte ein Narr sein, indem er mit seiner Ehrlichkeit auch die Wahrscheinlichkeit erhöhte, das man sich verweigerte. Dennoch, keine würdige Seele hatte es verdient derart heimtückisch in solch ein unwiderrufliches Ende hinein gelogen zu werden. „Der Anhänger…“ Yi Ling sah sich aus seinen Gedanken gezogen über diese Worte. „Anhänger?“ „Es war ein Geschenk von ihr, das ich immer bei mir trug. Mein Körper mag bereits verrottet sein, doch er befindet sich noch immer dort unten.“ Das war eine unerwartete Neuigkeit, doch nicht weniger erfreulich. „Zeigen sie meinem Freund hier wo er ist, dass er ihn zu mir bringen kann. Wir haben kaum noch Zeit übrig.“, teilte er Kǎi Qīngsōng mit, worauf Bàng Hēi mit einem Krähen seine Flügel aufspannte und abermals in der Schlucht verschwand. Es war ein aufreibendes Warten, doch nutzte Yi Ling die Möglichkeit sich seiner Verletzung anzunehmen, auch wenn er nichts weiter tun konnte, als etwas von der Paste aufzutragen, die Lìn Pòsuǒ ihm mitgegeben hatte, um die Blutung zu stillen. Er schaute auf die Pillen, von denen sie gemeint hatte, dass sie ihm einen kurzen, Energieschub ermöglichen würden, sollte er darauf angewiesen sein. Er hoffte, dass es ausreichen würde sie noch ein letztes Mal mit dem Talisman reisen zu lassen. Es mochte ein halbes Räucherstäbchen (ca. 30 min.) gebraucht haben, als er Bàng Hēi´s Flügelschlagen vernehmen konnte und zu ihr aufsah. Sie war zerzaust und schmutzig, als sie sich wieder auf seine Schulter setzte. Sie ließ etwas in seine offene Hand fallen die er ihr hinhielt, das auf den ersten Blick nichts weiter als ein Klumpen Erde hätte sein können, doch als er diese entfernte zeigte sich ein mattes Funkeln. Eingelassen in rötlich schimmernden Bernstein, befand sich ein Knospenpaar. Yi Ling spürte Kǎi Qīngsōng Essenz darin pulsieren. „In Ordnung.“, meinte er knapp und steckte sich den Anhänger ein. Die Pillen waren bitter und rutschten träge, doch spürte er den gewünschten Effekt ohne lange darauf warten zu müssen und machte sich innerlich die Notiz, Lìn Pòsuǒ ausreichend zu danken, sollten sie alles heil überstehen. Ein grünes Flackern umgab und verschluckte ihn, nachdem er den Talisman gebrauchte, der sie zurück zum Tempel brachte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)