The Year without Summer von Hopey (Sommerwichtel 2020) ================================================================================ Kapitel 1: One Step Closer -------------------------- °•●•° 》Columbia University《 „Hey, ich dachte, du lernst fürs Examen.“ Nojiko blickte von ihrem Zeichenblock auf, als ihre Mitbewohnerin - Claire Bennett - ins Zimmer gestürmt kam. „Ich brauchte eine Verschnaufpause und beim Zeichnen kann ich mich am besten entspannen. Etwas, was ich mir von meiner Schwester abgeschaut habe.“ Lachend sah sie zu Claire. „Schlaf wäre eine gute Alternative“, sagte Claire lächelnd. „Außerdem, wenn du dir nicht die halbe Nacht als Nanny um die Ohren gehauen hättest, müsstest du heute nicht so viel lernen.“ Nojiko seufzte, recht hatte Claire immerhin und das wusste sie selbst. „Peter brauchte jemanden zum Reden“, verteidigte sich Nojiko. „Er macht sich vor Angst in die Hosen, dass er durchs Examen fallen könnte und alle damit enttäuscht.“ „Dann sollte er lieber lernen und sich am Riemen reißen, anstatt sich an deiner Schulter auszuheulen wie ein kleines Mädchen.“ Claires Worte waren alles andere als freundlich und nett, jedoch die reine Wahrheit. Auch wenn sie vielleicht herzlos oder gemein klangen. Erneut verließ ein Seufzer Nojikos Lippen. Immerhin hatte selbst sie, am Abend zuvor, ein paar Mal die Geduld verloren. „Er ist es nun einmal gewohnt, mit jeder Art von Problemen zu mir zu kommen. Wir kennen uns schon, seit wir Kinder waren.“ „Und? Das ist noch lange kein Grund, schon gar nicht eine Entschuldigung“, warf Claire ihr an den Kopf. „Du bist einfach zu gutherzig, um ihn abzuweisen.“ „Bin ich nicht!“ In dem Moment klang sie wie ein kleines Kind, das sich rechtfertigen musste, obwohl Nojiko es eigentlich besser wusste. „Nur Menschen gegenüber, die dir am Herzen liegen. Immerhin hast du mir zum Beispiel schon ein paar Mal aus der Klemme geholfen“, erklärte Claire, „seit wir uns das Zimmer teilen.“ „Ach das, das war doch nichts Besonderes.“ „Für mich schon.“ Claire trat zu Nojiko, die auf ihrem Bett lag, und betrachtete die Zeichnung. „Himmel, er schon wieder!?“ Nojiko ignorierte ihre Bemerkung. „Wie war das Joggen? Bist du gut gelaufen?“ „Zwei Meilen mehr als sonst“, verkündete Claire Stolz und ließ sich auf ihr Bett fallen und begann ihre Joggingschuhe auszuziehen. „Du hättest wirklich mitkommen sollen. Alleine zulaufen macht nur halb so viel Spaß. Ich hätte deine Gesellschaft genossen, erst recht, wenn ich dich abhängen würde.“ Das helle Lachen von Claire erklang dabei. „Ich habe keine Zeit.“ Mit sieben energischen Strichen beendete Nojiko die Zeichnung. „Ich habe dir doch gesagt, ich muss für die Abschlussklausur in BWL lernen.“ „Hmmm stimmt. Das hast du gesagt“, Claire grinste vielsagend. „Stattdessen erwische ich dich dabei, wie du deinen Traumprinzen zeichnest.“ Nojiko klappte ihren Block zu. „Glaub mir, er ist kein Traumprinz.“ Eher eine verbotene Frucht, die man begehrte, aber nicht kriegte. „Ebenso wenig einer, den du deinen Eltern vorstellen würdest.“ „Hui, ein schwarzes Schaf also? Wie aufregend.“ Die Begeisterung war Claire deutlich anzuhören. „Nur in Seifenopern. Im richtigen Leben machen die nichts als Ärger.“ Claire konnte nicht anders als genervt die Augen zu verdrehen. „Mein Gott, du bist 22 und redest wie eine übersättigte Frau von Welt.“ „Ich bin nicht übersättigt“, verteidigte Nojiko sich. „Das sind nur Menschen, die nicht genug Fantasie besitzen, um ihr Leben interessant zu gestalten. Ich hingegen weiß den Unterschied zwischen reizvoll und mühselig“, stellte Nojiko klar. Claire winkte jedoch ab. „Ach, mit dieser Art von mühselig kann n ich leben. Erst recht, wenn sie so hübsch verpackt sind wie er. Der Typ sieht wirklich umwerfend aus.“ „Außerdem bin ich noch 21“, merkte Nojiko plötzlich an, als sie zu ihrem Tisch ging und ihre Bücher zusammensuchte. Claire fing an zu lachen. „Nur noch wenige Tage.“ Die junge Frau erhob sich und trat an ihren Kleiderschrank. „Außerdem machst du dir was vor, Süße. Und das weißt du.“ „Was meinst du?“, wollte Nojiko wissen und drehte sich zu ihr um. Von Claire ertönte jedoch ein Lachen, als sie vielsagend mit den Augenbrauen wackelte und in der Dusche verschwand. °•●•° 》Einige Tage später《 Für Ende Juli war es verhältnismäßig schwül. Trotzdem kam es in den letzten Tagen zu vermehrtem Platzregen, der sich durch trübe Wolken angekündigte und die Stimmung eines jeden sinken ließ. Abends ließ der Regen dann endlich nach, sodass sich in den Pfützen die Neonschilder der Stadt spiegelten. Nojiko und ihre Freunde saßen an jenem Abend in ihrer Stammkneipe, tranken, lachten und spielten Billard oder Dart. „Auf Nojiko“, rief Claire und hob ihr Glas an, um anzustoßen. „Auf, dass sie nun ebenfalls 22 ist“, fügte Abby amüsiert hinzu, wissend wie Nojiko die anderen stets korrigierte, wenn sie darauf hinweisen, dass sie 22 sei, obwohl das nicht stimmte. „Ihr seid unmöglich“, antwortete Nojiko und stieß lachend mit den beiden an. Sie freute sich, dass sie ihren Geburtstag mit ihren beiden Freundinnen verbringen konnte, nur die drei. Plötzlich klingelte Nojikos Handy. Sogleich ging sie ran, nur um kurz darauf zu seufzen. Sie spürte nicht nur, sondern sah die verwirrten Blicke ihrer Freundinnen. „Ich komme gleich“, antwortete Nojiko noch in ihr Telefon, ehe sie auflegte. „Wie, du kommst gleich?“, hakte Claire nach. „Peter, er ist … er braucht jetzt meine Hilfe“, sagte Nojiko ruhig, als sie sich ihre Jacke überwarf, nur um sich dann zu erheben. Claire verdrehte die Augen, während Abby sich zurückhielt. „Er soll endlich lernen, alleine zurechtzukommen und nicht immer dich um Hilfe bieten.“ „Und da ist sie wieder, Dr. Freud in persona“, kam es von Nojiko und sie sah zu Claire. „Ich weiß, und du hast recht. Aber Ryan meinte, dass er mich braucht. Tut mir …“ „Lass es, ich möchte keine Entschuldigung hören, nicht heute“, sagte Claire. Sie war einfach enttäuscht. Natürlich war es Nojikos Tag. Sie müsste diejenige sein, die enttäuscht wäre. Aber es war in jenem Moment Claire. „Claire …“ Nojiko war hin und hergerissen. Am liebsten würde sie Peter den Kopf abreißen, aber sie riss sich zusammen und zeigte nach außen hin nicht, was in ihr vor sich ging. „Kommst du wieder?“ Abby sah von einer Freundin zur anderen. Oft trat sie als Streitschlichterin auf, wenn Uneinigkeit herrschte, auch wenn sie in diesem Moment den Verdacht hegte, dass Nojiko Claire insgeheim zustimmte. „Bestimmt sogar, also wehe ihr seid dann betrunken, wenn ich wieder da bin.“ Lachend sah Nojiko ihre Freundinnen an. „Fahr vorsichtig“, fügte Claire noch hinzu und sah nur schwach zu Nojiko, die bereits ging und zum Abschied nur noch die Hand hochhob. Seit sie den Pub verlassen hatte, ließ Nojiko das Gefühl nicht los, dass ihr jemand folgte, selbst dann noch, als sie ihren Weg über den feuchten Asphalt fortsetzte. Vorsichtig spähte sie über ihre Schulter, doch sie sah niemanden. Niemand, der verdächtig wirkte. Sie erkannte ein paar junge Männer, vielleicht Studenten, die sich bestimmt einen netten Abend machen wollten, lachten und schlenderten durch die Straßen New Yorks und beäugten dabei eine junge Frau, die eben in einen Bus stieg. In der Nähe eines Clubs erkannte sie eine Schar Frauen und es wirkte, als ob sie feierten. Einen Junggesellenabschied oder Sonstiges, vielleicht? Denn ihre Kleidung wirkte ziemlich albern. Ansonsten war da niemand. Kein Mensch, der den Anschein erweckte, dass er sich für sie interessierte. Wahrscheinlich wurde sie inzwischen paranoid. Doch das glaubte sie nicht. Sie vertraute ihren Instinkten, denn noch nie hatten sie sie im Stich gelassen. Nojiko war sich sicher, jemand war ihr gefolgt. Doch wer? Sie versuchte ihr pochendes Herz und sich selbst zu beruhigen. Immerhin konnte es irgendjemand gewesen sein. In dieser Gegend gab es jede Menge Kneipen, den einen oder anderen Club und Cafés, Diners und Ähnlichem. Vielleicht hatte jemand bemerkt, dass sie alleine war und kurz überlegt, ob sie als Betthäschen in Frage käme und dann aber das Interesse verloren. Nojiko warf einen Blick auf die Neonreklame vor sich: Leprechaun’s Nugget. Auf dem großen Fenster sah man ein Bild von einem grün gekleideten Kobold mit einem Stock in der einen Hand und einem Goldnugget in der anderen. „Typisch Ryan“, dachte sie sich. Ryan kannte vermutlich jede irische Lokalität in New York City. Anderseits traute sie das auch Peter zu. Wenn er sich besaufen wollte, dann war es ihm wohl egal wo. Denn mehr Fantasie für eine Lokalität war zu viel verlangt. Selbst unter normalen Umständen wäre Peter weder wählerisch noch kritisch. Ihm wäre es egal, wie das Lokal dabei heißen würde. Und anscheinend war er zurzeit derart in Panik, dass er einfach in jede Kneipe gehen würde. Hauptsache, es gab mehr als genug Bier. Normalerweise würde Nojiko ihn einfach seine eigenen Fehler machen und daraus lernen lassen. Aber sie hatte es Charlene versprochen, sich ein bisschen um Peter zu kümmern, etwas auf ihn acht zu geben. Ein Auge auf den jungen Mann zu haben, damit er nichts Dummes anstellte. Als Nojiko die Türe öffnete, schlugen ihr die dicke Luft und der Lärm der gut gefüllten Kneipe entgegen. Sofort ließ sie ihren Blick durch die Kneipe schweifen, bis sie Peter und seinen Zimmergenossen Ryan entdeckte. Sie saßen an einem Tisch im hinteren Teil des Raumes. Nojiko musterte die beiden aus der Entfernung. Ryan wirkte dabei noch nüchtern, während Peter scheinbar mit mühen, noch aufrecht sitzen konnte. Sie konnte ein seufzen nicht unterdrücken, als sie sich schließlich in Bewegung setzte. „N'abend Nojiko”, kam es von Ryan und er erhob sich schließlich. „Was für eine Überraschung. Ich dachte, du bist heute beschäftigt?” „Bin ich auch”, war ihre Antwort. Nojiko sah kurz zu Ryan, denn eigentlich war das keine Überraschung gewesen, dass sie so plötzlich hier war, immerhin hatte er sie angerufen. Doch sie spielte das Spiel der zufälligen Begegnung mit. Nojiko konnte immerhin verstehen, warum er das tat. Ryan wollte die Freundschaft zu Peter durch solch eine Aktion nicht gefährden und das war okay, wie sie fand. Auf sie wirkte Ryan so, als ob er besorgt um Peter sei, deswegen der Anruf und die Bitte herzukommen. „Da Peter sich zum Idioten macht, blieb mir keine andere Wahl, als alles liegen zu lassen und hier vorbei zu schauen.“ Nojiko sah von Ryan zu Peter. „Komm schon Pet, verschwinden wir von hier.“ Peter schaute Nojiko mit trüben Augen an. „Das geht nicht, ich bin noch immer nüchtern genug, um zu denken.“ „Das zweifle ich an, dass du noch bei Verstand bist“, äußerte Nojiko kritisch und wandte sich an Ryan: „Bezahlst du die Rechnung, bitte? Wir warten draußen vor der Tür auf dich.“ „Ich gehe nirgendwohin“, protestierte Peter sogleich. „Hier geht es mir gut. Außerdem hat Ryan gedroht, alberne und seltsame Laute von sich zugeben, sollte ich noch mehr trinken und bestellen. Zum Beispiel wie ein wildgewordener Hahn zu Krähen mit einem roten Feuerschopf …“ Dabei spielte Peter auf die Haarfarbe von Ryan an. Ryan hob darauf die Augenbraue, als er merkte, wie Peter zu übertreiben begann und schüttelte den Kopf, um Nojiko zu signalisieren, dass es so ein Gespräch in der Richtung nicht wirklich gab. „Es tut mir leid, dass ich dir den Abend ruiniere und dir das zumute“, sagte Ryan an Nojiko gerichtet. „Aber er will partout nicht auf mich hören. Und du warst meine letzte Hoffnung.“ „Schon okay, ich bin das gewohnt“, beruhigte Nojiko Ryan, damit er sich keine unnötigen Vorwürfe deswegen machte. „Nimm ihn nicht so hart ran, er ist völlig mit den Nerven am Ende.“ Ryan erhob sich und ging schließlich los zum Tresen. „Ich zahle mal.“ „Bist du sauer auf mich?“, fragte Peter missmutig. „Bitte sei nicht sauer, Nojiko.“ „Natürlich bin ich sauer auf …“, entnervt sah sie zu Peter, brachte es jedoch nicht fertig, den Satz zu Ende zu sprechen, da dieser sie wie ein begossener Pudel ansah. „Pet, warum tust du dir das an?“ „Du bist sauer auf mich und enttäuscht“, nuschelte Peter und vermied es, auf ihre Frage einzugehen. Nojiko unterdrückte einen Seufzer. „Hör mal, ich bin nicht enttäuscht von dir. Ich weiß, dass du das alles wieder hinkriegst. Aber ich sorge mich“, versuchte Nojiko ihm zu erklären. „Na los, lass uns irgendwohin gehen, wo wir reden können.“ „Wir können hier reden“, antwortete Peter. „Ich gebe dir einen aus.“ Nojiko versuchte, die aufkeimende Wut zu unterdrücken. „Pet, ich …“, sie wusste, das es keinen Sinn hatte. Stattdessen holte sie tief Luft. „Los, aufstehen.“ Nojiko nahm die kommentierende Rolle ein, die keine Widerworte duldete, als sie ihn am Arm packte. „Sofort, ansonsten trage ich dich hier raus. Du weißt genau, dass ich das schaffe. Also?“ Entsetzt starte Peter Nojiko an. „Das würdest du mir nicht antun. Die würden mich auslachen und ich wäre für immer die Lachnummer in den sozialen Medien.“ „Ist mir so was von scheißegal, ob sie dich auslachen.“ Ihre Worte klangen hart, aber sie wusste, dass es Wirkung zeigen würde. Nojiko schob Peter aus der Kneipe. Erleichtert atmete sie die frische Luft ein, die ihr entgegenschlug. Erst jetzt würde ihr bewusst, wie stickig es im Pub gewesen war. Kurz nach den beiden trat auch Ryan ins Freie und nahm einen tiefen Atemzug, als er zu den beiden blickte. „Wo steht sein Auto? Oder bist du gefahren?“, erfragte Nojiko sogleich, kaum dass sie Ryan sah, während sie Peter zu stützen versuchte. Auf Letzteres schüttelte Ryan den Kopf. „Gleich um die Ecke in der Seitenstraße. Vor dem Pub gab es keine freien Plätze mehr“, erklärte Ryan ihr. „Brauchst du Hilfe?“ „Danke, aber solange er laufen kann, wird es schon gehen“, antwortete Nojiko mürrisch und wäre am liebsten woanders, als sein Kindermädchen zu mimen. „Hast du ihm die Autoschlüssel abgenommen?“ „Was wäre ich sonst für ein Freund?“, wollte er spitzbübisch grinsend wissen, als er aus seiner Hosentasche die Schlüssel herausholte. Nojiko griff danach. Sie beschloss, auch wenn die beiden sich ein Zimmer teilten, ihn selbst zum Wohnheim zurückzufahren. So hätte sie noch die Gelegenheit, ihm ordentlich den Kopf zu waschen, auch wenn er sich nicht an viel erinnern würde. Aber so könnte sie morgen erneut ansetzen, sollte er wirklich einen Blackout haben. „Soll ich dein Auto zum Campus fahren?“, fragte Ryan und bemerkte, dass die beiden noch reden mussten, wohl eher Nojiko als Peter. Nojiko nickte, als sie mit der freien Hand nach ihren Schlüsseln fischte. „Das wäre nett“, antwortete sie ihm. „Mein Auto steht drei Straßen weiter, es ist ein roter Audi.“ „Ryan, wusstest du, dass Nojiko mehrere Jobs gleichzeitig gemacht hatte, um sich das Auto leisten zu können“, kam es von Peter kopfschüttelnd. Nojiko seufzte genervt, warum mussten Betrunkene auch so anstrengend sein? „Na los.“ Nojiko zog Peter am Arm und nickte Ryan zum Abschied zu, als sich die Wege der kleinen Gruppe trennten. Dabei ertönte auch von Ryan ein ‚bis gleich‘. „Klasse Nojiko …“, maulte Peter los, als Ryan außer Sicht- und Hörweite war. „Ach, halt doch die Klappe Peter“, fuhr Nojiko ihm dazwischen. „Ich lasse mir nicht die Schuld in die Schuhe schieben, nur weil du es nicht auf die Reihe kriegst. Du weißt, ich helfe gerne, wo ich kann, aber die Verantwortung für dein Leben trägst du allein. Sonst niemand“, stellte Nojiko klar. Peter seufzte. „Ich weiß.“ Er wusste, das Nojiko recht hatte und trotzdem verfiel er vor den Prüfungen immer in denselben Trott. Nojiko musterte ihn skeptisch, sie zweifelte daran, dass er das wusste oder eher sich daran erinnern würde. Trotzdem ließ sie das erst einmal so stehen, als sie in eine schlecht beleuchtete Seitenstraße traten. Sie entriegelt das Auto per Kopfdruck, was ihr gleichzeitig symbolisierte, wo genau das Auto stand. Denn so ganz traute sie den Instruktionen von Peter nicht. Technischer Fortschritt hatte definitiv etwas für sich. „Einsteigen, junger Mann“, befahl Nojiko ihm, als sie die Beifahrertür öffnete, Peter zu ihr torkelte und allem Anschein bereit war, Widerworte zu leisten. Doch Peter hatte keine Gelegenheit zu antworten, als eine schattenhafte Gestalt aus einem dunklen Spalt heraussprang, bereit anzugreifen. Instinktiv schob Nojiko Peter von sich, nur um sich daraufhin wegzuducken. Plötzlich durchzog sie ein Schmerz. Der Angreifer hatte einen gezielten, schmerzhaften Schlag gegen ihre rechte Schulter gesetzt, nicht gegen ihren Kopf, um sie k.o. zu schlagen. Reflexartig fuhr sie herum und trat ihrem Angreifer gegen den Bauch. Nojiko vernahm einen seltsamen laut, der einem Grunzen glich, ehe ihre Augen sahen, wie er kurz zusammenzuckte. Diesen Moment der Unaufmerksamkeit nutzte sie, um ihm in die Weichteile zu treten. Sofort vernahm sie einen schmerzhaften Aufschrei. „Du Arsch!“, rief sie wütend aus, Nojiko wusste sich zu wehren, als sie auf ihn zuging. „Was glaubst du …“ Ein ohrenbetäubendes Geräusch ertönte, welches an ihrem linken Ohr vorbei zischte. Erschrocken weiteten sich ihre Augen, ihr Puls fing an zu rasen. Wie konnte ihr entgehen, dass er eine Pistole hatte? Ihre Gedankengänge, ihre Starre wurden von dem Aufschrei Peters unterbrochen. Halt! Da stimmte etwas nicht. Der Mann vor ihr krümmte sich noch immer vor Schmerzen auf dem Asphalt. Er konnte es gar nicht gewesen sein. Somit musste er einen Partner haben, der den Schuss abfeuerte. Aus dem Augenwinkel bekam sie mit, wie Peter auf die Knie sank. Nojiko hatte keine Zeit, sie musste hier sofort verschwinden. Sofort schob sie Peter ins Auto, als sie eilig darum herumlief, als sie erneut einen Schuss hörte. „Bring sie nicht um, du Trottel! Wir brauchen sie lebend“, vernahmen ihre Ohren von dem krächzenden Mann, der sich langsam wieder aufrichtete. Nojiko dachte nicht lange nach, sie hatte dafür keine Zeit, sie musste hier weg. Sofort! „Ich will keine Zeugen“, sagte der zweite Unbekannte. „Der Jungen ist bestimmt schon tot.“ Das musste Nojiko verhindern, als sie ins Auto sprang und sich wegduckte, während sich eine weitere Kugel durch die Windschutzscheibe bohrte. Mit quietschenden Reifen sauste sie davon. So schnell sie konnte. Hoffend, dass ihr niemand mehr folgte. „Nojiko …“, kraftlos hörte sich die Stimme von Peter an, gefolgt von einem Husten. Als Nojiko einen Blick auf Peter warf, blieb ihr fast das Herz stehen. Seine Brust war blutüberströmt. „Alles gut … ich fahre so schnell ich kann … ich …“ Selbst ihr fehlten gerade die richtigen Worte. „Ich … will nicht … sterben“, sagte Peter röchelnd. „Ich fahre zum nächsten Krankenhaus. Keine Sorge“, versuchte Nojiko ihm die Angst zu nehmen und schluckte ihre eigene herunter. „Ich habe Angst“, teilte er ihr mit schwacher Stimme mit. „Ich nicht“, log Nojiko. Sie hatte schreckliche Angst und vor allem war sie besorgt, aber sie durfte sich nichts anmerken lassen. Nicht, dass beide dadurch in Panik geraten würden. „Du schaffst das, hörst du?“ „Warum? …. Wollten Sie Geld? Du hättest ihnen das Geld geben sollen“, flüsterte Peter, dem es immer schwerer fiel, bei Bewusstsein zu bleiben. „Sie haben nicht danach gefragt“, antwortete Nojiko und schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter. Sie durfte jetzt nicht weinen. Sie musste Peter ins Krankenhaus bringen. „Halt durch!“ „Ms. Kojima?“ Als Nojiko hörte, wie sie angesprochen wurde, sah sie sofort auf. War das ein Arzt? Nein, er war nicht wie einer gekleidet. Sondern trug einen dunklen Anzug. Es war ein großer Mann mit gräulichen Haaren, definitiv über 40 – doch genauer konnte sie es nicht sagen. Er stand einfach nur da, an der Tür zum Wartezimmer. Irgendwie kam er ihr bekannt vor, doch konnte Nojiko beim besten Willen den Mann nicht zuordnen – warum nur? „Wie geht es ihm?”, wollte sie stattdessen wissen, auch wenn sie daran zweifelte, dass es sich bei diesem Mann um einen Arzt handelte. „Tut mir leid. Ich bin kein Arzt”, sagte er, auch wenn sie es bereits vermutete. „Ich bin Special Agent Ben Beckman”, stellte sich der Mann ihr vor. „Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.” Special Agent? Warum das? Nojiko verstand gar nichts mehr. Gleichzeitig fragte sie sich, zu welcher der Abteilungen und Behörden er genau gehörte. Doch war das so relevant? Langsam fingen ihre Zahnrädchen an zu arbeiten, doch noch immer kam sie auf keinen grünen Zweig - warum er ihr bekannt vorkam, sowie eine wage Erinnerung an seinen Namen. „Später”, warf Nojiko knapp ein. Sie hatte anderes zu tun und die Fragen satt - für diesen Moment. Gleichzeitig wünschte sie sich, dass das Zittern endlich ein Ende nehmen würde. Gott, die Angst um Peter saß tief bis ins Mark. „Ich warte auf …“ „Die Ärzte kümmern sich gut um Ihren Freund. Es ist immerhin eine komplizierte Operation”, unterbrach Ben sie. „Somit wird es noch eine Weile dauern, bis jemand herkommt, um Ihnen vielleicht Informationen preiszugeben.” Denn eigentlich durften das die Ärzte nicht, immerhin war sie kein Familienmitglied, wie Ben wusste, aber dazu sagte er nichts. „Das hat man mir auch gesagt”, erwiderte Nojiko, bissiger als beabsichtigt. „Aber er ist schon seit Stunden im OP. Verdammt noch mal, seit sie ihn da reingefahren haben, redet keiner ein Wort mit mir. Ich will doch nur wissen, wie es ihm geht”, fluchte Nojiko lauter, als sie wollte. Die Besorgnis war ihr deutlich anzusehen. „Das Personal hat alle Hände voll zu tun”, sagte der Agent und deutete dabei in Richtung der Gänge und der Notaufnahme, während er auf sie zukam. „Ich fürchte, wir brauchen eine Aussage von Ihnen. Ms. Kojima. Sie haben jemanden ins Krankenhaus gebracht, der eine Schusswunde erlitten hat, wir müssen herausfinden, wer es war, was passiert ist. Je länger wir warten, umso größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass die Täter davonkommen.” „Zu welcher Behörde gehören sie noch mal?”, hakte Nojiko auf einmal nach. „FBI”, antwortete Ben ihr ruhig und musterte sie genau. „Was will das FBI von mir? Wir reden doch hier immer noch von einem gewöhnlichen Raubüberfall?”, wollte Nojiko wissen. „Außerdem habe ich dem Detective, der am Anfang hier war, bereits alles gesagt.” Ben ging jedoch auf ihre Frage nicht wirklich ein, sondern wich dieser geschickt aus. „Der Fall wurde uns übertragen. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.” Sein Vorgesetzter hatte persönliches Interesse an dem Fall, deswegen war er hier. Deswegen wurde der Fall ihnen übertragen. Wer sagte zu dem FBI auch schon nein? Die Polizei war vermutlich sogar erleichtert, einen Fall weniger am Hals zu haben. „Erzählen Sie es mir noch einmal”, bat Ben Nojiko. „Sie haben ausgesagt, dass es sich Ihrer Meinung nach nicht um einen Raubüberfall gehandelt hatte? Wie kommen Sie drauf?” Zur Bestätigung nickte Nojiko – auch wenn ihr die Antwort mit dem Fall suspekt vorkam. „Jedenfalls wollten die kein Geld von mir. Sie wollten … keine Ahnung, was sie wollten. Einer sagte so etwas wie: Tot nutzt uns das Mädchen nichts.” „Vergewaltigung?” „Keine Ahnung.” Nojiko zuckte mit den Schultern. Skeptisch sah Ben zu ihr. „Wollten die Männer Sie vielleicht entführen? Sind Ihre Eltern wohlhabend?” Ben versuchte, seine Tarnung so gut es ging, aufrecht zu erhalten und stellte entsprechend viele Standardfragen – selbst wenn er auf einige bereits die Antwort kannte. Zögernd schüttelte Nojiko den Kopf. „Kommt drauf an, wie man Eltern definiert.” Sie sah zu ihm, wartete kurz, ehe sie fortsetzte. „Ich bin eine Vollwaise. Als ich noch ein Kleinkind war, wurde ich von Bellemere Kojima adoptiert“, erklärte sie ihm knapp. „Vor einigen Jahren gründete ich das Unternehmen Bell-mère's. Das ist ein Unternehmen, das sich einzig und allein mit den Orangen von unserer Plantage beschäftigt und weiterverarbeitet. Und Bellemere ist der COO der Firma.“ So unterzog sich Nojiko weiteren Fragen. Auf sie wirkte es eher wie ein Verhör, während sie den Agenten immer wieder darum bat, sich doch bei der Schwester zu erkundigen, die sie nicht nur wie eine Fremde behandelten, sondern auch noch wie ein Kind. Ihre Orangen hatten die Kojimas schon immer auf dem Wochenmarkt verkauft, allerdings jedoch mit nur mäßigem Erfolg, bis Nojiko irgendwann die zündende Idee kam, ihr Verkaufsgebiet durch gutes Marketing und Werbemaßnahmen zu erweitern. „Charlene sieht furchtbar aus“, dachte sich Nojiko, als sie Peters Mutter erblickte, die das Wartezimmer betrat, gefolgt von Bellemere und Genzo. Sie war überrascht die beiden zu sehen, und doch war sie erleichtert darüber. Vertraute Gesichter, Gesichter, die ihr Schutz und Sicherheit gaben. Doch sie gab sich dem Gefühl nicht ganz hin, als sie erneut zu Charlene blickte. Diese wirkte noch blasser als in den Monaten zu vor, als Nojiko sie sah. „Ich verstehe das nicht“, kam es von Charlene, die Nojiko vorwurfsvoll ansah. „Was ist denn passiert?“ „Ich habe dir doch erklärt, was passiert ist“, sagte Bellemere sanft und legte eine Hand auf den Arm von Charlene. „Aber sie muss mehr wissen. Sie war doch dabei.“ Charlene wollte noch nicht einmal den Namen von Nojiko aussprechen. „Was zum Teufel hast du überhaupt mit MEINEM Sohn in der dunklen Seitenstraße zu suchen, hinter einer schäbigen Kneipe? Ich habe dir mehr Verstand zugetraut. Du solltest doch wissen, dass sich in solchen Gegenden alle möglichen Drogensüchtigen und Verbrecher herumtreiben!“ „Beruhige dich, Charlene“, sagte Bellemere und versuchte es weiter, sie zu besänftigen, während Nojiko kein Wort herausbrachte. „Nojiko kann dir das bestimmt erklären. Es ist schließlich nicht ihre Schuld, dass …“ „ES IST MIR EGAL, WER SCHULD HAT“, schrie Charlene plötzlich aufgebracht. „Ich will Antworten.“ Tränen liefen ihr über die eingefallenen Wangen. „Und sie hat mir versprochen, dass sie …“ „Ich habe es versucht“, mischte sich nun Nojiko ein, ihre Hände ballten sich zu Fäusten. „Ich konnte doch nicht wissen … Ich dachte, ich habe das Richtige getan, Charlene.“ „Er ist doch noch ein Junge, unreif, unerfahren“, schluchzte Charlene los. „MEIN Junge. Das hätte ihm nicht passieren sollen, nicht passieren dürfen. Das hätte uns nicht passieren sollen.“ „Ich weiß …“, erwiderte Nojiko mit zittriger Stimme. „Ich liebe ihn doch auch. Er ist für mich wie ein kleiner Bruder. Ich habe versucht, mich um ihn zu kümmern.“ „DU hast dich um ihn gekümmert“, es war Genzo, der sich nun einmischte, zum ersten Mal. „Charlene ist verzweifelt. Sonst würde sie sich bestimmt daran erinnern, wie oft du Peter aus der Patsche geholfen hast.“ „Du redest, als wäre er ein schlechter Junge“, warf Charlene ein. „Er benutzt vielleicht nicht immer seinen Kopf, aber so sind Jungs nun mal …“ „Er ist ein wunderbarer junger Mann.“ Nojiko trat auf Charlene zu. Am liebsten hätte sie Charlene in den Arm genommen und getröstet, aber Charlene wurde plötzlich ganz steif, weshalb Nojiko ihr Vorhaben bleiben ließ. Als der Arzt das Wartezimmer mit einem ernsten Gesichtsausdruck betrat, wurde es plötzlich ganz leise. Auch der Agent, der sich zurückgezogen hatte, zum Telefonieren, sah auf. Dabei fiel Nojiko auf, dass das Gesicht von Doktor Strange nicht nur ernst war, sondern auch Trauer und Mitgefühl zierte. „Nein, das darf nicht wahr sein“, schoss es Nojiko sofort durch den Kopf. „Es tut mir leid“, sagte der Arzt, als er vor der kleinen Gruppe zu stehen kam. „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie …“ Der Arzt kam gar nicht dazu, den Satz auszusprechen, als Charlene zu schreien anfing. Ben Beckman verließ das Krankenhaus und holte erneut sein Handy hervor, als er die Nummer des Teamleiters wählte. „Er ist tot, Shanks“, sagte Ben sogleich, ohne Umschweife. „Der Junge ist auf dem OP-Tisch noch verstorben.“ „Verdammt“, hörte Ben Shanks fluchen, denn in einer ohnehin schwierigen Situation war nun das Schlimmste eingetroffen. „Wann?“ „Vor einer halben Stunde.“ Erneut fluchte Shanks vor sich hin. „Wer ist bei ihr?“ „Ihre Stiefmutter und der Sheriff, sie trafen ein, kurz bevor der Kleine verstarb. Die Mutter ist zusammengebrochen“, berichtete Ben ihm schließlich. „Verstehe“, antwortete Shanks. Während ihm durch den Kopf schoss: Dann hat sie wenigstens Beistand und Schutz. „Weißt du, wann die Beerdigung ist?“, wollte Shanks sogleich wissen. „Es ist gerade erst passiert“, erinnerte Ben ihn. „Finde raus, wann die Beerdigung ist.“ „Willst du daran teilnehmen?“, hinterfragte Ben sogleich. „Weiß ich noch nicht“, antwortete Shanks ehrlich. Darauf ging Ben nicht weiter ein. „Soll ich zurückkommen?“ „Nein! Bleib, wo du bist, und behalte sie aus der Ferne im Auge. Nojiko ist jetzt mehr denn je in Gefahr.“ „Glaubst du, dass Runeard dahintersteckt?“ „Sieht ganz so aus. Wäre sonst ein ziemlich großer Zufall gewesen. Sie waren hinter Nojiko her, der Junge war ein Kollateralschaden, weil er ihnen in die Quere kam“, teilte er seine Theorie mit Ben. „Traurige Sache“, sagte Ben bedrückt. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mir tut, dass ich das nicht verhindern konnte, dass ich nicht rechtzeitig da sein konnte. Ich habe damit einfach nicht gerechnet. Es ging alles so schnell. Sie ist mit dem Kleinen in der Seitenstraße verschwunden und ehe ich mich versah, raste der Wagen an mir vorbei.“ Immerhin beschatte er Nojiko schon einige Tage. „Es ist nicht deine Schuld, Ben“, stellte Shanks gleich klar. „Wir waren uns ja noch nicht mal sicher, ob Runeard sie wirklich im Visier hatte. Und du hattest die ganze Zeit nichts Verdächtiges bemerkt gehabt.“ „Es ist eine traurige Angelegenheit, Shanks“, erwiderte Ben in den Hörer. „Das Leben ist kostbar und er war noch jung. Hatte das ganze Leben vor sich.“ „Genau wie Nojiko. Ich will nicht, dass Runeard sie in die Finger kriegt. Also pass auf sie auf“, sagte Shanks ernst. Der um ihre Sicherheit besorgt war. „Du weißt, dass ich das tue. Falls sich die Situation jedoch zuspitzt, weiß ich nicht, ob ich gegen einen Typen wie Runeard eine Chance habe.“ Er schätzte seine Chancen realistisch ein. Immerhin war er alleine hier. „Du solltest Yasopp schicken oder selbst nachkommen.“ „Yasopp ist mit Lucky in Miami wegen einem Fall. Sie können erst später dazustoßen“, klärte Shanks Ben auf. „Dann bleibt dir wohl keine andere Wahl oder?“ °•●•° 》Drei Tage später | die Beerdigung《 „Ich hasse Beerdigungen“, dachte sich Nojiko benommen, als sie auf den Sarg hinunterblickte. Wer auch immer glaubte, dass solch eine Veranstaltung eine Art Katharsis war, musste einfach verrückt gewesen sein. Denn alles, was sie empfand, war Trauer und Schmerz. Sowie Schuld an diesem Desaster, weil sie ihn nicht retten konnte. Und das Ritual verschaffte ihr nicht einmal ansatzweise die erhoffte Linderung. Sondern führte ihr nur vor Augen, wie sehr sie versagt hatte. In den letzten drei Tagen hatte sie innerlich die Fünf Phasen der Trauer durchgenommen. Ob das erfolgreich war, sei nun dahingestellt. Jedenfalls hatte sie sich von Peter verabschiedet. Hier, bei diesem unnötigen Theater, war sie nur Charlene zuliebe. Charlene wirkte so, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen. So, als würde sie nichts und niemanden um sich herum wahrnehmen. Bellemere stand neben ihr, gab ihr Halt und Trost – und selbst das realisierte Charlene vermutlich nicht. Nojiko stand neben Genzo als sie ihren Blick weiter schweifen ließ. Mehrere von Peters Freunden standen um das Grab herum. Einige von ihnen erkannte Nojiko, hatte jedoch nicht zu jedem einen Namen parat. Selbst ihre Zimmergenossin Claire war angereist, um an der Beerdigung teilzunehmen. Und sie wirkte so ernst, das kannte sie von ihr gar nicht. Und trotzdem, es war schön, dass sie hier war. Ihr fiel auf, dass es nur noch wenige Minuten waren, und dann konnte sie diesen schrecklichen Ort endlich verlassen. Aber diese wenigen Minuten wirkten wie eine halbe Ewigkeit und schienen kaum zu verstreichen. Als es endlich vorbei war, verspürte Nojiko so was wie Erleichterung, als sie an das Grab trat und eine weiße Rose auf den Sarg warf, der herabgesenkt wurde. „Kann ich irgendwas für dich tun?“, wollte Claire wissen, die schließlich zu Nojiko trat, die sich gerade vom Grab abwandte. „Ich muss zwar zurück an die Uni, aber wenn du mich brauchst, dann mach ich blau.“ Nojiko schüttelte den Kopf. „Fahr ruhig, Claire. Ich komme schon zurecht“, versicherte Nojiko ihr und scheiterte kläglich an einem Lächeln. „Wir sehen uns dann übermorgen.“ Claire verzog das Gesicht. „Was habe ich von dir auch erwartet? Ich hätte es mir eigentlich denken können“, bei diesen Worten sah Nojiko verwirrt ihre Freundin an. „Wenn ich mal in der Klemme stecke, bist du sofort zur Stelle, aber Gott bewahre, dass du dir helfen lässt, wenn ich mal versuche, dir einen Gefallen zu tun. Denn du brauchst scheinbar ja niemanden. Ist dir eigentlich schon mal in den Sinn gekommen, dass es mich freuen würde, dir zu helfen, dir beizustehen?“ „Du ahnst gar nicht, wie sehr du mir eigentlich hilfst, wie viel du mir bereits gegeben hast“, erwiderte Nojiko ruhig und schaffte tatsächlich den Ansatz eines Lächeln. Schwach, aber sie lächelte ihre Freundin an. In einem kleinen Gespräch erläuterte Nojiko ihr, wie sehr Claire ihr immer schon zur Seite gestanden habe und wie sehr Nojiko die Unterstützung ihrer Freundin zu schätzen wusste. Als sich beide schließlich mit einer Umarmung verabschiedeten, da Clair bereits drohte, in Tränen auszubrechen, schwor sich Nojiko, nicht noch einmal diesen Fehler zu begehen, einem Freund nicht gesagt zu haben, wie wichtig er für sie war. „Nojiko.“ Ryan trat, nachdem Claire gegangen war, an sie heran „Es tut mir leid, dass ich noch nicht dazu kam, mit dir zu sprechen, aber ich wollte … ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich es bedauere. Ich hoffe, du gibst mir nicht die Schuld an dem …“ „Ich gebe niemanden die Schuld“, unterbrach Nojiko ihn sofort. „Nur den Scheißkerlen, die Peter erschossen haben. Wie hättest du auch ahnen können, dass so etwas passieren könnte.“ Ryan nickte. „Stimmt. Trotzdem, ich … gebe mir die Schuld daran, wenn ich euch nicht alleine gelassen hätte … Ich habe Peter gemocht … Ich habe das nie gewollt.“ Er wandte sich ab und ging, vorher drückte er nochmals sein Bedauern aus. Nojiko blickte Ryan hinterher. Auf sie wirkte er ziemlich betroffen, so betroffen, dass er die Fassade, die er um sich aufgebaut hatte, einfach fallen ließ. Gleichzeitig fragte sie sich, ob Peter und Ryan enger befreundet waren, als ihr aufgefallen war. Oder Ryan hatte Schuldgefühle – so wie sie – weil er nicht da war, als Peter ihn gebraucht hätte. „Komm.“ Genzo trat zu Nojiko und nahm ihren Arm. „Ich bringe dich nach Hause.“ „Okay“, murmelte Nojiko. Nur um ihm nächsten Moment den Kopf zu schütteln. „Nein, ich muss zum Flughafen. Ich werde mich noch verabschieden und dann fliege ich zurück zur Columbia. Ich muss dort unbedingt etwas erledigen.“ „Nojiko“, kam es von Genzo seufzend. „Nimm dir doch ein paar Tage frei. Du brauchst dringend …“ „Du verstehst es nicht. Ich kann nicht, und es ist sehr wichtig“, erklärte Nojiko ihm. „Ich komme zurecht, ich verspreche es dir.“ „Von wegen. Ich sehe dir doch an, dass es dir nicht gut geht. Hör zu, Charlene ist völlig verzweifelt. Aber sie gibt dir nicht wirklich die Schuld daran“, versicherte Genzo ihr. „Das wäre doch vollkommen absurd.“ „Falsch. Sie gibt mir die Schuld an allem“, erwiderte Nojiko traurig. „Im Moment gibt sie jedem die Schuld, mir, den Ärzten, Gott – einfach jedem. Natürlich weiß ich, dass sie mir damit nicht wehtun will. Sie kann auch nichts dafür. Immerhin steht ihre Welt jetzt auf dem Kopf. Ihr müsst sie trösten, Genzo. Und deswegen ist es auch besser, wenn ich früher abreise und nicht mit heimgehe.“ „Charlene nicht die Einzige, die Trost braucht“, murmelte Genzo. „Du brauchst uns schließlich auch.“ „Ich habe euch doch. Ihr seid immer bei mir.“ Erneut rang sie sich um ein lächeln. „Dafür müsst ihr nicht im selben Raum sein wie ich oder meine Hand halten. Tut das für Charlene, ich glaube, sie braucht das. Und ich verspreche, ich rufe an, sobald ich da bin“, garantierte Nojiko. °•●•° 》Stunden Später | Columbia University《 Nojiko parkte vor dem Studentenwohnheim und sprang förmlich aus dem Wagen. Sie wollte in das Zimmer von Ryan und Peter gelangen. Irgendwie hatte sie auf einmal so ein komisches Gefühl, und sie konnte sich nicht erklären, woher es kam. Gleichzeitig dachte sie sich, dass es nicht allzu schwer sein konnte, immerhin waren es gemischte Wohnheime. Sie war häufig bei Peter gewesen, um ihn zu besuchen, und sollte das Sicherheitspersonal Ärger machen, dann würde sie einen anderen Weg finden. Während sie die Treppen hinaufsprintete, wurden ihre Gedankengänge unterbrochen, als sie angesprochen wurde. „Nojiko.“ Sofort erstarrte Nojiko. Sie stand da, konnte sich nicht rühren. Ihre Fantasie spielte ihr bestimmt einen Streich und ging mit ihr durch. Das konnte er doch nicht sein. Langsam drehte sie sich um. Shanks! Er trug Zivilkleidung und sah dabei unbeschreiblich gut aus. Er sah genauso attraktiv aus wie in seinem Anzug. Genauso gut wie vor vier Jahren, als die beiden sich am Flughafen verabschiedet hatten. Shanks lächelte. „Hallo. Lange nicht mehr gesehen. Haben Sie mich vermisst?“ Mit Absicht wählte Shanks solch eine formelle Ansprache. Ihre Erstarrung löste sich langsam. „So ein …“, dachte sie sich. „Kein bisschen. Was tun Sie hier?“, erwiderte Nojiko schließlich, so ein Spielchen konnte sie auch spielen. Sein Lächeln schwand. „Glauben Sie mir, ich hätte es vorgezogen, mich von Ihnen fernzuhalten. Aber das ist leider unmöglich.“ „Die letzten vier Jahre ist es Ihnen aber gut gelungen.“ Es hatte spitzer geklungen als beabsichtigt. Dabei fiel ihr auf, dass sie das hätte anders sagen sollen oder besser: Gar nicht sagen. So klang es anklagend und vorwurfsvoll. Und Nojiko wollte nicht, das er es so auffassen würde. „Genau wie mir. Also: Schnee von gestern“, fügte Nojiko eilig hinzu. „Ich wünschte, ich könnte das ebenfalls behaupten“, seine Lippen spannten sich. „Wir müssen mit einander reden. Mein Wagen steht gleich um die Ecke. Kommen Sie mit.“ Sie rührte sich jedoch nicht von der Stelle. „Später, ich muss erst noch was erledigen.“ Er schüttelte jedoch den Kopf. „Jetzt, sofort.“ Sie nahm die ersten Stufen weiter nach oben. „Scheren Sie sich doch zum Teufel.“ „Wenn Sie mich begleiten. Werden Sie viel mehr erfahren als das, was in dem Umschlag in dem Zimmer auf Sie wartet.“ Er wusste, wohin sie wollte. Er war bereits dort gewesen, hatte sich umgesehen und wusste alles. Nojiko zuckte zusammen und drehte sich erneut um. Woher wusste er all das? „Woher wissen Sie, dass ich …“ „Kommen Sie schon.“ Er steuerte auf den Ausgang zu. „Ich werde Ben darum bieten, dass …“ Plötzlich ging Nojiko ein Licht auf. Jetzt erinnerte sie sich daran, woher sie Agent Beckman kannte. Warum er ihr bekannt vorkam. Wie konnte sie das nur vergessen? Nojiko versuchte, ihre Gedanken zu sortieren, einen klaren Kopf zu bekommen. „Also wissen Sie, dass mein Freund getötet wurde?“ „Ja, und das tut mir leid. Sie standen sich wohl sehr nahe.“ „Und woher wissen Sie, was ich vorhatte. Was heute …“ Nojiko kam gar nicht dazu, zu Ende zu reden, als Shanks ihr das Wort abschnitt. „Ich hatte Ben beauftragt, Ihren Wagen mit einer Wanze auszustatten.“ „Wie bitte?“ Nojiko starrte ihn fassungslos an. „Und ebenso Ihr Zimmer.“ Shanks lächelte. „Macht Sie das nun wütend genug, um mit mir zu kommen oder um mich zurechtzuweisen?“ „Allerdings.“ Nojiko kam die Treppen wieder herunter. „Darauf können Sie Gift nehmen.“ „Gut.“ Er trat auf die Straße. „Dann kommen Sie. Ich gebe Ihnen fünf Minuten, mir Ihre Meinung zu sagen.“ Die Meinung sagen? Nojiko hätte ihm am liebsten den Kopf abgerissen und sonst was mit ihm angestellt. Er hatte sich scheinbar kein bisschen verändert. Schamlos, total von sich eingenommen, ganz der Coole, distanzierte und bereit, alles zu tun – sogar über Leichen zu gehen. „Sie verfluchen mich innerlich”, murmelte Shanks, der sich das nur gut vorstellen konnte. „Ich kann es regelrecht spüren. Sie sollten mir Zeit geben, mich zu erklären, bevor Sie einen Wutanfall kriegen.” Aber was hatte er auch erwartet? Dass er hier mit offenen Armen empfangen wurde? Auch wenn ihr Satz so ähnlich klang - für ihn hatte dieser einen vorwurfsvollen Touch. Dass er sich nie gemeldet hatte. Aber das war richtig gewesen, in ihrem Interesse hatte er gehandelt. Das zumindest redete er sich ein. „Verzeihung bitte. Aber ich habe soeben erfahren, dass nicht nur mein Auto abgehört wurde, sondern auch noch mein Zimmer”, fuhr Nojiko ihn wütend an. „Das ist mehr als nur Verletzung der Privatsphäre. Vermutlich sogar noch illegal oder darf sich das FBI neuerdings alles erlauben?” Mit Nojiko war es gerade nicht gut Kirschen essen. Wütend verschränkte sie die Arme vor der Brust, während sie ihm stillschweigend weiter folgte. Egal wie gut seine Ausrede war, dafür hatte sie nun wirklich kein Verständnis. „Ich hatte nur die besten Absichten”, versicherte Shanks ihr, als er vor einem schwarzen SUV stehen blieb. „Ben, ich muss mit ihr unter vier Augen reden. Behältst du solange das Wohnheim im Auge und gib Bescheid, sobald du O’Shea siehst.” Ben sah zu der offenen Tür und nickte, ehe er ausstieg und dabei direkt Nojiko ansah. „Freut mich, Sie wiederzusehen. Nur schade, dass es unter solchen Umständen ist.” „Agent Beckman, Sie hätten mir auch früher sagen können, dass …“ Nojiko brach ihren Satz ab. Was sollte sie auch tun? Ihm Vorwürfe machen, weil sie ihn nicht wiedererkannt hatte? Als Shanks sich auf die Rückbank setzte, folgte Nojiko ihm, während sie noch selbst missmutig gelaunt war. Irgendwo konnte sie all das verstehen und doch war da ein Teil in ihr, der dafür überhaupt kein Verständnis hatte. „Sie handeln wie ein Verbrecher und ziehen auch noch Ihre Männer mit hinein”, kam es von Nojiko schließlich, die die Aktion noch immer als falsch ansah. „Woher willst du das wissen?”, wollte Shanks wissen und wechselte, kaum dass sie alleine im Wagen waren, sofort die Anredeform, denn das fiel ihm irgendwie leichter und er wollte diese vertraute Basis haben. „Er ist schon so lange mein Partner, mein Stellvertreter. Vielleicht habe ich ihn ja längst korrumpierbar gemacht?” Nojiko sah ihn ruhig an. Ihr entging das Du nicht, doch sie würde nicht dasselbe tun. Sonst würde sie sofort dahin schmelzen und alles tun, was er wollte. Er war wie ein verdammter Rattenfänger, der jedem einreden konnte, schwarz wäre weiß. Seine Intelligenz, seine Anziehungskraft und die Ausstrahlung, die er besaß, erledigten den Rest. Während Nojiko vor vier Jahren die Wochen mit ihm verbracht hatte, hatte sie hautnah mitbekommen, wie er die gefährlichsten, verhängnisvollsten oder widrigsten Umstände noch zu seinem Vorteil hinbog und entsprechend auslegte. Während er mit seinen Fähigkeiten andere gezielt dazu bringen konnte, ihm zu glauben oder er sie gar geschickt um den Finger wickelte. Leicht schüttelte Nojiko ihren Kopf, um all die Gedanken an früher abzuwerfen. Jetzt zählte nur das Hier und Jetzt, mehr nicht. Sie musste sich konzentrieren, um ihm nicht erneut zu verfallen oder ihn wie ein kleines Schulmädchen anschmachten. Denn sie merkte, die Nähe zu ihm machte sie bereits wuschig. Ihr Herz, das zu rasen begann oder die Schmetterlinge in ihrem Bauch, die zu tanzen anfingen – bei jeder noch so kleinen und zufälligen Berührung und alleine das Gefühl, das sich als Verlangen und Sehnsucht nach ihm ausbreitete. Schließlich fing Shanks an, ihr alles zu erklären. Beinah alles. Denn einiges konnte er ihr nicht sagen. Er wollte nicht, dass sie noch tiefer in diese Sache hineingerät. Er wollte sie am liebsten von all dem fernhalten. Beschützen. Irgendwo, wo sie in Sicherheit wäre. Jedoch etwas musste er ihr sagen, damit sie Runeard nicht direkt in die Arme laufen würde. Nojiko hörte ihm ruhig zu, während sie versuchte, weiterhin ihre Wut zu zeigen, zu versprühen. Immerhin wollte er erklären, was das alles sein sollte, was das mit Ryan genau zu tun hatte, warum Peter starb und warum die Männer sie wollten. „Und nun glauben diese Kerle, dass sie dich gefunden haben”, beendete Shanks schließlich seine Erzählung. „Mich?” „Wen sonst?” „Wie sollten die auf die Idee kommen, …“ Shanks unterbrach sie und wandte sich dabei gleichzeitig ab. Während seine Hand ihr Knie dabei streifte. „Ich wette, sie denken, dass du meine Achillesferse bist.” Er wollte und konnte sie dabei nicht ansehen. „Warum?” Nojiko konnte das noch immer nicht verstehen, nicht nachvollziehen. Und doch konnte sie nicht verhindern, das ihr Herz schneller anfing zu schlagen. Beutete sie ihm doch etwas? „Vielleicht wegen unserer gemeinsamen Vergangenheit? Immerhin wurde das, was wir damals in Irland erlebt haben, ausgiebig in den Medien breitgetreten.” „Das ist doch lächerlich. SIE haben keine Achillesferse”, warf Nojiko ein und merkte, wie ihr Herz sich dabei schmerzhaft zusammenzog. „Und selbst wenn, ich wäre das sicherlich nicht.” Shanks zuckte nur mit den Schultern. „Wie gesagt, sie suchen eine Schwachstelle. Und ich habe nie behauptet, dass sie dich gefunden hätten. Allerdings wollte ich deren Vermutungen auch nicht bestätigen, indem ich hier auftauchen würde - deswegen kam Ben her, anstelle meiner.” Autsch, schoss es Nojiko durch den Kopf. Das aus seinem Mund zu hören, so distanziert - versetzte ihr einen zusätzlichen Stich ins Herz. „Und die haben Peter benutzt, um mich zu kriegen”, schlussfolgerte Nojiko. Denn kaum, dass Nojiko gelandet war, hatte sie sofort Ryan aufgesucht, um ihm ihren Verdacht mitzuteilen. Denn sein Benehmen war so seltsam, auf Peters Beerdigung. So betroffen, mehr als jeder andere der Freunde und so schuldbewusst. Dann sein Satz. So hatte sie den Verdacht bekommen, er könnte etwas damit zu tun haben, sie musste es wissen, ob sie richtig lag oder sich täuschte. Weswegen sie ihn zur Rede gestellt hatte. Und ja, sie hatte recht. Leider! Jedoch versicherte Ryan ihr, er habe nichts von all dem gewusst. Die zwei Männer wollten sie angeblich kennenlernen, alleine. Es ging um irgendein Geschäft - Schwachsinn. Jeder mit etwas Menschenverstand hätte sofort geschnallt, dass es sich um mehr handelte, denn sonst würde man einem nicht fünfzigtausend Dollar anbieten, für ein harmloses Treffen. Und dann musste man Peter auch noch hineinziehen, der nichts dafür konnte. Also hatte Charlene recht, sie war an allem schuld. Dabei erinnerte sie sich, dass Ryan ihr versicherte, dass er den Männern nichts gesagt hatte – auch wenn das Geld verlockend klang. Er hatte sie abgewiesen und war seines Weges gegangen. Sollte sie das wirklich so glauben? Dass er nichts sagte? Und wenn sie oben wäre, würde sie keinen Umschlag mit Geld finden, der seine Aussage widerlegte, der beweisen würde, dass er seinen Freund verriet - für Geld? Sie wusste es nicht und Shanks hatte ihr keine Gelegenheit gegeben, das selbst herauszufinden. Und Ryan, nun er war so schnell verschwunden, dass ihr nichts anderes blieb, als selber herumzuschnüffeln. „Ja.” Hörte Nojiko von Shanks. Doch sie war traurig, fühlte sich elendig und wünschte sich, anstelle von Peter gestorben zu sein. „Zur Hölle mit denen”, sagte Nojiko sauer, als sie ihr langes Schweigen brach. „Und mit Ihnen ebenfalls. Verschwinden Sie wieder.” Jetzt wollte sie ihn nicht sehen, auch wenn ihr Körper sich nach ihm sehnte, er sie sogar bis in ihre Träume verfolgte. „Ich habe mir schon gedacht, dass du das so sehen wirst”, erwiderte Shanks ruhig und sah sie musternd an. „Allerdings kann ich mich nur noch um Schadensbegrenzung bemühen.” „Der Schaden ist doch schon längst angerichtet, Sie Arsch”, keifte sie wütend und sah ihn mit zornig funkelnden Augen an. „Oder es geht erst los”, hielt Shanks ruhig dagegen und ihn überkam auf einmal das Bedürfnis, sie in seine Arme zu ziehen, doch nichts dergleichen tat er. „Die Leute von Runeard haben Peter benutzt, um an dich ranzukommen. Womöglich versuchen sie es jetzt mit jemanden anderen, der dir nahesteht.” Der Zorn wich aus ihrem Gesicht und wandelte sich zum Entsetzen. „Genzo, Bellemere und Nami?” „Zum Beispiel”, bestätigte Shanks ihr. „Für die drei würdest du schließlich alles tun. Nicht wahr?” „Niemand wird den dreien etwas antun”, erwiderte Nojiko trotzig und verschränkt, wie ein kleines Kind, die Arme vor ihrer Brust. „Dann solltest du dich, nach Möglichkeit, ganz aus dieser Geschichte heraushalten. Verschwinde von hier und irgendwohin, wo du in Sicherheit wärst”, gab Shanks ihr den Ratschlag. „Und wo soll das bitte schön sein”, wollte Nojiko wissen. Wenn diese Typen sie wollten, dann war sie doch nirgends mehr sicher. „Bei mir”, schoss es Shanks aus dem Mund, bevor er überhaupt richtig darüber nachdenken konnte. „Ich biete Sicherheit und bin die Sorge los, dass du hunderte bis tausende Meilen weit weg bist.” Bei seinen ersten Worten überrannte sie das Gefühl, doch die nächsten holten sie zurück auf den Boden und verpassten ihr mehr als nur einen Schlag in den Magen. „Ihre verdammten Sorgen interessieren mich einen Scheiß”, fuhr sie ihn wütend an, um ihre Enttäuschung zu verbergen. „Und für meine Sicherheit kann ich selbst sorgen. Sie hätten nie …“ Nojiko kam gar nicht dazu, zu Ende zu reden, denn sie wurde von dem Klingeln ihres Handys unterbrochen. Sie holte es aus ihrer Tasche und sah den Namen 'Genzo' auf dem Display aufblinken. Kurz ging ihr Blick zu Shanks, der sie nur abwartend ansah und kein Problem damit zu haben schien, dass sie das Gespräch annahm. „Hey, wa …“ Genzo unterbrach sie sofort, bevor sie ihn begrüßen oder gar etwas sagen konnte. „O’Shea ist tot”, sagte Genzo ohne Umschweife. „Die Polizei möchte mit dir reden.” Mit ihr? Warum das denn. „Tot?”, wiederholte Nojiko ungläubig und war wie zur Salzsäule erstarrt. „Wovon redest du? Das kann nicht sein, er kann nicht tot sein.” Nojiko entging dabei nicht, wie Shanks sich versteifte. „Ich habe ihn doch vor einer knappen Stunde noch gesehen”, murmelte Nojiko in den Hörer. „Wo?” „Ungefähr zehn Kilometer von der Uni entfernt. Er ist in einer der Seitenstraßen aus meinem Auto gestiegen.” Nojiko versuchte, sich fieberhaft an den Namen der Straße zu erinnern, jedoch wollte es ihr einfach nicht einfallen. „Ich weiß nicht mehr, welche es war.” Nojiko klang dabei leicht verzweifelt. „Er wurde in der Crescent Street überfahren”, gab Genzo ihr die Information, die er von den Polizisten vor Ort erhalten hatte und er hatte jene darum gebeten, ihn auf dem Laufenden zu halten – und für einen Kollegen taten sie das gerne. „Der Fahrer hat sich aus dem Staub gemacht. Einige Zeugen haben ein rotes Auto beobachtet, wie es auf den Gehweg gefahren ist und anschließend Ryan O’Shea überfahren hat.” Rot! Ihr Auto war rot. Doch welche Marke? Das wusste Genzo entweder nicht oder er sagte es ihr mit Absicht nicht. „Also kein Unfall …“, schlussfolgerte Nojiko und konnte noch immer nicht glauben, was gerade geschah. „Laut den Kollegen unwahrscheinlich. Nachdem O’Shea bereits am Boden lag, soll das Auto nochmals zurückgesetzt haben, um ihn erneut zu überfahren.” „Und das Kennzeichen? Die Marke?” „Zwei der Zeugen konnten weder das Modell, noch das Kennzeichen erkennen – da sie zu weit weg waren. Der dritte Zeuge, der am nächsten stand, war dafür wohl nicht nüchtern genug und er war sehr durcheinander. Wir können von Glück sprechen, dass er überhaupt dazu in der Lage war”, erklärte Genzo ihr die Sachlage in Kurzversion. „Also, wo bist du? Ich lasse dich von Detective Reagan abholen, damit du eine Aussage machen kannst.” „Warte, ist nicht das FBI dafür zuständig?” Immerhin wurde sie im Krankenhaus ja von Beckman befragt, davor jedoch von einem Polizisten, erinnerte sie sich. Noch immer war sie fassungslos und konnte nicht wirklich klar denken. „Die haben ihn umgebracht.” Der Satz war nicht mehr als ein Hauch und doch für jeden gut hörbar. „Und genau davon wirst du Reagan überzeugen müssen.” Auf die Sache mit dem FBI ging Genzo nicht ein. Er selbst wusste nichts davon. Vielleicht teilten sie sich den Fall oder das FBI gab den Fall zurück, als sie merkten, dass es doch nichts mit ihren Ermittlungen zu tun hatte. Nojiko schwieg, sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. „Er wurde von einem roten Auto überfahren, du fährst einen roten Audi A5 Coupé. Dir gegenüber hatte er immerhin zugegeben, mit Schuld an dem Tod von Peter zu tragen. Du bist gerade von einer Beerdigung zurück und warst verständlicherweise wütend. So, wie du der Meinung warst, er weiß mehr, als er sagte.” „Aber du hast dem Detective sicherlich gesagt, dass er eine Aussage machen und sich stellen wollte?” Nojiko konnte es noch immer nicht glauben, denn mit einem Schlag fühlte sie sich wie eine Verdächtige in diesem Fall. „Und dass du befürchtet hast, er würde ungeschoren davonkommen”, erinnerte er sie an das Telefongespräch. „Nojiko, jetzt rechne doch mal eins und eins zusammen. Wäre es nicht nachvollziehbar, dass du deine Meinung geändert hast und noch mal zurückgefahren bist, um Selbstjustiz für Peter zu üben?” „Natürlich nicht”, wie aus einer Pistole geschossen kamen ihr die Worte über die Lippen. Dabei erinnerte sie sich, dass sie dieses Arschloch vor Wut am liebsten überfahren hätte. „Ist ja gut, mag sein, dass ich kurz in Versuchung war, aber ich bin doch nicht dumm.” „Keine Sorge. Wir werden die zuständigen Behörden schon davon überzeugen, dass du unschuldig bist. Wir kriegen das hin. Bellemere schickt einen Anwalt zur Dienststelle und ich komme mit dem nächsten Flieger nach.” „Herr Gott, glaubt ihr etwa wirklich ich das tun würde? Und die mir einen Mord anhängen würden?” Nojiko konnte nicht fassen, was gerade geschah. War Ryan wirklich in dieser Sache verwickelt gewesen? Lag sie richtig mit ihrer Vermutung? „Wir wollen es nicht darauf ankommen lassen. Deswegen sind wir lieber vorbereitet. Wo bist du?” „Vor Peters und Ryans Studentenwohnheim”, antwortete sie. Sie selbst wohnte in einem anderen, auch wenn es nicht weit entfernt war. Diese Antwort behagte Genzo nicht. „Bleib da.” Wie gelähmt legte Nojiko auf. Wie konnte sie nur in diese Sache hineingezogen werden? Sie verstand es nicht. Ihr fehlte der rote Faden, der Verlauf. Hatte sie so viele Wissenslücken? Was sollte sie nur tun? „Ryan O’Shea ist tot?”, fragte Shanks und holte Nojiko zurück ins Hier und Jetzt. „Fahrerflucht, es war ein rotes Auto”, antwortete Nojiko geflasht und schüttelte verständnislos den Kopf. „Das ist doch verrückt. Bellemere und Genzo glauben, die Polizei könnte mich für die Täterin halten.” „Nein”, Shanks ließ das Fenster runter. „Ben steig ein. Wir fahren sofort zum Flughafen”, wies er seinen Kollegen harsch an. „Den Teufel werden wir tun”, blaffte Nojiko los, als Ben auf den Fahrersitz sprang und aufs Gaspedal drückte. „Ich fahre nirgendwo hin und schon gar nicht mit Ihnen.” Herausfordernd und zornig sah sie zu Shanks. „Du fährst zum Flughafen.” Ihm war es egal, dass er sie weiterhin duzte, auch wenn sie nicht mehr alleine waren. „Danach kannst du machen, was du willst. Aber zieh es wenigstens in Betracht, dass sie O’Shea umgebracht haben, um einen potenziellen Zeugen loszuwerden. Peter war nur eine Randfigur. Beide sind tot. Dabei sind die Kerle eigentlich hinter dir her. Und wenn du in der Nähe von den anderen bleibst, landen auch sie auf deren Liste”, versuchte Shanks ihr zu erklären. „Außerdem, wie willst du jemanden beschützen, wenn du eingesperrt bist?” „Es ist doch nicht gesagt, dass ich eingesperrt werde”, verteidigte sich Nojiko sogleich. „Man muss nur mein Auto untersuchen und sofort weiß jeder, dass ich unschuldig bin.” „Falsch, man weiß dann nur, dass es nicht dein Auto war. Du hättest dir auch eines leihen können”, korrigierte Shanks sie, während Ben durch die Straßen raste, zum Flughafen. „Aber sie werden ihn vielleicht für eine gründliche Untersuchung dabehalten. Und bis alles geklärt ist, wird man auch dich festhalten. Willst du wirklich das Risiko eingehen? An einen Verdächtigen oder Häftling kann man selbst bei der Polizei gut rankommen.” Waren ihr die Risiken nicht bewusst? Oder etwa so egal? Nojiko schwieg, sie antwortete Shanks nicht. Sie wusste nicht, was sie sagen oder erwidern sollte. Immerhin war seine Vermutung gut. „Wenn wir am Flughafen sind, möchte ich wissen, wie du dich entschieden hast”, fügte Shanks noch hinzu. Ihr Blick ging aus dem Fenster, für August war es sehr regnerisch und kühl. Dieses Mal war es ein Sommer, der keines seiner typischen Merkmale hinterließ und mit sich trug. Eher ein Sommer voller Regen, Trauer und Verlust. °•●•° 》zwei Wochen später | Irgendwo in Großbritannien《 In letzter Zeit war viel geschehen. Am Ende hatte sie sich entschieden, Shanks zu begleiten. Nun lebte sie in irgendeinem Herrensitz, irgendwo in Großbritannien. Obwohl, es erinnerte sie manchmal eher an eine Burg. Wo genau sie waren, wollte sie auch nicht wirklich wissen, damit sie es Bellemere nicht verraten konnte. Und selbst wenn sie es wüsste, sie würde es niemandem sagen. Das diente der Sicherheit aller. Wenigstens war das Meer nahe, und sie hatte morgens eine gute Aussicht auf das unbändige Wasser. Das Knistern zu Shanks wurde immer stärker. Ihr Verlangen ebenso. Sie wusste langsam nicht mehr, was sie noch tun sollte. Also nahm sie oft eine Abwehrhaltung ein, doch provozierte und reizte ihn auch. Er schien einen eisernen Willen zu haben. „Ich werde zum Trainingsplatz gehen. Ich möchte dich dabeihaben”, schwirrten ihr seine Worte durch den Kopf. Nojiko war sofort zurückgeschreckt, als Shanks sie darum bat, ebenfalls zum Trainingsplatz zu kommen. Warum eigentlich? Sie war immer stolz auf ihr Selbstbewusstsein gewesen und auch auf ihre Verwegenheit. Doch seit sie hier war, benahm sie sich wie ein großer Feigling, der im entscheidenden Moment zurückschreckte wie ein Reh, das plötzliche Angst vor allem und jedem hatte. Es wurde allmählich Zeit, dass sie sich wieder in den Griff bekam und normal verhielt. Dieser Entschluss verursachte in ihr ein erregendes Gefühl. Sie wollte wieder Herr über ihr eigenes Leben sein, die Zügeln zurückhaben. Allein der Gedanke an Shanks, wie er dort im Mondlicht vor ihr gestanden hatte, die Meeresbrise, die mit seinem Haar gespielt hatte. Ebenso das angedeutete Lächeln, seine Augen – die sie magisch anzogen. All das erfüllte sie mit einer Mischung aus Anspannung und Vorfreude. „Ich möchte dich dahaben …“ „Ich habe mich bereits gefragt, wann du kommst”, sagte Shanks und erhob sich von dem Felsen, auf welchem er bis gesessen hatte. „Ich hätte darauf gewettet, dass du es nicht tust.” „Die Entscheidung fiel mir nicht leicht”, gab Nojiko zu. Doch sie wollte ihr Leben selbst bestimmen. Sich dem stellen, was kommen würde. Langsam, aber selbstsicher ging sie auf Shanks zu, der sie ansah. Dabei musterte sie ihn so unauffällig wie möglich. Er trug eine dunkle Jeans und ein helles Shirt. Dabei sah er im Mondlicht jünger aus, weniger hart und distanziert. Vielleicht etwas verletzlich? Aber war er das je, verletzlich? „Es hat mir nicht gefallen, dass du mir das mit MacDonald verschwiegen hast”, fügte Nojiko hinzu. „Das alles hatte mich verwirrt.” „Und jetzt bist du nicht mehr verwirrt?” „Deutlich weniger als am Anfang.” Nojiko ließ ihren Blick über das Trainingsgelände wandern, über die Felsen, die den Platz umgaben. „Warum wolltest du, dass ich hierherkomme?” „Jedenfalls nicht, um dich zu beruhigen”, antwortete er und lächelte sie an. „Willst du die Wahrheit wissen? Dieser Ort hat eine unglaubliche Atmosphäre.” Mehr sagte er jedoch nicht. Nojiko spürte, wie ihr heiß wurde, auch wenn es nicht wirklich eine Antwort auf ihre Frage war. „Und warum dann?” Shanks schwieg, sah sie jedoch ernst und forschend an. Nojiko kam einen Schritt näher. „Wenn es um das Wesentliche geht, ist dir doch die Atmosphäre völlig egal.” Shanks zuckte kaum merklich zusammen. „Und was ist das Wesentliche?” „Die Erkenntnis, dass das Leben sehr kurz sein kann. Dass der Tod überall lauert und dass niemand wissen kann, wann …“ Erneut trat sie einen Schritt auf ihn zu und sah ihm dabei direkt in die Augen. Nojiko setzte neu an: „Ich werde nicht auf ein Vergnügen verzichten, bloß weil es sich vielleicht im falschen Augenblick anbietet. Der richtige Augenblick ist Hier und Jetzt. Das Leben ist das, was passiert, während du dabei bist, andere Pläne zu machen.” Zitierte sie jetzt John Lennon, schoss es dabei Shanks durch den Kopf. Sagte es jedoch nicht laut. Denn ihm war aufgefallen, dass sie mitten im Satz aufhörte und plötzlich eine ganz andere Richtung eingeschlagen hatte. „Der richtige Augenblick für was?”, fragte er stattdessen. Sie näherte sich ihm erneut. Sodass sie sich beinah berührten. Ihr brach der Schweiß aus, als sie die Wärme spürte, die von seinem Körper ausging. „Möchtest du wirklich, dass ich das ausspreche?”, hakte sie nach. Doch sie würde nicht kneifen. Dieses Mal würde sie aufs Ganze gehen. „Ich wollte schon mit dir schlafen, als ich noch siebzehn war. Aber du warst dumm und zurückhaltend. Hast mich die letzten Jahre zappeln lassen.” „Du weißt sehr genau, dass du minderjährig warst und ich im Gefängnis ...” Nojiko unterbrach ihn, fuhr unbeirrt fort: „Ich will noch immer mit dir schlafen. Dieses Mal, und das schwöre ich dir, wird das auch passieren.” Dafür würde sie sorgen mit allen Mitteln, die ihr als Frau zu Verfügung standen. Sie legte eine ihrer Hände an seine Brust, die sich unter ihr so kräftig, muskulös anfühlte. Dabei entging ihr nicht, wie ihn ein Schauder überfiel. In diesem Moment empfand sie ein Gefühl der Macht und das war berauschend. „Oder?” „Ja, verdammt.” Jegliche Zurückhaltung, Selbstkontrolle schien bei Shanks zu bröckeln. Er legte seine Hand über ihre. „Ich habe dir schon mal gesagt, ich werde dich nicht abweisen, falls du mich noch einmal berührst.” Nojiko spürte, wie sein Herz unter ihrer Hand schlug. Ihr entging nicht, wie es laut pochte und dabei immer schneller zu werden schien. Innerlich fluchte sie, denn dieses Pochen spürte sie in ihrem eigenen Körper - vermutlich hörte sie es auch nur, denn es rauschte förmlich in ihren Ohren. Sie nahm nichts wahr, außer ihn. Somit legte sie auch die andere Hand an seine Brust, lehnte sich an ihn, sodass ihre Brust sich deutlich spürbar gegen die Hände drückte. „Wo?”, wollte sie erregt wissen. Sie schmolz dahin und war ihm einfach verfallen. Sie wollte niemanden anderen. Nur ihn. Selbst in ihren Träumen wollte sie nur ihn. Kein anderer Mann hat sie so sehr fasziniert und interessiert wie er. „Hier”, murmelte Shanks und konnte selber kaum klar denken, während er sein Gesicht in ihren Nacken vergrub. „Hinter den Steinen. Es ist mir egal wo.” Mit seiner Zunge fuhr er ihren Hals entlang. „Wo du willst.” Seine Zunge fühlte sich unglaublich warm an. Jedes mal dort, wo er sie berührte, hinterließ er ein wolliges kribbeln und entlockte ihr sogar ein leichtes, zufriedenes Seufzen. Ihr Herz raste nur so, sodass sie das Gefühl hatte, es würde jeden Moment herausspringen. Am liebsten hätte sie ihn sofort zu Boden gerissen, genau an Ort und Stelle, ihn ausgezogen und den wildesten Sex ihres Lebens gehabt. Zärtlich strich Nojiko mit ihren Fingerkuppen sein Shirt entlang, runter zum Hosenbund, was auch bei ihm seine Wirkung nicht verfehlte. „Hier”, flüsterte sie erregt in die Nacht. „Du hast recht, es spielt keine Rolle.” Shanks erstarrte sofort und schob sie von sich. „Falsch, es spielt eine Rolle.” Sein Atmen ging schwer, seine Augen funkelten erregt und man sah, es kostete ihn viel Kraft, sich zusammenzureißen. „Ich will nicht, dass uns jemand überrascht. Nachdem ich so lange auf diesen Augenblick gewartet habe. Da werden einige Minuten auch keinen Unterschied mehr machen. Geh auf dein Zimmer, ich komme gleich nach.” Benommen sah sie ihn an, während seine Worte nur langsam zu ihr durchsickerten. „Wie bitte?” „Steh nicht so rum. Ich verspreche dir, das ist meine letzte ritterliche Handlung. Danach gibt es keinen Halt mehr.” Er kniff kurz seine Lippen zusammen. „Und solltest du deine Tür abschließen, dann trete ich sie ein.” Mit einem zufriedenen Grinsen sah er dabei zu ihr. Sie rührte sich nicht, sie wusste nicht, ob sie die wenigen Minuten überhaupt noch abwarten konnte. Ebenso wusste sie, dass sie mit wenigen geschickten Berührungen ihn dazu bringen konnte, das zu tun, was sie wollte. Sie hätte ihn dann dort, wo sie wollte, und sie wollte ihn. Hier und Jetzt. Sie wollte nicht noch länger warten. „Ich will, dass es etwas Besonderes ist.” Vor allem für sie. „Los, beweg dich!” Außerdem wollte er nicht, dass ein anderer sie so sehen würde. Nur ihm allein sollte dieses Privileg zu Teil werden. Sonst niemandem. Nojiko gab schließlich nach. Sie würde tun, was er wollte. Alles, was er wollte. Auf dem Rückweg in ihr Zimmer fragte sie sich, ob er recht hatte. Immerhin übernahm ihr Körper die Oberhand und ihr Denkvermögen hatte sich längst verabschiedet. Ihre Schritte beschleunigten sich, je weiter sie sich von ihm entfernte. Zum Ende des Weges, rannte sie förmlich in ihr Zimmer. Shanks erschien schließlich im Türrahmen. „Du hast die Tür offengelassen.” Dabei sah er zu ihr, wie sie bereits in dem Bett lag. „Ich wollte keine Zweifel an meiner Absicht aufkommen lassen”, antwortete Nojiko und hatte Mühe, normal zu klingen. „Keine Schlösser oder verriegelte Türen. Also los, zieh dich aus und komm endlich her. Ich will nicht die einzige Nackte sein. Sonst fühle ich mich noch verletzlich.” Demonstrativ schlug Nojiko die Bettdecke zurück, unter welcher sie lag. Shanks konnte nicht anders, als ihren nackten Körper zu mustern. Prägte sich jede einzelne Stelle ein. „Gib mir zwei Minuten”, antwortete er ihr, als er die Tür abschloss und sein Shirt auszog. Sein Körper war unglaublich. So schön, muskulös und kräftig, wie sie sich das immer vorgestellt hatte. Die Kriegsverletzungen, die seinen Körper zierten, machten ihn umso Attraktiver und schreckten sie nicht ab. „Du bist zu langsam”, ärgerte Nojiko ihn grinsend und war selbst die Ungeduld in Person. „Sag mir das noch mal, wenn ich bei dir im Bett bin.” Er trat näher. „Ich werde mich bemühen, langsam zu machen, aber ich kann dir nichts versprechen.” Sie ergriff seine Hand, als jene in ihrer Nähe war, und zog ihn zu sich ins Bett. Während sie deutlich merkte, wie sich alles in ihr zusammenzog, wie sie feucht wurde und ihn einfach nur noch wollte. „Ich will keine Versprechungen”, stellte Nojiko klar und schlang dabei ihre Beine um seine Hüfte. Sie hob ihre Hüfte gegen seine Männlichkeit, um ihm zu zeigen, wie sehr sie ihn wollte. Und begehrte ihn nur noch mehr, als sie ihn spürte. „Ich will, dass du …“ Weiter kam Nojiko nicht, denn er bedeckte ihren Mund mit seinen Lippen umso ihren Aufschrei zu dämmen, als er in sie eindrang. °•●•° Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)