Dark Contact I: Embrace von SilverReader (Tame the Wolf) ================================================================================ Kapitel 3: Anrufer ------------------ Ich stand noch immer unter Schock, als ich meine Tasche in meiner Wohnung abstellte. Wie in Trance schlüpfte ich aus meiner Jacke und den Schuhen, bevor ich mich in den Sessel, zur linken Seite meines Schuhregals, sinken ließ und vor mich hinstarrte. Die letzte Stunde hatte ich wie automatisch funktioniert, was nun so langsam abebbte und mein Bewusstsein wieder mit der einer quälenden Frage füllte. Was war passiert? Ich hatte es mir nicht eingebildet! Ich war nicht verrückt! Es gab den Hund! Ich hatte einen Hund in mein Auto geladen und daraus war ein Mann geworden! Tief atmete ich ein und zog mein Handy hervor. Ich scrollte durch die Nummern, um die zu finden, die mich angerufen hatten, hin zu jenem Donnerstag. Private Nummer Lang starrte ich auf diese beiden Wörter, bevor ich auf Rückruf drückte. Es funktionierte nicht. Langsam senkte ich mein Handy, bis es locker in meiner Hand hing und ich mich mit meinen Ellenbogen auf mein Knie stützte. Mein roter Kater nutzte die Chance sich an meinem Handy und meinen Fingern zu reiben, so lange, bis ich nachgab und sein Fell zu streicheln begann. Schnurrend drückte er sich an mich, während mein Blick noch immer abwesend, auf nichts Bestimmtes gerichtet im Raum lag. Mein Handy wieder hebend starrte ich darauf, bevor ich eine Entscheidung traf. Das, was ich gerade herausgefunden hatte, war einmalig. Es war unbeschreiblich. Ich musste mehr erfahren. Das hier war meine Chance aus meinem Leben auszubrechen. Etwas, wonach ich mich seit meiner Jugend sehnte. Vollkommen verrückt ja, aber auch außergewöhnlich. Ich hob entschlossen meinen Kopf. Mir meine Schuhe überstreifend, griff ich meine Jacke und den Schlüssel. Es war Zeit, meine Neugierde zu stillen. Eine halbe Stunde später befand ich mich im Krankenhaus. Ich tat so, als gehörte ich hier her. Bewegte mich durch die Gänge der Unfallchirurgie auf der Suche nach einem Ansprechpartner. Ich wusste, wie die Praktikanten aussahen. Es waren die, die am meisten gestresst wirkten, müde und ausgelaugt von all den Arbeiten und zu 90 % mit Reinigungen beschäftigt. Mein potenzielles Opfer hockte gerade im Wartezimmerbereich und sortierte das Material des nahen Verbandskasten neu. „Entschuldigen Sie, Dr.?“, fragte ich. Der junge Mann, vielleicht gerade mal 20 Jahre alt, blickte auf. Er trug einen Ziegenbart und seine blauen Augen wirkten ein wenig glasig. Das Haar verstrubbelt und ungewaschen. Sein dunkelblaues Oberteil hatte einen Kaffeefleck und auf dem Namensschildchen, konnte ich ganz deutlich Praktikant lesen, doch ich tat so, als bemerkte ich es nicht, stattdessen schaffte ich ständigen Blickkontakt, um Intimität zu schaffen. „Ich … bitte Sie müssen mir helfen. Ich … ich suche jemanden.“ Ich biss mir auf meine Unterlippe und machte mich etwas kleiner, hilfloser und zerbrechlicher, was bei meiner Größe und Statur nicht einfach war. Der junge Mann wirkte verwirrt und hilflos, doch als ich ihm, durch meine nonverbale Körpersprache signalisierte, dass ich verzweifelt war, schien er zu wachsen. „Ich … ich habe vor ungefähr zwei Wochen ein Unfallopfer in meinem Wagen mitgenommen und jetzt bemerkt, dass er meine versteckte Geldbörse in meinem Auto mitgenommen hat.“ Ich wirkte sehr leidend. „Das Geld ist mir nicht wichtig, aber darin war ein besonderes Holzkreuz meiner verstorbenen Großmutter, die Polizei sagte, ich solle das Ganze vergessen, aber wenn ich nur seinen Namen wüsste und seine Adresse, dann könnte ich ihn vielleicht bitten mir das Kreuz wieder zu geben.“ Von meiner Geschichte gefesselt, blickte mich der junge Mann an. „Bitte“, hauchte ich und faltete meine Hände vor meiner Brust, während ich mich dazu zwang, daran zu denken, wie meine Katze, vor ein paar Jahren, überfahren worden war, um mich zu ein paar Tränen zu zwingen, die auch nur Sekunden später kamen. Ich widerte mich gerade selbst an, doch meine Neugierde war stärker als meine Ethik. „Ich …“, murmelte der Junge. „Bitte, Doktor. Ich weiß nicht an wen ich mich sonst wenden soll.“ Meine erneute Ansprache schien etwas in Ihm zu regen. Ich hielt ihn für wichtig und es tat mir wirklich im Herzen weh, dass ich sein Ego für mich missbrauchte, doch meine zweite Lösung, mich selbst wegen dem Unfall anzuzeigen, weil ich mit der Schuld nicht klarkam, wäre meine allerletzte Option. Immerhin würde ich damit nicht nur mir, sondern auch meiner Familie, meinen Freunden und meiner Arbeit schaden. Er holte tief Luft und nickte. Er nickte! Ich konnte es kaum fassen. Ich musste Salkin dafür danken, dass er mich zu all diesen Rollenspielen eingeladen hatte und Improvisation mit mir übte. Ich nannte dem Jungen den Tag, an dem der Mann eingeliefert wurde und gab ihm meine Nummer. Dabei versuchte ich nicht zu enthusiastisch zu wirken und immer noch leidend, wenn auch dankbar, was mir nicht schwerfiel. Er versprach zu tun, was er konnte und ich preiste seine Familie, seinen beruflichen Erfolg und wünschte ihm alles Glück der Welt. Vor dem Krankenhaus zitterten meine Hände und ich musste mich an meinen Wagen lehnen. Ich hatte gelogen. Wirklich schlimm gelogen und ich versuchte einen Mann zu finden, der mich für verrückt hielt und ins Gefängnis bringen konnte, weil ich ihn angefahren hatte. Ich musste doch wahnsinnig sein. Das Adrenalin, das plötzlich durch meine Brust schoss, meine Schultern hinauf und hinunter, ließ mir schlecht werden. Was wenn ich einen großen Fehler beging? Den Kopf in den Nacken legend, schloss ich meine Augen und rieb mir die Schulterblätter. Ich lauschte den vorbeifahrenden Autos, dem Wind in den Wipfeln der nahen Bäume und den Vögeln. Als ich es geschafft hatte mich zu beruhigen, nickte ich zufrieden. Anschließend setzte ich mich in mein Auto und fuhr nach Hause. *** Die nächsten Tage nahm meine Arbeit mich vollkommen ein und ich hatte keine Zeit herauszufinden, wer der mysteriöse Mr. Wolf war. Heimlich taufte ich ihn so, weil die Vermutung von einem Werwolf sich einfach schneller in meinem Kopf festsetzte als die eines Werhundes oder eines Gestaltwanderers, wobei ich auch einen Vampir nicht ausschließen konnte. Immerhin gab es Legenden, in welchen sich Vampire auch in große Wölfe verwandeln konnten. In diesen Tagen las ich viel zu dieser Thematik, was mich noch paranoider werden ließ. Kein gesundes Verhalten, doch ich bildete mir ein, dass sich alles legen würde, sobald ich mehr wusste. An einem der Tage erhielt ich seit langem wieder eine Nachricht von Salkin. Hast du Zeit zum Telefonieren (Salkin) Arbeit Wann bist du fertig? (Salkin) 22 Uhr Bist du grade im Stress? (Salkin) Ist etwas passiert? Ich kann sicher kurz auf Toilette verschwinden? Nein. Alles gut. Lass uns heute Abend telen (Salkin) Okay??? Ich runzelte meine Stirn, doch ich dachte mir nichts dabei. Maven und Salkin waren in letzter Zeit sehr beschäftigt gewesen. Das passierte hin und wieder, was mich nicht wunderte. Wenn jedoch solche Nachrichten kamen, machte ich mir Sorgen, doch virtuell konnte ich nichts aus ihnen heraus kitzeln. Es war gegen 20 Uhr, als ich einen Anruf auf meinem Handy erhielt. „Violett Silberbaum“, meldetet ich mich und wartete. „Hier ist Mark.“ Eine junge nervöse Stimme meldete sich und ich überlegte zu wem dieser Name gehörte. Mark? Kannte ich einen Mark? „Hallo, Mark“, versuchte ich, mit beruhigender Stimme, zu sagen und mit einem Lächeln auf den Lippen. „Ich rufe wegen des Mannes an, zu dem sie die Adresse wollten.“ Ich atmete scharf ein und aus, während ich auf meiner Unterlippe zu kauen begann. Vor meinen Augen erschien das Bild des unsicheren jungen Mannes, mit dem Verbandskoffer auf den Knien, den ich angelogen hatte. Dafür allein würde ich in der Hölle landen, aber gerade war mir das egal. Gleich würde ich den Namen des Mannes bekommen, den ich so unbedingt treffen wollte. Ich konnte es in jeder meiner Poren fühlen und die Hoffnung breitete sich in mir wie ein Leuchtfeuer aus. „Ich … ich kann Ihnen da nicht weiterhelfen.“ Alles in mir, mein ganzes Hochgefühl brach in mir zusammen. „Es ist mir nicht erlaubt über Patienten zu sprechen und es tut mir wirklich leid. Mein Chef war ziemlich sauer, dass ich mich so habe einwickeln lassen.“ Ich atmete aus, erst jetzt bemerkend, dass ich meine Luft angehalten hatte, und mein Verstand schaltete auf Professionalität um. „Ist schon gut Mark“, hauchte ich und versuchte meine Enttäuschung zu überspielen. „Ich … ich hätte Sie nicht darum bitten dürfen. Danke. Für den Rückruf.“ Ich spürte das Unwohlsein des anderen deutlich, selbst durch das Telefon, deswegen beendete ich das Gespräch, ohne ihm die Gelegenheit zu geben noch etwas zu sagen. „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend. Auf Wiederhören.“ Er musste nicht wissen, dass ich gelogen hatte. Wenigstens er sollte sich jetzt nicht schlecht fühlen. Wie taub ließ ich mich in einen der Sessel sinken. „Ubbaaah Ubaaah?“, erklang es neben mir und ich drehte mich zu Markus, der nicht unweit von mir saß, bevor eine Ladung feuchter Spucke in meinem Gesicht landete. Leise seufzte ich. „Ja, ich weiß, ich sitze dir zu nah und du kannst das nicht leiden“, murmelte ich und wischte mir die Spucke fort, während ich meinen Kopf gegen die harte Rückenstütze des Sofas lehnte. Toll! Jetzt konnte ich gleich noch duschen. Manchmal war es wirklich zum Kotzen. Während ich mir die feuchte Hand an der Hose abwischte, starrte ich zur Decke. Das hatte ich wohl verdient. Alles davon. Was hatte ich erwartet? Ich wusste es. Ich hatte mich in eine meiner Fantasiewelten gestürzt und ganz darin gelebt, während ich nicht bemerkte, wie sie an der Realität leck geschlagen war. „Nomnomnom. Pffffffff.“ Ich blickte erneut zu dem Braunhaarigen neben mir. „Na komm. Wir bringen dich mal ins Bett und dann mach ich dir noch einen schönen Film an, ja?“ „Jajajajajaja.“ Der Mann erhob sich und watschelte sich die Hände knetend in Richtung seines Zimmers. *** Bin noch kurz duschen. Dann komme ich. Ok (Salkin) Mein Headset einsteckend, öffnete ich das Programm auf meinem Rechner und startete es. „Hi!“ „Hi“, entgegnete Salkin mir gut gelaunt und mein inneres Selbst beruhigte sich. Mit ihm zu reden war einfach. Es ließ mich vergessen, wie anstrengend mein Tag gewesen war und ich konzentrierte mich einfach auf seine melodische Stimme. „Ich habe die Jungs zusammengetrommelt und sie können alle am Wochenende!“, verkündete er mir schließlich, als würde er fast platzen. „Du Arsch! Warum hast du das nicht früher gesagt!“, stieß ich fassungslos hervor. Meine Stimmung hellte sich sofort auf. „Es können wirklich alle?!“ „Jup!“ Mächtig stolz auf sich, grinste Salkin. Ich wusste er tat es. Er hatte dann immer diesen selbstgefälligen Ausdruck in der Stimme. Ich hätte ihn gleichzeitig schlagen und umarmen können. Seine Worte hoben meine Laune so sehr, wie er es sich wohl nicht vorstellen konnte. Die Jungs wieder alle zu sehen und mit ihnen zusammen zu sitzen, würde großartig werden. Jeder unserer Pen und Paper Gruppe brachte eine individuelle Persönlichkeit mit sich, die einfach nur ein großes Chaos verursachte, doch wir hatten damit den meisten Spaß. „Danke“, hauchte ich leise. „Kein Thema. Ich bin heute Mittag fast geplatzt es dir zu sagen, aber ich konnte mich noch zusammenreißen. Du kannst doch am Wochenende noch?“ Ich grinste. „Logo! Mein freies Wochenende! Das lass ich mir ganz sicher nicht nehmen!“ „Ich hoffe es! Sonst rufe ich alle zusammen und wir infiltrieren deine Gruppe!“ Mein Lachen selbst zu hören und zu spüren, tat gut. Ich fühlte mich wieder wie ein Mensch, wie eine funktionierende Person. Das hier war mein Leben und ich liebte es. Ich brauchte nicht mehr, das wurde mir nun wieder klar. Es war bereits perfekt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)