Im Himmel ist der Teufel los von Sky- (Apokalypse Reloaded) ================================================================================ Kapitel 3: Sünder und Liebhaber ------------------------------- Nachdem Metatron fast schon flüchtend die Halle verlassen hatte, ging die übliche Streiterei zwischen Gabriel und Michael weiter. Keine zwei Minuten vergingen, bis der erste Stuhl durch die Luft geschleudert wurde und Raphael nur um Haaresbreite verfehlte. Das war selbst für den eher neutral eingestellten Erzengel zu viel. Wütend sprang er auf, rief „Bei Sodom und Gomorrha!“ als wäre es eine Art Schlachtruf und stürzte sich daraufhin ins Handgemenge. Uriel stand unsicher da und wusste offenbar nicht so recht, ob er sich lieber verdrücken oder dazwischen gehen sollte. Dann aber erinnerte er sich wieder an sein blaues Auge und war gerade dabei, sich umzudrehen und davonzuschleichen, aber da traf ihn der nächste Stuhl, der durch den Raum geworden wurde, direkt in den Rücken und schleuderte ihn zu Boden. Luzifer und Samael hatten sich derweil schon längst zurückgezogen, denn sie hatten ganz eigene Dinge zu klären. Kaum, dass sie sich aus der Ratshalle geschlichen hatten, packte der Fürst der Hölle den Todesengel bei den Schultern und küsste ihn stürmisch. „Verdammt, ich habe dich so vermisst, Samael“, flüsterte Luzifer und umarmte ihn fest. „Mich die ganze Zeit derart zurückhalten zu müssen, hat mich fast wahnsinnig gemacht!“ „Ich habe dich auch vermisst, Luci“, antwortete der blinde Seraph und erwiderte die leidenschaftlichen und wilden Küsse seines Liebsten. „Aber lass uns lieber woanders weitermachen. Ich kann es mir nicht leisten, dass man uns so sieht.“ „Mir egal wer uns alles sieht, ich habe viel zu lange auf dich gewartet und ich will dich jetzt!“ Doch Samael ließ nicht mit sich reden und blockte streng jeden weiteren Annäherungsversuch Luzifers ab. Es stand zu viel auf dem Spiel für ihn, als dass er es sich leisten konnte, in flagranti mit dem Fürst der Hölle gesehen zu werden. Das hätte für einen unnötigen Skandal gesorgt. So blieb dem gefallenen Engel nichts anderes übrig, als vorerst klein beizugeben und ihm brav zu folgen. Zwar war im Himmel schon längst bekannt, dass beide eine positive Beziehung zueinander hatten, aber man ging im Allgemeinen nur von einer harmlosen Freundschaft aus. Immerhin ergänzten sie sich perfekt weil Luzifer die Bestrafung der Sünder in der Hölle leitete und Samael nichts mehr liebte, als Menschen leiden zu lassen. Auch sonst waren sie nicht unbedingt das, was man unter dem Idealbild von Engeln verstand. Wann genau es zwischen ihnen angefangen hatte, wussten selbst die beiden nicht mehr so genau. Es war anzunehmen, dass sich die Sache langsam entwickelt hatte, als Samael damals Eva in Gestalt einer Schlange überredet hatte, einen Apfel zu essen. Jeder andere Engel hätte es aus reiner Gehorsamkeit und Loyalität gegenüber Gott getan und sich nicht viel dabei gedacht. Samael jedoch war mit voller Überzeugung bei der Sache gewesen und das hatte Luzifer sofort erkannt. Diese tief verwurzelte Abscheu gegen die Menschen, die im Kontrast zu seiner Position als Engel stand, wirkte irgendwie anziehend auf den Höllenfürst. Man konnte fast sagen, er hatte eine Art Fetisch für besonders böse Jungs. Luzifer war Samael hoffnungslos verfallen und liebte ihn abgöttisch mit jeder Faser seines Körpers. Für ihn war der Seraph der Reinheit und Widersacher der Menschen das Sinnbild von Stolz, Würde und unbarmherziger Grausamkeit. Und für ihn hätte er alles getan, was Samael ihm befiehl. Dieser wusste das und genoss es regelrecht, derart begehrt zu werden, vor allem wenn sein Liebhaber jemand war, der unzählige Armeen von Dämonen unter seinem Kommando hatte. Es hatte etwas Verbotenes und Lästerliches an sich und gab ihm selbst das Gefühl, mächtig und überlegen zu sein. Und machte das die ganze Sache nicht erst so richtig aufregend? Kaum hatten sie Samaels Privatgemächer im sechsten Himmel erreicht, fiel jegliche Zurückhaltung von ihnen und sie gaben sich hemmungslos ihrer Leidenschaft und ihrer Lust hin. Keiner scherte sich darum, dass sie während der gesamten Sitzung gegeneinander gearbeitet hatten. Was machte schon eine berufliche Meinungsverschiedenheit aus, wenn man dafür nach langer Zeit der Trennung den leidenschaftlichsten Sex aller Zeiten haben konnte? Trotz seiner Stellung als himmlischer Engel liebte Samael den heißen und vor allem unmoralischen Sex mit dem Feind seines Schöpfers. Er liebte das Gefühl der absoluten Intimität und sich vollkommen im Rausch der Leidenschaft und Ekstase zu verlieren. Außerdem gab es keinen besseren Liebhaber als einen Teufel. Vor allem aber gab ihm der Sex mit Luzifer etwas, das ihm kein anderer geben konnte: das Gefühl der absoluten Kontrolle. Selbst wenn er stets den passiven Part übernahm, wusste er genau dass er eigentlich derjenige war, der die Oberhand hatte. Er allein war es, der darüber entschied, wann und wie Luzifer mit ihm schlief. Sein Wort war Gesetz und sein Liebster war ihm absolut hörig. Und dieser war sogar freiwillig bereit dazu, sich ihm vollständig zu unterwerfen. Aber Samael gehörte nicht zu der Sorte, die einen willenlosen Sklaven als reines Sexspielzeug und Fußabtreter ohne Würde haben wollte. Er wollte keinen Schoßhund, der nicht mal in der Lage war, selbstständig zu handeln, geschweige denn sich gegen andere behaupten zu können. Sein Partner sollte mächtig, willensstark und gefährlich sein, aber auch bereit dazu, sich ihm mit ganzem Herzen hinzugeben. Also ließ er ihm seine Macht und Freiheiten, solange er es ihm erlaubte. Doch ein einfacher Wink mit der Hand reichte schon aus, damit er Luzifer ganz für sich vereinnahmt hatte. Nach ihrem schnellen aber wilden Schäferstündchen setzte sich Samael auf und ging zu einem großen Schrank hin, in welchem er eine ganze Reihe unsagbar teurer und edler Weinflaschen aufbewahrte. Er entkorkte eine davon und füllte zwei Gläser, die schon bereitgestellt waren. Luzifer war gleich schon bei seiner Ankunft in Samaels Gemächer aufgefallen, dass dieser eine gewaltige Sammlung hatte und er staunte nicht schlecht darüber. Nicht nur, weil ganz offensichtlich eine große Leidenschaft dahintersteckte, sondern weil es auch noch etwas war, das von Menschen hergestellt wurde und es somit eigentlich gar nicht zu ihm passte. „Du überraschst mich immer wieder aufs Neue“, meinte er und nahm das Glas an, welches der blinde Seraph ihm hinhielt. „Ich hätte nicht erwartet, dass du ein solcher Weinliebhaber bist.“ „Bin es immer schon gewesen“, entgegnete dieser mit einem verführerischen Lächeln und trank einen Schluck. „Aber den Messewein, den du hier im Himmel kriegst, kannst du genauso gut in den Abfluss kippen. Deshalb gehe ich immer hinunter auf die Erde, weil du nur dort wirklich guten Wein bekommst. Wenigstens etwas, wozu die Menschen gut sind. Hast du erst einmal davon gekostet, willst du nie wieder zurück zu dem minderwertigen Zeug, dass dir im Himmel vorgesetzt wird.“ Luzifer schnupperte kurz am Glas und schwenkte ein wenig die dunkelrote Flüssigkeit im Glas, bevor er selbst einen Schluck davon nahm. Samael hatte nicht zu viel versprochen. Dieser Wein war wie eine Offenbarung für ihn und er traute sich fast gar nicht, weiterzutrinken. Doch sein Verlangen nach mehr übermannte ihn und er nahm noch einen tiefen Schluck. Nun fühlte er sich absolut selig und fürchtete schon den Moment, wo sein Glas leer sein würde und es keinen Tropfen mehr gab. Am liebsten hätte er ein ganzes Fass davon getrunken. „Du hast Recht“, pflichtete er glücklich lächelnd bei. „Das ist wirklich ein verdammt guter Wein. Ich würde sogar sagen, es ist der Beste, den ich bisher gehabt habe.“ Samael lächelte zufrieden und ließ ein wenig sein Glas kreisen. Ein unheilvoller Ausdruck lag in seinen blinden und trüben Augen. „Manche Weine in dieser Welt sind so kostbar, dass manche dafür sogar zu töten bereit wären. Ich persönlich finde, dass er erst seine ganz besondere Note bekommt wenn man weiß, wie viele Menschen man für eine Flasche getötet hat.“ Luzifer schwieg dazu, denn er wollte lieber keine Diskussion über die Menschen anfangen. Er wusste, wie sehr Samael sie verachtete und nichts lieber täte, als sie allesamt vom Angesicht der Erde zu vertilgen. Man konnte fast sagen, dass Samael sie mehr verabscheute als die bösartigsten Dämonen der Hölle. Er selbst sah das Ganze etwas entspannter. Er liebte die Sünde, hasste aber die Sünder und Heuchler, das lag eben in seiner Natur als Teufel. Er bestrafte die Verbrecher und führte die Menschen in Versuchung, um Gott eins auszuwischen. Aber er sah auch die guten Seiten in der Existenz der Menschheit. Immerhin hatten sie viel Kreativität und Einfallsreichtum und er ging immer wieder gerne zur Erde hinauf, um einfach ein gutes Essen zu genießen oder im irdischen Luxus zu schwelgen. Das waren alles Dinge, für die er die Menschen zu tolerieren bereit war. Letzten Endes fand er sie sogar unterhaltsam weil es dank ihnen nie langweilig wurde. Sie hatten nur halt das Pech, Schachfiguren in seinem Rachefeldzug gegen Gott zu sein. Aber er hatte auch nicht die gleiche unglückliche Erfahrung gemacht wie sein Geliebter, der durch einen Menschen sein Augenlicht verloren hatte. „Eines verstehe ich bis heute noch nicht: warum bemühen sich weder Gott noch Raphael darum, dir dein Augenlicht wiederzugeben? Wenn sie schon so viele Menschen durch Wunder geheilt haben, warum dann dich nicht?“ „Meine Augen wurden bereits geheilt“, meinte Samael schulterzuckend und strich mit seinen Fingern über die verblasste Narbe neben seinem linken Auge, wo ihn jener verhängnisvolle Schlag getroffen hatte. „Theoretisch sollte ich längst wieder sehen können, aber selbst ein Wunder reicht wohl nicht aus. Raphael meinte, es wäre eine Kopfsache und da würden Wunder auch nicht viel bringen, da sie nur körperliche Leiden heilen. Gott sagte damals zu mir, dass ich mein Herz öffnen und den Menschen vergeben sollte, dann würde ich schon wieder sehen können. Aber lieber bleibe ich bis in alle Ewigkeit ohne Augenlicht, als dass ich solch niederen und nichtswürdigen Kreaturen vergebe!“ „Dann komm doch zu mir in die Hölle“, raunte Luzifer ihm ins Ohr und legte einen Arm um Samaels zarte Schultern. „Stell es dir nur mal vor: du als Regent der Hölle mit tausenden Dämonen, die dir jeden Wunsch von den Lippen ablesen und in deinem Namen morden würden. Reichtum, Macht, die qualvollen Schreie der Verdammten… Wir wären auf ewig zusammen und vielleicht kann Satan sogar dein Augenlicht wiederherstellen! Als Teufel würdest du dich bei weitem besser machen, als auf ewig bloß ein zweitklassiger Diener dieses Alten zu sein. Klingt das nicht nach einem viel besseren Leben als hier oben?“ Samael bedachte dieses Angebot mit einem verführerischen Lächeln und leckte sich genüsslich über die Lippen. „Versuchst du etwa gerade, mich in Versuchung zu führen?“ „Schon möglich“, gab Luzifer zu und küsste ihn leidenschaftlich. „Also was sagst du dazu?“ Hier aber löste sich der Seraph wieder von seinem Liebhaber und schenkte noch etwas Wein nach. Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich und für einen Moment war es, als sähe Luzifer etwas in diesen trüben und leeren Augen auflodern. Samaels Lächeln verzog sich zu einer bösartigen Grimasse und ließ ihn mehr wie einen Dämon erscheinen. „Weißt du was der Unterschied zwischen uns beiden ist, Luci? Als du dich gegen Gott aufgelehnt hast, ging es dir nur um deinen gekränkten Stolz und deiner Gier nach Gottes absoluter Liebe. Du wolltest ihm gleich sein und das hat dich letzten Endes zu Fall gebracht. Ich aber habe ganz andere Pläne und Ambitionen. Ich bin ein Engel und als solcher halte ich es für meine heilige Pflicht, den Himmel vor jeglicher Art von Unreinheit zu bewahren. Gott ist vollkommen besessen von den Menschen und nimmt sie allen Ernstes im Himmel bei sich auf. Mit dieser Entscheidung hat er unser ganzes Reich entweiht! Diese Menschen waren schon immer von Grund auf verdorben, primitiv und unbelehrbar. Sie verdienen es doch gar nicht, auf dem gleichen Boden zu wandeln wie wir. Aber hat er mir jemals zugehört? Anstatt, dass er mir den Posten als sein Sprachrohr gab, wählte er ausgerechnet Metatron als wolle er mich persönlich beleidigen. Dieser jämmerliche Witz von einem Engel hat doch gar nicht das Rückgrat, um das Kommando über das gesamte Himmelreich zu haben. Er ist ein verweichlichter Schwächling und ein Feigling, nichts anderes ist er. Ich hätte den Posten bekommen sollen und nicht so ein erbärmlicher Waschlappen!“ „Und was genau hast du nun vor? Willst du Metatron töten und seine Stelle übernehmen?“ hakte Luzifer nach und trank einen großen Schluck. Er nahm Samaels Hassrede gelassen hin, denn das waren fast die gleichen Worte, die er selbst damals benutzt hatte, als er von seiner geplanten Rebellion erzählte. Er war vor seiner Verbannung Metatrons Leibwächter gewesen und hatte sich nach seiner Amtsenthebung selbst gewundert, warum Gott ausgerechnet einen solchen Angsthasen zum König der Engel erklärt hatte. Vermutlich weil dieser immer schön brav alles tat, was ihm gesagt wurde und er gar nicht den Mut besaß um aufzumucken. „Metatron aus dem Weg zu räumen löst nicht den Kern des Problems“, erklärte Samael schließlich. „Die einzige Möglichkeit, alles wieder in seine vorbestimmte Ordnung zu bringen ist, die Wurzel des wahren Übels zu entfernen. Seien wir mal ehrlich: Gott hat versagt als er diese Kreaturen erschuf und seitdem ist das Management komplett den Bach runtergegangen. Er redet nur noch mit Metatron und hat uns sonst gänzlich im Stich gelassen. Ganz zu schweigen davon, dass er so unreine Wesen wie Menschen in unser Reich lässt und uns damit völlig zum Gespött macht. Wenn ich aber das Zepter in der Hand hätte, dann könnte ich Gottes größten Fehler korrigieren und dann würde endlich wieder Ordnung in die Welt einkehren.“ Diese Offenbarung war so plötzlich und überraschend gekommen, dass sich Luzifer beinahe an seinem Wein verschluckte. Gegen den Himmel zu rebellieren und ein bisschen Chaos zu verursachen war ja eine Sache. Aber auf den Gedanken zu kommen, Gott selbst zu stürzen, grenzte fast an Wahnsinn. Vor allem stellte sich die berechtigte Frage, wie man es überhaupt schaffen sollte, etwas zu töten, das allmächtig war. „Du… du willst Gott töten?“ fragte er deshalb noch mal nach um ganz sicherzugehen, dass er sich nicht vielleicht doch verhört hatte. „Hast du jetzt etwa eine Nietzsche-Phase oder ist dir der Wein endgültig zu Kopf gestiegen?“ Doch der blinde Engel schien sich seiner Sache durchaus sicher zu sein und streckte seine rechte Hand aus. Langsam materialisierte sich aus Licht und Rauchschwaden ein Schwert mit einer schwarzen Klinge, die nach Blut, Fäulnis und Verderbnis stank. Waffen gab es im Himmel zu Genüge, aber sie wurden seit langer Zeit schon nicht mehr benutzt. Früher bestand die Aufgabe der Kriegs- und Todesengel darin, Dämonen zu erschlagen oder undankbare und aufmüpfige Völker zu mit Seuchen und Tod zu bestrafen. Da Krankheiten, Naturkatastrophen und Massenhinrichtungen zwar geholfen hatten, die Menschen gehorsamer zu machen, aber nicht unbedingt zu Gottes Beliebtheit beigetragen hatten, war man irgendwann zu anderen Mitteln übergegangen. Statt also das Volk mit Schrecken und Terror unter Kontrolle zu halten, hatte Gott es dann mit Liebe und Vergebung versucht. Als dieser gut gemeinte Versuch darin resultierte, dass sein Sohn ein eher unschönes Ende fand, hatte er es gänzlich sein gelassen und aufgegeben. Ein derart störrisches und eigenwilliges Volk, das nicht einmal Gott in den Griff bekam, war besser sich selbst überlassen. Nun war es aber so, dass all diese alten Waffen, mit denen Menschen und Dämonen getötet wurden, unrein wurden. Ein äußerst aufwendiger Reinigungsritus war deshalb nötig, um all diese heiligen Waffen wieder zu reinigen und ihren Glanz wiederherzustellen. Doch Samael hatte sein Schwert niemals reinigen lassen und es hatte sich über die Jahrtausende mit aller Art von Unreinheit vollgesaugt. Dies war längst nicht mehr das Schwert eines Engels, so viel stand fest. „Es gibt einen Grund, warum Gott nichts Unreines in seiner Nähe haben will“, erklärte der Seraph schließlich und ließ sein Schwert wieder auf die gleiche Art verschwinden, wie er es beschworen hatte. „Es ist genau das, was ihn verwundbar macht. Also habe ich dieses Schwert in langer und harter Arbeit entsprechend vorbereitet, damit ich es eines Tages gegen ihn verwenden kann. Diese Klinge hat so viel Blut von Menschen, Tieren und Dämonen in sich aufgenommen, dass es selbst für einen Seraph absolut tödlich ist.“ „Und wie genau stellst du dir das vor? Willst du einfach so in sein höchstes Heiligtum reinspazieren und ihn damit erschlagen, wenn der Alte gerade nicht aufpasst? Man wird dich gar nicht erst so weit vorlassen, selbst nicht als Vizeregent. Oder hast du etwa vor, jeden Engel abzuschlachten, der dir über den Weg läuft?“ „Natürlich nicht!“ rief Samael entrüstet. „Glaubst du etwa, ich bin ein Trottel so wie Michael? Warum sollte ich mir die Hände schmutzig machen, wenn ich das auch andere für mich erledigen lassen kann? Alles was ich brauche, sind nur die geeigneten Schachfiguren und den dazu passenden Konflikt. Was glaubst du wohl, wer den Änderungsantrag für das Regelwerk unterschlagen hat?“ Eigentlich sollte Luzifer nicht allzu überrascht sein, weil er Samael inzwischen gut genug kannte. Aber diese neueste Enthüllung machte selbst ihn sprachlos. Er brauchte nicht lange um zu der Schlussfolgerung zu kommen, wem er diese Krise zu verdanken hatte. „Das hätte ich mir ja gleich denken können, dass du dahintersteckst“, seufzte er und schüttelte den Kopf. „Aber musst du dabei ausgerechnet mir das Leben schwer machen? Was versprichst du dir davon? Willst du etwa eine weitere Apokalypse provozieren? Es hat ja schon beim letzten Mal nicht funktioniert weil dieser verdammte Halbengel sich eingemischt hat.“ „Das ist ja auch nur der Anfang! Erst muss genug Aufruhr in der Hölle geschürt werden, dann muss der Himmel von innen heraus zerstört werden. Und das klappt am besten, indem wir einfach die Schwächen der einzelnen Erzengel ausnutzen. Diese vier Vollidioten sind so leicht zu durchschauen, dass es das reinste Kinderspiel sein wird. Michael ist dumm wie ein Meter Feldweg und ein publikumsgeiler Möchtegernheld. Gabriel ist regelrecht von Neid zerfressen und sein Minderwertigkeitskomplex macht ihn fast schon bemitleidenswert. Raphael ist ein raffgieriger Egoist, dem es nur um seine eigenen Vorteile geht und Uriel ist das Bauernopfer, das von allen Seiten schikaniert wird. Man muss nur ein klein wenig Öl ins Feuer gießen und die vier werden sich selbst gegenseitig in Stücke reißen.“ „Ah verstehe“, murmelte Luzifer und begriff nun, was Samael vorhatte. Und im Grunde genommen war der Plan einfach aber erschreckend effektiv. Alles was sie tun mussten war bloß, den Streit zwischen den vier weiter anzuheizen und ihre Schwächen auszunutzen. Dann konnte man sie vielleicht sogar dazu bringen, gegen ihre eigenen Kameraden vorzugehen, ohne dass sie auch nur den geringsten Verdacht schöpften. „Ich muss schon sagen: du könntest selbst Satan ernste Konkurrenz machen, Samael. Und spiele ich auch eine Rolle in deinem Plan?“ „Klar doch“, versicherte ihm sein Liebster. „Wir müssen nur die zwei schwächsten Glieder dazu bringen, für uns die Drecksarbeit zu machen. Dann wird der Rest der reinste Selbstläufer sein. Du nimmst dir Gabriel vor und führst ihn ein klein wenig in Versuchung. Er muss dazu gebracht werden, Michael bei der nächstbesten Gelegenheit zu verraten. Ich hingegen werde mich um Uriel kümmern. Der arme Trottel sehnt sich regelrecht nach Anerkennung und Zuwendung, der wird mir komplett aus der Hand fressen nachdem ich ihn erst mal um den Finger gewickelt habe. Dazu brauche ich bloß ein wenig meinen Charme spielen zu lassen. Wenn ich erst mal Metatron und die Erzengel aus dem Weg geräumt und im Anschluss Gott dem Garaus gemacht habe, werden die Dinge ganz anders laufen. Dann werden wir gemeinsam Himmel und Hölle regieren und von den Menschen wird nichts mehr übrig bleiben. Dann gehört die Hölle wieder ganz den Dämonen und der Himmel allein uns Engeln.“ Damit wollte Samael gemeinsam mit Luzifer anstoßen, doch dieser hatte ein paar Bedenken, was den ganzen Plan anging. Zwar traute er dem Seraph zu, dass er diesen Plan bis zum bitteren Ende durchzog, aber so ganz wohl war ihm nicht dabei. Auch wenn ihn sämtliche Engel hassten, waren sie trotz allem so etwas wie seine Familie gewesen und sie einfach so zu töten, erschien ihm doch ein wenig zu radikal. Ganz zu schweigen davon, dass allein die Vorstellung, Himmel und Hölle als neuer Gott zu regieren, an Größenwahnsinn grenzte. Zwar war er immer für einen sündigen Spaß zu haben, wenn er seinem Schöpfer damit gehörig auf die Nerven und ihm den Tag ruinieren konnte. Aber nie im Leben wäre ihm jemals der Gedanke gekommen, Gott selbst von seinem Thron zu stoßen. „Also ich weiß nicht so recht…“, murmelte er unsicher. „Meinst du nicht auch, dass es ein wenig zu weit geht? Gott provozieren oder ein paar Menschen massakrieren ist eine Sache. Aber ihn gleich zu töten ist eine ganz andere Liga. Keiner weiß, ob das überhaupt möglich ist!“ Hieraufhin stand Samael abrupt auf, schnappte sich sein Gewand und kleidete sich wieder an. Er schien verärgert über Luzifers Skrupel zu haben und machte sich auch nicht die Mühe, seinen Zorn zu verbergen. „Ich hätte es mir ja gleich denken können“, meinte er und stellte die Weinflasche wieder zurück an ihren Platz. „Ich wusste gleich, dass du nicht Manns genug für so etwas bist. Du mit deinem Vaterkomplex bist letzten Endes auch nur ein Feigling so wie Metatron! Und ich hatte tatsächlich die Hoffnung gehabt, in dir würde ein wahrer Teufel stecken.“ Hier aber fühlte sich Luzifer in seinem Stolz massiv gekränkt und er sprang sogleich auf und packte Samaels Handgelenk. „Wag es bloß nicht, mich auf eine Stufe mit Metatron zu stellen. Wenn du allen Ernstes glaubst, dass ich feige wäre, dann werde ich dir schon zeigen, wozu der Fürst der Hölle wirklich imstande ist!“ Was Luzifer nicht wusste war, dass er mit seiner Reaktion dem Todesengel genau damit in die Hände spielte und gar nicht merkte, dass er genauso manipuliert wurde wie die Erzengel. Es war eine so banale Taktik, die aber derart gut funktionierte, dass es selbst einen ausgekochten Bastard wie Samael erschreckte. Aber solange er bekam was er wollte, war ihm jedes Mittel recht. „Ich liebe es wenn du wütend wirst“, kommentierte er mit einem zufriedenen Lächeln und schnallte sich im Anschluss seinen Gürtel um und richtete seinen Saum. „Dann verlasse ich mich auf dich, Luci. Bin mal gespannt wie leicht es sein wird, Uriel den Kopf zu verdrehen. So wie ich den armen Trottel einschätze, wird er mein Angebot gar nicht ablehnen können.“ „Mach mich nicht eifersüchtig“, mahnte Luzifer ihn und begann sich nun ebenfalls wieder anzukleiden. „Auch wenn ich ein Teufel bin, mag ich es nicht, dich mit anderen teilen zu müssen.“ „Nur keine Sorge. Gott mag dich zwar als seinen Liebling verstoßen und achtlos weggeworfen haben, aber für mich bist und bleibst du die einzig wahre Liebe. Vergiss nicht: ich habe allein wegen dir mit Lilith Schluss gemacht.“ Damit gab Samael ihm einen Kuss zum Abschied und machte sich auf den Weg. Es galt nun, einen Erzengel zu verführen und da wollte er lieber nicht zu lange damit warten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)