Persona 3 -After the Years- von fubukiuchiha ================================================================================ Prolog: 0 - Prolog ------------------ ~~~Mittwoch 30. März 2016~~~   Immer wieder hallte ein missgelauntes Brummen durch die Küche der Familie Kurosaki, in der vier Leute am Esstisch saßen. Die beiden Erwachsenen, eine hübsche Frau mit braunen Haaren und blauen Augen und ein Mann mit dunkelbraunen Haaren, dessen braune Augen hinter einer Brille ruhten, hatten den Blick fest auf ihre Kinder gerichtet. Die Jüngere von beiden, ein Mädchen von sieben Jahren, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und starrte schmollend auf ihren Teller, auf dem ihr Essen langsam kalt wurde. Neben dem Mädchen saß ein junger Mann von 16 Jahren, der eine Broschüre las, die er in der rechten Hand hielt, während er sich mit der linken ein Stück Sushi in den Mund schob.   Die Broschüre zeigte eine hochrangige Schule, auf die der Braunhaarige bald gehen würde, doch hatte die Nachricht die Stimmung im Haus in den Keller sinken lassen. Nicht nur würde er die Schule wechseln, er würde auch noch in ein Wohnheim ziehen, was jetzt nicht unbedingt die schlechteste Nachricht war. An sich hatte er keine Probleme mit dieser Situation, denn es war lediglich zu seinem Vorteil, doch störte es ihn extrem, dass solche Dinge erneut über seinen Kopf hinweg entschieden worden waren. Während er in der Broschüre las, sah seine Mutter Rin ihn besorgt an: „Was sagst du dazu, Schatz? Es wäre für zwei Jahre, damit du deinen Abschluss machen kannst, ohne auf deinen Vater und mich Rücksicht nehmen zu müssen.“ Um ihm die Situation schmackhaft zu machen, ergriff nun auch sein Vater das Wort: „Du brauchst dir auch um die Kosten keine Sorgen zu machen, Aiden. Das Wohnheim gehört zu meiner Firma, also läuft das alles über meine Chefin. Du brauchst dich lediglich auf die Schule zu konzentrieren.“   Nun sah der Angesprochene von dem Prospekt auf und erwiderte die Blicke seiner Eltern. Es war eigentlich egal, was er sagen würde: Der Umzug stand bereits fest. Die Fragen nach seiner Meinung waren lediglich dazu da, um zu sehen, ob er den Umzug freiwillig oder mit nie endender Nörgelei hinter sich bringen würde. Mit einem leisen Seufzer legte er das Papier auf den Tisch und stützte das Kinn auf die Handfläche: „Wohnen da noch andere Schüler, oder sitze ich nachher alleine in diesem Wohnheim?“ Auf die Frage konnte sein Vater nur mit den Achseln zucken, doch hatte Aiden noch eine andere Frage: „Darf ich Kiara mitnehmen oder muss ich sie bei euch lassen?“ Wie auf Kommando sprang eine hellbraune, getigerte Katze mit blaugrünen Augen auf seinen Schoß und sah ihn neugierig an. Mit einem leichten Lächeln kraulte der Junge sein Haustier hinter den Ohren und sah seinen Vater abwartend an.   Nachdenklich kratzte sich der Brillenträger am Kinn, doch nickte er dann zustimmend: „Ja, Tiere sind kein Problem. Da muss vor einigen Jahren auch mal ein Hund gewohnt haben, also sollte eine Katze in Ordnung gehen.“ Mit einem leisen Brummen dachte Aiden über die Situation nach. Er konnte es sowieso nicht ändern, also würde er das Beste aus der Sache machen. Er nickte einmal und erhob sich dann vom Tisch, wobei seine Katze es sich auf seiner linken Schulter bequem machte. Seine Eltern sahen sich erleichtert an, doch seine Schwester schob die Unterlippe so weit vor, dass man fast drauf treten könnte. Mit einem leisen Lachen verwuschelte der Junge ihr die Haare und verließ dann das Esszimmer, um in sein Zimmer zu gehen. Dort angekommen wechselte Kiara den Platz von seiner Schulter zu seinem Bett, von wo aus sie das Zimmer genauestens inspizierte.   Aiden ging zu seinem Kleiderschrank und zog seinen Koffer daraus hervor. Da er schon sehr oft umgezogen war, hatte der Koffer deutliche Gebrauchsspuren, doch war er immer noch in einem guten Zustand. Summend begann er seine Kleider in den Koffer zu räumen und ging danach ins Bad, um seine Hygieneartikel zu holen. Nach einer Dreiviertelstunde hatte der Braunhaarige seine Habseligkeiten zusammengepackt und sah sich noch einmal in dem Raum um: „Wenn man so oft umzieht geht das echt schnell, oder ich habe einfach sau wenig Zeug. Was meinst du, Kiara?“ Mit einem fragenden Blick drehte seine Katze den Kopf leicht schief und sah ihn fest an, wobei Aiden wie so oft zuvor das Gefühl hatte, als würde sein Haustier jedes Wort verstehen, was man mit ihr wechselte.   Wenig später saß Aiden mit seinem Laptop auf dem Bett und hatte einige Internetseiten über die Stadt und seine neue Schule geöffnet, wobei ihm etwas Kopfzerbrechen bereitete: Die Schule befand sich in Tatsumi Port Island und er war sich absolut sicher, dass er noch nie in dieser Stadt gewesen war, dennoch kam ihm das alles irgendwie bekannt vor. So sehr er auch überlegte, er kam zu keiner Antwort, weshalb er den Laptop beiseiteschob und sich in seine Kissen kuschelte. Schnurrend rollte sich seine Katze auf seinem Bauch zusammen, was Aiden ein friedliches Lächeln entlockte, bevor er langsam einschlief. Kapitel 1: I - Willkommen in Port Island ---------------------------------------- ~~~Donnerstag 31. März 2016~~~   Ein genervtes Stöhnen hallte durch den Flur des Hauses der Familie Kurosaki, während Aiden seinen Koffer hinter sich her schleppte. Auch wenn er schon zig mal umgezogen war konnte er sich nicht an das Gewicht des Koffers gewöhnen. Was ihn noch mehr ausbremste war die Tatsache, dass seine kleine Schwester sich an sein linkes Bein geklammert hatte. Bei jedem Schritt versuchte sich Kari so schwer wie möglich zu machen, denn sie war immer noch nicht damit einverstanden, dass ihr Bruder ohne sie umziehen sollte. Mit einem wehleidigen Blick sah Aiden nach unten und suchte nach den passenden Worten, um die Jüngere zu besänftigen: „Kari, wir können es sowieso nicht ändern. Die Papiere für den Schulwechsel sind genehmigt und ich muss da morgen erscheinen.“   Das kleine Mädchen ließ sich nicht beirren und blieb hartnäckig an ihrem Bruder hängen, der nur einen weiteren Seufzer ausstieß. Er konnte sie ja verstehen, aber es gab keine andere Möglichkeit, weshalb er sich hilflos den Nacken rieb. Er bekam zum Glück Hilfe in Form seiner Mutter, die in diesem Moment die Treppe hochkam und ihn auffordernd ansah, während sie Kiara im Arm hielt: „Aiden, was brauchst du denn so lange? Dein Vater wartet unten schon auf dich.“ „Ich würde ja schneller machen, aber ich bin leider überladen“, erwiderte der Teenager und sah hinab zu seiner Schwester, die sich beim Anblick ihrer Mutter noch enger an ihren Bruder klammerte. Rin war von der Situation überhaupt nicht begeistert und stemmte die rechte Hand an die Hüfte: „Kurosaki Hikari, hör mit diesem unmöglichen Benehmen auf. Wir tun das für die Zukunft deines Bruders, also lass ihn los, die beiden haben eine lange Fahrt vor sich.“   Mit einem leisen Jammern suchte die kleine Brünette nach einer Ausflucht, doch unter dem strengen Blick ihrer Mutter zog sie nur den Kopf ein: „A-aber... kann Onii-chan nicht bei uns bleiben? Oder wir mit ihm mitgehen?“ Mit einem leisen Seufzer ging die Mutter in die Hocke und setzte ihrer Tochter die Hand auf den Kopf, was diese wohl etwas beruhigte: „Hör mal, mein Schatz, dein Bruder ist doch nicht für immer weg und wenn du dich benimmst, darfst du ihn in den Ferien besuchen gehen. Ist das okay?“ Etwas zögerlich sah die Kleine zu ihrem Bruder auf, der ihr ebenfalls den Kopf tätschelte und dabei freundlich lächelte. Mit einem leisen Schniefen ließ Kari Aidens Bein los und stand vom Boden auf.   Traurig sah der Braunhaarige auf seine Schwester, bevor er sich an seine Mutter wandte und seine Katze an sich nahm: „Wenn du lieb bist, machen wir was ganz tolles, wenn du mich besuchen kommst. Wenn ich mich dann dort auskenne, versteht sich. Aber dafür musst du dich benehmen.“ Mit leicht eingezogenem Kopf sah die Kleine zu ihrem Bruder auf und nickte dann zaghaft, als Aiden sie bat, die Transportbox für Kiara aus seinem Zimmer zu holen. Der Bitte des Braunhaarigen kam das Mädchen sofort nach, was die Mutter genervt aufseufzen ließ und mit ihrem Sohn den Koffer nach unten trug.   Vom Flur aus konnte man durch die offene Haustür auf das parkende Auto schauen, in dem Aidens Vater Yuugo dabei war, das Navigationsgerät zu programmieren. Die Fahrt würde vermutlich extrem lange dauern, schoss es Aiden durch den Kopf, denn es regnete bereits den ganzen Morgen wie aus Eimern. Nachdenklich sah der Junge in den Himmel, bevor er sich einmal streckte um die Müdigkeit etwas los zu werden, denn es war immerhin erst kurz vor sieben Uhr. Kari kam die Treppe herunter und reichte ihrem Bruder die gewünschte Box, in die er seine Katze nur unter größtem Protest dieser verfrachten konnte. Mit einem vorwurfsvollen Blick sah das Tier ihren Besitzer aus der Box heraus an, was diesen aber nicht sonderlich störte und sie stattdessen auf den Rücksitz stellte. Yuugo packte den Koffer in den Kofferraum und rieb sich den Rücken, bevor er noch einmal zur Haustür ging um sich zu verabschieden.   Aiden folgte seinem Vater und nahm als erstes seine Mutter in den Arm, die ihm einen Kuss auf die Wange drückte: „Pass auf dich auf und mach um Himmels Willen keine Schwierigkeiten. Wenn irgendwas sein sollte, egal was es ist, ruf an und sag Bescheid.“ Mit einem leichten Augenrollen ließ der Junge die Verabschiedung seiner Mutter über sich ergehen, denn eigentlich war er ja froh, dass sie sich solche Sorgen um ihn machte. Im Anschluss ging er in die Hock und sah seiner kleinen Schwester in die Augen, die versuchte die Tränen zurück zu halten, was ihr aber nicht wirklich gelang. Vorsichtig nahm er sie in den Arm und strich ihr sanft über den Rücken: „Benimm dich Kari und mach Mama und Papa keine Schwierigkeiten, okay? Wenn du es tust werd ich das erfahren.“ Er sah sie mit einem gespielt tadelnden Blick an, der die Kleine kurz schmunzeln ließ, bevor sie sich an ihren Bruder schmiegte: „Ich verspreche es, ich werde mich benehmen. Du wirst mir fehlen, Onii-chan.“ „Du mir auch, meine Kleine, aber wir sehen uns ja. Wie gesagt, wenn alles ruhig ist kommst du in den Ferien zu mir“, erwiderte er und erhob sich wieder, um mit seinem Vater zum Auto zu gehen. Noch einmal hob er zum Abschied die Hand, bevor er in den Wagen stieg und sein Vater fuhr direkt los.   Wie es sich der Braunhaarige bereits gedacht hatte, machte der Regen es extrem schwer voran zu kommen, was die Laune des Fahrers ziemlich in den Keller sinken ließ. Durch die Stadt waren sie noch einigermaßen schnell gekommen, doch auf der Autobahn sahen sie sich nun mit einem langen Stau konfrontiert. Yuugo schlug stöhnend die Stirn gegen das Lenkrad und murmelte genervt: „Wozu fährt man eigentlich so früh los? Nur um trotz allem in einem verdammten Stau zu Enden.“ „Soll ich mir die Ohren zuhalten, damit du in Ruhe fluchen kannst, Papa?“, fragte Aiden zaghaft nach und musterte seinen Nachbarn, der ihn einen Moment ansah, als wäre es sich nicht sicher, ob die Frage gerade ernst gemeint war. Dann brach er in schallerndes Gelächter aus und musste sich seine Brille zurecht rücken: „Ich denk drüber nach und komm vielleicht drauf zurück. Warum versuchst du nicht ein bisschen zu schlafen, ich weck dich, wenn wir da sind.“   Über die Aktion seines Vaters musste Aiden grinsen, doch als er einen langen Gähner nicht unterdrücken konnte entschloss er sich doch ein Schläfchen zu halten. Eigentlich war er nicht der Typ, der in sich bewegenden Fahrzeugen schlief, doch die Müdigkeit siegte über ihn. Kurz tastete er nach einem Knopf an seinem Sitz, damit die Rückenlehne nach hinten ging und als er eine bequeme Position hatte schloss er langsam die Augen. Kaum lag er so da, war er auch schon ins Reich der Träume verschwunden.   ~~~???~~~   Ich weiß nicht warum, aber irgendwas stimmte hier nicht. Um mich herum war alles schwarz, was vermutlich eher daran lag, dass ich die Augen noch geschlossen hatte, doch fühlte es sich irgendwie seltsam an. Eine leise Arie drang in meine Ohren und ich konnte mich nicht erinnern, seit wann mein Vater solche Musik hörte. Wenn ich so darüber nachdachte, konnte ich mich nicht erinnern, seit wann mein Vater überhaupt etwas mit Musik am Hut hatte. Ich öffnete die Augen und wollte meinen Vater ansprechen, doch brachte ich keinen Ton heraus. Jetzt war ich mir absolut sicher, dass hier was nicht stimmte, denn ich saß nicht mehr im Auto.   Egal wohin ich schaute, alles war in verschiedenen Blautönen gehalten. Links und rechts standen jeweils drei große Holzregale mit mehreren, verrückten Glasformen und Geräten und ich glaubte, so etwas mal in Spielen oder Filmen gesehen zu haben. Am Boden war ein großer, blauer Teppich ausgelegt und als ich den Kopf hob klappte mir unbewusst die Kinnlade herunter. Die Decke war eine einzige Glaskuppel, aus der ein riesiges Teleskop ragte. Am meisten erstaunte mich aber, dass ich in den Nachthimmel schaute, obwohl es eigentlich Tag sein müsste. Was mir auch auffiel war, dass der Himmel zwar wolkenlos, aber dafür auch sternenlos war. Lediglich der abnehmende Mond war zu sehen, jedoch wirkte er ohne die Sterne und die Wolken ziemlich unrealistisch.   Was war das hier für ein Ort und was mich momentan am meisten interessierte, wie zum Teufel war ich hier hergekommen? Ich sah schnell nach links und rechts, bevor ich mich umdrehte, um nach einem Ausgang zu suchen, doch sah ich nichts, was auch nur ansatzweise an eine Tür erinnerte. Plötzlich musste ich aufhorchen, denn ich könnte schwören, dass ich das Klingeln eines Glöckchens gehört hätte. Hier war aber nirgends ein Glöckchen gewesen, weshalb es mich umso mehr erschreckte, als es wieder klingelte und eine männliche Stimme hinter mir erklang: „Willkommen im Velvet Room, mein junger Freund.“   Ich fuhr sofort herum und traute meinen Augen nicht. Auf dem Teppich stand kleiner, runder Tisch mit einem Stuhl auf der einen und einem Sofa auf der anderen Seite. Auf der Couch saß ein kleiner Mann in einem schwarzen Anzug. Er hatte graues Haar, jedoch nur noch seitlich am Kopf, denn oben herum war es bereits eine Glatze. Seine leicht hervorquellenden Augen und seine lange Nase stachen jedoch am meisten hervor. Neben dem Sofa stand eine hübsche, junge Frau mit langen hellblonden Haaren, die ihr bis knapp über den Hintern reichten. Sie trug einen traditionellen Kimono, jedoch war dieser komplett in verschiedenen Blautönen eingefärbt. An der Schärpe um ihre Hüfte hingen zwei goldene Glöckchen und jetzt war auch klar, woher das Geräusch gekommen war.   Vorsichtig wich ich einen Schritt zurück, denn es war doch nicht normal, dass diese beiden aus dem Nichts aufgetaucht waren und der Tisch war eben garantiert auch noch nicht da gewesen. Die beiden starrten mich an und langsam stieg Panik in mir auf, doch dann deutete die Frau auf den Stuhl: „Bitte, werter Gast, setz dich doch.“ Ich traute dem Braten nicht, doch als keiner der beiden etwas sagte oder tat, setzte ich mich hin: „Wer seid ihr und wo bin ich hier gelandet?“ Der Langnasige gestikulierte leicht mit der linken Hand und sprach langsam zu mir: „Mein Name ist Igor und das ist meine Assistentin Amalia.“ Die besagte Frau verneigte sich höflich und dabei erklangen wieder die Glöckchen: „Es ist mir eine Freude, meinen eigenen Gast willkommen zu heißen. Mein Name ist Amalia, darf ich dich nach deinem Fragen?“   Langsam wurden mir die beiden echt unheimlich, doch leider war ich ja ein wohl erzogener Kerl, weshalb ich kurz nickte: „Ich heiße Aiden. Was meint ihr mit *Gast*? Und was ist das hier für ein Ort? Wie bin ich hierhergekommen?“ Igor lachte kurz auf und faltete die Hände vor dem Gesicht: „Dies ist der Velvet Room, ein Ort, der zwischen Traum und Realität existiert. Nun besondere Menschen, die einen Vertrag mit ihrem Schicksal eingegangen sind, können diesen Raum betreten.“ Ich konnte dem Kerl überhaupt nicht folgen, von was für einem Vertrag redete er da? Meine Verwirrung musste man mir wohl ansehen, denn Igor ergriff wieder das Wort: „Schon bald wirst du dich deinem Schicksal stellen, doch ob du die Aufgabe die vor dir liegt bewältigen kannst, das steht in den Sternen.“   Ich verzog das Gesicht, denn das Gespräch ergab erstens keinen Sinn und zweitens gefiel mir die Sache überhaupt nicht. Was hatte ich für einen Vertrag unterschrieben? Ich rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her, doch ergriff Amalia wieder das Wort: „Du wirkst verwirrt, Aiden-sama.“ „Das ist gar kein Ausdruck. Von was für einem Vertrag redest du? Ich habe nichts unterschrieben“, gab ich verstimmt zurück und sah Igor an, der wieder mit der Hand gestikulierte: „Das ist kein Vertrag, der einer Unterschrift bedarf. Du brauchst lediglich zu wissen, dass schon bald die Zeit kommt, in der du dich deinem Schicksal stellen musst. Leider ist unsere Zeit für heute vorbei.“ Noch mehr Gerede, dass keinen wirklichen Sinn ergab. Was sollte dieses Schicksal sein, dem ich mich stellen musste? Ich wollte dem Mann im Anzug noch eine Frage stellen, doch fühlte sich mein Kopf plötzlich furchtbar schwer an und selbst der Raum um mich herum begann zu verschwimmen. „Wir werden uns bald wiedersehen. Bis dahin, lebe wohl“, verabschiedete sich der Mann mit der langen Nase von mir und auch seine Assistentin erhob noch einmal die Stimme: „Wenn das Licht des Mondes schwindet, erheben sich die Schatten, doch das Licht der Sterne wird dich leiten. Auf unser baldiges Wiedersehen, Aiden-sama.“ Nun wurde mir komplett schwarz vor Augen und ich hatte das Gefühl, als würde ich fallen.   ~~~Tatsumi Port Island~~~   Mit einem Ruck fuhr Aiden aus dem Schlaf hoch und sah sich leicht desorientiert um, bevor er realisierte, dass er sich im Auto seines Vaters befand, der ihn überrascht ansah: „Alles in Ordnung, Aiden? Hast du schlecht geträumt?“ „Hä, was? Äh, ja... ich hab schlecht geträumt. Sorry, wollte dich nicht erschrecken. Sind wir schon da?“, gab der Schüler zurück und sah aus dem Fenster, wo er ein riesiges Gebäude entdeckte, vor dem sich unzählige Leute tummelten. Yuugo nickte zustimmend und stieg aus dem Wagen: „Ja, deine Bücher hab ich schon besorgt, weil ich dich nicht wecken wollte. Jetzt brauchen wir aber deine Uniformen, also aussteigen.“ Nach einem langen gähnen folgte der Junge seinem Vater aus dem Wagen und dann zu dem Gebäude. Trotz dem vielen Schlaf im Auto, war der Schüler immer noch hundemüde, weshalb er sich im Wohnheim wohl direkt ins Bett werfen würde. Auspacken wurde eh überbewertet, so wie er es bisher erlebt hatte.   Zu zweit gingen Vater und Sohn durch das Gebäude und Aiden kam nicht drum herum, sich zu erkundigen, wo sie eigentlich waren. Yuugo erklärte seinem Sohn, dass sie ich in der Paulownia Mall befanden, einem großen Einkaufszentrum. Alleine die Menge an Geschäften ließ den Braunhaarigen staunen, denn es gab wirklich alles: Polizei, Apotheke, Juwelier, Antiquitäten, Spielhallen, Karaoke, Disco und viele weitere. Das Ziel war allerdings eine Modeboutique, die Aiden von außen neugierig musterte. Sie war von außen mit Glasscheiben versehen, wodurch man die Ware im inneren sehen konnte und über der Tür war eine goldene Krone angebracht, auf der die Worte *Kaiser Crown* standen.   Im Inneren liefen mehrere Angestellte hin und her, um entweder zu beraten oder neue Waren in die Regale zu legen. So sehr Aiden auch suchte, er konnte nichts erkennen, was nach einer Schuluniform aussah: „Papa, bist du sicher, dass wir hier richtig sind?“ „Natürlich, du musst die extra bestellen. Komm, die Kasse da ist frei“, erwiderte der Ältere und steuerte einen Tresen an, hinter dem eine junge Frau mit blonden Haaren stand und gerade die Kasse mit einer neuen Bon-Rolle versah. Kaum standen sie vor der Kasse hob die Frau den Blick und musterte Aiden mit leuchtend violetten Augen: „Willkommen, kann ich dir irgendwie helfen?“ Der Blick, mit dem sie Aiden ansah, gefiel dem Jungen überhaupt nicht, weshalb er seinem Vater das Reden überließ: „Ja, mein Sohn braucht eine volle Garnitur Schuluniformen. Gekkoukan High School, zweites Jahr.“   Während sein Vater alles bestellte, nutzte der Junge die Zeit, um die Verkäuferin genauer zu betrachten. Sie hatte eine Figur, für die wohl jedes Model töten würde und dazu blondes Haar und violette Auge. Als sie um den Tresen kam, um die Ware zu holen, konnte Aiden einen Blick auf ihre Kleidung erhaschen, die aus einem schwarzen Minirock, einem rosafarbenen T-Shirt mit einem roten Blazer bestand, dazu trug sie dunkelgraue Stiefel mit Absatz. Um den Hals trug sie ein seitlich gebundenes, rosafarbenes Halstuch und aus irgendeinem Grund wackelte sie beim gehen sehr stark mit den Hüften. Der Blick seines Vaters reichte, damit Aiden den Grund verstand, weshalb er Yuugo mit dem Ellenbogen in die Seite stieß: „Hör auf zu starren, du bist verheiratet.“ „Ich starre doch gar nicht und deine Mutter braucht das auch nicht zu wissen“, erwiderte der Ältere und rieb sich nervös den Nacken, was seinen Sohn eine Grimasse ziehen ließ: „Ist klar.“   Kurz darauf kam die Verkäuferin mit mehreren Garnituren Uniformen zurück und trug sie zu einer Umkleidekabine. Aiden folgte ihr mit einem Seufzer und ließ es über sich ergehen, dass die Blondine ihm die einzelnen Kleidungsstücke anlegte um die Größe zu schätzen. Nach einigem überlegen und betrachten reichte sie ihm eine Hose, zwei Hemden, eine Jacke, sowie einen Sportanzug: „Ich denke mal, das sollte dir passen. Hast ja eine sportliche Figur. Wie alt bist du denn?“ „Ich bin 16, warum fragen Sie? Ich sollte die Sachen anprobieren“, antwortete der Braunhaarige und verschwand so schnell er konnte in der Umkleide, denn der Blick der Frau machte ihn nervös.   Nacheinander probierte er die verschiedenen Kleidungsstücke an, die zu seinem Erstaunen sehr gut passten. Die Uniform für den Winter bestand aus einer schwarzen Hose, einem weißen Hemd mit schwarzer Jacke und einem schwarzen Band, dass als Schleife um den Hals getragen wurde. Auf der linken Brust der Jacke prangte das Wappen der Schule. Für den Sommer trug man ein kurzärmeliges Hemd und die Sportkleidung bestand aus einem hellgrauen Anzug, die an den Seiten bis unter die Arme rot gefärbt war und einem weißen Streifen an jedem Arm. Er zog sich seine eigenen Kleider wieder an und betrachtete sich noch einmal im Spiegel, als etwas seine Aufmerksamkeit erregte. In einer Ecke der Umkleide flog ein leuchtender, blauer Schmetterling den der eine Weile betrachtete, bevor er sich wieder dem Spiegel zuwandte, doch da traf ihn fast der Schlag. Im Spiegel sah er hinter sich einen Jungen mit dunkelblauen Haaren, die sein rechtes Auge leicht verdeckten. Der Junge sah ihn fest an, weshalb Aiden schnell herumfuhr, doch war keine Person außer ihm in der Umkleide. Hektisch sah er sich um, doch war auch von dem Schmetterling nichts mehr zu sehen. Er versuchte sich einen Reim auf das eben gesehene zu machen, doch ertönte da die Stimme der Verkäuferin: „Alles in Ordnung da drinnen? Passen die Sachen?“ Noch einmal sah Aiden sich um, bevor er den Jungen verdrängte und mit den Kleidern die Umkleide verließ. Da die Größe die richtige für Aiden war, holte die Verkäuferin noch mehrere Garnituren, damit er genug Sachen hatte.   Yuugo bezahlte die Sachen und Aiden griff sich nach einer Verneigung die zwei Tüten, die er dann zum Auto trug. Neugierig ließ der Junge noch einmal den Blick schweifen und betrachtete die Leute, von denen wohl viele Schüler in seinem Alter waren. Es dauerte einen Moment, denn Yuugo bekam einen dringenden Anruf weshalb er sich jetzt beeilen musste und seinen Sohn über eine große Brücke in die Stadt fuhr. Erstaunt stellte Aiden fest, dass die Mall und die Schule auf einer Insel außerhalb der Stadt befanden, die mit einer Brücke und den Zugschienen mit dem Festland verbunden war. Ein wenig bereute der Junge es, dass er die Hinfahrt komplett verschlafen hatte, doch würde er noch genug Zeit haben, um die Stadt zu erkunden. Es ging ein Stück in die Stadt, bis der Wagen vor einem großen, braunen Gebäude zum stehen kam. Der Schüler stieg aus dem Auto und holte als erstes seine Katze von der Rückbank, die es kaum erwarten konnte die Gegend zu erkunden, denn sobald die Tür der Box geöffnet war, verschwand das Tier in der nächsten Hecke.   Unter leichtem Stöhnen hievte Aiden seinen Koffer aus dem Kofferraum und sah dann zu seinem Vater, der mit einem leisen Fluchen auf seine Uhr sah: „Es tut mir leid, Aiden, aber ich muss los. Ich wünsche dir alles Gute und mach bitte keinen Unfug.“ „Ja, ich hab es verstanden. Ich werde schon nichts anstellen. Komm gut Heim Papa und drück Mama und Kari von mir“, verabschiedete sich der Junge mit einer Umarmung von seinem Vater und sah ihm zu, wie er in den Wagen stieg. Für einen Moment hielt der Erwachsene inne und sah zu seinem Sohn: „Aiden... ach ist nicht so wichtig. Halt dich von Ärger fern, okay? Mach‘s gut.“   Leicht verwirrt starrte der junge Mann dem Auto nach und legte den Kopf schief. Was hatte sein Vater ihm noch sagen wollen? Er tat das Ganze mit einem Schulterzucken ab und schleppte dann seinen Koffer in das Wohnheim. Auf der linken Seite war ein Tresen aus dunkelbraunem Holz und dahinter ein kleiner Tisch mit einem Computer und eine Tür. Auf der rechten Seite stand eine Sitzgruppe aus zwei Sessel und zwei Sofas, sowie einem Fernseher in der Ecke. Der Bereich war von einer halbverglasten Wand von einem großen Essbereich getrennt. Links vom Tresen war ein Gang mit zwei Türen und dahinter führte eine Treppe in die oberen Stockwerke. Einen Moment blieb Aiden noch in der offenen Tür stehen und als Kiara ins Gebäude getrottet kam, schloss er die Tür.   Mit einem leichten Seufzer kraulte Aiden seine Katze, die sich auf den Tresen gesetzt hatte, hinter den Ohren und rieb sich den Nacken: „Tja, das ist dann wohl unser neues Zuhause, Kiara. Machen wir das Beste daraus.“ Er sah gedankenversunken auf ein Brett mit den Zimmerschlüsseln, als er aus dem Augenwinkel ein blaues Leuchten bemerkte. Neugierig sah er zu der Lichtquelle und entdeckte den blauen Schmetterling, der zu der Sitzecke flog und dort um einen Sessel kreiste, bevor er sich auflöste. Zu Aidens Erstaunen saß auf dem Sessel ein Mädchen in seinem Alter und las in einem Manga. Sie hatte petrolfarbenes Haar, dass ihr rechts leicht ins Gesicht hing und auf der linken Seite mit zwei Haarspangen gehalten wurde. Auf der rechten Seite hatte sie einen Zopf gebunden, der ihr locker über die Schulter hing. Sie summte leise, während sie eine Seite umblätterte und sich dann einige Haarsträhnen hinter ihr Ohr strich.   Kurz sah der Braunhaarige zu seiner Katze und dann wieder zu dem Mädchen, denn er war sich ziemlich sicher, dass sie vorhin noch nicht da gesessen hatte. Einen Moment lang beobachtete er die Grünhaarige, bevor er einen Schritt auf sie zumachte: „Ähm, hallo. Wohnst du auch hier?“ Das Mädchen reagierte nicht auf ihn, weshalb er seine Frage wiederholte und nun hob das Mädchen den Kopf, um ihn überrascht anzusehen: „Redest du mit mir?“ Die violetten Augen des Mädchens schienen für einen Moment förmlich zu leuchten, als Aiden sich nervös an der Wange kratzte: „Ja, ich meine, außer dir und mir ist hier keiner. Wen sollte ich sonst meinen?“   Vorsichtig legte sie den Manga beiseite und erhob sich von ihrem Sessel, um sich vor Aiden zu verneigen: „Entschuldige, aber ich bin es nicht gewohnt, dass mich Leute ansprechen. Ich heiße Nobiro Miyuki, und du?“ „Kurosaki Aiden, schön dich kennen zu lernen, Nobiro“, stellte sich Aiden vor und reichte dem Mädchen die Hand, die sie begeistert ergriff und sich wieder leicht verneigte: „Es ist mir ebenfalls eine Freude, Kurosaki-kun. Ich wusste gar nicht, dass ich einen Mitbewohner bekomme.“ Etwas überrascht sah der Braunhaarige wieder zu dem Schlüsselbrett, an dem lediglich ein Schlüssel fehlte: „Wohnst du alleine hier? Also, hier ist keine andere Person?“ Zur Antwort schüttelte das Mädchen den Kopf und verschränkte dann die Arme hinter dem Rücken: „Nein, ich wohne alleine hier, bis jetzt zumindest. Du bist so blass, ist alles in Ordnung?“   Kurz fuhr sich Aiden mit der Hand übers Gesicht und lachte dann verlegen auf: „Ich fühl mich echt nicht so gut. Kannst du mir vielleicht zeigen, wo die Zimmer sind? Ich will nur meinen Koffer auspacken und mich ins Bett legen.“ Miyuki nickte und deutet auf das Brett, von dem sich Aiden einen Schlüssel griff und dann seinen Koffer hinter sich herzog. Die Stufen waren für den Jungen die reinste Qual, doch mit Hilfe von Miyuki konnte er den Koffer relativ einfach in den ersten Stock tragen. Die Grünhaarige zeigte ihm den Gang mit den Zimmern für die Jungs, in dem auf der linken Seite zwei und auf der rechten Seite drei Türen waren. An jeder Tür probierte Aiden seinen Schlüssel aus, doch passte er erst bei der letzten Tür im Flur. Miyuki sah ihn leicht besorgt an und lehnte sich vor: „Kommst du klar? Wenn du was brauchst, ich bin einen Stock weiter oben, okay?“ Aiden nickte kurz um zu zeigen, dass er klarkommen würde und mit einem letzten Blick ging das Mädchen den Gang zurück und stieg dann die Treppe nach oben.   Mit einem langen gähnen öffnete der Junge seine Tür und betrat mit seiner Katze das Zimmer, dass er in den nächsten zwei Jahren bewohnen würde. Der Raum war recht einfach gehalten und besaß ein Bett, einen Kleiderschrank, einen Schreibtisch und einen kleinen Tisch mit einem Fernseher. Direkt neben der Tür war ein Spiegel und ein Waschbecken, weshalb er sich wohl in seinem eigenen Zimmer die Zähne putzen konnte. Überall lag dicker Staub, weshalb morgen wohl eine gründliche Putzaktion anstand. Er öffnete kurz das Fenster, staubte einmal flüchtig ab und bezog sein Bett frisch, bevor er sich in dieses legte und sich die Hand auf die Stirn legte: „Tja, hier sind wir. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was hier auf mich zukommt, aber Nobiro scheint nett zu sein. Wo ist sie nur so plötzlich hergekommen?“ Kiara legte sich auf seinen Bauch und sah ihn mit ihren blau-grünen Augen an, während ihr Besitzer sich etwas bequemer hinlegte: „Naja, wir werden sehen, was das Jahr bringt. Gute Nacht, Kiara.“ Im Dunkeln hörte er ein leises schnurren und mit einem Grinsen im Gesicht schloss er die Augen. Kapitel 2: II - Das Schuljahr beginnt ------------------------------------- ~~~Freitag 01. April 2016~~~   Ein leises, gleichmäßiges Atmen hallte durch Aidens Zimmer, wo der Braunhaarige friedlich schlafend in seinem Bett lag. Auf seinem Bauch hatte es sich seine Katze bequem gemacht und schien die Ruhe zu genießen, doch damit war es jetzt vorbei. Im Nächsten Moment begann das Handy des Jungen zu klingeln und riss ihn aus dem Reich der Träume, weshalb der Braunhaarige leicht hochschreckte. Einen Moment sah er sich desorientiert um, bevor sein Blick auf den klingelnden Störenfried fiel und mehr als einen genervten Seufzer konnte er nicht ausstoßen. Während er sich mit der linken Hand den Nacken rieb, tastete seine rechte nach dem Handy, um es zum Schweigen zu bringen. Er stieß einen langen Gähner aus und schwang die Beine über die Bettkante: „Es ist viel zu früh. Aber es muss sein, wäre schlecht, wenn ich direkt am ersten Tag eine Rüge wegen zu spät kommen kassieren würde.“   Neben dem Schüler ertönte ein leises miauen, weshalb er auf seine Katze sah, die ihn auffordernd ansah und ihr Blick vermittelte deutlich, dass sie etwas zu essen haben wollte. Damit er so wenig Zeit wie möglich verschwendete, zog Aiden es vor, als erstes ins Bad zu verschwinden. Er hatte zwar ein Waschbecken in seinem Zimmer, aber die Dusche musste es wohl separat geben. Er griff sich eine seiner Uniformen und verließ mit Kiara den Raum, um nach dem besagten Badezimmer zu suchen, welches er im Erdgeschoss auch fand. Er brauchte zum Glück nie sonderlich lange, um sich zu waschen und fertig zu machen. Die Tatsache, dass seine Katze in regelmäßigen Abständen ein missgelauntes miauen von sich gab, trieb ihn ein bisschen zur Eile an. Frisch gewaschen und angezogen verließ er das Bad und schon stand die nächste Frage im Raum: Wo befand sich die Küche?   Wenn es im Erdgeschoss ein Bad gab, lag die Vermutung nahe, dass hier auch irgendwo die Küche sein musste. Blieb die Frage ‚wo‘. Plötzlich hielt er inne und spitzte die Ohren, denn er meinte eine leise, singende Stimme zu hören, die von rechts kam. Er folgte der Stimme und fand die Tür hinter dem Empfangstresen, die er vorsichtig öffnete und in den Raum linste. Zu seiner Freude war es die gesuchte Küche, doch war er hier nicht alleine. An einem kleinen Tisch saß das Mädchen mit den petrolfarbenen Haaren, dass er gestern Abend kennengelernt hatte. Sie trug den schwarzen Rock der Schuluniform und statt der Jacke eine blau-violette Kapuzenweste. Sie schob sich einen kleinen Klumpen Reis in den Mund und sang dabei leise vor sich: „Shout, friends! Just those words you really mean. And let your voice be heard all over the world. Stand up when you hear the knock on the door. It's me, come on out; Get ready for your True Story.” So er es versuchte, Aidne konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, weshalb er die Küche betrat und die Hand hob: „Guten Morgen, Nobiro.” Erschrocken zuckte das Mädchen zusammen und verschluckte sich an dem Reis, den sie sich gerade wieder in den Mund geschoben hatte, was einen heftigen Hustenanfall zur Folge hatte. Sofort eilte der Braunhaarige zur Hilfe und holte ein Glas Wasser, bevor er dem Mädchen auf den Rücken klopfte. Nach ungefähr einer Minute hatte Miyuki den Hustenanfall überstanden und atmete tief ein und aus, bevor sie das Wasserglas in einem Zug leerte. Sie nahm noch einmal einen tiefen Atemzug und sah dann zu Aiden: „Danke Kurosaki-kun, erschreck mich aber bitte nicht wieder so.“ „Gomen’nasai, Nobiro. Ich wollte dich nicht erschrecken. Du kannst aber echt gut singen“, entschuldigte sich der Braunhaarige und versuchte dann das Thema zu wechseln, doch verlief dieser Versuch nicht so wie geplant, denn das Mädchen lief feuerrot an.   Miyuki versuchte sich auf ihrem Sitz so klein wie möglich zu machen, denn die Situation war ihr unglaublich peinlich: „Oh mein Gott, du hast das gehört? Mist, ich hab total vergessen, dass ich nicht mehr alleine hier wohne.“ Irgendwie fand Aiden die Reaktion niedlich, machte sich ebenfalls ein Frühstück und setzte sich der Grünhaarigen gegenüber: „Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen, aber du kannst doch super singen. Kein Grund sich zu schämen. Das war ‚True Story‘ von Risette, oder?“ Ein leichtes Lächeln schlich sich auf die Lippen des Mädchen, als sie den Kopf leicht zur Seite neigte: „Danke für das Kompliment. Du magst die Lieder von Risette auch?“ Auf die Frage machte der Braunhaarige eine leicht wackelnde Geste mit der Hand: „Naja, was heißt mögen? Ich bin nicht so der Musikfreund, aber meine kleine Schwester ist ein riesiger Fan. Da kommst du zwangsläufig mit den Liedern in Kontakt.“   Die Grünhaarige neigte den Kopf und sah ihren Mitbewohner neugierig an: „Du hast eine kleine Schwester? Das ist ja süß.“ Aiden wiegte den Kopf leicht hin und her und dachte darüber nach. Kari konnte man wirklich nur als süß bezeichnen, allerdings hatte sie auch solche Phasen, in denen sie einem den letzten Nerv rauben konnte. Während der Braunhaarige an die Decke schaute, warf Miyuki einen Blick auf ihr Handy und sprang sofort von ihrem Platz auf: „Oh, ich muss los, wenn ich den Zug noch erwischen will.“ Sofort war der Junge hellhörig, denn ihm fiel in dem Moment ein, dass er noch gar nicht wusste, wie er an die Gekkoukan kommen sollte. Den Weg hatte er gestern mit seinem Vater nicht mehr machen können, doch ergab sich hier eine andere Möglichkeit. „Hast du etwas dagegen, wenn ich dich begleite? Ich kenn mich in der Stadt noch nicht aus?“, wagte er den Versuch, was sein Gegenüber fröhlich nicken ließ: „Klar, kein Problem. Lass uns gehen.“   Aiden und Miyuki griffen nach ihren Schultaschen und verließen das Wohnheim, wobei die Grünhaarige immer wieder aus dem Augenwinkel nach hinten sah: „Du, Kurosaki-kun, ist dir aufgefallen, dass uns eine Katze hinterherläuft?“ Der Angesprochene sah ebenfalls nach hinten, wo er seine Katze Kiara entdeckte, die sofort zu ihm aufschloss und sich schnurrend um seine Beine schlängelte: „Ach so, die gehört mir. Nobiro, das hier ist Kiara.“ Miyuki lächelte fröhlich und verschränkte die Arm hinter dem Rücken, bis ihr wieder einfiel, was sie eigentlich vorhatten: „Oh je, wir müssen weiter. Beeil dich, Kurosaki-kun!“   Der Braunhaarige verabschiedete sich von seiner Katze und lief dann seiner Mitbewohnerin hinterher. Das Wetter war anscheinend gegen sie, denn kaum hatten die beiden Schüler die Bahnstation Iwatodai erreicht, begann es zu regnen wie aus Eimern. Die Fahrt im Zug verlief zum Glück ereignislos, doch erhaschte Aiden aus dem Zug einen Blick auf seine neue Schule und er konnte nur staunen. Miyuki stellte sich neben ihn und folgte seinem staunenden Blick: „Hast du die Gekkoukan Highschool schon mal gesehen? Obwohl, wenn ich deinen Blick so sehe, vermutlich nicht. Ist schon beeindruckend, oder?“ Der Braunhaarige konnte nur nicken und musterte seine Begleiterin, die gedankenversunken aus dem Fenster schaute. Sehr zum Ärgernis der beiden Schüler regnete es noch stärker als vorher, weshalb sie den restlichen Weg zur Schule durch den Regen laufen mussten. Zu Aidens Glück hatte Miyuki zwei Regenschirme in der Tasche, wovon sie ihm einen auslieh.   Nach einem kurzen Fußmarsch, der sie unter anderem an der Paulownia Mall vorbeiführte, erreichten die beiden das Schulgebäude, dass von nahem noch viel größer war als Aiden gedacht hatte. Die Grünhaarige kicherte über seine großen Augen, doch bevor sie ihn darauf ansprechen konnte, wurde sie schmerzhaft zur Seite gestoßen und hätte der Braunhaarige sie nicht aufgefangen, wäre sie im Matsch gelandet. Vorsichtig zog der Braunhaarige seine Mitbewohnerin auf die Füße und sah dann wütend zu den Schülern, die das Mädchen umgerannt hatten. Es waren drei Jungs in seinem Alter, wovon zwei schwarze und einer braune Haare hatten. Eigentlich war Aiden nicht der Typ, der leicht aus der Haut fuhr, doch jetzt war er sauer, weshalb er seine Mitschüler anblaffte: „Hey, wie wäre es, wenn ihr euch mal entschuldigt! Ihr könnt doch nicht jemanden umrennen und dann so tun, als wäre nichts passiert.“ „Es ist okay, Kurosaki-kun“, versuchte die Grünhaarige ihn zu beruhigen, was allerdings nur sehr mäßig funktionierte, denn der Braunhaarige machte weiter: „Es ist nicht okay! Die haben sich zu entschuldigen, auch wenn es keine Absicht war.“   Zu seinem Ärgernis taten die drei die Moralpredigt damit ab, dass da doch überhaupt nichts gewesen sei. Bevor der Braunhaarige noch etwas sagen konnte waren die drei Rempler schon im Schulgebäude verschwunden, was ihn wütend mit den Zähnen knirschen ließ. Um sich etwas abzureagieren wandte er sich an Miyuki, die ihn mit großen Augen ansah: „Geht es dir gut? Also ich würde das einem Lehrer melden, das geht gar nicht.“ „Ich sagte doch schon, es ist okay. Das passiert mir regelmäßig, also bin ich es gewohnt“, erklärte die Grünhaarige und erntete dafür einen skeptischen Blick von Aiden: „Was meinst du damit, du bist es gewohnt? Soll das heißen, dass du immer wieder über den Haufen gerannt wirst und es juckt keinen?“ Auf die Frage nickte das Mädchen nur knapp und sah zur Seite: „Ja, leider. Die meisten Leute übersehen mich einfach, daher passiert das des Öfteren, aber danke, dass du dich für mich eingesetzt hast.“   Aiden sah seine Mitbewohnerin an und konnte nicht verstehen, wie man eine Person so einfach übersehen konnte. Wenn er so darüber nachdachte, hatte er selbst Miyuki gestern nicht bemerkt, aber sich nach so einer Aktion nicht zu entschuldigen war eine Unverschämtheit. Er hätte weiter versucht etwas zu tun, doch der fröhliche Blick der Grünhaarigen hielt ihn davon ab: „Es ist okay, aber vielen Dank, dass du dich für mich einsetzt. Du bist echt lieb.“ Nun war der Braunhaarige etwas irritiert, doch beließ er es dabei, als in seinem Kopf eine seltsame Stimme wiederhallte: „Ich bin du. Du bist ich.“ Schnell sah er sich um, doch konnte er nichts erkennen, was für die Stimme verantwortlich sein könnte. Wie er sich dort umsah, kam er sich ziemlich dämlich vor, weshalb er mit Miyuki in das Gebäude lief, um aus dem Regen heraus zu kommen.   Im Erdgeschoss standen die Spinte, in denen die Schüler ihre Schuhe wechseln konnten. Dahinter kam das Foyer, von dem je ein Gang nach links und rechts führte. Neben dem rechten Gang stand ein großes Brett, dass offensichtlich für Meldungen und ähnliches war. An der gegenüberliegenden Seite befanden sich ein kleiner Kiosk und eine Treppe, die ins Obergeschoss führte. Auf Aidens suchenden Blick gab Miyuki eine kurze Erklärung ab: „Also, ich zeig dir kurz alles. Wenn du den Gang nach rechts gehst, kommst du zu den Räumen für die Schulclubs wie Fotografie, Kunst und so etwas. Auf der linken Seite sind das Lehrerzimmer, die Bücherei und die Krankenstation. Im ersten Stock sind die Räume für die Erstsemestler, im zweiten die Zweitsemestler... du siehst, worauf das hinausläuft, oder?“ Der Braunhaarige nickte verstehend und sah zu dem linken Gang: „Dann sollte ich mich wohl erst einmal anmelden gehen. Ich denke mal, danach kommt das übliche Prozedere?“ „Wenn du die Ansprache des Direktors und das Vorstellen vor der Klasse meinst, dann ja“, erwiderte die Schülerin und stellte ihre Schuhe in ihren Spint.   Die beiden verabschiedeten sich voneinander und während Miyuki sich zu dem Brett begab, um zu sehen, in welcher Klasse sie war, steuerte Aiden das Lehrerzimmer an. Der Gang führte nur geradeaus, doch waren alle Türen ausgeschildert, weshalb er an der ersten Tür auf linken Seite anklopfte. Nach einer Aufforderung zog er die Tür auf und betrat den Raum, der mit Tischen regelrecht zugestellt war, auf denen sich unzählige Akten und Ordner türmten. Neben dem Braunhaarigen waren zwei weitere Personen im Raum: Ein Mann mit grauem Anzug und einem Kabuto auf dem Kopf und eine Frau mit braunem Haar und einem rosafarbenen Kostüm. Die Frau bemerkte Aiden und begrüßte ihn freundlich: „Guten Morgen, kann ich dir helfen?" "Hoffe ich doch, ich bin Kurosaki Aiden. Ich bin hierher versetzt worden und wollte mich noch anmelden“, gab der Schüler gehorsam Antwort und sah zu, wie die Frau zu einem Aktenschrank ging und eine Akte hervor zog: „Ah, da ist sie ja. Oh, du hast aber schon ziemlich viele Schulen besucht. Hoffentlich bleibst du uns ein bisschen länger erhalten. Ich bin Toriumi Isako." Der Braunhaarige verneigte sich zur Begrüßung, als seine Lehrerin weiter sprach: „Dann wollen wir mal sehen, du bist in der 2-F. Das ist meine Klasse, so ein Zufall." Er grinste, jedoch trat er sich mental in den Hintern, denn von allen Lehrern war er direkt an seine Klassenlehrerin geraten.   Mit einem leisen Summen griff die Brünette nach einer Aktentasche und sah zu ihrem Schüler: „Nun denn, wir gehen als erstes in die Aula für die Ansprache des Direktors. Der Rest kommt danach.“ Der Schüler nickte und folgte der Frau durch die Schule bis in den Sportkomplex, wo sich die Aula befand. Nun stand Aiden vor dem Problem, dass er sich zu jemandem setzen musste und das war etwas, was er in den letzten Jahren vehement vermieden hatte. Das Glück war ihm dieses Mal jedoch hold, denn aus einer der Sitzreihen tauchte der grüne Haarschopf von Miyuki auf, die ihn zu sich winkte. Ohne lange zu überlegen folgte er der Aufforderung und nahm neben seiner Mitbewohnerin Platz, die ihn fröhlich angrinste: „Na, alles geklärt?“ „Ja und bin direkt an meine Klassenlehrerin geraten. Toller Anfang, aber was soll‘s. Kann es sein, dass diese Ansprachen in den Schulen immer gleich sind?“, gab der Braunhaarige zurück und ließ den Blick durch die Halle schweifen, wo er feststellte, dass kaum ein Schüler ihrem Direktor zuhörte. Beim Umsehen entdeckte er allerding die drei Schüler, die Miyuki vorher umgerannt hatten und der Braunhaarige in der Gruppe erwiderte seinen Blick. Aiden wusste nicht warum, aber etwas an den grünen Augen des anderen Schülers kam ihm seltsam vertraut vor.   Er machte sich keine weiteren Gedanken darum und versuchte seinem Direktor zuzuhören, doch erregte etwas anderes seine Aufmerksamkeit. Eine Reihe vor ihm tuschelten mehrere Schüler über einen Schrein: „Was denn, traust du dich nicht?“ „Das ist doch eh nur Quatsch, als ob der Schrein wirklich verflucht wäre.“ „Dann komm doch heute Abend mit, du Feigling.“ Etwas an dem Gespräch weckte Aidens Interesse, doch wurde die Diskussion von einem der Lehrer unterbunden, weshalb die restliche Ansprache in Ruhe stattfand. Nach der Ansprache des Rektors verließen alle die Aula und die beiden Wohnheim-Bewohner machten sich zusammen auf den Weg in den zweiten Stock machten.   Vor der Klasse hielt Toriumi Aiden zurück, denn er würde sich erst einmal der ganzen Klasse vorstellen müssen. Als alle Schüler in ihren Klassen waren, betrat auch der Braunhaarige den Raum und wurde direkt mit Blicken gelöchert. Die Pulte waren in Zweierreihen hintereinander aufgestellt, wobei es eine Reihe links, rechts und in der Mitte gab. Nachdem seine Lehrerin seinen Namen an die Tafel geschrieben hatte, wandte sie sich ihren Schülern zu: „Guten Morgen, meine Lieben. Ich hoffe, ihr hattet schöne Ferien. Wir haben ab heute einen neuen Mitschüler und ich möchte, dass Ihr ihn freundlich willkommen heißt. Stell dich bitte selbst vor.“ Die Aufforderung nahm der Braunhaarige mit einem stillen Seufzer hin und wandte sich an seine Mitschüler, die ihn neugierig anstarrten: „Guten Morgen, ich heiße Kurosaki Aiden und ich bin aus Tokio hergezogen. Ich hoffe, wir kommen gut miteinander aus.“ Nach seiner Vorstellung verneigte er sich einmal und sah dann seine Mitschüler an, wo ihm direkt Miyuki ins Auge fiel, die in der mittleren Spalte in der zweiten Reihe saß und ihm kurz zuwinkte.   Ohne auf seine Lehrerin zu achten, setzte sich Aiden auf den freien Platz neben seiner Mitbewohnerin. Seine Lehrerin ließ sich nicht lange beirren und eröffnete ihren Unterricht, der aus dem Fach Literatur bestand. Wirklich viel konnte er selbst mit dem Fach nicht anfangen, doch seine Sitznachbarin schien das anders zu sehen, denn sie sog den Lehrstoff förmlich in sich auf. So viel Stoff musste Aiden noch nie an seinem ersten Schultag ertragen, doch hier wurde das Tempo wohl extrem angezogen. Als dann endlich die Schulglocke zur Pause läutete, lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht: „Boah, wie ich erste Schultage hasse.“ „Och, das hier ist noch harmlos. Oh Mist!“, fluchte die Grünhaarige, als sie in ihre Tasche griff und dann wild darin herum wühlte. Neugierig musterte der Braunhaarige seine Bekannte, die ein leises Jammern ausstieß: „Ich hab mein Bento zu Hause vergessen.“ In dem Moment bemerkte der Braunhaarige, dass auch er sein Mittagessen vergessen hatte. Vergessen war in seinem Fall das falsche Wort, er hatte sich gar keins gemacht, dafür war er gestern zu früh ins Bett gegangen. Zum Glück hatte die Schule einen Kiosk, zu dem die beiden Schüler jetzt gingen. Wie Aiden es befürchtet hatte, gab es hier einen enormen Andrang und nach einer gefühlten Ewigkeit hatten sich beide ein Sandwich ergattern können, welche sie sich jetzt schmecken ließen.   Langsam stiegen sie die Treppe nach oben und als sie um die Ecke bogen, stießen sie fast mit einem braunhaarigen Schüler zusammen. Aiden erkannte den Jungen sofort, war es doch einer von denen, die am Morgen Miyuki über den Haufen gerannt hatten. Die Grünhaarige zog etwas den Kopf ein, als der Junge sich ihr zuwandte: „Hey, tut mir leid wegen heute Morgen. Auch wenn wir es eilig hatten, dürfen wir nicht so mit unseren Mitschülern umgehen. Ich hoffe, du hast dich nicht verletzt, das wäre bei einer hübschen Lady wie dir äußerst Schade.“ Das Gesicht des Mädchens wechselte so schnell die Farbe, als wäre sie eine Ampel und versuchte ihr Gesicht hinter ihrem Sandwich zu verstecken, denn sie war solche Sprüche nicht gewohnt. Aiden sah sich die Szene skeptisch an, denn irgendwie kam ihm diese Art ziemlich seltsam vor. Seine Mitbewohnerin lugte hinter ihrem Essen hervor und schaffte es sogar, einen vernünftigen Satz zustande zu bringen: „D-danke, die Entschuldigung bedeutet mir viel. Ich hab mir nichts getan, Kurosaki-kun war ja da, um mir zu helfen.“ Dabei sah sie ihren Mitbewohner fröhlich an, der etwas verlegen zur Seite schaute und in sein Brot biss. Bei der Erwähnung des Namens hatte der Braunhaarige mit den grünen Augen skeptisch eine Augenbraue in die Höhe gehoben und musterte Aiden jetzt: „Du heißt Kurosaki?“   Ein leichtes Nicken war die Antwort und sofort brach der Grünäugige in Jubel aus, wobei er Aiden in die Arme schloss: „Ich hab schon gedacht, ich hätte Halluzinationen. Aiden, du bist es wirklich!“ Völlig überrascht schob der Umarmte seinen Angreifer von sich und versuchte sich einen Reim darauf zu machen, als sich Miyuki leise einmischte: „Ihr beide kennt euch? Warum hast du das denn nicht gesagt?“ „Keine Ahnung, ich weiß nicht wer das ist, obwohl...“, nun musterte der den Jungen intensiv und dann machte es in Aidens Kopf klick, als er den Braunhaarigen endlich erkannte: „Das ist doch nicht wahr. Luca?“ Auf dem Gesicht des Grünäugigen erschien ein breites Grinsen, während er Aiden einen Arm um die Schulter legte: „Von wegen, du kennst mich nicht, das nehm ich dir übel, Amigo. Ich glaub es nicht, dass du auch auf die Gekkoukan gehst.“   Etwas unbeholfen befreite sich der Braunhaarige aus der Umarmung und machte einen Schritt zurück: „Ich bin genauso überrascht wie du. Wie lange ist das jetzt her?“ Sofort kam die Antwort, in der Luca erklärte, dass sie sich seit sieben Jahren nicht mehr gesehen hatten, doch bevor er weiter darauf eingehen konnte, wurde er von zwei anderen Schülern zu sich gerufen. Man sah ihm an, dass er wohl lieber noch mit Aiden gesprochen hätte, doch auf den erneuten Ausruf seiner Freunde gab der Junge stöhnend klein bei. Er hob noch einmal die Hand zum Gruß und folgte den anderen Schülern die Treppe hinunter. Miyuki biss wieder in ihr Brot und sah ihren Mitbewohner neugierig an: „Ich hätte nicht gedacht, dass du Silva-kun kennst. Aber es hat was Gutes, dann kennst du schon jemanden an der neuen Schule.“ Aiden sah es nicht ganz so optimistisch, denn er machte sich Sorgen: „Naja, wir haben uns seit sieben Jahren nicht gesehen und in der Zeit können sich Leute ändern. Ich glaube, wir sollten wieder in die Klasse.“ Etwas überrascht sah die Grünhaarige ihm nach und runzelte leicht die Stirn, doch folgte sie ihm in die Klasse, bevor sie noch Ärger bekam, weil sie auf dem Gang rumstand.   Der restliche Schultag verging relativ ereignislos, was Aiden auch sehr gelegen kam und nach dem erlösenden Läuten der Schulglocke machte er sich auf den Heimweg. Miyuki hatte ihn zu einem kleinen Stadtbummel einladen wollen, doch wollte er sich eher um die Reinigung seines Zimmers kümmern. Schließlich wollte er nicht in einem staubigen Zimmer schlafen, denn da hatte seine Mutter ihm etwas anderes eingetrichtert. Als er das Wohnheim betrat wurde er sofort von einem verstimmten Miauen begrüßt, denn seine Katze saß auf dem Tresen und schien auf ihr Essen zu warten. Nachdem er Kiara mit Futter und einer Schale Wasser versorgt hatte, stieg er die Treppe nach oben und bewaffnete sich mit Staubwedel und Putzlappen.   Trotz der Tatsache, dass sein Zimmer nicht so groß war, brauchte er dennoch den ganzen Nachmittag, bis er mit der Reinigung fertig war. Zum Abschluss sah der Braunhaarige noch einmal unter das Bett, denn dort sammelte sich gerne Staub und Schmutz an. Während er leise summte stieß er mit dem Ellenbogen gegen etwas kantiges, weshalb er ungewollt den Kopf hob und gegen den Lattenrot stieß: „Au, verdammt! Was ist das denn?“ Vorsichtig tastete er mit der Hand an die Stelle und zu seinem Erstaunen konnte er eine der Bodendielen anheben. Im Schein seiner Handy-Taschenlampe erkannte er einen kleinen, silbernen Koffer, den er nur mit größter Mühe unter dem Bett herausziehen konnte. Schwer atmend stand er anschließend in seinem Zimmer und legte den Koffer auf sein Bett.   Erstaunlicherweise war er nicht abgeschlossen, weshalb Aiden ihn einfach öffnen konnte, doch sofort schlug er ihn panisch wieder zu. Er war sich ziemlich sicher, was er da gerade gesehen hatte, dennoch ging er noch einmal auf Nummer sicher und öffnete den Deckel erneut. Im Inneren des Koffers lagen drei Gegenstände: Eine zerfledderte, rote Armbinde, ein alter, tragbarer Musikspieler und eine silberfarbene Pistole mitsamt Holster. So ganz geheuer war ihm die Sache nicht, doch bevor er weiter darüber nachdenken konnte klopfte es an seine Tür und die Stimme von Miyuki hallte zu ihm herein: „Kurosaki-kun, ich hab was von Wild Duck-Burger mitgebracht. Magst du auch was?“ „Was? Äh, klar... Ich komme gleich runter“, antwortete er leicht panisch und hoffte inständig, dass seine Mitbewohnerin es nicht bemerken würde. Als keine weitere Frage kam, schloss er schnell den Koffer und verstaute ihn wieder in dem Fach unter seinem Bett. Er hatte nichts gesehen und das Teil war gar nicht da, das würde wohl das Beste sein. Um sich zu beruhigen verließ er sein Zimmer und stieg die Treppe ins Foyer hinunter, um mit seiner Mitbewohnerin zu Abend zu essen. Doch so sehr er es auch versuchte, der Koffer spukte weiter in seinem Kopf herum. Kapitel 3: III - Schatten am Naganaki Schrein --------------------------------------------- ~~~Samstag 02. April 2016~~~   Der zweite Schultag begann ebenso verregnet wie der erste, was die Laune der Schüler deutlich in den Keller sinken ließ. Aiden selbst konnte sich bei solchem Wetter deutlich besser konzentrieren, weshalb er es eigentlich genoss, wie der Regen an die Scheibe prasselte. Im Lauf des Vormittags ließ der Regen allerdings nach und bescherte den Schülern eine recht sonnige Mittagspause, die der Braunhaarige mit seiner Mitbewohnerin, auf deren Wunsch hin, auf dem Dach der Schule verbrachte. Gestern Abend war er noch dazu gekommen und hatte für sie beide ein Bento machen können, was sie sich jetzt genüsslich schmecken ließen.   Miyuki war sich nicht sicher, was sie von den Kochkünsten ihres neuen Bekannten halten durfte, denn der Braunhaarige hatte sie während des Kochens aus der Küche geworfen. Daher wusste sie nicht, was er ihr in die Box gepackt hatte, dennoch wäre es unhöflich gewesen, diese nette Geste abzulehnen. Zum großen Erstaunen der Grünhaarigen war die Sorge vollkommen unbegründet gewesen, denn als sie den Deckel der Box abnahm sah sie sich einer köstlichen Sushi-Auswahl gegenüber. Bei dem Anblick lief ihr das Wasser im Mund zusammen, während ihre Augen fast schon zu leuchten begannen: „Oh mein Gott, Kurosaki-kun, hast du das wirklich selbst gemacht?“ Leicht überrascht sah der Braunhaarige auf und ließ das Sushi, dass er gerade essen wollte, wieder sinken: „Ist doch nichts dabei. War nur ne Kleinigkeit, für was kompliziertes hab ich leider keine Zeit gehabt.“   Bei dem Wort ‚Kleinigkeit‘ riss die Grünhaarige die Augen auf und traute ihren Ohren nicht. Das Essen sah besser aus, als bei ihrer Mutter und für Aiden schien das fast nichts zu sein. Etwas nervös zog sie den Kopf ein, denn sie wusste jetzt nicht, ob ihr Gegenüber bescheiden war oder angeben wollte. Statt darüber zu diskutieren genossen beide ihr Essen, doch hielt die idyllische Stille nicht lange an, denn kurz darauf ging die Tür zum Dach auf und Luca trat ins Freie. Der Junge sah sich suchend um und entdeckte nach einem Moment auch die Person, die er gesucht hatte: „Da bist du ja, Amigo! Versteckst du dich vor mir?“ Für einen Moment hielt Aiden inne und kaute auf seinem Essen herum, bevor er eine Antwort gab: „Wieso verstecken? Ich wollte nur in Ruhe essen, aber setzt dich doch zu uns.“   Das ließ sich der Junge nicht zweimal sagen und nahm neben seinem Freund Platz, der sich wieder etwas Sushi in den Mund schob: „Wow, deine Mom hat ja gut für dich gesorgt, Aiden.“ Wieder sah der Braunhaarige skeptisch zur Seite und erwiderte trocken: „Wieso meine Mutter? Ich koch mein Essen selbst.“ Darauf konnte Luca nur einen anerkennenden Pfiff ausstoßen und sah dann zu Miyuki, die ein etwas seltsames Gesicht machte: „Was schaust du denn so betrübt, Nobiro-chan?“ „Was? Nichts, alles gut. Ich fühle mich nur ein bisschen fehl am Platz“, erwiderte die Grünhaarige, was von den beiden Jungs sofort abgewehrt wurde, denn sie waren froh das Mädchen bei sich zu haben. Es dauerte ein bisschen, bevor der Grünäugige zu seinem wahren Anliegen kam: „Sagt mal, habt ihr diese komische Geschichte über den Geist gehört, der am Naganaki Schrein herum spuken soll?“   Miyuki verschluckte sich fast an ihrem Essen, doch Aiden erinnerte sich daran, dass er gestern bei der Ansprache ihres Direktors etwas darüber gehört hatte: „Ich glaube, gestern haben ein paar Schüler darüber gesprochen, aber ich weiß nicht genau, was es damit auf sich hat.“ Die Grünhaarige murmelte leise etwas davon, dass sie von Geistern lieber nichts hören wollte, doch wurde das von den beiden Jungs ignoriert, während Luca die Sache erklärte: „Angeblich taucht da immer um Mitternacht der Geist eines Mädchens auf. Ist der totale Schwachsinn, wenn du mich fragst, aber ich würde der Sache trotzdem gerne mal auf den Grund gehen. Was sagt ihr dazu? Sehen wir uns das heute Abend mal an? Ich meine, es ist Samstag, also können wir uns Zeit lassen, ohne am nächsten Tag Stress mit den Lehrern zu kriegen.“   Aiden zuckte nur mit den Achseln, denn er glaubte nicht an Geister, Dämonen oder solche Dinge, doch Miyuki schüttelte heftig den Kopf: „Blöde Idee, eine ganz blöde Idee. Hört mal, man sollte sein Glück nicht herausfordern, also vergessen wir die Sache einfach, okay?“ Die Stimme der Grünhaarige wurde leicht hysterisch und schien einige Oktaven höher als sonst zu sein, was den beiden Braunhaarigen ein leichtes Grinsen entlockte. Luca ließ es sich nicht nehmen noch ein bisschen weiter zu sticheln: „Aww, hast du etwas Angst, Nobiro-chan? Keine Sorge, so was wie Geister gibt es eh nicht und wir gehen da auch nur hin, um genau das zu beweisen. Also, seid ihr dabei?“ „Wenn ich nicht mitgehe, wirst du es alleine machen, hab ich recht?“, fragte Aiden mit einem leichten Grinsen, denn er wusste genau, wie sein Freund in solchen Situationen tickte. Die Frage wurde von dem Grünäugigen mit einem breiten Grinsen und einem Nicken beantwortet, jedoch jammerte Miyuki weiter vor sich hin, denn sie hatte keine Lust, sich mit Geistern rumzuschlagen.   Der Schultag verlief sonst recht langweilig, wobei Aiden Bekanntschaft mit dem schlimmstem Lehrer seiner gesamten Schulzeit machte. Mr. Edogawa war ein großer Mann mit schwarzen Haaren, der seinen Unterricht auf die Geschichte des Okkulten und der Magie bezog. An sich war es ja ganz interessant, vor allem als die Gesichte auf die japanische Mythologie und die entsprechenden Gottheiten kam. Das einzige, was den Spaß dieses Faches bremste war die Tatsache, dass Mr. Edogawa ohne Punkt und Komma redete und damit jeden Schüler in den Schlaf lullte. Als nach einer gefühlten Ewigkeit endlich die Schulglocke ertönte, ergriffen die meisten Schüler so schnell es ging die Flucht. Aiden und Miyuki packten ihre Sachen zusammen und machten sich auf den Weg, wobei sie an den Schließfächer noch einmal auf Luca trafen. Zum großen Ärgernis der Grünhaarigen wollte der Junge noch einmal sicher gehen, dass sie sich heute Abend am Naganaki Schrein treffen würden. So sehr das Mädchen es auch versuchte, sie kam aus der Sache nicht heraus und ergab sich ihrem Schicksal.   Den restlichen Nachmittag verbrachten die beiden Mitbewohner damit, sich um ihre Hausaufgaben zu kümmern, wobei sie sich bei einigen Fächern gegenseitig helfen mussten. Es überraschte den Braunhaarigen doch sehr, wie stark an dieser Schule das Pensum angezogen wurde, denn nach zwei Tagen so viele Hausaufgaben zu bekommen, war ziemlich stramm. Es war schon kurz nach Elf, als Aiden in seinem Zimmer unter sein Bett griff und den Koffer aus dem Geheimfach holte. Er konnte es sich nicht erklären, aber etwas sagte ihm, dass es sicherer wäre, die Pistole mitzunehmen. Er gürtete das Holster um und platzierte die Pistole an seinem Rücken, sodass sie unter seiner Jacke verborgen war. Irgendwie kam ihm das Gefühl mit der Pistole vertraut vor, doch schob er diesen Gedanken beiseite und ging nach unten ins Foyer. Seine Mitbewohnerin hatte sich dort auf der Couch in eine Decke eingewickelt und las einen Manga, wobei sie die einzelnen Szenen leise kommentierte.   Um viertel vor Zwölf machten sich die beiden auf den Weg zum Schrein, der nur ein kurzes Stück vom Wohnheim entfernt lag. Auf dem Schreingelände stand wie zu erwarten ein Schreingebäude und zum Erstaunen des Braunhaarigen war auf der linken Seite ein kleiner Spielplatz. Rechts neben dem Gebäude war ein etwas kleinerer Schrein für glücksbringende Lose und links davon stand ein großer, alter Baum. Miyuki stellte sich vor den Schrein und schien noch einmal ein Stoßgebet zu ihrem Schutz auszusprechen, doch Aiden zog es vor, sich auf das Klettergerüst des Spielplatzes zu setzen. Da er nichts zu tun hatte, sah er immer wieder auf seine Uhr und als es noch fünf Minuten bis Mitternacht waren kam Luca die Treppe zum Schrein hochgelaufen.   Er atmete ein paar Mal tief durch und hob dann grüßend die Hand: „Yo, sorry für die Verspätung. Dann machen wir uns mal auf die Suche nach dem Geist.“ „Wenn es denn sein muss“, jammerte Miyuki und blieb zur Sicherheit am Schrein stehen, während die Jungs das Gelände absuchten. Doch trotz allem war nicht die geringste Spur von übernatürlichen Wesen zu sehen. Die Grünhaarige war sichtlich erleichtert über die Erkenntnis, doch Luca sah man die Enttäuschung an. Anscheinend hatte er sich wirklich über eine Entdeckung gefreut, doch musste er sich der Realität stellen: „Tja, so viel dazu. Tut mir echt leid, aber jetzt können wir ja mit Sicherheit sagen, dass es so etwas wie Dämonen und Geister nicht gibt.“ Aiden lehnte sich an den großen Baum und sah seine Freunde an: „War doch zu erwarten, oder? Dann können wir ja wieder nach Hause gehen.“ Das Mädchen der Gruppe nickte hektisch, denn das passte ihr sehr gut in den Kram.   Über das erleichterte Gesicht des Mädchen konnte Aiden nur grinsen, doch dieses verging ihm schnell, da er furchtbare Kopfschmerzen bekam. Sofort umfasste er seinen Kopf und versuchte etwas gegen die Schmerzen zu tun, als eine leise, bedrohlich klingende Stimme in seinem Kopf widerhallte: „Sieh an, da bist du ja endlich. Ich habe darauf gewartet, dass du kommst!“ Der Schmerz wurde immer schlimmer und fast wäre er umgekippt, wenn er sich nicht im letzten Moment mit einer Hand an dem Baum abgestützt hätte. Doch lange bekam er keine Stütze, denn im nächsten Moment sank sein Arm bis zum Ellenbogen in die Rinde ein. Luca seufzte einmal und gab die Suche auf, als sein Blick auf Aiden fiel, dessen Arm in dem Baum zu verschwinden drohte: „Aiden!“   Auch Miyuki hatte das seltsame Szenario bemerkt und riss panisch die Augen auf, doch schaffte es der Braunhaarige seinen Arm wieder aus dem Baum heraus zu ziehen. Sein Atem ging schnell und er hatte das Gefühl, als würde ihm gleich das Herz aus der Brust springen, doch war der Horror noch nicht vorbei. Gerade als Luca und Miyuki bei ihm ankamen, schoss ein schwarzer Schatten aus dem Baum und packte den Braunhaarige am Arm. Sofort begann der Schatten an Aiden zu zerren und zog ihn immer weiter in Richtung des Baumes. Seine Freunde eilten zur Hilfe und versuchten ihn zurück zu ziehen, doch brachte es alles nichts und im nächsten Moment wurden alle drei durch das Holz gezogen.   Aiden hatte das Gefühl, als würde ihm gleich der Arm angerissen und erneut hallte die Stimme durch seinen Kopf: „Du entkommst mir nicht! Ich werde dich verschlingen!“ Vor Schmerz kniff er das linke Augen zusammen, als im nächsten Moment ein gleißendes Licht den Schatten von ihm wegriss. Für einen Moment fühlte er sich, als würde er schweben, doch dann schien jemand die Schwerkraft wieder eingeschaltet zu haben und als nächstes Schlug er hart auf dem Boden auf.   ~~~???~~~   Ein stechender Schmerz durchfuhr Aidens Rücken, doch blieb es nicht dabei, denn im nächsten Moment wurde er von zwei weiteren Körpern zu Boden gepresst. Über ihm konnte er ein leises Stöhnen hören, welches er Luca zuordnete und ein leises Wimmern, dass offensichtlich zu Miyuki gehörte. Das Wimmern brach schlagartig ab, als die Stimme des Mädchens erklang: „Nanu, es tut ja gar nicht weh. Jungs, seid ihr okay?“ „Geht so“, kam die synchrone Antwort der beiden Braunhaarige, was die Grünhaarige nun nach unten schauen und erschrocken aufspringen ließ. Immer noch stöhnend rollte sich der Grünäugige von seinem Freund herunter, sodass sich dieser langsam aufrichten konnte. Die beiden Jungs rangen leicht um Atem, während ihr weibliche Begleitung sich kurz umsah und dann aufschrie.   Luca sah fragend hoch und zuckte sofort zusammen, wobei er seinem Freund in die Seite stieß, um ihm etwas zu zeigen. Nun schaute auch Aiden hoch und bei dem Anblick, der sich ihm bot, wurde ihm schlecht. Alles um sie herum schimmerte schwarz und rot, die Wolken am Himmel waren grün, genau wie die Reste des Mondes. Was Miyuki am meisten schockte waren die roten Pfützen, die überall am Boden zu sehen waren und anscheinend aus Blut bestanden. Ängstlich hakte sie sich bei den beiden Jungs unter und zog sie enger an sich, denn sie wollte jetzt nicht alleine sein: „Was ist das hier? Warum sieht alles so schaurig aus?“ „Ich habe keine Ahnung, aber war der Naganaki Schrein schon immer so groß?“, erwiderte Luca und deutete auf das Gebäude, dass nun fast einem Palast glich.   Allen drei fehlten erst mal die Worte, doch Aiden fand als erstes seine Stimme wieder: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass der vorher nicht mal ansatzweise so groß war.“ Irgendwas stimmte hier nicht und ihn überkam eine Gänsehaut. Um sich einen besseren Überblick zu verschaffen traten die drei auf den Vorplatz des Schreins, doch war von dem Spielplatz und der Los-Box nicht mehr viel zu sehen, denn die Objekte waren größtenteils zerstört. Luca sah sich zum Teil beeindruckt und zum Teil verängstigt um, denn auch ihm gefiel es hier überhaupt nicht. Die Grünhaarige klammerte sich an den Arm ihres Mitbewohners und versuchte sich zu beruhigen. Das gelang ihr sehr langsam, doch als hinter ihr ein leises Klacken ertönte, stieß sie einen spitzen Schrei aus und klammerte sich noch fester an Aiden.   Der Braunhaarige hatte das Geräusch auch gehört und fuhr herum, um nach der Quelle zu suchen: „Was war das? Wo kommt das her?“ Die drei Schüler horchten angespannt in die Nacht, als der Grünäugige das Geräusch identifizieren konnte: „Das ist das Getrappel von Pferdehufen.“ Miyuki sah ihn verdutzt an und legte sich einen Finger an die Schläfe: „Wer reitet denn mitten in der Stadt? Das ist doch dämlich.“ Die beiden Jungs sahen sich suchend um, doch dann sahen sie etwas, was ihnen einen erneuten Schauer über den Rücken jagte. Aus den Hecken hinter dem Tempel kam ein Reiter in weißer Rüstung. Sein Pferd war nur durch die Proportionen der Rüstung zu erkennen, denn ansonsten war von ihm nichts zu sehen, da es anscheinend über dem Boden schwebte. Der Reiter trug eine Lanze in der linken Hand und an der Stelle, wo sein Kopf sein sollte, befand sich eine violette, kronenähnliche Maske. Miyu wich ängstlich zurück und versteckte sich hinter Aiden, der seinen ganzen Körper anspannte und den Blick fest auf das Wesen richtete.   Der Reiter richtete sein Ross in Richtung der Schüler aus und nach einem lauten Wiehern stürmte das Pferd auf sie zu. Die drei sprangen panisch auseinander und schafften es gerade noch so, dem Ansturm zu entgehen. Luca klammerte sich an die Überreste des Klettergerüsts, das auf dem Spielplatz stand, während Miyuki über den Boden von dem Ritter wegkroch, doch richtete dieser bereits die Lanze auf sie. Aiden hob einen Stein vom Boden hoch und warf ihn auf den Ritter: „Hey Blecheimer, hier drüben!“ Der Stein prallte gegen die Maske des Reiters, der sich nun ihm zuwandte und sein Pferd in die Richtung des Braunhaarigen galoppieren ließ. Dieser wartete bis zum letzten Moment und sprang dann zur Seite, was die Lanze des Angreifers in die Mauer des Schreins krachen ließ.   Sofort stürmte der Braunhaarige zu der Treppe und rief nach seinen Freunden: „Schnell, hier lang!“ Das ließen sich seine Mitschüler nicht zweimal sagen und rannten hinter ihm her. Kaum hatten sie das untere Ende der Treppe erreicht ertönte von oben ein lautes Krachen, gefolgt von lautem Hufgetrappel. Das Trio rannte den Weg zum Wohnheim entlang und keiner traute sich nach hinten zu sehen, obwohl das klackern der Hufe verstummt war. Erst als sie an der Abzweigung zum Wohnheim waren, blieben sie kurz stehen, um Luft zu holen.   Aiden wagte als erstes einen Blick über die Schulter und rang um Atem: „Ich glaube... wir... haben ihn abgeschüttelt.“ Keiner der drei war zu weiteren Worten fähig, denn alle rangen weiter nach Luft. Nach einer Weile ergriff die Grünhaarige das Wort: „Wenn sich niemand traut, dann frag ich: Was war das für ein Ding?“ „Monster“, kam es von den Jungs gleichzeitig, die es sich nicht anders erklären konnten. Während der Grünäugige sich immer noch auf seinen Knien abstützte, wandte sich der andere Braunhaarige zum gehen: „Kommt, gehen wir zum Wohnheim. Ich geb erst Ruhe, wenn wir irgendwo in Sicherheit sind.“   Miyuki und Luca nickten sofort und folgten ihrem Freund die Straße entlang. Nach einem Stück blieben sie stehen und sahen erleichtert auf das Wohnheim. Die Grünhaarige stürmte sofort darauf zu und versuchte die Tür zu öffnen, doch war diese abgeschlossen. Immer wieder rüttelte sie an der Tür und zog dann ihren Schlüssel hervor, mit dem sie aufschließen wollte, doch passte er nicht: „Was ist denn hier bitte los? Wieso passt der Schlüssel nicht mehr?“ Aiden schob sich an seiner Mitbewohnerin vorbei und griff nach seinem eigenen Schlüssel, doch auch dieser passte nicht ins Schloss: „Hä? Das ergibt doch keinen Sinn. Was sollen wir denn machen, wenn wir nicht ins Wohnheim kommen?“ Das Mädchen in der Gruppe sank auf die Knie und schniefte leise: „Das kann doch nur ein Albtraum sein. Bitte, ich will aufwachen.“   Aiden versuchte ruhig zu bleiben und sah seinen Freund an: „Hast du ne Idee, Luca?“ „Ja wir gehen erst einmal zu mir, dann sehen wir weiter. Ich sag nur kurz meiner Mama Bescheid“, erwiderte der Junge und griff nach seinem Handy, doch musste er dann stutzen, „Hä, was das denn? Kein Service? Hat einer von euch Empfang?“ Seine Begleiter zogen beide ihr Smartphone aus der Tasche, doch keins der Geräte wollte ein Signal bekommen. Miyuki plusterte empört die Backen auf, während ihr Mitbewohner sich frustriert am Hinterkopf kratzte. Der Junge mit den grünen Augen ließ den Kopf hängen und massierte sich die Schläfen: „Dann gehen wir einfach zu mir, ich erkläre es meiner Mama wenn wir da sind. Sie wird es schon nicht so ernst sehen, vor allem wenn wir ihr die Situation erklären.“   Das Trio setzte sich wieder in Bewegung und war bedacht, nicht wieder dem Ritter zu begegnen. Nach einem kurzen Fußmarsch kamen sie an der Iwatodai Station vorbei und da machte Miyuki eine interessante Entdeckung: „Kurosaki-kun, Silva-kun, hört ihr das?“ „Bitte nicht wieder Hufgetrappel“, jammerte Luca leise, während Aiden ihm in die Seite stieß, um ihn zum Schweigen zu bringen, während er sich auf das konzentrierte, was Miyuki angesprochen hatte. Ein Stück von ihnen entfernt war ein leises Summen zu hören und nach kurzer Zeit entdeckte die Gruppe auch den Ursprung des Geräusches. Über den Gehweg schlenderte eine junge Frau in ihrem Alter, die den Kopf in den Nacken gelegt hatte und den Himmel betrachtete. Die Schüler musterten sie und bei ihrer Kleidung staunten sie einen Moment, denn sie trug die Uniform der Gekkoukan High School, jedoch war diese in einem katastrophalem Zustand. Überall waren ihre Kleider verbrannt, zerrissen und durchlöchert, als hätte man versucht sie umzubringen. Nun schien die Frau sie zu bemerken und sah sie mit einem überraschten Gesichtsausdruck an. Sie hatte etwa hüftlanges, silberfarbenes Haar, dass an den Spitzen dunkelblaue Strähnen hatte und ihr offen über den Rücken und die Schultern fiel. Ihr Pony verdeckte ihr linkes Auge, während man das rechte sehr gut erkennen konnte und die blutrote Farbe machte einen etwas nervös. Sie trug ein Piercing in der Unterlippe, an dem sie mit der Zunge herumspielte, während ihre rechte Hand zu ihrem linken Handgelenk wanderte, um das sie mehrere Bänder mit Perlen gewickelt hatte. Sie strich mit den Fingern über die Perlen und erhob dann die Stimme: „Ihr seid keine Shadows, oder?“   Aiden und seine Freunde sahen sich einen Moment fragend an, bevor Luca mit einem breiten Grinsen nach vorne ging: „Ähm, nein. Ich heiße Silva Luca und wer bist du, wenn ich fragen darf? Ich möchte den Namen dieser lieblichen Prinzessin erfahren.“ Bei der Bezeichnung verzog die Silberhaarige das Gesicht und stemmte eine Hand an die Hüfte: „Sehe ich für dich wie eine dieser pink tragenden, aufgetakelten Tussen aus?“ Sofort hob der Junge beschwichtigend die Hände: „Es tut mir leid, ich hatte nicht vor, dich zu beleidigen. Aber ich würde dennoch gerne deinen Namen erfahren. Oh, wie sind meine Manieren? Leute, stellt euch zuerst vor.“ „I-ich bin Nobiro Miyuki. Freut mich sehr“, stellte sich die Grünhaarige mit leicht zitternder Stimme vor, während Aiden sich etwas sicherer zeigte und kurz verneigte: „Kurosaki Aiden, sehr erfreut. Wärst du jetzt so nett und beantwortest Luca’s Frage? Der gibt sonst keine Ruhe.“ Die junge Frau strich sich kurz mit der Hand durch ihren langen Pony und seufzte einmal: „Ich heiße Mirai.“   Miyuki knetete die Hände und sah die Blauhaarige nervös an: „Darf ich dich was fragen? Wo sind die ganzen Leute hin? Wir haben außer dir noch niemanden gesehen.“ Mirai verschränkte die Arme und sah die Schüler etwas abwertend an: „Ihr seid die ersten, die ich bisher gesehen habe. Naja, bei den ganzen Shadows hier, würde es mich wundern, wenn hier noch jemand lebt.“ Aiden zog die Stirn in Falten und erhob die Stimme: „Du hast jetzt schon wieder dieses Wort benutzt, ‚Shadows‘. Was genau sind Shadows?“ „Kurz gesagt, es sind Monster. Anders kann ich sie nicht beschreiben“, erklärte die Angesprochene relativ trocken, was Luca nun skeptisch machte: „Monster? Meinst du diesen Ritter vom Schrein? Mit dem haben wir schon Bekanntschaft gemacht, aber wir sind gerannt. Warte mal... wenn hier ein Haufen Monster rumrennen und offensichtlich Leute umbringen, wieso bist du dann noch hier?“ Die Silberhaarige sah zu Boden und wandte sich dann ab: „Das geht dich nichts an!“   Luca wollte gerade einen dummen Spruch loslassen, als Miyuki erschrocken quietschte und hinter sie deutete: „Oh mein Gott, er ist wieder da!“ Die drei Schüler wandten sich um und entdeckten den Reiter vom Schrein, der langsam auf sie zukam. Die Grünhaarige stieß einen spitzen Schrei aus, während die beiden Jungs sich schützend vor ihr aufbauten. Mirai wich einen Schritt zurück und knirschte mit den Zähnen, denn dieses Vieh hatte ihr gerade noch gefehlt. „Was machen wir denn jetzt?“, fragte Miyuki mit immer größerer Panik in der Stimme, während Luca sie einfach am Handgelenk packte und mitzog: „Wegrennen!“ Aiden griff sich Mirais Handgelenk und zu viert rannten sie so schnell sie konnten davon, während hinter ihnen ein lautes Wiehern ertönte. Kapitel 4: IV - Erwache, Persona! --------------------------------- ~~~Sonntag 03. April 2016~~~ ~~~???~~~   Unter lautem Geschrei rannte das Quartett über den Bürgersteig vor der Iwatodai Station und versuchten, so schnell wie möglich von dem Reiter weg zu kommen, der sie mit lautem Hufgetrappel verfolgte. Am Zebrastreifen mussten sie abrupt stehen bleiben, denn vor ihnen standen drei weitere Shadows, wobei diese lediglich an Schleimhaufen mit einer Maske erinnerten. Die Schleimhaufen hoben die Arme und stießen gurgelnde Laute aus, was die Gruppe schlagartig stehen blieben ließ. Miyuki stieß einen lauten Schrei aus, als Luca sie am Arm packte und über die Straße zog. Aiden tat dasselbe mit Mirai, wobei das Mädchen sich eher verblüfft mitschleifen ließ, als selbst zu rennen. Der Reiter versuchte einen der Schüler mit seiner Lanze zu treffen, doch stach er ins Leere und taumelte einen Schritt nach vorne. Aiden hatte die Hälfte der Straße überquert, als er einen Blick über die Schulter riskierte und mittlerweile waren die drei Schleimwesen auch an dem Übergang angekommen. Der vorderste davon hob die Arme und begann dabei weiß zu leuchten, was dem Jungen überhaupt nicht gefiel. Der Schrecken kam noch viel schlimmer, denn als der Shadow die Arme nach vorne schwang bildete sich zwischen den Schüler ein kleiner Eisbrocken. Instinktiv stieß der Braunhaarige mit den blauen Augen seine Begleiterin zur Seite auf Luca, als der Eisbrocken zersplitterte und ihn zu Boden riss. Der Grünäugige fing das Mädchen auf und zog sie weiter, als er einen Blick auf seinen besten Freund warf, der stöhnend am Boden lag.   Luca schob die Mädchen nach vorne und wollte sich auf den Weg zu seinem Freund machen, um ihm zu helfen, allerdings scheuchte der Blauäugige ihn zurück: „Hau ab! Bring die beiden in Sicherheit, sonst erwischen sie dich auch noch!“ Der Grünäugige rang mit sich, doch musste er schnell in Deckung hechten, als ein weiterer Eisblock auf ihn zuraste. Verzweifelt sah er immer wieder zwischen dem am Boden liegenden Aiden und den beiden Mädchen hinter ihm hin und her, doch auf eine weitere Aufforderung seines Freundes rannte er weg. Er hasste sich dafür, doch musste er die Mädchen beschützen und zu dritt liefen sie auf die Rolltreppen zum Bahnsteig zu. Aiden versuchte sich über den Boden zu schleppen, doch war sein linkes Bein durch die Attacke des Shadows am Boden fest gefroren. Immer wieder versuchte er sein Bein zu befreien, doch blieb das Eis unnachgiebig. Es wurde noch schlimmer, als die drei Schleimwesen ihn erreichten und zu Boden drückten. Es fiel dem Jungen immer schwerer zu atmen, während er von den Wesen unter sich begraben wurde. Er kämpfte verzweifelt gegen die Shadows an, doch hatte er keine Kraft mehr und langsam verlor er das Bewusstsein.   ~~~Velvet Room~~~   Ich schlug um mich wie ein Kind, dass gerade einen Alptraum hatte und so fühlte ich mich auch. Diese ekelhaften Kreaturen drückten mich zu Boden und raubten mir den Atem, weshalb ich glaubte zu ersticken. Moment, irgendwas stimmte hier nicht. Der Druck auf meiner Brust und das eisige Gefühl an meinem Bein waren verschwunden, weshalb ich mich langsam vom Boden hochstemmte und erst einmal tief Luft holte. Ich hatte Angst um meine Freunde, aber im Moment beschäftigte mich etwas anderes: Die leise Arie die um mich herum spielte. Sofort riss ich die Augen auf und sah unter mir einen fein gewebten, blauen Teppich.   Das ist jetzt nicht wahr, oder? Mein Kopf brummte immer noch, als neben mir eine männliche Stimme erklang: „Willkommen im Velvet Room, mein junger Freund.“ Schlagartig kniete ich aufrecht auf dem Teppich und sah zur Seite, wo ich den kleinen Mann mit der extrem, langen Nase entdeckte. Hatte ich schon wieder diesen seltsamen Traum? Ich musste ziemlich dämlich dreinschauen, denn die blonde Frau neben Igor sah mich mit schief gelegten Kopf an: „Ich kann verstehen, dass mein Meister eine beeindruckende Erscheinung ist, aber du darfst dich gerne setzen, Aiden-sama.“ Na klasse, jetzt machen die sich auch noch über mich lustig, aber was soll’s. Ich erhob mich mit zitternden Beinen und war eigentlich sehr froh, dass ich mich auf den Stuhl setzen konnte. Mein Kopf fühlte sich an, als hätte ihn jemand in eine Schraubzwinge eingeklemmt.   Ich hatte jetzt wirklich keinen Nerv, um mich mit seltsamen Träumen herum zu schlagen, als Igor das Wort an mich richtete: „Du hast den ersten Schritt getan, der dich zu deinem Schicksal führen wird, allerdings stehst du jetzt am Scheideweg. Wofür wirst du dich entscheiden?“ „Wovon zum Geier redest du eigentlich?“, fuhr ich den Mann mehr an, als ich eigentlich gewollt hatte, doch nahm dieser das anscheinend gar nicht zur Kenntnis: „Du hast die Welt der Schatten betreten und jetzt ist die Zeit gekommen, deine Entscheidung zu treffen. Wirst du dich deinem Schicksal stellen, oder wirst du für immer in der Dunkelheit verschwinden?“ Konnte der Typ auch mal Klartext reden? Was soll mein Schicksal sein und wie soll ich in der Dunkelheit verschwinden? Plötzlich fiel mir wieder ein, was mir vorhin passiert ist und vielleicht bekam ich ja eine Antwort: „Hat mein Schicksal etwas mit den Shadows zu tun? Diese Dinger sind echt, das ist kein Traum, oder?“   Amalia war diejenige, die mir eine Antwort gab und leicht nickte: „Ja, die Shadows sind eine Bedrohung für die Menschen, doch du hast das Potenzial, dich ihnen entgegen zu stellen. Du darfst keine Angst haben. Wenn du scheiterst, werden noch viel mehr Leute den Preis zahlen.“ Ich hob den Kopf und dachte über das gerade Gesagte nach, als mir die letzten Szenen wieder in den Sinn kamen: „Was ist mit meinen Freunden? Sind sie auch hier? Diese Monster haben sie doch nicht erwischt, oder?“ „Dieser Ort existiert zwischen Traum und Realität und nur besondere Personen können ihn betreten“, erklärte Igor und ich ahnte, was das bedeutete. Meine Freunde waren nicht in Sicherheit und irgendwas sagte mir, dass ich es auch nicht war. Amalia meinte, ich hätte das Potenzial, gegen die Shadows zu kämpfen, aber wie sollte ich das anstellen?   Mir war egal wie, aber ich musste etwas tun, um Luca, Miyuki und Mirai zu helfen, weshalb ich mich von dem Stuhl erhob: „Wenn ich etwas gegen diese Dinger ausrichten kann, dann sag mir bitte wie.“ Auf dem Gesicht des langnasigen Mannes erschien ein breites Grinsen, während er mit der Hand nach oben zu der Glaskuppel deutete. Ich folgte dem Fingerzeig und an dem, bis auf den Mond, leeren Himmel leuchteten einige Sterne auf. Noch während ich die leuchtenden Punkte am Himmel betrachtete, begann sich der Raum um mich herum aufzulösen. Die blonde Frau im Kimono sah mich fest an und setzte sich einen Finger an die Schläfe: „Du hast alles bei dir, was du brauchst. In manchen Situation ist der richtige Trigger notwendig.“ „Unsere Zeit ist leider vorbei. Ich hoffe, dass wir uns wiedersehen. Bis dahin, lebe wohl“, verabschiedete sich Igor von mir und damit verschwand alles um mich herum.   ~~~Schatten-Welt~~~   „Komm zurück, Silva-kun! Das ist Selbstmord!“, versuchte Miyuki den Braunhaarige zurück zu halten, der sich wieder auf den Weg zu Aiden machen wollte. Sie standen bereits am Ende der Rolltreppe gekämpft, doch hing die Grünhaarige an seiner Jacke: „Lass mich los, Nobiro! Wir können ihn nicht im Stich lassen! Aiden!“ „Wir können nichts mehr für ihn tun. Ich will es auch nicht, aber wir müssen hier weg“, jammerte die Grünhaarige und hatte dabei Tränen in den Augen, aber sie wollte auch nicht zu diesen Monstern zurück, die auf der Straße zu einem Knäuel angewachsen waren. Mirai hatte die Augen weit aufgerissen und starrte auf die Shadows, doch hatte keiner der drei noch große Hoffnung für den jungen Mann, der unter den Monstern begraben war.   Luca ließ den Kopf hängen und versuchte die Tränen zurück zu halten, doch im nächsten Moment fegte ein heftiger Windstoß über die Straße und schleuderte die Shadows ein Stück zurück. Die drei Teenager rissen schnell die Arme hoch, um ihre Gesichter zu schützen, da der Wind jede Menge Staub aufwirbelte. Die drei Schleimshadows lagen zusammengesunken auf dem Boden, während der Reiter den Blick auf die Straße gerichtet hatte, wo Aiden sich langsam wieder aufrichtete. Der Atem des Braunhaarigen ging schnell und flach, während sein Blick starr auf seine Füße gerichtet war. Er wusste nicht warum, aber etwas in ihm brodelte förmlich. Genau konnte er das Gefühl nicht beschreiben, aber es war, als ob etwas aus ihm herauswollte. Sein Körper bewegte sich, als wäre er in Trance und er griff an das Holster, dass er hinten an seinem Gürtel trug. Langsam zog er die Kanone daraus hervor und betrachtete sie einen Moment, während auf seinen Lippen ein leichtes Lächeln erschien. Luca wagte einen Blick und riss überrascht die Augen auf, als er seinen besten Freund erkannte, der regungslos auf dem Zebrastreifen stand und etwas in seiner Hand musterte.   Auch Miyuki hatte die Arme wieder runter genommen und in ihrem Gesicht sah man die pure Erleichterung, als sie Aiden erblickte: „Kurosaki-kun, du bist okay! Ich bin so froh!“ Sie griff sich ans Herz und wischte sich eine Träne aus dem Auge, als Luca neben ihr plötzlich panisch wurde: „Was machst du da? Leg das Ding weg, Aiden!“ Die Grünhaarige sah wieder auf und jetzt sah sie, was den Braunhaarigen so panisch werden ließ. Aiden hielt eine Pistole in der Hand, die er sich langsam an die eigene Schläfe setzte. Gerade als beide Schüler loslaufen wollten, hielt Mirai sie an den Armen fest: „Nicht! Lasst ihn, er wird die Shadows damit besiegen.“ „Indem er sich selbst den Kopf wegballert? Bist du völlig übergeschnappt, Mirai?“, keifte Luca die Silberhaarige an und wollte sich gerade losreißen, als das Mädchen eine gepfefferte Antwort gab: „Sei still und sieh zu!“ Sofort richteten sich alle Blicke auf Aiden, der immer wieder ein paar tiefe Atemzüge nahm.   Sein Kopf fühlte sich so leer an, doch wusste Aiden genau, was er jetzt zu tun hatte. Auch wenn er sich gerade eine Pistole an den Kopf gesetzt hatte. Seine Hand zitterte ganz leicht, während sich sein Zeigefinger um den Abzug krümmte und seine Lippen formten wie von selbst ein Wort: „Per-so-na.“ Damit zog er den Abzug und es wirkte so, als würde aus seinem Kopf ein Haufen blauer Splitter strömen, die anschließend seinen Körper umkreisten. Aus dem Splitterwirbel formte sich langsam eine große Gestalt, die bei ihrem endgültigen Erscheinen einen heftigen Wirbelwind auslöste. Das Wesen trug eine schwarze Hose, die einen hellgrünlichen Schimmer hatte, dazu einen goldenen Gürtel und einen grünen, kurzärmeligen Wams. Die Hände und Füße steckten in dunkelbraunen fingerfreien Lederarmschienen und Stiefeln. Das Gesicht des Wesens war von einer Kapuze verdeckt, die zu einem langen, dunkelbraunen Umhang gehörte. In der linken Hand hielt der Umhangträger einen langen Speer, der am hinteren Ende eine kleine und am vorderen eine große Klinge hatte. Die große Klinge war mit einem karoförmigen Juwel am Schaft befestigt und aus dem Juwel schlang sich eine schwarz-weiße Doppelhelix. Das besondere an dem Wesen war allerdings, dass seine rechte Körperhälfte nur als schwarzer Nebel zu erkennen und seine Kleidung auf dieser Seite zerstört war.   Aiden sah zu dem Speerträger auf, der seinen Blick erwiderte und dann mit einen tiefer Stimme antwortete: „Ich bin du. Du bist ich. Ich entspringe dem See deiner Seele. Ich bin Rigel, der Jäger der Schatten.“ Die vier Shadows starrten ihren Widersacher an, bevor der Reiter sich mit einem lauten Wiehern seines Pferdes auf ihn stürzte. Rigel reagierte instinktiv und fing den Stoß seines Gegners mit seiner Waffe ab, bevor er sich einmal um die eigene Achse drehte und den Shadow zu Boden warf. Die drei Schleime zuckten panisch zusammen und waren sich anscheinend nicht sicher, was sie tun sollten, doch wurde ihnen die Entscheidung abgenommen. Die Gestalt über Aiden hob den rechten, nebeligen Arm, woraufhin unter einem der kleinen Shadows ein grüner Windstoß erschien, der ihn in die Luft beförderte. Als der Schadow auf den Boden aufschlug, löste er sich in einem schwarz-roten Nebel auf. Die beiden verbleibenden Schleime hoben die Arme und ließen jeweils einen Eisblock erscheinen, denen Rigel im Zickzack auswich und die Magie mit zwei weiteren Windstößen erwiderte. Die kleinen Wesen lösten sich ebenfalls im Nebel auf und sofort wandte sich der Umhangträger an den Reiter, der sich mittlerweile wieder vom Boden hochgekämpft hatte.   Der Ritter hob seine Lanze in die Luft und wurde daraufhin von einer blitzenden Energieaura umgeben. Er richtete seine Waffe nach vorne und stürzte sich dann auf seinen Gegner, dem er einen extrem harten Speerstoß verpasste. Als die Persona den Schlag einstecken musste, entwich Aiden ein lauter Schmerzensschrei, der seinen Freunden durch Mark und Bein ging. Trotz des Schmerzes biss der Junge die Zähne zusammen und fixierte seinen Gegner, der sofort von Rigel angegriffen wurde. Die Persona schlug mit dem Speer zu und der Reiter erwiderte den Hieb, was eine kleine Druckwelle erzeugte. Der Aufprall ließ beide Kämpfer leicht zurückweichen, doch war der Shadow schneller wieder bei Sinnen und stach erneut mit Lanze zu. Dieses Mal konnte Rigel ausweichen und ließ einen weiteren Windstoß los, der den Shadow hoch in die Luft katapultierte. Die Persona flog hinterher und wirbelte seine Waffe, mit der sie sich auf seinen Gegner stürzte und diesen in den Boden rammte. Der Shadow gab noch einen lauten Schmerzensschrei von sich, bevor er sich in Nebel auflöste.   Auf der Straße war kein Ton mehr zu hören, während das Wesen zu Aiden schwebte und über ihm zum stehen kam. Dort verharrte es kurz und löste sich dann in einem blauen Leuchten auf, dass sich in Aidens Körper zurückzog. Der Braunhaarige atmete schwer und versuchte sich zu beruhigen, doch wollte ihm das nicht so recht gelingen. Sein ganzer Körper schmerzte und es dauerte nicht lange, bis seine Beine nachgaben. Luca kam im letzten Moment dazu und konnte ihn stützen, sodass er nicht zu Boden stürzte. Dem Grünäugigen sah man an, dass er nicht glauben konnte, was hier gerade passiert war. Auch Miyuki und Mirai kamen dazu und sofort ging die Grünhaarige neben ihrem Mitbewohner in die Hocke und musterte ihn besorgt. Vorsichtig hob das Mädchen die Kanone vom Boden auf und sah dann wieder zu ihrem Bekannten: „Kurosaki-kun, was hast du da gerade gemacht?“ „Das würde ich auch gerne wissen“, stimmte Luca zu und sah seinen Freund neugierig an, der nur leicht mit dem Kopf schütteln konnte.   Aiden war nicht mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, weshalb er nur leise darum bat, in ein Bett zu kommen. Seine beiden Mitschüler sahen sich besorgt an, doch wollten sie eigentlich dasselbe, weshalb sie ihren Freund langsam auf die Beine zogen. Mirai musterte die drei neugierig, doch drehte sie sich um, als hinter der Gruppe leise Schritte ertönten: „Ach, du bist auch wieder da? Reichlich spät, Zen!“ Miyuki fuhr erschrocken herum, als ihr Blick auf einen jungen Mann in einer schwarzen Schuluniform fiel. Seine Augen waren hellgrün und seine Haare dunkelbraun, er trug ein schwarzes Cape und um den Hals ein mit Spikes besetztes Halsband. Er musterte die Silberhaarige einen Moment und schien ihren gereizten Ton in keinster Art wahrzunehmen, bevor er sich an die drei High School Schüler wandte. Statt das Wort zu erheben, zog er eine Armbrust und richtete sie auf die Schüler, was die Grünhaarige in Panik versetzte: „Bitte nicht schießen! Wir haben nichts böses gemacht!“   Aiden änderte seine Position und setzte sich auf den Boden und musste erst mal wieder zu Atem kommen. Luca war sich nicht sicher, was der Fremde von ihnen wollte und vor allem warum er sie bedrohte, doch dann ging Mirai dazwischen: „Du hättest das Ding für die Shadows nehmen können, du Armleuchter!“ Der Schütze sah kurz von der Silberhaarigen zu Luca und dann zu Aiden und Miyuki, senkte dann aber doch die Waffe: „Hier sollte man besser vorsichtig sein und ihr scheint keine Bedrohung darzustellen.“ Der Grünäugige atmete über die Aussage erleichtert aus und sah dann wieder zu seinem besten Freund. Dieser hatte sich mittlerweile mit Miyuki‘s Hilfe wieder aufrichten können: „Ist alles klar, Aiden?“ „Ich bin total im Arsch“, war die schlichte Antwort des Braunhaarigen, der den Eindruck machte, als würde er gleich in Ohnmacht fallen. Mirai gesellten sich dazu und der Capeträger ergriff das Wort: „Ihr solltet hier verschwinden, einen weiteren Shadow-Angriff werdet ihr höchstwahrscheinlich nicht überleben.“ Die Grünhaarige sah auf und gestikulierte wild mit den Händen: „Wo sollen wir denn hin? Hier ist nirgendwo eine Person die uns helfen könnte und es laufen überall Monster rum!“ „In eure Welt zurück natürlich“, antwortete der Junge in schwarz und verschränkte die Arme vor der Brust. Die drei Schüler sahen sich verblüfft an, als Luca das Wort ergriff. „Unsere Welt? Was meinst du damit? Sind wir hier nicht in Port Island?“ Eine Antwort bekamen sie nicht, denn der Capeträger setzte sich in Bewegung und winkte die Gruppe mit sich mit.   Die Gruppe folgte dem Dunkelbraunhaarigen, der sich beim Gehen leicht nach hinten drehte: „Ihr wisst noch, wie Ihr hierhergekommen seid?“ Luca, der Aiden beim gehen stützte, überließ Miyuki das reden: „Ähm, wir waren am Naganaki Schrein und wollten einem Gerücht nachgehen, als irgendwas Kurosaki-kun gepackt und in den Baum gezogen hat. Das klingt total verrückt, aber es ist wahr!“ Der Dunkelbraunhaarige sah das Mädchen ernst an, doch dann nickte er zustimmend: „Du erinnerst dich richtig, denn ihr seid nicht die ersten, denen das passiert ist. Ich werde dafür sorgen, dass ihr wieder in eure Welt gehen könnt.“ Die Grünhaarige lächelte freundlich, doch dann kam ihr etwas in den Kopf: „Danke, warte mal. Was ist, wenn da noch so ein Reiter ist?“ Von Zen kam auf den Einwand keine Antwort, denn er setzte einfach seinen Weg fort, was die Schüler etwas skeptisch machte.   Nach einer Weile, bei der den Schülern immer unwohler wurde, erreichten sie den Naganaki Schrein. Miyuki sah sich ängstlich um, doch es herrschte vollkommene Stille: „Keiner da?“ Alle sahen sich suchend um, doch der Platz vor dem Schrein blieb, bis auf die Gruppe selbst, vollkommen leer. Die Grünhaarige seufzte erleichtert auf und machte sogar einen kleinen Hüpfer, während Luca sich an den Capeträger wandte: „Also, können wir jetzt einfach durch den Baum spazieren und wieder nach Hause gehen?“ Der Dunkelbraunhaarige nickte und verschränkte die Arme vor der Brust: „Genau und wenn ich euch einen Rat geben darf: Ihr solltet nicht wieder zurück kommen. Einmal hattet ihr Glück, aber das wird nicht anhalten, also bleibt da wo ihr hergekommen seid, wenn euch euer Leben lieb ist.“   Die drei Schüler sahen sich an und es war allen drei mehr als Recht, wenn sie nie wieder an diesen Ort würden zurückkehren müssten. Luca nahm Aiden mit sich und half ihm zu dem Baum, doch Miyuki blieb stehen und wandte sich ihren neuen Bekannten zu. Ihr Blick lag dabei eher auf Mirai, als auf dem Schützen: „Mirai, komm doch mit uns.“ Die Silberhaarige wirkte einen Moment überrascht, doch dann winkte sie mit der Hand ab und drehte den Schülern den Rücken zu: „Warum sollte ich? Mit euch hat man anscheinend nur Ärger, also bleibe ich lieber weg von euch.“ Der Junge mit dem Cape zog eine Augenbraue in die Höhe, während die Grünhaarige betreten zu Boden starrte und dann nur nickte: „Okay, es tut mir leid, dass wir dir Ärger gemacht haben. Pass auf dich auf, Mirai. Und danke für die Hilfe, Zen-san. Passt auf euch auf.“   Der Junge in Schwarz gluckste einmal amüsiert und wandte sich dann zum gehen: „Ihr könnt mich einfach Zen nennen, aber jetzt geht und kommt nicht wieder.“ „Du bist ja ein liebenswürdiger Kerl. Kommst du klar, Aiden?“, murrte Luca und ging auf den Baum zu, wobei der andere Braunhaarige sich erschöpft gegen die Wand des Schreins lehnte: „Ja, es wird schon gehen.“ Die Schüler sahen noch einmal zu ihren Bekannten, bevor sie sich nacheinander durch den Baum wagten und die Schattenwelt hinter sich ließen. Zen wandte sich an Mirai und schien neugierig zu sein: „Warum gehst du nicht mit?“ „Ich gehe doch nicht mit irgendwelchen Fremden und du kannst mir auch mal meine Ruhe lassen. Du kommst und gehst, wie du lustig bist und nervst mich im ungünstigsten Moment“, fauchte die Silberhaarige und verließ den Vorplatz des Schreins. Kapitel 5: V - Wenn das Licht des Mondes erlischt ------------------------------------------------- ~~~Mittwoch 06. April 2016~~~   Ziemlich müde saß Aiden im Unterricht und schaffte es kaum noch wach zu bleiben. Egal was die anderen sagten, sein Lehrer für Integratives Lernen, Mr. Edogawa, konnte die Zeit langsamer vergehen lassen, zumindest kam es ihm so vor. Egal wie viel sein Lehrer redete, die Stunde ging einfach nicht vorbei. Sein Blick schweifte durch die Klasse und er war überrascht, denn ausnahmslos alle Schüler waren mit der Konzentration am Ende. Aus dem Augenwinkel schielte der Braunhaarige zu Miyuki, die den Kampf gegen Mr. Edogawa bereits aufgegeben hatte und nun friedlich schlafend mit dem Kopf auf der Bank lag. Endlich erlöste die Schulglocke sie von dieser Folter und sofort stürmte ein Großteil der Schüler aus der Klasse. Der Braunhaarige streckte sich ausgiebig und tippte seiner Nachbarin sanft auf die Schulter: „Nobiro, wach auf, die Schule ist aus.“ Die Grünhaarige murmelte etwas unverständliches und drehte noch einmal den Kopf auf die andere Seite. Mehr, als belustigt mit dem Kopf zu schütteln, konnte der Junge nicht, weshalb er seine Mitbewohnerin etwas härter an der Schulter rüttelte.   Nun zeigte die Schülerin endlich eine Regung, denn sie fuhr erschrocken hoch und sah sich leicht gehetzt um: „Was? Wer? Wo bin ich?“ Die Grünhaarige sah sich noch einmal leicht verwirrt um und schien jetzt zu bemerken, wo sie war. Mit verschlafenem Blick sah sie zu Aiden auf und blinzelte einige Male: „Was ist denn los, Kurosaki-kun? Ist was passiert?“ „Nein, nichts schlimmes. Du hast nur den Unterricht verschlafen, wie fast alle hier. Komm, lass uns gehen“, erklärte der Braunhaarige und wartete, bis seine Bekannte ihre Sachen zusammengepackt und in ihrer Tasche verstaut hatte. Zu seiner Überraschung ging in diesem Moment die Tür zu seinem Klassenraum auf und Luca warf einen Blick hinein. Als er seine Freunde entdeckt hatte, trat er komplett ein und steuerte die Tische der beiden an, wo er grüßend die Hand hob: „Hey! Na, habt ihr die Folter gut überstanden?“ Von Aiden gab es nur ein leichtes Schulterzucken, während Miyuki sich von ihrem Platz erhob: „Gut, dass du kommst, Silva-kun. Können wir uns kurz unter sechs Augen unterhalten? Am besten auf dem Dach.“   Damit nahm die Grünhaarige ihre Tasche auf und ging aus der Klasse. Aiden und Luca tauschten einen besorgten Blick, wobei der Junge mit den blauen Augen das Wort ergriff: „Hast du ne Ahnung was mit ihr los sein könnte, Luca?“ „Wenn ich ehrlich bin, nicht. Aber sie wirkt ziemlich bedrückt“, erwiderte der Grünäugige und machte sich mit seinem Freund auf den Weg zum Dach der Schule. Auf dem Schulgebäude gab es mehrere kleine Sitzgelegenheiten und war rundherum Umzäunt, damit niemand vom Dach stürzen konnte. Unweigerlich fragte sich der Braunhaarige, ob das schon mal passiert sein könnte. Miyuki saß auf einer Bank und sah gedankenversunken in die Wolken, weshalb sie ihre Freunde noch gar nicht bemerkt hatte. Die Jungs setzten sich zu ihr und Luca legte direkt los: „Da sind wir, Nobiro. Was ist los?“ Die Grünhaarige holte tief Luft und begann zu reden: „Also, wegen dem, was am Samstag passiert ist, habe ich lange und viel nachgedacht. Ich weiß nicht warum, aber ich habe das Gefühl, dass ich das schon einmal irgendwo gesehen habe.“   Die beiden Jungs sahen sie vollkommen geschockt an und Aiden lehnte sich sogar etwas nach vorne: „Wirklich? Wo? Wann?“ Miyuki dachte kurz nach, doch musste sie dann den Kopf schütteln und begann am ganzen Leib zu zittern: „Ich kann mich nicht wirklich erinnern, aber ich weiß, dass ich das schon mal gesehen habe. Alles war so düster und das Wasser sah aus wie Blut, dazu dieser grüne Mond. Aber weshalb ich eigentlich mit euch reden wollte ist: Ich will noch mal in diese Welt zurück.“ Die beiden Jungs rissen panisch die Augen auf, wobei Luca seine Meinung laut kundtat: „Soll das ein Scherz sein? Ist dir nicht bewusst, dass wir beim letzten Mal fast draufgegangen wären! Erst dieser riesige Ritter, der uns mit seiner Lanze aufspießen wollte und dann diese komischen Schleimviecher die Eisbrocken aus dem nichts erschaffen können! Bist du vollkommen übergeschnappt, Nobiro? Ich geb zu, ich hab schon viel Mist in meinem Leben gebaut, aber das ist ein Selbstmordkommando!“ Die Grünhaarige zuckte unter Lucas Standpauke erschrocken zusammen, doch Aiden legte seinem Freund die Hand auf die Schulter: „Komm mal wieder runter. Ich kann verstehen, dass du von der Idee nicht begeistert bist, aber ich finde es nicht gerecht, Nobiro deswegen so anzuschreien.“ Der Grünäugige zog den Kopf ein und biss sich auf die Unterlippe, denn offensichtlich tat es ihm leid, was gerade passiert war: „Sorry, da ist es gerade mit mir durchgegangen.“ Miyuki sah den Jungen an und stellte vorsichtig eine Gegenfrage: „Warum regt dich das überhaupt so auf?“ Mit einem lauten Stöhnen fuhr sich der Braunhaarige durch die Haare, bevor er eine Antwort gab: „Weil es meine Schuld war, dass wir überhaupt in diese Scheißsituation gekommen sind. Aiden ist fast gestorben, glaubst du, ich will das nochmal miterleben?“ Nun herrschte betretenes Schweigen zwischen den Schülern, was alle sichtlich bedrückte.   Aiden sah zwischen seinen Freunden hin und her und ließ die Szene noch mal Revue passieren, bevor er eine Entscheidung traf: „Die Sache scheint dir sehr wichtig zu sein und irgendwas sagt mir, dass du alleine gehst, wenn wir dir nicht helfen, oder? Dann komme ich lieber mit und helf dir.“ Miyuki sah ihn überrascht an und ihr Augen schienen kurz zu leuchten: „Wirklich? Du hilfst mir? Vielen, vielen Dank, Kurosaki-kun.“ Mit einem Laut des Unglaubens klappte Luca die Kinnlade herunter und er starrte seinen Freund fassungslos an: „Das meinst du nicht ernst, Aiden! Oder?“ „Doch, denn dieses Mal werden sie es nicht so leicht haben, dafür werde ich sorgen“, erwiderte der Braunhaarige und sah entschlossen in die Runde, was seine Freunde etwas verwirrte. „Was hast du denn vor?“, fragte die Grünhaarige neugierig, als der Grünäugige sich etwas zurück lehnte: „Du meinst dieses komische Riesenvieh mit dem Speer das aufgetaucht ist, als du dir in den Kopf geschossen hast, oder? Damit könnte es gehen. Na schön, ich bin dabei. Wobei die Aktion echt krass war.“ Miyuki begann zu strahlen und lächelte freundlich: „Ach Jungs, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“ Aiden nickte und erhob sich: „Dann treffen wir uns heute Abend kurz vor Mitternacht am Naganaki Schrein.“ „Alles klar“, antwortete das Mädchen, während Luca nur zu Boden sah und leise murmelte: „Du kannst ja auch was gegen die Viecher ausrichten.“   ~~~kurz vor Mitternacht~~~   Aiden saß auf dem Klettergerüst am Schrein und wartete mit seiner Mitbewohnerin zusammen auf Luca. Etwas an seinem besten Freund war ihm vorhin auf dem Dach seltsam vorgekommen. Der Grünäugige hatte ihm die ganze Zeit so einen seltsamen Blick zugeworfen, als wäre er ihm wegen irgendetwas böse. Die Sache ging dem Jungen nicht mehr aus dem Kopf und er machte sich Sorgen, ob er irgendwas falsches gesagt hätte. Gedankenverloren drehte er die Pistole in seinen Händen und starrte ins Nichts. Miyuki saß auf der Schaukel und schwang leicht hin und her, während ihr Blick auf dem Braunhaarigen ruhte, der einfach nur in die Gegend starrte. Ein wenig beneidete sie ihren Bekannten, denn er musste keine Angst vor diesen Monstern haben, ganz im Gegensatz zu ihr, aber sie war froh, ihn bei sich zu haben. Der Junge bemerkte den Blick seiner Bekannten, jedoch konnte er ihn nicht genau deuten. Es war auf eine seltsame Weise derselbe Blick, mit dem Luca ihn angesehen hatte, aber irgendwie auch wieder nicht. Vielleicht war der Blick des Mädchens etwas sanfter. Er kam aber nicht zum Fragen, denn genau in diesem Moment kam der dritte im Bunde die Treppe zum Schrein hinauf: „Entschuldigt bitte die Verspätung.“ Aiden sprang mit einem Satz vom Gerüst und ging in Richtung des Baumes: „Kein Problem. Jetzt können wir ja los.“   Die drei stellten sich vor den Baum und als in der Ferne das Leuten einer Glocke Mitternacht verkündete traten sie durch das Holz.   ~~~Schattenreich~~~   Mit einem leichten Ruck kamen die drei in der anderen Welt an und Aiden war froh, dass er dieses Mal nicht unter seinen Freunden begraben wurde. Alle drei sahen gleichzeitig in die Richtung aus der beim letzten Mal der Reiter gekommen war, doch als sich nach einer Minute nichts tat, machten sie sich auf den Weg. Auf dem Platz vor dem Schrein sah der Persona User hoch in den Himmel und beim Anblick des Himmels, ohne jeglichen Mondschein, lief es ihm kalt den Rücken hinunter. Luca verschränkte die Arme vor der Brust und sah sich suchend um: „So, da wären wir und was jetzt?“ Miyuki kratzte sich am Hinterkopf und suchte nach einem Anhaltspunkt: „Äh gute Frage. Ich weiß nicht genau.“ Aiden hob die Hand und deutete in die Ferne: „Wie wäre es, wenn wir mit diesem Riesenturm da hinten anfangen?“   Seine beiden Mitschüler folgten dem Fingerzeig und betrachteten den riesigen Turm, der in der Ferne bis in den Himmel ragte. Luca klappte der Mund auf, während er auf das gewaltige Bauwerk starrte: „War der beim letzten Mal auch schon da?“ Auf die Frage schüttelte die Grünhaarige entscheidend mit dem Kopf: „Definitiv nicht, der fällt doch sofort ins Auge. Den hätten wir bestimmt bemerkt. Wie kann so ein riesiger Turm in so kurzer Zeit gebaut werden?“ Aiden orientierte sich an der Richtung, als ihm etwas auffiel: „Sagt mal, von der Richtung her, müsste das doch in der Nähe der Mall oder der Schule sein, oder?“ Die anderen zwei legten kurz den Kopf schief, konnten aber den Verdacht ihres Freundes nicht wirklich bestätigen, daher setzten sie sich langsam in Bewegung.   Da sie keinen wirklichen Anhaltspunkt hatten, steuerten sie einfach wieder das Wohnheim an, denn vielleicht konnten sie dieses Mal die verschlossene Tür öffnen. Aiden ging vorneweg und überprüfte immer wieder, ob das Holster der Pistole richtig saß. Es grenzte schon fast an Paranoia, doch war dieses Gerät die einzige Chance gegen die Shadows etwas auszurichten. Keiner der drei sprach auch nur ein Wort, jedoch zuckten sie bei jedem Geräusch zusammen und befürchteten, gleich von einem Monster angesprungen zu werden. Nach einer kurzen Zeit, die sich für alle drei wie eine Ewigkeit anfühlte, erreichten sie das Wohnheim, doch genau wie beim letzten Mal war die Tür abgeschlossen. „Wäre auch zu schön gewesen“, murmelte Luca enttäuscht, was ihm keiner der anderen verübeln konnte, doch dann drang ein leises Summen in ihre Ohren. Miyuki drehte den Kopf zur Seite und entdeckte ein Mädchen mit silberfarbenen Haaren, dass mit geschlossenen Augen auf sie zukam: „Warum weiß ich das eigentlich? Das ergibt doch keinen Sinn. Man, ich krieg Kopfschmerzen von diesem Zeug. Nanu?“   Sie hatte die Augen geöffnet und die drei Schüler bemerkt, wobei Miyuki zu ihr lief und sie freudig begrüßte: „Hey, Mirai. Ich bin froh zu sehen, dass es dir gut geht.“ „Ich dachte, ihr wolltet nicht wieder herkommen“, murmelte die Angesprochene und sah die Gruppe mit leicht zusammengekniffenen Augen an. Die Grünhaarige sah etwas betrübt zu Boden, denn so eine harsche Begrüßung hatte sie nicht erwartet, dennoch gab sie direkt eine Antwort: „Nun, irgendwas an dieser Welt kommt uns bekannt vor, deshalb wollten wir etwas mehr über sie herausfinden.“ Aiden nickte als Zustimmung, doch wurde er von Luca unterbrochen, der den Arm hochriss: „Leute, Shadow auf 12 Uhr!“ Alle blickten sofort in die Richtung, aus der die Gruppe gekommen war und tatsächlich, aus der Richtung kamen zwei Shadows, die aber sofort stehen blieben als sie entdeckt wurden. Beide Shadows sahen aus wie eine goldene Hand, die ihre Finger als Beine benutzte. Dort wo das Handgelenk sein müsste, trugen sie eine rote Fliege mit hohem Kragen, aus dem ein goldener Kopf mit einer blauen Maske ragte.   Luca klopfte seinem Freund auf die Schulter und machte einen Schritt zurück: „Ich würde ja gerne helfen, aber ich schätze das ist dein Part, Amigo.“ „Du schaffst das, Kurosaki-kun!“, feuerte die Grünhaarige ihren Mitbewohner an, der kurz nickte und einen Schritt vormachte. Aiden trat den beiden Shadows gegenüber und zog die Pistole aus dem Halfter an seinem Hosenbund. Er atmete ein paar Mal tief durch, setzte sich dann den Lauf an die Schläfe und drückte ab: „Persona!“ In einem hellen, blauen Licht erschien Rigel über ihm und entfachte einen starken Windstoß. Aiden deutete auf den ersten Shadow: „Los! Schnapp sie dir!“ Die Persona riss den Speer hoch und stürzte sich auf den ersten Shadow, doch war die Hand zu flink und konnte dem Hieb ausweichen. Der Braunhaarige knirschte wütend mit den Zähnen, denn so würde das nichts werden. Also musste er wohl eine andere Methode versuchen: „Versuch es mit Wind, schnell!“ Unter einem der Shadows bildete sich ein grüner Wind, der nach oben schoss und durchbohrte, wodurch er sich in einer schwarzen Wolke auflöste. Sofort versuchte der zweite Shadow zu fliehen, doch Rigel setzte mit einem zweiten Windzauber nach. Die goldene Hand wurde ebenfalls von dem Wind durchbohrt, doch dieses Mal schien der Angriff keine Wirkung zu zeigen. Ehe die Persona noch einmal angreifen konnte, türmte der Gegner und ließ nur eine kleine Staubwolke zurück.   Der Braunhaarige stöhnte genervt auf und mit einem letzten Blick auf seine Persona, die sich gerade auflöste, wandte er sich seinen Freunden zu. „Kurosaki-kun, Vorsicht!“, rief Miyuki aus, doch das letzte was er sah, war ein greller Lichtblitz der ihn von den Füßen fegte und dann wurde ihm schwarz vor Augen.   ~~~Velvet Room~~~   „Willkommen im Velvet Room, mein Junge.“ Ich fasste mir an den schmerzenden Kopf und öffnete langsam die Augen. Um mich herum war alles in Blau gehalten und bei der leisen Melodie, die in mein Ohr drang, wusste ich genau, wo ich war. Der Mann mit der langen Nase, der mir gegenüber saß, sah mich mit einem ernsten Blick an: „Wie es scheint hast du deine Kraft erweckt. Rigel hat sich dir offenbart.“ Mit diesen Worten hielt er mir eine leuchtende Karte entgegen, die zersprang und den Speerträger über dem Tisch erscheinen ließ. Kurz sah ich auf das Wesen, dessen Gesicht von der Kapuze fast komplett verdeckt war.   Igor grinste wieder und fuhr fort: „Auch wenn deine Kraft erwacht ist, so ist sie noch sehr schwach.“ Ich hob nur eine Augenbraue, denn ich konnte ihm nicht ganz folgen: „Was meinst du damit, sie ist schwach?“ Igor lachte leise auf und deutete auf meine Jackentasche, die sich plötzlich viel schwerer anfühlte: „Deine Kraft ist wie die Zahl 0, an sich schwach, aber mit unbegrenztem Potential.“ Ich griff in meine Jackentasche und zog einen Stapel Tarotkarten daraus hervor, die allerdings leer waren. Als nächstes ergriff Amalia das Wort und dabei ertönte wieder das Glöckchen: „Deine Macht wird wachsen, wenn du mit den Leuten in deiner Umgebung zusammenkommst.“ Langsam rauchte mir der Kopf von diesen Typen, doch Igor fuhr fort und ließ mir keine Zeit, das gesagte zu verarbeiten: „Es liegt an dir, ob du diese Verbindungen eingehen wirst, wobei du es auch schon getan hast. Nimm dies noch mit dir, damit kannst du jederzeit den Velvet Room betreten.“ Er winkte kurz mit der Hand und in meiner Hand erschien ein kleiner Schlüssel: „Verbindungen? Hierherkommen? Kannst du dich mal klar ausdrücken?“ Wieder grinste der Langnasige und sah mich fest an: „Unsere Zeit für heute ist vorbei, jedoch wartet noch eine andere Aufgabe auf dich. Wenn das Licht des Mondes erlischt, wachsen die Schatten. Ob wir uns wiedersehen, hängt von dir ab. Bis dahin, lebe wohl.“ Damit begann sich der Raum um mich aufzulösen und ich wusste genau, was diese Aufgabe war. Ich schloss die Augen und dachte an meine Freunde.   ~~~Schattenreich~~~   Mühsam stemmte sich Aiden vom Boden hoch und musste sich erst einmal orientieren. Sein Kopf schmerzte höllisch, doch war dieses Gefühl sofort verschwunden, als er die Szene vor ihm sah. Mirai stand ein Stück von ihm entfernt und war komplett erstarrt, während seine beiden Freunde in einen lebenden Albtraum geraten waren. Miyuki hing wimmernd kopfüber in der Luft, wobei sie von einem großen, brennenden Fuchs mit dem Schweif am Knöchel gepackt wurde. Luca war mit einer dicken Eisschicht an eine Hauswand gefesselt worden und sah sich einer dreiköpfigen Hydra gegenüber, die bedrohlich zischte und ihn von drei Seiten fixierte. Aiden wusste nicht, was hier passiert war, doch es spielte für ihn jetzt keine Rolle. Er entdeckte ein Stück neben sich die Pistole am Boden und griff danach, bevor er sich komplett aufrichtete. Die beiden Wesen schienen nun zu bemerken, dass noch ein Opfer in der Nähe war, denn Mirai schien sie nicht zu interessieren. Der Fuchs stieß ein bedrohliches Knurren aus, während die Hydra einen Kopf von Luca abzog und den Jungen mit stechend gelben Augen fixierte.   Der Braunhaarige setzte sich die Pistole an die Schläfe und drückte ab, woraufhin in einem blauen Wirbel der Speerträger Rigel erschien. Die Persona griff seinen Speer und stellte sich den beiden Monstern entgegen, die in Kampfhaltung gingen. Es ging Aiden nicht darum, die beiden Monster zu vernichten, er wollte in erster Linie seine Freunde beschützen, aber leider würde das nicht ohne eine Konfrontation gehen. Die beiden Monster ließen nicht lange auf sich warten und gingen sofort zum Angriff über, in dem sie jeweils einen Feuer- und einen Eisball auf Rigel abfeuerten. Die Persona wich aus und ging selbst zum Angriff über, indem er mit seinem Speer auf den Fuchs einstieß. Dieser wich durch den Treffer ein Stück zurück, doch wurde Miyuki dabei unsanft hin und her geschleudert. Die beiden Shadows schossen immer wieder ihre Elementarattacken auf Aiden und seine Persona, ab, die sich dagegen kaum zur Wehr setzen konnten. Das größte Problem bildete die Hydra, denn durch ihre drei Köpfe hatte sie den Braunhaarigen immer im Blick und trotzdem war Luca immer noch in Lebensgefahr.   Immer wieder stieß Rigel auf die beiden Wesen ein, wodurch sie von Aiden abließen. Dieser griff sich ein herumliegendes Stück Metall und versuchte Luca aus dem Eis frei zu hacken, doch egal wie hart er auf das Eis einschlug, es tat sich überhaupt nichts. Gerade als Aiden wieder ausholen wollte, kassierte seine Persona einen direkten Treffer von einem Eisbrocken und sofort durchfuhr ein stechender Schmerz den Körper des jungen Mannes. Der Braunhaarige zuckte zusammen und wurde von dem Fuchs mit dem Schweif von den Fußen gefegt, dabei ließ das Wesen allerdings Miyuki los, die schmerzhaft in Aiden hinein krachte. Die beiden Oberschuler landeten unsanft in einigen Mülltonnen und blieben stöhnend liegen.   „Warum? Warum bin ich so unnütz? Egal was ich tue, andere haben immer nur Ärger mit mir. Wieso kann ich nicht wie Sie sein?“ „Anfangs waren wir immer gleich auf, doch dann wurde er immer besser und besser. Warum hat er diese Kraft und ich nicht? Wieso muss er mich immer in den Schatten stellen?“   Leicht panisch sah Aiden sich um, während Miyuki, sich die Ohren zuhielt und leise wimmerte. Wo kamen diese beiden Stimmen her? Der Braunhaarige rieb sich den schmerzenden Arm und sah sich um. Es war seltsam, aber er war sich sicher, dass die beiden Stimmen sehr nach Luca und Miyuki geklungen hatten, jedoch wirkten sie ziemlich verzerrt. Langsam erhob sich der Persona-User vom Boden, als das Fuchsmonster auf ihn zukam: „Ich hasse Sie. Ich hasse dich. Ich hasse euch alle. Wegen euch bin ich nichts als ein Fehler!“ Aiden sah den Fuchs geschockt an, denn jetzt war er sich sicher, dass die Stimme von Miyuki von diesem Monster kam. Die Grünhaarige kauerte am Boden und umklammerte ihren Kopf, während sie immer wieder leise jammerte. Schwer atmend stellte sich der Braunhaarige vor seine Freundin, während sein Blick immer wieder zwischen dem Fuchs und der Hydra hin und her schoss. Das Schlangenwesen bedrohte Luca wieder, hielt aber einen seiner drei Köpfe starr auf Aiden gerichtet. Dieser setzte sich wieder die Pistole an den Kopf und drückte ab, woraufhin Rigel erschien und den Kampf wieder aufnahm.   Mirai schaffte es in dem Getümmel sich zu Miyuki zu schleichen und versuchte sie zu beruhigen: „Miyuki, du musst stark sein. Aiden, braucht deine Hilfe. Hörst du?“ Die Grünhaarige jammerte leise, als wieder der Fuchs das Wort ergriff: „Ich bin ein Niemand. Alles was ich tue ist falsch. Meine Eltern haben selbst gesagt, dass ich nicht so gut wie Sie bin. Ich will sie nicht mehr sehen. Ich hasse sie!“ Der Braunhaarige sah zu seiner Mitbewohnerin, die ihn erschrocken ansah und dann sofort den Kopf schüttelte: „Nein, das ist nicht wahr. Ich... ich hasse sie nicht.“ Die Aura um den Fuchs wurde immer größer, während er Aiden in ein regelrechtes Inferno hüllte, dem der Schüler nur mit Müh und Not entkommen konnte. Mirai kniete neben Miyuki und rüttelte sie an der Schulter: „Du darfst dich nicht selbst belügen, Miyuki. Dein Shadow sagt dir das, was tief in dir schlummert. Du musst es akzeptieren.“   Aiden rollte sich über den Boden, um nicht verbrannt oder eingefroren zu werden und sah zu den beiden Mädchen: „Nobiro, es ist okay negative Gedanken zu haben. Jeder hat die. Du bist deshalb nicht schlechter, als andere!“ Er hatte nur am Rande mitbekommen, was Mirai gesagt hatte, aber wenn es ihn rettete, würde er versuchen Miyuki zu überzeugen. Das Mädchen schniefte heftig und sah den Fuchs mit rot geschwollenen Augen an: „Ich hasse sie wirklich. Egal was ich gemacht habe, es war doof, kindisch oder es hat einfach nicht gereicht. Sie ist perfekt, hübsch und klug... Ich bin immer nur das Mauerblümchen, das alle übersehen. Ich bin so erbärmlich.“   Das Fuchsmonster erstarrte förmlich und starrte Miyuki an, die sich nun erhob und langsam auf ihren Shadow zuging: „Ich wollte es nicht zugeben, aber du hast recht. Wenn du so viel über mich weißt, dann weißt du aber auch, warum ich so denke. Aber mein Hass hat nichts mit Kurosaki-kun zu tun, also bitte, tu ihm nicht weh.“ Der Shadow stand nun direkt vor dem Mädchen, was Aiden in Panik versetzte, jedoch konnte er nicht eingreifen, da er einem erneuten Eisbrocken ausweichen musste. Der Fuchs legte die Ohren an und neigte den Kopf, bevor er in eine große Flamme gehüllt wurde, die mit einem blauen Glühen verschwand. Anstelle des Shadows schwebte dort nun eine junge Frau mit hüftlangen, grünen Haaren in einer beigen, eng anliegenden Kutte. Auf ihrem Kopf thronten zwei große Ohren und hinter ihr wehte ein bauschiger Schweif. Ihr rechter Ärmel war lang, während der linke nur bis zum Ellenbogen reichte. Sie trug keine Schuhe und um ihre Fußknöchel schwebte jeweils ein goldener Ring, während über ihrer linken Hand eine durchsichtige Kristallkugel rotierte. Abgerundet wurde das Aussehen durch einen schwarzen, durchsichtigen Schleier, der hinter den Ohren der Fuchsfrau begann und ihr bis zu Hüfte reichte.   Die Hydra zischte bedrohlich, während die Fuchsfrau Miyuki umkreiste und dann hinter ihr stehen blieb. Die Grünhaarige nahm einmal tief Luft und sah dann zu dem verbleibenden Shadow: „Ich renne nicht weg. Kurosaki-kun und Silva-kun brauchen mich. Bitte hilf mir, Anser!“ Aiden konnte über die Situation nur schief lachen, doch stemmte er sich vom Boden hoch: „So was nennt man ‚das Blatt wendet sich‘. Nobiro, holen wir Luca da raus!“ Das Mädchen nickte und sofort gingen die beiden Persona auf die Hydra los, die zischend nun alle drei Köpfe seinen Gegnern zuwandte: „Jetzt hast du auch noch diese Kraft? Warum bin ich der Einzige, der diese Monster nicht bekämpfen kann. Warum kann ich nichts tun?“ Bei dem verzerrten Klang von Lucas Stimme wurde Aiden schlecht, vor allem als er bemerkte, wie der Junge im Eis das Gesicht verzog und anscheinend große Schmerzen hatte.   Das Schlangenmonster brüllte laut auf, als die beiden Schüler ihre Persona zum Angriff aufforderten, der auch direkt ausgeführt wurde. Rigel stürmte mit seinem Speer vor und stach damit auf die Hydra ein, die die Attacken mit Bissen und Eisbrocken erwiderte. Miyukis Persona hob die rechte Hand und erzeugte unter der Schlange eine Feuerexplosion. Der Shadow sackte in sich zusammen und sofort ließ das Mädchen eine weitere Feuerattacke folgen, die den Shadow gegen eine Wand katapultierte. Die Grünhaarige konnte gar nicht fassen, zu was dieses Wesen, das hinter ihr schwebte, fähig war, doch konzentrierte sie sich wieder auf ihren Gegner, der sich zischend erhob. Aiden stellte sich neben Miyuki und ballte die Faust: „Geben wir ihm den Rest, Nobiro! Rigel!“ Der Speerträger hob wieder die Waffe, als die Schülerin den Arm ausstreckte: „Anser!“ Die Hydra brüllte auf und feuerte drei Eisbrocken ab, die die Fuchsfrau mit mehreren Feuerbällen erwiderte. Der Aufprall der Attacken löste eine große Rauchwolke aus, durch die Aidens Persona auf seinen Gegner zuschoss und ihm einen Stoß gegen den Kopf verpasste.   Den Moment der Ablenkung nutzte Anser für eine weitere Attacke in Form eines Feuerballs, der das Schlangenwesen erneut zu Boden riss. Zeit zum aufstehen bekam der Shadow nicht, denn im nächsten Moment kam Rigel mit seinem Speer angeflogen und durchbohrte seinen Widersacher, der noch einmal laut aufschrie und dann mit einer roten Dunstwolke zu Boden stürzte. Im selben Moment, in dem der Shadow zu Boden ging, zerbrach das Eis, welches Luca an der Wand hielt und sofort fiel der Oberschüler zu Boden. Aiden eilte zu seinem Freund und half ihm vorsichtig beim aufstehen: „Bist du okay, Luca? Sag doch was!“ „J-ja. Was war das für ein Ding?“, kam es von dem Grünäugigen, der sich nervös umsah, doch kam Aiden auf etwas anderes zu sprechen: „Warum hatten diese Dinger dieselben Stimmen wir ihr?“ Miyuki kniete neben ihren Freunden und sah zu Boden, als Mirai zu ihnen kam und nervös an ihrem Lippenpiercing herumspielte: „Weil das Miyukis und Lucas Shadows sind. Shadows zeigen das, was wirklich in euch vorgeht, auch wenn ihr es nicht hören wollt.“   Luca lachte nervös auf und sah zur Seite: „In mir geht gar nichts vor, alles ist gut.“ Ein leichtes Knacken erregte die Aufmerksamkeit der Gruppe und sofort gingen Aiden und Miyuki in Kampfbereitschaft, als hinter ihnen ein zweiter Luca stand. Dieser starrte die Gruppe mit zwei stechend gelben Augen an und sofort wurde dem grünäugigen Jungen unwohl: „Wieso steht das Ding und warum sieht es aus wie ich?“ Um den anderen Luca glühte eine blau-schwarze Aura, die immer größer wurde und die Schüler leicht in Panik versetzte. Mirai rüttelte an Lucas Schulter und zischte ihn an: „Luca, du musst ehrlich sein. Wenn du dich weiter belügst, wirst du es nur schlimmer machen.“ „Ja, aber ich bin ehrlich“, jammerte der Braunhaarige und sah erschrocken zu, wie die Aura um seinen Shadow immer größer wurde.   Aiden und Miyuki konnten sich kaum noch auf den Beinen halten, während ihr Gegner immer bedrohlicher wurde. Mirai verstärkte ihren Griff um Lucas Schulter, als es einfach aus dem Spanier heraus brach: „Okay, ich gebe es zu! Ich bin eifersüchtig, okay?“ Die beiden Schüler sahen den Braunhaarigen an, der das Gesicht verzog und zu Boden starrte: „Ich habe euch diesen ganzen Scheiß eingebrockt und jetzt muss ich von euch beschützt werden. Eigentlich sollte ich diese Kraft haben und euch beschützen! Ich bin so erbärmlich...“ Der Shadow blieb stehen und die Aura um ihn herum löste sich auf, während er in die Knie ging. Aiden sah seinen besten Freund an und kniete sich neben ihn, um ihm eine Hand auf die Schulter zu legen: „Luca, es ist nicht schlimm eifersüchtig zu sein. Das macht dich nicht zu einem schlechteren Menschen.“ „Kurosaki-kun hat recht, Silva-kun. Ich war auch eifersüchtig und frustriert, daher weiß ich, wie weh es tut. Aber gerade weil ich weiß, wie sich das anfühlt, bin ich dir nicht böse“, erklärte die Grünhaarige und der Grünäugige sah zu seinen Freunden.   Er schluckte schwer und sah dann zu seinem gelbäugigen Ebenbild, der ihn abwartend musterte: „Ich bin echt ein erbärmlicher Wicht, ich bin neidisch auf meinen besten Freund. Wie kannst du wissen, was in mir vorgeht und dabei so ruhig bleiben?“ Shadow-Luca neigte leicht den Kopf und sah sein anderes Ich an: „Ich weiß, was du fühlst, denn ich bin du. Wenn ich nicht eingreife, wirst du das verlieren, was dir wichtig ist.“ Der Junge trat an sein Ebenbild heran und setzte sein übliches Grinsen auf: „Danke, dass du für mich da bist. Ich werde mich nicht mehr belügen, versprochen.“ Auf dem Gesicht des Shadows erschien das gleiche Grinsen wie bei Luca, bevor er blau zu leuchten begann und seine Form änderte.   Als das blaue Licht verblasste schwebte vor dem Jungen eine männliche Gestalt in einem hellblau-weißen Kimono mit Wellenmuster. Seine Füße steckten in silbernen Sandalen und sein Hände waren durch die langen Ärmel nicht zu erkennen, jedoch lugte aus jedem Ärmel eine grüne Schlange heraus, um deren Hals eine gelbe Scheibe hing, die an den Vollmond erinnerte. Das Gesicht des Wesens war von einer Maske verdeckt, während seine braunen Haare ihm tief ins Gesicht hingen und hinten zu einem Pferdeschwanz gebunden waren. Abgerundet wurde das Erscheinungsbild durch einen silbernen Sichelmond, der hinter dem Wesen schwebte. Luca lächelte fröhlich und trat an seine Persona heran: „Du bist echt klasse, Amigo. Danke und bitte, achte darauf, dass ich keinen Mist mehr baue, Alphard.“ Das Überwesen löste sich in einem blauen Licht auf und erschöpft sank der Junge auf die Knie, wo er von Aiden gestützt wurde. Die beiden grinsten sich an und setzten sich auf den Boden, wo sie einen Moment hockten und dann zeitgleich zu lachen anfingen. Die beiden Frauen kamen nicht ganz mit, doch schien das die beiden Braunhaarigen überhaupt nicht zu stören.   Aiden lehnte sich zurück und starrte in den mondlosen Himmel, bevor er sich an seine Freunde wandte: „Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich will nur noch nach Hause.“ Seine Freunde nickten zustimmend und sahen mit ihm zusammen in den Himmel, bevor sie sich alle hoch stemmten und den Rückweg zum Schrein antraten. Aiden wusste nicht warum, aber er hatte das Gefühl, als wäre das hier nicht das letzte Mal gewesen, dass er hier war. Kapitel 6: VI - Mirai --------------------- ~~~Donnerstag 14. April 2016~~~   „Bist du wirklich sicher, dass du wieder zur Schule gehen kannst, Nobiro?“ Aidens Stimme war mit Sorge um seine Mitbewohnerin gefüllt, doch winkte die Grünhaarige nur ab und richtete ihre Kapuzenweste, bevor sie ihre Tasche schulterte und an die Tür herantrat. Der Braunhaarige schüttelte nur den Kopf, doch konnte er seiner Bekannten ihr Vorhaben sowieso nicht ausreden, weswegen er nur ergeben aufseufzte und dem Mädchen aus dem Wohnheim folgte. Seit der Nacht, in der Luca und Miyuki von ihrem Shadow angegriffen wurden, war eine Woche vergangen und seither hatten die drei Schüler es vermieden, das Thema wieder anzusprechen. Was Aiden noch mehr auf den Magen schlug war, dass Luca sich seit diesem Tag von den beiden fern hielt. Er reagierte auf keine Nachricht und schenkte den beiden absolut keine Beachtung. Kurze Zeit später saßen sie im Zug und fuhren in Richtung High School, während der Braunhaarige den Musikspieler, den er unter seinem Bett gefunden hatte, in den Händen drehte und nachdachte.   Miyuki beobachtete den jungen Mann eine Weile, bis sie ihre Neugier nicht mehr zügeln konnte und nachfragte: „Das ist ein ziemlich alter Musikspieler, du solltest dir bei Gelegenheit mal einen neuen zulegen. Funktioniert der eigentlich noch?“ „Momentan nicht, aber vermutlich sind einfach die Batterien leer. Ich weiß nicht warum, aber ich habe das Gefühl, dass mehr hinter dem Ding steckt“, murmelte Aiden vor sich hin und drehte das Objekt nachdenklich in den Händen. So ganz konnte die Grünhaarige nicht verstehen, was an einem alten Musikspieler so beeindruckend sein sollte. Sie hakte noch einmal nach und jetzt erklärte der Braunhaarige, dass er den Musikspieler in seinem Zimmer gefunden hatte und zwar in dem selben Versteck, in dem die Pistole für die Persona-Erweckung gewesen war.   Jetzt kratzte sich Miyuki nachdenklich am Kopf und sah aus dem Fenster, denn ihr kam da eine Idee, die sie später ausprobieren wollte. Aiden packte das Gerät weg und musterte seine Mitbewohnerin, die immer noch recht blass um die Nase wirkte, doch ansonsten wirkte sie einigermaßen Gesund. Nachdenklich schloss Aiden die Augen und döste ein wenig vor sich hin, bis der Zug an der Haltestelle ankam, an der die beiden aussteigen mussten. Zu zweit machten sich die beiden auf den Weg zur Gekkoukan High School, wobei der Braunhaarige wieder mit einem erstaunlichen Phänomen konfrontiert wurde. Auf dem Weg kamen sie an ein paar ihrer Klassenkameraden vorbei, doch wurde nur Aiden von ihnen gegrüßt. Miyuki wurde gnadenlos ignoriert und einige Male angerempelt, ohne dass sie dafür eine Entschuldigung bekam. Mit einem wütenden Knurren half der Braunhaarige seiner Mitbewohnerin gerade wieder auf die Beine und beschwerte sich: „Das ist ja wohl die Höhe! Können die nicht aufpassen?“ „Ist schon okay, Kurosaki-kun. Ich bin das gewohnt“, erwiderte die Schülerin und klopfte sich etwas Schmutz von ihrem Rock, doch fand der Braunhaarige das überhaupt nicht in Ordnung und fluchte leise vor sich hin.   In der Klasse musste er sich dann aber doch beherrschen, denn im Unterricht käme fluchen gar nicht gut rüber, weshalb er die Klappe hielt und dem Stoff folgte. Miyuki versuchte dieses Mal dem Unterricht so gut es ging zu folgen, denn sie hatte bereits eine ganze Woche Schulstoff verpasst und das wollte sie auf keinen Fall wiederholen. Der Unterricht verlief völlig ereignislos, doch konnte Aiden ihm nicht folgen, denn er machte sich einfach zu viele Gedanken wegen Luca. Es sah dem Jungen überhaupt nicht ähnlich, sich zu zurück zu ziehen und das bereitete ihm Bauchschmerzen. Als es zur Pause klingelte suchten die beiden Schüler ihren Stammplatz auf dem Dach der Schule auf und nahmen ihr Mittagessen zu sich. Wirklich etwas essen tat Aiden nicht, denn egal wie sehr er es versuchte, seine Gedanken kreisten immer wieder um seinen Freund. Miyuki kaute auf einem Stück Tintenfisch herum und musterte ihren Mitbewohner, dem man seine Sorge ansehen konnte: „Mach dir keine Sorgen, ich bin mir sicher, Silva-kun hat seine Gründe... Ich hoffe es zumindest.“   Das Letzte hatte sie mehr genuschelt, als laut ausgesprochen, denn mit jedem Wort hatte sich Aidens Miene mehr und mehr verfinstert. Sie wollte ihm helfen, jedoch wollte es ihr einfach nicht gelingen. Sie seufzte und widmete sich wieder ihrem Essen, jedoch gab sie nicht auf, Aiden aufzuheitern. Bis zum Ende des Schultages gelang ihr das allerdings nicht und als es endlich klingelte, machten sie sich auf den Weg. An den Schließfächern wechselte Aiden seine Schuhe und erhaschte einen kurzen Blick auf zwei Mädchen, die ihn neugierig musterten. Eine hatte schulterlanges, braunes Haar und die andere hüftlanges, rosafarbenes Haar, das definitiv gefärbt sein musste. Vermutlich sahen sie ihn so neugierig an, weil er der Neue war, aber er war diesen Anblick bereits seit einigen Jahren gewohnt, weshalb er das gekonnt ignorierte. Was er allerdings nicht so leicht ignorieren konnte war Luca, der vor ihm zum stehen kam und offenbar nicht damit gerechnet hatte, ihm doch noch über den Weg zu laufen. Der Junge mit den grünen Augen sah kurz auf seine Füße, bevor er leise das Wort an Aiden richtete: „Hey, Amigo... Hast du kurz einen Moment Zeit?“   Miyuki sah die beiden Jungs kurz an und verließ dann, nach den anderen beiden Mädchen, das Schulgebäude. Aiden sah seiner Mitbewohnerin kurz nach, bevor er sich an seinen Freund wandte und die Hände in die Hosentasche steckte: „Was gibt’s? Ich bin froh zu sehen, dass es dir wieder gut geht. Du warst die ganze Woche nicht da.“ Der Grünäugige kratzte sich verlegen am Hinterkopf und atmete ein paar Mal tief durch, doch bevor er etwas sagen konnte, kam ihm Aiden zuvor: „Hab ich was falsch gemacht? Du hast nicht auf meine Nachrichten geantwortet, da hab ich mir Sorgen gemacht.“ Etwas irritiert sah Luca ihn an und kratzte sich dann am Arm: „Du machst dir wirklich Sorgen um mich? Nach allem, was passiert ist?“ Etwas irritiert legte der Blauäugige den Kopf schief und sah seinen Freund an, der den Kopf senkte: „Ganz ehrlich, ich habe mich geschämt. Nobiro und du, ihr habt beide gehört, was ich über diese ganze Situation denke. Ich...“   Er kniff die Augen zusammen, als er eine Hand auf die Schulter gelegt bekam: „Mach dir deswegen keinen Kopf, Luca. Mir wäre es nicht anders gegangen.“ Der Braunhaarige sah auf und biss sich auf die Unterlippe: „Du... du bist mir wirklich nicht böse?“ „Nein, es ist alles gut. Ich bin froh, dass das alles gut ausgegangen ist. Du bist mein bester Freund und ich will dich nicht verlieren, Luca“, erklärte der Braunhaarige und erntete einen erstaunten Blick, der von einem breiten Lächeln ersetzt wurde. Die beiden Jungs sahen sich nur an, als in Aidens Kopf eine seltsame Stimme wiederhallte: „Ich bin du. Du bist ich.“ Er sah sich irritiert um, denn er hatte diese Stimme schon einmal gehört, doch wo kam sie her? Luca musterte seinen Freund einen Moment, doch dann klopfte er ihm auf die Schulter und verließ die Schule.   Zu zweit machten sich die beiden Jungs auf den Rückweg und unterhielten sich über einige Dinge, bis sie mit dem Zug an der Iwatodai Station ankamen. Als die beiden die Rolltreppe nach unten fuhren mussten beide kurz schlucken, denn beim Anblick des Fußgängerüberweges bekamen beide einen unschönen Flashback. Als die beiden vor den ganzen Geschäften standen, kam ihnen Miyuki entgegen, die eine weiße Plastiktüte in den Händen hielt. Die Grünhaarige warf den beiden einen vorsichtigen Blick zu, doch da die beiden sie freundlich anlächelten, atmete sie erleichtert aus: „Es scheint, dass ihr beide euch wieder vertragt. Da bin ich ja froh.“ Die beiden Braunhaarigen grinsten sich an, bevor sie sich zu dritt auf den Weg zum Wohnheim machten. Miyuki starrte auf ihre Füßen und ergriff dann das Wort: „Ich mache mir Sorgen um sie.“   Luca sah die Grünhaarige neugierig an, als Aiden die Frage stellte, die beiden Jungs auf der Zunge lag: „Wen meinst du?“ „Mirai natürlich“, erwiderte das Mädchen etwas empört darüber, dass die beiden Schüler wohl keinen Gedanken an dadie Silberhaarige verschwendet hatten. Der Grünäugige blieb stehen und murmelte erstaunt: „Mirai?“ Genervt blieb das Mädchen mit den grünen Haaren stehen und musterte ihre beiden Mitschüler mit einem bösen Blick: „Ja, das habe ich doch gerade gesagt!“ Aiden versuchte seine Mitbewohnerin zu beruhigen und deutete mit der Hand nach vorne: „Nein, was er meinte ist das. Mirai!“ Verwirrt folgte Miyuki dem Fingerzeig und sah dann das, was Luca so erstaunte. Vor dem Wohnheim saß Mirai in der Hocke und streichelte eine Katze, die sich schnurrend um ihre Beine schlang.   Erst sahen sich die drei Schüler an, bevor sie im Laufschritt auf die Silberhaarige zuliefen. Mirai lächelte sanft, während sie das Tier zu ihren Füßen sanft streichelte: „Du bist echt niedlich, ich könnte dich die ganze Zeit streicheln.“ Sie hob den Blick, als sie ihren Namen hörte und stellte sich aufrecht hin, um die Schüler zu betrachten. Miyuki wirkte sichtlich erleichtert, doch Aiden war etwas entsetzt. Bereits in der Schattenwelt hatte Mirai mit ihrer Kleidung ziemlich mitgenommen gewirkt, aber jetzt im Tageslicht wurde die Erscheinung noch deutlich grausamer. Ihre Kleidung war völlig ruiniert, sie hatte überall Schnitt- und Schürfwunden und war völlig verdreckt. Auch seinen Freunden schien das aufzufallen, denn Miyuki trat vorsichtig nach vorne und machte schon Anstalten, die Hand nach dem Mädchen auszustrecken: „Mirai, ist alles okay bei dir? Ich bin echt froh, dich zu sehen.“ Die Angesprochene strich sich einige Haare aus dem Gesicht, wodurch man kurz ihr linkes Auge sehen konnte und irgendwie hatte Aiden das Gefühl, als wäre es nicht rot gewesen, aber vermutlich hatte er sich geirrt.   Die Silberhaarige legte kurz den Kopf schief und zuckte dann mit den Achseln: „Jetzt lass mal die Kirche im Dorf. Ich wollte eigentlich mit euch reden, wenn ihr einen Moment Zeit habt.“ Die drei tauschten einen fragenden Blick, bevor sie zeitgleich nickten und dann ins Innere des Wohnheims gingen. Im Foyer sah sich die Neue erstaunt um und murmelte etwas davon, dass es hier deutlich einladender wäre, als drüben. Aus der Aussage schloss Aiden, dass die Tür zum Wohnheim wohl von Mirai abgeschlossen worden war, schließlich musste sie ja irgendwo geschlafen haben. Zu viert setzten sie sich in die Sitzecke, wobei sich jeder ein eigenes Möbelstück suchte und sie nun im Viereck saßen. Alle Blicke waren auf Mirai gerichtet, die die Arme vor der Brust verschränkte und die Beine übereinander schlug: „Was schaut ihr denn so?“ Die beiden Jungs waren sichtlich überrascht über diesen barschen Tonfall, doch antwortete Miyuki mit leicht zitternder Stimme: „Naja, wir haben gedacht, du könntest gar nicht aus dieser Welt raus, sonst wärst du ja beim letzten Mal mit uns gekommen. Aber ich bin froh zu sehen, dass du okay bist.“   „Danke. Ich bin eigentlich hergekommen, weil... Weil ich euch um Hilfe bitten möchte“, setzte Mirai nun an und sah dabei auf ihre Hände, die in ihrem Schoß lagen. Die drei High School Schüler sahen sich einen Moment an, bevor Aiden das Wort ergriff: „Wobei genau brauchst du denn Hilfe? Wenn wir können, helfen wir dir natürlich. Oder?“ Er sah seine Freunde an, die beide sofort nickten und dadurch der Silberhaarigen ein leichtes Lächeln ins Gesichts zauberten. Sie lehnte sich etwas zurück und atmete erleichtert aus, bevor sie die Augen öffnete und die Schüler ansah: „Also, es ist so: Ich bin mir nicht mal sicher, ob ihr mir überhaupt helfen könnt, aber ich möchte meine Erinnerungen wiederhaben und ich glaube, dass ich sie irgendwie in dieser Welt voller Monster wiederbekommen kann.“   „Warte, du hast deine Erinnerungen verloren?“, kam es geschockt von Luca, der die Augen aufriss und das Mädchen ansah, die nur leicht nicken konnte: „Ja. Ich kann mich an nichts erinnern, seit ich aufgewacht bin. Das Einzige, was ich weiß ist mein Name. Und da bin ich mir nicht mal sicher, ob es wirklich meiner ist, weil Zen mich einfach so genannt hat. Der Punkt ist aber, dass ich dafür wieder in diese Welt muss und ohne eure Hilfe... ich geb es zu, ohne euch bin ich aufgeschmissen!“ Aiden verschränkte die Arme vor der Brust und ignorierte dabei Kiara, die auf seiner Rückenlehne saß und immer wieder mit der Pfote auf seinen Kopf schlug: „Du brauchst uns alle wegen der Shadows, richtig?“ Mirai biss sich auf die Unterlippe und starrte auf ihre Hände, die sich in ihrem Rock zu Fäusten ballten, denn ihr war bewusst, dass es hier so aussah, als würde sie die drei als menschlichen Schutzschild brauchen, aber was hatte sie denn für eine Wahl?   Miyuki sah zwischen ihren Freunden hin und her, bevor sie sich zu Wort meldete: „Du weißt aber eine ganze Menge über Shadows und auch über Persona. Ich meine, du warst es, der mir gezeigt hat, wie ich mich selbst akzeptieren kann.“ Ein etwas überraschter Blick Mirais traf die Grünhaarige, bevor die Silberhaarige etwas erwiderte: „Was soll ich gesagt haben? Ich kann mich nicht erinnern, um ehrlich zu sein. In letzter Zeit passiert es immer wieder, dass ich plötzlich Kopfschmerzen bekomme, wenn ich sehr stark nachdenke. Wenn ich dir helfen konnte ist das gut, nur kann ich mich nicht daran erinnern.“ Luca verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schob die Unterlippe nach vorne, bevor er seine Gedanken aussprach: „Du hast uns beiden geholfen, also musst du dich ja auch mit diesem Zeug auskennen. Die Tatsache, dass du es vergessen hast, macht mir zwar Sorge, aber ich bin bereit dir zu helfen.“ „Ich auch. Nur weil du dich nicht erinnern kannst, heißt das nicht, dass wir dir nichts für deine Hilfe schulden“, pflichtete Miyuki dem Jungen bei und grinste Mirai breit an, die leicht rot anlief und zur Seite schaute. Ihr Gesicht wurde aber noch eine Spur roter, als ein lautes Grummeln von ihr zu hören war und sie sich ungewollt an den Bauch griff. Luca brach in schallendes Gelächter aus, was er aber sofort bereute, denn im nächsten Moment traf ihn ein Schuh im Gesicht und fegte ihn vom Sessel.   Aiden und Miyuki lachten ebenfalls laut auf, als Kiara genug hatte und ihrem Herrchen die Krallen ins Ohr rammte: „Ah! Verdammt, Kiara!“ Er sah seine Katze böse an, die allerdings von der Couch sprang und dann mit erhobenem Schweif und einem missgelaunten Maunzen in Richtung Küche stolzierte. „Verwöhnte Diva“, knurrte Aiden und folgte ihr in die Küche, wobei ihm noch etwas einfiel, „was haltet ihr denn davon, wenn ich uns was kleines zu Essen mache? Mirai sieht hungrig aus.“ Alle drei nickten und mit einem Grinsen verschwand Aiden in der Küche, bevor Miyuki sich an die Silberhaarige wandte: „Während Kurosaki-kun unser Essen macht, gehen wir beide ins Bad.“ Die Angesprochene sah etwas überrumpelt zu der Grünhaarigen hoch und schien ihr nicht folgen zu können: „Was meinst du?“ „Sieh dich doch mal an! Deine Kleider sind völlig Kaputt, du bist verletzt und völlig verdreckt und von deinen Haaren will ich jetzt gar nicht anfangen!“ Sie griff nach Mirais Hand und zog sie mit sich in Richtung Badezimmer.   Luca rappelte sich wieder hoch und sah den Mädchen nach: „Du musst nicht so übertreiben, Nobiro.“ „Doch, wer dreckig ist wird krank und wer krank ist... Naja, ist eben krank!“, erwiderte die Grünhaarige und zerrte Mirai einfach ins Badezimmer, während der Braunhaarige alleine im Foyer zurück lieb. Aus dem Bad ertönten lautstarke Proteste seitens Mirai, was dem Jungen ein freches Grinsen ins Gesicht zauberte. Er wäre nicht abgeneigt, einen Blick zu riskieren, doch war er sich sicher, dass es ihn seinen Kopf kosten würde, weshalb er sich zu Aiden in die Küche begab. Die beiden Braunhaarigen machten es sich einfach und bereiteten einige Sandwiches zu, wobei Aiden einige Male aufhorchte, als man seltsame Geräusche aus dem Bad hören konnte. Luca lachte laut auf, als er das Gesicht seines besten Freundes sah und gab ihm nur zu verstehen, dass er besser nicht nachfragen solle. Mit einem besorgten Blick kehrten die beiden mit zwei Tabletts ins Foyer zurück und kurz darauf kamen auch Mirai und Miyuki dazu, wobei die Silberhaarige kaum wiederzuerkennen war. Da der ganze Dreck und das Blut von ihrem Körper weggewaschen war, sah man ihre helle Haut, die mit mehreren Schnitten übersät war. Da ihre Kleidung völlig ruiniert war, trug sie nur einen Bademantel, den die Grünhaarige ihr geliehen hatte und setzte sich wieder auf ihren Platz.   Mirai wartete nicht auf die anderen und griff sich sofort ein Sandwich, in das sie gierig hineinbiss und es in wenigen Bissen verschlang. Die Gruppe genehmigte sich ebenfalls ihr Essen und kurz darauf saßen alle wohlig seufzend in der Runde. Luca leckte sich gerade etwas Sauce vom Daumen und musterte die Silberhaarige neugierig: „Sag mal, Mirai-chan, was hast du eigentlich da drüben gegessen? Und wie lange bist du schon da drüben?“ Das Mädchen strich sich erneut einige Haare aus dem Gesicht und dachte kurz nach, bevor sie leise zu sprechen begann: „Ich bin vor knapp zwei Wochen in diesem Albtraum aufgewacht und kann mich an nichts mehr erinnern. Wie eben erwähnt habe ich meinen Namen von Zen, also weiß ich nicht einmal, ob ich wirklich Mirai heiße. Ich bin circa eine Woche durch diese Welt gewandert und habe versucht etwas zu finden, was mir meine Erinnerungen zurück bringen kann, aber leider ohne Erfolg. Die Shadows haben es mir auch nicht einfach gemacht, aber sie haben mich eigentlich zum größten Teil in Ruhe gelassen. Naja, dann seid ihr drei aufgetaucht und ich weiß nicht warum, aber ich glaube, dass ihr mir helfen könnt. Also bitte... Helft mir.“   Sie erhob sich und verneigte sich tief, wobei sie am ganzen Leib vor Anspannung zitterte. Sie fürchtete sich vor der Antwort, als Aiden die Stimme erhob: „Also, wenn ich ehrlich bin würde ich ungern wieder einen Fuß in diese Welt setzen, aber... Ohne dich hätten wir das damals nicht überlebt. Ich weiß nicht, was uns erwartet, aber irgendwas sagt mir, dass ich dir helfen soll. Also, du kannst auf mich zählen. Außerdem haben die anderen beiden das eben ja schon festgelegt, von daher kann ich jetzt schlecht nein sagen.“ Die Silberhaarige hob den Kopf und traute ihren Ohren nicht, doch dann seufzte Luca gespielt auf: „Das ist ja wie in einer schlechten Fantasy-Geschichte, aber irgendwie ist es auch cool. Ohne dich würde ich hier nicht stehen, also bleibt es bei ja. Ich helfe, wo ich kann.“ „Ich helfe auch mit, ich habe zwar riesige Angst vor den Shadows, aber ich will wissen, warum mir das alles so bekannt vorkommt. Also auf mich kannst du auch zählen“, stimmte Miyuki zu und sprang sogar von ihrem Sessel auf.“ Mirai biss sich auf die Unterlippe und hielt die Tränen zurück, während sie leise hauchte: „Danke.“   Aiden grinste breit, als in seinem Hinterkopf wieder die Stimme vom Mittag erklang: „Ich bin du. Du bist ich.“ Der Braunhaarige sah sich kurz um und kratzte sich am Hinterkopf, als Luca aufstand und sich streckte: „Es ist schon spät geworden, aber wir sind uns ja einig geworden. Ich mach mich auf den Heimweg, beunas noches.“ Der Junge verließ das Wohnheim und Aiden gähnte einmal, als Miyuki sich erhob und Mirai zuwandte: „Du kannst heute Nacht bei mir schlafen, Mirai. Morgen richten wir dir dann ein Zimmer her.“ „Wenn es keine Umstände macht. Ich kann das auch morgen allein erledigen“, erwiderte die Silberhaarige, die sich kurz durch die Haare und fuhr und dann der Grünhaarigen zur Treppe folgte. Dort angekommen drehten sie sich noch einmal um und grinsten zeitgleich: „Gute Nacht.“ Aiden saß immer noch auf der Couch und rieb sich die Nasenwurzel. Woher kam diese Stimme die ganze Zeit? Er bekam langsam Kopfschmerzen davon, weshalb er das Geschirr wegräumte und dann ebenfalls die Treppe nach oben stieg, um den Tag zu beenden. Kapitel 7: VII - Normales Schulleben ------------------------------------ ~~~Freitag 15. April 2016~~~   Der Schultag verlief alles andere als spannend, aber das kam Aiden und seinen Freunden eigentlich mehr als gelegen, denn nach den letzten Tagen war ihnen etwas Ruhe mehr als Recht. Nachdem es zur Pause geklingelt hatte, waren Aiden und Miyuki aufs Dach gegangen und hatten es sich auf den Bänken bequem gemacht. Luca hatte nicht lange auf sich warten und war kurz darauf zu ihnen gestoßen, wobei er heute noch eine Spur fröhlicher als sonst wirkte. Nachdenklich kaute der Junge mit den blauen Augen auf seinem Essen herum, bevor er sich dazu entschied nachzufragen: „Hast du heute einen guten Tag, oder warum grinst du wie ein Honigkuchenpferd?“ „Ach, ich freu mich einfach. Heute fangen die Sportclubs wieder an, was heißt, dass ich wieder auf den Fußballplatz kann!“, jubelte der Braunhaarige und stopfte sich ein Stück seines Churros in den Mund.   „Sportclubs? Davon wurde uns noch gar nichts gesagt“, merkte Miyuki an, was aber eher daran lag, dass sie ihre Klassenlehrerin noch nicht gehabt hatten. Aiden machte sich über diese Information Gedanken, denn er wollte sich schon lange mal wieder sportlich ertüchtigen, doch leider verlor er immer sehr schnell das Interesse an solchen Sachen. Mehr als einmal hatte er deswegen eine Standpauke von seinem Vater bekommen, weil er einfach nur faul wäre. Miyuki knabberte an einem Keks und schien dem Thema Sport lieber aus dem Weg gehen zu wollen, was den beiden Jungs ein leichtes Grinsen entlockte. Plötzlich änderte Luca allerdings das Thema auf die neueste Wohnheim-Bewohnerin: „Wie geht es eigentlich Mirai-chan?“ Aiden horchte auf, als Miyuki leicht den Kopf neigte: „Naja, als ich heute früh gegangen bin, hat sie noch tief und fest geschlafen. Sie muss wirklich müde gewesen sein.“ „Kann ich mir denken. Sie hat schließlich eine längere Zeit in einer Welt voller Shadows verbracht. Ist schon klar, dass sie da mal froh ist schlafen zu können, ohne zu befürchten, von einem Monster angefallen zu werden“, teilte Aiden seine Meinung mit, was die anderen beiden nur nicken ließ.   Gerade als Luca noch etwas einwerfen wollte, ging die Tür zum Dach auf und ein junger Mann mit rot-braunen, nach hinten stehenden Haaren trat ins Freie. Er ließ kurz den Blick schweifen, bevor sich seine braunen Augen auf die Gruppe richteten. Die beiden Braunhaarigen hatten irgendwie das Gefühl, als würde der Junge sie verachten, doch sah er dann zu Miyuki und trat an sie heran: „Da bist du. Seit wann sitzt du in der Pause auf dem Dach?“ „Seit neuestem, warum fragst du? Ist doch nicht verboten. Oder doch?“, plötzlich sah die Grünhaarige etwas unsicher um und schien sich nicht mehr sicher zu sein, ob sie nicht vielleicht etwas verbotenes tat. Der Rot-braunhaarige rollte einmal mit den Augen und schüttelte den Kopf, bevor er der Grünhaarigen einen schmalen Ordner hinhielt: „Ich habe heute Mittag leide reinen Termin, also musst du das hier übernehmen. Kann ich mich drauf verlassen, dass du das erledigst, Miy... Nobiro.“ Aiden hob kurz eine Augenbraue, denn es schien so, als hatte der Junge gerade Miyuki mit dem Vornamen anreden wollen. Warum hatte er es nicht getan? Wegen Luca und ihm vielleicht?   Die Grünhaarige nahm den Ordner entgegen und nickte einmal, bevor sie den Kopf leicht zur Seite neigte: „Magst du mit uns essen, Katzu-kun?“ Auf die Anrede verzog der Junge das Gesicht und warf der Grünhaarigen einen bösen Blick zu, den diese aber offensichtlich nicht ernst nahm, als er ihr wütend zu zischte: „Wie oft hab ich dir gesagt, dass du mich in der Schule Samejima nennen sollst!“ „Gomen, Katz... Samejima-kun, kommt nicht wieder vor“, nuschelte Miyuki etwas niedergeschlagen und wagte es nicht den Kopf zu heben, bis der Rot-braunhaarige mit einem letzten Blick auf Aiden und Luca das Dach verließ. Mit einem leichten Seufzer biss das Mädchen in ihr Mittagessen, als Luca mit der Zunge eine Rassel imitierte: „Was für ein arroganter Arsch.“ Aiden konnte auf die Aussage nur mit den Achseln zucken, denn er kannte den Jungen nicht, aber er hatte ihn und seinen Freund mit so einem seltsamen Blick gemustert, als hätten sie etwas angestellt. Zu seiner Überraschung begann Miyuki den Schüler zu verteidigen: „Sag das bitte nicht so ernst, Silva-kun. Katzumi ist eigentlich ganz nett, er hat nur eine Menge um die Ohren.“ „Kein Grund, andere so mies zu behandeln. Der tut ja so, als wärst du seine Sekretärin“, brummte Luca und verspeiste einen weiteren Churro.   Die drei sahen sich kurz an, als die Schulglocke ertönte und die Schüler zum Aufstöhnen brachte, denn keiner von ihnen hatte sein Mittagessen aufessen können. Es half aber alles nichts, denn sie mussten zurück in die Klassen, weshalb sie ihre Sachen zusammen packten und sich auf den Weg machten. Wie Aiden es bereits geahnt hatte, bekamen sie während des Nachmittagsunterrichts von ihrer Klassenlehrerin ebenfalls die Mitteilung, dass die Schulclubs wieder geöffnet waren. In der Klasse begann sofort ein aufgeregtes Getuschel und Gemurmel, denn offenbar freuten sich viele der Schüler auf ihre Clubaktivitäten. Während des Unterrichts machte sich der Braunhaarige Gedanken darüber, ob er sich vielleicht in einen der Clubs eintragen sollte. Vielleicht sollte er sich erst einmal alles ansehen, bevor er eine endgültige Entscheidung treffen würde. Als es zum Ende des Schultages läutete, packte er seine Sachen zusammen und wandte sich an seine Sitznachbarin: „Hey, Nobiro. Sag mal, darf man sich die Clubs ansehen, bevor man da mitmacht?“ Die Grünhaarige packte hektisch ihre Sachen ein und hatte den Ordner in der Hand, den sie in der Pause bekommen hatte: „Ja, darfst du, aber ich habe keine Zeit, um mit dir mit zu gehen. Ich muss das hier für Katzu-kun erledigen. Wir sehen uns!“ Damit hechtete sie aus der Klasse und ließ Aiden etwas irritiert und allein zurück.   Mit einem Schulterzucken packte der Oberschüler seine Sachen fertig ein und verließ mit geschulterter Tasche den Raum. Er wusste durch eine kurze Führung seiner Lehrerin damals noch ungefähr, wo der Sportkomplex war, weshalb er den Weg dorthin einschlug. Der besagte Komplex war durch einen langen, überdachten Weg mit der Schule verbunden, zu dessen linker ein kleiner Garten mit einem Baum war. Vorsichtig betrat er den Komplex und sah sich um, denn hier gab es mehrere Türen und Gänge. Der Braunhaarige kam sich etwas verloren vor, als ihm jemand auf die Schulter tippte. Er drehte sich um und sah sich Luca gegenüber, der grinsend die Hand zum Gruß hob: „Yo, Amigo. Kannst dich nicht entscheiden, was?“ „Nicht wirklich. Sag mal, kannst du mir sagen, wo welche Clubs sind?“, erkundigte sich Aiden bei seinem Freund, der ihn kurzerhand in einen der Räume zog.   Nach und nach klapperten die beiden Schüler die Clubs ab, wobei Aiden doch schon überrascht war, was es hier alles gab. Leichtathletik kam für Aiden nicht in Frage, denn bei seiner Körperbeherrschung würde er sich beim Sprung über die Stange noch was brechen. Luca war ebenfalls nicht davon überzeugt. Laufen war eine Sache, aber Hochsprung und solche Dinge etwas anderes. Schwimmen war für den Jungen auch keine Option, er konnte zwar schwimmen, aber eher schlecht als recht, denn im Schwimmbad hielt er sich eher mit Kari im Nichtschwimmerbereich auf. Boxen und Bogenschießen klangen zwar ganz interessant, allerdings war es nicht wirklich Aidens Geschmack. Volleyball und Tennis wurden hier zwar auch angeboten, aber lag hier der Fokus mehr auf den Mädchen, als auf den Jungs. Wie Luca ihm erklärte, gab es einige Team, in denen nur Mädchen und anderen nur Jungs erlaubt waren. Das beste Beispiel war der Kendoclub, denn nach einer etwas älteren Schulregel war es Mädchen nicht erlaubt, solche gefährlichen Sportarten auszuführen. Die Regel machte für Aiden sogar Sinn, schließlich wollte man die Schülerinnen vor Verletzungen bewahren, aber irgendwie war diese Regel in seinen Augen wirklich ziemlich veraltet.   Da es der erste Tag war, wurde in den Clubs, wie zu erwarten, nicht viel getan, sondern eher besprochen, was in diesem Jahr anstehen würde. Neben Aiden gab es noch einige andere Schüler, wobei es sich bei diesen meistens um Erstklässler handelte, die sich die Clubs ansahen, um eventuell beitreten. Er selbst war mit seiner Entscheidung nicht wirklich viel weiter gekommen, weshalb er nachdenklich die Arme vor der Brust verschränkte und den Kopf neigte. Luca sah ihn eine Weile neugierig an, bevor er ihm sanft gegen die Schulter stieß: „Die große Auswahl macht es schwer, hab ich recht?“ „Ja, das ist das Problem... Also ehrlich gesagt schwanke ich zwischen Tennis und Kendo“, teilte der Braunhaarige seine Meinung mit und verzog nachdenklich das Gesicht. Sein bester Freund nickte kurz verstehend, doch dann schüttelte er kurz den Kopf und zog eine Augenbraue in die Höhe: „Das ist eine gute Wah.. warte, Tennis und Kendo? Wie kommst du denn bitte darauf?“ Aiden kratzte sich etwas verlegen am Hinterkopf und lachte kurz, bevor er seine Wahl erklärte: „Naja, Tennis klingt einfach lustig und ich kenne es aus dem Fernsehen. Nichts für Ungut, aber auf Fußball hab ich in letzter Zeit einfach keine Lust, da wäre der Club keine Alternative.“ „Warum erwähnst du den Fußballclub?“, wollte Luca mit einer immer noch hoch gezogenen Augenbraue wissen, was seinen Freund schmunzeln ließ: „Ach komm, ich seh doch die ganze Zeit, dass du auf eine Gelegenheit wartest, um mich in den Club zu lotsen.“ Etwas ertappt sah der Grünäugige zu Seite und kratzte sich an der Nase, bevor er leise auflachte: „Ich bin wohl ziemlich leicht zu durchschauen, was?“   Die beiden Jungs lachten kurz, als Aiden sich zum Kendoclub wandte: „Weißt du, Luca, wenn wir wieder da rüber gehen, um uns der Sache mit Mirai anzunehmen, sollten wir uns verteidigen können. Vermutlich wäre da der Kendoclub die beste Wahl.“ „Da magst du nicht ganz Unrecht haben, Amigo. Aber hast du eigentlich die leiseste Ahnung von Kendo? So wie ich dich kenne, hast du vermutlich höchsten drei Stunden gehabt, wenn du überhaupt was gemacht hast“, lachte der Spanier auf und sah zu, wie sein bester Freund rot anlief und zur Seite schaute: „Hey! Es waren fünf Stunden.“ Nach einem Knuff gegen den Arm seitens Luca, betrat Aiden die Kendohalle und sah sich um. Die wenigsten der hier anwesenden Personen trugen ihre Kendouniform und wenn, dann nur zum Teil. Leidglich eine etwas kleinere Person am Rand trug die gesamte Uniform mit Visier. Vor den Clubmitgliedern stand ein breit gebauter junger Mann mit langem, violetten Haar, dass zu einem lockeren Zopf gebunden war. Er hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und wirkte ein wenig wie ein Militär-Sergeant, doch war sein Gesichtsausdruck deutlich sanfter, während er das Wort an sein Team richtete: „Es freut mich, dass ihr alle so zahlreich erschienen seid und dass ihr dieses Jahr wieder in den Club wollt. An alle Zweitklässler, die letztes Jahr dazu gekommen sind: Wenn ihr euch gut anstellt, habt ihr vielleicht Glück und dürft an einem Turnier teilnehmen, als strengt euch an. Zu den Regeln muss ich nicht viel sagen, geht respektvoll mit einander um, achtet darauf, euch nicht zu verletzen und was am wichtigsten ist: Seid nett zu den Neuen und unterstützt sie so gut es geht. Denn nur durch Zusammenhalt und Respekt kommt man im Leben voran. So, hat jemand Fragen?“   Mit dieser Frage wandte sich der Lilahaarige an die Zuschauer, bei denen es sich um die potenziellen Neuzugänge handelte. Unter diesen befand sich auch Aiden, der die Hände in die Hosentasche gesteckt hatte. Er kannte die Regeln bereits, denn das hörte man in jedem Club, allerdings schien die nachträgliche Erläuterung, dass der Sport durchaus gefährlich sein kann, einige der Neulinge abzuschrecken. Die meisten der Anwärter verließen die Halle wieder, bis nur noch vier übrig waren, darunter Aiden. Der Lilahaarige sah sich die neuen an und stutzte beim Anblick von Luca: „Was machst du denn hier, Silver? Sag bloß, du willst dem Kendoclub beitreten.“ „Och nö, Senpai. Ich bleibe beim Fußball, aber mein Freund hier hat Interesse“, erklärte der Braunhaarige und schob seinen besten Freund ein Stück vor, der sofort von dem Lilahaarigen in Augenschein genommen wurde. Aiden fühlte sich etwas unwohl, als er von dem Älteren angesprochen wurde: „Okay, du siehst körperlich fit aus. Hast du schon mal Kendo gemacht?“ „Ein paar Stunden in meiner Kindheit, aber das ist schon ein paar Jahre her“, gab er wahrheitsgetreu Antwort, was den Älteren nicken ließ, bevor er lächelte und die Arme vor der Brust verschränkte: „Wenn du den Willen hast, es zu versuchen, bist du gerne eingeladen, dem Club beizutreten. Ich bin der Kapitän des Kendoclubs, Munemori Masao.“   Aiden nickte und verneigte sich respektvoll: „Kurosaki Aiden, ich bin sehr dankbar für die Chance, Munemori-senpai.“ Während der Lilahaarige lächelte, ertönte ihn Aidens Hinterkopf eine leise Stimme: „Ich bin du. Du bist ich.“ Sofort hob der Braunhaarige den Kopf und sah sich etwas hektisch um, denn langsam hatte er die Vermutung, dass er sich diese Stimme nicht eingebildet hatte. Sie war jetzt schon zum vierten Mal in seinem Kopf erklungen, doch fand er einfach keinen Ursprung dafür. Masao hob eine Augenbraue und schien sich Sorgen um den Jüngeren zu machen: „Alles okay, Kurosaki? Wenn du dem Club beitreten willst, trag dich noch hier in die Liste ein.“ Er hielt dem Braunhaarigen ein Klemmbrett mit Namensliste hin, in die sich der Zweitklässler eintrug und sich erneut verneigte: „Ich werde dich nicht enttäuschen, Senpai.“ „Das hoffe ich doch. Der Club trifft sich immer Montags, Mittwochs und Freitags, außer in den Wochen vor den Prüfungen. Anwesenheit ist keine Pflicht, schließlich kann man niemanden dazu zwingen, aber ich erwarte von meinen Mitgliedern Teilnahme und Ehrgeiz. Kannst du das?“, erklärte der Kapitän und sah den Braunhaarigen streng an und als dieser nickte begann er zu Lächeln: „Dann bis am Montag, Kurosaki.“ Aiden verneigte sich noch einmal und verließ anschließend mit einer weiteren Verbeugung mit Luca den Sportkomplex.   Auf dem Weg aus dem Schulgebäude stießen die beiden Jungs auf den Schüler mit den rot-braunen Haaren, den sie in der Mittagspause kennen gelernt hatten. Er sah die beiden Schüler einen Moment abwertend an, bevor er die Treppe in den ersten Stock emporstieg. Luca stieß einen abfälligen Laut aus und verschränkte die Arme hinter dem Kopf: „So ein Wichtigtuer.“ „Auf die Gefahr hin, dass ich ziemlich dämlich wirke, aber wer ist der Kerl eigentlich?“, stellte Aiden die Frage, die ihm bereits seit der Mittagpause auf der Zunge lag. Der Grünäugige sah seinen Freund einen Moment überrascht an, doch dann neigte er bloß den Kopf: „Ach stimmt ja, du kannst ihn ja gar nicht kennen. Das ist Samejima Katzumi, der stellvertretende Präsident unseres Schülerrats. Er ist extrem eingebildet, redet mit kaum jemandem und wenn er es tut, tut er so, als wären alle anderen Dreck unter seinen Schuhen. Ich meine, du hast ja gesehen, wie er mit Nobiro umgegangen ist. Arroganter Scheißkerl.“ Von der gereizten Art seines besten Freundes war Aiden ziemlich erstaunt, doch entschied er sich dazu, lieber nichts zu sagen. Zu zweit fuhren die beiden mit dem Zug zurück nach Iwatodai, wo sich Luca von ihm verabschiedete und den Heimweg antrat.   Mit verschränkten Armen ging Aiden den Weg zum Wohnheim entlang und machte sich seine Gedanken über diese seltsame Stimme, die er jetzt bereits zum wiederholten Male in seinem Kopf gehört hatte. Das erste Mal hatte er sie bei Miyuki gehört, danach bei Luca. Das dritte Mal war es gestern Abend bei Luca, Miyuki und Mirai gewesen und jetzt ein weiteres Mal bei Masao. Was hatte das nur zu bedeuten? So sehr er auch darüber nachdachte, er kam auf keine Antwort. Vor dem Wohnheim neigte er noch einmal den Kopf und versuchte sich einen Reim auf diese skurrile Sache zu machen, aber es half nichts. Mit einem leisen Seufzer schüttelte er den Kopf und sah sich dann auf dem Bürgersteig um. Schon wieder so eine seltsame Sache, denn seit er auf diese Schule ging kam jedes Mal Kiara aus einer Hecke gesprungen, wenn er nach Hause kam, doch heute war von seiner Katze keine Spur zu sehen. Vermutlich hatte sie eine Maus gefangen und verspeiste diese irgendwo genüsslich. Das war ihm immer noch lieber, als wenn er das Teil am Ende in seinem Bett oder auf seinem Kopfkissen hatte. Er zuckte mit den Achseln und betrat das Foyer des Wohnheims, wo er auf Mirai stieß, die mit Kiara auf dem Schoß auf dem Sofa saß und das Tier streichelte. Aiden schloss die Tür und sofort hob die Katze den Kopf, um den Neuankömmling in Augenschein zu nehmen. Als sie ihr Herrchen erkannte, sprang Kiara von der Couch und lief zu dem Braunhaarigen, der sie sanft hochhob und streichelte: „Hey, meine Schöne. Du scheinst Tiere sehr gern zu haben, oder Mirai?“   Die Silberhaarige strich sich kurz mit der Hand durch den Pony und sah etwas verlegen zur Seite, wobei sie leise murmelte: „Kann sein.“ Sie trug wieder ihre Schuluniform, die zwar jetzt gewaschen und dadurch wieder schwarz, aber immer noch völlig zerfetzt war. Bevor er etwas sagen konnte, ging die Tür auf und Miyuki kam herein, die zur Couch taumelte und auf das Möbelstück fiel, um dort leise zu jammern. Aiden sah kurz zu Mirai, bevor er wieder zu der Grünhaarigen schaute: „Okaerinasai, Nobiro. Alles in Ordnung?“ „Nein“, kam es erstickt von dem Mädchen, die leise jammerte und schluchzte. „Was ist denn mit dir los, Miyuki? Du tust ja so, als würde gleich die Welt untergehen“, kommentierte die Silberhaarige das Verhalten ihrer Bekannten, die nun den Kopf hob und sich erklärte: „Ich habe versucht Karten für das Risette Konzert nächsten Monat zu bekommen, aber ich hatte nie Glück und jetzt sind sie ausverkauft. Ich kann also nicht hingehen!“ Damit ließ sie sich wieder in die Kissen sinken und klagte traurig weiter.   „Na komm, so schlimm ist das doch nicht, Nobiro. Dann gehst du eben beim nächsten Mal hin. Nicht weinen“, versuchte der Braunhaarige seine Mitbewohnerin zu trösten, doch so wirklich Erfolg hatte er damit nicht. Mit einem leisen Schniefen richtete sich Miyuki auf und seufzte schwer, bevor sie das Kinn auf den Händen abstützte: „Schön wär’s... aber meine Eltern erlauben mir das bestimmt nicht. Mirai, warum trägst du eigentlich wieder diese kaputten Sachen?“ „Was soll ich denn sonst tragen? Ich habe doch keine anderen Kleider“, erwiderte die Silberhaarige und schlug ein Bein über das andere, was die Grünhaarige etwas verlegen machte: „Oh, das hatte ich total vergessen. Du kannst dir was von meinen Sachen leihen und wir sollten dir noch ein Zimmer her richten.“ „Na super, nach der Schule noch ne Putzaktion. Naja, es muss sein, also bringen wir es hinter uns“, murmelte Aiden und erhob sich. Zu dritt gingen sie in den zweiten Stock, wo sich Mirai ein Zimmer suchte und dann begann der Kampf gegen den Schmutz. Die beiden Frauen der Truppe ergriffen mehr als einmal die Flucht aus dem Raum, als sie auf einige Spinnen und später auch Kakerlaken stießen, wobei Miyuki die Silberhaarige mehr mitzog, als dass diese selbst floh. Dem Braunhaarigen machte das nichts aus, denn für so etwas gab es Staubsauger und nach drei Stunden intensiven Putzen war das Zimmer endlich bewohnbar.   Erschöpft lehnte Aiden an der Wand, während Miyuki und Mirai auf dem Bett lagen und die Beine baumeln ließen. „Wenn es keiner von euch es sagt, dann mach ich es. Putzen ist echt ätzend“, meckerte Aiden und erntete zwei belustigte Blicke, bevor die Damen sich aufrichteten. Die Grünhaarige hielt sich den Bauch, als dieser zu grummeln begann und lachte kurz auf: „Putzen macht hungrig, lasst uns was essen und morgen nach der Schule gehen wir mit Mirai-chan shoppen.“ Die anderen beiden hatten damit keine Probleme, weshalb sie sich zu dritt in die Küche gingen und sich das Abendessen vorbereiteten.   Später am Abend lag Aiden in seinem Bett und dachte über die letzten Tage nach. Sein Blick schweifte durch das dunkle Zimmer, als ihm ein schwaches, blaues Glühen aus seiner Tasche auffiel. Neugierig stand er auf und durchsuchte seine Tasche, als er auf einen Stapel Karten stieß, die er vor ein paar Tagen von Igor bekommen hatte. Als er sie damals im Velvet Room bekommen hatte, waren sie alle leer gewesen, doch als er sie jetzt durchsah stellte er fest, dass vier von ihnen leicht glühten und nun ein Bild hatten. Die leuchtenden Karten waren mit dem Narren 0, dem Magier I, der Stärke XI und dem Mond XVIII betitelt. Aiden kannte sich mit Tarot überhaupt nicht aus, aber heute war er einfach zu müde, um weiter darüber nachzudenken. Er würde einfach versuchen Igor und Amalia danach zu fragen, sobald er wieder in diesem Raum enden würde. Auch wenn es ihm nicht gefiel, er würde unter Garantie wieder dorthin müssen. Er schloss die Augen und versuchte nicht weiter an diese seltsamen Gestalten zu denken, während er Kiara über den Kopf strich und versuchte einzuschlafen. Kapitel 8: VIII - Der kleinen Schwester kann man nicht Nein sagen ----------------------------------------------------------------- ~~~Mittwoch 20. April 2016~~~   Laues klatschen hallte durch die Sporthalle der Gekkoukan High, während die Kendoka ihren Übungen nachgingen. Die letzten Tage waren für Aiden relativ ereignislos vergangen, was dem Braunhaarigen mehr als recht war. Am Samstag hatten sie zusammen nach der Schule einen Einkaufsbummel mit Mirai gemacht, was für ihn eher Tüten tragen bedeutet hatte. Wenigstens war der Tag nicht umsonst gewesen, denn auch wenn Mirai alles, was Miyuki ausgesucht, für scheußlich befunden und abgelehnt hatte, waren sie am Ende mit drei prall gefüllten Taschen aus dem Laden gegangen. Die folgenden Tage hatten sie, neben den üblichen Schulsachen, damit verbracht, Mirai beim finden ihrer Erinnerungen zu helfen, indem sie ihr die verschiedensten Denkanstöße gegeben hatten. Zum großen Bedauern der Schüler waren alle Versuche erfolglos geblieben. Auch wenn keiner es zugeben wollte, aber der Schlüssel für die Erinnerungen der Silberhaarigen lagen definitiv in der Schattenwelt, was hieß, dass sie um einen weiteren Besuch nicht herum kommen würden.   Heute stand allerdings erst einmal Kendo auf dem Plan und Aiden war irgendwie stolz auf sich selbst, dass er zur zweiten Stunde erschienen war. Die erste hatte ihm einige blaue Flecken an Händen und Armen eingebracht und auch die zweite Stunde verlief nicht unbedingt besser. Sein Gegner war der Schüler, den er am letzten Freitag in kompletter Montur gesehen hatte und leider war der Junge ein schieres Monster. Egal wie Aiden sich bewegte, sein Gegner war ihm einen Schritt voraus und traf ihn an einer ungeschützten Stelle. Er verzog gerade schmerzvoll das Gesicht, als sein Gegner ihn zurechtwies: „Du zappelst zu viel und du schreist unnötig herum.“ „Ich dachte, dass man das so machen soll“, murrte der Braunhaarige und nahm den Helm ab, während er sich die Seite massierte. Nozaki, wie sich der andere ihm vorgestellt hatte, schüttelte nur den Kopf und ging wieder in Stellung: „Hör auf zu meckern und mach dich bereit!“ „Wenn es sein muss“, knurrte der Braunhaarige und setzte seinen Helm wieder auf, bevor er das Schwert hob und einen Angriff versuchte, der in einem Hieb gegen seinen Bauch endete.   Die Stunde ging munter so weiter und Aiden dankte allen Göttern, die es gab, als Masao den Kurs für beendet erklärte. Der Lilahaarige klatschte in die Hände und sah seine Mitglieder der Reihe nach an, wobei sein Blick besonders auf den vier Neulingen lag. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und grinste in die Runde: „Ich muss sagen, es ist zwar noch ziemlich miserabel, aber ihr zeigt den Willen euch zu verbessern. Merkt euch bitte euren Partner von heute, denn ihr werdet die nächsten Wochen mit ihnen trainieren. Behandelt euch gegenseitig mit Respekt und helft euch, eure Stärken und Schwächen zu finden. Bis dahin, macht‘s gut und passt auf dem Nachhauseweg auf. Wir sehen uns am Freitag.“ „Hai, Munemori-senpai!“, riefen die Kursteilnehmer und verneigten sich in alter Tradition voreinander, bevor sie nach und nach die Halle verließen. Aiden räumte noch seine Ausrüstung in den vorgesehenen Schrank, als er bemerkte, dass sein Partner immer noch trainierte. Masao trat an ihn heran und bemerkte seinen neugierigen Blick, bevor er die Arme verschränkte: „Nozaki ist einer unserer engagiertesten Clubmitglieder. Er kommt als erstes und geht immer als letztes, kein Wunder, er wurde auch von einem Lehrer persönlich in den Club gebracht. Von dem Jungen kannst du einiges lernen, er ist zwar etwas schweigsam und redet wirklich nicht mehr als er muss, aber seine Leistungen sprechen für sich. Du guckst so komisch, ist alles klar?“   Aiden war einen Moment zusammen gezuckt, als seine Seite angefangen hatte zu schmerzen, denn er hatte von Nozaki einige harte Treffer eingesteckt, gegen die auch die Schutzausrüstung nicht wirklich geholfen hatte. Er rieb sich die betroffene Stelle und sah seinen Senpai etwas verlegen an: „Naja, hab ein paar Hiebe einstecken müssen, aber ich verspreche mich zu bessern. Ehrlich!“ „Ist okay, Kurosaki. Keiner ist perfekt und du glaubst nicht, wie viele Treffer die meisten Neulinge einstecken. Es ist normal, allerdings muss man das aushalten und weiter machen können, was ich von dir hoffe“, tat Masao seine Meinung kund und klopfte Aiden auf die Schulter, als dieser zustimmend nickte und die Faust hob: „Ich krieg das hin, Senpai!“ Der Lilahaarige nickte zustimmend und klopfte ihm noch einmal auf die Schulter, als sich in Aidens Brust ein warmes Gefühl ausbreitete. Bevor er sich fragen konnte, wo denn dieses seltsame Gefühl auf einmal herkam, wandte sich der Lilahaarige noch einmal an ihn und grinste mit einem Zwinkern: „Geh lieber zur Apotheke und hol dir ein paar Schmerzmittel. Glaub mir, du wirst sie brauchen.“ Mit einem leisen Stöhnen ließ der Braunhaarige den Kopf hängen und schlurfte in Richtung Umkleide davon, um sich umzuziehen, bevor er sich in Richtung Paulownia Mall aufmachte.   Mit einem leisen Summen lief Aiden die Straße in Richtung Paulownia Mall hinauf und versuchte die Schmerzen in seinem Körper zu ignorieren. Die Kendostunde würde er definitiv nicht so schnell vergessen, denn bei jedem Schritt zuckte er schmerzhaft zusammen und versuchte sich etwas zu beruhigen. Er blieb kurz stehen, um sich auf den Aufstieg vorzubereiten, als sein Blick auf einen dunkelblauen Wagen viel, der mit Warnblinkanlage am Straßenrand hielt. Eigentlich hatte er es eilig, doch wurde er etwas neugierig, als eine Frau mit stark gebräunter Haut und dunkelbraunen Haaren aus dem Wagen stieg und sich den Wagen ansah. Mit einem freundlichen Lächeln ging Aiden auf die Frau zu und verneigte sich leicht: „Guten Tag Maria-san, es ist lange her. Kann ich Ihnen helfen? Ihr Auto scheint Probleme zu machen.“ Die Frau fuhr sich mit der Hand durch die Haare, bevor sie Aiden ansah: „Wenn du schon so nett fragst, Aiden. Mein Auto muss in die Werkstatt, aber den letzten Rest lässt es mich im Stich. Sei ein Schatz und geh mir zur Hand, ja?“ Der Braunhaarige verzog kurz das Gesicht, denn in seinem Zustand würde das die Hölle werden, doch konnte er die Frau nicht im Stich lassen und nickte nur. Er richtete seine Tasche und begann mit Maria den Wagen zu schieben. Bei jedem Schritt brannten seine Muskeln wie Feuer, doch biss er die Zähne zusammen und schob weiter.   „Luca hat erzählt, dass du vor ein paar Wochen hergezogen bist. Er hat sich riesig gefreut“, erzählte die Brünette und kicherte leicht, als sie an das Gesicht ihres Sohnes dachte. Aiden verzog leicht das Gesicht, denn irgendwie machte er sich immer noch Gedanken wegen der Schattenwelt und das diese Geschichte für sie böse enden könnte. Maria bekam von seinen Gedanken zum Glück nichts mit und erzählte fröhlich weiter. Luca's Mutter war so eine nette Frau und Aiden wollte ihren Sohn und seinen besten Freund nicht unnötig in Gefahr bringen. Gerade als der junge Mann dachte, seine Muskeln würden komplett streiken, erreichten sie den höchsten Punkt und die Brünette deutete auf eine große Werkstatt: „Da vorne ist es. Du warst eine große Hilfe, mein Lieber. Komm doch mit rein und sie dich mal um, irgendwann hast du auch einen Wagen und musst wissen, wo du Hilfe bekommst.“ Kurz hob Aiden eine Augenbraue und nickte dann, denn schaden konnte es wirklich nicht. Langsam folgte der Oberschüler der Frau in die Werkstatt, in der es Platz für drei Fahrzeuge gab. Momentan waren davon zwei belegt, einer durch einen Kleinwagen, bei dem wohl gerade die Reifen gewechselt wurden und der andere durch einen älter wirkenden Sportwagen. Unter dem Sportwagen lugte ein paar Beine hervor, während an einem Computer, im hinteren Teil des Raumes, ein älterer Herr mit Bart saß. Maria räusperte sich und sah auf den Mann: „Guten Tag, Tenno-san. Entschuldigen Sie bitte die Verspätung, mein Wagen hat leider gestreikt.“ Der Mann sah auf und erhob sich und kam zu seiner Kundin, während er den Wagen vor der Tür ansah: „Was genau ist denn passiert, wenn ich fragen darf, Maria-san?“   Die Brünette tippte sich mit dem Finger ans Kinn und erzählte dann: „Nun, ich bin gefahren und plötzlich hat er kein Gas mehr angenommen. War bergauf nicht wirklich hilfreich.“ Aiden hörte nur mit einem halben Ohr zu, denn er tippte auf seinem Handy herum und klärte mit Miyuki das Abendessen ab, bevor er wieder zu dem älteren Mann sah und auf seine Diagnose wartete. Zum Erstaunen des Jungen kam die Antwort allerdings unter dem Sportwagen hervor: „Wenn ich jetzt raten müsste, würde ich sagen, dass es der Anlasser oder die Zündspule ist.“ Aiden wandte den Kopf zur Seite und war etwas erstaunt, als unter dem Wagen eine junge Frau mit braunen Haaren hervor kam. Sie trug eine ölverschmierte, blaue Hose, ein orangefarbenes Tanktop und hatte eine grüne Jacke um die Hüfte geknotet. Ihr Haar war unter einer Mütze verborgen und ihre blauen Augen wanderten von Maria kurz zu Aiden und dann wieder zurück. Der ältere Mann lachte laut auf und bekam einen leichten Hustenanfall, von dem er sich erst einmal erholen musste bevor er wieder lachte und seine Kundin ansah: „Wenn meine Haruka so eine Prognose abgibt, ist es meistens richtig. Aber wir sehen uns den Wagen gründlich an und reparieren ihn dann. Haru, kümmerst du dich um den Papierkram?“   Die junge Brünette nickte und griff sich einen Quittungsblock, auf dem sie herum schrieb: „Den Zettel bewahren Sie bitte auf und bringen ihn bei Abholung mit. Sie wissen ja wie es läuft, Silva-san. Ich kenne dich, du bist der Neue in unserer Schule, hab ich recht?“ Aiden sah das Mechanikerin überrascht an, doch nickte er dann: „Ja, das ist wohl richtig. Ich heiße Kurosaki Aiden, schön dich kennen zu lernen.“ Die Mechanikerin lächelte freundlich und reichte ihm die Hand: „Nett dich kennen zu lernen, Kurosaki-kun, ich heiße Tenno Haruka. Oh verdammt…“ Aiden hatte den Handschlag erwidert, doch war die Hand der Brünette voller Öl, weshalb Aiden's Hand nun ebenfalls so aussah, ganz zu schweigen von dem Quittungsblock in ihrer Hand, den sie schnell beiseitelegte.   Er legte das Handy beiseite und folgte Haruka zu einem Waschbecken, um sich das Öl abzuwaschen. „Es tut mir echt leid, Kurosaki-kun. Das war keine Absicht“, entschuldigte sich die Brünette, doch winkte der Braunhaarige nur ab: „Ist schon okay, man kann es ja abwaschen. Du arbeitest hier? Das ist ungewöhnlich.“ Etwas verstimmt stemmte die Mechanikerin die Hände an die Hüfte und sah den Schüler böse an: „Was soll das denn heißen? Nur weil ich ein Mädchen bin, soll ich nicht in einer Werkstatt arbeiten können? Nicht alle Mädchen stehen auf Pferde und sowas.“ Sofort hob Aiden die Hände und versuchte die Situation zu erklären: „N-nein, so war das nicht gemeint. Man sieht selten eine Frau in dem Beruf, aber ich finde es beeindruckend. Du scheinst echt gut darin zu sein.“ „Darauf kannst du Gift nehmen, ich weiß genau, was ich tue“, gab die junge Frau Antwort und zwinkerte dem jungen Mann zu, der sich verlegen am Kopf kratzte und dann den Kopf einzog. Er hatte ganz vergessen, dass er eigentlich in die Apotheke hatte gehen wollen. Durch Maria hatte er das völlig verdrängt, weshalb er sich jetzt etwas beeilen musste: „War nett dich kennen zu lernen, Tenno, aber ich muss los. Maria-san, es war schön, Sie wieder zu sehen. Auf Wiedersehen.“ Er verneigte sich noch einmal und verließ dann die Werkstatt, wobei er nicht bemerkte, dass er sein Handy hatte liegen lassen.   Er lief den Weg zur Mall und blieb erstaunt stehen, als er ein Stück vor dem großen Gebäude Mirai stehen sah, die anscheinend in Gedanken versunken war. Einen Moment musterte der Braunhaarige seine Mitbewohnerin, denn er war immer noch ein wenig von ihren Kleidern erstaunt. Sie trug ein rotes, bauchfreies Oberteil, dass ihre rechte Schulter freiließ, auch wenn ihre Haare diese wieder verdeckten. Unter dem Oberteil lugte ein weißes Tanktop hervor, welches in einem dunkel-violetten, etwa knielangen Rock steckte, der an der linken Seite geschlitzt war. Über dem Rock trug sie zwei schwarze, überkreuzte Ledergürtel und an ihrer rechten Hand einen fingerlosen, schwarzen Handschuh. Das Einzige, dass sie von früher noch trug, war das Armband mit den eingeflochtenen blauen Perlen, dass an ihrem linken Handgelenk hing. Aiden trat an sie heran und ergriff vorsichtig das Wort, um seine Bekannte nicht zu erschrecken: „Hey, Mirai, ist alless in Ordnung? Du siehst so nachdenklich aus.“ „Hm? Oh, hey Aiden. Es ist... ich weiß nicht warum, aber ich habe das Gefühl, als hätte ich etwas vergessen. Warum guckst du mich so an?“, kam es von der Silberhaarigen, die seinen Blick auf ihre Kleidung bemerkt hatte. Der Braunhaarige neigte den Kopf und grinste leicht, als er sich erklärte: „Ach, nichts. Ich finde nur, dass dir die neuen Kleider gut stehen und irgendwie muss ich mir vorstellen, wie du in den Kleidern aussehen würdest, die Miyuki ausgesucht hatte.“ Sein Grinsen verging ihm, als die Silberhaarige ihm gegen den Arm knuffte: „Hör bloß auf! Als ob ich jemals ein Kleid mit Blumenmuster anziehen würde! Warum guckst du denn so? So fest hab ich dich gar nicht geknufft.“ Der Braunhaarige jammerte leise, denn seine Mitbewohnerin hatte genau auf eine Stelle getroffen, die Nozaki heute mindestens fünfmal getroffen hatte und das schmerzte sehr: „Nein, da hab ich ein paar Schläge im Kendo hinbekommen. Ich wollte noch in die Apotheke, kommst du mit?“ Von der jungen Frau kam nur ein leichtes Schulterzucken und folgte ihrem Bekannten zu seiner Besorgungstour, wobei sie es nicht lassen konnte, ihn ein wenig für sein Gejammer zu ärgern.   ~~~Donnerstag 21. April 2016~~~   Mit einem leisen Murren drehte sich Aiden in seinem Bett herum, als es laut an seine Zimmertür hämmerte und die Stimme von Miyuki zu ihm herein schwang: „Kurosaki-kun, steh auf! Du hast verschlafen, wir kommen zu spät!“ Verschlafen öffnete er die Augen und blinzelte ein paar Mal verdutzt, während er nach seinem Handy tastete, dass aus irgendeinem Grund nicht da lag, wo er es normalerweise hinlegte. Er setzte sich auf und ließ den Blick durch sein Zimmer schweifen, als er erst realisierte, was seine Mitbewohnerin gesagt hatte. Mit einem lauten Ausruf sprang er aus dem Bett und türmte aus dem Raum, wobei er Miyuki unbeabsichtigt über den Haufen rannte und ins Badezimmer stürzte. Er erledigte seine Routine im Schnelldurchgang und kam aus dem Bad gehechtet, um sich seine Tasche zu holen. Mirai hatte sich ein Herz genommen und ihm eine Packung Instant-Ramen vorbereitet, damit er wenigstens nicht hungrig in der Schule sitzen musste.   Zu zweit verließen die beiden Schüler das Wohnheim und erreichten sogar noch rechtzeitig den Zug, wodurch sie keine Verspätung in der Schule zu befürchten hatten. Vor dem Schulgelände warf Aiden die leere Ramenpackung in den Müll und streckte sich einmal, während er sich am Hinterkopf kratzte. „Ich versteh es nicht. Wo ist mein Handy abgeblieben?“ Er wühlte seine Tasche mehrfach durch und tastete auch seine Hosentaschen ab, doch war von dem Telefon nichts zu sehen. Miyuki neigte den Kopf und tippte sich an die Schläfe, während sie überlegte, wie sie ihrem Freund würde helfen können: „Wo hast du es denn zuletzt gehabt? Vielleicht hast du es einfach nur verlegt.“ „Keine Ahnung, ich weiß, dass ich es gestern noch hatte, als wir uns wegen dem Abendessen abgesprochen haben“, überlegte der Oberschüler und stellte zum gefühlt hundertsten Mal seine Schultasche auf den Kopf, doch blieb sein Mobiltelefon verschollen. Luca kam locker angeschlendert und musterte seine beiden Freunde, wobei er sich bei Miyuki nach der Lage erkundigte. Die Grünhaarige gab ihm eine kurze Zusammenfassung, auf die der Spanier kurz eine Augenbraue nach oben zog und dann sein eigenes Handy hervorzog: „Hast du mal versucht dein Handy anzurufen? Dann hörst du doch, wo es klingelt.“ „Wow, die Idee ist genial, Luca“, kam es erstaunt von Aiden, was seinen Freund etwas beleidigte und das zeigte er auch, denn er schmollte ein wenig, während er auf seinem Handy herum tippte und es sich dann ans Ohr hielt.   Gebannt schauten die drei Schüler auf das Handy, als es plötzlich hinter ihnen zu klingeln begann, weshalb sie sich in die Richtung drehten. Hinter ihnen stand eine Schülerin mit schulterlangen, braunen Haaren und blauen Augen, die Aidens Telefon in der Hand hielt und leicht grinste. Aiden starrte die junge Frau etwas irritiert an, doch Luca schien sie zu kennen, weshalb er neben seinen Freund trat: „Was machst du denn mit Aidens Handy, Tenno-chan?“ „Nicht viel, du hast es gestern in der Werkstatt meines Großvaters liegen lassen, Kurosaki-kun“, erwiderte die Brünette und reichte dem Braunhaarigen sein Mobiltelefon, der jetzt erst erkannte, wer da vor ihm stand. Völlig verblüfft sah er die Braunhaarige an und kratzet sich am Hinterkopf: „Oh, du bist das Mädchen aus der Werkstatt. Stimmt, jetzt fällt es mir ein! Du hast mir die Hand gegeben und dann war sie voller Öl, deshalb hab ich mein Handy beiseitegelegt, um mir die Hände zu waschen. Und dann habe ich es vergessen... man, bin ich ein Held.“ Haruka kicherte kurz und musterte dann Luca für einen Moment, bevor sie sich wieder Aiden zuwandte: „Du bist ein Freund von Silva-kun? Ich hoffe mal, dass du nicht auch so ein schamloser Schürzenjäger bist.“ Auf die Aussage sahen die beiden Schüler zu Luca, der sich unschuldig ein Liedchen pfiff und sich anscheinend keiner Schuld bewusst war, weshalb Aiden sich an die Stirn fuhr und leise seufzte.   Haruka strich sich kurz einige Haarsträhnen aus dem Gesicht und wollte sich zum Gehen wenden, als ihr noch etwas einfiel: „Oh, fast hätte ich es vergessen. Deine Mutter hat gestern Abend angerufen und wollte dich sprechen. War allerdings etwas spät, deshalb ruft sie heute Nachmittag wieder an.“ „Okay“, kam es langgezogen von Aiden, dem schon eine böse Vorahnung durch den Kopf schoss, jedoch mischte sich nun auch Miyuki ein: „Warum hebst du überhaupt an Kurosaki-kuns Telefon ab?“ Etwas überrascht über das scheinbar plötzliche Auftauchen der Grünhaarigen machte Haruka einen Schritt zurück und schüttelte dann kurz den Kopf: „Hast du mich erschreckt! Puh, naja, sein Handy sieht genauso aus wie meins, daher hab ich es verwechselt. Ich hatte mich nur über den seltsamen Klingelton gewundert.“ Mit einem freundlichen Lächeln gab die Brünette Aiden sein Handy zurück und ging dann in Richtung Schulgebäude, während die drei Schüler ihr langsam folgten.   ~~~später am Abend~~~   Aiden saß mit seinen beiden Mitbewohnerinnen im Foyer des Wohnheims und tippte auf der Tastatur seines Laptops herum, während Miyuki auf ihr Handy starrte und dabei hochkonzentriert wirkte. Mirai hatte Kiara auf dem Schoß und beobachtete ihre Freunde bei ihrem Tun, als die Grünhaarige plötzlich kerzengerade auf der Couch saß: „Ich bin drin! Jetzt oder nie. Komm schon, Fortuna, sei mir hold!“ Die Silberhaarige hob eine Augenbraue und sah zu Aiden, der diese Geste erwiderte: „Was macht sie da?“ Als von dem jungen Mann nur ein Achselzucken kam, ließ sich Miyuki selbst zu einer Erklärung herab: „Die Produzenten haben das Risette-Konzert verschoben und als Entschädigung verlosen sie nochmal ein paar Tickets. Was heißt, ich habe doch noch die Chance hinzukommen. Drückt mir die Daumen!“ Mirai rollte nur mit einem „Aha“ mit den Augen, während Aiden auf seinen Computer starrte und eine Hand hob, mit der er den Daumen drückte. Miyuki murmelte 10 Minuten vor sich hin und fluchte hin und wieder, bevor sie einen verzweifelten Klagelaut ausstieß: „Nein! Oh nein, bitte nicht! Ich... ich hab keine Tickets bekommen.“   Mit einem lauten Schluchzen vergrub sie das Gesicht in einem Kissen, was ihr ein weiteres Augenrollen von Mirai einbrachte: „Um Himmels willen, davon geht doch nicht die Welt unter, du wirst doch andere Probleme haben, als das. Meine Güte...“ Aiden schmunzelte leicht über die Szene, auch wenn Miyuki ihm schon ein wenig leid tat, jedoch galt seine Aufmerksamkeit in dem Moment wieder seinem Computer, der einen Videoanruf zeigte. Einen Moment fragte er sich, wer ihn da anrufen könnte, doch als er sich an das Gespräch von heute Morgen erinnerte, konnte es eigentlich nur seine Mutter sein. Er drückte auf Annehmen und sein Verdacht bestätigte sich, als das Gesicht seiner Mutter auf dem Bildschirm auftauchte: „Hallo Mama, wie geht’s?“ „Och, uns geht es ganz gut, aber sag mal, Aiden, wann gedachtest du, uns von deiner Freundin zu erzählen?“, kam die Frage, die Aiden die Röte ins Gesicht schießen und seine Mitbewohner hellhörig werden ließ. „I-ich habe keine Freundin! Ich hatte nur mein Handy verlegt und ein Mädchen aus meiner Schule hat es gefunden!“, verteidigte sich der Braunhaarige vehement, doch sah man seiner Mutter an, dass sie ihm nicht glaubte.   Die Frau schmunzelte leicht und neigte leicht den Kopf: „Wenn du es sagst, mein Schatz. Wie ist das Leben in einem Wohnheim? Macht Kiara keine Probleme und wie sind deine Mitbewohner? Wenn du überhaupt welche hast, versteht sich.“ Leicht verunsichert kratzte sich der junge Mann an der Wange und suchte nach einer Möglichkeit, um jetzt nicht auf seine beiden weiblichen Mitbewohner zu sprechen zu kommen, doch zu spät. Genau in dem Moment wo er etwas sagen wollte, traten Miyuki und Mirai hinter ihn und sahen auf den Bildschirm: „Guten Abend, Kurosaki-san.“ „Könnt ihr euch nicht einmal im Hintergrund halten?“, herrschte Aiden sie an, was die beiden jungen Frauen nicht weiter störte und Rin zum Grinsen brachte: „Na, dir scheint es ja gut zu gehen, aber ich muss dir hoffentlich nicht sagen, dass du keine Dummheiten machen sollst. Ich will mit 36 nicht schon Großmutter werden.“ Die beiden weiblichen Bewohner wurden leicht rot, während Aiden das Gesicht verzog: „Du bist 39, Mama, beinah 40. Gab es sonst noch etwas, weshalb du anrufst?“ Gerade als die Brünette zum Sprechen ansetzen wollte, erklang die Stimme eines Mädchens: „Mama, hast du Onii-chan schon gefragt?“ „Ich bin gerade dabei, Schatz“, erwiderte Rin und sah zur Seite, jedoch wurde ihr Bild sofort von einem kleinen, braunhaarigen Mädchen verdeckt, dass in die Kamera grinste: „Hey, Onii-chan! Vermisst du mich?“   „Natürlich, wie könnte ich nicht, Kari. Du willst mich was fragen?“, lächelte der Braunhaarige seine Schwester an, die sich auf den Schoß ihrer Mutter setzte und ihr das Wort überließ: „Es ist so, nächsten Monat ist dieses Konzert bei euch in der Nähe und Kari hat es irgendwie geschafft, im Radio ein paar Karten zu gewinnen. Leider haben Yuugo und ich keine Zeit, da wir geschäftlich kurz verreisen müssen. Wäre es vielleicht möglich, dass du deine Schwester für eine Woche zu dir nimmst?“ „Naja, also theoretisch ist das natürlich kein Problem, aber was ist denn mit der Schule? Kann Kari so einfach als Austauschschüler irgendwo hin?“, tat der Braunhaarige seine Bedenken kund, doch erklärte seine Mutter, dass die Gekkoukan zum einen aus allen Schulstufen bestand und zum anderen der Firma gehörte, für die sein Vater arbeitete. Daher gab es anscheinend keine Probleme bei einem Wechsel, weshalb Aiden mit einem Seufzer nachgab. Er konnte seiner Schwester einfach keinen Gefallen abschlagen und die Tatsache, dass besagt Kleine gerade freudenstrahlend im Kreis lief, zeigte ihm wieder, wieso sie ihn so einfach manipulieren konnte. Mirai lachte kurz und setzte sich auf den Sessel, wobei sie etwas murmelte, von wegen Aiden würde einer Frau nichts abschlagen können, womit sie leider auch Recht hatte. Kari sah noch einmal in die Kamera und erzählte weiter: „Ich hab übrigens vier Tickets, also können deine beiden Freunde mitkommen. Onii-chan, ich kann es kaum erwarten, dich wieder zu sehen.“   Der Oberschüler lächelte und unterhielt sich mit seiner Familie noch eine Weile, bis es Zeit fürs Abendessen wurde und Rin das Gespräch, trotz der Quengelei von Kari, beendete. Einen Moment rieb sich der Braunhaarige den Nacken, als Miyuki zu jubeln begann und auf dem Sofa mit den Beinen in der Luft strampelte: „Ja, ich gehe zum Risette Konzert! Hurra!“ „Du hast echt ein einfaches Gemüt, oder, Miyuki? Naja, einem geschenkten Gaul schaut man bekanntlich nicht ins Maul, oder wie sagt man? Ich komme gerne mit“, stimmte Mirai der Einladung zu und sah auf den jungen Mann, der sich durch die Haare fuhr. Er hatte keine Probleme mit seiner Schwester, aber sie hatte so eine verdammte Eigenart, die ihn noch in Schwierigkeit bringen würde. Ein lautes Magenknurren brachte ihn auf andere Gedanken, weshalb er in Richtung Küche ging, um das Abendessen zu machen, was irgendwie in der Dreiergruppe seine Aufgabe geworden war. Kapitel 9: IX - Entdeckungen der peinlichen Art ----------------------------------------------- ~~~Sonntag 24. April 2016~~~   Die Paulownia Mall quoll fast über vor Besuchern, die sich alle über das bald stattfindende Konzert des Idols Risette unterhielten. Miyuki war bereits den ganzen Tag sichtlich gut gelaunt, denn sie würde nun doch auf das Konzert können und das hatte die Grünhaarige wortwörtlich beflügelt. Am Freitag und Samstag hatte die junge Frau in der Schule so gut wie noch nie mitgearbeitet. Selbst Mr. Edogawa hatte das Mädchen nicht bremsen können und das, obwohl dieser Lehrer sonst jeden in den Schlaf reden konnte. Nun saßen sie zu dritt in der Mall und genossen das schöne Wetter im Café. Miyuki nippte an ihrem Tee und las etwas auf ihrem Handy durch. Mirai und Aiden hatten sich für eine Limonade entschieden, doch starrte die Silberhaarige nur auf ihr Glas, anstatt etwas zu trinken. Die beiden Schüler warfen sich einen kurzen Blick zu, ehe die Grünhaarige das Wort ergriff: „Was ist denn los, Miri-chan? Du guckst so betrübt. Schmeckt es dir nicht?“ Der Braunhaarige nickte und sah die junge Frau ebenfalls besorgt an: „Hast du immer noch nicht gefunden, was du gesucht hast?“   „Nein, dieses Gefühl ist immer noch da, aber das ist es nicht, was mich so fertig macht. Versteht mich nicht falsch, ich finde es toll, mit euch Zeit zu verbringen, aber... Ich hasse es, wenn ich euch auf der Tasche liegen muss“, erklärte die Silberhaarige ihr Problem und erntete zwei skeptische Blicke. Weder Aiden, noch Miyuki hatten der jungen Frau jemals einen Vorwurf gemacht, denn sie befand sich momentan in einer sehr miesen Situation und keiner der beiden hatte sie weiter runterziehen wollen. Dass ihre Freundlichkeit genau das Auslöste, traf sie jetzt hart, denn sie hatten Mirai eigentlich aufbauen wollen. Aiden stützte das Kinn auf der Hand ab und trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte herum, während er nachdachte. Mirai hatte nichts, was ihr irgendwie helfen könnte. Sie hatte keinen Ausweis, kein Geld, lediglich ein Handy, dass gesperrt war und niemand kannte den Code dafür. Dazu kam die Amnesie, dass sie nicht mal wusste, wer sie war und diese Situation schlug der jungen Frau sichtlich auf die Psyche.   Der Braunhaarige seufzte auf und sah seine Mitbewohnerin etwas traurig an, denn er suchte weiter nach einem Weg, wie er ihr helfen könnte. Er wiegte den Kopf hin und her und sah sich in der Mall um, denn hier musste es doch etwas geben, mit er die Stimmung irgendwie lockern konnte: „Naja, es wäre gut, wenn du etwas hättest, was du den Tag über machen könntest. Und wenn du uns nicht auf der Tasche liegen willst, wäre es gut, wenn du dein eigenes Geld verdienen würdest. Warum suchen wir dir nicht einen Job?“ „Einen Job? Naja, dann hätte ich wirklich was zu tun, aber was soll ich denn machen? Ich meine, ich habe keine Papiere und keine Erfahrung. Wer würde denn jemanden wie mich einstellen?“, erwiderte die Silberhaarige und nippte an ihrem Getränk, während Miyuki auf ihrem Handy herum tippte: „Es gibt bestimmt einige Jobs für Teenager. Wir müssen nur ein wenig suchen. Mal sehen, was die News in der Schülerbranche hergeben.“ „Es gibt eine Schülerbranche?“, kam es irritiert von dem Braunhaarige, woraufhin die Grünhaarige lachend den Kopf schüttelte und ihr Handy zeigte: „Nö, ich schau einfach mal in den Stellenanzeigen. Wenn Mirai einen Nebenjob findet, kriegt sie ihr eigenes Geld und muss sich uns gegenüber nicht mehr schuldig fühlen.“ „Ja schon, aber normalerweise arbeiten Schüler nur Nachmittags und nicht morgens. Nicht, dass es da zu Problemen kommt“, warf Aiden ein und musterte seine Mitbewohnerin, die von ihrem Telefon aufsah und kurz das Gesicht verzog, bevor sie wieder auf das Display schaute und dabei ein angestrengtes Gesicht machte.   Die drei saßen eine Weile still da und Aiden und Mirai warteten darauf, dass Miyuki einige Informationen finden würde. Die Infos, die sie fand, waren allerdings nicht sehr erfreulich: „Oh mein Gott! In einer Schule in Tokyo wollte eine Schülerin Selbstmord begehen. Was ist in letzter Zeit los?“ „War vermutlich so eine, die sich ritzt um nach Aufmerksamkeit zu haschen“, murrte Mirai und gähnte einmal, was ihr einen skeptischen Blick des Braunhaarigen einbrachte. Die Grünhaarige schüttelte den Kopf und zeigte das Handy: „Nein, die hier hat sich anscheinend vom Dach der Schule gestürzt. Oh mein Gott, das ist furchtbar.“ „Immer noch Aufmerksamkeitshascherei?“, fragte Aiden etwas schnippisch an die Silberhaarige gewandt, die nur an ihrem Getränk nippte und mit der Hand abwinkte: „Nein, die hat sich wirklich aus dem Leben schießen wollen. Was treibt einen Menschen so weit?“ Die drei verfielen in Schweigen und brachen es erst, als die Kellnerin kam, um sich nach weiteren Wünschen zu erkundigen, während die Grünhaarige sich erneut auf Jobsuche machte. Aiden bezahlte für Mirai und sich selbst, als Miyuki sich erhob und traurig den Kopf hängen ließ: „Nichts, was man den morgen über machen könnte... so ein Mist. Ich muss noch kurz was besorgen. Wollt ihr mit, oder wartet ihr hier?“ Der Braunhaarige nickte und erhob sich, jedoch bat die Silberhaarige um etwas Zeit für sich, welche ihr die beiden Schüler auch gewehrten.   Miyuki führte die beiden in einen Laden für Büroartikel und Zeichenbedarf und begann sich mit den verschiedensten Utensilien einzudecken. Aiden sah sich selbst ein wenig um und verstand nicht, warum es Stifte in so vielen verschiedenen Farben geben konnte. Es gab alleine zig verschiedene Rottöne und er war sich nicht mal sicher, ob er alle gesehen hatte. Wozu brauchte man so etwas? Er studierte die Auslage, während er hinter sich das Murmeln seiner Mitbewohnerin hörte. Als er sich umdrehte, sah er die Grünhaarige, welchen einen Zettel in der Hand hielt und immer wieder auf die Stifte sah, bevor sie einige davon in ihr Einkaufskörbchen packte. So ganz konnte der Junge der Aktion nicht folgen, weshalb er sich neben die junge Frau stellte: „Sag mal, was genau ist das hier?“ „Stifte zum colorieren von Zeichnungen. Sie sind etwas schwer zu handhaben, wenn man es nicht gewohnt ist, aber die Ergebnisse sind einfach genial. Ich will nichts anderes mehr verwenden. Die Stifte sind leider nicht ganz billig und riechen etwas streng, aber mir fehlen noch ein paar und andere sind leider leer, die muss ich auffüllen. Das merke ich immer wieder und es macht mich irre, wenn mir die richtige Farbe fehlt und ich nicht weiter machen kann. Improvisieren ist leider nicht meine Stärke“, sprudelte es aus der Grünhaarigen heraus, was den Braunhaarigen etwas sprachlos machte.   Er verstand von Kunst absolut gar nichts und wenn er so hörte, wie sehr Miyuki darüber sprach und wie umfassend das alles war, so bezweifelte er immer mehr, dass er davon jemals eine Ahnung haben würde. Die Grünhaarige packte die verschiedensten Dinge ein, von diesen seltsamen Stiften, über Lineale bis hin zu extrem teuren Zeichenblöcken. Da konnte Aiden es sich nicht mehr verkneifen und ergriff wieder das Wort: „Sag mal... muss dieses teure Papier wirklich sein? Ich meine, die Blöcke da drüben kosten nur einen Teil des Geldes. Und du könntest für das Geld deutlich mehr Papier haben.“ „Ich verstehe deinen Standpunkt, Kurosaki-kun, beim skizzieren gebe ich dir auch recht, aber wenn es später ums linen und colorieren geht, merkst du den Unterschied. Glaube mir, ich weiß, wovon ich rede!“, predigte das Mädchen mit erhobenem Zeigefinger, was den Braunhaarige nur verdutzt dreinschauen ließ. Zu zweit ging es zur Kasse, wo Miyuki plötzlich anfing in ihrer Tasche zu wühlen: „Oh nein! Wo ist mein Geldbeutel? Ich muss ihn verloren haben!“ Aiden sah sich suchend um, doch als der Verkäufer sie etwas ungehalten ansah, nahm er schnell seinen eigenen Geldbeutel hervor und bezahlte den Einkauf, der ihn deutlich ärmer machte.   Miyuki trat mit ihm aus dem Laden und sah zu Boden, während sie sich nervös am Arm kratzte: „D-danke, Kurosaki-kun. Ich brauch das Zeug und sorry dafür, dass ich dich so zugetextet habe. Echt lieb, dass du mich nicht ausgelacht hast.“ „Warum hätte ich dich auslachen sollen? Du hast eben deine eigenen Hobbys, aber wir sollten jetzt schnell deinen Geldbeutel suchen, vielleicht hat ihn jemand gefunden“, erwiderte der Schüler und lief mit Miyuki zum Café zurück, wobei er ein seltsames, warmes Gefühl in der Brust spürte. Die beiden suchten eine gefühlte Ewigkeit, bis sie draußen auf Mirai stießen, die der Grünhaarigen ihre Geldbörse unter die Nase hielt. Aiden bekam fast einen Hörschaden, als Miyuki vor Freude laut auf quietschte und ihre Mitbewohnerin erleichtert umarmte. Aiden konnte über Mirais Gesicht nur lachen und nachdem Miyuki ihre Schulden bei ihm beglichen hatte, machten die drei sich auf den Rückweg zum Wohnheim.   ~~~Montag 25. April 2016~~~   Immer wieder hallte das klatschen der Kendoschwerter durch die Halle, während die Mitglieder des Clubs paarweise ihre Übungen machten. Aiden machte nur langsam Fortschritte, was aber seinen Senpai, als auch seine Teamkollegen dennoch erfreute. Nach dem Training entließ Masao die Schüler und rief den Braunhaarigen noch kurz zu sich. Als alle die Halle verlassen hatten ging er zu seinem Senpai und war neugierig, was der Lilahaarige wohl von ihm wollen könnte. Er wartete bis sein Senpai mit dem verstauen seiner Ausrüstung fertig war und dann eröffnete der Ältere auch schon das Gespräch: „Ah, da bist du ja. ich wollte mich eigentlich nur mal erkundigen, wie es dir bisher gefällt. Wir hatten schon viele Teilnehmer, die nach kurzer Zeit abgesprungen sind, deshalb frage ich nach, ob alles in Ordnung ist.“   Aiden neigte leicht den Kopf und überlegte selbst, wie es ihm bisher hier so gefiel. An sich konnte er sich nicht beklagen, gut, er bekam hin und wieder mal einen Hieb auf die Finger, aber das war normal und sein eigenes Verschulden, weshalb er kurz nickte: „Bisher gefällt es mir eigentlich ganz gut. Ich muss halt noch ne Menge lernen, aber alle sind nett und helfen mir. Nur Nozaki scheint mich zu meiden.“ Masao nickte über die Aussage und wirkte sichtlich beruhigt: „Okay, das hört man doch gerne und mach dir wegen Nozaki keine Sorgen, der ist immer so schweigsam und mir wurde auch gesagt, ihn nicht so oft anzusprechen. Er ist vermutlich schüchtern, aber solange er seine Leistungen so stark erbringt, will ich mich nicht beklagen. Der Jung e ist ein Naturtalent, da kannst du dir gerne ein bisschen was abschauen“ „Na, wenn du es so sagst, Senpai. Dann werde ich mich an die Anweisung halten und ihn nicht bedrängen, auch wenn er mir wirklich schon ein paar echt gute Tipps gegeben hat.“ Der Lilahaarige lachte auf und klopfte Aiden auf die Schulter, was diesen kurz zusammen zucken ließ: „Gut, ich bin sicher, wir werden uns weiterhin super verstehen und wenn du mal Hilfe bei deiner Haltung oder so etwas brauchst, sag einfach Bescheid. Ich helfe dir, wo ich kann.“ Der Braunhaarige machte große Augen und verneigte sich tief, als sich in seiner Brust ein warmes Gefühl ausbreitete, was er definitiv am Vortag bereits gespürt hatte. Er wusste nicht, was das war, aber es würde einen Grund haben. Mit einer weiteren Verneigung verabschiedete sich Aiden von Masao und ging in die Umkleide, um sich für den Heimweg fertig zu machen.   Als er die Umkleide betrat, hörte er das leise Rauschen von Wasser, was bedeutete, dass noch jemand von den anderen Mitgliedern in der Umkleide war. Aiden überlegte schon, wer es seine könnte und bei einem Blick auf die Sitzbänke sah er eine schwarze Sporttasche, allerdings wusste er nicht, wem die gehörte und er wollte auch nicht neugierig sein. Die meisten in der Gruppe ließen ihre Taschen einfach auf den Bänken liegen, obwohl es dafür Schließfächer gab. Er selbst schloss seine Sachen immer weg, nicht, dass er seinen Teamkollegen misstraute, aber Vorsicht war besser als Nachsicht. Er ging kein Risiko ein, vor allem, nachdem er schon einmal sein Handy verloren hatte, auch wenn das seine eigene Schuld gewesen war. Er holte seine Sachen aus dem Spind und zog seinen Gi etwas umständlich aus. Warum mussten solche Trainingskleider immer so kompliziert sein, dass man sie alleine fast nicht an oder aus bekam? Da hätte es doch unzählige einfachere Methoden gegeben.   Er machte wirklich gerne Sport, aber immer mussten die Kleider an einem kleben. Als er es endlich geschafft hatte sich, sein Oberteil auszuziehen, fiel sein Blick auf die Duschen und erschrocken zuckte er zusammen, als ein Mädchen herauskam und sich seelenruhig mit einem Handtuch die Haare trocken rubbelte. Die junge Frau seufzte einmal auf und hob den Kopf, wodurch sie Aiden nun ebenfalls bemerkte. Erst schien sie gar nicht zu realisieren, was genau passierte, bis Aidens Blick ungewollt eine Etage tiefer wanderte. Sie schrie erschrocken auf, bedeckte schnell ihre Blöße mit dem Handtuch und lief hastig in die Dusche zurück. Der Braunhaarige hatte sich ebenfalls schnell weggedreht und versuchte die Röte in seinem Gesicht zu verbergen, was leider vollkommen unmöglich war. Er drückte sich die Faust an die Stirn und verfluchte sich innerlich. Wie konnte denn so etwas passieren und warum ausgerechnet ihm! Dafür würde er in Teufels Küche kommen, das war so sicher, wie das Amen in der Kirche. Schnell zog er sich sein Hemd über und wollte schon aus dem Raum flüchten, als eine Stimme aus der Dusche ertönte: „W-w-warte bitte, ich muss etwas mit dir besprechen.“   Aiden wusste nicht, was er machen sollte und er kam sich gerade ziemlich dämlich vor, doch musste er diese Situation irgendwie geklärt bekommen, weshalb er unsicher vor sich hin stammelte: „Äh, ja... ich... ziehe mich nur fertig um und warte dann draußen. Ich sehe dich dann... Ich warte dann draußen!“ Schnell wechselte er seine Sportkleidung gegen seine Schuluniform und verließ dann die Umkleide, wobei er innerlich hoffte, niemandem aus dem Team zu begegnen. Mit hochrotem Kopf stand er nun an die Wand gelehnt und wartete auf die junge Frau, die ihm vermutlich gleich den Kopf abreißen würde. Wenn er so darüber nachdachte, wäre wegrennen die bessere Option, allerdings war er so oder so erledigt. Je länger er wartete, desto unangenehmer wurde ihm die Situation. Wie sollte er das erklären? Solche Aktionen zogen schwere Konsequenzen nach sich, auch wenn er das nicht beabsichtigt hatte, drohte ihm mit Sicherheit ein Schulverweis, wofür ihm seine Eltern vermutlich die Hölle heiß machen würden. Obwohl, jetzt wo er die Situation aus einem anderen Winkel betrachtete fragte er sich, wieso sich ein Mädchen in der Umkleide des Kendoclubs umzog. Auch wenn das seltsam war, würde ihn das definitiv nicht aus dieser Misere retten.   Er wusste nicht, wie lange er schon wartete, doch dann kam das Mädchen endlich aus der Umkleide und sah ihn verlegen an. Sie hatte hüftlanges, rosafarbenes Haar und leuchtend rote Augen, die immer noch unsicher den Boden zu ihren Füßen inspizierten. Sie hob allerdings den Kopf und war nicht weniger rot im Gesicht, als Aiden. Mehr als ein langgezogenes „Ähm“ brachte sie allerdings nicht Zustande und schien nach den richtigen Worten zu suchen. Dem Braunhaarigen war die ganze Situation mehr als unangenehm, weshalb er sich im Nacken kratzte und ebenfalls zu Boden starrte: „Es tut mir leid, ich wusste nicht, dass du in der Dusche warst.“ „Wie hättest du auch“, nuschelte das Mädchen und spielte an ihrer Tasche herum, während sie ihn nervös musterte. Aiden rang um seine Fassung und biss sich auf die Unterlippe, denn irgendwie musste er das klären: „Ehrlich, es tut mir leid, wenn ich gewusst hätte, dass du da bist, wäre ich nie reingekommen.“   Schnell wich der Braunhaarige einen Schritt zur Seite aus und wandte sich zum gehen: „Ich...äh, ich sollte jetzt gehen.“ Er hatte erst einen Schritt gemacht, als die Rosahaarige ihn am Ärmel festhielt: „Du darfst niemandem erzählen, was du gesehen hast, versprich mir das! Bitte!“ Erstaunt sah der Oberschüler die Fremde an und die ganze Situation wuchs ihm langsam aber sicher über den Kopf: „Ich...äh, ich erzähl das keinem, Ehrenwort. Wenn ich das rumerzähle, bin ich wahrscheinlich selbst dran. Ich schwöre, ich schweige!“ Die Rosahaarige hob den Blick, doch dann sah sie Aiden mit leicht zusammengekniffenen Augen an: „Das rate ich dir auch, sonst kannst du dein blaues Wunder erleben, Kurosaki-Kun.“ Jetzt saß Aiden in der Klemme und das würde sich nicht so schnell legen, aber eine Frage schwirrte ihm die ganze Zeit im Kopf herum „Ja, ist ja gut, aber was mich interessiert ist: Was machst du eigentlich in der Umkleide des Kendo-Teams und woher kennst du meinen Namen?“ Die Rosahaarige wich nun einen Schritt zurück und spielte nervös an ihren Haaren herum: „Also... ich... äh...“ Der Braunhaarige betrachtete das Mädchen etwas genauer und dann fiel es ihm wie Schuppen aus den Haaren: „Warte mal kurz! Du bist doch nicht etwa Nozaki, oder?“   Die Rosahaarige zischte einmal, um Aiden zum Schweigen zu bringen, bevor sie an der Hand regelrecht aus der Sporthalle zerrte. Schnell ging sie um den Sportkomplex herum und vergewisserte sich, dass sie alleine waren, ehe sie sich ihrem Teamkollegen zuwandte: „Bist du wahnsinnig? Sei doch nicht so laut, willst du, dass uns jeder hört?“ Aiden zog den Kopf etwas ein und sprach leise weiter: „Tut mir leid, natürlich will ich nicht, dass man uns hört. Ich liege aber richtig, oder? Du bist Nozaki.“ Das Mädchen seufzte einmal und nickte dann langsam: „Ja, ich bin Nozaki, das hast du richtig erkannt.“ Aiden verschränkte die Arme vor der Brust und wiegte den Kopf hin und her, während er sich seine Gedanken zu der Situation machte: „Jetzt wird mir das zu viel. Du bist ein Mädchen, aber Mädchen dürfen doch gar nicht in den Kendoclub, außer als Manager.“ Nozaki wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sah den Jungen belustigt an: „Bis jetzt hat es von euch doch keiner gemerkt, als sehe ich kein Problem.“ „Ja, bis jetzt. Hätte das nicht bei der Schülerakte auffallen müssen?“ Die Rosahaarige sah verlegen zur Seite, doch fing sie sich schnell wieder, um eine passende Antwort zu geben: „Das geht dich nichts an und versuch jetzt nicht abzulenken. Wenn du auch nur ein Wort verrätst, bist du dran.“   Der Braunhaarige verzog das Gesicht und hob beschwichtigend die Hände: „Ist ja gut, ich hab‘s verstanden. Gott, komm mal wieder runter. Wenn mir der Kommentar erlaubt ist, ohne dass du mir den Kopf abreißt: Du solltest ein bisschen besser aufpassen, wenn du in der Umkleide bist.“ Nozaki zog eine Schnute und schien von Aidens Rat beleidigt zu sein, doch dann sah sie zur Seite und murmelte leise: „Normalerweise seid ihr alle schon weg, wenn ich mich umziehe.“ Sie senkte den Blick und Aiden hatte das Gefühl, als ob sie irgendwas bedrückte. Er wollte nicht ablenken, aber Nozaki so zu sehen tat ihm weh: „Ich will dir nicht zu nahe treten, aber.. ist alles in Ordnung? Du siehst nicht sonderlich gut aus.“ Die Schülerin hob verblüfft den Blick und sah Aiden in die Augen: „Wie kommst du darauf?“ Der Braunhaarige neigte leicht den Kopf und erklärte seine Gedanken: „Du wirktest heute irgendwie so abwesend. Und jetzt noch die Sache mit deiner Tarnung. Sorry, es geht mich eigentlich nichts an, es war mir nur aufgefallen.“ Er wollte sich bereits zum gehen wenden, als er hinter sich ein Schluchzen vernahm. Ein Blick über die Schulter zeigte ihm, dass Nozaki weinte. Es war nicht seine Absicht gewesen, seine Clubkameradin zum Weinen zu bringen, doch zu seiner Überraschung versuchte sie mit leicht erstickter Stimme die Situation zu erklären: „Es...es geht um eine Freundin von mir. Sie... war heute und am Samstag nicht in der Schule und wenn ich versuche, sie auf ihrem Handy zu erreichen, bekomme ich nur Störsignale.“ Irritiert zog der Braunhaarige eine Augenbraue nach oben, denn für seinen Geschmack übertrieb Nozaki die Sache etwas. Vermutlich war die Freundin nur krank und das brachte er auch zur Sprache. Auf die Frage schüttelte die Kendoka jedoch vehement den Kopf: „Nein, ich war am Sonntag bei ihr zu Hause und da stand die Polizei vor der Tür und auch ihre Mutter sagte, dass sie seit Freitagabend verschwunden wäre.“   Jetzt horchte Aiden erschrocken auf und sofort gingen bei ihm sämtliche Alarmglocken an. War es möglich, dass diese Schülerin dort war, wo er vermutete? Er musste mehr Infos bekommen, ohne, dass er es übertrieb: „Kannst du mir deine Freundin beschreiben? Vielleicht sehe ich sie ja irgendwo. Ich meine, man verschwindet doch nicht so einfach.“ Die Rosahaarige wischte sich Nase und schluckte einmal schwer: „Sie hat langes, hellbraunes Haar und blau-violette Augen. Sie wohnt in der Nähe der Paulownia Mall, neben der großen Werkstatt.“ Aidens Magen zog sich schmerzhaft zusammen, denn die Person kam ihm erschreckend bekannt vor: „Du redest doch nicht etwa von Tenno, oder?“ Auf die Frage, ob Aiden die Mechanikerin kenne, erklärte er mit kurzen Worten sein Treffen mit Haruka und legte anschließend Nozaki die Hand auf die Schulter: „Hey, mach dir keine Sorgen. Tenno wird schon wieder auftauchen. Vertrau der Polizei und es wird alles wieder gut.“ Er reichte der jungen Frau ein Taschentuch, was diese dankend annahm und sich erst mal die Nase schnäuzte: „Das will ich nur zu gerne glauben... Danke, dass du mir zugehört hast, Kurosaki-Kun und entschuldige, dass ich dich so angepflaumt habe. Du bist echt ein lieber Kerl.“ Er nickte einmal verstehend und beteuerte, dass alles in Ordnung kommen würde, ehe er ihr zum Abschied zuwinkte, da sie sich auf den Heimweg machte. Als Aiden sich ebenfalls zum Gehen wandte, flammte plötzlich ein warmes Gefühl in seiner Brust auf und eine Stimme hallte durch seinen Kopf: „Ich bin du... du bist ich...“   Während er die Schule verließ, betrachtete er die Karten in seiner Tasche und schnell fand er den neuen Social Link. Er kannte sich mit Tarot immer noch nicht wirklich aus, aber er wusste, dass diese Karte die Herrscherin darstellte. Er festigte den Griff um die Karten und murmelte leise: „Ich bete, dass ich mich mit meiner Vermutung irre, aber ich will es nicht dem Zufall überlassen.“ Als er das Schulgebäude verließ stieß er auf Luca, der gerade auf seinem Handy herum tippte und es kurz darauf in seiner Tasche verschwinden ließ. Ohne auf die Proteste seines Freundes zu achten, griff er sich den Arm des Spaniers und zerrte ihn mit, während er mit der freien Hand eine Nachricht an Miyuki schrieb, dass sie sich mit ihnen Treffen sollte. Auf den dauernden Protest Lucas, erklärte Aiden die Sache im absoluten Schnellverfahren, was hieß, er erwähnte, dass es womöglich eine Person in die Schattenwelt verschlagen hatte. So schnell sie konnten, liefen sie vom Bahnhof zum Wohnheim, wo bereits Miyuki und Mirai auf sie wartete. Nachdem sie alle auf der Couch Platz genommen hatten, ergriff Aiden das Wort: „Ich hatte gerade eine interessante Unterhaltung mit einer Mitschülerin, anscheinend wird ein Mädchen aus unserer Schule vermisst.“ „Was?“ Luca und Miyuki sahen den Braunhaarigen erschrocken an und der Spanier sprang auf: „Wirklich? Wer ist es? Seit wann ist sie verschwunden?“ Der Angesprochene sah zu Boden und suchte nach den richtigen Worten: „Erinnert ihr euch an das braunhaarige Mädchen, dass mir mein Handy gebracht hat?“ „Ja“, gab Miyuki langgezogen Antwort und der Braunhaarige fuhr fort: „Laut unserer Mitschülerin müsste Tenno ungefähr Freitagabend verschwunden sein, anscheinend weiß auch die Mutter nicht, wo sie sein könnte.“   Mirai schüttelte bloß den Kopf und tippte sich ans Kinn: „Wenn sie 'drüben' ist, kann das ja keiner wissen. Aber irgendwie habe ich ein ganz mieses Gefühl.“ Nun sprang auch Miyuki von der Couch auf und ballte die Fäuste: „Wann gehen wir sie retten?“ Der Ehrgeiz überraschte die anderen Anwesenden, doch hatte Aiden noch etwas anderes vor: „Wir sollten morgen Mittag versuchen, mit Tennos Mutter zu sprechen, vielleicht weiß sie doch was. Und morgen Abend gehen wir rüber und sehen uns um. Vielleicht hat ja Zen etwas gesehen, wenn er denn da ist. Geht heute Früh ins Bett und vermeidet morgen irgendwelche Anstrengungen. Das wird ein langer Tag. Ganz ehrlich, ich bete, dass es nicht so sein wird.“ Die Gruppe nickte und machten sich ihre Gedanken, was wohl alles auf sie zukommen würde. Miyuki und Luca nickten kurz und alle hofften inständig darauf, dass Tenno noch nicht einem Shadow begegnet war, denn das würde ihr sicheres Ende bedeuten. Kapitel 10: X - Vorbereitung ist alles -------------------------------------- ~~~Dienstag 26. April 2016~~~   Der Schultag hatte sich als ziemlich langweilig herausgestellt und umso erleichterter waren Aiden und Miyuki, als es endlich zum Ende klingelte. Die beiden räumten ihre Sachen zusammen und überlegten, wie sie bei ihrer bevorstehenden Mission am besten vorgehen sollten. Sie warteten vor der Klasse, bis Luca zu ihnen stieß und zusammen machten sie sich auf den Weg. Der Grünäugige hatte die Tasche locker über der Schulter hängen und teilte seine heutigen Erkenntnisse mit: „Also, ich habe mich heute mit der besten Freundin von Tenno unterhalten, die geht auch in unsere Klasse und sie hat mir bestätigt, dass Tenno seit Samstag nicht mehr gesehen wurde. Ich dachte erst, sie wäre nur krank, aber jetzt ist das definitiv was anderes. Ich habe auch den Polizeibericht gelesen und dort stand drin, dass die Polizei beim Haus der Tennos war. Es wurden keine Namen genannt, aber die Werkstatt ist unverkennbar.“   Aiden nickte nachdenklich und machte sich seine Gedanken über die Infos. Wenn die Polizei involviert war, musste Haruka definitiv verschwunden sein und wenn die Brünette tatsächlich in der Schattenwelt sein sollte, standen die Chancen sehr schlecht, dass die Polizei die Schülerin dort finden würde. Jetzt mussten sie nur irgendwie sicher gehen, dass es Haruka tatsächlich in diesen mit Shadows verseuchten Ort verschlagen hatte. Miyuki war sich nicht sicher, ob sie überhaupt etwas herausfinden würden, doch die Chance mussten sie nutzen. Als sie an der Paulownia Mall vorbei kamen, stießen sie auf Mirai, die anscheinend bereits auf sie gewartet hatte und in Richtung der Werkstatt sah. „Hey, Mirai. Was machst du denn hier?“, ergriff Aiden das Wort, als sie der Silberhaarigen näher kamen und diese drehte sich mit einer gehobenen Augenbraue um: „Ich habe auf euch gewartet, was denn sonst. Wenn es das Mädel wirklich in die Schattenwelt verschlagen hat, werdet ihr wohl wieder rüber gehen und dabei könnte ich was über mich herausfinden. Außerdem war ich eh gerade in der Nähe und fragt mich nicht warum!“ Luca konnte es nicht lassen und fragte mit einem frechen Grinsen nach: „Warum?“ Die Frage bereute er, denn sofort bekam er einen Schlag an den Hinterkopf, ehe Mirai ihn ankeifte: „Du sollst nicht fragen!“   Aiden schüttelte nur den Kopf und machte sich Miyuki auf den Weg zur Werkstatt, die zu ihrem Bedauern leider geschlossen war. Die Grünhaarige plusterte die rechte Wange auf und sah sich um, ob sie vielleicht doch eine offene Tür finden würde, doch Mirai war da nicht so zuversichtlich. „Na toll und was machen wir jetzt? Da kommen wir nicht rein und wenn wir einfach so aufkreuzen, um nach Tenno-chan zu fragen sieht das extrem verdächtig aus“, merkte Luca an und erhielt mehrere seltsame Blicke, denn diese vernünftige Aussage hatte wohl keiner von ihm erwartet. Der andere Braunhaarige neigte den Kopf und dachte nach, als ihm eine Idee kam: „Hey, Luca, hat deine Mutter eigentlich ihr Auto wieder?“ „Hm? Nein, das ist leider immer noch in der Werkstatt. Warum fragst... Oh!“, unterbrach sich der Grünäugige selbst, als er verstand, was sein bester Freund vorhatte und nickte zustimmend. Die beiden Damen in der Runde sahen sich fragend an, denn sie hatte keine Ahnung, was in ihren Freunden vorging, doch hatte Luca schon an das Tor der Werkstatt geklopft. Er wartete eine Weile, doch als sich nach einer Minute nichts tat, klopfte er noch einmal an das Tor.   Gerade murmelte die Silberhaarige etwas davon, dass anscheinend niemand da wäre, doch dann wurde die Tür neben dem großen Tor aufgerissen und ein älterer Herr mit grauem Haar und stark gerötetem Gesicht blaffte die Schüler an: „Es ist geschlossen, könnt ihr das nicht sehen?“ Aiden erkannte Harukas Großvater, der ziemlich ungehalten wirkte und er war sich sicher, dass er einen starken Geruch nach Alkohol wahrnehm. Miyuki war erschrocken zurück gewichen und versteckte sich hinter Mirai, als Luca sich verneigte und das Wort ergriff: „Guten Tag, Tenno-san. Ich bitte vielmals um Verzeihung, aber meine Mutter schickt mich. Ich soll nach dem Auto fragen. Es tut mir leid, wenn ich sie gestört haben sollte.“ Der Alte sah die Schüler der Reihe nach an, bevor er sich mit der Hand übers Gesicht fuhr und einen leichten Schluckauf bekam. Seine Augen wirkten leicht glasig, bevor er leise in seinen Bart murmelte: „Es tut mir leid, ich hätte euch nicht anschreien dürfen... Ihr könnt nichts dafür.“   Die vier tauschten einen kurzen Blick, als Aiden wieder das Wort ergriff: „Ist etwas passiert? Sie wirken ziemlich aufgebracht.“ „Von dem Alkohol mal ganz abgesehen“, brummte Mirai und bekam von Miyuki einen Stoß in die Seite, was der Grünhaarigen wiederrum einen Knuff an den Arm einbrachte. Die beiden Jungs ignorierten das Geplänkel hinter ihnen und versuchten es weiter bei dem älteren Herren, wobei Luca etwas offensiver wurde: „Ich wollte außerdem kurz mit Tenno-chan reden. Sie war die letzten Tage nicht in der Schule und ich wollte ihr die Hausaufgaben vorbeibringen. Nicht, dass sie noch mit dem Stoff Probleme bekommt.“ „Danke, aber... Ich werde es ihr ausrichten“, erwiderte der Mann und man sah Luca an, dass er mit dieser Antwort nicht gerechnet hatte, weshalb Aiden eingriff: „Es tut uns leid, Tenno-san, aber ich habe in der Schule von Nozaki gehört, dass Tenno verschwunden ist. Ist das wahr?“ Der Mechaniker senkte den Blick und brummte leise: „Ich hätte mir denken können, dass es raus kommen wird. Kommt rein, man muss es nicht auf der offenen Straße besprechen.“ Er trat beiseite und ließ die Schüler hinein, die sich kurz umsahen und sich dann auf einem Stapel Reifen niederließen.   Mirai verlor keine Zeit und kam direkt zur Sache: „Also ist es wahr, dass ihre Enkelin verschwunden ist? Seit wann ist sie verschwunden und wie?“ Miyuki sah die Silberhaarige vorwurfsvoll an und stieß sie wieder sanft an, bevor sie das Wort ergriff: „Entschuldigen Sie bitte ihr etwas rüdes Verhalten. Was ist denn mit Tenno-san passiert?“ „Es war letzten Freitag und Haruka hatte einen furchtbaren Streit mit Kotone. Es würde mich nicht wundern, wenn die ganze Straße das gehört hätte. Die beiden haben geschrien und am Ende ist Haruka aus dem Haus gestürmt. Ich habe noch versucht, meine Kleine zu stoppen, doch sie war bereits in den Zug gestiegen und in Richtung Stadt gefahren“, begann der Mann zu erzählen, wischte sich über die Augen und suchte dann nach seiner Flasche, doch hatte Miyuki sich diese bereits gegriffen und in den nächstes Abfluss ausgekippt. Der Alte nahm das Ganze mit einem missgelaunten Brummen hin, doch blieb die Grünhaarige eisern: „Ich glaube, Sie haben genug getrunken.“ Er nickte zu der Aussage nur knapp und strich sich kurz durchs Gesicht, bevor er weiter erzählte: „Ich bin sofort ins Auto gesprungen und habe mich auf die Suche nach ihr gemacht. Kurz darauf habe ich sie dann am Naganaki Schrein gefunden. Natürlich habe ich versucht sie zu beruhigen und ihr zu erklären, dass ihre Mutter es nur gut mit ihr meint, aber... Sie wollte mir nicht zuhören und hat sogar angefangen mich zu beschimpfen. Das hatte sie vorher noch nie getan.“   „Wenn mir eine Frage erlaubt ist, Sie haben versucht Tenno zu beruhigen und zur Vernunft zu bringen, nachdem sie sich mit ihrer Mutter gestritten hat. Was ist denn mit Tennos Vater? Hat der nichts dazu gesagt?“, warf Mirai nun in das Gespräch ein und hatte damit einen Punkt angesprochen, der auch Aiden und Miyuki auf der Zunge gelegen hatte, doch verfinsterte sich daraufhin die Miene des Mechanikers. Er stieß einen traurigen Seufzer aus und wischte sich mit einem Lappen die Augen, bevor er leise eine Antwort gab: „Mein Sohn ist leider schon vor sechs Jahren von uns gegangen und das hat Haruka damals in eine tiefe Depression gestürzt. Ich gebe zu, dass ich mit meiner Schwiegertochter noch nie besonders gut klargekommen bin, aber seit dem Tod von Haruki ist es immer schlechter geworden. Ich habe meiner Kleinen versucht klar zu machen, dass Kotone sie nur beschützen möchte und ihr Bestes will, aber Haruka hat sich da immer mehr rein gesteigert und irgendwann gebrüllt, dass sie lieber gesehen hätte, wie ihre Mutter gestorben wäre. Dann...“ Er brach ab und sah zu Boden, was die Schüler etwas verunsicherte. Es schien so, als wäre da etwas, was der Mann nicht preisgeben wollte, doch war Aiden nicht gewillt, es darauf beruhen zu lassen und hakte nach: „Tenno-san, was ist dann passiert? Ist da irgendwas vorgefallen?“   „Ihr würdet mir sowieso nicht glauben, von daher lassen wir das. Die Polizei wird mich vermutlich eh bald ins Irrenhaus stecken. Sie glauben jetzt sogar, dass ich meiner Haruka etwas angetan habe!“, rief der Alte plötzlich aus und wurde immer lauter, was die Schüler definitiv dem Alkohol zuschoben. Die nächsten Minuten waren voll von dem Gefluche des Mechanikers, der sich langsam wieder beruhigte, oder zumindest oberflächlich, denn sein Kopf war immer noch rot angelaufen. Miyuki war von dem lauten Tonfall ziemlich eingeschüchtert, doch Mirai schien das Geschrei nicht gestört zu haben, denn sie wirkte etwas gelangweilt. Aiden überlegte, wie sie das finale Detail bekommen könnten, doch kam Luca ihm zuvor: „Tenno-san, auf die Gefahr hin, dass Sie mich jetzt für verrückt halten, aber... kann es sein, dass Ihre Enkelin irgendwie in den Baum am Schrein gefallen ist?“ Der andere Braunhaarige sah seinen Freund fassungslos an und war kurz davor, ihm eine zu scheuern, doch ging Harukas Großvater auf die Aussage ein: „Woher weißt du das? Naja, sie ist nicht wirklich gefallen, es war mehr, als hätte sie etwas gepackt und hinein gezerrt. Ich war vor Angst wie gelähmt und konnte nichts tun. Ich habe das auch der Polizei gesagt, aber natürlich haben sie mir nicht geglaubt. Ich weiß nicht mehr, was ich noch machen soll. Haruka ist alles, was ich noch habe.“ Er brach in Tränen aus und schluchzte heftig, was den Schülern extrem nahe ging. Miyuki nahm den Herrn sanft in den Arm, als Aiden sich erhob und sich am Hinterkopf kratzte: „Sie dürfen den Kopf nicht hängen lassen, ich bin mir sicher, dass es Tenno gut geht und sie bald wieder da ist. Bitte, lassen Sie nur den Alkohol weg, was würde ihre Enkelin davon halten, wenn sie Sie so sehen würde.“   Der Mann nickte und wischte sich über die Nase, bevor er sich erhob und in Richtung Tür wankte: „Ihr glaube, du hast Recht. Ich hoffe, dass ihr Recht habt. Ich sollte mich hinlegen, ihr findet die Türja alleine... Oh Gott!“ Das Gesicht des Mannes wechselte wie eine Ampel von Rot zu Grün, bevor er aus der Werkstatt flüchtete und Mirai zog Miyuki mit sich: „Wir sollten gehen, bevor der Herr sich sein Frühstück noch einmal durch den Kopf gehen lässt!“ „Guter Plan!“, stimmten die beiden Braunhaarigen zu und flüchteten aus der Werkstatt, bevor sie sich auf den Weg zum Bahnhof machten. Miyuki wiegte den Kopf hin und her, als sie zum Punkt kam: „Also ist Tenno-san wirklich auf der anderen Seite gelandet. Wir müssen sie retten!“ Luca und Aiden stimmten zu, als Mirai sich einschaltete und nachdenklich die Arme vor der Brust verschränkte: „Und wie wollt ihr euch um die Shadows kümmern?“ Die drei Schüler sahen sich kurz an, doch dann grinste Luca nur: „Was soll die Frage? Wir haben doch jetzt alle so ein komisches, schwebendes Ding, also alles gut.“ „Du weißt, dass du einen Evoker brauchst, um deine Persona zu rufen und momentan hat nur Aiden einen. Wollt ihr euch den die ganze Zeit hin und her werfen?“, fuhr die Silberhaarige dem Spanier über den Mund, der daraufhin zwar zu einer Antwort ansetzte, diese allerdings doch sein ließ. Miyuki tippte sich nachdenklich ans Kinn und sah ihren Mitbewohner an, der die Szene zwischen seinen beiden Freunden interessiert beobachtete: „Kurosaki-kun, wo hattest du diese Pistole eigentlich her?“ „Hm? Die war in einem Geheimfach unter meinem Bett im Wohnheim. Hey, vielleicht ist unter deinem Bett ja auch so etwas“, kam es dem Schüler in den Sinn, was bei den anderen auf Zustimmung stieß und als der Zug einfuhr, vertagten sie die Diskussion ins Wohnheim, welches sie bald darauf erreichten.   Im Wohnheim liefen die drei schnell in den zweiten Stock, wo die Grünhaarige sofort unter ihr Bett krabbelte und nach einem Geheimfach suchte. Luca grinste frech, als er Miyuki bei der Sache zusah, doch zerrte Aiden ihn einfach aus dem Zimmer. Immer wieder ertönte ein leises Murren aus dem Zimmer, bis die Oberschülerin mit einem enttäuschten Seufzer aus dem Raum getreten kam. Sie sah ihre Freunde an und zuckte mit den Achseln: „Das ist nichts. Scheint so, als wäre es nur in Kurosaki-kuns Zimmer gewesen. Was machen wir denn jetzt?“ Die Grünhaarige sah etwas besorgt drein, während Luca und Aiden die restlichen Zimmer untersuchten, jedoch in keinem Raum einen Erfolg verzeichnen konnten. Mirai tippte sich ans Kinn und nickte dann, als hätte sie eine Lösung gefunden: „Tja, dann bleibt noch dieser Kommandoraum im obersten Stock übrig.“ „Was für ein Raum?“, bekam sie gleich drei Antworten, die sie etwas irritierten: „Habt ihr das Ding nicht gesehen? Der ist eigentlich nicht zu übersehen. Im obersten Stock ist ja schließlich eine riesige Tür.“ Die drei Oberschüler sahen sich kurz an, bevor sie die Treppe nach oben stürmten, um Mirais Information zu überprüfen. Die Silberhaarige schüttelte nur belustigt den Kopf und folgte ihren Freunden anschließend die Treppe nach oben.   Im obersten Stockwerk standen die Schüler vor einem großen Bücherregal, wobei Mirai sich kurz umsah und dann nickte: „Eindeutig, hier war die Tür. Also, Jungs, zeigt mal eure Muskeln!“ Miyuki nickte eifrig und feuerte ihre Freunde an, die sich nun daran machten, das Regal irgendwie zu verschieben. Die beiden Braunhaarigen drückten und schoben so fest sie konnten, allerdings bewegte sich das Möbelstück keinen einzigen Millimeter. Luca wollte sich keine Blöße geben und versuchte es weiter, bis er einen fiesen Kommentar von Mirai zu hören bekam: „Die Männer von heute... die können nicht einmal ein Regal verschieben, ist das zu fassen?“ „Genau, kommt schon, Jungs. Ihr schafft das!“, feuerte die Grünhaarige ihre Mitschüler an, die synchron erwiderten: „Ihr könntet uns ja auch mal helfen!“ Aiden biss die Zähne zusammen und drückte weiter, als es neben ihm miaute und er kurz zu der Stelle sah: „Kiara, nicht jetzt! Ich bin beschäftigt!“ Die Katze dachte nicht daran, sich so einfach abspeisen zu lassen, denn sie gab ein weiteres missgelauntes Maunzen von sich und angelte mit der Pfote nach dem Hosenbein ihres Herrchens. Die Aktion beantwortete der Braunhaarige damit, dass er sein Haustier mit dem Fuß wegschob, bevor diese jetzt sogar auf das Regal kletterte, um auf Augenhöhe mit Aiden zu sein und ihm weiter die Ohren voll zu miauen. Dem Oberschüler wurde es zu viel und er wurde etwas lauter: „Kiara, ich kann jetzt nicht! Ich gebe dir nachher was zu essen, aber jetzt wirst du dich mal fünf Minuten gedulden müssen!“ Das Tier begann über die Standpauke zu fauchen und trat auf eines der Bücher, dass nach vorne kippte und die Katze zu Boden warf, doch ertönte dann ein lautes Klicken. Das Regal bewegte sich anschließend wie von selbst zur Seite und gab den Blick auf eine große Tür frei, genauso, wie Mirai es gesagt hatte.   Die vier Schüler sahen einen Moment zu der Katze, die sich in völliger Unschuld die Pfote leckte, bevor die Silberhaarige sich an die beiden Männer wandte: „Euch ist klar, dass ihr beiden gerade von einer Katze bloß gestellt worden seid, oder?“ Eine passende Antwort hatte keiner der beiden Braunhaarigen auf Lager, doch war jetzt erst einmal interessanter, was sich in dem Raum befand. Sie drückten die Tür auf und standen nun in einem großen Raum, auf dessen linker ein riesiger Computer mit mehreren Bildschirmen stand. Auf der rechten Seite stand eine gemütliche Sitzecke und ein Regal mit mehreren Büchern und einem silbernen Koffer. Alles in diesem Raum war mit einer dicken Staubschicht überzogen, was darauf schließen ließ, dass hier schon seit Jahren niemand mehr gewesen war. Luca inspizierte den Computer und tippte ein paar Mal auf der Tastatur herum, doch gab es keine Regung von der Maschine. Mirai und Aiden standen in der Mitte des Raumes und betrachteten ihre Freunde, während der Braunhaarige seinem Kätzchen eine verdiente Streicheleinheit gab. Das Tier schnurrte zwar anfangs zufrieden, doch maunzte es dann wieder, denn schließlich fehlte immer noch das versprochene Essen. Miyuki betrachtete das kleine Regal und zog dann den silbernen Koffer daraus hervor, um ihn auf den kleinen Tisch in der Sitzgruppe zu legen.   Neugierig spielte die junge Frau an dem Koffer herum, bis sie es irgendwie schaffte, das Schloss zu knacken und den Deckel zu öffnen. Luca kam sofort dazu, denn beide erhofften sich eine der seltsamen Kanonen, die sie zu ihrer Freude auch fanden. Insgesamt lagen sieben der seltsamen Waffen in dem Koffer, von denen sich er Spanier sofort eine schnappte und um den Finger rotieren ließ. Mirai war es, die ihm eine Schelle verpasste und zur Besinnung brachte, denn schließlich waren diese Dinge keine Spielzeuge. Während Luca sich entschuldigend verneigte, musterte die grünhaarige Schülerin das Objekt in ihrer Hand und hielt es sich probehalber an die Schläfe, nur um es panisch wieder weg zu legen. Man konnte ihr ansehen, dass sie sich bei dem Gedanken, sich selbst in den Kopf zu schießen, nicht unbedingt wohl fühlte und Luca schien die Ansicht ein wenig zu teilen. Er setzte sich die Waffe an den Kopf und bekam leichte Schnappatmung, bevor er sich an Aiden wandte und schief grinste: „Boah, man weiß, dass das Teil nicht echt ist, aber es macht einem schon Panik. Wie hast du das bitte so einfach durchgezogen, dir damit in den Kopf zu ballern, Amigo?“ Auf die Frage neigte der andere Braunhaarige den Kopf und dachte nach, bis er zu einer Erkenntnis kam: „Wenn ich ehrlich bin, habe ich damals nicht wirklich darüber nachgedacht. Irgendwas hat mir gesagt, dass ich das tun muss und ich wollte euch um jeden Preis beschützen, also hab ich einfach abgedrückt. Im Nachhinein betrachtet war das schon ziemlich krass, aber ich habe es nicht wirklich realisiert. Macht das irgendwie Sinn?“   Die Schüler nickten verstehend, als die Katze in Aidens Arm wieder zu miauen begann und mit der Pfote ihrem Herrchen an die Wange tippte, was dieser endlich verstand: „Naja, wir sind ja jetzt komplett ausgerüstet, also sollte heute Abend nichts mehr im Weg stehen. Ich geh erst einmal Kiara füttern und dann sehen wir weiter, was wir bis dahin machen.“ Er verließ das Zimmer und Luca konnte sich einen bissigen Kommentar nicht verkneifen: „Jetzt wissen wir, welche Dame in Aidens Leben das Sagen hat: Seine Katze.“ „Das hab ich gehört!“, schallte es in den Raum, was den Spanier zum Lachen brachte und auch die Mädchen mussten schmunzeln. Um seiner Mutter keine Sorgen zu machen, machte sich Luca auf den Heimweg und versprach, sich später mit den anderen am Schrein zu treffen. Aiden verbrachte den Abend damit, sich die seltsamen Tarotkarten von Amalia genauer anzusehen. So ganz verstand er das mit diesen Verbindungen, den Shadows, den Persona immer noch nicht, wie sollte er auch, aber das durfte ihn jetzt nicht belasten. Um kurz vor Mitternacht machten sich die drei Bewohner auf den Weg zum Schrein, denn sie hatten ein Ziel: Haruka zu finden! Kapitel 11: XI - Die Suche beginnt ---------------------------------- ~~~Dienstag 26. April 2016~~~ ~~~Mitternacht~~~   Pünktlich um Mitternacht hatte sich die Gruppe am Naganaki Schrein getroffen und sofort hatten sie sich durch das Portal begeben, nur um im nächsten Moment in der mit Monster verseuchten Welt zu landen. Aiden strich sich einige Haare aus dem Gesicht, denn er war bei der Ankunft unsanft der Länge nach im Staub gelandet, ebenso wie seine Freunde. Lediglich Mirai hatte sich auf den Beinen halten können, auch wenn sie gefährlich gewankt hatte. Vorsichtig wanderten ihre Blicke über die Umgebung, da sie besonders darauf achteten, nicht wieder von einem dieser Reiter überrascht zu werden. Als nach einigen nichts zu hören war, wagten sich die Schüler auf den Vorplatz des Schreins. Aiden trat an das Geländer am Rande des Platzes heran und sah auf die Straße: „Sieht nicht so aus, als wäre hier jemand. Wir sind also fürs erste sicher.“   „Und wo fangen wir jetzt mit der Suche an?“, stellte Miyuki die Frage, die sie alle etwas planlos machte, doch wollten sie die Flinte nicht so schnell ins Korn werfen. Luca setzte sich auf das Geländer und tippte sich nachdenkloch ans Kinn: „Wenn man bedenkt, dass Tenno bereits seit einigen Tagen hier ist, mache ich mir echt Sorgen um ihre Gesundheit. Ich meine, wenn die Aussagen stimmen, ist sie seit Freitag hier drin.“ „Ja, aber Miri-chan war viel länger hier drin und war auch okay“, warf die Grünhaarige ein und erhielt ein zustimmendes Nicken von Aiden, der sich in der Gegen umsah: „Mirai hatte sich im Wohnheim eingenistet und war dort über die Nacht sicher gewesen. Ist die Frage, ob Tenno sich auch einen sicheren Ort gesucht hat.“ „Vielleicht sollten wir einfach mal im Wohnheim vorbeischauen“, murmelte die Silberhaarige und trat an die Treppe heran, während sie von den anderen dreien ein bestätigendes Nicken erhielt.   Zu viert machten sie sich auf den Weg durch die Straßen, wobei sie stets darauf bedacht waren, dass sie nicht in irgendeinen Shadow rein rannten. Zu ihrem Glück, blieben die seltsamen Gestalten aus, bis sie das Wohnheim erreichten und das Foyer betraten. Durch die seltsamen Lichtverhältnisse der Schattenreiches wirkte das Innere des Gebäudes furchtbar schaurig, was besonders Miyuki fast in Panik versetzte. Sie klammerte sich an Mirai, die nur mit den Augen rollte und ihr kurz auf den Kopf tippte, bevor sie sich im Raum umsah: „Hm, also wenn ich ehrlich bin, sieht es genauso aus, wie ich es verlassen habe. „Heißt also, dass Tenno nicht hier gewesen ist. Wo könnte sie denn sonst noch sein?“, kam es etwas demotiviert von Luca, der sich an den Tresen lehnte und den Kopf hin und her wiegte. Aiden setzte sich auf einen der Sessel und faltete die Hände vor dem Gesicht, bevor er leise vor sich hin murmelte: „Wenn ich in so einer Situation wäre, was würde ich tun?“   „Ist doch klar! Ne Knarre nehmen, dir in den Kopf schießen und einen riesigen Speerkämpfer beschwören, der Monster verprügelt“, lachte Luca laut auf und bekam von Mirai einen Schlag an den Kopf: „Wir haben hier wirklich keine Zeit für irgendwelche blöden Witze, Luca!“ Während der Braunhaarige sich mehrere Male kleinlaut bei der jungen Frau entschuldigte, setzte sich Miyuki auf die Couch und sah Aiden an: „Also, wenn ich in so einer Situation wäre, würde ich versuchen nach Hause zu kommen. Und zwar so schnell, wie möglich!“ „Nach Hause? Die Werkstatt! Ich bin ehrlich, das wäre mein nächster Anlaufpunkt gewesen“, gab Aiden zu und erhielt von der Grünhaarigen ein verstehendes Nicken: „Ist ja auch das das offensichtlichste Versteck, oder?“   Die beiden nickten sich zu und erhoben sich, um sich auf den Weg zu machen, wobei sie erst einmal den Streit zwischen Luca und Mirai unterbinden mussten. Erst nach knapp fünf Minuten gab die Silberhaarige klein bei und hörte auf, dem Spanier die Leviten zu lesen, da er in einer solch ernsten Situation keine blöden Witze reißen sollte. Die beiden Nichtstreitenden griffen sich einen der beiden Streithähne und zogen sie einfach mit sich in Richtung Bahnhof. Die Silberhaarige blieb stehen und verschränkte die Arme vor der Brust, bevor sie einen Finger hob: „Also, so wie ich das sehe, haben wir zwei Möglichkeiten. Wir können zum Bahnhof gehen und über die Gleise laufen, oder wir nehmen den Weg über diese riesige Brücke da hinten.“ Für einen Moment waren die drei Schüler sehr erstaunt, doch dann rissen alle die Augen auf: „Was?“ „Naja, die Elektronik und der Kram den ihr mitgebracht habt funktionieren zwar, aber die Züge, Laternen und all das, was hier steht ist tot. Es ist ja keiner in den Kraftwerken um den Strom durch die Leitungen zu jagen!“, erklärte die Silberhaarige, woraufhin Miyuki kreidebleich wurde: „Also müssen wir die ganze Strecke laufen? Meine armen Beine.“   Aiden und Luca tauschten einen kurzen Blick, bevor beide einen synchronen Seufzer ausstießen und in Richtung Moonlight Bridge liefen. Die Mädchen folgten sofort, da sie nicht zurückbleiben wollten und kurz darauf standen die vier vor dem Bauwerk, dass auf die Insel mit der Mall und der Schule führte. Mit einem skeptischen Blick betrachteten alle die stillstehenden Autos, bevor Luca eine Idee hatte: „Sagt mal, können wir nicht einfach mit dem Auto fahren? Ich meine, die haben eine interne Batterie, also sollten sie doch laufen. Sofern der Tank voll ist.“ „Klingt anfangsnach einer guten Idee, funktioniert nur auf lange Sicht nicht. Wenn irgendwo zwei Autos nebeneinander stehen, kommen wir nicht weiter und müssen trotzdem laufen. Ganz zu schweigen davon, dass keiner von uns Autofahren kann“, erwiderte Aiden und überprüfte den Sitz seines Pistolenhalfters, denn dies war seine einzige Waffe gegen die Shadows. Mit einem lauten Seufzer betrat Luca die Brücke und wollte schon loslaufen, als Miyuki zur Seite sah und etwas entdeckte, was vielleicht funktionieren könnte: „Hey, schaut mal! Wenn das mit den Autos nicht klappt, warum nehmen wir dann nicht diese Roller?“ Die restlichen drei sahen auf die beiden umgekippten Vehikel und tauschten dann einen kurzen Blick, bevor sie gleichzeitig nickten.   „Sollte klappen, die Teile sind nicht so schwer zu bedienen und damit kommen wir auch auf dem kleinen Seitenstreifen voran. Jetzt müssen wir die nur noch zum Laufen kriegen“, wandte sich Luca an seine Gruppe, die alle zustimmend nickten und zusammen schafften sie es, die beiden Roller wieder aufzurichten und auf die Stützen zu stellen. Aiden erkundigte sich in der Gruppe, ob denn einer von ihnen wisse, wie man so einen Roller startete, geschweige denn fuhr, doch hatte Miyuki bei einem der Roller den Zündschlüssel umgedreht: „Es gibt zwei Starter: Einmal den Elektro- und dann den Kickstarter. Wenn ich es richtig mache, dann müsste er... dann müsste er...“ Sie versuchte immer wieder den kleinen Hebel an der Seite mit dem Fuß zu betätigen, aber es wollte ihr nicht gelingen: „Jungs, kann einer von euch vielleicht mal? Das will bei mir nicht.“ Sie sah zu ihrem Anführer, der es nun ebenfalls versuchte, den Starter zu betätigen und es beim vierten Versuch auch schaffte, woraufhin der Motor sofort zu laufen begann: „Hey, er läuft!“ Er sah zur Seite, wo sein bester Freund das andere Gefährt zum Laufen gebracht hatte und breit grinste: „Melde gehorsam, der hier scheint auch okay zu sein. Kriegst du das mit dem fahren hin, Aiden?“ „Sollte nicht viel schwerer sein als Fahrrad fahren. Wie sieht es bei dir aus?“, erwiderte der Braunhaarige, was ihm nur ein weiteres Grinsen einbrachte: „Wird schon schief gehen. Also, Ladys, aufsitzen!“ Die beiden Damen der Runde sahen sich an und wirkten nicht gerade zuversichtlich, doch nahm Mirai hinter Aiden und Miyuki hinter Luca Platz. Etwas nervös packte Aiden die Lenker, als er einen Knuff gegen die Schulter bekam: „Bau bloß keinen Unfall, hörst du?“ „Mach dem ohnehin schon nervösen Fahrer nur noch mehr Druck, ganz tolle Idee, Mirai“, erwiderte der Braunhaarige sarkastisch und fuhr langsam los. Zur Freude des Quartetts klappte es ohne große Schwierigkeiten, wodurch sie deutlich schneller als gedacht über die Brücke kamen.   In der Nähe des Wohngebietes um die Mall stellten sie die Roller ab und sahen sich um, wobei auf den Straßen die Shadows einem direkt ins Auge sprangen. Um nicht unnötig kämpfen zu müssen schlichen die vier durch die Nebenstraßen, bis sie die Anhöhe erreichten, die zu der Straße mit der Werkstatt führte. Bereits beim Anstieg bemerkte Aiden das riesige Gebäude, dass auf der Anhöhe in den Himmel ragte, doch hatte er niemals damit gerechnet, dass es sich bei dem großen Gebäude am Ende um die Werkstatt selbst handeln würde. Alle vier hatten den Kopf in den Nacken gelegt und starrten auf das riesige Gebäude vor ihnen, als Luca sich mal wieder einen dämlichen Kommentar nicht verkneifen konnte: „Wow, das hier ist vermutlich so was wie die Werkstatt der Stars. Das Teil war heute Mittag nicht so riesig.“ „Ich glaube, dass das etwas mit der verschwundenen Person zu tun hat“, murmelte Mirai und sah zu Boden, während sie sich mit der Hand durch ihren Pony fuhr. „Es spielt keine Rolle, aber wenn es stimmt, was du vermutest und diese drastische Veränderung was mit Tenno zu tun hat, dann ist sie auf jeden Fall da drin und wir holen sie da raus!“, stellte Aiden klar und erhielt von all seinen Gefährten Zustimmung. Sie tauschten noch einen kurzen Blick, bevor sie nickten und das große Tor der Werkstatt aufstemmten, um das Gebäude zu betreten.   Das Innere des Bauwerks wirkte vollkommen anders, als die Gruppe es von außen erwartet hätte, denn statt einer Werkstatt erstreckte sich ein langer Gang vor ihnen. Die Wände wirkten so, als wären sie aus verschiedenen Autokarosserieteilen zusammengenagelt worden. Passend dazu wurde der Gang von Autoscheinwerfern beleuchtet, die von der Decke hingen, doch wirkte diese Szene so falsch, dass es den vieren kalt den Rücken runter lief. Aiden sah seine Freunde noch einmal an, bevor sie sich in Bewegung setzten und dem Gang folgten. Es dauerte eine Weile, bis der Gang in einer Kreuzung endete und Miyuki ein leises Wimmern ausstieß: „Ich sehe es kommen! Am Ende kommen wir hier nie wieder raus!“ „Mach dir nicht ins Hemd, Nobiro. Wir kommen schon klar, aber wir sollten echt aufpassen, wo wir langrennen, sonst kommen wir echt nicht mehr raus. Fangen wir doch mit dem linken Gang an und gehen dann immer im Uhrzeigersinn“, schlug Luca nach kurzem Überlegen vor und da es keine Widersprüche gab, lief er einfach los.   Aiden lief zwischen Mirai und Miyuki, wobei erstere ständig in Gedanken versunken schien und letztere kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand. Er selbst war ziemlich unruhig, denn es konnte jederzeit passieren, dass sie von einem Shadow angegriffen werden könnten. Als hätte er es beschworen, ließ das Unglück gar nicht lange auf sich warten, denn der Gang bog nach kurzer Zeit nach links ab und schon stand die Gruppe drei Shadows gegenüber. Zwei davon sahen aus wie Schleimhaufen mit Armen, während der dritte Shadow einen Adler darstellte, der eine Laterne in den Klauen hielt. Die beiden Schleimhaufen hoben die Arme und begannen zu leuchten, woraufhin zwischen den Schülern zwei große Eisbrocken entstanden. Aiden war nicht scharf darauf, wieder eingefroren zu werden, weshalb er instinktiv einen Satz zur Seite machte und seine weiblichen Gefährten dabei mit aus der Schussbahn zog. Durch den Sprung ging der erste Zauber ins Leere, doch der Zweite erwischte Luca direkt und ließ ihn etwas einknicken, jedoch schien es nicht so, als hätte der Angriff eine große Wirkung auf ihn gehabt zu haben. Der Spanier sah an sich herunter und wunderte sich, dass er kaum eine Schramme von der Attacke abbekommen hatte. Im nächsten Moment sprang er jedoch mit einem etwas weinerlich klingenden Schrei nach hinten, um den Klauen des Vogel-Shadows zu entgehen.   Die drei Shadows machten sich zu einem weiteren Angriff bereit, als Mirai ihre Freunde etwas barsch anfuhr: „Wollt ihr euch zur Zielscheibe machen lassen? Schlagt zurück, oder wir enden als Vogelfutter!“ Miyuki zog ihre Kanone und hielt sie sich ans Kinn, doch schaffte sie es einfach nicht abzudrücken. Luca zögerte ebenfalls und ließ die Pistole wieder sinken, bevor er mit einem schnellen Satz nach hinten sprang, um einem Eisblock zu entgehen. Die beiden Schleime konzentrierten sich auf den Spanier, während der Vogel die Grünhaarige ins Visier nahm und sich mit den Klauen voran auf sie stürzte. Miyuki ließ ihre Waffe fallen und schrie panisch auf, als Aiden sie mit einem Ruck zur Seite riss und sich selbst die Kanone an den Kopf hielt. Er zögerte keine Sekunde und drückte ab, was einen blauen Wirbel um ihn erzeugte, aus dem sich die große Gestalt von Riegel erhob. Die Persona riss den Speer hoch und stürzte sich sofort auf Shadow, der mit einem Hieb des Speeres in einer schwarz-roten Wolke verschwand. Luca sah seinen besten Freund an und nickte entschlossen, denn wenn Aiden das konnte, wollte er nicht hinterherhinken. Mit entschlossenem Blick packte er die Kanone und setzte sie sich an die Schläfe, wo er nach einem kurzen Zögern abdrückte: „Alphard!“ In einem weiteren Wirbel erschien die Persona im Kimono, der die Arme ausstreckte und die Schlangen, die aus den Ärmel hervorkamen, bedrohlich zischen ließ. Im nächsten Moment wurde einer der Schleime von einem Eisblock eingeschlossen und zerquetscht.   Der letzte Shadow sah sich hektisch um, als Mirai die Stimme erhob: „Miyuki, mach ihn fertig! Das Vieh ist gegen Feuer anfällig!“ „Komm schon, Nobiro!“, feuerte Luca die Grünhaarige an, doch sie wimmerte nur leise, weshalb Aiden seine Persona zum Angriff übergehen ließ und ein grüner Windstoß zerfetzte den letzten Shadow schlussendlich. Miyuki saß am Boden und schluchzte leise, während sie sich mit ihrem Ärmel die Nase abwischte: „Es tut mir so leid... Ich konnte es einfach nicht. Ich war wie gelähmt.“ Mirai sah ihre Freundin an und schnaubte einmal abfällig: „Nichts für Ungut, aber so bist du eher ein Hindernis als eine Hilfe!“ Die Worte trafen die Schülerin schwer, denn sie war kurz davor in Tränen auszubrechen, als Aiden sich einmischte: „Jetzt fahr mal einen Gang zurück, Mirai. Wir kriegen das schon hin, gib ihr etwas Zeit. Bis dahin regeln Luca und ich das.“   Mit einem leisen Murren drehte sich die Silberhaarige weg, während der Braunhaarige seiner Mitbewohnerin aufhalf: „Zwing dich zu nichts, du packst das schon, wenn du bereit bist.“ Mehr als ein leichtes Kopfnicken bekam er nicht zur Antwort, weshalb sie den Gang weiterliefen und kurz darauf in einer Sackgasse standen. Luca begann zu fluchen, dass sie völlig umsonst diesen Weg gegangen waren, doch blieb Aiden optimistisch, da sie nichts übersehen durften. Sie liefen den Gang zurück und nahmen an der Kreuzung den nächsten Weg nach links, der allerdings in einer weitere Sackgasse mit Shadowangriff endete. Wie auch zuvor, mussten Aiden und Luca die Sache alleine regeln, doch waren sie ein gutes Team und hatten den Kampf nach kurzer Zeit gewonnen. Sie setzten den Weg fort und die Werkstatt entpuppte sich im wahrsten Sinne des Wortes als ein verdammtes Labyrinth, in dem es vor Monstern nur so wimmelte. Der Weg führte immer tiefer ins Innere des Werkstatt, als Luca sich an die Wand lehnte und um eine Pause bat.   Das Quartett sah sich kurz um, ob sie sicher waren, bevor sie sich auf den Boden setzten und erstmal verschnauften. Miyuki hatte die Knie an die Brust gezogen und das Kinn darauf gebettet, denn es nagte sehr an ihr, dass sie so nutzlos war. Die beiden Braunhaarigen waren sichtlich außer Atem, da das Rufen ihrer Persona langsam aber sicher an ihren Kräften zehrte. Als sie sich etwas erholt hatten, setzten sie ihren Weg fort, doch erstarrten sie alle, als sie eine Stimme durch die Gänge hallte. Die Stimme klang extrem verzehrt, doch war sie klar zu verstehen: „Warum kannst du dich nicht endlich mal wie ein Mädchen benehmen? Dieses Verhalten gehört sich nicht!“ So schnell, wie die Stimme gekommen war, so schnell war sie auch wieder verschwunden, was vor allem die Grünhaarige in leichte Panik versetzte: „W-Was war das?“ „Ich weiß nicht warum, aber ich glaube, ich kenne diese Stimme irgendwo her“, murmelte Luca nachdenklich und erntete zwei erstaunte Blicke, als Mirai sich einmischte: „So komisch es klingt, ich kenne sie auch. Was geht hier vor?“   Die Gruppe sah sich kurz um, doch als nichts passierte, setzten sie mit einem mulmigen Gefühl ihren Weg fort. Immer und immer tiefer ging es in den Dungeon und je weiter sie kamen, desto mehr Wege, Abzweigungen und Sackgassen schienen aufzutauchen. Aiden und Luca taten sich immer schwerer damit, die Shadows abzuwehren und als sie nach einer Weile wieder um eine Ecke bogen, standen sie vor einem Haufen Schutt. Luca warf die Arme in die Luft und stieß einige Flüche auf Spanisch aus, während Aiden sich die Haare raufte. Je länger diese Gänge wurden, umso mehr kostete es die beiden Persona-User Kraft, sich zu verteidigen. Da sie nichts zu tun hatte und den Jungs auch nicht ins Gesicht sehen wollte, begann Miyuki ein wenig von dem Schutt Weg zu räumen und machte eine Entdeckung: „Hey, schaut mal. Können wir das vielleicht gebrauchen?“ Die beiden Jungs kamen dazu und musterten die Flaschen mit grüner Flüssigkeit, die ihre Kameradin aus dem Schutthaufen gefischt hatte. Keiner der beiden traute dem Braten, denn die Flüssigkeit sah extrem giftig aus, doch Mirai wiegte den Kopf hin und her und grinste dann: „Ich glaube, das ist etwas, was uns helfen kann. Na los, Jungs, hoch die Becher!“ Die beiden Braunhaarigen sahen sich einen Moment an, doch keiner machte Anstalten, das Getränk zu sich zu nehmen, weshalb die Silberhaarige deutlicher wurde: „Entweder ihr trinkt es freiwillig, oder ich zwing euch.“ „Naja, dann... Ach was soll’s, Kampai, Amigo“, murmelte Luca und hakte seinen Arm in den von Aiden, bevor beide das Getränk in einem Zug runter kippten.   Einen Moment tat sich nichts, doch dann sahen sich die Braunhaarigen erstaunt an, denn beide fühlten sich deutlich besser als zuvor. Als die beiden Jungs zu ihren weiblichen Begleitern schauten, hatte Mirai ein triumphales Grinsen im Gesicht: „Seht ihr? Glaubt mir doch einfach mal, Jungs. Und musste dieses doofe Bruderschaft trinken sein?“ „Ja, Mann!“, rief Luca und klopfte seinem Freund auf die Schulter, der nachdenklich auf die Flasche in seiner Hand starrte. Wenn sie mehr von diesem Zeug finden könnten, wäre das eine enorme Hilfe, doch erregte Miyuki seine Aufmerksamkeit, die weiterhin in dem Schrotthaufen wühlte: „Hey, meint ihr, dass man den Schrott für irgendwas gebrauchen kann?“ „Willst du einen Shadow mit einer Felge verdreschen, Nobiro?“, lachte Luca laut auf, doch stieß ihm die Silberhaarige in die Seite: „Lach nicht, die Idee ist nicht schlecht. Wäre zwar nur improvisiert, aber wenn ihr einem Shadow ein Eisenrohr über den Schädel ziehen könnt, müsstet ihr nicht immer eure Persona rufen.“   Die drei Schüler sahen sich an und zuckten mit den Schultern, bevor sie anfingen, sich durch den Schutt zu wühlen. Nach einiger Zeit kam Aiden mit zwei alten, kurzen Katana heraus, die er locker schwang und dann leicht nickte. Miyuki kam mit einem alten Bogen und einem Köcher voller Pfeile zurück, die sie mit einem etwas gequälten Gesichtsausdruck musterte: „Darf ich weiter suchen? Das hier scheint mir nicht das richtige zu sein.“ „Ach Quatsch, du machst das schon. Du darfst mich gerne mit Armors Pfeil abschießen, Nobiro!“, lachte Luca, der mit einer Hellebarde zu der Gruppe zurückkehrte und der Grünhaarigen frech zuzwinkerte. Die Bogenschützin lief feuerrot an und zog sich ihre Weste über die Nase, während Aiden dem Spanier in die Seite stieß: „Komm, hör auf sie zu ärgern. Dafür haben wir jetzt echt keine Zeit.“ „Och, komm schon, Amigo. Willst du einen auf Samurai machen? Ich fühle mich wie ein Konquistador“, grinste Luca und setzte die Stange seiner Waffe auf den Boden, während sein Freund nur mit den Augen rollte: „Bist du jetzt ein Inquisitor, oder was? Naja, mit der Waffe musst du nicht direkt an den Gegner ran. Ich hoffe, wir kommen schnell mit den Sachen klar.“ Er hing sich eins der Schwerter an den Gürtel und hielt das andere in der Hand, um damit kämpfen zu können, so hatte er die linke Hand frei, um seine Pistole zu ziehen.   Die vier setzten ihren Weg fort und nach kurzer Zeit trafen sie erneut auf vier Shadows trafen: Zwei Schleime und zwei Vögel. Aiden und Luca gingen zum Angriff über und wurden jedoch direkt von zwei heranfliegenden Eisbrocken ausgebremst. Miyuki nahm einen tiefen Atemzug und versuchte sich im Bogenschießen, doch zitterte ihre Hand so stark, dass sie kaum zielen konnte. Sie hatte schon Probleme damit, den Bogen überhaupt erst spannen zu können, weshalb der Schuss damit endete, dass der Pfeil einen Meter vor ihr im Boden landete. Sie riss den Kopf hoch, als einer der Vögel auf sie zugeschossen kam, doch schwang Luca einfach seine Waffe und fegte den Shadow gegen die Wand. Aiden schaffte es, einen der Schleim-Shadows mit dem Schwert in zwei Teile zu hauen, wobei seine Bewegungen von allen noch am besten aussah. Sein Kendotraining kam ihm hier tatsächlich zur Hilfe und das nutzte er so gut es ging aus. Miyuki wagte im Kampf noch zwei weitere Schüsse, die beide keine Erfolg brachten und irgendwann taten ihre Hände furchtbar weh. Luca hatte es in der Zwischenzeit geschafft einen der Vögel mit der Hellebarde aufzuspießen, während Aiden mit der Hilfe von Rigel den zweiten Vogel niederstrecken konnte. Der verbleibende Schleim versuchte, mit seinen Eisbrocken Herr über die Lage zu werden, doch kam er gegen das Teamwork der beiden Braunhaarigen nicht an, die sich gegenseitig deckten und mit einem gut getimten Schlag den Sieg erringen konnten.   Wie in einigen Kämpfen zuvor ließen die Shadows hier und da mal etwas fallen, wobei Luca sich wie ein Schneekönig freute, als er etwas Geld aufhob: „Alter, das ist ja krass! Die haben Geld bei sich!“ „Ich finde eher das hier interessant“, erwiderte Aiden und zeigte eine Flasche mit grüner Flüssigkeit, die er mit einem breiten Grinsen einsteckte. Lediglich Miyuki konnte die gute Laune ihrer Kollegen nicht teilen, denn sie ließ traurig den Kopf sinken: „Es tut mir so leid, ich bin echt unnötig. Ich krieg nichts hin und ich fürchte, wenn ich so weitermache, schneide ich mir noch mit der Sehne die Finger ab oder erwische einen von euch mit dem Pfeil.“ Mirai sah sie mit einem Seufzer an und schüttelte nur den Kopf: „Das wird schon, ich bin mir sicher, du kriegst das hin. Du musst dich nur etwas konzentrieren und anstrengen. Vertrau mir, Miyuki.“ Die Grünhaarige strich sich kurz einige Haarsträhnen aus dem Gesicht und versuchte etwas zuversichtlicher zu wirken, doch wollte ihr das einfach nicht gelingen. Die beiden Jungs musterten das Gespräch schweigend, denn keiner von ihnen wusste, was er der Schützin sagen sollte. Nach einer kurzen Pause setzten sie ihren Weg fort, wobei sie wieder durch einen langen Gang kamen.   Der Gang wurde zunehmend dunkler, da die Lampen an der Decke kaum noch Licht spendeten und dazu auch noch flackerten, als erneut eine gespenstische Stimme durch die Gänge hallte: „Schau dich mal an! Du bist völlig verdreckt! Was sollen denn die Nachbarn denken, wenn sie dich so sehen?“ „Aber Mama, ich habe nur Ojii-chan geholfen und es macht mir Spaß.“ „Das ist kein Zeitvertreib für ein Mädchen, du solltest lieber reiten, singen oder tanzen lernen.“ „Aber Mama, das interessiert mich nicht.“ „Ich bin deine Mutter und du wirst das tun, was ich dir sage, Haruka!“ Damit verstummten die Stimmen wieder und es herrschte Stille im Gang, während die Gruppe sich besorgt ansah. Keiner der vier wagte es, einen Ton von sich zu geben, doch bei allen hatte dieses Gespräch einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Luca strich sich kurz durchs Haar und sah zu Boden, als er die Stimme erhob: „Jetzt weiß ich wieder, woher ich diese Stimme kannte. Das ist Tennos Mutter gewesen, aber warum macht die so einen Aufstand?“ „Naja, Tenno-san hat ja erwähnt, dass die beiden sich gestritten haben und es scheint wohl daher zu kommen, dass Tennos Mutter nicht mit der Werkstatt einverstanden ist. Ich sehe nur nicht den Grund“, murmelte Aiden und sah zu Boden, als Miyuki leise das Wort ergriff: „Eltern sind nicht immer damit einverstanden, was ihre Kinder wollen.“   Die Gruppe stand eine Weile da und sagte kein Wort, denn das Wissen, dass sie hier ohne Zustimmung der Beteiligten erhielten war ihnen allen etwas unangenehm. Aiden schüttelte nur den Kopf und winkte sein Team zum Weitergehen, denn sich über Haruka und ihre Mutter den Kopf zu zerbrechen brachte sie jetzt im Moment nicht weiter. Der Gang zog sich immer weiter und auch wenn sie es versuchten, die Worte gingen ihnen nicht mehr aus dem Kopf. Es war Mirai, die die drei Persona-User aus ihren Gedanken riss und nach vorne deutete: „Schaut mal, da ist eine Tür!“ Alle drei hoben den Kopf und tatsächlich standen sie kurz vor einer großen Tür, die an das Rolltor der Werkstatt erinnerte. Noch einmal sahen die vier Abenteurer sich an, bevor Aiden und Luca sich auf das Tor zubewegten, doch im nächsten Moment durchfuhr Aidens Kopf ein stechender Schmerz. Er schrie auf und sank auf die Knie, wobei er seinen Kopf mit beiden Händen umklammerte.   Vor seinen Augen huschten unzählige verschwommene Bilder vorbei, die er alle nicht zuordnen konnte, doch jedes einzelne von ihnen verursachte ihm höllische Schmerzen. Tränen rannen ihm übers Gesicht, als er spürte, wie ihn jemand an der Schulter rüttelte. Durch die Schmerzen waren sein Blick und alle Sinne getrübt, doch dann drang eine weibliche Stimme in sein Ohr: „Aiden, was ist los? Hörst du mich?“ Erschrocken riss er die Augen auf und sofort waren die Schmerzen in seinem Kopf wie weggeblasen, weshalb er zur Seite sah und sich nun Mirai gegenübersah, die ihn besorgt musterte. Auch Luca und Miyuki standen um ihn herum und beiden stand der Schreck im Gesicht. „Amigo, was ist denn los? Komm, sag was!“, erkundigte sich Luca bei seinem besten Freund und reichte ihm die Hand, um ihm aufzuhelfen, die dieser dankend annahm und wieder auf die Beine kam. Der Braunhaarige strich sich kurz durchs Haar und sah sich um, wobei er sich die Tränen aus dem Gesicht wischte: „J-ja, es ist alles in Ordnung. Ich weiß nicht, wo die Kopfschmerzen plötzlich herkamen, aber jetzt ist alles wieder gut. Sorry, wenn ich euch Sorgen bereitet habe.“ Die anderen drei sahen ihn immer noch besorgt an, doch wandte sich der Betroffene nun der Tür zu und schritt auf sie zu. Er warf seinen Kameraden noch einen Blick zu, bevor Luca an seine Seite trat und mit ihm zusammen die Tür hochstemmte, damit sie den Raum betreten konnten. Kapitel 12: XII - Ohne Schweiß, kein Preis ------------------------------------------ ~~~Dienstag 26. April 2016~~~ ~~~Schattenreich~~~   Vorsichtig betrat die Gruppe den großen Raum und sofort schlug ihnen eine Welle aus heißem Dampf entgegen. Aiden versuchte sich mit der Hand etwas Luft zu zufächeln, doch wirklich helfen tat es nicht. Er sah kurz zu seinen Freunden, die alle mehr oder weniger gut mit der Hitze klarkamen, besonders Luca wankte gefährlich. Mirai stöhnte genervt auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn: „Was geht denn hier ab? Sind wir hier in einer Sauna, oder was?“ Aiden wagte sich weiter in den Raum vor, doch durch den ganzen Dampf konnte er nicht wirklich etwas erkennen. Er drehte den Kopf nach hinten, als er leise Schritte hörte, doch war es nur Luca, den er anhand des erschöpften Stöhnens erkannte: „Pass auf, wo du hintrittst, Luca. geht es bei dir?“ Von dem Spanier kam ein zustimmendes brummen und der Anführer ging weiter in den Raum, als er eine seltsam verzerrt klingende Stimme hörte: „Ooooh, was haben wir denn hier für zwei Zuckerschnütchen. Da wird mir ja ganz heiß!“ Die beiden sahen sich hektisch um und spürte etwas an ihrem Rücken, doch konnten es nur die Mädchen sein, weshalb sie sich doch etwas sicherer fühlten und in den Raum riefen „Wer ist da? Zeig dich!“   Ein leises Lachen schallte aus dem Dampf zu ihnen, als ein heftiger Windstoß diesen wegfegte und den gesamten Blick auf den Raum freigab. Er war groß und quadratisch mit Nieten beschlagenen Wänden, an denen große Wassertropfen hinab liefen. An vielen Stellen waren mit Gitter versehende Löcher im Boden, aus denen der heiße Dampf aufstieg. Zeitgleich entdeckten die beiden Jungs in der Mitte des Raumes eine Person, die sie mit einem für Aiden undefinierbarem Blick anstarrte. Luca stieß seinem Freund leicht in die Seite und flüsterte ihm ins Ohr: „Ich glaube, da haben wir unseren Shadow. Das ist aber nicht Tenno.“ Der Anführer schüttelte nur den Kopf und betrachtete die Person in der Mitte des Raumes, bei der es sich um ein junger Mann mit nach hinten stehenden, hellblonden Haaren und einer Narbe über dem linken Auge handelte. Er trug eine schwarze Schuluniform und darunter einen blauen Pullover mit einem weißen Totenkopf darauf. Am seltsamsten wirkten seine gelb leuchtenden Augen, die die Gruppe förmlich durchbohrten.   Mirai und Miyuki schlossen zu den Jungs auf und betrachteten ebenfalls den Fremden, der nun einen angewiderten Gesichtsausdruck aufsetzte: „Würg, also ihr beiden Püppchen versaut die gesamte Stimmung. Ich sehe hier aber zwei süße Hotties, die mir gut gefallen. Willkommen, in meinem Dampfparadies.“ Dabei zwinkerte er den beiden Braunhaarigen zu, die schlagartig mehrere Schritte zurückwichen. Aiden bekam eine Gänsehaut und Luca zitterte trotz der Hitze am ganzen Leib: „Amigo, der meint doch nicht etwa uns, oder? Äh, Nobiro, du kriegst das doch bestimmt auch ohne uns hin, oder?“ Die Grünhaarige sah überrascht zur Seite und musste feststellen, dass sie dem Fremden alleine gegenüberstand. Empört drehte sich die Schützin zu ihren Kollegen um, die sich, zu ihrem Erstaunen, hinter Mirai versteckten: „Das ist doch nicht euer ernst, oder? Ihr helft mir gefälligst, oder es setzt was!“ Sie betrachtete ihre Freunde, die sich offenbar beratschlagten, was sie tun sollten, bis Aiden eine Antwort auf Lager hatte: „Ich nehm die Prügel von dir.“ „Gleichfalls“, stimmte Luca seinem Freund zu und versteckte sich wieder hinter dem Rücken der Silberhaarigen.   Die Silberhaarige sah vollkommen irritiert zwischen Miyuki und den Jungs hinter sich hin und her, bevor sie genervt die Stimme erhob: „Aiden, Luca, ihr wollt Miyuki doch nicht wirklich alleine lassen, oder? Seid ihr von allen guten Geister verlassen?“ Die beiden Braunhaarigen sahen sich beschämt an, doch wollten sich ihre Beine einfach nicht bewegen. Mit einem enttäuschten Seufzer senkte die Grünhaarige den Blick und hob ihren Bogen: „Tolle Freunde seid ihr... Na, dann muss ich es wohl regeln. Ich hoffe, das klappt.“ Sie fixierte den Shadow mit festem Blick, doch dieser betrachtete die Schützin nur mit einem herablassenden Blick: „Also, pass mal auf Grünling, zu dir komm ich garantiert nicht. Wenn du mich jetzt entschuldigst, da hinten warten zwei stramme, junge Männer auf mich. Juhu, ich komme!“ Er machte demonstrativ einen Schritt in Richtung der männlichen Persona-User, doch würde die Grünhaarige ihn nicht so einfach an ihre Freunde ranlassen. Sie hob den Bogen und wollte einen Pfeil auf ihren Gegner fliegen lassen, doch ein weiteres Mal landete das Geschoss im Boden. Der Shadow sah sie mit einem verachtenden Blick an und machte einen Satz auf sie zu, was die Grünhaarige so überraschte, dass sie einen Schlag in den Bauch bekam. Der Schlag raubte der jungen Frau den Atem und zwang sie in die Knie, doch bekam sie kurz darauf einen Tritt in die Seite, der sie komplett zu Boden riss.   Luca versuchte zu seiner Kollegin zu laufen, doch wollten seine Beine sich einfach nicht bewegen. Mirai knirschte mit den Zähnen und verfluchte sich für ihre eigene Unfähigkeit, als Aiden sich hinter aufrichtete. In seinem Inneren verspürte er immer einen tiefen Ekel gegen seinen Gegner, doch aus irgendeinem Grund verflog dieser. Offensichtlich hatte der Shadow sie noch vor dem Kampf irgendwie manipuliert, doch hatte dieser Effekt jetzt anscheinend nachgelassen. Mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck stürmte der Braunhaarige auf den Shadow zu und zog aus vollem Lauf sein Katana, mit dem er zuschlagen wollte, doch der Shadow bemerkte ihn und packte seine Handgelenke. Die beiden rangen ein wenig miteinander, als der Gelbäugige süffisant zu grinsen begann: „Oh was hast du für kräftige Arme! Da werd ich ja ganz schwach.“ Erneut überkam den Jungen ekel, doch dieses Mal würde er sich nicht abschrecken lassen. Er verlagerte sein Gewicht nach hinten und zog seinen Gegner über sich, nur um ihm mit beiden Füßen einen Tritt in die Magengrube zu verpassen und zu Boden zu werfen.   Mit einem seltsamen Glucksen sah der Shadow zu seinem Gegner, der gerade seiner Teamkollegin auf die Beine half: „Das wirst du noch bereuen, mein Hübscher.“ Der Braunhaarige richtete sein Katana auf seinen Gegner und knirschte wütend mit den Zähnen: „Spar dir das Gespräch, jetzt bist du fällig!“ Luca hatte es mittlerweile ebenfalls geschafft, dem Einfluss seines Gegners zu entkommen und stürmte mit gezogener Waffe in den Kampf. Der Shadow lachte jedoch nur einmal auf und schien auf den ersten Angriff der Gruppe zu warten. Aiden bewegte sich langsam um ihn herum, als Luca zum Angriff überging. Er holte mit der Hellebarde aus und stach zu, doch wich sein Gegner mit einer Drehung aus und verpasste dem Spanier einen heftigen Kinnhaken. Von dem Hieb getroffen, taumelte der Braunhaarige etwas zurück, nur um im nächsten Moment von einem Klappstuhl am Kopf getroffen und zu Boden geworfen zu werden. Ein weiteres Mal hob der Shadow den Stuhl, doch irritierte ein weiterer Fehlschuss seitens Miyuki ihn so lange, dass Aiden angreifen und ihn in die Defensive zwingen konnte.   Immer wieder schlug der Braunhaarige mit dem Katana zu, doch konnte der Shadow seinen Stuhl wie einen Schild benutzen und jeden Angriff abblocken. Die beiden Kontrahenten lieferten sich einen kurzen Schlagabtausch, bevor der Persona-User sich zurückzog, um erst mal die Lage zu analysieren. Ihr Gegner war ihnen von der Kraft her eindeutig überlegen und seine ständiges Anmache in Richtung der beiden männlichen Schüler machten es ihnen nicht gerade leichter, sich zu konzentrieren. Er sah zu seinen Teamkollegen und die beiden schienen trotz der Heiltränke, die sie gefunden hatten, so langsam am Ende ihrer Kräfte zu sein. Sie mussten diesen Kampf schnell beenden, denn wenn das noch lange so laufen würde, wäre das mit Sicherheit ihr Tod: „Kommt schon Leute, wir lassen uns hier nicht so einfach besiegen. Luca, wir greifen an! Nobiro, versuch ihn irgendwie zu treffen, oder zumindest abzulenken.“   Nach seiner Anweisung versuchte der Oberschüler erneut, seinen Gegner zu umkreisen, während er aus dem Augenwinkel beobachtete, wie sein bester Freund zum Angriff überging. Dieses Mal jedoch beschwor er Alphard, der beide Arme hob und die Schlangen daraus hervorkommen ließ, um seinen Gegner mit einigen Eissplitter zu bombardieren. Der Shadow lachte hämisch auf und ließ über seiner Hand eine rot schimmernde Karte erscheinen, die er mit der Faust zerschlug und damit ein riesiges, schwarzes Wesen heraufbeschwor. Die Persona war muskulös, hatte ein Skelettmuster auf dem Körper und hielt einen großen, gelben Blitz in der rechten Hand. Mit einem lauten Schrei riss das Überwesen den Arm hoch und ließ einen Blitzregen auf die Gruppe niedergehen, der Luca zurückdrängte und Aiden mit einem Schmerzensschrei in die Knie gehen ließ.   Miyuki und Mirai standen vollkommen erstarrt da und konnten nicht fassen, was eben geschehen war, als die Grünhaarige leise wimmerte: „Das darf doch nicht wahr sein... Wieso kann ein Shadow eine Persona beschwören?“ Der Silberhaarigen wollte darauf nichts einfallen und erneut verfluchte sie sich dafür, dass sie nicht helfen und nur zuschauen konnte. Luca hatte auf die Frage seiner Partnerin leider keine Antwort, aber eines stand fest: Dieser Shadow war nicht normal. Aiden lag noch immer am Boden und versuchte das unkontrollierte zucken in seinem rechten Arm zu unterdrücken, als sich die gegnerische Persona über ihm aufbaute und mit der Faust ausholte. Der Oberschüler konnte nur noch die Augen zusammenkneifen und betete um ein schnelles Ende, während er die Schreie von Mirai und Luca in den Ohren hatte. Das nächste, was er spürte, war jedoch kein Hieb oder ähnliches, sondern ein Schwall heißer Luft, als der schwarze Hüne von einem Feuerball getroffen und zur Seite geworfen wurde.   Alle Blicke fuhren zur Seite, wo Miyuki panisch die Augen zusammen gekniffen hatte und sich dennoch die Pistole an die Stirn drückte, während über ihr die Fuchsfrau in der braunen Kleidung schwebte. Der Shadow schlenderte zu seiner Persona und sah die Gruppe mit einem abwertenden Blick an: „Ist das alles was ihr könnt? Ich bin enttäuscht, meine süßen Schnuckelchen.“ Die Gruppe sah zu ihrem Gegner und alle drei rangen schwer nach Atem, denn sie konnten einfach nicht mehr kämpfen, als Mirai die Stimme erhob: „Mina, ihr dürft nicht aufgeben! Ich weiß, dass ihr es schaffen könnt!“ Die Persona-User sahen ihre Begleiterin erstaunt an, doch der Shadow lachte wieder auf: „Warum schlüpfst du nicht noch in ein Cheerleader-Kostüm und wedelst mit bunten Puscheln? Das würde mehr helfen.“ Mit diesen Worten hob die Persona des Shadows wieder den Blitz und schleuderte ihn auf die Silberhaarige, doch bevor er sie erreichen konnte, tauchten die Persona der drei Schüler auf und beschützten die Silberhaarige.   Die drei Kämpfer wandten sich an ihren Gegner und feuerte ihre Persona an, die sich auf ihren Gegner stürzten und den schwarzen Muskelberg mit Wind, Eis und Feuer eindeckten. Aiden spürte immer mehr, wie die Schläge, die Rigel einstecken musste, an seiner Ausdauer zehrten, als Mirai sich wieder einmischte: „Konzentriert euch nicht auf die Persona, besiegt den User!“ Die beiden Braunhaarigen nickten sich kurz zu und stürmten noch einmal nach vorne und schlugen mit ihren Waffen zu, doch gelang es ihrem Gegner erneut, die Attacken abzuwehren, indem er die Hellebarde mit dem Stuhl abfing und den Schwertkämpfer am Handgelenk packte. Er grinste siegessicher, als ein Pfeil ihn mitten in die Brust traf und zum Röcheln brachte. Genau in dem Moment, in dem der Pfeil in die Brust eingeschlagen war, löste sich die Persona auf und der Shadow keuchte heiser: „Wie konnte das denn passieren?“ Dann löste sich der Feind in einem schwarz-roten Nebel auf und damit verschwand auch der restliche Dampf, der im Raum hing. Die Schüler sackten in sich zusammen und grinsten sich an, während sie versuchten, zu Atem zu kommen.   Es vergingen zwei Minuten, bis die Silberhaarige sich vorsichtig an ihre Freunde wandte: „Es tut mir leid. Ich bin euch einfach nur eine Last und ihr müsst mich immer beschützen.“ „Keine Zeit darüber nach zu denken, gehen wir weiter!“, erwiderte Aiden und erhob sich, um weiter zu gehen, als Luca ihn am Arm packte und zurück hielt: „Das ist nicht dein ernst, oder? Amigo, wir können nicht mehr! Wir sollten für heute Schluss machen.“ Der Anführer fuhr herum und blaffte seinen besten Freund wütend an: „Geht‘s noch? Wenn wir aufhören, könnte es für Tenno schon zu spät sein. Ist dir ihr Leben vollkommen egal?“ Langsam ließ der Spanier seinen Freund los und sprach ruhig auf ihn ein: „Nein, sie ist mir nicht egal und Nobiro bestimmt auch nicht, aber wir sind alle am Ende und wenn wir weiter gehen, werden wir sterben. Sei bitte vernünftig, Mann! Der Kampf jetzt war für uns schon fast zu viel.“ Aiden wollte gerade wieder Paroli bieten, als Mirai seine Hand ergriff: „Aiden, hör auf Luca und lass es gut sein. Es hilft keinem, wenn ihr blind in euren Untergang rennt. Denk mal an die Gesundheit der anderen und vor allem an deine eigene!“ Für einen Moment sah der Oberschüler zu seinen Freunden und realisierte erst jetzt, in was für einem furchtbaren Zustand beide waren: „Was rede ich hier eigentlich? Es tut mir leid, Leute, ich war nicht ganz bei mir. Ich hasse es, aber ihr habt recht...lasst uns zurückgehen.“   Mirai holte die Jungs zu sich und schloss die Augen, als die ganze Gruppe von einem grünen Licht umhüllt wurde. Es war so grell, dass sie alle die Augen zusammenkneifen mussten und als Aiden dann wieder seine Augen öffnen konnte, standen sie vor der Werkstatt. Luca sah sich völlig irritiert um und bekam den Mund nicht mehr zu: „Was war das denn gerade?“ Miyuki neigte den Kopf zur Seite und ließ ihren Blick zu der Silberhaarigen wandern: „Vielleicht eine Teleportation? Bist du das gewesen, Miri-chan?“ Die junge Frau warf sich nur ihre silberne Haarmähne zurück und grinste zufrieden, während Aiden etwas geistig abwesend auf den Boden starrte und nur am Rande mitbekam, wie Luca ihn auf die Füße zog: „Lasst uns zurückgehen und hoffentlich lassen uns die Shadows in Ruhe.“ Die Gruppe machte sich auf den Weg zum Naganaki Schrein, wobei sie erneut die Roller zur Fortbewegung nutzten. Keiner der Schüler ahnte, wie sehr diese Aktion eben ihren Anführer mental mitgenommen hatte.   ~~~Mittwoch 27. April 2016~~~ Müde und ausgelaugt gingen Aiden und Miyuki auf ihre High School zu, wobei keiner von beiden auch nur ein Wort über den vorherigen Abend verlor. Seit seinem seltsamen Verhalten gestern Abend, hatte der Braunhaarige kein Wort mehr mit seinen Freunden gewechselt und das sah man ihm an. Er schämte sich für das, was er gesagt hatte und konnte immer noch nicht fassen, dass er bereit war, die Gesundheit seiner Freunde aufs Spiel zu setzen. Was ihn aber am meisten beunruhigte, waren die verschwommenen Bilder die er gesehen hatte. Er dachte den ganzen Tag darüber nach, solange, dass er nicht bemerkte, wie seine Lehrerin wütend vor ihm stand und schon zum vierten Mal seinen Namen rief. Leider hing er weiter seinen beunruhigenden Gedanken nach und sah dabei aus dem Fenster.   Als Mrs. Toriumi allerdings ihr Lehrbuch auf seinen Tisch knallen ließ, fuhr Aiden erschrocken hoch und sah sich hektisch in der Klasse um. Als sein Blick zu seiner Lehrerin hinaufging musste er einmal schwer schlucken, denn jetzt saß er definitiv in der Klemme. Seine Klassenlehrerin verzog verstimmt das Gesicht und sprach mit einer äußerst distanzierten Stimme: „Kurosaki-Kun, ist mein Unterricht so langweilig, dass du die ganze Zeit aus dem Fenster starrst?“ „Ich... Sie... nein, so ist das nicht...“, versuchte der Schüler sich irgendwie aus der Affäre zu ziehen, doch seine Lehrerin beendete das Gespräch mit einem letzten Kommentar: „Sie kommen nach der Stunde nochmal zu mir. Jetzt schlagen sie ihr Buch auf und lesen sie den ersten Abschnitt laut vor.“ Aiden sah kurz zur Seite, wo Miyuki ihm zeigte, auf welcher Seite sie waren. Den Rest der Stunde versuchte er so gut es ging aufzupassen, denn offensichtlich war er jetzt ins Visier seiner Klassenlehrerin geraten. Als die Schulglocke endlich den Unterricht beendete, machten sich die meisten Schüler auf und davon. Die Grünhaarige warf ihrem Mitbewohner beim Hinausgehen noch einen besorgten Blick zu und verließ dann ebenfalls das Klassenzimmer, denn hier konnte sie ihm nicht beistehen. Aiden selbst schulterte seine Tasche und ging zu seiner Lehrerin, die ihn leicht besorgt ansah: „Was ist denn heute mit dir los, Kurosaki-Kun? Das bin von dir gar nicht gewohnt.“   Aiden suchte nach den richtigen Worten uns rieb sich nervös den Nacken: „Ich hab einiges um die Ohren in letzter Zeit... es tut mir leid, es wird nicht wieder vorkommen. Versprochen.“ Mrs. Toriumi seufzte einmal auf und fuhr sich durch die Haare, bevor sie ihrem Schüler einen verständnisvollen Blick schenkte: „Ich kann eure Situation verstehen, es ist nicht leicht Schüler zu sein und dann noch an einer neuen Schule, aber das kann ich dir leider nicht durchgehen lassen. Du wirst heute eine Strafarbeit verrichten und dann ist gut.“ Der Braunhaarige riss erschrocken die Augen auf und gestikulierte wild mit den Händen: „Ja aber... ich habe doch jetzt eigentlich Kendotraining.“ Seine Lehrerin schien das herzlich wenig zu interessieren, denn sie winkte nur mit der Hand ab: „Ich werde Munemasa-kun Bescheid sagen, dass du nicht kommst. Du gehst jetzt in den Raum der Schülervertretung und hilfst bei der Ablage alter Unterlagen.“ Der Oberschüler seufzte enttäuscht auf, konnte aber nichts gegen die Strafe unternehmen, weshalb er sich auf den Weg machte.   Vor dem Raum der Schülervertretung stoppte er kurz und wusste ehrlich gesagt nicht, was ihn da drin erwarten würde, doch es half alles nichts und er musste da durch. Er klopfte an die Tür und zog sie dann auf, wobei er eigentlich erwartete, viele Schüler zu sehen, doch zu seiner Überraschung war nur eine einzige Person anwesend. Der Schüler im Raum hatte rot-braunes Haar, dass ihm hinten vom Kopf weg stand. Irgendwie wurde Aiden das Gefühl nicht los, den Jungen schien einmal gesehen zu haben, doch dann erhob er die Stimme: „Ähm, Entschuldigung? Ich soll mich hier wegen meiner Strafarbeit melden.“ Der Angesprochene hob den Kopf und musterte den Neuankömmling, bevor er genervt seine Dokumente beiseitelegte: „Spricht sehr für den Neuling, wenn man sich bereits innerhalb eines Monats Strafarbeit einhandelt.“ Aiden knirschte wütend mit den Zähnen, doch hielt er seinen Kommentar zurück und sah zur Seite: „Was soll ich machen?“ Der Rot-braunhaarige hob eine Augenbraue und deutete dann auf einen Schrank in der Ecke: „Da drin sind Akten über alte Schulclubs, deren Register ausgetauscht werden müssten. Fang an und mach so viel, wie du kannst, wenn du das hinkriegst.“   Der herablassende Unterton, der in der Stimme des Schülers mitschwang, gefiel Aiden überhaupt nicht, doch er schluckte es einfach hinunter und machte sich an die Arbeit. Bereits nach fünf Minuten stellte der Braunhaarige fest, dass er hier eine extrem dämliche Beschäftigungstherapie bekommen hatte. Er musste geknickte oder zerrissene Registerkarten neu beschriften und einsortieren und das war eine extrem eintönige Arbeit. Immer wieder hob er den Blick und musterte den Rot-braunhaarigen, der auf die Uhr und dann zur Tür sah: „Wo steckt sie denn heute? Reichlich spät.“ Bevor der Braunhaarige sich darüber Gedanken machen konnte, wer gemeint sein könnte, ging die Tür zum Raum auf und Miyuki trat ein.   Die Grünhaarige hob winkend die Hand und sah den Rot-braunhaarigen an: „Hey, Katzu! Deine Mutter ist unten und sagt, dass ihr noch einen Termin habt.“ „Ernsthaft? Ich hab ihr doch gesagt, dass... Ach, vergiss es! Sieht aus, als hättest du noch einmal Glück gehabt“, murrte Katzumi und warf Aiden einen verstimmten Blick zu, bevor er sich erhob. Der Braunhaarige räumte schnell die Ordner weg, als er noch einen bissigen Kommentar bekam: „Die Arbeit wirst du nachholen.“ „Was? Das ist nicht fair!“, erwiderte der Braunhaarige und bekam Hilfe von Miyuki, die unschuldig pfiff: „Er kann doch nichts dafür, dass du weg musst. Sei nicht so, Katz... Samejima-kun.“ Dem Oberschüler sah man an, dass ihm das gewaltig gegen den Strich ging, doch dann schüttelte er nur den Kopf und scheuchte seine Mitschüler aus dem Raum, um die Tür abzuschließen. Während Katzumi den Gang hinunterlief, sah Aiden Miyuki danken an: „Danke für die Hilfe, Nobiro. Das war echt nett von dir.“ „Ach, keine Ursache. Dafür könntest du mir einen Gefallen tun. Komm bitte mit“, erwiderte die junge Frau und lief los, was ihren Kollegen etwas verwirrte.   Die beiden liefen zum Sportkomplex, wo Miyuki vor einem der Türen anhielt und leicht zögerte: „Weißt du... ich habe nachgedacht und vielleicht sollte ich diesem Club beitreten. Also, um euch besser helfen zu können.“ Aiden hob den Blick und sah auf die Aufschrift des hier ansässigen Clubs: „Kyudo? Oh, wegen dem Bogen? Könnte klappen, aber warum brauchst du dann mich?“ „Na ja, mich übersehen doch alle andauernd und du musst auf mich aufmerksam machen“, gab die Grünhaarige zurück, was den Braunhaarigen glucksen ließ: „Soll ich ein Schild mit der Aufschrift ‚Achtung, hier kommt Nobiro‘ hochhalten?“ „Haha, sehr lustig. Nein, du sollst nur nach dem Teamkapitän suchen und ihn ansprechen“, gab die junge Frau sarkastisch zurück und betrat mit ihrem Mitbewohner die Sporthalle. In der Halle standen mehrere Schüler, wobei einige sich am Rand unterhielten und andere auf die entfernt aufgestellten Scheiben schossen.   Die beiden Schüler sahen sich um, bis Aiden sich an zwei Schülerinnen wandte: „Entschuldigung, wir suchen den Kapitän dieses Clubs. Wo finden wir ihn?“ „Wir? Ähm, unser Kapitän ist Katō-senpai, die steht da hinten“, erklärte eine der Schülerinnen und deutete auf eine junge Frau mit dunkelbraunen, zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haaren, die gerade einen der Bögen kontrollierte und probehalber spann. Aiden und Miyuki sahen sich an und traten an die Brünette heran, wobei beide sich höflich verneigten und der Braunhaarige das Wort ergriff: „Entschuldigung, Katō-senpai?“ Die Brünette wandte sich den beiden zu und sah etwas genervt aus, während ihre Augen über ihre Gäste huschten. Ihre Augen waren dunkelbraun und hatten einen leichten Grünstich und unter ihrem rechten Auge hatte sie zwei kleine Leberflecken. Mit vor der Brust verschränkten Armen sah die junge Frau die Zweitklässler an, von denen sich die Grünhaarige vorwagte: „I-ich heiße Nobiro Miyuki und... ich möchte gerne dem Kyudo-Club beitreten.“   Die Kapitänin wirkte völlig desinteressiert und musterte die Grünhaarige noch einen Moment, ehe sie seufzte und zu den Zielen schaute: „Mhm... schon mal mit einem Bogen geschossen?“ „Ein oder zweimal“, murmelte die Zweitklässlerin, als ihr von der Kapitänin ein Bogen in die Hand gedrückt wurde: „Dann solltest du die Grundlagen ja kennen, oder?“ Etwas überfordert sah Miyuki auf den Bogen und dann zu der Zielscheibe, die ihr am nächsten Stand. Sie hob das Sportgerät und wollte schon nach der Sehne greifen, als Katō sie zurückhielt und ihr einen Armschutz und einen Handschuh hinhielt: „Ich würde auch so anfangen, wenn ich mir Arm und kaputt machen wollte.“ Aiden verzog bei dem Tonfall der Brünetten das Gesicht, denn sie wirkte nicht so, als wäre sie gut im motivieren, ganz zu schweigen davon, dass sie sich wohl nicht viel um neue Anwärter scherte. Die Grünhaarige hingegen legte die Ausrüstung an und hakte einen Pfeil in die Sehne, den sie allerdings nur einen Meter nach vorne geschossen bekam. Auf den misslungenen Schuss brachen einige der Clubmitglieder in schallendes Gelächter aus, was die Grünhaarige rot anlaufen und die Brünette seufzen ließ: „Kompletter Anfänger... wie alle hier.“   Aiden fand diesen Kommentar ziemlich mies und eigentlich sollte sie als Kapitänin ihre künftigen Mitglieder ermutigen und nicht fertig machen, aber sie schien ihn gar nicht zu beachten. Einige der anderen Clubmitglieder sahen Miyuki für den Schuss mitleidig an, andere lachten sie aus, was die Grünhaarige sichtlich fertig machte. „Komm schon, Nobiro, lass dir das nicht gefallen! Ich weiß, dass du das kannst!“, feuerte Aiden seine Mitbewohnerin an, die kurz zu ihm und dann zu den Sportlern sah. Plötzlich machte ihr Gesicht eine 180 Gradwende und sie griff sich einen zweiten Pfeil, den sie in die Sehne einhakte und dabei die Position ihres Körpers änderte. Kurz zielte die Schützin und versengte den Pfeil im nächsten Moment genau in der Mitte der Zielscheibe, was das Gelächter schlagartig verstummen ließ. Katō hob sichtlich überrascht eine Augenbraue, bevor sie ein Klemmbrett zur Hand nahm und es Miyuki reichte: „Du hast ja doch ein bisschen was drauf, oder du hast immenses Anfängerglück. Trag dich hier ein und dazu deine Kleidergröße. Deine Ausrüstung müsste dann nächste Woche da sein, das Training findet Montags, Mittwochs und Freitags statt, also sieh zu, dass du da bist, sonst fliegst du.“ Damit wandte sich die Brünette ab und schritt davon, was Aiden murren ließ: „Man, ist die reizend.“   Sichtlich mit sich zufrieden machten sich Miyuki und Aiden auf den Rückweg, als der Braunhaarige etwas zur Sprache brachte: „Sag mal, Nobiro, warum hast du gelogen?“ „Hä? Ich hab doch gar nichts gemacht“, erwiderte die Schülerin verwirrt, was ihrem Mitbewohner ein leises Schnauben entlockte: „Ich kenne mich mit Bogenschießen nicht wirklich aus, aber... Der Schuss gegen den Shadow gestern und jetzt vorhin, das war kein Anfängerglück, das kauf ich dir nicht ab. Du kannst sehr wohl mit einem Bogen umgehen, oder?“ Ertappt sah die Grünhaarige zu Boden und spielte nervös mit ihren Fingern, bevor sie leise murmelte: „Hasst du mich jetzt?“ „Nein, ich will nur wissen, warum du es verheimlicht hast“, erwiderte der Kendoka und sah die Bogenschützin dabei neugierig an. Miyuki seufzte traurig und senkte den Blick: „Ich habe in meiner Kindheit schon mal Unterricht im Bogenschießen gehabt. Anfangs hat es mir wirklich gefallen, aber nach einer Weile war der Spaß weg. Die Erwartungen an mich wurden immer höher und ich konnte sie nicht erfüllen, deshalb habe ich Kyudo hingeschmissen.“ Der Braunhaarige hörte aufmerksam zu und nickte immer wieder, bis er das Wort ergriff: „Als du den Bogen gefunden hast, sind diese ganzen Erinnerungen an die schlechte Zeit hoch gekommen, oder? Wenn es dir so schlecht damit ging, warum hast du nicht darauf bestanden was anderes zu nehmen? Wenn du uns gesagt hättest was das Problem ist, hätten wir bestimmt nicht nein gesagt. Und warum hast du gegen diesen Shadow am Ende so gut geschossen?“ Mit verschränkten Fingern starrte die Grünhaarige zu Boden und suchte nach den richtigen Worten: „Ich... ich habe doch eine Waffe gebraucht, mit der ich umgehen kann und... wenn ich nichts gemacht hätte, wärt ihr beide bestimmt verletzt worden und das wollte ich nicht.“   Sie hob den Blick, doch wagte sie es nicht, Aiden direkt anzusehen: „Es tut mir leid, dass ich euch angelogen habe. Bitte, hasse mich nicht.“ „Warum sollte ich dich hassen? Okay, du hast Luca und mir ein bisschen mehr Arbeit gemacht, aber wir haben dich ja auch ungewollt alleine im Kampf gelassen. Am Ende warst du aber für uns da. Ich sollte mich eher dafür entschuldigen, dass ich so ein Thema angesprochen habe“, erwiderte der Braunhaarige und sah zu Boden, was seine Mitbewohnerin erstaunte: „Ich... hab das bisher noch keinem erzählt und hatte deshalb Angst. Danke, dass du mich verstehst. Irgendwie habe ich das Gefühl, ich könnte mit dir über alles reden.“ „Findest du? Na, solange du dich besser fühlst, war es das wert. Gehen wir nach Hause, Nobiro“, grinste der Braunhaarige und ging an der jungen Frau vorbei, die den Kopf umwandte und ihm nachsah: „Du kannst mich Miyuki nennen. Also, wenn du magst, versteht sich.“ Für einen Moment sah Aiden seine Kollegin an, bevor er zu lächeln begann und die Hände in die Hosentasche steckte: „Gleichfalls. Dann lass uns gehen, Miyuki.“ „Okay. Holen wir uns auf dem Rückweg was vom Wild Duck Burger? Ich lad dich ein, Aiden-kun!“, rief die Grünhaarige euphorisch und lief voraus, was den Schüler zum Lachen brachte. Während er seiner Mitbewohnerin folgte, machte sich in seiner Brust ein warmes Gefühl breit, was ihm ein noch breiteres grinsen ins Gesicht zauberte. Kapitel 13: XIII - Vernichtend geschlagen ----------------------------------------- ~~~Donnerstag 28. April 2016~~~ Der Unterricht war seit einigen Minuten vorbei, als Aiden in Sportkleidung auf dem Fußballfeld der Gekkoukan High School stand und sich warm machte. Es hatte gerade geklingelt, als Luca in sein Klassenzimmer gestürmt war und ihn mit sich gezogen hatte. Eine Erklärung hatte Aiden vergeblich verlangt, bis sein Freund ihm erzählt hatte, dass am Samstag ein Freundschaftsspiel gegen eine andere Schule angesetzt wurde und er sich vorbereiten wolle. So ganz war dem Blauäugigen nicht klar, warum der Spanier ihn gefragt hatte, denn schließlich war es Jahre her, dass er einen Fußball gekickt hatte. Davon hatte der Grünäugige nichts hören wollen und hatte ihn daraufhin einfach auf den Fußballplatz gezerrt, wo sie jetzt zusammen Aufwärmübungen machten. Nachdem beide sich sorgfältig gedehnt hatten, griffen sie sich jeweils einen Fußball und stellten sich nebeneinander.   Das Training eröffneten sie mit ein paar leichten Dribbelübungen, bei der sie mehrere Runden um das Fußballfeld liefen. Aiden hatte nichts gegen ein bisschen körperliche Betätigung, dennoch war ihm schleierhaft, warum Luca ihn um Hilfe gebeten hatte. Sie hatten früher zusammen in einem Verein gespielt, aber das war schon Jahre her und seither hatte Aiden auch keinen Fußball mehr angerührt. Diese Zeit sah man ihm auch an, denn der Ball tat alles, aber nicht das, was der Braunhaarige wollte und das brachte ihm einige komische Blicke seines Freundes ein. Das Laufen war nicht das Problem, denn er war regelmäßig mit Kari joggen gegangen, zwar nur kleine Runden, aber immerhin, das Ballgefühl war allerdings komplett weg. Nach einer Weile schaffte er es zu laufen, ohne den Ball ins Nirwana zu befördern, weshalb sie zum nächsten Schritt übergingen. So viel Zeit hatte der Braunhaarige gar nicht fürs Training nutzen wollen, aber sein Freund wollte immer und immer weiter machen, was fast schon an Besessenheit grenzte.   Nach zwei Stunden saßen die beiden mit Handtüchern um den Hals und Wasserflaschen in der Hand auf einer Bank und versuchten wieder zu Atem zu kommen. Aiden trank aus seiner Flasche und wandte sich an seinen Partner: „Erzählst du mir mal, warum du so versessen darauf warst, mit mir zu trainieren?“ Kurz sah der Spanier zur Seite und kratzte sich am Hinterkopf, bevor er leise murmelte: „Weil ich nach jeder Möglichkeit suche, um besser zu werden. Ich bin immer noch gefrustet, weil wir unser letztes Turnier verkackt haben.“ „Inwiefern das denn?“, wollte der Blauäugige wissen und hob eine Augenbraue, denn nachdem, was er gesehen hatte, war Luca alles andere als schlecht und das erklärte er auch: „Das war ein Turnier in Inaba Ende Oktober letzten Jahres, war voll stolz, dass ich trotz der Tatsache, dass ich ein Erstklässler bin, mitmachen durfte. Wir hatten einen echten Mangel an Verteidigern, weißt du? Ich bin jetzt kein schlechter Verteidiger und wir sind ohne Probleme ins Finale gekommen, aber... man, gegen das Sturmduo der Jûgoya High hab‘ ich echt kein Land gesehen.“ „Jûgoya? Die liegt glaube ich in Kagaminomachi, oder? Wieso hast du kein Land gesehen?“, hakte Aiden nach und sah seinen Freund an, der den Kopf auf die Knie legte: „Diese beiden Typen, Makoto und Nagase, die waren einfach nur ekelhaft. Im Eins gegen Eins habe ich beiden die Show gestohlen, aber dann haben die beiden mit Zwei gegen Einen angefangen…So ein schnelles und präzises Passspiel und dann auch noch solch eine Schusskraft. Ich kam mir vor wie ein Anfänger...“ „Es gibt immer jemanden, der besser ist als du und mit Zwei Spielern Einen auszuspielen ist auch nicht verboten“, kommentierte der Oberschüler, was Luca ein leises Murren entlockte: „Du hast dich verändert.“   Erstaunt sah Aiden zu seinem Freund, denn mit dieser Aussage hatte Luca ihn hart getroffen: „W-wie meinst du das?“ „Früher warst du ganz anders. Du warst aufgeweckt, liebenswert und bist immer auf andere zugegangen, aber jetzt... Man merkt es zwar nicht so einfach, aber du bist kalt geworden“, erklärte der Spanier und sah seinem Sitznachbarn direkt ins Gesicht, was diesen zusammenzucken ließ. Leider war der Fußballer noch nicht fertig und setzte nach: „Bei Nobiro zeigst du es nicht so, was wohl daran liegt, dass ihr Mitbewohner seid, aber bei allen anderen bist du so... Abwehrend und kalt. Als würdest du jeden von dir fernhalten wollen.“ Neugierig wartete Luca auf eine Reaktion seines Freundes, die er in Form von verkrampfenden Händen bekam, mit denen Aiden sich in die Oberschenkel krallte. Wenn Luca nur wüsste, wie recht er mit seiner Aussage hatte. Es war nicht so, dass Aiden keinen Kontakt zu anderen Leuten haben wollen würde, er hatte einfach die Nase voll davon verletzt zu werden. Bevor er zu einer Antwort ansetzen konnte, redete Luca weiter: „Weißt du, ich habe dieses Training auch vorgeschlagen, weil ich gehofft hatte, dass wir wieder etwas Zeit miteinander verbringen. Seit du hier bist, bleibst du selbst zu mir auf Distanz. Ich dachte wir wären Freunde.“ Auf die Aussage gab er keine Antwort, denn er wusste ganz genau, dass sein Freund ins Schwarze getroffen hatte, doch der Spanier grinste wieder und schlug ihm sanft gegen die Schulter: „Hey, auch wenn du jetzt momentan ein Eisklotz bist, geb ich nicht auf. Ich kitzel den alten Aiden aus dir heraus. Warte es nur ab!“   Erstaunt sah der Braunhaarige auf und spürte ein warmes Gefühl in seiner Brust, als Luca auf sein klingelndes Handy schaute und mit einem erschrockenen Laut aufsprang: „Oh scheiße! Das habe ich ja total vergessen! Sorry, Amigo, ich muss los, aber wir müssen das auf jeden Fall wiederholen, ja? Wir sehen uns morgen!“ Damit griff er sich seine Sporttasche und hechtete davon, wodurch Aiden alleine zurück blieb und auf seine Füße starrte. Er schloss die Augen und dachte über die Worte seines Freundes nach, die bei ihm genau ins Schwarze getroffen hatten. Es stimmte, dass er sich von seinen Mitmenschen fern hielt, aber das tat er nur, weil er immer und immer wieder verletzt worden war und das wollte er einfach nicht. Ganz zu schweigen davon, dass er sich immer um seine Schwester kümmern musste, da konnte er sich so einen zusätzlichen Stress nicht leisten. Was hatte er also für eine Wahl gehabt? Aber war das wirklich die richtige Entscheidung gewesen? Mit einem Kopfschütteln erhob er sich und schulterte seine Tasche, bevor er sich auf den Rückweg machte. Während er den Weg zum Bahnhof ging, nahm er seine Umgebung nicht so wirklich wahr, bis ihn jemand an der Schulter packte und als er aufsah, stand er nur Millimeter von einem Stahlpfeiler entfernt. Erschrocken riss er die Augen auf, als eine weibliche, leicht gereizte Stimme in sein Ohr drang: „Pass auf, wo du hinrennst, oder willst du dir die Nase brechen?“   Erschrocken fuhr Aiden herum und sah in ein leuchtend rotes Auge, welches ihn irritiert musterte: „Oh... Hallo, Mirai.“ „Was ist denn los, Aiden? Du schaust aus, als wäre dir ne Laus über die Leben gelaufen. Ich habe keine Lust dir zuzuschauen, wie du dir das Hirn einrennst!“, murrte die Silberhaarige und sah ihren Freund mit einer hochgezogenen Augenbraue an, der sich nur am Hinterkopf kratzte. Das Gespräch mit Luca hatte ihn völlig aus der Bahn geworfen und dabei hatte er seine Umgebung komplett aus den Augen gelassen. Wenn Mirai ihn nicht gestoppt hätte, hätte er sich wohl wirklich an dem Stahlpfeiler den Kopf gestoßen, wenn er nicht sogar später vor den Zug gerannt wäre. Er stieß einen langen Seufzer aus und kratzte sich erneut am Hinterkopf, bevor er sich an die Silberhaarige wandte: „Danke, Mirai... Ich bin nicht ganz bei mir.“ „Das habe ich ja gar nicht gemerkt!“, merkte die Silberhaarige extrem sarkastisch an und ging neben dem Braunhaarigen zum Bahnsteig, wo sie ihn aus dem Augenwinkel musterte: „Also, was ist los?“   Kurz fuhr sich der Angesprochene durch die Haare, eher er aufseufzte und eine Antwort gab: „Ich hatte ein Gespräch mit Luca darüber, wie sehr ich mich verändert habe und... dass ich wohl kaltherzig geworden bin.“ „Und? Bist du es?“, kam es von der jungen Frau, woraufhin ihr Gesprächspartner nur mit den Achseln zuckte: „Ich weiß es nicht... aber irgendwas sagt mir, dass Luca recht hat.“ „Na und? Leute ändern sich eben mit der Zeit und das muss man hinnehmen. Wenigstens wisst ihr beide, wie ihr früher wart und wie ihr euch verändert habt. Im Gegensatz zu mir“, warf die Silberhaarige beiläufig ein und strich sich durch den Pony, doch ließ dieser Kommentar Aidens Laune in den Keller sinken: „Es tut mir leid... Ich wollte nicht, dass du dich meinetwegen schlecht fühlst. Du hast es am schwersten von uns allen.“ „Genau, also hör auf so rum zu jammern und stell dich mal hin wie ein Mann!“, fauchte Mirai und stieß dem Braunhaarigen unsanft in den Rücken, wodurch er sich richtig hinstellte: „Okay, ist ja gut. Danke, Mirai.“ „Kein Problem, dafür kaufst du mir gleich mein Mittagessen, ich habe heute nämlich noch nicht viel in den Magen bekommen“, sprach die junge Frau ein Machtwort und winkte ihren Begleiter gebieterisch hinter sich her, der nur lachen konnte und ihr grinsend folgte.   ~~~Freitag 29. April 2016 - Showa Tag~~~ Die Sonne stand hoch am Himmel, als sich die Gruppe um Aiden herum am Naganaki Schrein traf und sie beratschlagten sich, wie es jetzt weitergehen sollte. Der Anführer hielt zwei gefüllte Taschen in den Händen, deren Inhalt er gerade eben mit Mirai und Miyuki noch besorgt hatte und hoffentlich würde ihnen das Zeug auf der anderen Seite etwas nützen. Für jedes Teammitglied hatten sie eine kleine Umhängetasche gekauft, die man entweder um die Hüfte oder an der Schulter tragen konnte, denn irgendwo mussten sie ja ihre Medizin unterbringen. Neben ein paar Snacks und Getränken hatte Miyuki auf einen kleinen Erste-Hilfe-Kasten für alle bestanden, allerdings bezweifelte Luca, dass Bandagen einem bei Frostbeulen oder Elektroschocks helfen würden. Um nicht in einen Streit verwickelt zu werden, packte der Spanier dennoch brav alles ein, was seine Kolleginnen ihm reichten. Aiden sortierte seine Sachen und klemmte sich eine kleine Metallbox an den Gürtel, in die er die Tarotkarten packte, die Amalia und Igor ihm irgendwie aufs Auge gedrückt hatten. Zwar war er darüber immer noch verwirrt, aber für irgendwas mussten die Dinger ja gut sein, weshalb er sie einfach sicher verstaute und sich an seinem Team zuwandte.   Luca hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und sah auf den Baum, der sie ins Reich der Shadows bringen würde, doch etwas schien ihn zu stören: „Warum sind wir nicht gestern gegangen, dann hätten wir außerdem heute den Tag zum erholen nutzen können. Außerdem dachte ich, dass man nur nachts dadurch kann.“ „Wie kommst du denn auf diese Schnapsidee, Luca?“, wunderte sich Mirai und hob skeptisch eine Augenbraue, bevor sie erklärte, dass die Zeit bei dem Portal keine Rolle spielte, schließlich war sie auch mitten am Tag heraus gekommen. Mit der Erläuterung gab sich Luca zufrieden und sah sich noch einmal um, damit er sicher gehen konnte, nicht beobachtet zu werden. Als die Gruppe sich sicher war, dass niemand sie ausspionierte, nahmen sie ihre Sachen und sprangen nacheinander durch das Portal.   ~~~Schattenreich~~~   Nacheinander kamen die Teenager aus dem Baum gesprungen und als erste Amtshandlung wurde die Umgebung gesichert, nicht dass sie wieder von einem dieser Reiter überrascht würden. Nach einigen Minuten waren sie sich sicher, dass die Luft rein war, weshalb sie die Tür zum Schrein öffneten und daraus ihre Waffen und die Pistolen zogen. Damit sie diese nicht in ihren Zimmern würden bunkern müssen, hatten Luca und Aiden die Tür zum Schrein aufgebrochen und die Sachen dort zwischengelagert. Luca ließ seine Hellebarde ein paar Mal kreisen und er schien sich damit wohl zu fühlen. Aiden hatte immer noch ein wenig mit seinem Schwert zu kämpfen, denn es war deutlich schwerer als die Übungswaffen, die er im Kendounterricht benutzte, ganz zu schweigen davon, dass er in der Schule beide Hände benutzte. Am meisten machte er sich allerdings Sorgen um Miyuki, die zwar jetzt im Kyūdō-Club war, aber dennoch war er unsicher, wie die Schülerin mit der Situation an sich klar kam. Anscheinend war die Grünhaarige vollkommen in Ordnung, weshalb die Gruppe sich auf den Weg zu der Werkstatt machte, in der Haruka momentan gefangen war.   Mit den Mofas kam das Vierergespann schnell an ihr Ziel und mit einem Lächeln stellte Luca fest, dass alle Shadows vor ihnen flüchteten. Vor der Werkstatt stellten sie die Mofas in einer Ecke ab und sahen sich noch einmal prüfend um, ehe sie sich zum Eingang vorwagten. Der Spanier hob plötzlich den Arm und deutete auf ein grün leuchtendes Objekt neben dem Werkstatttor: „Hey, was ist das denn für ein Ding? Das war beim letzten Mal nicht da, oder?“ Die beiden Männer gingen etwas näher heran und betrachteten das Objekt, dass eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Altar hatte. Aiden konnte nicht wirklich einen Nutzen in dem Objekt entdecken, weshalb er wieder den Mädchen zuwandte und auf den Altar deutete: „Hey Mirai, hast du ne Idee, was das hier für ein Ding sein könnte?“ Die Silberhaarige strich sich kurz den Pony zur Seite, ehe sie mit verschränkten Armen zu ihren Kollegen stieß: „Dieser Altar ist eine Teleportpunkt, der bringt dich in kürzester Zeit zu seinem Gegenstück. Das müsste eigentlich da sein, wo wir den Dungeon verlassen haben.“   Aiden nickte kurz und Miyuki machte auf die Aussage einen freudigen Hüpfer: „Das heißt, wir müssen den ganzen Weg nicht noch mal rennen? Genial! Das spart uns Zeit und Energie.“ Die Jungs und Mirai nickten zustimmend und alle berührten den Altar, der sie daraufhin in ein helles, grünes Licht hüllte und ihnen die Sicht raubte. Als die Gruppe wieder etwas erkennen konnte, standen sie mitten in der Metallsauna, in der es noch immer brütend heiß und feucht war. „Gehen wir weiter, ich schwitze jetzt schon wie ein Schwein und hab noch nichts gemacht“, scheuchte Aiden seine Freunde zur Eile, denn diesen Temperaturen wollte er sich nicht länger als notwendig aussetzen. Keiner seiner Freunde hatte etwas einzuwenden, weshalb sie so schnell es ging, aus dem Raum flüchteten und den nächsten Abschnitt betraten.   Der zweite Teil des Dungeons war vollkommen anders, als die Gruppe ihn sich vorgestellt hatte, denn es war kein Metall mehr an den Wänden. Stattdessen war der Weg links und rechts mit großen rosafarbenen Gardinen behangen und die Wände waren in einem hellen Beige-Ton gestrichen. Zu allem Überfluss waren an der ganzen Decke entlang Spotlights angebracht, die einem das Gefühl gaben, alle würden einen anstarren. Aiden und Luca sahen sich mit einem vollkommen irritierten Blick an und keiner von beiden wusste, was er dazu sagen sollte. Miyuki betitelte die Umgebung mit einem „Süß“, jedoch schien Mirai die Aufmachung ganz und gar nicht zu gefallen, denn sie stieß einen Würgelaut aus und rieb sich die Schläfen: „Oh Gott, ich bekomme Augenkrebs! Igitt... aber sagt mal, sieht es hier nicht ein wenig aus, wie auf einer Bühne?“   Aiden ließ den Blick schweifen und war mit seiner Meinung eher bei Mirai, als bei Miyuki, sowohl bei der Optik, als auch bei der Sache mit der Bühne. Er schritt langsam den Gang entlang und seine Freunde folgten ihm vorsichtig, als sie bereits nach kurzer Zeit die erste Kreuzung erreichten. Der erste Weg endete ziemlich schnell in einer Sackgasse und auch der zweite Pfad stellte sich als Sackgasse heraus. Dieser Weg hielt allerdings eine Schatzkiste bereit, die Aiden vorsichtig öffnete und zwei kleine Ampullen hervorzog, die er vorsichtig in seiner Tasche verstaute: „Die kann man immer gebrauchen. Bleibt nur noch ein Weg übrig, gehen wir.“ Als sie den dritten Weg einschlugen, ertönte in der Ferne eine leise, ungehaltene Frauenstimme „Wann hörst du endlich auf, in dieser Werkstatt zu arbeiten und dich dreckig zu machen? Das gehört sich nicht für eine Dame! Hör endlich auf dich so unmöglich zu benehmen, du blamierst mich in der ganzen Nachbarschaft!“   Die Gruppe sah sich fragend um und als die Stimme verstummte, war es einige Zeit sehr still, bis Luca die Stille durchbrach: „Was zum Geier war das denn? Ich habe noch nie mitbekommen, dass die Nachbarn irgendein Problem mit Tenno hätten.“ Miyuki versteckte sich schnell hinter Mirai und zog ihren Bogen, während Aiden, in Erwartung eines Gegners, ebenfalls eins seiner Katana ein Stück aus der Scheide schob: „So langsam glaube ich, dass Tennos Mutter einen an der Klatsche hat... Seid vorsichtig, beim letzten Mal waren die Shadows nicht weit!“ Die Gruppe stand still und starr in dem Gang und wartete auf das Erscheinen ihrer Feinde, doch als nach einigen Minuten immer noch nichts passierte, setzte sich die Gruppe wieder in Bewegung. Der lange, gerade Weg endete in einem runden Raum, in dem nur vier gedeckte Tische an den Wänden standen. Aiden peilte direkt den weiteren Weg an, doch Miyuki nahm einen der Tische unter die Lupe, auf dem ein Teeservice stand und von dem ein angenehmer Duft aufstieg: „Hm, der Tee riecht aber gut, was meinst du, Mirai?“ „Hm, stimmt, riecht wirklich gut, da kriegt man irgendwie Lust auf ein Stück Kuchen“, erwiderte die Silberhaarige und stellte sich neben die Grünhaarige, um den Geruch des Tees zu genießen.   Die beiden Braunhaarigen sahen sich kurz skeptisch an, als beide eine Bewegung in ihrer unmittelbaren Nähe bemerkten. Als sie sich zum Gehen wandten, mussten sie feststellen, dass zwei der Tische den Platz gewechselt hatten und nun den Weg blockierten. Sofort zogen Jungs ihre Waffen, während Aiden den Blick auf die beiden Mädchen richtete, die immer noch an dem Tee schnupperten. Sie waren so sehr von dem Tee fasziniert, dass sie nicht bemerkten, wie der Tisch sich in einen Shadow verwandelte und sich vor ihnen aufbaute. Auf dem Tisch war nun die typische Maske zu sehen, während das Gedeck über der Tischplatte kreiste. Sofort rannten die beiden Jungs dazu und griffen an: „Miyuki! Mirai! Geht von dem Tisch weg!“ Die zwei Mädchen sahen kurz nach hinten, ehe sie sich einen skeptischen Blick tauschten und wieder zu dem Tisch schauten, der sofort zum Angriff überging. Bevor er irgendeinen Schaden anrichten konnte, wurde er allerdings von einem Katana und einer Hellebarde in vier Teile geschlagen und löste sich auf.   „Sorry, Jungs...“, murmelte Miyuki und zog schuldbewusst den Kopf ein, während sich die beiden Jungs wieder in den Raum drehten, wo sich die verbleibenden drei Tische ebenfalls in Shadows verwandelt hatten. Mit einem hellen Blitz erschienen Rigel und Alphard in dem Raum und stürzten sich auf zwei Shadows, die sich trotz der heftigen Angriffe aus Speer und Eis als äußerst hartnäckig herausstellten. „Die sind echt hart im nehmen..“, murmelte Luca verärgert, was Aiden mit einem Nicken kommentieren konnte. Mirai kaute auf ihrer Unterlippe herum und dachte angestrengt nach, denn irgendwie musste sie ihren Freunden doch helfen. Dann hatte sie den rettenden Geistesblitz: „Ich weiß es, diese Shadows sind gegen Schwerter resistent und Schläge und Stiche blocken sie ganz ab, aber bei Feuer werden sie schwach. Verbrennt sie einfach!“ Miyuki nickte entschlossen und zog die Kanone, bevor sie sich zu ihren Freunden gesellte: „Feuer? Dann kann ich vielleicht was machen. Los geht’s, Anser, Feuer frei!“ Über der Grünhaarigen erschien die Fuchsmagierin und hob die Kristallkugel, woraufhin jedem Shadow nacheinander ein Feuerzauber an den Kopf geschossen wurde, bis keiner mehr übrig war. Die Schützin tanzte kurz vor Freude und klatschte: „Es hat geklappt, ich hab es wirklich geschafft!“ Die verbleibenden drei klopften der Bogenschützin auf die Schulter und man sah ihr an, wie sehr sie sich über dieses Lob freute, denn sie war tatsächlich nützlich gewesen.   Mit deutlich besserer Laune setzten die vier ihren Weg durch die Gänge fort, als plötzlich mehrere, körperlose Stimmen ertönten, die definitiv nach Frauen klangen: „Da ist schon wieder dieses Mannsweib, sieh dir mal ihre Haare an!“ „So wie die sich benimmt, bekommt die nie einen Freund!“ „Die ist total komisch, mit der will ich nichts zu tun haben!“ Miyuki sah sich mit verzogenem Gesicht um und tippte immer wieder mit ihrem Absatz auf den Boden: „Alter, was haben die bitte für ein Problem?“ Aiden hatte leider keine Antwort auf diese Frage und so langsam bekam er eine Gänsehaut, wenn er diese Stimmen hörte: „Keinen Schimmer, aber ich will ehrlich gesagt nicht länger als nötig hier sein. Es ist Tenno gegenüber nicht fair. Lasst uns gehen!“ Der Rest der Gruppe konnte nur zustimmen, weshalb sie sich weiter ins Innere des Dungeons aufmachten.   So langsam verlor Aiden jegliches Zeitgefühl und auch seine Füße schmerzten ziemlich. Soweit er das beurteilen konnte, ging es seinen Freunden nicht anders, denn Miyuki jammerte immer wieder leise vor sich hin. Mirai gab sich größte Mühe, ihre Freunde bei den Kämpfen mit hilfreichen Tipps zu unterstützen, denn ansonsten kam sie sich relativ nutzlos vor. Schwer keuchend kam die Gruppe bei einer weiteren Kreuzung an, an der sie nur noch einen Weg nehmen konnten, da die anderen in einer Sackgasse geendet hatten und so langsam ging ihnen die Puste aus. Der verbleibende Weg entpuppte sich als meterlange Gerade, an dessen Ende man eine große Tür erkennen konnte. Als die Gruppe das Ende erreichte, entpuppte sich die Tür als gigantischer Vorhang, in dessen Mitte eine Art Schlüsselloch, dass von einer Glaskuppel verdeckt war, befand. Neben dem Vorhang glühte ein weiterer grüner Altar, der von Luca und Miyuki neugierig unter die Lupe genommen wurde, während sich Aiden und Mirai das Schlüsselloch vornahmen: „Was hältst du davon, Mirai?“ Nachdenklich musterte die Silberhaarige den Vorhang und zuckte dann mit den Achseln: „Ich weiß nicht so ganz, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir unserem Ziel ganz nahe sind. Das Mädchen ist da drin, es bleibt nur die Frage, wie wir da rein kommen. So wie es aussieht brauchen wir einen Schlüssel und dann müssen wir irgendwie noch diese Kuppel da los werden.“ Miyuki kam zu den beiden und musterte die Wände : „Warum hat sich der Dungeon eigentlich so krass verändert? Anfangs sah es noch wie eine Werkstatt aus, aber das hier ist eher... ich weiß nicht.“ „Eine Art Bühne? Mirai hatte das eben schon erwähnt und so langsam kriegt man wirklich das Gefühl, als wenn es eine wäre“, warf Luca ein und stieß zu seinen Freunden, die immer noch den Vorhang anstarrten und sich wunderten, warum das Schlüsselloch so eine komische Form hatte. Aiden schüttelte kurz den Kopf und ging in die Hocke, um das Glas zu untersuchen: „Es sieht aus, als wäre der Schlüssel eine Art... Ring? Oder irgendwas Großes und Rundes. Hat jemand ne Idee?“ Als er mit der Hand über die Glaskuppel strich, durchfuhr ihn ein solcher Kopfschmerz, dass ihm schwarz vor Augen wurde und er rückwärts umkippte.   ~~~???~~~   Langsam kam Aiden wieder zu sich und stellte fest, dass er auf dem Boden lag, weshalb er sich zitternd aufrichtete und sich mit der Hand an den Kopf fuhr. Seine Augen mussten sich erst einmal an die Helligkeit gewöhnen, doch als er wieder etwas erkennen konnte, stellte er fest, dass er alleine war. Luca war verschwunden, ebenso wie Mirai und Miyuki... er war wirklich alleine. Als er sich umsah stellet er fest, dass er sich auf einer Art Plattform befand, die aus einem gelblichen Stein bestand. Um ihn herum war nicht als schwarze Leere, was ihn ziemlich verunsicherte, während er sich langsam erhob: „Wo zum Geier bin ich denn hier gelandet? Luca? Miyuki? Mirai! Irgendwer?“ Er horchte in die Stille, doch blieb es still. Er war allein. Mit an die Hüfte gestemmten Händen sah sich der Braunhaarige um und suchte einen Ausweg, doch wo sollte er denn hin? Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und war mit seinem Latein am Ende, als ein blaues Leuchten seine Aufmerksamkeit erregte. In der Luft flatterte ein kleiner blauer Schmetterling, der ein Stück vor ihm seine Kreise zog und anscheinend auf ihn wartete. Vorsichtig ging Aiden auf den Schmetterling zu, der über den Rand der Platte schwebte und sofort bildete sich eine weitere Platte. Langsam aber sich bildeten sich immer mehr Platten, bis sich in dem Nichts vor dem Oberschüler eine Art Pfad gebildet hatte.   Immer weiter folgte Aiden dem blauen Schmetterling in den Raum und nach einem kleinen Stück entdeckte er eine große, goldene Tür. Der Blick des Braunhaarigen war fest auf den Schmetterling geheftet, der erst zu der Tür und dann einfach durch sie hindurch flog und verschwand. „Was hab ich für eine große Wahl? Augen zu und durch“, murmelte er und trat an die Tür, um nach den Griffen zu greifen und sie zu öffnen. Ein grelles Licht drang durch die Tür, als Aiden hindurch ging und sich in einem großen goldenen Raum wiederfand, der anscheinend ebenfalls im großen Nichts lag. Was Aidens Blick dieses Mal auf sich zog, war eine weitere goldene Tür, die jedoch von einer schwarzen Statue, die mit Dornenranken gekreuzigt wurde, versperrt wurde. Vorsichtig wagte er sich näher an die Tür heran, als plötzlich etwas von der anderen Seite dagegen schlug und zum Erzittern brachte. Panisch wich Aiden ein Stück zurück und das Herz schlug ihm bis zum Hals, denn er wusste nicht mal, was da überhaupt war, doch er wollte es auch nicht wirklich rausfinden. „Keine Sorge, sie kommt nicht raus.“ Erschrocken sah der Braunhaarige zur Seite und entdeckte einen jungen Mann mit blauem Haar, der auf einer Mauer neben der Tür hockte und ihn mit einem undefinierbaren Blick anstarrte. Er wusste nicht warum, aber er hatte das Gefühl den Jungen schon einmal gesehen zu haben. Er nahm sein Gegenüber genauer unter die Lupe: Sein blaues Haar hing ihm über das rechte Auge, er trug dieselbe Schuluniform wie Aiden und um den Hals trug der Junge ein paar Kopfhörer und einen alten, tragbaren Musikspieler. Eine Weile sahen die beiden sich einfach nur an, doch dann traf es den Braunhaarigen wie ein Schlag: Das war die Person, die er in der Boutique im Spiegel gesehen hatte.   „Wer bist du und was ist da hinter der Tür? Du meintest ja, sie würde nicht raus kommen. Bist du dir da sicher?“ Der Blauhaarige zeigte keine einzige Gefühlsregung, stattdessen sprang er von der Mauer, schritt durch den Raum und blieb zwischen Aiden und der Tür stehen: „Nichts, was dich im Moment stören sollte. Aber ich will dir eine Warnung geben.“ Sichtlich überrascht zog der Braunhaarige den Kopf etwas ein und murmelte leise: „Eine Warnung? Wovor willst du mich warnen?“ Der Blick des Blauhaarigen wurden kalt, als er die Hände in die Hosentasche steckte: „Wenn du in deinem jetzigen Zustand weiter machst, wirst nicht nur du, sondern auch deine Freunde, einen qualvollen Tod sterben. Auch wenn du körperlich fit wärst, hast du gegen den Shadow des Mädchens keine Chance.“ Aiden wich fassungslos einen Schritt zurück und ballte vor Zorn die Fäuste, das seine Knöchel weiß hervortraten: „Willst du damit andeuten, dass wir schwach sind?“ Der Fremde sah Aiden in die Augen und gab eiskalt Antwort: „Ich deute gar nichts an, ich sage dir das direkt ins Gesicht. Solange du deine verborgene Kraft nicht hervorbringst, wirst du niemanden retten können. Weder dich, noch andere.“ So langsam stieg die blanke Wut in dem Oberschüler hoch. Was dachte sich dieser Kerl eigentlich? Er wusste doch überhaupt nichts über ihn und das sprach er auch aus: „Was bildest du dir eigentlich ein? Du weißt überhaupt nichts über meine Fähigkeiten, oder wozu ich in der Lage bin!“   Der Blauhaarige spannte den Körper an und ein leichtes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen: „Dann beweis mir doch, das ich mich irre.“ Aiden griff nach der Kanone an seinem Gürtel und nutzte sie direkt zur Beschwörung, was Rigel auf den Plan rief, der seinen Speer umher wirbelte und in Stellung ging: „Dir werde ich schon zeigen, wozu ich in der Lage bin.“ Der Fremde lächelte kurz und schob seine Jacke ein Stück beiseite, wodurch das gleiche Pistolenholster zum Vorschein kam, welches Aiden an seinem Gürtel trug. Mit einem schnellen Griff hatte er die Pistole gezogen, die exakt so aussah, wie die, die Aiden eben selbst verwendet hatte und hielt sie sich an die Schläfe: „Ja, zeig mir wozu du in der Lage bist. Komm, Orpheus!“ Der Blauhaarige drückte ab und hinter ihm entstand ein hellblauer Wirbel, aus dem eine große, weiße Gestalt erschien. Sie hatte dieselbe Frisur wie ihr Besitzer, in seinem Oberkörper saß ein Lautsprecher und auf dem Rücken trug die Persona eine große Harfe. Das Überwesen stieß einen lauten Kampfschrei aus und ging vor ihrem Beschwörer in Position, während sein Blick fest auf seinem Gegner ruhte. Aiden betrachtete die beiden eine Weile und suchte nach einem Schwachpunkt, doch konnte er nicht sagen, ob diese Persona überhaupt eine hatte. Ganz zu schweigen, dass er nicht wusste, wo er nach einem Schwachpunkt suchen sollte. „Was soll‘s, los, Rigel! Schnapp ihn dir!“ Die Persona stieg in die Luft und stürzte sich auf seinen Gegner, der seine Harfe vom Rücken nahm und damit den Speer abblockte. Der Braunhaarige knurrte kurz, ließ aber nicht locker und feuerte Rigel immer weiter an, doch war Orpheus in der Lage jeden Hieb mit Leichtigkeit zu parieren.   Der Junge nahm seine Kopfhörer und setzte sie sich auf die Ohren: „So wird das nichts, Aiden.“ Der Braunhaarige sah das auch so und ging zu magischen Angriffen über, bei dem Rigel seinen Gegner nun immer wieder mit Windstößen bombardierte. Einige der Zauber trafen auch und stießen die weiße Persona zurück, doch zeigte sich der Fremde davon relativ unbeeindruckt. Kurz hob der Blauhaarige den Kopf und sofort begannen Orpheus Augen zu leuchten, woraufhin eine Feuerexplosion nach der anderen auf Rigel niederging und ihn zersplittern ließ. Aiden ging unter Schmerzen zu Boden und rollte sich schnell aus dem Weg, um nicht noch weiter getroffen zu werden. Hektisch sah er sich nach einer Deckung um, doch gab es absolut nichts, wohinter er sich verstecken könnte. Als er den Kopf hob, musste er feststellen, dass sein Gegner keine Anstalten machte, ihn noch einmal anzugreifen. Langsam richtete sich der Braunhaarige wieder auf und er wusste nicht mehr, was er noch gegen seinen Gegner machen sollte. Sowohl seine körperlichen, als auch seine Windattacken hatten nicht wirklich geholfen „Der Typ verarscht mich doch! Was mach ich jetzt... warte mal! Rigel kann doch noch einen Zauber, auch wenn die ziemlich ungenau ist... was hab ich noch zu verlieren? Rigel, Mudo!“ Der Mantelträger erschien in einem blauen Licht und ließ eine schwarz-lilafarbene Rune vor Orpheus auftauchen, die sich um den Harfenspieler formte und ihn verschwinden ließ. Zeitgleich ging der Blauhaarige zu Boden und sog scharf die Luft ein. Kurz leuchtete etwas in der Tasche des Blauhaarigen auf, doch dann erhob er sich auch schon wieder: „Puh, das war knapp. Er scheint es wirklich nicht anwenden zu können, dann werde ich ihn wohl ein bisschen mehr fordern müssen. Vielleicht kann ich es aus ihm raus kitzeln.“   Aiden setzte ein triumphales Grinsen auf und zeigte auf seinen Gegner: „Jetzt kenn ich deinen Schwachpunkt! Bist du immer noch der der Meinung, dass ich schwach bin?“ Langsam nahm der Blauhaarige die Kopfhörer ab und schüttelte leicht den Kopf: „Du hast wohl immer noch nicht begriffen, dass ich nicht von deiner körperliche Stärke gesprochen habe, oder? Aber wir sind noch nicht fertig.“ Aiden schlug einmal mit der Hand durch die Luft und sah zu seiner Persona: „Stimmt, aber ich sitze am längeren Hebel. Rigel!“ Der Speerträger setzte zu einem weiteren Finsterniszauber an, als der Blauhaarige erneut die Pistole an seine Schläfe setzte: „Du hast noch eine Menge zu lernen, bevor du deine Aufgabe erfüllen kannst. Persona Change, Thanatos!“ Mit einem grellen Blitz erschien eine neue, schwarz gekleidete Persona über dem Fremden. Ihre Arme und Beine waren in weiß gekleidet und sein Gesicht war von einer Metallmaske verdeckt. Um seine Schultern hingen mehrere mannsgroße Särge und in der Hand hielt die Persona ein langes Schwert. Aidens Zauber zeigte dieses Mal keine Wirkung und die neue Persona stieß ein bedrohliches Brüllen aus, welches dem Jungen das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er wich ein Stück zurück und starrte fassungslos auf seinen neuen Gegner: „Wie... wie geht das denn? Wie kann der Kerl zwei Persona beschwören?“   Der Blauhaarige strich sich einmal mit der Hand durch die Haare und fixierte seinen Gegenüber mit einem strengen Blick: „Ich würde es dir ja erklären, aber das würde gegen deinen Vertrag verstoßen. Ich kann dich lediglich in die Richtung drehen, in die du gehen musst. Ob du es tust oder nicht, das hängt von dir ab. Jetzt ist es aber Zeit, dass du aufwachst. Denke über meine Worte nach, Aiden.“ So ganz wusste der Oberschüler nicht, was er sagen sollte, als der Blauhaarige die rechte Hand hob und auf ihn deutete: „Thanatos, Door of Hades!“ Die Persona brüllte erneut auf und sofort öffneten sich alle Särge, die um seine Schultern hingen. Aiden konnte sich vor Schreck nicht bewegen, als vor ihm eine große schwarz-weiße Energiesphäre entstand und langsam begann, die Umgebung einzusaugen. So sehr der Braunhaarige es versuchte, er schaffte es nicht, sich in Sicherheit zu bringen, weshalb er die folgende Explosion der Energiesphäre direkt abbekam. Der Boden brach in Stücke und mit einem lauten Schrei stürzte Aiden in die Tiefe, als Thanatos nachsetzte, ihn am Kragen packte und zu sich zerrte. In den Augen des Braunhaarigen stand die blanke Panik, denn im nächsten Moment packte die Persona ihr Schwert und holte zum Schlag aus, doch verlor er vorher das Bewusstsein.   ~~~Schattenreich~~~   Aiden kam langsam wieder zu sich, war jedoch zu schwach um die Augen zu öffnen. Er hörte leise Stimmen, die er seinen Freunden zuordnen konnte, als und ihm jemand hart ins Gesicht schlug: „Aiden, komm zu dir!“ „Mirai, warum haust du ihn denn? Davon wird er auch nicht aufwachen.“ „Naja, wenn Mirai’s Watsche nicht hilft, könnt ihr ja versuchen, ihn wach zu küssen.“ Verärgert brummend öffnete Aiden die Augen, um seine Freunde zu betrachten, die gerade dabei waren, Luca anzupflaumen: „Das nächste Mal bitte nicht so hart, Mirai.“ Damit richtete Aiden sich langsam auf und wurde sofort von seinen Freunden mit Fragen gelöchert, ob es ihm denn gut ginge. Er schüttelte bloß den Kopf und betrachtete die große, mit Vorhängen versehene Tür, wobei er sich den Kopf rieb: „Es ist alles in Ordnung, ich bin nur erschöpft.“ Luca erhob sich und sah in die Runde, denn sie wirkten alle extrem erschöpft: „Ich glaube wir sollten für heute Schluss machen, die Tür lässt sich sowieso nicht öffnen.“   Vorsichtig sah er dann in Richtung seines Anführers und befürchtete schon, dass dieser wieder überreagieren würde, doch zu seinem Erstaunen nickte Aiden bloß zustimmend. Der Braunhaarige ließ sich von Mirai auf die Beine helfen und betrachtete die Tür nachdenklich: „Ja, lasst uns gehen. Warum geht die Tür nicht auf, haben wir was vergessen?“ Miyuki aktivierte den Altar und brachte die Gruppe zum Eingang der Werkstatt, von wo aus sie den Rückweg zum Schrein antraten. Keiner der Freunde sprach auch nur ein Wort, denn zu sehr kreisten ihre Gedanken um die verschlossene Tür. Am Naganaki Schrein angekommen verstaute die Gruppe ihre Waffen im Inneren des Schreingebäudes und Luca war der erste, der durch den Baum zurückging. Miyuki streckte sich einmal, um die Müdigkeit los zu werden, ehe sie dem Braunhaarigen folgte. Aiden konnte immer noch keinen klaren Gedanken fassen, zu sehr bedrückte ihn die Niederlage gegen den fremden Persona-User. Erschrocken zuckte er zusammen, als Mirai ihm gegen den Arm tippte: „Bist du sicher, dass du in Ordnung bist?“ „Kann ich nicht unbedingt behaupten, wenn ich ehrlich bin, aber ich komme schon klar. Hast du ne Idee, was wir vergessen haben könnten? Wegen der Tür meine ich.“ „Keine Ahnung, darüber zerbreche ich mir schon die ganze Zeit den Kopf, aber wir kriegen das schon raus“, erwiderte die Silberhaarige und schenkte Aiden ein freundliches Lächeln.   Aiden drehte sich in Richtung Baum und wollte schon verschwinden, als Mirai noch einmal das Wort ergriff: „Ich bin ganz ehrlich, ich verstehe euch drei einfach nicht.“ Neugierig sah der Braunhaarige über die Schulter und drehte sich dann um: „Was genau meinst du?“ „Ihr kennt dieses Mädchen überhaupt nicht, genauso wenig, wie ich mich kanntet, aber dennoch bringt ihr euch in Lebensgefahr, um ihr und mir zu helfen. Ich begreife nicht warum!“, brachte die junge Frau ihre Meinung da und erhielt einen überraschten Blick. Aiden nickte und steckte die Hände in die Hosentasche, während er über die Frage nachdachte: „Also, hm.... wenn nicht wir, wer dann? Ich weiß, das klingt wahrscheinlich ziemlich dämlich, aber ich kann niemanden in solch einer Situation im Stich lassen. Ich hätte in dieser Situation auch gerne, das mir jemand hilft. Tenno kann sich nicht gegen die Shadows wehren, ebenso wie du, aber ihr beide braucht Hilfe. Luca, Miyuki und ich haben die Möglichkeiten dazu, also halte ich es für angemessen, dass wir zumindest versuchen, euch zu helfen. Ist dir das als Antwort genug, Mirai?“ Die Silberhaarige verschränkte die Arme vor der Brust und blähte die Wangen auf: „Ich bin mir sicher, ihr habt alle ne Schraube locker, aber ich weiß es zu schätzen. Ich weiß, dass ich nur eine Last bin, aber es bedeutet mir alles, dass ihr mir helft. Wenn ich meine Erinnerungen wieder habe, werde ich es euch irgendwie vergelten. Versprochen!“ Nun verschränkte der Braunhaarige die Arme vor der Brust und grinste: „Du hast ne Schraube locker, wenn du glaubst, dass wir was dafür als Widergutmachung verlangen. Na komm, gehen wir heim.“ Die beiden sahen sich kurz an, als in Aiden Kopf eine leise Stimme widerhallte: „Ich bin du... du bist ich...“ Während die junge Frau vorging, warf der Braunhaarige einen Blick in seine neue Kartenbox und diese offenbarte den neuen Social Link, den Mirai einnahm: den Tod.   ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~   Kleine Schleichwerbung am Ende: Die am Anfang erwähnte Jûgoya High ist die Schule aus der Geschichte Persona: Shadow of Mirror von . Wenn irh sie noch nicht gelesen habt, dann solltet ihr das auf jeden Fall tun. ^.^ Kapitel 14: XIV - Familienbesuch -------------------------------- ~~~Samstag 30. April 2016~~~ Der Schultag war noch nicht lange zu Ende, doch waren nur die wenigsten Schüler nach Hause gegangen. Der Grund dafür war ein Fußballspiel zwischen der Gekkoukan und einer anderen Schule, bei dem die meisten Schüler zusehen wollten. Luca machte ein paar Dehnungsübungen und sah sich leicht nervös um, während seine Freunde um ihn herum standen. Miyuki redete aufmunternd auf ihn ein und versuchte ihn so gut es ging zu motivieren, während Aiden und Mirai ein Stück daneben standen und sich die vielen Zuschauer ansahen. „Ganz schön was los hier und das nur, weil 22 Leute einem dummen Ball hinterher rennen. Das ist doch völlig sinnfrei“, murrte die Silberhaarige und schüttelte genervt den Kopf, was ihren braunhaarigen Kollegen nur lachen ließ: „Tja, es hat halt jeder andere Vorlieben. Mir ging es früher auch so, was Fußball angeht.“ „Und jetzt?“, kam die neugierige Frage der Silberhaarigen, welche nur mit einem Achselzucken beantwortet wurde: „Alles weg, ich hab zwei linke Füße entwickelt.“   Mirai musste lachen und klopfte ihrem Freund auf die Schulter, als Luca sich in Richtung seines Teams umwandte: „Tja, ich geh dann mal. Drückt mir die Damen!“ „Ganbatte, Silva-kun!“, rief die Grünhaarige freudig, was die Silberhaarige nur mit einem „Du machst das schon.“ unterstützte. Aiden hob die Faust und symbolisierte damit einen gedrückten Daumen, ehe er sich zum Gehen wandte, was seine beiden Gefährtinnen etwas stutzig machte. „Willst du nicht bleiben, Aiden-kun?“, fragte Miyuki mit einem etwas besorgten Blick, was der Braunhaarige mit einem Kopfschütteln verneinte: „Nein, er wird das schon schaffen, außerdem hat er euch beide als Support hier. Ich brauch ein bisschen Zeit für mich, mir macht da etwas Sorgen.“ Er winkte noch einmal zum Abschied, ehe er sich auf den Weg zum Bahnhof machte und dabei von zwei irritierten Blicken verfolgt wurde. „Was hat er denn?“, murmelte die Grünhaarige etwas verloren und sah zu ihrer Freundin, die nur die Arme vor der Brust verschränkte und die Augen schloss: „Keine Ahnung, aber er ist so, seit er drüben zusammengebrochen ist. Wir sollten ihn nicht alleine lassen.“ „Mach du das. Ich bleibe hier und feuere Silva-kun an, du bist schließlich keine Schülerin der Gekkoukan“, bestimmte die Grünhaarige und verabschiedete sich von Mirai, die nach einem kurzen Blick zu Luca Aiden folgte.   Der Braunhaarige hatte sich in der Zwischenzeit am Bahnhof eingefunden und lehnte sich an eine Säule, während er auf den Zug in Richtung Stadt wartete. Er hatte keinem seiner Freunde von der merkwürdigen Begegnung mit dem Blauhaarigen erzählt, wobei er sich das Ganze auch nur eingebildet haben könnte, doch gingen ihm die Worte des Fremden nicht aus dem Kopf. Er war nicht stark genug und es hatte nichts mit seiner körperlichen Verfassung zu tun, das war es, was der andere Persona-User ihm gesagt hatte, doch was bedeutete das? Seine Gedanken waren ein einziges Desaster, denn wenn er an die Persona dachte, die sein Gegner benutzt hatte, bekam er panische Angst. Eine Weile hatte Aiden den Gedanken, ob sein Gegner ihm hatte sagen wollen, das auch er seine Persona wechseln müsste, aber selbst wenn er das könnte, wie sollte er es denn machen? So sehr er sich darüber den Kopf zerbrach, er kam auf keinen grünen Zweig, weshalb er sich mit einem Seufzer von der Säule abstieß und in den gerade eingefahrenen Zug einstieg. Mirai folgte ihm leise und blieb allerdings auf Abstand, um den Braunhaarigen etwas besser beobachten zu können. Während der Fahrt hatte Aiden die Augen geschlossen und hielt ich an einer Stange fest, bis der Zug in Iwatodai einfuhr und er ausstieg. Da sie nicht gesehen werden wollte, wartete Mirai noch ein wenig und kam daher erst im allerletzten Moment aus dem Zug heraus. Schnell sah sie sich um, doch leider musste die Silberhaarige feststellen, dass sie ihren Mitbewohner aus den Augen verloren hatte.   Aiden lief in der Zwischenzeit ziellos durch die Straßen und hing seinen Gedanken nach, denn er hatte Angst. Angst davor, dass die Worte des Blauhaarigen stimmten und wegen ihm seine Freunde sterben würden. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken zu Igor zu gehen und ihn zu fragen, doch dann verwarf er diesen Gedanken, da er irgendwie das Gefühl hatte, als würde der Langnasige ihm sowieso keine brauchbare Antwort geben. Die ganze Sache bereitete ihm Magenschmerzen und am liebsten hätte er sich den ganzen Frust einfach von der Seele geschrien, jedoch konnte er das nicht so einfach in der Stadt tun. Ein langer Seufzer entwich seiner Kehle, als er vor einem altmodischen Gebäude zum Stehen kam und es eine Weile musterte. Über der Tür hing ein seltsames Emblem mit einem Wappen, dass er nicht zuordnen konnte. Unter dem Emblem war eine kleine Inschrift, sowie das Yin-Yang-Zeichen, weshalb er auf eine Art Tempel tippte. Vielleicht war ein Gebet ja das, was ihm jetzt helfen konnte. Noch einmal überlegte er, ob das wirklich eine Hilfe war, aber es konnte ja nicht schaden. Vorsichtig zog der Oberschüler die Tür auf und betrat das Gebäude, wobei er als erstes die Schuhe auszog und dann ins Innere ging. Er kam in einer großen Halle heraus, an dessen Kopfende ein kleiner Altar stand. Was dem jungen Mann sofort ins Auge fiel war, dass er nicht alleine hier war. In der Mitte des Raumes stand eine junge Frau mit langen, rosafarbenen Haaren und machte mit einem Kendoschwert ein paar Übungsschwünge.   Einen Moment beobachtete Aiden die Rosahaarige, bevor er realisierte, wer das war und wagte einen Schritt vor. „Verbeug dich, wenn du ein Dojo betrittst, Kurosaki-kun!“, wurde er sofort barsch von der Kendoka angefahren, weshalb er sich ausrichtete und respektvoll verneigte, ehe er auf seine Bekannte zuging: „Entschuldigung, ich wollte auf keinen Fall unhöflich sein, Nozaki.“ „Ist okay, denk nur das nächste Mal daran, wenn du einen Schrein oder ein Dojo betrittst. Das ist eine Sache des Anstandes und so viel Zeit muss sein“, belehrte ihn seine Mitschülerin, die ihr Schwert in beiden Händen hielt und ihn neugierig ansah: „Was machst du eigentlich hier? Solltest du nicht in der Schule sein und Silva-kun anfeuern?“ „Wie kommst du gerade auf Luca?“, antwortete der Braunhaarige mit einer Gegenfrage, die ihm sogleich beantwortet wurde: „Ist nicht schwer zu erraten, dass ihr Freunde seid. Man sieht euch in der Pause immer zusammen vom Dach kommen. Weiß der Geier, was ihr zwei Typen da oben treibt.“ Etwas verunsichert zog er den Kopf ein, denn er ahnte schon, worauf die Rosahaarige hinaus wollte, dafür hatte er oft genug die Gespräche der Mädchen mitbekommen: „Wir essen und reden, das ist alles, außerdem sind wir nicht zu zweit. Wir sind zu dritt, Nobiro ist schließlich auch dabei.“   „Wer?“, gab Nozaki verwirrt zurück und legte den Kopf schief, als Aiden einfiel, dass die meisten Leute Miyuki ja einfach übersahen und erneut verspürte ein enormes Mitleid mit der Grünhaarigen. Er schüttelte kurz den Kopf und hielt seine Hand dann etwa in Höhe seiner Schulter: „Nobiro Miyuki, grünes Haar, ungefähr so groß. Nie gesehen?“ Für einen Moment klopfte sich die Rosahaarige mit ihrem Holzschwert gegen die Schulter, ehe sie einen lautes „Ah!“ von sich gab und sich dann gegen die Stirn schlug: „Ach so, die. Die Freundin von Samejima-kun, die ist bei vielen Mädchen extrem unbeliebt. Ich kann nicht verstehen, warum so viele meiner Mitschülerinnen wegen einem Typen so ausflippen. Da tut mir das Mädel ja schon ein wenig leid.“ „Ja, ganz zu schweigen davon, dass alle Schüler Miyuki immer über den Haufen rennen... Aber ein anderes Thema, du trainierst hier alleine?“, wechselte der Braunhaarige das Thema und musterte seine Teamkollegin neugierig, die wieder in Stellung ging und das Schwert fest packte: „Ja... ich muss irgendwie den Kopf frei bekommen.“   Sie sah traurig zu Boden, weshalb der Braunhaarige nachhakte: „Ist es wegen Tenno? Sie ist immer noch nicht wieder aufgetaucht?“ „Nein... die Polizei ist völlig ratlos und ich weiß auch nicht mehr, was ich noch machen soll, deshalb schwinge ich einfach mein Schwert. Es hilft wenigstens ein bisschen“, murmelte die Rosahaarige und ließ das Schwert erneut durch die Luft sausen, wobei sie aufmerksam von Aiden beobachtet wurde. Er machte sich große Vorwürfe, denn er hatte ihr gesagt, dass alles wieder gut werden würde und bisher war es das nicht. Erneut kamen ihm die Worte des Blauhaarigen in den Sinn, dass er nicht gut genug war und ballte deshalb wütend die Fäuste. Seine Aktion blieb nicht unbemerkt, denn Nozaki hatte ihm den Kopf zugewandt und hob fragend eine Augenbraue: „Alles okay bei dir, Kurosaki-kun? Du wirktst sauer.“ „Was?“, irritiert hob er den Braunhaarige den Kopf, ehe er auf seine Hand sah und dann schnell den Kopf schüttelte, „Naja, nicht so wirklich. Kennst du das Gefühl, wenn dir jemand ins Gesicht schmettert, dass du nicht genug bist? Und sich dann in dir drin der Gedanke breit macht, dass er vielleicht recht haben könnte?“ Die Rosahaarige hielt ihr Schwert in beiden Händen, ehe sie leicht nickte: „Ja, so ein Kerl in der Kendoschule meines Vaters hat das mal zu mir gesagt. Das war echt mies von ihm gewesen, weil er es vor allen Teilnehmern des Unterrichts gesagt hatte.“   Auf die Worte verzog Aiden das Gesicht, denn es war für Frauen an sich schon schwer genug, sich mit den männlichen Kollegen zu behaupten, egal in welcher Situation und so etwas, was es Nozaki passiert war, war das Letzte. Statt wütend zu werden, begann die Rosahaarige zu Grinsen und ging wieder in Position: „Ich kann dir ansehen, was du gerade denkst, aber es ist okay. Ich hab den Kerl vor versammelter Mannschaft im Kendo fertig gemacht. Danach war er nur noch so groß mit Hut.“ Auf die Aussage machte der Braunhaarige einen Schritt zurück und brach leicht in Schweiß aus, was die Kendoka noch breiter Grinsen ließ: „Ja, du solltest Angst vor mir haben. Ganz besonders, wenn du daran denken solltest auszuplaudern, was du gesehen hast.“ „Ich bin nicht lebensmüde, Nozaki. Vermutlich würde ich erst einmal von der Schule fliegen, dann von meinen Eltern was zu hören kriegen und zum Abschluss würdest du mich vermutlich umbringen“, fasste er zusammen und erhielt ein zustimmendes Nicken der jungen Frau, die sich ihr Schwert locker auf die Handfläche schlug: „So sieht es aus, mein Lieber. Aber wegen deinem Problem, wer hat gesagt, dass du nicht gut genug wärst? Jemand aus der Schule, weil du mit dem Stoff nicht nachkommst?“ „Nein, nicht deswegen, es ist mehr... privater Natur. Was würdest du tun, außer jemanden zu verprügeln?“, bat der Braunhaarige nun um Hilfe, denn er wusste wirklich nicht mehr, wie er noch weiter machen sollte, als sein Gegenüber sich nachdenklich ans Kinn tippte: „Naja, mein Vater sagt immer, dass man an sich arbeiten soll, wenn man nicht weiter kommt. Stets auf ein Ziel konzentrieren und darauf hinarbeiten, wobei ich jetzt nicht weiß, ob dir das hilft. Vielleicht hilft es aber auch mal, einfach mal ein bisschen Dampf abzulassen.“ „Dampf ablassen? Wie denn?“, murmelte der Schüler und legte die Stirn in Falten, als seine Mitschülerin ihm ein Kendoschwert zuwarf: „Na wie schon? Geh auf deine Position und bete, dass ich dich nicht an einer empfindlichen Stelle treffe.“   Mit einem leicht unsicheren Lachen ging Aiden auf Position und nahm das Schwert in eine Hand, was seine Gegnerin bemerkte: „Du kämpfst mit einer Hand? Das hast du im Unterricht noch nie gemacht.“ „Oh? N-naja, ich habe es mal im Netz gesehen und es gefiel mir irgendwie. Ist das nicht erlaubt?“ Ihm war etwas unwohl dabei, ob er jetzt eine Regel oder so etwas gebrochen hatte, doch dann schüttelte die junge Frau den Kopf: „Nein, keineswegs. Pass auf, ich versuche es dir zu erklären. Die Stellung, die ich gerade einnehme ist das sogenannte »Chudan-no-Kamae«. Körper gerade, Füße gerade und zum Gegner, linker Fuß ein Stück zurück, beide Hände am Heft. Die linke Hand ist ein Stück unterhalb des Bauchnabels und die Spitze des Shinai deutet auf die Kehle des Gegners.“ Neugierig lauschte Aiden der Erklärung das entsprach der Haltung, die ihm von Masao im Kendoclub gezeigt worden war. Durch die Kämpfe in der Shadowwelt hatte er sich allerdings angewöhnt eine Hand zu benutzen, da das Heft seiner Waffen einfach nicht lang genug war, um es mit beiden Händen zu packen und ihn interessierte jetzt, ob das offiziell auch ging: „Du meintest, es wäre auch erlaubt mit einer Hand zu kämpfen, ja? Kannst du mir zeigen wie das geht, also wie ich mich hinstellen muss?“   Einen Moment musste die Rosahaarige überlegen, doch dann lachte sie verlegen auf und kratzte sich am Hinterkopf: „Sorry, aber ich weiß auch nicht so ganz, wie das funktioniert. Ich weiß nur, dass die Stellung »Jodan-no-Kamae« heißt, aber wie genau die funktioniert weiß ich nicht. Wenn du magst, kann ich meinen Vater später mal fragen, oder du fragst am Montag Munemasa-senpai. Bringt dir vielleicht Pluspunkte bei ihm ein, weil du dich engagierst.“ „Das werde ich tun, danke auf jeden Fall dafür, Nozaki. Sag mal... wie heißt du eigentlich mit Vornamen?“, wechselte Aiden das Thema, doch musste er im nächsten Moment einem heran sausenden Bambusschwert ausweichen: „Das verrate ich dir, wenn du dich jetzt nicht ganz doof anstellst. Also los, in Position!“ Da er sich noch nicht mit dem Einhandstil auskannte, ging Aiden in dieselbe Position wie seine Gegnerin und viel Zeit für die Vorbereitung hatte er nicht, denn er wurde sofort attackiert. Mühsam versuchte Aiden sich zu verteidigen und leider musste er feststellen, dass seine Gegnerin ihn auch noch schonte, denn bei jedem Treffer bremst sie ab, um ihn nicht zu verletzen. Auch wenn er ziemlich chancenlos war, machte es dem Oberschüler extrem viel Spaß und dieses Dampf ablassen, wie Nozaki es genannt hatte, war genau das, was er gebraucht hatte. Nach einer Stunde intensiven Trainings saßen beide am Boden und rangen um Atem.   Während dem Braunhaarigen kein Wort über die Lippen kam, musste die Rosahaarige lachen und strich sich kurz durch die Haare: „Du machst Fortschritte, aber du bist nicht ganz bei der Sache. Beschäftigt dich noch etwas?“ „Nein, eigentlich nicht“, keuchte der Braunhaarige und setzte sich aufrecht hin, während er seinen Blick durch das Dojo schweifen ließ: „Aber mir geht es schon viel besser. Danke, Nozaki-san.“ „Ach, keine große Sache. Und um auf deine Frage von eben zurück zu kommen: Ich heiße Sakura und wehe du machst jetzt einen Witz wegen meiner Haarfarbe!“, gab die Schülerin preis und war sofort todernst, was den Braunhaarigen zur Vorsicht rief: „Hab ich nicht vor, versprochen. Aber deine Haare sind gefärbt, oder?“ „Jap, war eine Idee von Haru gewesen und ich bereue es nicht“, lächelte die Schülerin, als aus einer Tür an der Seite eine männliche Stimme erklang: „Sakura, komm her! Das Essen ist fertig!“ „Ich komme, Otō-san! Tja, ich muss dann leider rein. Danke für das Training und das Gespräch, Kurosaki-kun. Es geht mir viel besser“, lächelte die Kendoka und neigte leicht den Kopf, bevor sie sich erhob und sich vor dem Braunhaarigen verneigte. Aiden erwiderte die Geste und spürte ein warmes Gefühl in seiner Brust, als er Sakura das Schwert zurück gab: „Ich muss mich bei dir bedanken, Nozaki. Du hast mir wirklich geholfen. Wir sehen uns dann am Montag.“ „Ja, mach‘s gut“, winkte die Rosahaarige und verschwand, nachdem sie die Ausrüstung ordnungsgemäß verstaut hatte, im Haus. Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen verließ auch der Oberschüler das Dojo, um s ich auf den Heimweg zu machen.   ~~~zur selben Zeit im Wohnheim~~~   Mit einem wütenden Schnauben stapfte Mirai die Straße zum Wohnheim hinauf und strich sich durch ihren Pony, während sie innerlich Aiden aus tiefster Seele verfluchte. Sie hatte die letzte Stunde damit verbracht durch die Stadt zu rennen und nach dem Braunhaarigen zu suchen und wenn er jetzt im Wohnheim auf sie warten würde, würde sie ihn vermutlich erwürgen. Sie erreichte das Wohnheim, als ihr drei Personen auffielen, die vor dem Gebäude standen und zu warten schienen. Es handelte sich um ein Ehepaar um die 40 und ein kleines, braunhaariges Mädchen. Lange musste die Silberhaarige nicht überlegen wer das sein könnte, denn der Mann in der Gruppe sah, bis auf die Brille auf seiner Nase, genau wie Aiden aus. Als sie näher kam hörte sie das kleine Mädchen ungehalten nörgeln: „Wo ist Onii-chan? Er weiß doch, dass wir heute kommen wollten, oder?“ „Natürlich. Yuugo, du hattest es ihm doch gesagt, oder?“, wandte sich die Erwachsene an ihren Ehemann, der nur nickte und sich die Brille zurecht rückte: „Ja doch, ich habe es ihm vorgestern noch geschrieben.“   Eigentlich hatte Mirai gar keine Lust, sich auf ein Gespräch mit diesen Leuten einzulassen, zumal sie dann sicher zu Aiden gefragt werden würden und sie wusste nun mal leider nicht, wo dieser steckte, aber sie konnte die Besucher ja nicht draußen stehen lassen. Mit einem leisen Seufzer trat sie näher und versuchte höflich zu klingen: „Guten Tag, suchen sie jemanden?“ „Hm? Oh, guten Tag, junge Dame. Ja, wir wollten unseren Sohn Aiden besuchen. Wissen Sie zufällig, wo er ist, denn er scheint noch nicht zu Hause zu sein“, grüßte der Brillenträger zurück und Mirai entging der Blick des kleinen Mädchens nicht, die sie die ganze Zeit anstarrte, doch zuckte die Bewohnerin nur mit den Achseln: „Ich weiß leider nicht, wo er ist. In seiner Schule war so eine komische Veranstaltung, vermutlich ist er noch da. Oh, wo sind meine Manieren... Wollen Sie vielleicht reinkommen?“   Mirai führte die Familie ins Innere des Wohnheims, wo sie direkt von einem fröhlichen Miauen in Empfang genommen wurden. Hikari sprang freudig quietschend auf und schnappte sich die Katze, die sich fröhlich an das Mädchen schmiegte. Die Dame der Gruppe strich dem Tier sanft über den Kopf, während ihr Gatte nach seinem Handy griff und einen Anruf tätigte. Da sie sich etwas fehl am Platz fühlte, ging Mirai in die Küche, um einen Tee aufzusetzen, den sie den Gästen würde anbieten könnte. Höflichkeit musste schließlich sein, auch wenn sie sich nicht unbedingt wohl dabei fühlte und bei jeder Aktion die sie tat Aiden verfluchte. Nachdem der Tee fertig war, ging sie mit einem Tablett ins Wohnzimmer zurück, wo Kari sich mit Kiara auf dem Boden wälzte und das Tier regelrecht mit Streicheleinheiten verwöhnte. Plötzlich hob Kiara den Kopf und sah zur Tür, die im nächsten Moment aufging und Aiden zeigte, der das Wohnheim betrat. Mit einem Grinsen strich der Braunhaarige seinem Haustier über den Rücken, ehe er seine Eltern entdeckte und leicht den Kopf einzog: „Ups... da war ja was. Sorry, hatte noch was zu erledigen. Schön euch zu sehen.“ Sofort nahm Rin ihren Sohn in den Arm, genau wie Hikari, die sich an die Hüfte ihres Bruders klammerte: „Onii-chan, hast du mich vermisst?“   Aiden hob seine Schwester hoch und nahm sie in den Arme, während sein Vater ihm die Haare verwuschelte: „Ich hoffe, bei dir ist alles in Ordnung, mein Junge. Danke, dass du deine Schwester für eine Weile zu dir nimmst.“ „Kein Problem, aber was ist denn genau los, dass ihre Schule geschlossen wurde?“, wunderte sich der Oberschüler und setzte sich neben Mirai auf die Couch, als sein Vater erzählte: „Naja, irgendjemand muss was in die Lüftung geworfen haben und das dauert eine Weile um das System zu reinigen. Hier sind übrigens die Papiere für den kurzzeitigen Wechsel auf die Gekkoukan Elementary School. Du musst sie nur hinbringen und später wieder abholen.“ Mit einem leichten Nicken nahm der Braunhaarige die Papiere entgegen, als seine Mutter sich erhob und auf die Uhr sah: „So ein Mist, wir müssen los. Nochmal vielen Dank, Aiden. Du hast was gut bei uns, Schatz. Wir kommen sie nächste Woche wieder abholen. Pass auf sie auf, okay. Und du Kari, mach deinem Bruder keine Probleme.“   Die Kleine nickte und Aiden begleitete seine Eltern nach draußen, wo er noch den Koffer seiner Schwester aus dem Auto hievte und zur Tür schleppte. Seine Eltern nahmen ihn noch kurz in den Arm, als sein Vater sich einen Kommentar nicht verkneifen konnte: „Benimm dich bitte vor deiner Schwester, besonders, wenn du mit so einer jungen Dame zusammen lebst. Ich will nicht mit 38 Großvater werden.“ „Du bist 41 Papa und ich werde schon nichts machen. Ich nehme Kari mit zur Schule und hol sie später wieder ab und um das Essen kümmere ich mich eh immer. Also macht euch keine Sorgen, es ist wie immer“, versicherte er und bekam von seiner Mutter die Haare verwuschelt, bevor die Älteren ins Auto stiegen und davon fuhren. Mit einem leisen Seufzer ging der Braunhaarige ins Wohnheim, wo seine Schwester neben Mirai auf der Couch saß: „Ich bin Kari und wie heißt du? Bist du eine Freundin von Onii-chan?“ „Nenn mich Mirai und ja, wir sind Freunde. Würde ich zumindest so sagen“, erwiderte die Silberhaarige und hob den Kopf, als ihr Mitbewohner hereinkam und den Koffer abstellte. Er warf einen Blick auf die beiden Mädchen, als seine Schwester freudig grinste: „Ist Onii-chan dein Freund, oder dein Freund-Freund?“   Die Frage brachte die Silberhaarige völlig aus dem Konzept und ließ sie knallrot anlaufen, doch bevor sie etwas erwidern konnte, hatte sich Aiden seine Schwester gegriffen und unter den Arm geklemmt, damit er sie zur Treppe tragen konnte: „Oh nein, Fräulein, du wirst das nicht ausweiten!“ „Aber ich muss dir doch helfen!“, erwiderte die Jüngste im Haus und wurde von ihrem Bruder einfach nach oben getragen: „Ich brauche keine Hilfe und schon gar nicht in dieser Situation. Komm jetzt, wir müssen dein Zimmer her richten.“ Während die beiden nach oben verschwanden, hockte Mirai mit Kiara auf der Couch und musterte das Tier interessiert: „Sag mal, ist die Kleine immer so direkt?“ Als Antwort miaute die Katze und rollte sich auf dem Schoß der Silberhaarigen zusammen, was diese Lächeln ließ: „Das nehme ich einfach mal als ja.“ Sie hob den Blick, als die Tür aufging und Miyuki hereinkam: „Hey Miyuki, bereite dich auf einige lustige Momente vor.“ Mehr als einen fragenden Blick hatte die Grünhaarige nicht übrig, als von oben eine panische Kari erklang: „Ah, eine Spinne!“ „Okay, ich sehe, was du meinst“, murmelte die Oberschülerin und wandte sich dann in Richtung Küche, da sie heute mit dem Abendessen dran war. Kapitel 15: XV - Eine Hand ist oft genug ---------------------------------------- ~~~Montag 02. Mai 2016~~~ Im Wohnheim herrschte Aufbruchstimmung, doch war Aiden noch damit beschäftigt, seiner Schwester die Regeln zu erklären: „Okay, gehen wir noch einmal alles durch. Du wirst dich in der Schule benehmen, du bist nicht frech zu jemandem und du redest nur, wenn du gefragt wirst.“ „Hai, Onii-chan“, erwiderte die Kleine, als ihr Bruder fortfuhr: „Ich bringe dich zu deiner Klasse und komme dich auch da wieder abholen. Du wirst nicht alleine über das Schulgelände stromern und dich auch von keinem deiner Klassenkameraden zu irgendwas überreden lassen. Du wartest brav vor der Klasse, bis ich dich holen komme. Hast du mich verstanden?“ „Was ist, wenn ich Pipi muss?“, fragte Kari mit einer Unschuldsmiene, die ihren Bruder kurz aus der Fassung brachte: „Dann darfst du natürlich gehen. Nicht, dass du dir noch in die Hose machst, aber dann wartest du wieder vor deiner Klasse. So, sind dann alle soweit?“ Er sah zu seinen beiden Mitbewohnerinnen, die sich kurz angrinsten und sofort hatte Miyuki einen frechen Kommentar auf Lager, den sie sich nicht verkneifen konnte: „Muss ich mich auch an die Regeln halten, Aiden-kun?“ „Wie alt bist du eigentlich, Miyuki?“, murrte der Braunhaarige, was von der Grünhaarigen mit einem fröhlichen „Fünf!“ beantwortet wurde. Genervt schüttelte der Mann der Runde den Kopf, als seine Schwester auf die Letzte im Bunde zeigte: „Warum kommt Mirai eigentlich nicht mit?“ „Ich gehe nicht zur Schule, ich habe andere Dinge zu tun. Geheime Dinge“, flüsterte die Silberhaarige und hielt sich einen Finger vor den Mund, was die Jüngste große Augen machen ließ, doch dann drängte Aiden zum Aufbruch.   Während des ganzen Weges hielt Aiden seine Schwester an der Hand, denn leider hatte sie die Angewohnheit von einem Moment auf den nächsten zu verschwinden und das wollte er nicht. Der Zug war zum Glück erträglich von der Anzahl der Insassen her, weshalb Kari mit der Aussicht mehr als genug beschäftigt war. Aiden strich sich mit der Hand durch die Haare und lehnte sich an eine Haltestange, während er über die kommenden Tage nachdachte. Zum Glück waren es nur drei Schultage, an denen er Kari mitnehmen musste, denn ab morgen hatten sie, dank der Golden Week, drei Tage frei. Was Aiden jetzt allerdings vor ein Problem stellte war, dass sie nicht in die Schattenwelt konnten, solange Kari da war. Sie würden höchstens in der Nacht gehen können, wenn seine Schwester im Bett lag und schlief, aber da bestand immer die Gefahr, dass sie plötzlich wach werden und nach ihm suchen würde. Es half nichts, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, denn irgendwie mussten sie es schaffen, auch wenn das nächste Problem die Tür und der dazu passende Schlüssel waren. Miyuki schien seine Gedanken zu erahnen und klopfte ihm im Sitzen sanft gegen das Bein, was dem Oberschüler ein leichtes Lächeln auf die Lippen zauberte.   Als der Zug anhielt, setzten die drei ihren Weg fort und stießen am Schultor auf Luca, der seinen besten Freund mit einem leicht angesäuerten Blick ansah: „Du treulose Tomate! Ich mache am Samstag das Spiel meines Lebens und du haust einfach ab! Wie konntest du nur? Das ist Hochverrat!“ „Ich bin doch nicht dein Aufpasser, dass ich dir das Händchen halten muss, oder? Außerdem hatte ich andere Sachen zu erledigen und Glückwunsch zum Sieg“, lenkte der Braunhaarige auf ein anderes Thema, als der Blick des Spaniers auf die kleine Brünette fiel: „Oh, wer ist denn diese kleine Prinzessin?“ „Prinzessin? Hihi, ich heiße Kurosaki Hikari, sehr erfreut“, kicherte die Kleine und machte einen gespielten Knicks, was von Luca mit einer Verbeugung erwidert wurde: „Silva Luca, stets zu Diensten, euer Hoheit. Warte mal... Ach, du bist die kleine Schwester von Aiden. Seit wann ist sie denn hier?“ „Samstag“, kam Miyuki ihrem Mitbewohner zu Hilfe, denn jetzt nickte der Spanier verstehend und verzieh Aiden sein schlimmes Vergehen von vorgestern. Da die Zeit etwas drängte, brachte Aiden Kari schnell in das Gebäude für die Grundschüler, wo er zum Glück sofort einen Lehrer fand, dem er seine Schwester anvertrauen konnte. Noch einmal ließ er sich das Versprechen geben, dass sie sich genau an das halten würde, was er ihr heute Morgen gepredigt hatte, ehe er schnell das Gebäude wechselte und in seine eigene Klasse hechtete. Wenn es eins gab, was er nicht wollte, dann war es eine weitere Standpauke seiner Klassenlehrerin, weil er negativ aufgefallen war, doch zu seinem Glück kam er noch rechtzeitig in die Klasse.   Der Tag verlief ohne große Vorkommnisse, wobei die drei Persona-User sich in der Pause wieder auf dem Dach einfanden, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Das größte Problem der Gruppe war immer noch, dass ihnen der Schlüssel für die Tür fehlte. Leider kamen sie nicht weiter und auch weiteres Nachdenken während des Unterrichts brachte sie ihrem Ziel nicht weiter. Nach der Schule machten sie sich alle auf den Weg zu ihren Klubs, um wenigstens den Kopf etwas frei zu bekommen. Vorher musste Aiden allerdings wieder einen Abstecher zur Grundschule machen, um seine Schwester mitzunehmen. Diese stand, wie versprochen, vor ihrer Klasse und wartete geduldig auf ihn. Zu zweit machten sie sich dann auf den Weg zur Sporthalle, wo Aiden sein Gi anlegte und dann die Halle betrat. Kari musterte ihn neugierig, als er sich beim Eintreten verneigte und tat es ihm gleich, wenn auch nicht ganz so ernsthaft wie ihr Bruder. Masao hob den Blick, als der Braunhaarige eintrat und grinste etwas schief: „Ah, du bist da. Ich dachte schon, du hättest dir wieder Nachsitzen eingehandelt. Oh, wer ist denn die Kleine hier?“ „Meine Schwester, ich hoffe, es ist okay, wenn sie vom Rand aus zusieht“, erklärte der Oberschüler und erhielt ein leichtes Nicken seines Senpai, der das Training eröffnete. Aiden machte seine Übungen, wobei er neben Sakura stand und versuchte, die Grundhaltung richtig hinzubekommen. Ihm war, als hätte er etwas vergessen, was seine rosahaarige Kollegin ihm wieder ins Gedächtnis rief: „Du wolltest doch bei Munemasa-senpai fragen, ob du eine andere Haltung trainieren darfst. Jetzt wäre deine Chance dazu.“ „Stimmt, du hast recht, Nozaki“, lachte der Braunhaarige und ging zum Kapitän des Teams, der mit Adleraugen das Training seiner Kameraden.   Gerade war der Lilahaarige dabei, zwei seiner Kollegen auf die richtige Fußstellung aufmerksam zu machen, als er Aiden neben sich bemerkte: „Stimmt was nicht, Kurosaki? Oder brauchst du einen Rat?“ „Rat trifft es recht gut, Senpai. Ich habe gemerkt, dass mir dieser traditionelle Stil nicht unbedingt liegt“, begann der Braunhaarige zu erklären, was ihm ein verständliches Nicken einbrachte: „Ja, das habe ich gemerkt. Du wirktst extrem steif dabei, wenn ich das so sagen kann. Als hättest du einen Besen verschluckt. Wie genau kann ich dir jetzt helfen?“ „Naja, ich habe gehört, dass man beim Kendo auf mit einer Hand kämpfen darf und dass man es »Jodan-no-Kamae« nennt. Kannst du mir das vielleicht zeigen?“, kam der Oberschüler sofort zum Punkt und wurde etwas skeptisch vom Teamkapitän gemustert: „Ich bin ehrlich gesagt vom Einhandstil nicht überzeugt, weshalb ich meinen Leuten auch nur die traditionelle Haltung zeige.“ Etwas in der Stimme seines Senpai verriet, dass er dieses Thema wohl schon öfter gehabt hatte, aber Aiden war niemand, der schnell aufgab, wenn er etwas versuchen wollte: „J-ja schon, aber nur weil der Stil dir nicht gefällt, muss es bei mir doch nicht genauso sein, oder? Können wir es wenigstens versuchen?“ Eine Weile sahen die beiden sich an, ehe der Lilahaarige aufseufzte und sich den Nacken rieb: „Ich verstehe, was du meinst... Sorry, wenn ich eben etwas barsch geklungen habe. Meine Familie ist... etwas altgesotten in ihrer Denkweise und das habe ich wohl übernommen. Ich sollte meinen Leuten helfen und ihnen nicht meine Meinung aufzwingen.“   Aiden setzte ein freundliches Lächeln auf und nickte kurz: „Ist schon in Ordnung, Senpai, du musst dich nicht entschuldigen. Kannst du mir dann erklären, wie genau das funktioniert?“ „Haha, du bist selten so ehrgeizig, Kurosaki, aber von mir aus. Pass auf, das »Jodan-no-Kamae« alleine ist nicht der Einhandstil, genau genommen teil sich der Jodan nochmal in zwei Unterstile“, erklärte der Ältere und konnte bei dem entgleisten Gesichtsausdruck seines Teamkollegen nur auflachen: „Hast du schon die Lust verloren?“ „Nein, überhaupt nicht, aber ich hätte es mir schon denken können, dass es nicht ganz so einfach ist. Wie genau funktioniert das jetzt?“ „Pass auf, den »Jodan-no-Kamae« kennt man im allgemeinen auch als »Überkopfstil«“, erklärte der Kapitän und wurde nun fragend angesehen, denn das Bild in Aidens Kopf konnte nicht stimmen: „Soll das heißen, dass ich auf dem Kopf stehen muss, um in diesem Stil zu kämpfen?“ „Was? Nein! Oh mein Gott, das mit Überkopf bedeutet, dass du das Schwert über dem Kopf hältst. Wobei das schon lustig aussehen würde“, lachte Masao auf, als er sich das Bild ebenfalls vorstellte, doch dann wurde er wieder ernst: „Warum lache ich hier? Kendo ist nicht zum spaßen, Kurosaki! Nimm das ernst!“ „Hai, Senpai! Entschuldigung...“, murmelte der Braunhaarige und zog den Kopf etwas ein, als sein Senpai sich räusperte: „Sorry, bei dem Thema gehen zu schnell die Pferde mit mir durch. Versuchen wir mal die Haltungen aus. Wie bereits gesagt, besteht das Jodan aus zwei Haltungen, als erstes testen wir mal das »Migi Jodan-no-Kamae«.“   Aiden nickte und ging ein Stück von seinem Mentor weg, um ihn Stellung zu gehen, als er seine Anweisungen bekam: „Also, bei dieser Haltung stehst du gerade zum Gegner, die Beine etwas weiter auseinander. So, die Hand führst du jetzt an die Stirn, sodass du mich unter deiner Hand hindurch sehen kannst. Verstehst du, was ich meine?“ Langsam nahm der Braunhaarige die Haltung ein, die sein Senpai ihm vorgab und versuchte es so gut wie möglich zu machen, doch irgendwie fühlte er sich dabei nicht wohl. Masao achtete auf die Beinstellung und nickte dann: „Sehr gut, die Beine stehen richtig und die linke Hand sitzt. Jetzt hebst du das Schwert über den Kopf und... nein! Ich sehe jetzt schon, dass das hier nichts für dich ist. Du stehst da, als hättest du einen Stock im Hintern.“ Dankbar ging der Braunhaarige wieder in die Grundstellung, schüttelte seinen Arm aus und sah auf den Lilahaarigen, der sich nachdenklich am Kopf kratzte: „Das war ein Reinfall, aber es gibt ja noch andere Möglichkeiten. Als nächstes versuchen wir mal »Hidari Jodan-no-Kamae«.“   „Aha...“, murmelte Aiden und fuhr sich kurz durch die Haare, denn so langsam rauchte ihm bei diesen Fachausdrücken der Kopf, doch das wollte er Masao nicht sagen, weshalb er einfach nur gehorsam nickte. Erneut ging er in Position, um die Haltung richtig zu machen: „Dieses Mal ist es etwas anders. Das linke Bein schiebst du nach vorne und den rechten Fuß und den Oberkörper etwas nach außen drehen. Gut, die linke Hand wieder an die Stirn und das Schwert über den Kopf und ebenfalls etwas nach rechts drehen. So muss das aussehen, wir fühlst du dich dabei?“ „Naja, es geht. Dieses Überkopf ist irgendwie seltsam, aber ich will es mal versuchen“, erklärte Aiden seine Meinung, als sein Senpai vor ihm in die Grundstellung ging und das Schwert auf ihn richtete: „Dann wollen wir es mal versuchen, meinst du nicht? Greif mich an, wenn du bereit bist!“ Die beiden Kendoka sahen sich einen Moment an, ehe der Braunhaarige einen Satz nach vorne machte und mit dem Schwert zuschlug. Leider war Masao in der Lage, den Hieb mit Leichtigkeit zu parieren, ebenso wie die Hiebe, die der Braunhaarige auf seinen Kapitän folgen ließ.   Immer wieder klatschten die Schwerter gegeneinander, bis Aiden bei einem Schritt nach hinten aus dem Tritt kam und fast zu Boden fiel. Erschöpft nahm der Braunhaarige seinen Schutzhelm ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn, während er seine rechte Schulter etwas kreisen ließ, um sie zu entspannen. Leise summend nahm Masao ebenfalls den Helm ab und musterte seinen Kollegen, während er sich kurz über die Lippen leckte: „Das war schon mal ganz passabel, aber es scheint so, als würde dir das oben halten des Schwertes schwer fallen. Deine Schulter verkrampft dabei recht schnell.“ „Kann man dagegen was machen, also gegen das verkrampfen?“, erkundigte sich der Betroffene und sah zu, wie sein Mentor nachdenklich die Unterlippe nach vorne schob: „Naja, vielleicht brauchst du mehr Kalium und Magnesium, aber ich will mich jetzt nicht in deine Ernährung einmischen, Kurosaki. Bein- und Körperhaltung sind in Ordnung, es fehlt lediglich die Haltung des Schwerts. Wir kommen der Sache näher und ich glaube, dass wir mit dem »Hasso-no-Kamae« näher ans Ziel kommen.“ „Ganz ehrlich, Senpai, wie kannst du dir die ganzen Namen merken? Mir raucht jetzt schon der Kopf“, brummte der Persona-User, als Kari von der Seite rief und mit einem Notizblock wedelte: „Keine Sorge, Onii-chan, ich schreibe alles für dich mit! Wie schreibt man Hase no Kamel?“   „Danke, Kari... Wie geht diese nächste Haltung, Senpai?“, murmelte er und sah den Lilahaarigen an, der wieder in Stellung ging: „Selbe Haltung, wie beim »Hidari Jodan-no-Kamae«, allerdings nimmst du den Arm ein bisschen weiter nach hinten und senkst das Schwert ab, sodass das Tsuba auf Höhe deines Mundes ist.“ „Das was?“, kam es irritiert von dem Schüler, der ein paar Mal verdutzt blinzelte, als sein Partner sanft mit dem Finger auf die mit Leder umwickelte Spitze seines Kendoschwertes deutete: „Das ist das Tsuba.“ „Sag doch einfach Schwertspitze dazu...“, brummte Aiden und nahm die besagt Haltung ein, die ihm tatsächlich leicht er fiel als die vorherigen, was Masao auflachen ließ: „Wir sind Kendoka, deshalb nutzen wir auch die entsprechenden Ausdrücke. Gewöhn dich lieber daran, mein Lieber. Bereit?“ „Hai!“, rief der Braunhaarige und setzte erneut zum Angriff an, wobei es ihm dieses mal etwas leichter fiel. Auch wenn er eine deutlich bessere Performance zeigte, blieb das Ergebnis dasselbe, denn er kam nicht durch Masaos Block hindurch und nach einigen Hieben kassierte Aiden selbst einen Schlag auf den Kopf, der trotz des Schutzhelms extrem weh tat.   Erschöpft sank der Braunhaarige in sich zusammen und versuchte zu Atem zu kommen, während Masao das Training für heute für beendet erklärte. Die einzelnen Mitglieder des Klubs stellten sich nebeneinander und verneigten sich respektvoll, bevor bis auf Masao, Aiden, Kari und Sakura alle die Halle verließen. Der Lilahaarige nahm den Oberschüler noch kurz beiseite und verschränkte die Arme vor der Brust: „So ganz haben wir noch nicht die passende Haltung für dich gefunden, aber du hast mich beeindruckt. Du hast Ehrgeiz und das mag ich. Wir kriegen das zusammen hin, Kurosaki!“ „Arigato, Munemasa-senpai! Ich tue mein bestes!“, rief er aus und verneiget sich tief, da er für die Ratschläge äußerst dankbar war, als sich ein warmes Gefühl in seiner Brust ausbreitete. Mit einem Klopfer auf die Schulter machte sich der Lilahaarige auf den Weg zum Büro des zuständigen Lehrers, als er noch einmal die Stimme erhob: „Danke fürs aufräumen, Nozaki!“ Die Rosahaarige packte die einzelnen Übungswaffen und nickte ihrem Senpai kurz zu, ehe sie auch Aiden und Kari zum Abschied winkte.   Um seine Schwester nicht allzu lange warten zu lassen, wusch sich der Braunhaarige im Schnelldurchgang und wechselte die Kleider, bevor er sich mit Kari auf den Weg machte. Fröhlich pfeifend hielt sich die Kleine an der Hand ihres Bruders fest, welcher sie lächelnd ansah: „Na, wie war der erste Tag?“ „Gut, meine Klassenkameraden waren alle sehr nett, es ist nur...“, sie brach ab und sah auf ihre Füße, doch Aiden wusste ganz genau, was sie hatte sagen wollen: „Du willst dich nicht mit ihnen anfreunden, weil du bald wieder weg bist, nicht wahr?“ Mit gesenktem Kopf biss sich die Kleine auf die Unterlippe und nickte dann knapp, denn vor ihrem Bruder konnte und brauchte sie nichts zu verbergen. Aiden ging neben seiner kleinen Schwester in die Hocke und strich ihr sanft über den Kopf, bevor sie ihn fest umarmte. Vorsichtig richtete er sich auf und trug Kari ein Stück, als diese leise murmelte: „Kann ich nicht hier bei dir bleiben, Onii-chan?“ „Ich weiß es nicht. Das ist eine Sache, die Mama und Papa entscheiden müssen. Aber lass uns nicht über so etwas trauriges reden, du bist jetzt für die Woche bei mir und die Zeit nutzen wir für was Schönes“, versuchte der Braunhaarige seine Schwester aufzumuntern, die ihn mit Tränen in den Augen ansah: „Aber das ist so kurz und wenn ich zu Mama und Papa gehe, dann bist du wieder weg und ich vermisse dich.“ Mit einem leisen Seufzer setzte er das Mädchen ab und hockte sich wieder vor sie, wobei er ihr den Kopf tätschelte: „Hey, nicht weinen. Genießen wir die Zeit zusammen und am Samstag ist auch noch das Konzert. Komm, zeig mir dein strahlendes Lächeln.“   Die Kleine versuchte der Bitte ihres Bruders nachzukommen, doch wirkte das Lächeln der Grundschülerin eher gequält als fröhlich, weshalb der Oberschüler seufzte und sich am Hinterkopf kratzte: „Okay... versuchen wir was anderes. Was hältst du davon, wenn wir uns ein schönes Stück Kuchen und einen Kaffee genehmigen?“ „Kuchen, ja! Kaffee ist ekelhaft... aber ich will einen Kakao!“, erwiderte die Kleine und sah ihren Bruder bettelnd an, der nur grinste und ihr die Haare verwuschelte: „Wenn meine Kleine einen Kakao möchte, dann soll sie ihn auch bekommen. Na komm, ich kenne ein echt geniales Café.“ „Hurra, du bist der Beste, Onii-chan!“, rief die Brünette und strahlte ihren Bruder fröhlich an, während sie ihren Weg fortsetzten: „Das ist das Grinsen, das ich sehen wollte. Na los, der Kuchen wartet.“   Mit deutlich besserer Laune erreichten die beiden Geschwister die Paulownia Mall und steuerte das Café an, dass Aiden schon des Öfteren mit Miyuki und Mirai besucht hatte. Er drückte die Tür auf und ließ seine Schwester vorbei, die sofort den Duft aufsog und sich neugierig umsah, bis sie einen leeren Tisch entdeckte und diesen ansteuerte. Mit einem leichten Lächeln folgte der Oberschüler und setzte sich mit Kari an den Tisch, wo die Kleine sofort die Dessertkarte nahm und sich etwas aussuchte: „Kann ich haben, was ich will?“ „Halt es in Grenzen, wir essen später schließlich noch zu Abend, aber ja, such dir was aus. Ich glaube, ich nehme was mit Erdbeeren“, murmelte der Braunhaarige, doch war seine Schwester eher für einen Schokoladenkuchen zu begeistern, weshalb der Schüler eine Bedienung auf sich aufmerksam machte. Die beiden suchten sich noch ein Getränk aus, als die Bedienung an sie herantrat und einen kleinen Block zückte: „Hallo, habt Ihr schon gewählt?“ Aiden nickte und hob den Kopf, um die Bestellung aufzugeben: „Ja, wir hätten gern... Mirai?“ Erstaunt riss er die Augen auf, als er die Bedienung als seine Mitbewohnerin erkannte. Sie trug eine schwarz-weiße Maiduniform und hatte die Haare hinten zu einem lockeren Zopf hochgebunden. Es war ungewohnt, Mirai in solchen Kleidern zu sehen, doch konnte Aiden nicht leugnen, dass seine Bekannte verdammt gut aussah. Mit leicht verzogenem Gesicht musterte die junge Frau ihren Mitbewohner und bemerkte den leichten Rotschimmer auf seinen Wangen, als sie einen frechen Kommentar gegen ihn losließ: „Sorry, aber ich stehe nicht auf der Karte, mein lieber Aiden. Such dir was anderes aus.“ „Leg mir keine Wörter in den Mund! Vor allem, wenn Kari hier ist, um Gottes Willen. Was machst du eigentlich hier?“, wunderte sich der Braunhaarige immer mehr, was ihm nur wieder eine trockene Antwort einbrachte: „Arbeiten, nach was sieht es denn aus?“   Hikari konnte sich ein Kichern über die beiden nicht verkneifen und ließ ihre Beine ein bisschen in der Luft baumeln: „Kann ich einen Kakao und ein Stück Schokoladenkuchen haben?“ „Sicher doch, Kleine. Und was wünscht der Herr, außer meiner Wenigkeit, die nicht auf der Karte steht?“, stichelte die Silberhaarige munter weiter, was ihr ein genervtes Brummen und einen bösen Blick einbrachte: „Warum muss du immer Salz in die Wunde streuen? Ich nehme einmal die Hausmarke, bitte mit etwas Zucker und Milch und dazu ein Stück Erdbeerkuchen.“ Mit einer leichten Verneigung schlenderte Mirai zum Tresen, um die Bestellung zu ordern. Die beiden Geschwister unterhielten sich ein bisschen über die Schüle, als sie ihren Kuchen und die Getränke hingestellt bekamen: „So, einmal Schokoladenkuchen mit Kakao und einmal Erdbeerkuchen mit einem Kaffee. Lasst es euch schmecken!“ „Itadakimasu!“, rief die kleine Brünette aus und genehmigte sich einen großen Bissen von ihrem Kuchen, während ihr Bruder sich an seine Mitbewohnerin wandte: „Seit wann arbeitest du hier?“ „Lass mich überlegen... Seit wir das letzte Mal hier waren und ich euch nicht länger auf der Tasche liegen wollte. Nachdem ihr beide gegangen wart und ich alleine da war, hab ich mein Geschirr weggeräumt. Dann ist der Manager rumgerannt und hat sich beschwert, dass eine Kellnerin ausgefallen sei. Tja, ehe ich mich versah, war ich angestellt und damit hab ich eine gute Beschäftigung, während ihr in der Schule hockt und paukt. Außerdem verdiene ich etwas Geld um euch nicht auf der Tasche zu liegen“, erzählte die Silberhaarige und hielt das Serviertablett vor ihrem Schoß. Dieses Mal war es Aiden, der sich einen frechen Kommentar nicht verkneifen konnte und die Aktion wegen der Karte wollte er Mirai zurückgeben: „Ah, ich verstehe. Übrigens, du siehst echt niedlich aus, in deiner Kellnerinnen-Uniform.“   Er nippte an seinem Kaffee und beobachtete mit einer tiefen Genugtuung, wie seine Mitbewohnerin knallrot anlief und auf dem Absatz kehrt machte, um zu einem anderen Tisch zu eilen, der bestellen wollte. Aiden kicherte fies und nippte weiter an seinem Kaffee, wobei er seine Freundin weiterhin im Auge behielt. Es war schön, dass sie eine Beschäftigung gefunden hatte, der sie nachgehen konnte. Er hatte ja schon befürchtet, sie würde im Wohnheim irgendwann einem Lagerkoller erliegen, aber so hatte es ein gutes Ende genommen. Kari folgte seinem Blick und kaute ihren Kuchen, bevor sie ihren Bruder angrinste: „Magst du Mirai?“ „Hm? Klar mag ich sie... Nicht auf diese Weise!“, lenkte der Oberschüler direkt ein, was seine Schwester etwas schmollen und von ihrem Kakao trinken ließ, ehe sie sich aufmerksam in dem ganzen Raum umsah: „Mhm. Ich muss mal kurz auf die Toilette. Wo ist die?“ Etwas überrascht von dem plötzlichen Themenwechsel deutete der Braunhaarige hinter sich in eine Ecke des Lokals, die seine Schwester jetzt ansteuerte: „Hände waschen nicht vergessen und komm danach sofort wieder her.“   So ganz traute er dem Braten nicht, weshalb er Mirai noch einmal zu sich winkte, die ihn verstimmt musterte: „Was ist denn jetzt noch?“ „Kannst du vielleicht ein Auge auf Kari haben, sie will zur Toilette“, erklärte dich der Braunhaarige, was die Kellnerin aufschauen und grinsen ließ: „Ah ja, das versteht man also heutzutage unter »auf die Toilette gehen«. Sehr interessant.“ Mit einer gehobenen Augenbraue drehte Aiden sich nach hinten und stieß im nächsten Moment einen schrillen Klagelaut aus, als er seine Schwester bei einer jungen Frau entdeckte: „Oh nein! Nicht schon wieder!“ Er hechtete auf Kari zu, wobei er von Mirai neugierig begleitet wurde. Leider kam er zu spät, denn seine Schwester trällerte bereits fröhlich los: „Darf ich dich was fragen? Hast du zufällig einen Freund? Mein großer Bruder sucht eine Freundin und du wärst wirklich perfekt dafür.“ So schnell er konnte griff Aiden die Kleine am Kragen und zog sie zurück: „Haha, kleine Kinder reden so viel lustiges Zeug, wenn der Tag lang ist. Bitte entschuldigen Sie die Störung. Bist du noch zu retten?“   Mit wütender Miene zog er Hikari zu den Toiletten und stemmte die Hände an die Hüfte, während die Kleine sich anscheinend keiner Schuld bewusst war: „Ich weiß gar nicht, warum du dich aufregst. Ich will dir doch nur helfen, Onii-chan.“ „In diesem Fall brauche ich keine Hilfe und wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du das bleiben lassen sollst?“, stöhnte Aiden genervt auf und bekam von Mirai einen Knuff gegen die Schulter: „Oh man, das ist die beste Schicht, die ich je hatte. Mach weiter so, Kari-chan, dafür geht dein Kuchen heute auf mich. Aiden, wir werden noch unseren Spaß haben, nicht wahr?“ Sie grinste frech und schlenderte zu einem der Tische, als Aiden sich wieder an seine Schwester wandte: „Ich habe dich schon so oft gebeten, das sein zu lassen. Warum hört du nicht auf mich?“ „Na, weil du Hilfe brauchst und ich bin doch für dich da“, erwiderte die Kleine und strahlte ihren Bruder an, der sich genervt den Nacken rieb und dann eine Stimme in seinem Hinterkopf vernahm: „Ich bin du. Du bist ich.“ Mit einem wehleidigen Blick sah er auf das Mädchen vor ihm und seufzte, bevor die Kleine von einem Fuß auf den anderen sprang: „Jetzt muss ich aber wirklich auf die Toilette.“   Sie hechtete in den Raum und ließ ihren Bruder stehen, der sich durch die Haare fuhr. Die Tatsache, dass Hikari sich als einer seiner Verbindungen entpuppte, machte es für ihn nicht unbedingt leichter. So sehr er sich auch dagegen wehren wollte, er konnte es nicht mehr ändern und musste es akzeptieren. Er wartete noch eine Weile, bis Kari aus der Toilette kam und ihre nassen Hände schüttelte: „Die Handtücher sind alle... Onii-chan, warum schaust du so komisch?“ „Ach, ist schon in Ordnung. Komm, ich hab noch ein Handtuch dabei“, erwiderte er und tätschelte dem Mädchen den Kopf, bevor sie zu ihrem Tisch zurück gingen. Kapitel 16: XVI - Der Stern weist den Weg ----------------------------------------- ~~~Dienstag 03. Mai 2016~~~ ~~~Verfassungstag~~~ Mit einem lauten Murren hockte Mirai im Wohnheim auf der Couch und versuchte krampfhaft still zu halten, während Miyuki ihr gegenüber saß und auf ihrem Block herum kritzelte. So ganz wusste die Silberhaarige nicht, was sie davon halten sollte, denn jedes Mal wenn sie sich bewegte, bekam die Grünhaarige fast einen Anfall, auch dann, wenn sie sich nur an der Nase kratzen wollte: „Halt still, Mirai! Sonst hast du nachher eine andere Pose und dann passt das von den Armen nicht mehr.“ „Jaja, ist ja schon gut. Himmel, du bist ja penetrant...“, murmelte die Silberhaarige und versuchte ruhig zu bleiben, während sie skizziert wurde: „Hey, du hast eingewilligt mir zu helfen, solange die Jungs mit Kari-chan in der Stadt sind, also mecker nicht.“ „Ich hätte doch mitgehen sollen“, fluchte die Kellnerin und ließ den Kopf hängen, was ihr sofort eine weitere Standpauke einbrachte: „Kopf gerade und Kinn nach oben!“ So langsam wünschte sich Mirai wirklich, sie wäre mit Aiden und Luca mitgegangen, aber nein, sie hatte sich ja unbedingt hierzu breitschlagen lassen. Innerlich betete sie dafür, dass die beiden Herren nicht zu lange mit der Kleinen in der Stadt bleiben würden.   Zur selben Zeit spazierten Aiden und Kari mit Luca durch die Mall und die kleine Brünette war in ihrer Neugier nicht zu bremsen, denn sie flitzte von einem Geschäft zum nächsten. Aiden stöhnte genervt auf, denn genau das hatte er kommen sehen. Seine Schwester hatte definitiv zu viel Energie und die wurde sie nur sehr selten los: „Danke fürs mitkommen, Luca, aber das wird anstrengend, das kann ich dir versichern.“ „Ach was, die Kleine ist doch so süß, da nimmt man das schon mal in Kauf“, erwiderte der Spanier und verschränkte grinsend die Arme hinter dem Kopf. Leider war dem Grünäugigen nicht bewusst, auf was er sich da eingelassen hatte, denn im nächsten Moment machte die Kleine einen Hüpfer und deutet auf einen Laden: „Onii-chan, schau mal! Können wir mal kurz in den Laden gucken? Bitte!“ „Wie gesagt, das wird anstrengend... Von mir aus, aber nur gucken, verstanden?“, beharrte der Braunhaarige, was seine Schwester nur eifrig nicken ließ: „Versprochen, Onii-chan! Komm!“ Zu dritt betraten sie das Geschäft, was ein leises Klingeln der Glocke über der Tür zur Folge hatte.   Der Laden war voller Spielzeugregale, was die Augen der Brünette förmlich zum Leuchten brachte, bevor sie bereits zum ersten Regal stürmte, auf dem verschiedene Plüschtiere standen. Die beiden Braunhaarigen folgten dem Mädchen, dass von einem Punkt zum nächsten hechtete und Aiden nur ein gequältes Lächeln abverlangte: „Und sie legt los... Ich hoffe, du bist aufgewärmt, Luca.“ Mit einem Seufzer ergab sich der Spanier seinem Schicksal und kurz darauf hechtete die beiden Oberschüler durch den ganzen Laden, um Kari im Auge zu behalten. Denn kaum hatte sie etwas gefunden, was sie interessierte und die Jungs hatten sie eingeholt, war der Brünette schon etwas neues ins Auge gesprungen, wo sie hin rannte. Nach einer gefühlten Stunde hatte sich Kari bei einem Regal mit kleinen Puppen eingenistet und bestaunte ein paar Prinzessinnen-Figuren. Aiden strich sich erschöpft ein paar Haare aus dem Gesicht und sah seiner Schwester zu, als sein Freund ihm leicht in die Rippen stieß und ihn von der Seite ansah: „Sag mal, hast du in der Zwischenzeit eine Idee gehabt, wie wir das Problem mit Tenno lösen?“ „Nicht wirklich. Wir haben die Tür gefunden, aber uns fehlt immer noch der Schlüssel und dazu war das Schlüsselloch mit dieser Kuppel versiegelt. Wie wir es drehen und wenden, uns fehlt etwas“, erwiderte der Anführer der Gruppe und stieß einen erschöpften Seufzer aus.   Er lehnte sich gegen ein Regal und sah zu, wie Luca zu Kari ging und ihr wohl eine ausgedachte Geschichte über eine Prinzessin erzählte, die das kleine Mädchen anscheinend begeisterte. Langsam schloss Aiden die Augen und grübelte über die Situation nach, in der sie einfach nicht weiter kamen. Ein leises Klingeln riss ihn aus seinen Gedanken und ließ ihn unwillkürlich zur Tür schauen, denn er wollte neuen Kunden nicht im Weg stehen, doch hatte niemand den Laden betreten. Langsam fuhr er sich mit der Hand durch die Haare, denn er war sich ziemlich sicher, dass er gerade eine Glocke gehört hatte. Er ließ den Blick kurz nach links und rechts schweifen, als sein Blick auf eine Person im Kimono fiel, die zwischen den Regalen verschwand. Eigentlich würde ihn das nicht interessieren, doch als er aus der Richtung, in der die Person verschwunden war, eine Glocke hörte, wurde er neugierig. Er hatte es nicht genau gesehen, aber irgendwas sagte ihm, dass der Kimono blau war und das konnte nur eins bedeuten. Vorsichtig folgte er der Person und als er um die Ecke schaute sah er die Person, die er erwartet hatte: Amalia. So ganz konnte er es nicht verstehen. Igor, Amalia und dieser ganze Velvet Room waren doch nur eine Ausgeburt seiner Fantasie... oder? Das hatte er zumindest gedacht, aber jetzt sah er die Blondine in dem blauen Kimono direkt vor sich, wie sie ein Murmelspiel in der Hand hielt und es musterte.   So ganz wusste der Braunhaarige nicht, was er von dieser Situation halten sollte, doch dann richtete die Blondine den Blick auf ihn: „Ich grüße dich, Aiden-sama. Sag, der Zweck dieser Dinge ist es doch, dem Besitzer einen freudigen Zeitvertreib zu bescheren, nicht wahr?“ „Was? Äh, ja. Im großen und ganzen schon. Was machst du hier, Amalia?“, konnte der Schüler sich seine Frage nicht verkneifen, was die Blondine kurz überlegen ließ: „Ich dachte es wäre lustig, mal eins dieser Spiele mit meinem Meister oder meinen Geschwister zu spielen. Aber die sehen alle sehr kompliziert aus.“ „D-das habe ich nicht gemeint. Was ich wissen wollte ist, warum bist du hier, außerhalb dieses komischen Raumes?“, wurde Aiden präziser und bekam einen neugierigen Blick zu spüren, als die Frau sich zu ihm umdrehte und dabei wieder mit ihrem Glöckchen klingelte: „Oh, sag das doch gleich. Nun, meine Schwestern haben mir berichtet, wie toll die Welt außerhalb des Velvet Rooms ist. Von daher wollte ich mir selbst mal ein Bild davon machen. Es ist dazu eine Freude, meinem werten Gast zu begegnen.“ Auf die Aussage konnte der besagte Gast nur eine Augenbraue heben, denn auch wenn Amalia recht glücklich wirkte, half ihm das immer noch nicht bei seinem Problem weiter und das schien auch die Dame im Kimono zu bemerken.   Neugierig neigte sie den Kopf und sah den Persona-User fragend an: „Bedrückt dich etwas, Aiden-sama?“ „Aufgrund der Tatsache, dass du und Igor mir diesen Quatsch erst eingebrockt haben, solltest du wissen, was mir Bauchschmerzen bereitet“, murrte der Braunhaarige und zu seiner Überraschung nickte Amalia zustimmend: „Ja, das ist mir bewusst. Die junge Dame, die den Schatten zum Opfer gefallen ist.“ „Zum Opfer gefallen? Heißt das, dass es zu spät ist?“, wurde der Schüler panisch, doch sofort hob die Blondine beschwichtigend die Hände: „Oh, verzeiht mir, Aiden-sama, ich habe mich etwas ungünstig ausgedrückt. Sie ist sicher, zumindest solange das Licht des Mondes noch nicht erloschen ist.“ Auf die Aussage musste der Braunhaarige erst einmal stutzen und kratzte sich verwirrt am Hinterkopf, doch es gab einen Punkt an dieser Aussage, der bei ihm definitiv hängen geblieben war: „Tenno lebt noch, das habe ich doch richtig verstanden, oder?“ Als er ein Nicken zur Antwort bekam war ihm, als fiele ihm ein Stein vom Herzen, denn so hatten sie noch eine Chance. Sie war zwar klein, aber sie hatten eine. Leider kam er wieder zu dem Punkt, an dem es brenzlig wurde: Der Schlüssel fehlte immer noch!   Mit nachdenklichem Blick sah er zu Boden, als Amalia erneut das Wort ergriff: „Du scheinst besorgt zu sein. Wohl wegen der jungen Dame, die von den Schatten verhüllt ist. Vielleicht wäre es das Beste, wenn du einmal ganz tief in dich hinein gehst und auf dein innerstes Selbst hörst.“ Nun hob der Braunhaarige wieder eine Augenbraue. Auf sein innerstes Selbst hören? Wie sollte das denn gehen? Er stieß einen müden Seufzer aus und wandte sich zu Tür, wo er etwas besonderes entdeckte. Vor dem Geschäft schimmerte die Gestalt von Rigel, die den Blick fest auf ihn gerichtet hatte und auf ihn zu warten schien. Wenn er seine Persona so sah, machten die Worte der Blondine plötzlich Sinn. Sein innerstes Selbst war seine Persona! Schnell warf Aiden einen Blick über die Schulter, doch war Igors Assistentin spurlos verschwunden. Es hätte ihn wundern sollen, doch bei diesen komischen Gestalten war praktisch alles möglich, weshalb er es nur mit einem Achselzucken abtat. Rigel war vermutlich die Lösung für sein Problem, also wollte er die Gelegenheit nutzen, doch mussten dafür leider Opfer gebracht werden. Schnell hechtete Aiden um das nächste Regal und entdeckte seinen Freund und seine Schwester: „Hey Luca, kannst du mal kurz ein Auge auf Kari haben? Ich muss kurz raus. Danke!“ Bevor der Spanier auch nur ein Wort des Widerspruchs erheben konnte, war der Braunhaarige bereits zur Tür raus und folgte seiner Persona über den Gehweg. Die Passanten, an denen Aiden vorbei kam, schienen das Wesen gar nicht zu bemerken, was dem Schüler nur zugutekam, doch staunte er nicht schlecht, als Rigel stehen blieb und mit der Hand auf die Werkstatt von Harukas Großvater deutete. „Ja, ich weiß, dass sie in der Schattenwelt da drin ist, aber wie soll mir das hier helfen, Rigel?“, kam er auf den Punkt, was seine Persona nicht zu stören schien, stattdessen schwebte der Speerträger über die Straße, ein Stück nach oben und verschwand in dem Haus.   Jetzt stand Aiden vor einem Problem, denn ganz offensichtlich war da etwas in Harukas Haus, was ihn zu dem Schlüssel führen würde, wenn er nicht sogar selbst den Schlüssel dort finden sollte. Während er sich seine Gedanken machte, sah er wie die Tür aufging und eine Frau um die 40 mit braunen Haaren, in Begleitung einer jungen, blauhaarigen Frau von Anfang 20 aus dem Haus kam. Bei der Brünette musste es sich um Harukas Mutter handeln, doch konnte Aiden mit der Blauhaarigen nichts anfangen, weshalb er hinter einer Ecke Deckung suchte und auf das Gespann sah. Zum Glück war hier kein Verkehr, weshalb er das Gespräch ohne große Probleme verfolgen konnte, was bei dem lauten Organ von Harukas Mutter nicht schwer war: „Elf Tage! Elf Tage ist meine Tochter verschwunden und sie haben nicht einmal einen Anhaltspunkt? Was ist, wenn sie tot ist? Sie sollen den Bürgern doch helfen, also tun sie etwas!“ Auf den lauten Tonfall verzog die Blauhaarige keine Miene, stattdessen blieb sie sachlich und ruhig: „Bei allem Respekt, Tenno-san, wir tun alles, was wir können, jedoch fehlen uns konkrete Spuren. Die einzige Spur, die sie uns genannt haben, ist ihr Schwiegervater, dem wir nichts nachweisen können. Da sie aber auf ein Gespräch mit meinem Vorgesetzten bestehen, sollten wir lieber zum Präsidium fahren.“ „Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn sie wenigstens das hinbekommen würden, Shirogane-san. Na los!“, herrschte die Brünette die Blauhaarige an, die nur mit dem Kopf schüttelte und dann an der offenen Werkstatt vorbei ging.   Über den Auftritt konnte Aiden nur das Gesicht verziehen und hechtete dann über die Straße: „Wow, reizende Frau... Okay, wie komme ich jetzt da rein? Hm, es hat schon einmal geklappt, warum nicht noch ein zweites Mal?“ Noch einmal vergewisserte er sich, dass die beiden Frauen wirklich verschwunden waren, bevor er durch das offene Tor in die Werkstatt ging und nach dem Besitzer Ausschau hielt, der in einer Ecke des Raumes an seinem Computer saß und anscheinend etwas geschäftliches überprüfte. Kurz klopfte der Oberschüler mit den Fingerknöchel an das Stahltor, ehe er die Werkstatt betrat: „Guten Morgen, Tenno-san, wie geht es Ihnen?“ Der ältere Herr wandte sich um und strich einige Haare aus dem Gesicht, bevor er aufseufzte: „Ach, du bist es, Junge. Naja, es ging mir schon mal besser. Die Leute schauen mich an, als wäre ich ein Verbrecher und meine Enkelin ist immer noch spurlos verschwunden. Wie sieht es bei dir aus? Hast du einen Hinweis auf meine Haruka?“ Für einen Moment dachte der Braunhaarige darüber nach, ob er das sagen sollte, aber was hatte er denn für eine Wahl? Kurz nahm er einen tiefen Atemzug, ehe er das Wort ergriff: „Es ist etwas schwer zu erklären, aber ja. Wir wissen wo sie ist, aber wir brauchen etwas, um zu ihr zu kommen. Ich weiß, dass muss sich ziemlich seltsam anhören, aber Sie müssen mir glauben.“   Es war still geworden, doch dann schnaubte der Mechaniker und sah Aiden fest an: „Junge, ich habe gesehen, wie meine Enkelin in einen Baum gezerrt wurde. Viel verrückter kann es für mich nicht werden, aber wenn ich helfen kann, meine Enkelin zu finden, dann werde ich alles tun. Also, was brauchst du, Junge?“ „Ich bin mir selbst nicht sicher, aber ich glaube, es könnte Tenno gehören. Dürfte ich mich mal im Haus umsehen?“, wagte der Braunhaarige den nächsten Schritt und erhielt ein zustimmendes Nicken. Kurz schloss der ältere Herr alle Programme auf seinem Computer und führte den Braunhaarigen dann ins Haus. Der Flur, in dem sie herauskamen, war über und über mit Bildern einer jungen, braunhaarigen Frau behangen, die sie als Siegerin verschiedenster Schönheitswettbewerbe zeigte. Für einen Moment glaubte Aiden, dass das seine Mitschülerin wäre, doch als er die Jahreszahlen sah, musste er feststellen, dass das Harukas Mutter war. „Ist Tenno-san sehr engagiert, wenn es um solche Wettbewerbe geht?“, fragte er nach und wieder nickte der Alte: „Ja, sie übertreibt es auch gerne mal ein bisschen, wenn es darum geht. Haruka hat regelmäßig Wutanfälle deswegen, denn Kotone will meine Kleine auch in diese Richtung drücken, aber... Naja, du hast gesehen, zu was das am Ende geführt hat.“ „Ja, leider. Wo ist das Zimmer ihrer Enkelin?“ Auf die Frage deutete der Mechaniker eine Treppe hinauf: „Im oberen Stock, die zweite Tür auf der linken Seite.“   Die beiden stiegen die Treppe hinauf und an der besagten Tür hielt Aiden einen Moment inne und sah über die Schulter: „Bitte entschuldigen Sie, dass ich so in der Privatsphäre ihrer Enkelin rumschnüffele.“ „Ist okay, Junge. Solange es mir meine Haruka zurück bringt“, murmelte der Alte und sah auf die Tür, die Aiden in dem Moment aufdrückte und den Raum betrat. Er war zwar noch nie im Zimmer eines Mädchens gewesen, aber so hatte er sich das nicht vorgestellt. Es hatte nur das notwendige Mobiliar wie ein Bett, einen Schreibtisch und einen Kleiderschrank, dazu ein paar Regale, die mit allen möglichen Automodellen und Büchern zugestellt waren. Neugierig las er sich die Titel der Bücher durch, bei denen es sich immer um Tipps zu Mechanik und Motoren handelte. Irgendwie brachte ihn das zum Schmunzeln, denn es zeigte, dass Haruka ein Mädchen war, dass sich nicht gerne in eine Schublade packen ließ. Zwischen all den Büchern und Auto- und Motorradmodellen entdeckte Aiden einen Bilderrahmen, der ihn neugierig machte. Auf dem Bild war ein brünettes Mädchen von vielleicht zehn oder elf Jahren zu sehen, die in einem rosafarbenden Kleid mit einem strahlenden, braunhaarigen Mann auf einer Bühne stand. Dieses Mal handelte es sich definitiv um Haruka und der Mann neben ihr musste dann ihr Vater Haruki sein. Harukas Großvater trat neben ihn und rieb sich kurz die Augen, als er das Bild sah: „Das ist eines der letzten Bilder, die von meinem Sohn gemacht wurden. Ein halbes Jahr danach ist er leider verstorben. Haruka hat sich davon leider nie wirklich erholt, denn sie war ein Vaterkind.“   Mit einem traurigen Blick sah der Braunhaarige auf das Bild, denn es war einfach nicht richtig, dass er so in Harukas Sachen herum wühlte. Er hatte zwar einen guten Grund, aber dennoch war es nicht richtig. Sein Blick ging wieder auf das Bild und besonders auf das Accessoire, dass Haruka auf dem Kopf hatte: „Was hat ihre Enkelin da auf dem Kopf? Eine Krone?“ „Nicht ganz, mein Junge. Das nennt man ein Diadem, aber frag mich nicht, wo der Unterschied ist. Haruki hat es für meine Kleine machen lassen, damit sie es bei diesem einen Wettbewerb tragen konnte. Es war der erste und einzige Wettbewerb, bei dem nicht Kotone sie gecoacht hatte und diesen Wettbewerb hat sie auch gewonnen. Leider ist das nie wieder passiert“, erzählte der Mann und seufzte schwer, während in Aidens Kopf die Zahnräder ratterten. Dieser Kopfschmuck musste der Schülerin viel bedeuten und bei dem Bild, dass er durch eine schnelle Internetsuche gefunden hatte, kannte er auch die Form dieses Objektes. Er sah sich kurz um, ehe er sich wieder an den Mechaniker wandte: „Sagen Sie, wissen Sie zufällig, ob Tenno das Diadem noch hat?“ Mehr als ein langgezogenes „Ähm“ hatte der Alte nicht übrig und sah sich etwas verloren im Zimmer um: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es noch hat, aber die Frage ist eher wo es ist?“   Langsam begann der Braunhaarige den Raum abzusuchen und sah in jede Schublade und jedes Regalfach, doch wurde er leider nicht fündig. Gerade legte er einen Schraubenschlüssel zurück, als er aus dem Augenwinkel ein blaues Leuchten wahrnahm. Schnell drehte er sich um und sah Rigel, der über dem Bett schwebte und ihn ausdruckslos anschaute. Etwas skeptisch sah der Braunhaarige seine Persona an, denn ihm war nicht klar, was das Wesen ihm sagen wollte. Was sollte er denn mit dem Bett anfangen? Dann traf es ihn wie ein Hammer, es ging nicht um das Bett sondern um das, was darunter war! Unter dem skeptischen Blick von Harukas Großvater kroch der Schüler unter das Bett und wurde nach kurzem Suchen fündig. Langsam kam der Braunhaarige wieder hervor und zog eine alte Schachtel hervor. Vorsichtig hob er den Deckel an und fand das, was er sich gedacht hatte, denn in der Kiste lagen die Kleider, die Haruka bei ihrem siegreichen Wettbewerb getragen hatte. Er musste ein bisschen in dem Stoff herum wühlen, bis er das kühle Metall des Diadems zu fassen bekam und es vorsichtig aus der Kiste zog. Kaum hatte er das Accessoire in der Hand kniff er kurz das linke Auge zusammen, da es plötzlich schmerzte, doch als er es wieder öffnete, sah er die blaue Aura, die um das Diadem schimmerte. Für Aiden gab es jetzt keinen Zweifel, dass er hier den Schlüssel zu der Tür in den Händen hielt und das ließ ihn erleichtert aufatmen. Jetzt konnten sie die Brünette retten und wenn er Amalias Worten Glauben schenken konnte, lebte sie auch noch.   Um keine Unordnung zu hinterlassen verstaute er die Kiste wieder unter dem Bett und wandte sich dann an den Mechaniker: „Ich glaube, jetzt haben wir alles, was wir brauchen. Wir können Tenno finden!“ „Weißt du... normalerweise würde ich dich für verrückt erklären, Junge, aber nach alldem, was ich gesehen habe, glaube ich dir. Versprich mir nur, dass du meine Kleine rettest“, erwiderte der Alte und geleitete Aiden aus dem Haus, von wo aus der Schüler sich nach einer Verneigung auf den Weg zum Spielwarengeschäft machte. Als er dort ankam stellte er fest, dass Kari und Luca noch immer durch den Laden streiften und so langsam schien auch dem Spanier die Puste auszugehen. Erst der Anblick ihres älteren Bruders ließ die Kleine etwas ruhiger werden und so kam auch Luca endlich zu Atem. Endlich konnte sich das Trio auf den Rückweg zum Wohnheim machen, wo sie auf Mirai trafen, die versuchte, sich endlich vor Miyuki in Sicherheit zu bringen, was der Grünhaarigen allerdings gar nicht gefiel.   Kari wurde sofort zum Hausaufgaben machen verdonnert und kaum war die Kleine im oberen Stock verschwunden, enthüllte Aiden seinen Freunden, was er gefunden hatte. Zwar waren Luca und Miyuki skeptisch, was den Schmuck anging, aber Mirai stand hinter ihm und legte einfach fest, dass sie es am nächsten Tag in der Nacht versuchen sollten. Da sie keinen anderen Anhaltspunkt hatten, stimmten die beiden verbleibenden Persona-User dem Versuch zu und beratschlagten sich den restlichen Tag, wie sie denn am besten vorgehen sollten.   ~~~Mittwoch 04. Mai 2016~~~ ~~~Tag des Grünens~~~ ~~~Kurz vor Mitternacht~~~   Kurz nachdem sich Hikari zum Schlafen hingelegt hatte, war die Gruppe noch einmal auf Nummer sicher gegangen, ob die Kleine auch wirklich schlief. Aiden war nicht wohl bei dem Gedanken, seine Schwester alleine zu lassen, aber was hatte er denn für eine Wahl? Die Türen waren abgeschlossen und er konnte nur hoffen, dass sie nicht mitten in der Nacht aufwachen würde, weil sie einen schlechten Traum oder sowas hatte. Mirai hatte ihn irgendwann einfach am Arm gepackt und mit gezerrt, weil es ihr zu lange dauerte und kurz darauf sprangen sie zu viert durch das Portal. Mit jedem Mal, wenn sie diese Welt betraten, war die Landung ein Stück einfacher und auch der Weg schien ihnen mit jedem Mal leichter zu fallen, auch wenn keiner der vier sich das Erklären konnte. Mirai stellte die Theorie auf, dass es einfach daran lag, dass sie sich mittlerweile an diesen Ort gewöhnt hatten.   Durch die Roller und den Altar kamen sie ohne große Probleme zu der Tür zurück, hinter der Haruka immer noch auf ihre Rettung wartete. Aiden und Luca untersuchten das Schloss, dass leider immer noch von einer Schutzkuppel umschlossen war und dem Spanier schlug das sichtlich aufs Gemüt. In seiner Wut trat er sogar mit der Fußsohle dagegen, doch brachte das leider auch nichts. Miyuki und Mirai betrachteten in der Zwischenzeit das Diadem und beide erkannten dabei, dass es von der Form und Größe genau in der Öffnung des Schlosses passen müsste, wenn da nicht diese Kuppel wäre. Die beiden Jungs waren sogar dazu über gegangen, mit ihren Waffen auf den Schutzschirm einzuschlagen, doch zeigte auch das keinen Erfolg. „Lasst es doch sein, am Ende tut ihr euch nur selber weh“, murrte die Silberhaarige und verschränkte die Arme vor der Brust, während Miyuki immer wieder die Sehne ihres Bogens dehnte: „Miri-chan hat recht. Jetzt hier auszurasten bringt uns nicht weiter.“   Die beiden Braunhaarigen knirschten mit den Zähnen, als Mirai ein Geräusch hinter ihnen vernahm und ein Blick über die Schulter zeigte ein paar Shadows, die auf sie zukamen: „Hey Jungs, wenn ihr eure Aggressionen irgendwie loswerden wollt... Da sind ein paar Typen, die wohl ein paar Manieren beigebracht bekommen müssen.“ Die beiden Jungs tauschten einen kurzen Blick, ehe beide ihre Waffen zogen und den Feinden entgegen traten. Aiden hob das Schwert auf Augenhöhe und sah zu seinem Partner: „Weißt du, wenn wir schon hier sind, kann ein wenig Training nicht schaden.“ „Stimmt, früher oder später kriegen wir diese Tür auf und falls und da drin was auflauert, werden wir bereit sein. Okay, ihr fiesen Schleimhaufen, euer Arsch hat Kirmes!“, rief der Spanier und rannte mit seinem Anführer nach vorne in die Shadows, während Miyuki sich an der Wange kratzte: „Die beiden scheinen sich echt zu mögen und sie verstehen sich so gut. Hey, Jungs, lasst mich mitmachen!“ Zu dritt machten sich die Schüler auf den Weg, einige Shadows in diesem Dungeon zu besiegen, doch blieb Mirai an der Tür stehen und sah auf das Schloss: „Wenn das Licht des Mondes erlischt, wird die Existenz der Person aus der Geschichte gewischt... Warum kommt mir jetzt so ein blöder Spruch in den Kopf?“ „Hey, Mirai, wenn du nicht bald kommst, lassen wir dich stehen!“, schallte Lucas Stimme zu ihr und ließ die junge Frau mit den Zähnen knirschen: „Ist ja gut, ich komme ja schon! Ich muss den Kopf zusammen halten, sonst stehe ich ihnen nur im Weg.“ So schnell sie konnte schloss Mirai zu ihren Freunden auf, die den Tag eher dafür nutzen würden, eine kleine Trainingssession einzulegen. Kapitel 17: XVII - Aidens Trumpf, die Macht der Wild Card erwacht ----------------------------------------------------------------- ~~~Donnerstag 05. Mai 2016~~~ ~~~Kindertag~~~   Mit einem synchronen Seufzer saßen Aiden, Luca, Miyuki und Mirai mit Hikari in einer Eisdiele in der Paulownia Mall. Aiden hatte den Kopf auf die Tischplatte gelegt und wurde von seiner Schwester skeptisch gemustert, während sie ihren zweiten Eisbecher verputzte. Sie zerbrachen sich alle den Kopf über die Sache mit Haruka, denn trotz des Schlüssels waren sie nicht weitergekommen und das brachte ihre Köpfe wortwörtlich zum Rauchen. Luca hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, während er missgelaunt vor sich hin murrte: „Irgendwas haben wir übersehen, aber was? Jemand ne Idee?“ „Nein“, kam es von den beiden Damen des Teams, von den Miyuki den Kopf auf ihre verschränkten Arme gebettet und Mirai das Kinn auf ihrer Handfläche abgestützt hatte. Die Kleinste in der Gruppe sah sich um und verstand nicht so wirklich, was mit ihrem Bruder und seinen Freunden los war, weshalb sie einfach nachfragte: „Warum guckt ihr denn alle so komisch? Ist was passiert?“   „Hm? Oh, nichts, keine Sorge. Wir, ähm...“, begann Aiden zu stottern und suchte nach einer Ausrede, welche Luca ihm brachte: „Ach weißt du, einer unserer Mitschüler hat uns ein Rätsel gegeben und darüber zerbrechen wir uns jetzt den Kopf.“ „Es ist wie ein Puzzle, in dem uns ein Teil fehlt. Verstehst du, was wir meinen?“, versuchte nun auch Miyuki zu helfen und tatsächlich nickte die Kleinste nach einer Weile, in der sie angestrengt das Gesicht verzogen hatte: „Ja, das ist wie bei den Puzzles, die ich früher mit Onii-chan gemacht habe. Immer hat ein Teil vom oberen Rand gefehlt, weshalb wir nie fertig geworden sind.“ „Oh, das war ein Gezeter zu Hause“, murrte der Braunhaarige, als er sich an die Abende mit seiner Schwester zurück erinnerte, bei denen Kari mehr als einmal geweint hatte, weil das Spiel unvollständig war. Mit einem Seufzer bettete er den Kopf auf seine Arme und murmelte vor sich hin: „Wenn das Licht des Mondes erlischt... Wieso habe ich das Gefühl, dass das so einfach ist und wir den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen?“ „Vielleicht ist ja wirklich der Mond gemeint?“, murmelte die Grünhaarige, was den Spanier mit dem Kopf schütteln ließ: „Ich weiß nicht, das wäre viel zu simpel.“ „Vielleicht ist es gerade deswegen die richtige Lösung, weil wir sie für zu simpel halten und daher ausschließen“, merkte nun Mirai an und legte die Stirn in Falten, doch schüttelte sie dann den Kopf.   Da es bereits spät wurde, machte sich die Gruppe auf den Rück weg und am Bahnhof verabschiedeten sie sich nach der Zugfahrt von Luca, der murmelnd davon trottete. Aiden und seine drei weiblichen Mitbewohner gingen zum Wohnheim zurück, wo Kari plötzlich zu jammern anfing und sich den Bauch rieb. „Onii-chan, ich hab Bauchweh...“, klagte sie ihr Leid, was den Älteren nur Seufzen ließ: „Das kommt davon, dass du unbedingt nach einem zweiten Becher betteln musstest.“ „Aber es war so lecker“, schniefte das Mädchen und bekam von Mirai Rückendeckung: „Schieb ihr nicht die Schuld zu, Aiden, du hast ihr den zweiten Becher gekauft. Hättest ja Nein sagen können.“ „Das ist echt nicht hilfreich, Mirai! Na komm, Kari, ich geb dir was gegen die Magenschmerzen und dann legst du dich ins Bett“, bestimmte der Braunhaarige und seine Schwester folgte ihm gehorsam, wobei sie sich dauernd den Bauch rieb.   Etwas später am Abend hockte Aiden in der kleinen Sitzecke vor dem Gang zu seinem Zimmer und starrte auf einen Getränkeautomaten. Dem Teil war vermutlich nicht mehr zu trauen, weshalb er sich lieber etwas zu trinken aus der Küche geholt hatte. Er nippte an dem Tee und fuhr sich durch die Haare, denn irgendwas schien ihm zu fehlen. Er wusste nicht warum, aber irgendwo hatte er diesen Satz schon einmal gehört, doch wo sollte das gewesen sein? Er legte den Kopf auf seine Arme und schloss die Augen, als er ein seltsames stechen im Kopf hatte...   ~~~Velvet Room~~~   Immer noch seufzend hielt ich die Augen geschlossen, als ich ein leises Quietschen vernahm, gefolgt von einer leisen Arie. Nee, oder? Sofort riss ich die Augen auf und sah mich dem langnasigen Mann Igor gegenüber, der mich mit seinem üblichen Grinsen musterte. Was würde mich wohl dieses Mal erwarten? „Willkommen im Velvet Room, mein Junge. Wie es scheint, stehst du vor deiner nächsten Prüfung und das Tor ist bereit, sich zu öffnen“, ergriff der Mann nun das Wort und ließ mich stutzen. Das Tor war bereit, sich zu öffnen? Wie denn? Das Schlüsselloch war immer noch zu und das Glas zeigte keine Anzeichen dafür, irgendwie kaputt zu gehen. Wie also sollte das Tor bereit sein, sich zu öffnen? Wie immer hatte ich das Gefühl, als ob Igor mehr darüber wusste, als er zugeben wollte. Erneut ertönte ein leises Quietschen, was mich aufschauen ließ. Kurz schweifte mein Blick durch die Umgebung, bis mein Blick auf Amalia fiel, die summend an dem Teleskop stand und in die Sterne schaute.   „Meister, »Orion« leuchtet sehr schön und scheint bereit, noch heller zu erstrahlen. »Vulpecula« und »Hydra« zeigen sich in voller Pracht“, säuselte die Blondine und ich hob nur eine Augenbraue, während Igor grinste: „Wie sieht es mit »Virgo« aus, Amalia?“ „Sie ist noch hinter den Wolken verborgen, aber ob diese sich verziehen und sie leuchten wird... Das wird die Zeit zeigen“, erwiderte die Blondine und trat von dem Teleskop zurück, um sich neben Igor zu stellen und mich anzuschauen: „Sei gegrüßt, Aiden-sama.“ „Hallo“, brummte ich nur und sah an die Glaskuppel, während ich mir meine Gedanken machte: „Hydra? Das ist doch eine mehrköpfige Schlange, oder? Amalia, bedeutet Vulpecula zufällig Fuchs?“ Die Frau verneigte sich vor mir und ließ ihr Glöckchen klingeln, was mich wieder in Gedanken versinken ließ: „Eine mehrköpfige Schlange und ein Fuchs. Warte mal... die Shadows von Miyuki und Luca!“ Die Erinnerung an die Begegnung mit den beiden Shadows kam mir wie ein Geistesblitz und mir kam dieser Tag in den Sinn, an dem ich auch wieder in diesem Raum gelandet war. „»Wenn das Licht des Mondes erlischt, wachsen die Schatten«, das hast du damals zu mir gesagt, nicht wahr, Igor?“, wandte ich mich an den Mann mit der langen Nase, der wieder sein leicht irres Grinsen aufsetzte: „Habe ich das? Hm, ja, ich kann mich erinnern. Sagen dir die Worte etwas?“   „Sag es mir, Igor. Diese Glaskuppel, die uns daran hindert zu Tenno zu kommen... sie wird beim nächsten Neumond verschwinden und dann können wir da rein. Hab ich recht?“, wurde ich direkter und sah den Mann an, der wieder grinste und mit der rechten Hand gestikulierte: „Du scheinst die Resonanz erfasst zu haben, mein junger Freund. Allerdings, beim nächsten Neumond soll sich dein Schicksal entscheiden.“ Ich senkte den Blick, bevor ich entschlossen nickte und mich von meinem Stuhl erhob: „Gut, dann weiß ich ja, was ich zu tun habe. Ich glaube es nicht, dass ich das sage, aber... Danke, ihr beiden.“ Noch während ich mich wieder aufrichtete, begann der Raum um mich herum sich langsam aufzulösen, während Igor breit grinste: „Unsere Zeit für heute ist vorbei und es liegt an dir, ob wir uns wieder sehen. Bis dahin, Lebewohl.“   ~~~Wohnheim~~~   Ruckartig fuhr Aiden auf seinem Platz hoch, als Mirai ihn an der Schulter rüttelte: „Hey, Aiden! Geh doch lieber ins Bett.“ Etwas verwundert musterte der Braunhaarige seine Bekannte, bevor er sich kurz durch Gesicht fuhr: „Mirai, wann ist der nächste Neumond?“ „Was? Was ist das denn jetzt für ein Thema? Keine Ahnung!“, fauchte die Silberhaarige etwas sauer und musterte ihren Freund, der sein Handy zog und einen Mondkalender suchte: „Neumond... Neumond... Da ist er! 06. Mai 2016. Das ist morgen.“ „Was ist morgen? Rede gefälligst deutlich, sonst setzt es was!“, zischte die Silberhaarige und sah zu, wie ihr Freund aufstand und in Richtung seines Zimmers ging: „Ich erkläre euch morgen alles, wenn Luca dabei ist und ich glaube, du würdest Igor erwürgen, wenn du ihn treffen könntest. Gute Nacht, Mirai.“ Damit schritt er davon, während die junge Frau sich an den Kopf fuhr: „I...gor?“   ~~~Freitag 06. Mai 2016~~~ ~~~Neumond~~~   Am späten Abend saßen die vier Teenager im Foyer des Wohnheims und lauschten Aidens Erklärung, der versuchte ihnen klar zu machen, dass sie heute Haruka würden retten können. „Du gehst also wegen bloßen Mutmaßungen davon aus?“, tat Mirai ihre Meinung kund und wirkte dabei recht skeptisch, doch Luca und Miyuki waren da etwas zuversichtlicher. Die Grünhaarige nickte verstehend und schloss die Augen: „Wenn das mit dem Neumond stimmt und davon gehe ich aus, denn es wäre zu seltsam, um ein Zufall zu sein, dann sollten wir heute Abend gehen und uns auf das Schlimmste vorbereiten.“ „Nobiro-chan hat recht, wir können nicht untätig rumsitzen. Also, legen wir los!“, rief Luca und sprang auf die Beine, was die beiden Frauen seufzen, aber leicht grinsen ließ.   Aiden stieg noch einmal kurz die Treppe nach oben, wo Kari in seinem Zimmer hockte und am Schreibtisch ihre Hausaufgaben machte: „So, genug für heute. Du musst ins Bett.“ „Du doch auch“, versuchte die Kleine sich zu wehren, doch blieb ihr Bruder eisern: „Ich bin älter, also darf ich länger aufbleiben.“ „Das ist fies“, murrte die Brünette und schlüpfte in ihren Schlafanzug, bevor sie ins Bett krabbelte, um sich zudecken zu lassen: „Wenn du älter bist, darfst du auch länger wach bleiben. Hey... ich weiß, dass dir das gemein vorkommt, aber ich will, dass du weißt, dass ich dich lieb habe.“ Er wusste nicht wieso, aber bei dem Gedanken an das, was ihm bevorstand, stiegen ihm Tränen in die Augen. Aiden wusste ganz genau, wie gefährlich Shadows waren und dieses gute Nacht könnte das Letzte sein, was er seiner Schwester sagen würde. Er nahm sie in den Arm und strich ihr sanft über den Kopf: „Egal was du hörst oder denkst, ich hab dich ganz doll lieb, Kari. Vergiss das nie.“ „Ich hab dich auch lieb, Onii-chan. Du bist der beste Bruder der Welt, schließlich kannst du alles!“, grinste die Kleine fröhlich und kuschelte sich in ihre Decke: „Du kommst aber auch bald ins Bett, oder?“ „Wenn du morgen aufwachst, liege ich hier neben dir, versprochen!“, versicherte der Braunhaarige, ehe er sich mit einem warmen Gefühl in der Brust erhob und zur Tür ging: „Bis morgen, Kari.“ „Gute Nacht, Onii-chan und mach es nicht so dramatisch, du guckst doch nur Fernsehen oder gehst spazieren“, lachte das Mädchen und schloss die Augen, um ins Reich der Träume zu verschwinden.   Aiden ging die Treppe nach unten, wo seine Freunde bereits auf ihn warteten und ihn ansahen, als er die Faust nach vorne streckte: „Los geht’s, Leute, holen wir Tenno!“ Mit einem zuversichtlichen Nicken machte sich die Gruppe auf den Weg zum Naganaki Schrein, um ihre Mitschülerin ein für alle Mal aus diesem Alptraum zu erlösen.   ~~~Schattenreich~~~   Mit schnellen Schritten hechtete die Gruppe durch die Straßen nahe der Paulownia Mall und entledigte sich jedes Shadows, der sich ihnen in den Weg stellte. Sie wollten so wenig Energie wie möglich verschwenden, weshalb sie nach Möglichkeit dem Kampf aus dem Weg gingen. Zum Glück erreichten sie die Werkstatt unbeschadet und sahen sich mit einem kurzen Nicken an, ehe Mirai sie mit Hilfe des Altars ins Innere teleportierte. Nachdem das grüne Licht verblasst war, standen die vier vor dem großen Vorhang, doch ihre Blicke galten eher dem Schlüsselloch, dessen schützende Glaskuppel tatsächlich verschwunden war. „Es ist weg! Wir können rein!“, rief Luca und setzte das Ende seiner Hellebarde auf den Boden, während Miyuki ihre Bogensehne ein wenig dehnte: „D-das kriegen wir hin! Holen wir Tenno-san da raus!“ Aiden nickte seinen Freunden noch einmal zu, ehe er das Diadem aus der Tasche zog und es in das Schlüsselloch setzte. Vorsichtig versuchte er es zu drehen, bis es ein lautes Klick gab und der Kopfschmuck aus dem Loch gedrückt wurde. Schnell musste der Braunhaarige es auffangen, ehe er bemerkte, wie erst das Schlüsselloch und dann der Vorhang sich auflöste. Noch einmal sah die Grupe sich an, ehe sie den Raum betraten.   Der große Raum, der sich nun vor ihnen erstreckte, war voller alter und verrosteter Metallblöcke, während der Boden voller schwarzer Pfützen war, die vermutlich aus Öl bestanden. Die Gruppe ließ den Blick schweifen, als sie im hinteren Teil des Raumes eine große Bühne entdeckten, auf die sie sofort zusteuerten. Noch während sie auf ihr Ziel zu rannten, konnten sie eine schluchzende Frauenstimme hören: „B-bitte... sei still.“ „Aww, kann die kleine Schönheitskönigin die Wahrheit nicht ertragen? Aber leider werde ich dir diesen Gefallen nicht tun, Haruka-chan“, flötete eine weitere, leicht verzerrte Stimme, die einem einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Die Gruppe beschleunigte ihre Schritte, bis sie die Bühne erreichten, auf denen sie Haruka entdeckten, die an ein schwarzes Kreuz gefesselt war. Die Augen der Brünette waren rot und geschwollen, da ihr dicke Tränen übers Gesicht liefen, doch am seltsamsten an der Szene war die zweite Person, die Haruka extrem ähnlich sah, ja sogar fast identisch war. Aiden musterte die zweite Haruka, die sich in ein rosafarbenes, etwas zu klein geratenes Kleid gekleidet hatte, welches an vielen Stellen eingerissen war. Dem Braunhaarigen war sofort klar, dass dies das Kleid war, dass sie damals bei ihrem gewonnenen Wettbewerb getragen hatte. Auch die Schuhe passten dazu, jedoch fehlte auf ihrem Kopf das Diadem aus seiner Tasche. Was diese Haruka allerdings so furchteinflößend machte, waren die giftgelben Augen, die sich nun an die Gruppe wandten.   Mit einem leisen Summen warf sich Shadow-Haruka die Haare zurück und lächelte dann: „Sieh an, unsere Preisrichter sind da. Haruka-chan, lächel doch mal, sonst bekommst du eine schlechte Wertung.“ Die Brünette hob den Blick und entdeckte nun auch die Gruppe, bevor sie leise hauchte: „K-kurosaki-kun? Silva-kun?“ „Ach, wie niedlich. Da kommen endlich mal zwei Jungs zu dir gelaufen und dann nicht aus dem Grund, aus dem du es dir vielleicht wünschst. So ein Jammer“, säuselte der Shadow und musterte sein echtes Ebenbild, die erbärmlich wimmerte: „Bitte... sei doch endlich still. Ich will das nicht hören!“ „Ach Herrje, jetzt spielt sie wieder den Märtyrer. Lasst mich euch etwas sagen: Egal, was ihr vorhabt, dieses Balg ist es nicht wert!“, zischte die Gelbäugige nun bedrohlich, was Aiden nur mit dem Kopf schütteln ließ: „Mir ist es egal, was du zu sagen hast. Wir sind hier, um Tenno nach Hause zu bringen und wenn du uns im Weg stehst, haben wir ein Problem mit dir!“ „Oh, hast du das, ja? Dann sag mir, ist es das wirklich wert, euer Leben für eine Person zu riskieren, die ihrer eigenen Mutter den Tod wünscht?“, sprach der Shadow mit kalter Stimme weiter und beobachtete sichtlich gut gelaunt, wie der echten Haruka sämtliche Farbe aus dem Gesicht wich: „D-das... das stimmt nicht...“   „Hör sofort auf, sie zu quälen!“, trat Miyuki einen Schritt vor, doch unter den gelben Augen des Shadows wich sie sofort wieder zurück: „Quälen? Ich glaube, du missverstehst die Lage, du kleines Mauerblümchen. Ich sage lediglich die Wahrheit und wenn meine kleine Haruka ihre eigenen Gedanken nicht ertragen kann, dann ist das doch keine Quälerei von mir.“ „Doch, denn du sorgst erst dafür, dass sie diese Qualen hat!“, mischte sich nun Luca ein, doch wieder wehrte der Shadow nur ab und schüttelte den Kopf: „Ich bereite ihr diese Gedanken? Mitnichten, Silva-kun, alles was ich ihr sage, ist schon seit langem in ihrem kleinen, wuscheligen Köpfchen. Ich setze ihr also nichts in den Kopf, denn es ist schließlich schon da. Nicht wahr, Haruka-chan?“ „N-nein... d-das stimmt nicht...“, jammerte die Brünette mit brüchiger Stimme, was den Shadow nun wütend zu machen schien: „Das stimmt nicht! Das stimmt nicht! Das ist alles, was du hier von dir gibst, du miese Heuchlerin! Hast du nicht damals deiner Mutter gesagt, dass lieber sie statt deinem Vater hätte sterben sollen? Hast du sie nicht so oft zum Teufel gewünscht?“ Verzweifelt versuchte Haruka sich von dem Kreuz zu befreien, während sie immer stärker schluchzte: „D-das habe... Das habe ich nie ernst gemeint... Sie ist immer noch meine Mutter...“ „Natürlich... eine Mutter, die sich einen Scheiß darum schert, was du möchtest! Es sind gar nicht die Wettbewerbe, die du so hasst. Eigentlich magst du sie doch, stimmt‘s? Endlich wurdest du mal als Mädchen angesehen und auch die Jungs, die du mochtest, haben dich mal bemerkt. Aber immer wieder dieser Druck von deiner Mutter. Kein Wunder, dass du den Spaß verloren hast und sie tot sehen willst“, plauderte das Shadow-Mädchen munter weiter, was Aiden langsam wütend machte: „Jetzt hör endlich auf! Sie leidet schon genug, musst du da auch noch nachtreten? Lass sie frei!“   „Sie frei lassen? Ich halte sie doch nicht mal fest. Sie muss doch nur einmal ehrlich sein, dann wäre sie sofort von hier weg“, erwiderte die Gelbäugige und starrte Aiden mit kalten Augen an, der unsicher einen Schritt zurückwich und auf die echte Haruka schaute, die um ihre Stimme rang: „D-das ist alles nicht wahr... D-du weißt gar nichts über mich.“ Mit einem glucksenden Lachen trat die Gelbäugige an ihr Ebenbild heran und legte ihr sanft die Hände anm die Hüfte, ehe sie leise zischte: „Ich weiß also nichts über dich? Lass mich dir eins sagen, Haruka-chan: Ich weiß alles über dich! Jeder einzelne Gedanke, der in deinem kleinen, braunen Wuschelkopf steckt, ist mir bestens bekannt und weißt du auch warum?“ Erschrocken sah Haruka in die gelbe Augen ihres Ebenbildes, die wieder grinste und dann weiter sprach: „Ich bin du.“ Die Gruppe suchte einen Weg auf die Bühne, was ihnen aufgrund der Höhe nur Mühsam gelang, als Haruka wild mit dem Kopf schüttelte: „N-nein... Das ist nicht wahr, das kann nicht stimmen!“ Schnell hastete die Gruppe zu den beiden Brünetten, als Miyuki und Luca panisch ausriefen: „Sag es nicht!“ „Du bist nicht ich! Das kann überhaupt nicht sein!“, schrie Haruka verzweifelt aus und sofort herrschte Stille im Raum, ehe der Shadow hysterisch zu lachen begann. Die Gelbäugige wurde plötzlich in eine schwarz-rote Aura gehüllt, welche sich immer stärker ausbreitete und die Gruppe mit einer Druckwelle von der Bühne fegte.   Aiden kämpfte sich mühsam wieder auf die Beine, als sein Blick zur Bühne ging, wo ein riesige, von Blitzen umgebene Frau schwebte. Die Frau trug ein komplett zerrissenes, rosafarbenes Kleid, dass kaum noch ihren Körper bedeckte und damit einige, gewagte Einblicke erlaubte. Von dem Kleid wickelten sich je zwei zerrissene Bänder um Arme und Beine. Ihr langes, blondes Haar wehte wild und kraus in alle Richtungen und immer wieder zuckten Blitze aus den Haar- und Fingerspitzen. Neben dem Braunhaarigen kamen nun auch seine Freunde wieder auf die Beine, welche ebenfalls ihren Widersacher erblickten. „Das... ist Tenno? Meine Fresse, die sah auch schon mal besser aus“, murmelte Luca und stemmte sich an dem Schaft seiner Waffe nach oben, während Miyuki sich etwas Dreck aus den Haaren fischte: „Ich glaube nicht, dass das Aussehen uns jetzt interessieren sollte. Das wird gefährlich.“ Der Shadow schwebte ein Stück über der Bühne und seine Stimme schallte bedrohlich durch den Raum: „Ich bin ein Schatten, das wahre Ich! All jene, die mir vorschreiben, wie ich sein soll, sollen vom Antlitz dieser verdammten Erde getilgt werden!“ „Ich denke mal, die Zeit der freundlichen Gespräche ist vorbei, Leute“, murmelte Luca und ging in Kampfhaltung, als Aiden seinen Evoker zog und an die Schläfe setzte: „Wir sind so weit gekommen und wir werden jetzt definitiv nicht verlieren!“ „Niemals!“, stimmten seine beiden Freunde mit ein, während sie ebenfalls ihre Pistolen zogen und an ihre Köpfe setzten. Kurz darauf schallten drei Stimmen durch den Raum, begleitet von drei blauen Lichtblitzen: „Persona!“   Shadow-Haruka knurrte leise, als Rigel, Anser und Alphard auf sie zuschossen und zum Angriff übergingen. Aidens Persona griff sich seinen Speer und stach auf seinen Gegner ein, der jedoch mit einer schnellen Drehung auswich, nur um im nächsten Moment von zwei Schlangen gepackt zu werden. Alphard zog an dem Shadow, welcher kurz darauf von drei Feuerbällen getroffen wurde, die von Miyukis Persona kamen. Luca freute sich schon über den Treffer, doch verging ihm das Lachen, als Shadow-Haruka mit einem Blitzangriff konterte, der durch alle drei Persona ging und deren User mit einem lauten Schmerzensschrei zu Boden gehen ließ. Besonders Aiden schrie vor Schmerz auf, als die Blitze durch seinen Körper zuckten und rang um Atem, während Luca seine Persona wieder zum Angriff vorschickte. Der Anführer der Gruppe zitterte vor Schmerz, als Miyuki zu ihm gelaufen kam und ihre Persona herbei rief. Die Grünhaarige war sehr froh, dass ihre Persona in der Lage war, den Skill »Dia« einzusetzen, denn damit konnte sie die Schmerzen ihres Kameraden wenigstens ein bisschen lindern. Nur sehr mühsam kam der Braunhaarige auf die Beine, während sein Kollege versuchte, sich mittels Persona und Hellebarde gegen den Shadow zu verteidigen, von dem allerdings nur ein hämisches Lachen kam. Es schien so, als hätte Shadow-Haruka nur auf ihren Gegner gewartet, denn kaum stand Aiden wieder, ließ sie einen weiteren Blitzangriff folgen, dem die beiden Wohnheimbewohner nur entgehen konnten, da Mirai sie im letzten Moment hinter einen der Metallblöcke zog.   „Wie sollen wir denn an sie herankommen, wenn sie so mit Blitzen um sich schießt?“, begann Miyuki zu verzweifeln, während Mirai sich auf die Unterlippe biss: „Shit! Aiden, du bleibst von ihr weg. Deine Persona ist offensichtlich anfällig für Blitz-Attacken. Du nimmst also deutlich mehr Schaden als die anderen beiden!“ „Was soll ich denn machen? Soll ich hier einfach nur rumsitzen und abwarten?“, zischte der Schüler und wagte einen Blick auf seinen Gegner, der sich anscheinend nach ihnen umsah. Ein Stück von ihnen entfernt krabbelte Luca in Deckung und rang schwer nach Atem: „Ernsthaft, dieses Vieh ist einfach nur abartig! Spürt das Teil unsere Angriffe eigentlich?“ „Vermutlich schon, sie machen nur kaum Schaden“, murmelte Mirai und überlegte krampfhaft, was sie tun sollten, als Aiden zur Bühne schaute: „Miyukis Shadow konnten wir ändern, nachdem ihr Shadow sie losgelassen hatte. Vielleicht macht es sie schwächer, wenn wir Tenno von dem Kreuz da befreien.“ „Okay, dann übernimm du das, Aiden-kun. Silva-kun und ich lenke sie ab!“, stimmte Miyuki der Idee zu und tauchte aus der Deckung auf, nur um sofort wieder zurück zu kommen und einem Blitz zu entgehen: „Das ist gar nicht so einfach!“ „Keine Panik, Nobiro-chan, ich bin auch noch da. Alphard, los!“, rief der Spanier und ließ seine Persona mehrere Eisbrocken abfeuern, während die Grünhaarige ihn mittels Ansers Feuerbällen unterstützte.   „Los!“, zischte Mirai und stieß ihren Freund in Richtung der Bühne, auf die der Braunhaarige zu sprintete und dann mit einem großen Satz das Gerüst erklomm. Er drehte einmal den Kopf nach hinten und zum Glück war seine Gegnerin zu sehr damit beschäftigt, Feuerbällen und Eisbrocken auszuweichen, als ihn zu bemerken. Mit einigen schnellen Schritten war er bei dem Kreuz, an dem die echte Haruka schluchzend und wimmernd hing und anscheinend kurz davor war, den Verstand zu verlieren. „Hey, Tenno! Bist du okay? Kannst du mich hören?“ Vorsichtig klatschte Aiden der Brünette gegen die Wange, welche nun den Kopf hob und ihn mit verweinten, leeren Augen ansah: „K-kurosaki-kun?“ „Keine Sorge, wir holen dich hier raus. Ich muss dich nur irgendwie von diesem Ding loskriegen“, murrte der Braunhaarige, während er nach einer Kette oder etwas Ähnlichem suchte, mit dem Haruka an dem Kreuz gehalten wurde, doch war nichts dergleichen zu sehen. Es war, als wäre sie an dem Objekt festgeklebt, denn egal wie sehr der Oberschüler zog und zerrte, die Brünette bewegte sich keinen Millimeter. Was Aiden während seiner Aktion nicht bemerkte war, dass Harukas Shadow Luca und Miyuki erfolgreich abgewehrt und zu Boden geworfen hatte. Der Shadow wandte sich nun den beiden Braunhaarigen auf der Bühne zu, während sie leise kicherte: „Na, na, na, du willst doch hier nicht die Hauptakteurin von der Bühne holen, oder? So etwas gehört sich nicht!“   Die Haare des Shadows begannen zu knistern, ehe sie den Arm hob und einen gewaltigen Blitz aus dem Himmel direkt auf Aiden niedergehen ließ. Der Braunhaarige schrie sich die Seele aus dem Leib, während er auf die Knie sank und sich an das Kreuz klammerte, um nicht komplett zu fallen. Immer stärker zitternd versuchte der Braunhaarige, sich wieder auf die Beine zu kämpfen, als er leise die Stimme von Haruka hörte: „Bitte... renn weg! Ich bin das nicht wert. Rettet euch selbst.“ „V-vergiss es... Ich habe jemandem versprochen, dass du… nach Hause kommst“, würgte Aiden hervor und zog sich wieder hoch, als der Shadow erneut den Arm hob: „Du bist ja immer noch hier. Jetzt verschwinde von der Bühne, du zweitklassiger Amateur!“ „Aiden-kun, renn weg!“ „Mach, dass du da wegkommst, Amigo!“ „Aiden, hau endlich ab!“ Die Stimmen seiner Freunde drangen in seine Ohren, doch konnte er nicht mehr reagieren, bevor ein weiteres Mal ein Blitz in seinen Körper einschlug und ihn rücklings von Haruka wegriss. Aiden wusste nicht mehr, was um ihn herum geschah. Alles war irgendwie verschwommen und auch die Geräusche um ihn herum wirkten etwas dumpf. Während er dort auf dem Holz lag und aus weiter Ferne jemanden seinen Namen rufen hörte, gingen seine Gedanken zu dem blauhaarigen jungen Mann zurück, der ihn davor gewarnt hatte, hierher zu kommen. Am Ende war er also doch zu schwach gewesen, um jemandem helfen zu können.   Seine Augenlieder wurden immer schwerer und gerade als sie komplett zufallen wollten, traf ihn etwas im Gesicht. Mühsam hob er den Kopf leicht an und sah in die roten Augen von Mirai, die ihn besorgt musterte: „Du darfst nicht aufgeben! Die anderen brauchen dich. Bitte, steh auf!“ „Mirai... Luca... Miyuki...“, er biss die Zähne zusammen und versuchte sich aufzurichten, doch konnte er sich lediglich auf den Bauch drehen. Sein Atem ging immer schneller, als ihm die Gespräche mit seiner Schwester und Sakura in den Sinn kamen. „Ich hab dich auch lieb, Onii-chan. Du bist der beste Bruder der Welt, schließlich kannst du alles!“ „Hey, mach dir keine Sorgen. Tenno wird schon wieder auftauchen. Vertrau der Polizei und es wird alles wieder gut.“ „Ich... habe Kari versprochen zurück zu kommen... und ich habe Sakura versprochen, dass Tenno wieder nach Hause kommen wird. Ich darf... hier nicht verlieren... Ich werde hier nicht verlieren!“, schrie Aiden aus und schlug mit voller Kraft mit seiner Faust auf die Bühne, woraufhin das Holz unter ihm zersplitterte. Er hob den Blick und musterte den Shadow, während er sich langsam aufrichtete: „Es kümmert mich nicht, ob andere mich für zu schwach halten. Ich werde das hier gewinnen, egal, was es mich kostet!“   Nun bemerkte auch der Shadow, dass der Braunhaarige sich wieder aufgerichtet hatte und starrte ihn mit giftigen, gelben Augen an: „Du bist immer noch da? Wenn eine Teilnehmerin von der Jury abgewählt wird, hat sie die Bühne zu räumen! Verschwinde!“ Ein weiteres Mal jagte ein Blitz auf Aiden zu, der nur stumm die Lippen bewegte und im nächsten Moment getroffen wurde. Luca und Miyuki starrten panisch auf die Bühne, doch als die Rauchwolke von dem Einschlag sich verzog, stand Aiden unberührt an Ort und Stelle. „Was? Nein, du bist ausgeschieden, also verschwinde!“, schrie der Shadow und feuerte drei weitere Blitze ab, die jedoch alle drei einfach von dem Braunhaarigen abprallten. Aiden wurde von mehreren ungläubigen Blicken angestarrt, als er den Evoker an den Kopf setzte und abdrückte. Erneut fegte der Wirbel aus blauen Splittern um den jungen Mann, doch erschien dieses Mal nicht Rigel, sondern ein gelber Tiger, dessen Hinterleib in einen gezackten Blitz überging. Luca, Miyuki und Mirai rissen die Augen auf, denn keiner von ihnen verstand, wie Aiden eine komplett andere Persona hatte rufen können. Der Shadow fauchte wütend und feuerte erneut drei Blitze auf Aiden ab, doch schoss der Tiger im Zickzack hin und her und fing die Angriffe einfach ab, wodurch sie komplett verpufften.   Luca und Miyuki tauschten einen vollkommen verblüfften Blick, als Aiden den Arm nach vorne stieß und seine Persona anfeuerte: „Pack sie dir, Raijuu!“ Der Tiger knurrte bedrohlich und schoss im Zickzack nach vorne auf seine Gegnerin zu, die mit einem Hieb versuchte, sich die Gefahr vom Leib zu halten, doch war die Persona zu schnell und rammte den Shadow in den Magen. Auf einen weiteren Befehl hin, biss sich die Persona in der Schulter seiner Gegnerin fest. Mit ein paar Schlägen konnte sie sich allerdings befreien und schüttelte den Tiger ab, bevor sie von Anser mit einem Feuerball beschossen wurde. Als der Shadow sich der Bogenschützin zuwandte, riss Aiden sofort den Arm hoch: „Raijuu, »Blue Wall«!“ Der Tiger schoss einmal um die Grünhaarige herum, welche von einer blau schimmernden Barriere umgeben wurde, die im nächsten Moment einen Blitz abprallen ließ, der auf die Schülerin gerichtet war.   Der Shadow wurde sichtlich wütender, als Aiden denselben Skill noch einmal anwandte, jedoch bei sich selbst und dann den Evoker erneut an seine Schläfe setzte: „Es ist mir egal, was ich dafür einsetzen muss... Ich werde hier nicht verlieren! Change!“ Er drückte ab und Raijuu wurde mitten im Flug von einem blauen Wirbel umgeben, der von einer Dämonenfrau mit lilafarbener Haut, langen schwarzen Haaren und zwei Schwertern auseinander gerissen wurde. „Los, Yaksini!“, feuerte der Braunhaarige seine neue Persona an, die sich sofort in den Kampf stürzte und mit beiden Klingen auf ihren Gegner einschlug. Immer weiter wurde der Shadow zurück gedrängt, weshalb sie ein weiteres Mal einen Flächenblitz losschickte, der Aiden und Miyuki kaum störte, aber dafür Mirai und Luca nur um Haaresbreite verfehlte. Die Grünhaarige hatte sich zu ihrem spanischen Kollegen durchkämpfen können, denn er brauchte dringend eine heilende Hand, als der Anführer erneut die Persona wechselte und den Tiger erscheinen ließ. Dieser schoss wieder nach vorne, allerdings war dieses Mal Luca sein Ziel, um diesem ebenfalls einen Schild zu geben.   Euphorisch sprang der Braunhaarige auf die Füße und zog seinen Evoker: „Okay, Leute, jetzt oder nie!“ Er sah kurz zu der Grünhaarigen neben sich, die ihm zunickte und dann in die entgegengesetzte Richtung rannte, damit sie den Gegner einkeilen konnten. Die drei Schüler tauschten einen kurzen Blick, ehe Aiden zu Mirai schaute, die hinter ihm beim Kreuz stand und versuchte Haruka zu befreien. „Machen wir sie fertig! Los, Raijuu!“, schrie der Braunhaarige und ein weiteres Mal krachte der Tiger in die Shadow-Frau, welche das Tier packte und beiseite schleuderte. Genau in dem Moment bekam sie einen Eisbrocken in den Rücken, weshalb sie schreiend herumfuhr und versuchte, Luca mit einem Blitz zu erschlagen, doch prallte dieser von seinem Schild ab. Miyuki setzte sofort nach und ließ Anser einen Feuerball nach dem anderen schießen, welche das Monster in die Seite trafen und gegen einen der Metallblöcke beförderten: „Silva-kun, jetzt!“ „Das musst du mir nicht zweimal sagen, Nobiro! Alphard, mach sie kalt!“, feuerte er seinen Kimonoträger an, der einige Eisbrocken abfeuerte und damit den Shadow weiter gegen den Metallklotz drückte. Als das Bombardement nachließ, versuchte der Shadow sich zu erheben, doch ein Blick nach unten zeigte, dass sie durch die Angriffe Alphards am Metall festgefroren war.   Mit einem triumphalen Grinsen riss der Grünäugige die Faust hoch und wandte sich an seinen besten Freund: „Komm schon, Amigo, mach sie fertig!“ „Los, Aiden-kun, du kannst das!“, feuerte auch Miyuki ihren Anführer an, während sie selbst erschöpft zu Boden sank, doch hatte der Schüler auf der Tribüne bereits seinen Evoker an seine Schläfe gesetzt: „Das ist das Ende! Rigel!“ Aidens Persona sprang in die Luft, wo sie in einem blauen Wirbel von Rigel ersetzt wurde, der seinen Speer in der Hand wirbelte und dann im Sturzflug auf seinen Gegner zuraste. Der Shadow konnte nur noch die Augen aufreißen, bevor sie mitsamt dem Metallklotz von dem Speer durchbohrt wurde und mit einem lauten Schmerzensschrei zusammensackte. Noch während sie an dem Block zu Boden sank, strömte eine schwarz-rote Aura aus ihrem Körper aus und ließ sie komplett zusammenbrechen. Im selben Moment löste sich Haruka von dem Kreuz und wurde vorsichtig von Mirai gefangen, welche sie sanft auf dem Boden absetzte: „Ganz ruhig, es ist alles okay.“   Luca machte mit seiner Hellebarde eine Art Stabhochsprung und landete ein Stück hinter Aiden auf der Bühne, während Miyuki versuchte alleine auf das Gerüst zu klettern. Haruka lag schwer atmend am Boden und wischte sich über die Augen, wobei sie leise wimmerte: „Bitte... ich will hier weg.“ „Keine Sorge, Tenno-chan, wir bringen dich nach Hause“, versuchte der Spanier seine Klassenkameradin zu beruhigen, welche dennoch nicht ruhiger wurde: „Ihr... ihr habt das alles gehört, nicht wahr?“ Das Quartett sah sich schuldig an, denn es war nicht richtig gewesen, auf diese Art in Harukas Privatleben rein zu platzen. Bevor die Situation noch merkwürdiger werden konnte, setzte sich Mirai in Bewegung: „Leute, lasst uns von hier verschwinden. Ihr könnt nachher darüber diskutieren, wer hier in wessen Privatleben rumschnüffelt.“ Die Gruppe nickte und Miyuki stieß einen leisen Seufzer aus: „Dabei bin ich doch gerade erst auf diese doofe Bühne geklettert...“ „Dann jetzt wieder runter“, scheuchte Mirai die Grünhaarige wieder nach unten, während die beiden Herren sich um Haruka kümmerten und ihr von dem Holzgerüst halfen.   Sie wollten alle nur noch hier weg, doch als sie ungefähr in der Mitte des Raumes waren ertönte eine leise Stimme neben ihnen: „Du stößt mich erneut weg?“ Erschrocken schrie die Brünette kurz auf und sah zur Seite, wo sie ihren Shadow entdeckte, der sie mit traurigen Augen ansah. Eigentlich hatte die Brünette einen Schritt nach hinten machen wollen, doch wurde sie von Luca aufgehalten: „Renn nicht weg. Du musst da durch, Tenno.“ Als sich die Brünette jedoch nur auf die Unterlippe biss, schob Miyuki sie sanft nach vorne: „Glaub mir, ich weiß, wie du dich fühlst, aber es wird dir helfen. Vertrau mir.“ „Keiner von uns denkt schlechter von dir wegen dem, was wir hier gehört haben“, gab nun Aiden seinen Kommentar dazu ab, was Haruka zu Boden schauen und leise murmeln ließ: „Es ist alles wahr... Jedes einzelne Wort und ich wollte es einfach nicht sehen. Ich fühle mich so schäbig. Was für ein Mensch wünscht seiner eigenen Mutter den Tod?“ „Ein furchtbar trauriger, der zu früh etwas wichtiges verloren hat. Auch wenn es dir weh tut, es ist ein Teil von dir, den du nicht verstoßen darfst. Sei ehrlich zu dir selbst, sonst belügst du nicht nur dich, sondern auch alle anderen“, sprach der Shadow, der mit einem traurigen Blick zu Boden sah, als sie plötzlich von Haruka umarmt wurde: „Es... es tut mir so leid. Ich war einfach nur tot unglücklich, weil ich meinen Vater verloren hatte, meine Mutter mir nie wirklich zugehört hat und alle mich immer so komisch anschauen. Aber das gibt mir kein Recht, meiner Mutter so etwas zu sagen. Ich bin nun einmal wie ich bin und das ist auch gut so. Ich werde Mamas Meinung niemals akzeptieren, aber ich werde mich bei ihr entschuldigen. Außerdem werde mich nicht mehr belügen, sondern zu dem stehen, was ich sage und denke. Danke, dass du mir das gezeigt hast und bitte verzeih mir.“ „Kein Problem, du hast es ja immerhin eingesehen. Aber du darfst eins nie vergessen: Wenn du wieder anfängst, dich zu verleugnen, komme ich wieder und hole dich“, grinste das Shadow-Mädchen und legte den Kopf schief, ehe sie in ein helles blaues Licht gehüllt wurde.   Als das Licht verblasste, schwebte vor Haruka eine junge Frau in einem langen, weißen Kleid, welches ihre nackten Füße freigab und platinblonden Haaren. Die Haare reichten der Frau bis zum Po und waren ab dem Nacken zu einem dicken Zopf geflochten. Ihr Gesicht war von einer metallenen Maske verdeckt und um ihre Stirn legte sich ein Stirnreif, der aussah, als wäre er aus mehreren Metallteilen zusammengeschweißt worden. An dem Stirnreif war ein Haarreif in Form eines Zahnrades befestigt, der ihr die Haare aus dem Gesicht hielt. Die rechte Brust der Frau war mit einem Brustpanzer in Form eins Zahnrades bedeckt, wobei der Panzer sich über den ganzen Rücken zog. Aus dem Rücken ragten ein paar klingenartige Flügel, und unter dem Kleid lugten ein paar Stromkabel hervor. Der linke Arm und das linke Bein der Persona sahen aus, als wären sie aus Metall gefertigt, während sie ihre normale Hand leicht nach ihrem anderen Ich ausstreckte. Die Brünette schloss die Augen und faltete die Hände vor der Brust, als die Persona sich in einem blauen Splitterregen auflöste und in ihren Körper zurückkehrte. „Danke, dass du bei mir bist, Spica“, flüsterte die Brünette, bevor sie aufgrund eines leichten Schwächeanfalls in die Knie ging. Mirai und Miyuki stützten die Brünette, bevor sie sich allesamt auf den Rückweg machten. Sehr zum Erstaunen der Gruppe war weit und breit kein Shadow mehr zu sehen, weshalb die Rückreise schnell und problemlos vonstattenging. Haruka war etwas erstaunt darüber, dass sie durch einen Baum gehen sollte, doch war die Silberhaarige recht ungeduldig und schubste sie einfach durch das Portal.   ~~~Naganaki Schrein~~~   Ein erleichterter Seufzer entwich dem Quartett, als sie den Schrein erreichten, während ihre Zielperson gedankenverloren in den mondlosen Nachthimmel schaute. Sie konnte es immer noch nicht so wirklich glauben, was ihr da gerade alles widerfahren war, doch sie genoss einfach die kalte Nachtluft. „Ich schwöre euch, Leute, egal was meine Mutter im Moment macht, ich schmeiß mir zu Hause ein paar Churros in die Friteuse!“, rief Luca und streckte sich ausgiebig, was Aiden auflachen ließ: „Da hätte ich auch mal wieder Bock drauf. Bring mir morgen welche mit.“ Die beiden Braunhaarigen lachten erleichtert auf, wobei sie von den Damen ihrer Gruppe beobachtet wurden: „Die beiden sind ziemlich sorglos, meinst du nicht, Miyuki?“ „Ich hätte auch gerne so einen guten Freund, wie die beiden es sind, also einen zum Rumblödeln“, erwiderte die Grünhaarige, was die Silberhaarige nur mit den Augen rollen ließ: „Na, dann such mal schön.“ „Solche Freunde findet man selten, aber man muss sie in Ehren halten“, kam nun Haruka dazu, die sichtlich müde wirkte und Aiden und Luca betrachtete, wobei ersterer ihren Blick erwiderte: „Du hast doch auch so eine Freundin. Nozaki.“   Kurz wirkte die Brünette etwas überrascht, doch dann lächelte sie sanft: „Ich glaube, du hast recht. K-kann ich vielleicht mit zu euch kommen? Ich... will noch nicht nach Hause.“ „Klar doch, du kannst...“, setzte Aiden an, doch fuhr ihm Mirai barsch über den Mund: „Nein, es ist besser, wenn du woanders hingehst. Diese Hirnis haben deinem Opa schon genug erzählt. Was glaubt ihr denn, wie die Polizei euch die Tür einrennt, wenn ein verschwundenes Mädchen plötzlich in eurem Wohnheim sitzt?“ „Oh, soweit habe ich nicht gedacht...“, brummte der Anführer und kratzte sich am Hinterkopf, als Haruka kurz lachte: „Ihr seid ja eine lustige Truppe. Ich werde Saku anrufen und fragen, ob ich heute bei ihr bleiben kann.“ Die Gruppe nickte kurz, ehe Luca auf eine Telefonzelle deutet: „Nimm die da hinten, dein Handy hat in der Zeit vermutlich den Geist aufgegeben. Hier, geht auf mich.“ Damit hielt er der Brünette ein paar Münzen hin, die diese sichtlich verblüfft annahm: „Du... bist viel netter, als ich geglaubt habe, Silva-kun.“ „Da siehst du mal, Tenno-chan und jetzt kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass ich dich mal auf was eingeladen habe“, lachte der Spanier freudig auf, was die Brünette nur das Gesicht verziehen ließ: „Ich nehme zurück, was ich eben gesagt habe.“   Die Gruppe brach in schallendes Gelächter aus, bevor sie sich aufteilten. Luca machte sich auf den Heimweg, Mirai entschied sich dazu, ein Auge auf Haruka zu haben bis diese von Sakura abgeholt werden würde und Aiden und Miyuki machten sich auf den Weg zum Wohnheim. Kaum hatten sie die Tür hinter sich geschlossen seufzte die Grünhaarige erleichtert auf: „Ich glaub es immer noch nicht, dass wir das geschafft haben!“ „Ich auch nicht. Ich dachte echt eine Zeit lang, dass wir drauf gehen. Aber wir haben es geschafft“, grinste der Braunhaarige erleichtert, was ihm seine Mitbewohnerin gleichtat: „Ja, aber jetzt muss ich echt ins Bett... ich glaube, ich werde morgen definitiv verschlafen.“ Die beiden stiegen die Treppe hinauf und wünschten sich eine gute Nacht, bevor Aiden in sein Zimmer ging und dort seine schlafende vorfand. Ein warmes Lächeln huschte ihm übers Gesicht, als er sich einfach mitsamt seinen Klamotten ins Bett legte und sofort einschlief. Kapitel 18: XVIII - Konzert in der Mall --------------------------------------- ~~~Samstag 07. Mai 2016~~~   Leise murrend drehte Aiden sich in seinem Bett um und versuchte noch ein wenig Schlaf zu finden, doch wurde ihm dieser leider verwehrt, da eine fröhliche Kinderstimme durch sein Zimmer hallte und dabei verschiedene Liedtexte trällerte. Langsam richtete sich der Oberschüler auf und strich sich müde mit der Hand durch die Haare, bevor er sich in seinem Zimmer umsah und nach dem Grund für den Gesang suchte. Diesen Grund hatte er auch schnell gefunden, denn seine kleine Schwester tanzte fröhlich durch das Zimmer und hielt dabei seine Katze im Arm, als würde sie mit ihr tanzen: „Ich kann es gar nicht mehr erwarten, Kiara-chan. Bald ist es soweit!“ Das Tier gab ein leicht gequält klingendes Maunzen von sich, bevor sie sich auf das Bett zu ihrem Besitzer flüchtete, der sie sanft am Ohr kraulte: „Kari, weißt du eigentlich wie spät es ist?“ „Klar weiß ich das! Und weißt du, was heute für ein Tag ist, Onii-chan?“, flötete die Kleine und sah ihren Bruder mit großen Augen an, der sich jedoch nur am Hinterkopf kratzte: „Ähm, Samstag? Der Tag, an dem ich ins Bett gehen kann, ohne am nächsten Tag früh aufstehen zu müssen?“   Auf den verdutzten Blick des Braunhaarigen musste das Mädchen kichern, doch dann wippte sie freudig von den Fußballen auf die Fersen und wieder zurück: „Nein, Onii-chan, oder warte... Ja, doch, es ist Samstag, aber heute ist das Konzert von Risette. Hast du das etwa vergessen?“ Einen Moment blinzelte der Oberschüler verschlafen, bevor er realisierte, was seine Schwester da gesagt hatte. Das Konzert hatte er total vergessen und ausgerechnet heute war er in einem Zustand, in dem er jeden Schlaf brauchte, den er kriegen konnte. „N-nein, ich habe es nicht vergessen. Deshalb bist du doch her gekommen“, lachte Aiden verlegen auf und strich sich den Pony aus dem Gesicht, während seine Schwester freudestrahlend aus dem Zimmer lief, um sich Frühstück zu machen. „Da hab ich mir ja was eingebrockt. Warum muss das alles im selben Zeitraum passieren?“, murrte der Braunhaarige und sah auf seine Katze, die dreimal in einem vorwurfsvollen Ton miaute, was ihm nur ein Augenrollen abverlangte: „Ach, was weißt du schon? Bist doch nur eine Katze. Na komm, Frühstück.“ Sofort sprang das Tier ihm auf die Schulter und schnurrte wohlig auf, denn das Wort »Frühstück« kannte sie nur zu gut.   In der Küche traf der Braunhaarige auf seine Mitbewohner, doch in einer anderen Art und Weise, wie er es sich gedacht hatte. Kari und Miyuki tanzten um den Tisch herum und sangen dabei die ganze Zeit „Wir gehen zu Risette heut‘ Nacht!“, während Mirai mit dem Kopf auf der Tischplatte dasaß und wehleidig jammerte. Als der Braunhaarige neben sie trat, begann die Silberhaarige ihren Kopf auf die Tischplatte zu hämmern und bei jedem Schlag murmelte sie ein anderes Wort: „Bitte. Bring. Sie. Zum. Schweigen!“ Mehr, als seiner Mitbewohnerin sanft den Kopf zu tätscheln, konnte er nicht tun, weshalb er sich eher auf das Frühstück konzentrierte und seine Katze versorgte. Da Miyuki und Kari in ihrem Tun einfach nicht nachgaben, zog Mirai es vor, ins Wohnzimmer zu flüchten, was Aiden ihr in keinster Weise verübeln konnte. Nach dem Essen war es auch schon Zeit, dass sie sich auf den Weg zur Schule machen mussten, denn darum kamen sie leider nicht herum. Während des ganzen Weges kamen sie immer wieder an Schülern vorbei, die kein anderes Thema als das Konzert am Abend kannten.   Vor der Schule stieß die Gruppe auf Luca, der neben einer rosahaarigen Schülerin stand und dabei seinen Ellenbogen gegen die Mauer um das Schulgelände herum gelehnt hatte: „Du bist ja kein solcher Musik-Freak, wie die meisten hier und ich habe heute Abend nichts vor. Wir könnten doch zusammen einen Tee trinken gehen und uns besser kennen lernen.“ „Ganz im Ernst, Silva, ich kenne dich schon seit der Mittelstufe und das reicht mir auch!“, murrte die Rosahaarige, die Aiden als Sakura erkannte, welche die Arme vor der Brust verschränkt hatte. Kari hielt die Hand ihres Bruders und legte den Kopf schief, bevor sie zu Aiden aufsah: „Onii-chan? Was macht Luca-nii da?“ „Etwas blödes, so viel ist mal sicher“, erwiderte der Braunhaarige und schritt weiter auf das Schultor zu, während seine grünhaarige Mitbewohnerin neben ihm leise gähnte: „Also ehrlich gesagt bewundere ich Silva-kuns Ehrgeiz. Wenn er etwas will, dann lässt er sich nicht davon abbringen und versucht es weiter und weiter.“ „Es gibt aber einen Unterschied zwischen ehrgeizig und aufdringlich sein, Miyuki“, brummte der Braunhaarige, als die Gruppe das Tor erreichten und Sakura den Kopf hob: „Guten Morgen, Kurosaki-kun. Hast du einen Moment Zeit?“ Etwas verblüfft von der Frage nickte er nur und sah seiner Mitschülerin nach, welche ein Stück zur Seite ging, bevor er ihr folgte und sich mit dem Rücken gegen die Wand lehnte.   Eine Weile standen die beiden einfach nur da, bevor Sakura sich einmal in den Arm kniff und dann nickte: „Ich muss dir was Wichtiges erzählen. Haruka ist gestern wieder aufgetaucht!“ Einen Moment blinzelte der Braunhaarige verdutzt, bis er realisierte, dass er das wieder auftauchen der Brünette ja gar nicht wissen konnte und entsprechend reagieren musste. Sofort drückte er sich von der Wand ab und grinste seine Bekannte an: „Das ist ja großartig! Geht es ihr gut? Wo war sie denn gewesen?“ „Ja, sie scheint okay zu sein, sie hat gestern Abend nur extrem müde gewirkt. Okay, es war auch kurz nach Mitternacht, aber trotzdem. Ich bin so froh, dass sie wieder da ist“, erzählte die Rosahaarige und presste sich dabei eine Hand auf die Brust, wobei sie fast so wirkte, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. Mehr als ihr sanft auf die Schulter zu klopfen wollte Aiden nicht einfallen, aber es schien zu reichen, damit Sakura wieder runterkommen konnte: „Danke, Kurosaki-kun. Ich war einfach völlig verblüfft. Gestern Abend... oder eher heute Früh, ging mein Handy von einer unbekannten Nummer und als ich abhob war Haruka dran. Mein Vater ist sie mit mir am Naganaki Schrein abholen gegangen.“ „Wie ist sie denn an den Schrein gekommen?“, versuchte Aiden gespielt verwirrt zu klingen und sah nachdenklich in die Luft, was offenbar zu funktionieren schien, denn die Rosahaarige schüttelte nur den Kopf: „Ich weiß es nicht, aber es ist mir momentan auch egal. Haruka ist in Sicherheit und es scheint ihr gut zu gehen. Auch wenn ich immer noch etwas besorgt bin.“   „Wieso?“, stellte Aiden die wohl dämlichste Frage, die ihm in den Sinn hätte kommen können, doch war es zu spät, um sie zurück zu nehmen. Sakura schien es allerdings nicht zu stören: „Naja, ich weiß nicht, ob du das mitbekommen hast, aber... Haruka und ihre Mutter sind nicht gerade grün miteinander, wenn du verstehst, was ich meine.“ „Das hatte ihr Opa glaube ich erwähnt. Die beiden streiten sich oft, oder? Oh, jetzt verstehe ich. Du hast Angst was passieren wird, wenn Tenno nach Hause muss“, schlussfolgerte Aiden und sah zu Boden, während Sakura zaghaft nickte: „Ja. Mein Vater wollte sie schlafen lassen und dann ihrer Mutter Bescheid geben. Ich wäre am liebsten dageblieben, aber meine Mutter hat mich in die Schule gescheucht.“ Bei der Vorstellung musste der Braunhaarige lachen, doch als jemand nach ihm rief, wandte er sich der Schule und seinen Freunden zu: „Ist vielleicht besser so, Nozaki. Na komm, bringen wir die Schule hinter uns und dann kannst du Tenno besuchen gehen.“ „Du hast Recht! Danke, Kurosaki-kun“, lächelte die Schülerin und schlenderte mit Aiden in Richtung Gebäude, um ihr heutiges Unterrichtspensum hinter sie zu bringen, wobei sie etwas vorging, da ihr Begleiter noch einmal zu seinen Freunden stieß.   Zu Aidens Überraschung bekam er einen bösen Blick von Luca zu spüren, der ihm etwas fester in die Seite stieß: „Was genau läuft denn da zwischen dir und Nozaki-chan?“ „Onii-chan hat ne Freundin? Warte mal einen Moment!“, rief Kari plötzlich aus und rannte hinter Sakura her, was ihren Bruder in Panik versetzte: „Kari, lass das! Tu es nicht!“ Bevor Miyuki und Luca etwas tun konnten, war Aiden hinter seiner Schwester hergerannt, die die Rosahaarige eingeholt hatte und sie mit großen Augen ansah: „Bist du die Freundin von meinem Onii-chan? Er braucht jemanden, der sich um ihn kümmert, weißt du?“ „Was?“ Mehr konnte die Kendoka nicht von sich geben, als der Braunhaarige seine Schwester an der Hand nahm, um sie in Richtung der Grundschule zu führen: „Wie oft hab ich dir gesagt, dass du das lassen sollst?“ „Weiß nicht, aber ich will dir doch nur helfen, Onii-chan!“, erwiderte die Kleine unschuldig, was ihren Bruder allerdings nicht einmal ansatzweise ruhig stimmte: „Ich brauch keine Hilfe und schon gar nicht in dem Bereich!“ Einen Moment tippte sich die Kleine ans Kinn, bevor sie mit einem strahlenden Grinsen zu dem Älteren aufsah: „Du hast also schon eine Freundin? Wie heißt sie? Wie ist sie so? Darf ich sie kennen lernen? Ist es vielleicht doch die Rosahaarige da drüben?“ „Was? Nein, hör jetzt auf damit! Dieses Gespräch ist beendet!“, bestimmte Aiden, doch dachte Kari nicht im Traum daran, auf ihn zu hören, weshalb sie einfach weiter plapperte: „Nicht, wenn ich weiterrede.“   Aiden schaffte es noch rechtzeitig in den Unterricht, ohne von seiner Lehrerin zu weiteren Strafarbeiten verdonnert zu werden und irgendwie kam ihm der heutige Schultag gar nicht mal so anstrengend vor. Vielleicht lag es an der Tatsache, dass er sich heute Morgen mit Sakura unterhalten hatte und diese sichtlich erleichtert gewesen war, da die Rettung von Haruka geklappt hatte. Der Gedanke an das, was sie als Team geschafft hatten, ließ ihn sogar seine Müdigkeit vergessen, weshalb er sogar einige Sachen, die er im Unterricht gar nicht verstanden hatte, jetzt ohne Probleme gelöst bekam. Auch Miyuki wirkte sichtlich motiviert und summte den ganzen Unterricht über vor sich hin, sodass es fast schon nervig wurde, dennoch konnte der Braunhaarige seiner Mitbewohnerin ihre gute Laune einfach nicht verübeln. Viel schneller als gedacht kam auch schon der Gong, der den Schultag beendete, weshalb die Grünhaarige euphorisch aufsprang: „Jetzt trennen mich nur noch wenige Stunden von Risette. Wuhu!“   Auf dem Flur trafen die beiden auf Luca, der sich genüsslich streckte: „Hey, Amigos. Na, was habt ihr heute noch so vor, nachdem diese Folter um ist?“ „Mr. Edogawa?“, kam es leicht grinsend von Aiden, was der Spanier nickend beantwortete: „Ja, ernsthaft, der Kerl kann doch labern ohne Luft zu holen.“ „Selbst der kann mir nicht die Laune vermiesen! Wir gehen heute Abend zu Risette!“, jubelte Miyuki weiter und tanzte sogar leicht, was die beiden Braunhaarigen grinsen ließ, bevor Luca die Hände hinter dem Kopf verschränkte: „Dann wünsche ich euch heute Abend viel Spaß. Ich mach mit meiner Mutter Paella, das wird ein Gaumenschmaus.“ „Klingt auch nicht schlecht, wenn ich ehrlich bin. Zuerst muss ich aber die kleine Nervensäge holen gehen“, erwiderte der Blauäugige und machte sich auf den Weg, da seine Schwester in seiner Abwesenheit sonst was anstellen könnte, was sie zu seinem Glück nicht getan hatte. Das Wohnheimtrio entschloss sich dazu nach Hause zu gehen und sich für den Abend noch ein bisschen auszuruhen, aber vor allem wollten sie aus ihren Uniformen raus.   ~~~später am Abend~~~   Pünktlich kam der Zug mit Aiden, Mirai, Miyuki und Kari an Bord am Bahnhof an, jedoch waren sie nicht die einzigen Schüler, die zu dem Konzert wollten. Ganze Scharen von Teenagern strömten aus dem Zug und Aiden musste aufpassen, dass er seine Schwester nicht irgendwie verlor. Zu viert spazierten sie auf die Mall zu, die für das Konzert extra geschmückt worden war und man konnte über die Aufmachung nur staunen. Bei all den bunten Lichtern wurde es dem Braunhaarigen schon ein wenig schwindelig, doch seine Schwester schien genau das zu mögen, denn sie deutete immer auf eine andere bunte Lampe und kicherte vergnügt vor sich hin. Mirai rieb sich die Schläfen und murrte vor sich hin, während sie zum Eingang schaute: „Das sieht so aus, als würde es mir sehr, sehr große Kopfschmerzen verursachen.“ „Ja, ich weiß, das wird toll!“, rief Miyuki und schien den Kommentar ihrer Freundin gar nicht gehört zu haben, was die Silberhaarigen wieder nur brummen ließ: „Guck einfach aus dem Fenster und atme.“ „Warum stehen die alle hier draußen, Onii-chan?“, wunderte sich Kari und deutete auf die Schlange, die sich vor dem Eingang gebildet hatte, was ihr Bruder ihr erklärte: „Naja, die bereiten noch alles vor und von daher müssen wir draußen warten, bis alles soweit ist. Verstehst du?“ Die Kleine nickte verstehend, auch wenn es ihr nicht gefiel.   Die vier standen ein Stück abseits und vertraten sich die Beine, wobei vor allem Kari ungeduldig wurde: „Wann geht es endlich los?“ „Kann nicht mehr lange dauern, Kari-chan“, versuchte Miyuki das Mädchen zu beruhigen, als Mirai ein lautes Gähnen von sich gab: „Boah, wie langweilig. Nanu, was liegt denn da?“ Die Gruppe folgte ihrer Freundin mit den Augen, welche ein paar Schritte zur Seite ging und ein Handy aufhob: „Das hat wohl jemand verloren.“ „Dann müssen wir es zurückbringen!“, rief Kari aus und bekam dafür den Kopf getätschelt, während Miyuki das Handy betrachtete: „Wenn wir nur wüssten, wem es gehört. Mach es mal an, vielleicht hilft das.“ Mit einem Nicken suchte die Silberhaarige den Knopf zum Anschalten, doch war das Handy gesperrt, womit die Teenager eigentlich schon gerechnet hatten. Auch das Hintergrundbild gab nicht wirklich Aufschluss über den Besitzer, denn der Bildschirm zeigte einen jungen Mann mit grauen Haaren und Augen, welcher von unzähligen Herzchen umringt war. „Ich würde sagen, das gehört einer Frau, wer sonst würde so einen Hintergrund benutzen?“, mutmaßte Aiden, was ihm zustimmendes Nicken einbrachte, doch war Miyuki was anderes ins Auge gefallen: „Könnte auch ein Schwuler sein, aber wer macht sich bitte ein Ganmodoki als Anhänger an sein Handy?“ „Ein Tofu-Liebhaber!“, kam es synchron von Mirai und Aiden, was Kari kichern ließ, bevor sie ernst wurde: „Wir müssen es der Polizei geben, das macht man so, wenn man etwas findet.“   Die Gruppe nickte und machte sich auf den Weg um die Mall herum, denn bei solchen Veranstaltungen war normalerweise immer Polizei-Personal für die Sicherheit anwesend. Leider waren die Beamten wohl alle in der Mall und nicht außerhalb, bis die Gruppe am Hintereingang ankam und dort mehrere Laster stehen sah. Anscheinend war dort die Ausrüstung für das Event drin, denn immer wieder liefen Leute mit Verstärkern oder Lautsprechern rein und raus. „Warte... die sind noch am Aufbauen?“, wunderte sich Miyuki verblüfft, was ihre Freundin nur mit den Achseln zucken ließ: „Anscheinend. Wow, von Planung anscheinend keine Ahnung. Hier sollte doch irgendwo ein Polizist rumlaufen.“ Aiden nickte knapp, als sein Blick auf zwei Personen fiel: Eine hübsche junge Frau mit langen, rot-braunen Haaren in einem auffälligen Outfit und eine junge Frau mit kurzen, dunkelblauen Haaren. Die Blauhaarige kam ihm irgendwie bekannt vor, als ihm wieder einfiel, woher: Das war die Polizistin, die er damals bei Harukas Haus gesehen hatte. Glück musste man haben, vielleicht konnten sie der Frau das Handy geben.   Er winkte seine Freunde mit und trat an die beiden Frauen heran, von denen die Brünette leicht am flehen war: „Komm schon, Naoto-kun, hilf mir suchen! Es muss hier irgendwo sein.“ „Warum rufst du dein Handy nicht einfach an, Rise? Dann klingelt es doch“, erwiderte die Blauhaarige, was ihre Bekannte leicht rot anlaufen lief: „Es ist stumm geschaltet, deswegen klappt das nicht.“ Die vier sahen sich kurz an, bevor Aiden an die Blauhaarige herantraten: „Ähm, bitte entschuldigen Sie die Störung. Wir bräuchten kurz Hilfe.“ Sofort drehte die Blauhaarige den Kopf um und musterte die Schüler, bevor sie nickte: „Natürlich, wie kann ich helfen?“ Aiden gab Miyuki ein Zeichen, welche daraufhin vortrat und das Handy zeigte: „Wir haben das hier gefunden und wollen es seinem Besitzer zurückgeben. Können Sie usn vielleicht beim Suchen helfen?“ „Sehr lobenswert, wir brauchen mehr verantwortungsbewusste Teenager. Zeig mal her“, lächelte die Blauhaarige und nahm das Handy in die Hand, um es zu begutachten, bevor sie es kurz anschaltete und dann ihrer Bekannten hinhielt: „Da hast du dein Handy, Rise.“ „Bist du sicher, dass es meins ist?“, erkundigte sich die Brünette, als sie das Telefon entgegennahm, nur um eine neckische Bemerkung zu bekommen: „Ich kenne nur eine Person, die ein Stück Tofu als Anhänger und ein Hintergrundbild von Yu-senpai auf ihrem Handy hat. Beweisführung abgeschlossen.“ „Ich habe nichts, wofür ich mich schämen muss“, gab die junge Frau Antwort und zog die Worte dabei etwas in die Länge, bevor sie ihr Handy an sich drückte: „Danke, ihr vier. Das war echt lieb von euch. Kann ich mich irgendwie bei euch dafür bedanken?“   Aiden und Mirai winkten nur mit den Händen ab, doch Miyuki zog sofort einen Block und einen Stift aus ihrer Tasche: „K-kann ich vielleicht ein Autogramm haben, Risette-san?“ „Ich will auch eins!“, schaltete sich sofort Kari ein, was die Sängerin kichern ließ: „Zwei Autogramme für mein wiedergefundenes Handy? Da habe ich ja einen guten Deal gemacht. Kein Problem.“ Sofort nahm die junge Frau den Stift zur Hand und ließ sich zwei Fotos reichen, auf die sie ihren Namen schrieb, nur um sie an ihre beiden Fans weiter zu reichen, welche ihr Glück kaum fassen konnten und sich überschwänglich bedankten. Mirai hingegen rieb sich die Schläfen und murrte leise: „Ich weiß nicht, was an einem Foto mit einem Namen drauf so toll sein soll.“ „Ich auch nicht, aber die beiden freuen sich und das ist doch die Hauptsache, oder?“, erwiderte Aiden und erntete ein langsames Nicken, bevor sie wieder auf die beiden feiernden Fans schauten. Rise tippte sich kurz mit dem Finger ans Kinn, denn irgendwas schien sie zu beschäftigen, bis sie einmal in die Hände klatschte: „Wisst Ihr was? Als Dankeschön lasse ich euch Backstage, was haltet Ihr davon? Mein Handy ist schon etwas mehr wert als zwei Autogramme.“ Auf das folgende Gekreische mussten sich Naoto, Aiden und Mirai die Ohren zuhalten, denn Miyuki und Kari waren nicht mehr zu stoppen, da sie sich nun noch überschwänglicher bedankten und der Sängerin sogar die Hand schüttelten. Das Gejubel wurde von einem Bühnenarbeiter unterbrochen, der bekannt gab, dass nun alles bereit sei, weshalb Rise die Faust ballte: „Okay, es ist Showtime!“   Sie führte Aiden und seine Freunde hinein, wodurch sie die ersten waren und ganz vorne standen, während die restlichen Fans nach und nach die Mall betraten. Alleine der Lärm, den die Fans machten war schon fast ohrenbetäubend, weshalb der Braunhaarige die Ohrenstöpsel, die er vorsichtshalber mitgenommen hatte, hervorzog und an seine Freunde verteilte: „Hier, steckt euch die in die Ohren.“ „Aber dann höre ich doch gar nichts“, erwiderte Kari verstimmt und wollte die Ohrenstöpsel schon wegpacken, als ihr Bruder ihr einfach ein Paar in die Ohren steckte: „Glaub mir, hier wird es gleich so laut, dass du auch mit den Stöpsel alles hören wirst. Es ist zum Schutz der Ohren.“ Auf die Erklärung nickte die Kleine und sah zu, wie die Älteren sich ebenfalls etwas in die Ohren steckten, weshalb sie es so hinnahm und dann auf die Bühne schaute. Es dauerte noch eine Weile, bevor die Lichter in der Mall ausgingen und alle Scheinwerfer auf die Bühne gerichtet wurden, die man vor der Karaoke-Bar aufgestellt hatte. Unter lautem Jubel und in Begleitung eines beeindruckenden Feuerwerks betrat Rise die Bühne und posierte strahlend, während sie in die Menge deutete: „Hallo, Tatsumi Port Island! Wie geht es euch?“   Auf das folgende Gebrüll, welches eine Antwort darstellen sollte, konnte Aiden nur froh sein, dass er Ohrenstöpsel hatte und auch seine Schwester war wohl der Meinung, denn sie drückte kurz seine Hand. Rise war anscheinend voll in ihrem Element, denn sie hielt sich gespielt die Hand ans Ohr: „Ich kann euch nicht hören!“ Auf den Scherz gingen die Fans natürlich ein und wiederholten ihren Ausruf, dieses Mal etwas lauter, woraufhin die Sängerin kicherte: „Das hört man doch gerne. Vielen Dank für euer zahlreiches Erscheinen und bitte entschuldigt die Verspätung. Dumme Technik, aber was will man machen?“ Mirai verzog das Gesicht und sah zu Aiden: „Wow, durch einen blöden Satz verzeihen ihr alle diese Verspätung, obwohl sie Geld dafür bezahlt haben. Hm...“ „Naja, das ist eben Entertainment, Mirai. Stimmt etwas nicht?“, wandte sich der Braunhaarige zur Seite, wo seine Bekannte sich kurz an den Kopf fuhr und dann mit leicht glasigem Blick zu ihm schaute: „Keine Ahnung, das kommt mir alles so bekannt vor. Ob ich schon mal auf einem Konzert war? Ich habe mich nie wirklich als einen Musikfan gesehen, wenn ich an die letzte Zeit denke.“ „Gut möglich, das ist ja überall der gleiche Ablauf“, vermutete der Oberschüler, als die Musik anfing und Rise ihr erstes Lied anstimmte.   Die beiden hielten sich etwas zurück und betrachteten das Spektakel bei dem vor allem die Fans sie erstaunten, denn sie konnten ausnahmslos jeden Song komplett mitsingen. Trotz der Ohrenstöpsel war die Lautstärke so hoch, dass es teilweise in den Ohren wehtat. Die ganzen Leute um sie herum schien das aber ganz und gar nicht zu stören, denn die waren mehr mit singen und tanzen beschäftigt. Irgendwann erwischte Aiden sich selbst dabei, wie er mit dem Rhythmus mit wippte, weshalb er schnell den Kopf schüttelte und zu Mirai schaute, die zu seinem Erschrecken aussah, als würde sie jeden Moment umkippen. Die Silberhaarige war kreidebleich im Gesicht und ihr Atem ging flach, weshalb Aiden sie sanft an der Schulter berührte und damit zusammenzucken ließ. „Alles in Ordnung?“, versuchte der Braunhaarige gegen die Musik eine Frage zu stellen, was seine Freundin zum Glück verstand und mit dem Kopf schüttelte: „Nein... mir ist schlecht und mein Kopf dröhnt.“ Er nickte kurz und tippte Miyuki auf die Schulter, welche sich neugierig umdrehte und dabei Mirai bemerkte. Schnell erklärte Aiden, dass er ihre Mitbewohnerin rausbringen würde, damit sie ein wenig frische Luft schnappen konnte und bat die Grünhaarige, ein Auge auf seine Schwester zu haben.   Mühsam zwängte sich Aiden durch die Menge und führte Mirai mit, damit sie nicht irgendwie verloren ging und brachte sie zum Hinterausgang. Draußen war es zum Glück etwas ruhiger und die Silberhaarige nahm erst einmal ein paar gierige Atemzüge, was ihr augenscheinlich guttat. „Dir sind wohl die vielen Leute nicht bekommen, kann das sein?“, mutmaßte der Braunhaarige und musterte seine Bekannte, die sich kurz ein paar Haare aus dem Gesicht wischte und etwas ruhiger wirkte: „Kann sein. Das kam jetzt so urplötzlich. Von einem Moment auf den anderen.“ „Soll ich bei dir bleiben?“, kam es besorgt von Aiden, doch bekam er nur ein Kopfschütteln zurück: „Nein, ich komm schon klar. Geh lieber zurück zu den beiden Musikfreaks. Ich merke doch, dass du Miyuki nicht traust.“ „Das ist nicht wahr. Ich vertraue ihr, aber meiner Schwester nicht. Die ist schlimmer zu hüten, als ein Sack voller Flöhe“, erklärte der Braunhaarige und erntete dafür ein amüsiertes Kichern, bevor Mirai sich in Bewegung setzte: „Geh wieder rein. Ich bleib hier draußen und vertrete mir ein bisschen die Beine. Jetzt guck nicht so und geh wieder rein, ich kann auf mich selbst aufpassen. Ich binde mir auch die Schuhe selbst, weißt du?“   Da er anscheinend keine andere Wahl hatte, ging Aiden wieder rein, während Mirai sich auf machte, ein wenig herum zu streunen. Sie verstand nicht, wo plötzlich diese Kopfschmerzen hergekommen waren, doch vermutlich hatte sie einfach dieses Gedränge nicht vertragen. Es kotzte sich innerlich an, dass sie absolut keine Ahnung von sich selbst hatte, ja nicht einmal wusste, was sie nicht vertrug oder ihr nicht guttat. Sie spazierte ein wenig durch die Nachbarschaft, bis ihr Blick auf eine offene Werkstatt fiel, aus der immer noch Licht drang. Da sie ohnehin nichts Besseres zu tun hatte, entschied sie sich, dorthin zu gehen und klopfte vorsichtig gegen das offene Metalltor: „Guten Abend, darf man rein kommen?“ Etwas überrascht sah der alte Mann von dem Motorrad auf, an dem er gerade herum geschraubt hatte und nickte dann: „Ach, du bist das. Natürlich, komm ruhig rein, Kleines.“ „Kleines?“, erwiderte die junge Frau sichtlich irritiert und betrat dennoch die Werkstatt, wo sie sich auf einem Haufen Reifen niederließ: „Sie arbeiten um die Zeit immer noch?“ „Wenn du so alt bist wie ich, dann bist du froh für alles, was du noch erledigt bekommst, bevor sie dich in die Kiste nageln“, lachte der Alte auf und begann wieder an dem Motorrad herum zu schrauben. „Wenn Sie meinen, Tenno-san. Gibt es eigentlich etwas Neues von Ihrer Enkelin?“, wechselte Mirai das Thema und erntete dafür einen amüsierten Blick: „Ach bitte, tu nicht so scheinheilig, Mädchen. Ich weiß ganz genau, dass du und deine Freunde dafür gesorgt habt, dass meine Haru wieder da ist. Im Moment ist sie oben und schläft.“   Genau in dem Moment ging eine Tür an der Seite auf und Haruka kam, in Pyjama gekleidet und in eine Decke gepackt, in die Werkstatt. Sie raffte die Decke enger um sich und setzte sich ebenfalls auf einen Stapel Reifen, bevor sie in die Runde sah: „Du redest über mich, Opa?“ „Hm? Na wenn man vom Teufel spricht. Nur ein Spaß, meine Kleine. Ich habe mich mit der jungen Dame hier unterhalten wie froh ich bin, dass du wieder da bist“, erklärte der Grauhaarige und zog etwas fester an einem Maulschlüssel, um eine Schraube zu lösen. Mit einem sanften Lächeln beobachtete Haruka ihren Großvater, ehe sie sich Mirai zuwandte: „Du bist doch das Mädchen, die auf mich aufgepasst hat, während ich auf Sakura gewartet hatte, richtig?“ „Ja und ich heiße übrigens Mirai“, entgegnete die Silberhaarige ruhig und betrachtete die neue Persona-Userin, die sich in ihre Decke kuschelte: „Danke, dass du damals bei mir geblieben bist. Was machst du eigentlich hier? Wolltest du zu meinem Opa?“ „Wenn man es genau nimmt, war ich eigentlich auf dem Konzert in der Mall, allerdings... scheine ich solche Aufläufe nicht zu vertragen. Ich habe frische Luft gebraucht“, erklärte sich die junge Frau und rieb sich kurz die Nase, ehe sie in Richtung Mall schaute.   „Naja, ich mag so etwas auch nicht so gerne und ich muss auch nicht da hin. Die Musik ist laut genug, dass wir hier alles hören können“, lachte Haruka leicht auf und setzte sich etwas bequemer hin, bevor sie wieder den Kopf hob: „Sag mal, Mirai-san, geht es den anderen gut?“ Auf die Frage nickte die Silberhaarige nur und lehnte sich gegen den Torrahmen, denn sie bekam erneut Kopfschmerzen, die sie sich nicht erklären konnte, jedoch wollte sie sich das auch nicht anmerken lassen. Sie fuhr sich kurz durch die Haare, bevor sie einen langen Seufzer ausstieß: „Naja, dir scheint es ja wieder einigermaßen gut zu gehen, so wie ich das sehe.“ Auf die Aussage zog Haruka sich nur die Decke über den Mund und sah auf eins der Autos, während ihr Opa sich gegen den Rücken drückte und damit ein leises Knacken hören ließ: „Naja, Haruka ist zwar wieder da, aber meine werte Frau Schwiegertochter ist immer noch auf 180. Sie hat den ganzen Tag gebrüllt, wie unfähig die Polizei doch ist. Dabei braucht Haruka jetzt am meisten Ruhe.“ „Das klingt echt übel. Na, dann will ich dir diese Ruhe gönnen, Haruka“, merkte Mirai an und drückte sich vom Torrahmen ab, um zu gehen, als die Brünette noch einmal das Wort ergriff: „Oh, okay. Dann... bis zum nächsten Mal, Mirai-san. Ich hoffe, wir sehen uns mal wieder.“ „Irgendwas sagt mir, dass das der Fall sein wird. Ich wünsche euch beiden eine gute Nacht. Auf Wiedersehen“, verabschiedete sich die Silberhaarige und machte sich auf den Rückweg zur Mall.   Egal wie sehr sie sich zu beruhigen versuchte, die Kopfschmerzen wurden immer schlimmer, bis ihr irgendwann sogar die Beine wegknickten und sie unsanft auf ihren Knien landete. Ihr Kopf fühlte sich an, als würde er gleich zerspringen, weshalb sie sich die Hand an die Stirn presste und die Augen zusammenkniff.   ~~~???~~~   Mit den Füßen hin und her schwingend hockte Mirai auf einer Schaukel und sah sich in der Gegend um. Sie befand sich auf einem Spielplatz vor einem Schrein, der ihr recht bekannt vorkam und sie brauchte nicht lange, bis sie das Gebäude definitiv als Naganaki Schrein identifizieren konnte. Sie versuchte sich zu erinnern, was passiert war oder wie es sie hierher verschlagen hatte, doch kam sie nicht weit. Bevor sie sich weiter Gedanken machen konnte, ertönte eine leicht verzerrte Stimme ein Stück neben ihr: „Mirai, da bist du ja. Wir haben dich schon gesucht.“ Sie drehte den Kopf zur Seite, doch konnte sie die Personen, die auf sie zukamen, nicht erkennen, da sie komplett verschwommen waren, als würde sie durch mehrere Scheiben Milchglas schauen. „Was war denn los, du bist plötzlich abgehauen?“, erkundigte sich die zweite Stimme, doch konnte Mirai auch diese nur sehr stark verzerrt wahrnehmen, weshalb sie nicht erkennen konnte, wer das war. Sie konnte nicht einmal sagen, ob sie von einer Frau oder einem Mann angesprochen wurde.   Sie sah auf ihre Hände und sprach zu den beiden Ankömmlingen, jedoch konnte Mirai ihre eigenen Worte nicht verstehen. Es war, als würde man die Worte aus einem knackenden Radio hören, was ihre Kopfschmerzen noch verstärkte. Egal, was sie gerade sagte, es machte sie traurig und irgendwie hatte sie das Gefühl, als hätte sie eine wichtige Person verloren. Ihre Gedanken waren ein einziges Chaos und sie spürte auch, wie ihr eine Träne übers Gesicht lief, also musste sie etwas schwer bedrücken, denn sie würde sich nicht als eine Heulsuse einschätzen. Was war da also passiert, dass sie so fertig mit den Nerven war. Sie versuchte weiterhin ihre Gedanken zu ordnen, als sie plötzlich etwas Feuchtes an ihrer Hand spürte. Sie senkte den Blick und sah auf einen Hund, einen rot-braunen Shiba-Inu, der sie mit treuen, hellbraunen Augen ansah und ihr sanft die Hand ableckte. Unweigerlich huschte ein sanftes Lächeln über Mirais Gesicht, während sie dem Tier sanft den Kopf tätschelte: „Danke, dass du immer bei mir bist, Kako.“ Im nächsten Moment durchzuckte ein stechender Schmerz ihren Kopf und sofort schien alles um sie herum wie Glas zu zersplittern.   ~~~Paulownia Mall~~~   Schwer keuchend kauerte Mirai am Boden und versuchte irgendwie sich zu beruhigen, als sie zwei Hände auf ihren Schultern spürte: „Mirai, ist alles okay?“ Sie drehte den Kopf zur Seite und erkannte Aiden, der sie besorgt musterte. Sie wollte ihm nicht mehr Sorgen als nötig machen, aber aufgrund der Tatsache, dass sie wohl gerade zusammengeklappt war, funktionierte das nicht so wirklich. „Es geht schon, du musst dir keine Sorgen machen“, versuchte die Silberhaarige ihren Freund abzuwimmeln, doch war Aiden dafür zu dickköpfig: „Du hast mit Krämpfen am Boden gekauert und da soll ich mir keine Sorgen machen? Mach dich nicht lächerlich. Komm, setz dich erst mal hin.“ Die beiden setzten sich auf eine Bank in der Nähe der Mall, wo Mirai sich durch die Haare fuhr: „Ich... ich hatte sowas wie eine Erinnerung.“ „Wirklich? Das ist ja toll. Also kommen deine Erinnerungen zurück!“, freute sich der Braunhaarige, doch wirkte seine Bekannte nicht unbedingt erfreut: „Ich habe irgendwelche Leute gesehen, aber... ich konnte mich nicht einmal an ihre Gesichter oder ihre richtigen Stimmen erinnern. Nicht einmal meine eigene Stimme habe ich richtig hören können. Allerdings scheine ich einen Hund namens Kako zu haben, oder gehabt zu haben.“ „Was meinst du mit »gehabt zu haben«?“, wunderte sich der Oberschüler, was seine Bekannte traurig seufzen ließ: „Ich weiß nicht einmal, von wann diese Erinnerung war. Gut möglich, dass mein Hund schon längst tot ist. Ich meine, natürlich bin ich froh, etwas aus meiner Vergangenheit zu wissen, aber... wirklich weitergebracht hat es mich nicht.“ Auf die Aussage breitete sich Schweigen zwischen den beiden aus und Aiden konnte nicht einmal sagen, wie lange sie jetzt auf dieser Bank hockten und einfach nur in der Gegend herumschauten.   Aiden sah auf seine Füße und wusste nicht, was er tun könnte, weshalb er Mirai nach einer Weile einfach nur auf die Schulter klopfte: „Das wird schon werden, Mirai. Wir finden raus, wer du wirklich bist. Also Kopf hoch.“ Die Silberhaarige schniefte kurz und nickte, als Aiden wieder ein warmes Gefühl in der Brust verspürte. Viel darüber nachdenken konnte er nicht, denn kurz darauf kamen Miyuki und Kari auf sie zugerannt, wobei die Kleine aufgeregt vor sich hinplapperte, dass sie noch ein Foto mit Risette hatte machen dürfen. Miyuki wunderte sich eher darüber, dass ihre beiden Freunde einen Großteil des Konzertes verpasst hatten. Als Entschuldigung wollte Aiden gerade das mit Mirais Erinnerung erzählen, doch wurde er durch einen Kniff ins Bein zum Schweigen gebracht. Der Strom an Leuten, die aus der Mall kamen, zwang auch das Quartett dazu, sich in Bewegung zu setzen, wobei Miyuki und Kari beide ununterbrochen von dem Konzert erzählten. Aiden hingegen musterte Mirai etwas verstimmt, was diese jedoch kalt ließ: „Behalte das mit meiner Erinnerung bitte für dich, bis ich wirklich was über mich weiß. Ich habe keine Lust, von den anderen auch noch vollgelabert zu werden. Okay?“ „Von mir aus. Wenn du mir dann nicht wieder einen Nerv abdrückst“, meckerte der Braunhaarige und bekam einen spielerischen Stoß in die Seite, bevor sie zu ihren Begleitern aufschlossen und sich auf den Weg zum Bahnhof machten. Kapitel 19: XIX - Zurück zum Alltag ----------------------------------- ~~~Sonntag 08. Mai 2016~~~   Im Wohnheim von Aiden und seinen Freunden dauerte es bis zur Mittagsstunde, ehe sich überhaupt jemand in dem Haus bewegte. Durch das Konzert, welches bis in die frühen Morgenstunden gegangen war und auch noch die Tatsache, dass sie sich am Vortag mit dem Shadow von Haruka hatten rumschlagen müssen, hatten alle Bewohner es ausgenutzt, so lange wie möglich im Bett bleiben zu können. Auch wenn Aiden am liebsten noch viel länger geschlafen hätte gab es jemandem, der ihm diese Erholung einfach nicht gönnen wollte: seine Katze Kiara. Natürlich hatte das Tier keine Ahnung, was für Strapazen ihr Herrchen in den letzten beiden Tagen durchgemacht hatte, allerdings knurrte ihr Magen, den Aiden zu füllen hatte. Nur widerwillig gab der Braunhaarige dem ständigen miauen und kratzen seiner Katze nach und schaffte es endlich, sich aus dem Bett zu schleppen. Noch während er aus dem Zimmer schlurfte, bemerkte er aus dem Augenwinkel, wie seine Schwester ebenfalls aufwachte und sich verschlafen die Augen rieb.   In der Küche machte Aiden erst einmal seinem protestierenden Haustier Mittagessen, ehe er sich selbst eine Portion Ramen aufgoss und beim Warten wach wurde. Er streckte sich einmal und kratzte sich an der Seite, während er ein wenig vor sich hin summte und anschließend sein Essen griff. So ganz glauben, dass sie Haruka gerettet und diesen Alptraum überlebt hatten konnte er immer noch nicht, aber selbst bei einem Kniff in seinen Arm blieb es so, wie es war. Zufrieden grinsend begann er zu essen, als Miyuki, Mirai und Kari in die Küche kamen. Die beiden jungen Erwachsenen wirkten zwar müde und ausgepowert, aber dennoch zufrieden, während Aidens kleine Schwester ein Gesicht machte, als hätte man Ostern und Weihnachten auf einen Tag gelegt und dann abgesagt. „Was ist denn mit dir los? Du trittst dir ja fast auf die Unterlippe“, merkte die Silberhaarige an und blies sich ihren Pony aus den Augen, während Kari sich auf den Boden hockte und schmollte. Miyuki war sich nicht sicher, was der Grund für dieses Verhalten war, denn während des Konzerts hatte das Mädchen so glücklich gewirkt. Von dieser Freude war jetzt allerdings nichts mehr zu sehen. Aiden wusste ganz genau, was mit seiner Schwester los war, jedoch aß er erst zu Ende, bevor er das Wort ergriff: „Hör mal, Kari-chan: Ich kann mir vorstellen, dass du nicht glücklich darüber bist, dass du heute wieder nach Hause fährst, aber du wusstest von Anfang an, dass du nur für eine Woche hier bist.“   Jetzt dämmerte es auch den beiden Damen der Runde, die sich einen leicht mitleidigen Blick zuwarfen, als Kari leise murmelte: „Kann ich nicht hier bei dir bleiben? Bei Mama und Papa ist es so langweilig und die sind den ganzen Tag auf der Arbeit.“ Mit einem leisen Seufzer ging der Braunhaarige neben seiner Schwester in die Hocke und strich ihr sanft über den Kopf: „Ich weiß, aber trotzdem ist das eine Sache, die du hinnehmen musst. Du bist noch ein Kind und gehörst zu deinen Eltern. Außerdem bin ich in der High School und werde durch die Schule auch nicht mehr so viel Zeit für dich haben, wenn du hier wärst. Und überhaupt... so ein Umzug muss lange geplant sein, das geht nicht von heute auf morgen.“ „Aber... du bist auch von heute auf morgen umgezogen“, schniefte Kari weiter, was ihren Bruder leise brummen ließ: „Glaubst du das echt? Ich sag dir eins, das haben Mama und Papa schon seit langem geplant gehabt und hatten es uns einfach nicht gesagt. Du hattest mir versprochen, Mama und Papa keinen Ärger zu machen und dieses Verhalten, dass du jetzt wieder zeigst, ist aber genau das Gegenteil davon.“ „Es tut mir leid, Onii-chan. Ich will nur bei dir bleiben“, murmelte die Kleine und wischte sich über die Nase, als ihr Tränen übers Gesicht kullerten.   Als es an der Haustür klopfte, nutzten Mirai und Miyuki die Chance, diesem persönlichen Gespräch zu entgehen, während Aiden seine Schwester in den Arm nahm und hochhob: „Ich weiß, dass du lieber hier bei mir und Kiara wärst, aber glaube mir: Es ist besser, wenn du bei Mama und Papa bist.“ „Nerve ich dich?“, platzte es aus der Kleinen heraus, was den Oberschüler mit dem Kopf schütteln ließ: „Nein, es ist nur... ich bin hier selbst in einer sehr komplizierten Situation und in der kann ich dich nicht in meiner Nähe gebrauchen. Ich sag das nur, weil ich dich beschützen will.“ Verwundert hob das Mädchen den Kopf und legte ihn leicht schief: „Machst du etwas gefährliches?“ „So was in der Art und ich will einfach nur, dass du in Sicherheit bist, okay?“, gab Aiden zurück und tippte mit seinem Zeigefinger auf die Nase seiner Schwester, die kurz den Kopf senkte und dann nickte: „Okay, ich habe verstanden. Wirst du mir irgendwann erzählen, was du da machst?“ „Wenn alles vorbei ist, aber nur, wenn du mein Geheimnis bewahrst, okay?“, flüsterte Aiden mit einem Zwinkern und brachte seine Schwester dazu große Augen zu machen: „Du bist ein Superheld und kämpfst gegen Verbrecher!“ „Vielleicht“, säuselte der Schüler und setzte seine Schwester ab, um die Küche zu verlassen, wobei er im Foyer auf seinen Vater stieß, der ihn skeptisch musterte: „Hallo Aiden, hab ich dich aus dem Bett geworfen?“ „Nein, das hat Kiara übernommen. Sorry, ich musste kurz was mit Kari besprechen“, erklärte der Braunhaarige, was seinen Vater betrübt nicken ließ: „Kann ich mir vorstellen. Auch wenn es vermutlich in einem Theater enden wird... Hat sie gepackt?“   „Ja, ihre Sachen stehen oben. Haben wir gestern Mittag erledigt, bevor wir auf das Konzert gegangen sind. Sie muss sich nur noch anziehen. Kari, kommst du?“, rief der Braunhaarige über die Schuler, wo seine Schwester mit Kiara im Arm auftauchte und ihren Vater ansah: „Hallo, Papa. Müssen wir sofort los?“ „Ich fürchte ja, mein kleiner Engel. Auf dem Weg hierher habe ich zig Baustellen gesehen und der Rückweg wird ein Alptraum, das kann ich euch sagen. Bist du so lieb und gehst dich anziehen? Auf dem Rückweg machen wir auch an deinem Lieblingsimbiss halt, okay?“ Kurz sah das Mädchen zwischen den Anwesenden hin und her, bevor sie einen Blick auf ihren Bruder warf, der ihr zuzwinkerte und sie zum Nicken brachte: „Okay, bin gleich wieder da. Onii-chan, hilfst du mir mit dem Koffer?“ „Sicher doch“, gab Aiden grinsend zurück und lief mit seiner Schwester zurück in sein Zimmer, wo sich Kari schnell umzog und dann mit ihrer Zahnbürste ins Badezimmer lief, während Aiden den Rest im Koffer verstaute: „Ich hätte ihr nicht so viel sagen sollen, hoffentlich wird sie den Mund halten.“ Kurz darauf kam Kari zurück und sah sich noch einmal um, ehe sie eine kleine Umhängetasche nahm und den Raum verließ. Aiden zog sich schnell eine Jeans und ein T-Shirt an, bevor er den Koffer griff und nach unten trug.   Yuugo hatte vor dem Haus geparkt und tippte bereits das Ziel in sein Navigationsgerät ein, als sein Sohn den Koffer in den Kofferraum lud: „Okay, ihre Sachen sind drin. Also, Kari, sei schön brav und mach Papa nicht noch mehr Stress, sonst fallen ihm alle Haare aus.“ Während sein Vater empört das Gesicht verzog, konnte sich Kari das Lachen nicht verkneifen und schlang dann die Arme um Aidens Hüfte: „Ich werde dich vermissen.“ „Ich dich auch, aber wenn alles klappt komme ich euch im Sommer besuchen. Die Ferien sind ja lange genug“, gab er zurück und nahm seine Schwester in den Arm, welche ihm zuflüsterte: „Ich werde nichts verraten, versprochen.“ „Braves Mädchen“, hauchte er zurück und tätschelte ihr den Kopf, als er ein warmes Gefühl in seiner Brust verspürte und Kari sanft zum Auto schob, um sie zum Einsteigen zu bewegen. Yuugo seufzte noch einmal und ging zu Aiden, um ihm auf die Schulter zu klopfen: „Danke, dass du ihr diesen Gefallen getan hast. Das bedeutet ihr wirklich viel.“ „Ich weiß und ich hoffe, dass sie euch keinen Kummer bereitet“, gab der Schüler zurück und nahm seinen Vater in den Arm, der ihm übers Haar strich: „Das kriegen wir schon hin. Du bist wirklich ein guter Junge, Aiden. Und ich bin ehrlich gesagt erstaunt, wie reif du dich hier verhältst.“ „Danke, du mich auch...“, gab der Braunhaarige mürrisch zurück, was seinen Vater laut lachen ließ: „Da war die Rache für den Haarausfall. So, wir machen uns dann auf den Weg, sonst sind wir nächste Woche noch hier. Pass auf dich auf Aiden und lern fleißig, ich will nicht sehen, dass du die Prüfungen verhaust, okay? War schön, euch beide zu sehen und habt ein Auge auf meinen Sohn, ja?“   Die letzten Worte waren an Mirai und Miyuki gerichtet gewesen, welche nur zustimmend nickten und zusahen, wie der Mann in sein Auto stieg und losfuhr. Dert Braunhaarige stand noch eine Weile an der Straße und sah dem Auto nach, während er die Hände in seinen Hosentaschen vergrub. Was Mirai allerdings auffiel war, dass sowohl Aiden, als auch Miyuki plötzlich einen seltsamen Gesichtsausdruck bekamen, den sie nicht ganz deuten konnte. Noch einmal ließ sie sich die gesagten Worte durch den Kopf gehen, bevor es bei ihr Klick machte und sie ein hämisches Grinsen aufsetzte: „Lasst mich raten: Bald sind Prüfungen und ihr beiden habt das Lernen verpeilt. Richtig?“ Im nächsten Moment musste sie zur Seite springen, als ihre beiden Mitbewohner ins Innere stürmten und leicht panisch wurden: „Oh mein Gott, ich hab die Prüfungen komplett vergessen! Aiden-kun, du musst mir bei Mathe helfen!“ „Sehe ich wie ein Mathe-Genie aus? Ich brauch selbst Hilfe! Fuck, die Sache mit Tenno hat mich komplett aus dem Rahmen geworfen!“ Während die beiden Schüler die Treppe nach oben stolperten, schloss Mirai lachend und kopfschüttelnd die Tür und setzte sich mit Kiara auf die Couch: „Wie gut, dass ich mir diesen Quatsch nicht geben muss, aber es macht Spaß, die beiden damit aufzuziehen.“ Die Katze miaute einmal, als wolle sie der Silberhaarigen zustimmen, während sie ihren Blick auf die Treppe und den wieder auftauchenden Aiden richtete, der sein Handy am Ohr hatte: „Luca, es ist gerade ganz schlecht!... Was? Du hast es auch vergessen?... Klar, komm rüber, dann lernen wir zusammen.“   Kurz darauf kam Miyuki mit Büchern beladen die Treppe runter und legte alles auf dem großen Esstisch ab: „Oh mein Gott, wenn ich die Prüfung vergeige krieg ich so einen riesigen Ärger mit meinen Eltern.“ „Was soll ich denn sagen? Nach der Ansprache kann ich das nicht vermasseln, sonst bin ich ein toter Mann“, gab Aiden zurück und schlug sein Geschichtsbuch auf, während Mirai leise stippelte: „Ich weiß, ich sollte Mitleid mit euch haben, aber das ist gerade einfach zu lustig.“ „Halt die Klappe, wir haben zu tun!“, wurde sie von zwei Seiten angekeift, ehe sie wieder einen Lachanfall bekam und ihre Freunde die Nasen in den Büchern vergruben.   ~~~Dienstag 10. Mai 2016~~~   Die Schulglocke hatte vor kurzem geläutet, als Aiden aus der Toilette im Gang trat und sich die feuchten Hände ausschüttelte: „Warum ist jetzt kein Papier da, so ein Mist.“ Da ihm keine Wahl blieb, wischte er sich die Hände am Inneren seiner Jacke ab und schulterte seine Tasche, als er im Gang auf Sakura stieß, die ihre eigene Tasche durchforstete: „Hey, Nozaki.“ „Hm? Oh, hey, Kurosaki-kun. Na, wie geht’s?“, erkundigte sich die Rosahaarige und neigte den Kopf, während der Braunhaarige sich kurz durch die Haare fuhr: „Es geht, aber ich wäre froh, wenn wir Training hätten. Gerade jetzt könnte ich das echt gebrauchen.“ „Was? Du könntest es gebrauchen, von mir vermöbelt zu werden?“, grinste die Schülerin mit einem Zwinkern, was ihren Gesprächspartner leise Murren ließ: „Ha ha, sehr lustig, Nozaki. Nein, von der ganzen Lernerei brummt mir der Kopf und ein wenig Dampf ablassen hätte gut getan.“ „Ich weiß, was du meinst. Mir raucht förmlich der Kopf und ich hoffe, das ganze Lernen macht sich am Ende bezahlt. Hast du heute noch was besonderes vor?“, lächelte die Schülerin, was Aiden zum Kopfschütteln brachte: „Nee, ich verzieh mich jetzt in die Bücherei, um zu pauken. Willst du mitkommen? Zusammen lernt es sich leichter.“ „Danke für das Angebot, aber da du für gewöhnlich mit Silva rumhängst, lehne ich ab. Ich lerne lieber alleine, als mich von dieser wandelnden Libido anflirten zu lassen“, murrte die junge Frau und wandte sich ab, ehe sie mit einem lockeren Winken verschwand.   Aiden zuckte nur mit den Achseln, ehe er sich auf den Weg zur Bücherei machte. Um dorthin zu gelangen musste er am Lehrerzimmer vorbei, was unter normalen Umständen kein Problem war, außer man lief Mr. Edogawa über den Weg, der einem dann ein Ohr mit Mythologie abkaute. Kaum hatte der Braunhaarige den Gang betreten blieb er erstaunt stehen, denn auf einem Stuhl vor dem Lehrerzimmer hockte Haruka und drehte wortwörtlich Däumchen, während sie immer wieder leise seufzte. Kurz sah der Junge über die Schulter, doch war er im Moment alleine mit der Brünette, weshalb er die Hand hob und das Wort ergriff: „Guten Tag, Tenno. Geht es dir wieder besser?“ Etwas erschrocken zuckte die Schülerin zusammen, denn sie hatte offensichtlich nicht erwartet, dass man sie jetzt ansprechen würde, doch als sie Aiden entdeckte entspannten sich ihre Gesichtszüge: „Oh, du bist es, Kurosaki-kun. Du hast mich ganz schön erschreckt.“ „War keine Absicht, tut mir leid. Wie geht es dir?“, versuchte er vorsichtig in Erfahrung zu bringen, denn er machte sich immer noch große Sorgen um die Mechanikerin, die leicht mit dem Kopf hin und her wiegte und über eine Antwort nachdachte: „Schwer zu sagen. Im Moment eher schlecht, aber das liegt nicht an der Sache von letzter Woche. Bei der Gelegenheit will ich mich bei dir bedanken, für alles, was du getan hast.“   Schnell winkte der Braunhaarige ab, denn er wollte jetzt nicht unnötig viel Lob oder Dankbarkeit, doch ließ sich die Brünette nicht abwimmeln und kicherte leicht amüsiert: „Mutig und bescheiden, du scheinst echt ein Held zu sein. Aber wenn ich dich schon sehe... Ich wollte mich mit euch allen Treffen, um über das zu sprechen, was da passiert ist. Wäre das möglich?“ Sichtlich überrascht riss Aiden die Augen auf, denn er hatte nicht erwartet, dass Haruka der Sache so schnell nachgehen wollen würde, aber leider hatte er jetzt weder die Zeit noch die Nerven, um sich um die Shadow-Welt zu kümmern. Die Schülerin schien seine Gedanken erahnt zu haben, denn sie räumte sofort ein, dass ein Treffen nach den Prüfungen vermutlich sinnvoller wäre, was Aiden nicht abstreiten konnte. Wie auch bei Nozaki lud Aiden die junge Frau ein, mit ihnen zu lernen, was die Brünette sofort zum Strahlen brachte, jedoch zog sie kurz darauf eine Augenbraue in die Höhe: „Wirklich? Das wäre echt lieb von euch, vor allem, da ich eine Menge Stoff versäumt habe. Aber... Wird Silva-kun da sein?“ Auf die Frage zog nun der Persona-User seinerseits eine Augenbraue hoch: „Ja, Luca und Miyuki werden beide da sein.“   „Okay, verstehe... Dann muss ich leider ablehnen. Nichts für ungut, aber ich will nicht mehr Zeit als nötig mit einer Person verbringen, die alles anflirtet, was nicht bei drei auf einem Baum ist“, stellte Haruka klar und verschränkte die Arme vor der Brust, was ihren Gegenüber etwas skeptisch machte. Luca schien einen absolut furchtbaren Ruf zu haben, wobei er es den Damen nicht verübeln konnte, denn sein bester Freund war tatsächlich ein notorischer Flirter. Er schüttelte schnell den Kopf, bevor er lächelte: „Okay, schon verstanden. Was hältst du davon, wenn du am Freitag nach den Prüfungen zu uns kommst. Dann werden wir dir gerne jede Frage beantworten, sofern wir es können.“ Als die Brünette nickte, lächelte er kurz und lief dann an ihr vorbei, da er immer noch zur Bücherei wollte, als Haruka ihn noch einmal aufhielt: „Darf... Darf ich dir vielleicht noch eine Frage stellen?“ Neugierig blieb der Oberschüler stehen und sah über die Schulter, wobei er seiner Mitschülerin mit einem Nicken die Erlaubnis gab, ihre Frage zu stellen: „Warum hast du all das auf dich genommen? Ich meine, du hast mich beschützt und dein Leben riskiert.“   Auf die Frage musste Aiden kurz überlegen, weshalb er die Augen schloss und tief ein- und ausatmete, ehe er an die Decke schaute: „Ganz ehrlich, ich habe nicht wirklich darüber nachgedacht. Diese Dinger da drüben sind gefährlich und wenn ich in dieser Situation stecken würde, dann würde ich auch wollen, dass mir jemand zur Hilfe kommt. So wie es scheint, können nur wir etwas gegen die Shadows unternehmen. Egal, wen es erwischt hätte, ich hätte versucht, ihm oder ihr zu helfen.“ Haruka sah Aiden erstaunt an und sah dann auf ihre Füße, wobei sie leicht ihre Finger knetete: „Du hättest das also für jeden getan. Ich verstehe…“ „So kann man das sagen, aber für einen Freund nehme ich das noch viel eher in Kauf“, fügte der Braunhaarige noch hinzu und bemerkte nicht, wie Haruka auf seine Aussage rot anlief und zu lächeln begann: „Dann bin ich echt froh, so einen Freund wie dich zu haben, Kurosaki-kun.“ Mit einem freundlichen Grinsen ging Aiden weiter zur Bücherei, als in seinem Hinterkopf erneut die leise Stimme erklang: „Ich bin du... Du bist ich...“ Die Stimme war dem Oberschüler zwar immer noch etwas unheimlich, aber dieses Mal war er irgendwie froh, sie gehört zu haben, denn er vermutete, dass sie etwas Gutes bedeutete. Damit zog er die Tür zur Bücherei auf, wo er bereits von Luca und Miyuki erwartet wurde, die ihn wegen seiner Verspätung gespielt böse anschauten. Mit dem Spaß war es leider sehr schnell wieder vorbei, da die drei sich jetzt auf ihren Schulstoff konzentrieren mussten und das würde härter werden als jeder Shadow.   Kaum hatte Aiden Platz genommen ergriff Luca das Wort: „Alter, wir wollen lernen, damit wir nicht durch die Prüfungen rasseln und du lässt uns warten?“ „Entschuldige, Luca, aber ich hatte auf dem Flur noch ein Gespräch mit Tenno“, gab der Braunhaarige zurück und wurde von seinen Freunden erstaunt gemustert. „Tenno-san ist wieder in der Schule?“, wunderte sich Miyuki und hob den Blick von ihrem Geschichtsbuch, während Luca einen Stift um seinen Finger wirbeln ließ: „Also im Unterricht war sie heute zumindest nicht. Du hättest sie ruhig mitbringen können, sie muss doch auch lernen.“ „Hab sie ja gefragt, aber... Sie hatte einen bestimmten Grund um nicht zu kommen“, gab Aiden zurück und wollte nicht so direkt Luca die Schuld in die Schuhe schieben, als sich dieser neben Miyuki setzte und in ihr Buch sah: „Dann werde ich mit unserer süßen Nobiro-chan vorliebnehmen.“ Auf die Aussage lief die Grünhaarige feuerrot an und ließ aus Versehen ihren Stift fallen, während Aiden sein Englisch-Buch auf den Tisch legte und leise murmelte: „Und da haben wir den Grund. Luca, hör auf Miyuki anzuflirten und steck die Nase in dein Buch. Das ist jetzt wichtiger.“ „Ist ja schon gut, Amigo. Wir reden später, Nobiro-chan“, lachte der Spanier und griff sich sein Buch, denn auch wenn er es nicht so wirken ließ, er wollte unter keinen Umständen durchfallen, denn das würde zu Hause zu einer Explosion führen, die er lieber vermeiden würde. Ein letztes Mal gab das Trio einen synchronen Seufzer von sich, ehe sie sich endlich an die Bücher machten, um ihr Lernpensum hinter sich zu bringen. Kapitel 20: XX - Freunde unter sich ----------------------------------- ~~~Donnerstag 12. Mai 2016~~~         Eifrig schrieben die Schüler den Stoff mit, den ihre Lehrerin ihnen diktierte, bevor diese ihr Lehrbuch schloss und auf ihre Uhr sah: „So schnell ist der Tag auch schon wieder vorbei. Nun gut, packt eure Sachen und wiederholt den Stoff zu Hause, der wird nämlich nächste Woche in den Prüfungen drankommen. Habt noch einen schönen Nachmittag.“ Damit verließ die braunhaarige Frau das Klassenzimmer, während die Schüler nach und nach ihre Sachen zusammenpackten und den Raum verließen. Aiden streckte sich einmal ausgiebig und konnte ein langes Gähnen nicht unterdrücken, was Miyuki ihm ungewollt gleichtat: „Oh man, hör auf zu gähnen, Aiden-kun. Das ist echt ansteckend!“ „Sorry, aber die letzten Tage sind einfach viel zu viel für mich. Ich brauch echt mal ein Wellness-Wochenende“, murrte der Braunhaarige und schulterte seine Tasche, wie seine Mitbewohnerin es ebenfalls tat: „Ja, der Stoff wird immer mehr und die Sache mit Tenno-san war da echt nicht hilfreich. Wenn unsere Lehrer bloß nicht jedes Mal erwähnen würden, dass nächste Wochen Prüfungen sind. Schon klar, wir haben es kapiert, unser Leben ist vorbei!“   Während die beiden das Klassenzimmer verließen wunderte sich Aiden doch sehr über die Laune seiner Freundin, die stehen blieb und auf die Tür zum Zimmer des Schülerrats schaute: „Ist die Tür da gerade zugegangen?“ „Hm? Weiß nicht... Hab da gerade nicht hingeschaut. Vielleicht haben die noch was zu klären?“, überlegte der Braunhaarige laut, was seine Freundin leicht skeptisch machte: „Wenn das wieder der Kerl ist, dann werde ich echt sauer!“ „Warum wirst du sauer, Nobiro-chan?“, erklang die Stimme von Luca neben den beiden, was die junge Frau erschrocken zusammenzucken ließ, bevor sie einen Schritt zurückwich: „Ach, du bist es nur, Silva-kun. Erschreck mich doch nicht so!“ „Ich bitte vielmals um Verzeihung, die Dame. Na, was steht bei euch heute so an? Wieder fleißig lernen?“, grinste der Spanier und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, wobei er ein leises Liedchen vor sich hin pfiff. Aiden musterte seinen Freund einen Moment skeptisch, bevor er sich an der Nase kratzte: „Sag mal... kann es sein, dass du auf irgendwas Besonderes hoffst, Luca?“ „Wenn du schon so direkt fragst, mein Lieber, ja. Meine Mama hat mich gebeten, dich mal zum Abendessen einzuladen, weil du ihr vor drei Wochen wohl mit ihrem Auto geholfen hast. Hast du heute Zeit?“, sprach der Braunhaarige seine Einladung aus, welche Aiden doch sehr überraschte: „Naja, mehr als Lernen wollte ich heute nicht machen, aber das können wir auch zusammen bei dir machen. Von mir aus gerne.“ „Coole Sache, Amigo! Was ist mit dir, Nobiro-chan? Möchtest du uns vielleicht Gesellschaft leisten?“, wandte sich der Spanier nun an Miyuki, die immer noch die Tür zum Raum der Schülervertretung im Auge hatte und dann erst auf Luca reagierte: „Hä? Was? Oh, danke für die Einladung, aber ich habe noch was anderes vor. Trotzdem viel Spaß euch beiden.“   Damit verabschiedeten sich die beiden Jungs von ihrer Freundin und traten den Weg zur Mall an, was Aiden doch etwas irritierte: „Sag mal, wollten wir nicht zu dir, Luca? Was machen wir denn in der Mall?“ „Na, wenn du schon zum Essen kommst, muss es was Gutes werden. Also, kaufen wir das, was man für eine gute Paella braucht!“, gab der Spanier euphorisch von sich und steuerte einen Feinkostladen in der Mall an, der Aiden bisher nie wirklich aufgefallen war: „Es gibt hier echt mehr Läden, als ich anfangs geglaubt habe. Vor allem sowas sieht man nicht allzu oft.“ Mit einem lockeren Schulterzucken folgte er seinem Freund in den Laden, in dem er sofort von Regalen voller ausländischer Spezialitäten erschlagen wurde. Wohin das Auge auch reichte, man sah nichts außer Essen und Getränken aller Art und Herkunft. Aus reiner Neugier stöberte er einfach durch die Gänge und betrachtete verschiedene Konserven und Verpackungen, während Luca mit einem Einkaufskorb bewaffnet durch den Laden flitzte.   Nach einer Weile fragte sich Aiden schon, woher Luca eigentlich wusste, wo hier in dem Laden wirklich jeder einzelne Artikel stand, denn egal was für eine Zutat er murmelte, er hatte es nach einigen Sekunden in der Hand. Neugierig betrat Aiden den nächsten Gang, nur um wieder zuzusehen, wie Luca wie ein geölter Blitz von einem Regal zum nächsten huschte und seine Einkäufe einlud. Jetzt war er doch neugierig und trat an seinen Freund heran: „Sag mal, Luca, hast du irgendwo einen Lageplan von dem Laden, oder was?“ „Einen Lageplan? Wieso sollte ich so etwas bei mir haben? Wenn man das Zeug jeden zweiten Tag einräumt und auffüllt weiß man irgendwann, was wo stehen muss“, gab der Braunhaarige zurück und griff nach einer Flasche Olivenöl: „So, das ist die letzte Zutat. Keine Paella ohne gutes Olivenöl.“ „Warte... du arbeitest hier?“, kam es nun verwundert von Aiden, der seinem besten Freund niemals zugetraut hätte, dass er einen Nebenjob neben der Schule hätte, doch zog der Spanier nur eine Augenbraue nach oben: „Was ist daran so seltsam? Viele Schüler haben einen Nebenjob um ihr Taschengeld ein wenig aufzubessern und ich bin da keine Ausnahme.“ „Ja, schon klar, es ist nur... Dir hätte ich das nicht zugetraut. Ich bin aber positiv von deinem Ehrgeiz überrascht, Luca“, lenkte der Oberschüler ein, was seinen Freund grinsen ließ: „Danke für das Kompliment, Amigo. Na komm, ab zur Kasse und dann zu mir.“   Nachdem Luca bezahlt hatte, verließen die beiden den Laden, um den Weg zu Luca nach Hause anzutreten. Auf dem Weg fiel dem Spanier ein, dass er noch seiner Mutter Bescheid sagen müsse, denn unangekündigter Besuch kam bei Maria nie gut an. Nur zu gut konnte sich Aiden an den Putzfimmel von Luca’s Mutter erinnern und wie sehr sie sich über jedes bisschen Schmutz aufregte, dass sich bei einem Besuch zeigte. Während der Gastgeber nach seinem Handy kramte, sah Aiden sich kurz um und sein Blick fiel auf eine Szene, die ihn skeptisch machte. Vor einem Laden stand eine Gruppe von vier Leuten, wobei drei von ihnen den Kleinsten immer wieder wegstießen und etwas in die Luft über seinen Kopf hielten. Sofort war ihm klar, dass die drei Größeren dem Kleineren etwas weggenommen haben mussten und ihn nun damit aufzogen, weshalb er sich vornahm, das zu beenden.   Als Aiden näherkam, konnte er die Stimme des Jungen hören, der das Objekt über den kleineren hielt: „Was ist denn los, Akutagawa? Kommst du nicht ran? Willst du dein Kinderspielzeug nicht zurück?“ „Hör auf mit dem Scheiß und gib mir meine Sachen wieder!“, fauchte der Schüler namens Akutagawa, bei dem es sich um einen Jungen mit weiß-blauen, leicht stacheligen Haaren handelte, der immer wieder versuchte, an das hochgehaltene Objekt zu kommen. Leider war er viel zu klein dafür, weshalb jeder Versuch kläglich scheiterte und den Jungen immer mehr frustrierte. Keiner der drei Mobber hatte Aiden bemerkt, der an sie herantrat und dem vermeintlichen Anführer mit einem geschickten Griff den Gegenstand aus der Hand nahm: „Wie wäre es, wenn ihr jemanden in eurer Größe als Gegner nehmt?“ Erstaunt sahen alle vier den Braunhaarigen an und jetzt erkannte Aiden, dass sie alle die Uniform der Gekkoukan High School trugen, was ihn auf eine Idee brachte: „Ich wette, eure Lehrer würden liebend gerne erfahren, was ihr hier so treibt.“ Kurz tauschten die drei einen vielsagenden Blick, ehe sie sich langsam zum Gehen wandten: „Ist ja schon gut, wir haben nur ein bisschen Spaß gemacht. Wir sehen uns morgen, Akutagawa!“ „Ja, lern fleißig, damit Mama und Papa stolz auf dich sind!“, lachte einer der anderen beiden, bevor das Trio im Laufschritt aus der Mall verschwand.   Einen Moment sah Aiden dem Trio nach, ehe er sich dem blauhaarigen Jungen zuwandte: „Alles in Ordnung bei dir? Du solltest dir so etwas nicht von solchen Mobbern gefallen lassen.“ „Ach was weißt du schon? Misch dich nicht in meine Angelegenheiten ein! Ich komme gut alleine zurecht und brauche keinen, der mich beschützt!“, gab Akutagawa wütend zurück, machte auf dem Absatz kehrt und rannte aus der Mall, wobei Aiden erst nach seinem Verschwinden realisierte, dass er noch dessen Eigentum in der Hand hatte. Er wollte es gerade genauer betrachten als Luca zu ihm aufschloss und dem Jungen nachsah: „Wow, also die Kinder von heute haben echt keinen Respekt vor ihren Senpais. Du hast ihm doch geholfen, da wäre ein einfaches Dankeschön doch nicht zu viel verlangt, oder?“ „Wer weiß, aber komisch war es schon“, murmelte Aiden, bevor Luca auf seine Hand deutete: „Was hast du da eigentlich in der Hand?“ „Hm? Oh, das gehört dem Jungen, aber ich hatte keine Zeit, um es ihm zurück zu geben. Das sind... Sammelkarten?“ Nun hatte er erst mal Zeit, den Gegenstand genauer zu betrachten, bei dem es sich tatsächlich um eine Box voller Sammelkarten zu einer Anime-Serie handelte, die im Moment vor allem bei Kindern sehr beliebt war. Auch seine Schwester hatte ihn mal darauf angesprochen, daher wunderte es ihn, dass ein High School Schüler so etwas kaufte. Da er es ihm nicht zurückgeben konnte, würde er es erst einmal behalten müssen, wobei er hoffte, Akutagawa sein Eigentum wieder zurückgeben zu können. Luca klopfte ihm einmal gegen die Schulter und meinte, dass sie langsam losmüssten, weshalb sich das Duo auf den Weg zu den Silvas machte.   ~~~Gekkoukan High School kurz zuvor~~~   Kurz nachdem sich Miyuki von Aiden und Luca verabschiedet hatte, öffnete sie die Tür zum Raum der Schülervertretung und fand genau das vor, was sie erwartet hatte: Katzumi. Der Rot-braunhaarige saß an einem Pult und hatte einen Stapel Dokumente vor sich liegen, welche er nach und nach durchsah. Die Grünhaarige war darüber alles andere als begeistert, denn auch der Schülerrat stellte vor den Prüfungen seine Tätigkeiten ein, da es sich bei ihnen ja immer noch um Schüler der Schule handelte. Mit einem Seufzer stemmte die Grünhaarige die Hände an die Hüfte und warf ihrem Bekannten einen bösen Blick zu: „Du hattest doch versprochen, dass du vor der Prüfung nichts Organisatorisches mehr machen wirst!“ „Was kann ich dafür, dass die anderen den Kram liegen lassen und es erledigt werden muss? Jetzt nerv hier nicht rum, Miyu“, zischte Katzumi zurück und legte drei Blätter auf unterschiedliche Stapel, was Miyuki wieder einen traurigen Seufzer entlockte, bevor sie ihrem Freund über die Schulter sah und das Gesicht verzog: „Schlichte Ablage konnte wirklich nicht bis nach den Prüfungen warten?“   Ertappt zog der Oberschüler den Kopf ein, denn das würde eine Standpauke geben, doch griff die junge Frau nur nach dem Stapel Papier: „Ich gucke mir oft solche »How-to-draw«-Videos an, aber vielleicht sollte ich dir mal ein »How-to-make-Ablage«-Video machen, denn du kannst das überhaupt nicht.“ „Als ob ich so etwas bräuchte! Es ist nur Papier!“, zischte der Braunhaarige, der es überhaupt nicht mochte, wenn man ihm eine seiner Schwächen auf die Nase band, doch stichelte Miyuki weiter: „Seit wann sind »kya« und »shi« dieselben Laute?“ „Was?“, wunderte sich der stellvertretende Schülersprecher, ehe er leise fluchte: „Shit, wie ist das denn passiert?“ Mit einem leichten Lächeln nahm die Grünhaarige ihrem Freund die Unterlagen aus der Hand und begann, diese systematisch auf einem freien Tisch zu verteilen, wobei sie hin und wieder ein Blatt auf einen bisher bestehenden Stapel warf. Die beiden saßen eine Weile da und Katzumi war innerlich froh, dass Miyuki ihm zur Hand ging, als die Grünhaarige sich zu Wort meldete: „Du knirschst schon wieder mit den Zähnen, Katzu.“ „Entschuldige. Ich habe nur in letzter Zeit sehr viele Beschwerden wegen Mobbing gehört und so etwas hat an keiner Schule etwas zu suchen. Das Problem ist, dass sich kein Schüler irgendwie dazu äußert, damit man mal einen vernünftigen Hinweis bekommt“, erklärte der Oberschüler und fuhr sich mit den Händen durch die Haare, was seine Freundin etwas beunruhigte: „Es ist echt schlimm, wenn man gemobbt wird und man sollte da wirklich mal was sagen.“   Zwischen den beiden herrschte Schweigen, denn Katzumi wusste genau, dass Miyuki ebenfalls auf eine recht passive Art gemobbt wurde und selbst die Lehrer ihr nicht halfen: „Wenn du Hilfe brauchst sagst du es mir, ja?“ „Warum bist du heute so nett, Katzu-kun?“, wunderte sich die Grünhaarige, was den Jungen nur schnauben ließ: „Ach vergiss es, wenn du mit der Sortierung fertig bist, hefte es in die vorgesehenen Ordner ab.“ „Jawohl, Chef!“, lachte die junge Frau und salutierte gespielt, was ihren Freund verärgert mit dem Augen zucken ließ: „Dünnes Eis, Nobiro, ganz dünnes Eis.“ „Das ist der Katzu, den ich kenne“, lachte die Schülerin und begann damit, die Unterlagen in den Ordnern verschwinden zu lassen. Katzumi musterte sie aus dem Augenwinkel, als ihm etwas am Bein seiner Bekannten auffiel: „Sag mal, humpelst du ein bisschen? Ist was passiert?“ Ertappt zuckte Miyuki zusammen, denn sie hatte tatsächlich eine Verletzung am Bein, die sie sich im Kampf gegen Haruka’s Shadow zugezogen hatte, aber das konnte sie Katzumi nicht erzählen, weshalb sie schnell nach einer Ausrede suchte. So sehr sie auch überlegte, es fiel ihr nichts besseres ein: „Ich... hab mich wieder in einem Sportclub angemeldet und... Ich habe mich im Training etwas überschätzt. Mach bitte keinen großen Akt daraus.“ „Sportclub? Ach ja, ich habe von Katō-senpai eine Anmeldung für den Schützenclub bekommen. Bist du das? Wundert mich, dass du wieder mit Bogenschießen anfängst“, wunderte sich der Rot-braunhaarige, woraufhin seine Freundin nickte: „Ja, das bin ich, aber wie gesagt, mach kein großes Ding draus! Ich komm schon klar und ich hatte einfach wieder Lust drauf.“ Einen Moment war der Oberschüler verwundert, denn so energisch kannte er Miyuki gar nicht, doch dann grinste er nur und sah in seine eigenen Unterlagen: „Okay, dann hake ich mal nicht weiter nach, aber ich hoffe, dass du dich nicht dazu zwingst.“ „Hast du was gesagt?“, kam es verblüfft von der Grünhaarigen, die die letzten Worte ihres Freundes nicht hatte verstehen können, doch winkte dieser nur ab: „Ich sagte, du sollst schneller machen, damit wir hier weg können!“ Sofort legte die Grünhaarige noch einen Zahn zu, denn sie wollte so schnell es ging nach Hause, um noch ein wenig zu pauken, denn das würde mit Sicherheit notwendig sein.   ~~~Wohnung der Familie Silva~~~   Fröhlich pfeifend öffnete Luca die Tür zu seiner Wohnung und rief fröhlich hinein: „Mama, wir sind da!“ „Du musst uns nicht so hochtrabend ankündigen, weißt du?“, gab Aiden etwas peinlich berührt zurück und zog seine Schuhe aus, als auch schon Luca‘s Mutter Maria in den Flur kam und die beiden begrüßte: „Willkommen daheim, mein Schatz. Hallo Aiden, schön, dass du da bist.“ „Freut mich auch, Maria-san“, grüßte der Braunhaarige zurück und verneigte sich respektvoll, als die Dame des Hauses ihm die Hand auf den Kopf legte: „Ach, lass doch das verneigen. Wir kennen uns seit Jahren, da musst du nicht so verkrampft sein.“ „Ich bin nicht verkrampft, das gehört sich so“, gab der Schüler zurück, bevor Luca ihm leicht in die Seite stieß: „Trotzdem, das muss hier nicht sein. Unsere Wohnung ist sozusagen internationales Gewässer. Hier sind die Sachen, Mama.“ Lächelnd nahm die Frau die Tüte entgegen und führte die beiden Jungs in die Küche, wo bereits ein Topf auf dem Herd stand: „Dann will ich euch mal etwas leckeres zaubern.“   Während sie die einzelnen Zutaten auspackte und im Rezeptbuch nachschlug, summte Maria fröhlich vor sich hin, bevor sie sich den Jungs zuwandte: „Nochmals danke, dass du mir damals mit dem Auto geholfen hast, Aiden. Da fällt mir ein, dass ich damals gar keine Gelegenheit hatte, dich mal genau in Augenschein zu nehmen.“ „Dafür müssen Sie sich doch nicht bedanken, das ist doch selbstverständlich“, versuchte der Braunhaarige das Thema zu wechseln, doch beharrte die Brünette auf dem Dank, ehe sie ihren Gast genau betrachtete: „Kaum zu glauben. Als wir damals weggezogen sind warst du noch ein kleiner Knirps und jetzt sieh dich an. Du bist ja ein richtiger junger Mann geworden. Du siehst Luca aber immer noch recht ähnlich.“ Auf die Aussage sahen sich die beiden Schüler an und sie konnten nicht bestreiten, dass sie sich wirklich extrem ähnelten. Natürlich konnte man sie anhand des Teints und der Augenfarbe ohne Probleme auseinander halten, aber eine gewisse Ähnlichkeit besaßen sie, weshalb sie laut auflachten. Da das Essen noch eine Weile brauchen würde, nahm Luca seinen Freund mit auf sein Zimmer, wo sie noch ein wenig die Zeit totschlagen wollten.   Luca öffnete die Tür und ließ Aiden hinein, wobei der Gast sich sofort ihm Raum seines Freundes umsah. Die Wände waren vollbehangen mit Fanartikel der Fußballmannschaften Real Madrid und Valencia CF und auch die Bettdecke zeigte Luca’s Fußballliebe. Neben einem gemütlichen Bett standen im Zimmer noch ein Bücherregel, ein Schreibtisch mit Computer, sowie ein Kleiderschrank und ein Fernseher mit Spielekonsole. „Wie ich sehe bist du immer noch so Fußballverrückt wie früher“, lachte Aiden und musterte ein Trikot an der Wand, während der Bewohner sich auf den Schreibtischstuhl fallen ließ: „Was hast du erwartet? Das ist meine Leidenschaft! Das Trikot habe ich bei einem Länderspiel bekommen, der Spieler hat es mir sogar persönlich in die Hand gedrückt.“ „Wow, das ist echt cool. Du... hast es hoffentlich gewaschen, oder?“, merkte der Junge mit den blauen Augen an und wirkte etwas verunsichert, was seinen Freund empört dreinschauen ließ: „Was? Bist du irre? Natürlich habe ich es nicht gewaschen! Der Schweiß und der Dreck sind es doch, was das Trikot so wertvoll machen!“ Einen Moment war es komplett still im Zimmer, bevor Luca in schallendes Gelächter ausbrach und fast von seinem Stuhl fiel: „Alter, ich verarsch dich doch nur. Glaubst du echt, dass meine Mama mich ein stinkendes Trikot in meinem Zimmer aufhängen lässt? Keine Sorge, das ist komplett sauber.“   Erleichtert lachte Aiden auf und ließ sich auf dem Bett nieder, während er sich im Nacken kratzte: „Für einen Moment habe ich dir echt geglaubt. Du bist immer noch so ein Sprücheklopfer wie früher.“ „Tja, ich habe dir beim letzten Mal ja gesagt, dass ich mich nicht so viel verändert habe... Im Gegensatz zu dir. Also, lass uns ein bisschen Spaß haben. Zockst du noch?“, kam es von dem Spanier, der den Fernseher und seine Konsole einschaltete und Aiden einen Controller hinhielt. Dieser nahm das Gamepad entgegen und grinste: „Eigentlich nicht mehr, aber das lässt sich ja ändern.“ Die Antwort schien Luca zu gefallen und kurz darauf prügelten sich die beiden in einem Kampfspiel, in dem es nach einer halben Stunde unentschieden stand. „Du ist echt gut da drin“, lachte Luca und massierte sich das Handgelenk ein wenig, während Aiden sich an der Nase kratzte: „Ganz ehrlich, ich drücke gefühlt immer dieselben Knöpfe. Aber ich muss sagen, es tut echt gut, einfach mal wieder ein wenig zu entspannen.“ „Das ist, was ich von dir hören wollte, Amigo. Du hast die ganze Zeit so gestresst gewirkt, seit du hier in Port Island bist. Da dachte ich, dass ich dich einfach mal auf andere Gedanken bringe“, erklärte der Spanier seine Beweggründe, was Aiden doch ein wenig überraschte, allerdings konnte er nicht abstreiten, dass er genau das gebraucht hatte. Er schenkte seinem Freund ein warmes Lächeln, als sich in seiner Brust ein warmes Gefühl breit machte und so langsam kam dieses Gefühl Aiden seltsam vor. Irgendwas sagte ihm, dass Igor etwas darüber wissen könnte und bei der nächsten Gelegenheit würde er den seltsamen Mann darauf ansprechen. Gerade als die nächste Runde im Spiel startete, öffnete Maria die Tür und sah hinein: „Kommt ihr beiden? Das Essen ist fertig.“ „Nur die Runde noch!“, riefen die beiden Schüler synchron aus, ehe sie sich ansahen und einen lauten Lachanfall bekamen, mit dem sie sich wieder auf ihr Spiel stürzten.   Kapitel 21: XXI - Die ersten Prüfungen -------------------------------------- ~~~Sonntag 15. Mai 2016~~~   Leises Murren und stöhnen war im Foyer des Wohnheims zu hören, wo Aiden und Miyuki noch spät abends über ihren Büchern hingen und versuchten, ihr Lernpensum nachzuholen. Mirai hatte den Versuch als Vergeblich abgetan und blätterte in einer Zeitung, was durch die Geräusche ihrer Freunde nicht wirklich funktionierte. Selbst Kiara, die eigentlich auf einem Sessel ein Schläfchen hatte halten wollen, funkelte ihr Herrchen böse an und maunzte verstimmt vor sich hin. Miyuki wollte nichts davon hören, dass sie sich hier vergebens abmühte, doch Aiden sah es nach einer Weile ein und schloss sein Mathebuch. Müde lehnte sich der Braunhaarige auf der Couch zurück und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht: „Was jetzt nicht drin ist, passt ohnehin nicht mehr rein.“ „Das sag ich euch seit einer geschlagenen Stunde“, erwiderte die Silberhaarige schnippisch und blätterte gut hörbar eine Seite um, während Miyuki den Kopf hängen ließ: „Ja, drück es uns doch noch rein.“ „Was glaubst du, was ich gerade mache?“, gab Mirai zurück und schüttelte belustigt mit dem Kopf, doch hob sie im nächsten Moment eine Augenbraue, als sich Miyuki mit dem Kopf auf ihren Schoß legte: „Ich will nicht durchfallen...“ Etwas überfordert sah die Silberhaarige auf ihre Freundin, die sogar so weit ging und sich selbst Mirais Hand auf den Kopf setzte: „Aber sonst geht es dir gut, oder wie?“ „Nur ein paar Headpats, bitte“, jammerte die Grünhaarige, während Aiden sich erhob und zur Tür ging: „Ich geh mal ein bisschen frische Luft schnappen. Bis später.“ „Hey, du kannst mich doch nicht mit diesem Kuschelmonster alleine lassen!“, rief Mirai ihm nach, doch war der Braunhaarige bereits in Begleitung von Kiara zur Tür raus.   Draußen raffte der Oberschüler seine Jacke etwas enger um sich und lief die Straße entlang, wobei seine Katze mit erhobenem Schwanz neben ihm her trottete. Wo genau er hinlief wusste er nicht, er wollte sich einfach nur bewegen und den Kopf frei bekommen. Er hob nach einer Weile den Kopf und stellte fest, dass er zum Naganaki Schrein gelaufen war, weshalb er mit einem leisen Seufzer die Treppe zum Gelände hochstieg. Kurz ließ der Braunhaarige den Blick schweifen, wobei er Kiara entdeckte, die sich an eine Hecke heranpirschte und dann mit einem Satz hineinsprang. Die Aktion seiner Katze entlockte ihm ein leises Lachen, als sein Blick auf eine blau leuchtende Tür fiel, die sich ein Stück neben dem eigentlichen Schrein befand. Er kannte dieses blaue Licht und eigentlich hatte er jetzt keinen Kopf dafür, doch seine Füße bewegte sich bereits wie von selbst auf die Tür zu, die sich öffnete und ihn förmlich zu rufen schien.   ~~~Velvet Room~~~   Wie auch zuvor hallte eine leise Arie in meine Ohren, während ich über den dunkelblauen Teppich schritt, der mich zu einem kleinen, runden Tisch mit einem Stuhl und einem Sofa führte. Man sollte meinen, dass ich den Anblick von Igor’s riesiger Nase mittlerweile gewohnt wäre, aber dem war nicht so. Wie auch bei all meinen besuchen zuvor saß er auf dieser Couch und sah mich mit einem fast schon irre wirkendem Grinsen an. Ich riss mich von seinem Anblick los und sah mich im Velvet Room um, wobei ich mich insgeheim fragte, warum ein Ort, der nach Igor’s Aussage zwischen Traum und Realität lag, wie eine Sternenwarte aussah. Der Meister des Raumes ließ mir meinen Moment, ehe er das Wort ergriff: „Willkommen im Velvet Room, mein junger Freund. Es freut mich, dass du nun von dir aus den Weg zu uns gefunden hast.“ „Naja, ich hatte gerade eh nichts zu tun“, gab ich leise zurück und setzte mich auf den Stuhl, der ja für mich reserviert zu sein schien und horchte auf, als eine leise Glocke läutete. Noch bevor ich sie sehen konnte, wusste ich durch das Glöckchen, das Amalia hier war und kurz darauf trat sie hinter Igor in mein Sichtfeld: „Meister, es ist traurig. Virgo ist zwar zu sehen, aber es wird immer wieder von den Wolken verdeckt.“   Ich neigte den Kopf und sah Igor fragend an: „Virgo? Wer ist das?“ „Einer Person, deren Schicksal du zum besseren geändert hast. Zuerst einmal muss ich dich beglückwünschen, dass du deine erste Prüfung erfolgreich überstanden hast, doch war es nur eine von vielen“, gab der kleine Mann zurück und faltete die Hände vor dem Gesicht. Eine von vielen? Hieß das, dass die Sache mit den Shadows noch nicht vorbei war? Natürlich würden wir wieder hinein gehen, alleine schon um Mirai zu helfen, aber so wie Igor es ausdrückte, bereitete es mir Unbehagen. Amalia neigte den Kopf und sah mich mit ihren bernsteinfarbenen Augen neugierig an: „Was bedrückt dich, Aiden-sama?“ „Viel zu viel, wenn du mich fragst. Und ganz ehrlich, im Moment habe ich einfach nicht den Kopf dafür. Ich habe zwar deine Prüfung bestanden, aber das hilft mir nicht, die Prüfungen in der Schule zu bestehen“, keifte ich ungewollt zurück, denn eigentlich hatte ich meinen Frust über die Situation nicht an Amalia auslassen wollen. Die Blondine schien meinen aggressiven Ton gar nicht bemerkt zu haben und wenn doch, dann beachtete sie ihn einfach nicht.   Ich hockte da wie bestellt und nicht abgeholt, aber wenn ich schon hier war, dann könnte ich die beiden auch nach der komischen Stimme und diesem Gefühl in meiner Brust fragen. Ich würde mein Taschengeld für ein ganzes Jahr darauf verwetten, dass die beiden etwas damit zu tun hatten und jetzt würde ich es hoffentlich rausfinden: „Wenn ich ehrlich bin, dann hätte ich eine Frage an euch beide“, setzte ich zaghaft an und wartete auf eine Reaktion, die von Amalia in Form einer Verneigung kam: „Natürlich, Aiden-sama. Frag.“ „In den letzten Tagen höre ich immer wieder so eine komische Stimme in meinem Kopf und dann habe ich hin und wieder so ein warmes Gefühl in der Brust. Wisst ihr beiden etwas darüber?“ Igors Grinsen wurde breiter, bevor er mit der rechten Hand leicht zu gestikulieren begann: „Das, was du hörst und spürst sind lediglich die Resultate deiner Verbindungen.“ „Die Resultate... meiner Verbindungen?“, wiederholte ich verwirrt und ich kam mir gerade selbst wie der größte Trottel vor, doch dann ergriff Amalia das Wort: „Wie mein Meister es dir bereits einmal erklärt hat, ist deine Kraft an sich Schwach. Mit den Verbindungen zu anderen Seelen wird sie wachsen und dir unendliche Möglichkeiten offenbaren.“ „Aha. Nur Schade, dass eure Verbindungen mir nicht bei meinen Schulaufgaben helfen können“, murrte ich vor mich hin, als mir die Blondine antwortete: „Es sind deine Verbindungen, Aiden-sama und wer sagt, dass sie dir nicht helfen können?“   Langsam bereute ich es hierhergekommen zu sein, denn wieder redeten die beiden so ein verwirrendes Zeug, dass mir der Schädel qualmte. Igor gluckste Vergnügt vor sich hin und schien es wirklich zu genießen, mich so da sitzen zu sehen, ehe er die Hand hob: „Alles zu seiner Zeit, mein Junge. Wisse jedoch, dass du bereits die ersten Schritte getan hast und sie werden dir bei deiner Reise nützen. Für heute soll unsere Zeit allerdings vorüber sein. Ich warte hier geduldig auf deine Rückkehr. Bis dahin, Lebewohl.“ Noch bevor ich zu einer Antwort ansetzen konnte, begann der Raum um mich herum zu verschwimmen und mir wurde schwarz vor Augen.   ~~~Naganaki Schrein~~~   Erschrocken zuckte Aiden zusammen, als er etwas spitzes an seinem Ohr spürte, weshalb er panisch einen Satz zur Seite machte. Das folgende Fauchen verriet ihm, dass es Kiara gewesen war, die er gerade unsanft zu Boden geworfen hatte, weshalb er zu seiner Katze eilte und sie hochhob: „Es tut mir leid, Kiara. Ich war nicht ganz bei mir.“ Die Katze funkelte ihr Herrchen mit ihren blau-grünen Augen missmutig an, doch dann nahm sie ihren Stammplatz auf seiner rechten Schulter ein, von wo aus sie die Umgebung absuchte. Noch einmal strich Aiden ihr sanft über den Kopf, während er einen Blick über die Schulter warf und nach der Tür suchte, die immer noch in der Dunkelheit leuchtete. Anscheinend konnte er dadurch den Velvet Room betreten wie und wann er wollte. Ob das jetzt gut oder schlecht war, das würde sich wohl in naher Zukunft zeigen, weshalb sich der Braunhaarige auf den Rückweg machte, denn er würde für morgen ausgeruht sein müssen, wenn er nicht komplett versagen wollte.   ~~~Montag 16. Mai 2016~~~   Mit hängendem Kopf schlurfte Miyuki neben Aiden her, der seinerseits gähnend auf das Schultor zuging. Keiner der beiden hatte in der vergangenen Nacht groß ein Auge zugetan, zu sehr nagte die Sorge wegen der Prüfung an ihnen. Mirai war so gnädig gewesen, die beiden dieses Mal nicht aufzuziehen und hatte ihnen sogar Frühstück gemacht, dennoch hatte diese Freude nur kurz angehalten. Nun standen die zwei Schüler vor dem Schultor und warfen einige neugierige Blicke auf ihre Mitschüler, die zum Teil recht gut gelaunt und zum anderen Teil fast verzweifelt wirkten. Aiden selbst hätte sich wohl irgendwo dazwischen eingeordnet, während Miyuki definitiv zu letzterer Gattung zählte. Die beiden drehten den Kopf nach hinten, als eine ihnen vertraute, männliche Stimme erklang: „Buenos dias, mes amigos. Habt ihr gut geschlafen?“ „Nein“, brummte die Grünhaarige niedergeschlagen und spielte ein wenig mit ihrem Haarzopf herum, als zwei weitere Schülerinnen an sie herantraten.   „Guten Morgen. Wow, ihr seht ja echt motiviert aus“, kam es von Sakura, die eine Hand an die Hüfte stemmte und das Trio skeptisch musterte, ehe Luca ihr ein charmantes Lächeln schenkte: „Und du bist so engagiert und enthusiastisch wie immer, meine liebe Nozaki-chan.“ Auf den kleinen Flirt rollte die Rosahaarige nur mit den Augen, bevor sie sich Aiden zuwandte: „Wie sieht es bei dir aus, Kurosaki-kun?“ Nachdenklich neigte der Braunhaarige den Kopf, bevor er nur mit den Achseln zuckte: „Schwer zu sagen, aber ich habe ein eher schlechtes Gefühl, wenn ich ehrlich bin.“ „Darf ich mich dir dann anschließen? Ich fühle mich auch nicht so wirklich bereit“, kam es von der zweiten Schülerin, bei der es sich um Haruka handelte, die zwar schon deutlich besser aussah, aber immer noch mit den Auswirkungen ihrer Gefangennahme zu kämpfen hatte. „Tenno-chan, du bist wieder da. Alles fit?“, grinste Luca seine Klassenkameradin an, die kurz die Augen schloss und den Kopf schüttelte: „Nicht wirklich, Silva-kun, aber danke der Nachfrage.“ „Haru, du warst zwei Wochen lang weg. Selbst unsere Lehrer meinten, dass du nicht mitschreiben musst. Meinst du nicht, dass es besser wäre, wenn du wieder heim gehst?“, appellierte Sakura an die Vernunft ihrer Freundin, die aber nur mit dem Kopf schüttelte: „Nein, ich will keine Sonderbehandlung und wenn ich von den Prüfungen wegbleibe, werde ich noch mehr zur Zielscheibe für Gerüchte. Ich geh da jetzt rein und bring es hinter mich.“ „Du meinst jetzt und die nächsten fünf Tage?“, lachte der Spanier, was nun Aiden die Gesichtszüge entgleisen ließ: „Warte… wir schreiben hier sechs Tage lang?“ „Äh, ja“, gaben die vier anderen zurück, was den Braunhaarigen zusammensacken ließ: „Okay, kann mich bitte jemand begraben?“   Haruka kicherte über das Verhalten des Braunhaarigen, als eine männliche Stimme zu ihr herüber schallte: „Haru-nee, du bist wieder da!“ Zeitgleich sahen die Schüler in die Richtung, als ein Junge mit weiß-blauen Haaren Haruka ansprang und sie an der Hüfte umarmte. Luca und Miyuki staunten über die Szene, während Sakura nur seufzte und den Kopf schüttelte. Haruka hingegen lächelte freundlich und tätschelte dem Jungen den Kopf: „Guten Morgen, Setsuna-kun. Ja, ich bin wieder in der Schule, aber deshalb musst du mich nicht gleich umschmeißen.“ „Haha, sorry, Onee-chan“, lachte der Junge und trat einen Schritt zurück, damit er die Brünette genau ansehen konnte. Aiden hatte eine Augenbraue angehoben, während er den Jungen seinerseits musterte und sofort war ihm klar, wer da vor ihm stand. Noch bevor er aber etwas sagen konnte, ergriff Sakura das Wort: „Mein Gott, Akutagawa-kun, musst du Haru immer so umrennen? Da muss man ja Angst haben.“ „Du bist doch nur eifersüchtig“, gab Setsuna zurück und streckte Sakura die Zunge raus, was die Rosahaarigen wütend die Wangen aufblähen ließ: „Kleiner Giftzwerg.“ „Ähm, wer ist der Kleine eigentlich?“, meldete sich nun Miyuki zu Wort, was Sakura, Haruka und Setsuna panisch einen Schritt zurückweichen und synchron ausrufen ließ: „Wo bist du auf einmal hergekommen?“ Betrübt ließ die Grünhaarige den Kopf sinken und murmelte etwas davon, dass sie schon die ganze Zeit hier gestanden hätte, doch redete sie mehr zu sich selbst als zu den anderen.   Als Haruka sich von dem Schreck erholt hatte, schob sie den Jungen an der Schulter nach vorne: „Darf ich vorstellen? Das ist Akutagawa Setsuna, ein guter Freund von mir.“ „Du meinst Anhängsel“, fügte Sakura an, was ihr einen bösen Blick des Blau-weißhaarigen einbrachte, der die Fäuste ballte und wütend aufstampfte: „Ich bin kein Anhängsel!“ Es hätte nicht viel gefehlt und man hätte zwischen den beiden die Funken fliegen gesehen, als Aiden sich einmischte: „Habe ich es doch gewusst, du bist der Junge von Donnerstag! Warum bist du denn einfach abgehauen?“ Jetzt erkannte Setsuna auch den Braunhaarigen, doch sah er nur zur Seite und verschränkte die Arme hinter dem Kopf: „Geht dich gar nichts an.“ In der Gruppe herrschte eine etwas bedrückte Stimmung, die Haruka zu lösen versuchte, indem sie ihrem Freund gegen die Wange piekte: „Setsuna-kun, sei nett zu meinen Freunden. Was ist denn passiert, dass du Kurosaki-kun kennst?“ „Ist nicht so wichtig“, murrte der Kleine und sah zur Seite, als sein Blick auf etwas fiel, was Aiden ihm hinhielt: „Hier, das habe ich dir am Donnerstag eigentlich schon zurückgeben wollen, aber du bist ja getürmt.“ Mit einem leisen „Danke“ steckte Setsuna die Karten ein und sah dann zu Haruka: „Onee-chan, hast du am Wochenende Lust mal wieder einen Spaziergang zu machen? Yuki freut sich bestimmt, wenn sie dich wiedersieht.“   „Am Wochenende? Ich denke mal, dass Sonntag sich arrangieren lässt“, überlegte die Brünette, was den Jungen strahlen ließ: „Versprochen?“ „Sicher, aber jetzt sollten wir uns erst mal auf unsere Prüfungen konzentrieren“, kam die Brünette zum eigentlichen Thema des Tages zurück, was alle umstehenden aufseufzen ließ, denn keiner hatten wirklich Motivation für das, was vor ihnen lag. Setsuna wollte sich gerade verabschieden, als Haruka ihn noch einmal zurück hielt und sich an dem Band, dass die männlichen Schüler am Hals trugen, zu schaffen machte. Murrend versuchte der Junge Haruka wegzuschieben, doch blieb die Brünette hartnäckig: „Jetzt halt still. Ich weiß, dass du das nicht magst, aber du kannst doch nicht so schlampig in der Schule rumlaufen.“ „Hör auf, mich wie ein Kleinkind zu behandeln“, brummte der Junge und sah peinlich berührt zur Seite, was ihm einen leichten Knuff gegen die Wange einbrachte: „Dann benimm dich nicht immer so. Du weißt, dass ich dich doch nur ein bisschen necke. Jetzt aber los, sonst kommen wir zu spät.“ „Okay, wir sehen uns, Haru-nee. Ciao, ihr alle! Mach’s gut, Sakura-obasan“, grinste Setsuna noch einmal und rannte in die Schule, wobei er von einer wütenden Sakura verfolgt wurde, die ihm die »Tante« heimzahlen wollte. Die vier Persona-User sahen sich noch einmal an, bevor sie sich ebenfalls ins Gebäude begaben, um ihre Prüfungen hinter sich zu bringen.   ~~~Montag 16. bis Samstag 21. Mai 2016~~~   Der nächsten sechs Tage entpuppten sich für die Schüler als reinste Folter, denn in den Prüfungen wurde gefühlt jedes einzelne Wort, welches die Lehrer ihnen in den letzten anderthalb Monaten erzählt hatten, abgefragt. Für Aiden grenzte diese Prüfung fast schon an ein Ding der Unmöglichkeit und er war sich nicht sicher, ob er ohne die Sache mit den Shadows alles hätte lernen können. Geschichte, Literatur, Kunst und interaktives Lernen brachten ihn fast zur Verzweiflung und er glaubte nicht daran, dass er auch nur eine Frage richtig beantwortet hatte. Als er in den Fächern dann zu Englisch, Hauswirtschaft, Mathe und den Naturwissenschaften kam, ging es für ihn tatsächlich bergauf. Bei den Fragen was für eine gesunde Ernährung wichtig war und was für Inhaltsstoffe wichtig waren, musste er grinsen, denn das wusste er schon seit Jahren. Die Zeit zwischen den Prüfungen nutzten Aiden, Luca und Miyuki um sich wenigstens ein wenig zu entspannen, denn zwischen den Tagen zu lernen war nichts, was sie zustande bringen würden. Als endlich der letzte Tag der Prüfungen begann, waren viele der Schüler deutlich motivierter als sonst, denn es gab endlich ein Licht am Ende des Tunnels.   ~~~Samstag 21. Mai 2016~~~   Der Glockenschlag war die reinste Wonne für die Schüler, die zum Teil erleichtert und zum Teil erschöpft in ihren Stühlen saßen. Manche Schüler versuchten einen Krampf in der Hand loszuwerden, während andere so schnell aus dem Raum flüchteten, als wäre der Tod selbst hinter ihnen her. Aiden lehnte sich in seinem Stuhl zurück und seufzte erleichtert auf, was seine Kollegin ihm gleichtat, jedoch zog Miyuki es vor, den Kopf auf ihre verschränkten Arme zu betten. Der Braunhaarige fuhr sich kurz übers Gesicht, ehe er sich einmal ausgiebig streckte und dann aufstand: „Endlich ist es vorbei. Das war die längste Woche meines Lebens.“ „Ja, das kann ich bestätigen. Jetzt muss ich erst mal die ganzen Animes von dieser Woche nachholen“, murmelte die Grünhaarige und unterdrückte nur mit viel Mühe ein Gähnen, während sie sich ebenfalls erhob und ihre Tasche packte. Noch einmal überprüften beide Schüler, ob sie auch alles bei sich hatten und verließen dann das Klassenzimmer, wo sie bereits von Luca erwartet wurden, der müde an der Wand lehnte. Natürlich ließ Aiden es sich nicht nehmen, seinen Freund ein bisschen zu ärgern, weshalb er ihm leicht in die Seite stach: „Na, wo ist denn deine gute Laune von Montag geblieben, Luca?“ „Leck mich, Amigo! Das war eine Katastrophe biblischen Ausmaßes!“, übertrieb der Braunhaarige und ließ theatralisch den Kopf hängen, bevor er Aiden einen Arm um die Schulter legte: „Aber man soll vergangenen Chancen nicht nachtrauern. Was steht heute so an?“   Zu dritt verließen sie die Schule, doch blieb Aiden ein Stück vor dem Schultor stehen und setzte sich auf eine der Bänke, die den Weg links und rechts zierten: „Können wir ganz kurz warten?“ Seine Freunde tauschten einen leicht irritierten Blick, doch nickten die beiden anschließend und setzten sich neben Aiden auf die Bank. Um sich die Zeit etwas zu vertreiben spielte Luca auf seinem Handy herum, während Miyuki in einem Manga las, weshalb keiner von beiden bemerkte, wie Haruka an sie herantrat und grüßend die Hand hob: „Hallo, zusammen. Danke, dass ihr auf mich gewartet habt.“ „Kein Problem, du wolltest ja mit uns reden, also können wir auch zusammen zum Wohnheim gehen“, erwiderte der Anführer der Gruppe und erhob sich, wobei er seinen beiden Freunden kurz gegen die Schulter tippte, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Haruka wartete geduldig, bis die drei zum Aufbruch bereit waren, doch lag ihr noch eine Frage auf der Zunge: „Warum genau müssen wir für dieses Gespräch in euer Wohnheim?“ „Erstens sind wir da ungestört und zweitens gehört Mirai auch zu unserem Team und die wird wohl zu Hause sitzen und auf uns warten. Na komm, sobald wir da sind, werden wir dir alles erklären“, winkte Aiden die junge Frau mit sich und trat mit seinen Freunden den Heimweg an.   Während des ganzen Weges von der Schule zum Wohnheim suchte Haruka das Gespräch mit Aiden, wobei sie offensichtlich versuchte, mehr über ihren neuen Bekannten heraus zu finden. Miyuki beobachtete das Spektakel eine Weile und konnte darüber nur lachen, denn ihr war sofort klar, was da ablief. Luca hingegen schien das Ganze gar nicht wirklich zu realisieren, denn er studierte auf seinem Handy gerade irgendeine Fußballtabelle und schien sich dabei über die Ergebnisse zu ärgern. „Du, Silva-kun?“, suchte die Grünhaarige nun das Gespräch mit dem Spanier, der etwas überrascht von seinem Handy aufsah: „Ja, was ist denn, Nobiro-chan?“ „Findest du es nicht seltsam, wie sehr Tenno-san Aiden-kun in ein Gespräch verwickeln will?“, warf die junge Frau den Gesprächsköder aus, doch ging der Braunhaarige zu ihrem Leidwesen nicht darauf ein: „Sie redet einfach mit ihm, da ist doch nichts besonderes dabei. Aiden ist eben neu an der Schule und er hat sie gerettet, da kann man sich schon mal mit jemandem unterhalten.“ Über diese Unwissenheit konnte Miyuki nur schnauben, weshalb sie das Kinn auf der Handfläche abstützte und aus dem Fenster sah: „Wie kann man so ein notorischer Flirter sein und dann nicht sehen, wenn ein Mädchen zu flirten versucht?“ „Was meinst du, Nobiro?“, erkundigte sich der Spanier, der das zuletzt gesagte nicht hatte verstehen können, da die Grünhaarige ziemlich genuschelt hatte, doch winkte diese nur ab: „Nicht so wichtig.“   Vom Bahnhof lief das Quartett zielstrebig auf das Wohnheim zu, vor dem Haruka beeindruckt den Kopf in den Nacken legte und betrachtete, wie hoch das Gebäude war: „Und hier wohnt ihr alle zusammen?“ „Nicht ganz. Aiden-kun und ich wohnen hier, aber Silva-kun wohnt noch zu Hause“, erklärte Miyuki und verschränkte die Arme hinter dem Rücken, während die Brünette verstehend nickte und dann auf eine Hecke neben dem Eingang sah: „Oh und eine Katze habt ihr auch noch?“ „Das ist meine“, grinste nun Aiden und sah auf sein Haustier, welche mit einer Maus im Fang aus einem Busch herauslugte: „Oh, das Ding lässt du aber bitte hier draußen, Kiara.“ Auf die Bitte ihres Herrchens verschwand die Katze kurz in der Hecke, nur um kurz darauf ohne Maus wieder aufzutauchen und sich schnurrend um die Beine ihres Besitzers zu schmiegen. Mit einem Lächeln hob der Oberschüler seine Katze hoch und setzte sie auf seine Schulter, bevor er sich ihrem Gast zuwandte: „Tenno, das ist Kiara. Kiara, das ist Tenno Haruka.“ Für einen Moment zuckten die Ohren des Tieres, bevor sie kurz den Kopf in Harukas Richtung streckte und schnupperte. Die Brünette kam ihr ein wenig entgegen und strich ihr sanft mit dem Finger über ein Ohr, was die Katze zufrieden schnurren ließ, bevor sie den Kopf zurückzog und sich an Aiden schmiegte: „Sie scheint dich zu mögen.“ „Das freut mich. Sie ist echt niedlich“, lachte die Brünette und musterte die Katze, die die Augen schloss und weiter schnurrte, doch hatte Aiden ein anderes Bild von seiner Katze: „Lass dich von ihrem Aussehen nicht täuschen. Sie ist ne kleine Diva, wenn sie will. Na kommt, lasst uns rein gehen.“ Gerade als er nach der Klinke griff, verzog Aiden schmerzhaft das Gesicht und sah wütend auf seine Schulter, wo ihn zwei blau-grüne Augen vorwurfsvoll anfunkelten.   Mit einem Seufzer drückte er die Tür auf und ließ seien Freunde hinein, wo sie von Mirai empfangen wurden, die gerade eine Platte mit einem Schokoladenkuchen auf den Tisch stellte: „Okairinasai, min’na.“ „Eine wunderschöne Frau, die mich nach einer harten Woche mit einem Schokoladenkuchen zu Hause begrüßt? Ich bin im Himmel!“, schwärmte Luca und sah die Silberhaarige an, die ihm allerdings in die Parade fuhr: „Nur Schade, dass du hier nicht zu Hause bist, Luca.“ „Autsch, Mirai-chan, warum bist du so grausam zu mir?“, lachte der Spanier und ließ sich auf eine Couch fallen, während die Silberhaarige nun zu Haruka schaute: „Oh, wir sind zu fünft? Dann brauche ich wohl noch einen Teller, wartet einen Moment.“ Schnell verschwand die junge Frau in der Küche und tauchte einen Moment später mit einem Teller und einer Gabel wieder auf. Mit einem strahlenden Gesicht schauten die Schüler zu, wie sie einer nach dem anderen von Mirai ein Stück Kuchen serviert bekamen und legten dann alle die Hände aneinander: „Itadakimasu!“   Alle Anwesenden verzehrten ihren Kuchen in andächtiger Stille, welcher nach einiger Zeit von Miyuki durchbrochen wurde: „Das war lecker. Ich bin im Schoko-Himmel.“ „Ja, er war fantastisch“, pflichtete Haruka ihrer neuen Bekannten bei, während Luca sich etwas zurücklehnte: „Womit haben wir denn dieses Geschenk verdient, Mirai?“ „Ach, ihr habt euch die ganze Woche durch die Prüfungen gequält und dazu noch die Sache mit den Shadows, da wollte ich euch einfach mal was Gutes tun. Ist das so überraschend?“, murrte die junge Frau und sah zur Seite, was die anderen auflachen ließ. Aiden schüttelte leicht den Kopf und grinste breit: „Nein, keinesfalls. Es ist einfach nur sau lieb von dir. Das haben wir alle gebraucht, aber kommen wir jetzt zu dem, weshalb wir uns eigentlich getroffen haben.“ Nun richteten sich alle Blicke auf Haruka, die kurz schluckte und sich dann erhob, um sich tief zu verneigen: „Ich... Ich möchte mich bei euch allen bedanken, dass ihr mir das Leben gerettet habt. Vielen, vielen Dank, ich weiß gar nicht, wie ich euch das jemals vergelten soll.“ „Musst du nicht und du musst dich nicht so überschwänglich bedanken. Es war doch klar, dass wir dich nicht da drüben lassen“, tat Aiden seine Meinung kund und sah zu seinen Freunden um zu sehen, ob sie seine Meinung teilten, was sie ihm durch ein zustimmendes Nicken bestätigten.   Noch einmal sahen die drei Persona-User sich an, ehe sie zu ihrem Gast sahen und Aiden das Wort ergriff: „Also, du wolltest uns über das befragen, was damals passiert ist, richtig? Nun, frag uns, was du fragen willst und wenn wir können, werden wir dir auch antworten.“ Langsam setzte sich die Brünette wieder hin, atmete einmal tief durch und sah dann in die Runde: „Also... Was genau war das für ein Ort? Was sind das für komische Wesen und was hat es mit meinem Doppelgänger auf sich?“ Die Gruppe tauschten einen kurzen Blick, ehe Luca Aiden bedeutete, die Frage zu beantworten, was der Braunhaarige nach einem leisen Seufzer tat: „Okay, ich versuche es mal der Reihe nach. Deine erste Frage war, was das für ein Ort ist. Leider können wir das auch nicht so genau sagen, wir nennen es einfach nur die »Shadow-Welt«, weil es dort von... Shadows wimmelt. Du verstehst, worauf das hinausläuft.“ „Also wisst ihr auch nicht so genau, was das ist, aber dennoch geht ihr da hin und bekämpft diese Wesen?“, wunderte sich die Brünette und hob eine Augenbraue, weshalb Miyuki die Sache übernahm: „Naja, bei unserem ersten Aufenthalt drüben sind wir auf Mirai gestoßen und leider hat sie ihre Erinnerungen verloren. Um ihr zu helfen gehen wir immer wieder dorthin zurück. Macht das für dich mehr Sinn?“ Erschrocken sah Haruka die Silberhaarige an, die sich kurz den Pony aus dem Gesicht schnippte und dann die Arme vor der Brust verschränkte: „Ich weiß, es ist riskant, aber da ich dort drüben aufgewacht bin, ist es der einzige Anhaltspunkt, den ich habe.“   „Ich verstehe, aber das klingt wirklich furchtbar, dass du ganz alleine dort warst und von diesen Monstern bedrängt wurdest. Wo wir von diesen Shadows reden... Wisst ihr wenigstens was diese Dinger sind?“, kam Haruka zu ihrem nächsten Punkt, den dieses Mal Mirai übernahm: „Nun, ein Shadow ist der niederste Teil der menschlichen Psyche. Jeder Mensch hat einen, denn jeder Mensch hat dunkle Gedanken, ob er es will oder nicht. Wenn diese düsteren Gedanken zu stark werden, dann nimmt der Shadow eine physische Gestalt an und versucht sich seines menschlichen Ichs zu entledigen. Damit kommen wir zu deiner dritten Frage bezüglich deines Doppelgängers: Deine negativen Gedanken bezüglich deiner Mutter haben deinen Shadow so lange anwachsen lassen, bis er sich selbstständig gemacht hat.“ Beim Gedanken an diese Begegnung begann die Brünette zu zittern, doch nach ein paar tiefen Atemzügen schaffte sie es, sich ein wenig zu beruhigen: „Aber warum greift ein Shadow denn sein ursprüngliches Ich an? Sind sie nicht eigentlich ein und dasselbe?“ „Warum Shadows so handeln ist eine Sache, die vermutlich nur sie selbst wissen. Was wir aber wissen ist, dass sie extrem aggressiv werden, wenn sie abgelehnt werden. Falls du dich erinnerst ist dein Shadow Amok gelaufen, als du behauptest hast, er wäre nicht du. Wenn man es genau nimmt, ist dein Shadow der Teil von dir, den du nicht wahrhaben willst“, fuhr Mirai fort und schloss die Augen, während die Gruppe sich in Schweigen hüllte.   Haruka dachte über das eben gesagte nach und versuchte es irgendwie zu verarbeiten: „Also... erscheint so ein Shadow wenn man nicht ehrlich zu sich selbst ist? Wow, ich hätte niemals geglaubt, dass so etwas möglich ist.“ „Ganz ehrlich, wer würde uns denn glauben, wenn man es ihm erzählt? Niemand, weil es einfach so... Unglaubwürdig klingt“, warf Luca ein und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, was die Brünette zu einer weiteren Frage brachte: „Also... Naja, hattet ihr alle so einen Shadow?“ „Silva-kun und ich ja, aber Aiden-kun und Miri-chan? Nein, sie hatten keinen, beziehungsweise hat Aiden-kun seine Persona einfach so bekommen und bei Miri-chan wissen wir es nicht“, erklärte Miyuki und sah die beiden Letztgenannten an, die nun einen nachdenklichen Blick drauf hatten. Mirai blies kurt die Wangen auf und winkte dann ab: „Ich kann nicht genau sagen, ob ich keinen habe, aber zumindest habe ihn bisher nicht getroffen. Was wir aber wissen ist, dass es einige Menschen mit einem besonderen Potenzial gibt, die ihren Shadow in eine Persona verwandeln können.“ „Persona? Oh, das sind diese riesigen, fliegenden Dinger, die ihr eingesetzt habt, richtig?“, erinnerte sich Haruka daran, wie Aiden seine Persona eingesetzt und ihren Shadow bekämpft hatte.   Eine Weile saßen die fünf noch zusammen und erzählten Haruka, was sie bisher in der Shadow-Welt so erlebt hatten, bis sie zu dem Kampf gegen den Shadow der Brünette kamen und ihre Erzählung damit beendeten. Miyuki senkte den Blick und tippte mit den Zeigefingern gegeneinander: „Es tut uns leid, dass wir so schamlos in deiner Vergangenheit gewühlt haben.“ „Ist okay, ich verdanke euch mein Leben und ich denke, das ist eine Erfahrung, an der ich wachsen muss. Schließlich habe ich auch so eine Persona“, lachte die Brünette, als ihr letzter Satz bei Aiden etwas auslöste und ihn dazu veranlasste eine Frage zu stellen: „Ich weiß, dass es extrem gefährlich ist, aber würdest du uns deine Kräfte leihen, Tenno? Wir müssen für Mirai noch öfter da rein und so wie es aussieht werden wir noch viel mehr Shadows begegnen, da wäre ein bisschen mehr Feuerkraft äußerst hilfreich.“ „Ich würde euch wirklich gerne helfen, aber... Ich kann nicht“, murmelte Haruka und sah auf ihren Schoß, als Miyuki aufsprangen und sie anstarrte: „Was? Warum?“ „Jeder von uns hat Angst, aber zusammen schaffen wir das“, versuchte nun Luca seine Klassenkameradin zu überreden, doch schüttelte sie nur den Kopf: „Ich kann nicht, weil ich mit meiner Mutter wegziehen werde. Auch wenn ich das gar nicht will.“   Auf die fragenden Blicke ihre neuen Freunde erklärte Haruka, dass ihre Mutter die Umgebung von Tatsumi Port Island für viel zu gefährlich hielt und in eine sichere Umgebung ziehen wollte. Zum Ärgernis der Brünette wurden ihre eigenen Wünsche mal wieder ignoriert, weshalb sie die Fäuste ballte und leicht mit den Zähnen knirschte. Nach einer Weile ergriff Miyuki das Wort und sah zögerlich dabei in die Runde: „Können wir denn nichts tun, damit Tenno-san hier bleiben kann?“ „Saku meinte, dass ich sofort zu ihr ziehen könnte um hier zu bleiben, aber ich will ihr und ihrer Familie nicht zur Last fallen und schon gar nicht auf ihrer Tasche liegen“, erklärte Haruka betrübt, als Mirai mit den Achseln zuckte: „Warum ziehst du dann nicht hierher? Es ist ein Schülerwohnheim und wenn Schüler hier nicht wohnen sollen, wer denn dann?“ Das Trio zeigte sich von der Idee begeistert, doch war die Brünette nicht dieser Meinung: „Meine Mutter wird das mit Sicherheit nicht erlauben.“ „Dann überzeugen wir sie eben! Egal, was es kostet, du bleibst hier, Tenno! Haltet euch morgen den Tag frei, denn morgen statten wir der Familie Tenno einen dringenden Besuch ab!“, rief Aiden und hob enthusiastisch eine Faust, was Luca ihm gleichtat: „Du sagst es, Amigo! Also treffen wir uns morgen bei Tenno-chan zu Hause.“ Miyuki sprang auf und riss die Arme nach oben, was Mirai ihr deutlich weniger begeistert gleichtat, doch stiegen Haruka dabei Tränen in die Augen: „Leute... Ihr seid echt tolle Freunde.“ Die Gruppe grinste sich an und sie waren sich einig, dass Haruka jetzt eine von ihnen war. Das warme Gefühl, welches sich wieder in Aidens Brust ausbreitete, bestätigte den Braunhaarigen in seinem Tun noch mehr und Morgen würden sie die Sache in Angriff nehmen, damit Haruka nicht würde umziehen müssen.   Kapitel 22: XXII - Probleme sollten besprochen werden ----------------------------------------------------- ~~~Sonntag 22. Mai 2016~~~ Aiden, Miyuki und Mirai standen an der Iwatodai Station und warteten geduldig auf ihren Zug, wobei das nicht das Einzige war, auf das sie warten mussten. Luca hatte sich ebenfalls noch nicht blicken lassen, was die Silberhaarige genervt mit dem Fuß auf den Boden tippen ließ: „Wo bleibt der Kerl so lange? Wenn der Zug kommt und er nicht da ist, fahren wir ohne ihn!“ „Bleib mal ganz ruhig, Mirai. Vermutlich hat er zu Hause noch was zu erledigen und hilft seiner Mutter“, versuchte Aiden seine Bekannte zu beruhigen, was ihm nur sehr mäßig gelang, denn die Silberhaarige zog immer noch eine Grimasse. Miyuki sah zwischen ihren Freunden hin und her, bevor sie sich nach Luca umsah: „Er müsste sich jetzt aber wirklich mal beeilen, der Zug kommt gleich. Ich geh mir noch schnell was zu trinken holen, wollt ihr auch was?“ „Bring mir ein MadBull mit“, bat Mirai ihre Freundin und sah ihr zu, wie sie sich auf die Suche nach dem nächsten Getränkeautomaten machte, als Aiden sie von der Seite ansprach: „Wie geht es eigentlich deinem Kopf, Mirai? Alles wieder okay?“ „Ja, soweit alles gut. Hab keine Kopfschmerzen, aber leider auch keine neuen Erinnerungen“, zuckte die junge Frau nur mit den Achseln, was ihren Freund zum Nicken brachte. Es freute ihn, dass es der Silberhaarigen wieder besser ging, allerdings war es auch Schade, dass sie sich an nichts Neues erinnern konnte. Als die Durchsage ertönte, dass der Zug jeden Moment einfahren würde, kam Miyuki an gehechtet und kurz darauf auch Luca, der sich überschwänglich bei seinen Freunden für die Verspätung entschuldigte. Da sie keine Zeit für lange Diskussionen hatten, stiegen sie in den Zug und suchten sich einen Sitzplatz, den sie sogar für alle vier ergattern konnten.   Während der Fahrt las Miyuki in einem ihrer Mangas und nötigte Mirai fast schon, bei ihr mit rein zu schauen, was die junge Frau nach einigem Protest dann tat. Luca nutzte die Zeit um Aiden zu erklären, dass eine Nachbarin von ihm und seiner Mutter ein Problem mit dem Abfluss hatte und Luca ihr mit dem Pümpel zur Hand gegangen war. Aiden hob nur eine Augenbraue und sah seinen Freund von der Seite an, der seinen Blick jedoch nur leicht verwirrt erwiderte: „Du weißt schon, dass das wie eine echt schlechte Ausrede klingt, oder?“ „Ja, das weiß ich, aber es ist die Wahrheit. Du kannst ja gerne meine Mama fragen, die wird es dir bestätigen“, beharrte der Spanier auf seiner Version, die ihm die Damen der Gruppe definitiv nicht abkauften. Die weitere Fahrt war mit einer kleinen Diskussion über Haruka geschmückt, wobei Miyuki daran zweifelte, dass Harukas Mutter dem Umzug zustimmen würde. Bei dem Gedanken an das, was sie im Dungeon erfahren hatten, stiegen auch in den anderen dreien gewisse Zweifel auf, doch versuchten sie alle positiv zu bleiben. Schließlich ging es hier um eine Freundin von ihnen und auch wenn Aiden es nicht laut aussprach, so wollte er nicht schon wieder eine Trennung ertragen müssen. Es hatte ihn schon viel Überwindung gekostet, sich überhaupt auf die anderen einzulassen und in der Zeit waren ihm Miyuki, Mirai und auch Haruka und Sakura sehr ans Herz gewachsen, von Luca mal ganz abgesehen. Er konnte und wollte einfach nicht schon wieder einen Freund verlieren und würde es auch nicht zulassen, koste es was es wolle.   Als der Zug an der Port Island Station hielt, machte sich die Gruppe auf den Weg zur Werkstatt, wo sie sich mit Haruka treffen wollten. Zum Glück war heute sehr gutes Wetter, denn bei Regen hätte Aiden die Steigung zur Werkstatt nur sehr ungern erklommen. Miyuki schnaufte bereits nach der halben Strecke und jammerte leise, bis Mirai sie einfach am Handgelenk packte und mitzog: „Hör auf zu nörgeln. Wenn du jammern kannst, dann hast du auch noch Luft zum Laufen!“ „Sei doch nicht so grob, Miri-chan“, jammerte die Grünhaarige, während die beiden Braunhaarigen seelenruhig vor ihnen den Weg hochstapften. Als es langsam flacher wurde und sie die Werkstatt erreichten, stützte sich die Grünhaarige auf ihren Knien ab und wischte sich den Schweiß vom Kinn: „Oh man… Ich muss echt mehr Sport machen.“ „Solltest du auch. Seiten umblättern zählt nämlich nicht, meine Liebe“, neckte Mirai ihre Freundin und stieß ihr dabei leicht in die Seite, was die Schülerin leicht schmollen ließ: „Ist ja gut, ich habe es kapiert. Ich sollte öfter in den Schützenclub gehen.“ „Solltest du!“, bekam sie von drei Seiten Antwort, ehe Aiden sich nach der Brünette umsah, die er an der Wand neben dem Eingangstor der Werkstatt entdeckte.   Haruka ließ traurig den Kopf hängen und stieß einen langen Seufzer aus, bevor sie den Kopf hob und ihre Freunde entdeckte: „Oh, da seid ihr ja. Danke, dass ihr gekommen seid.“ „Ist was passiert, Tenno-san?“, fragte Miyuki vorsichtig nach und befürchtete schon, dass Harukas Mutter etwas damit zu tun haben könnte, doch lag der Grund woanders: „Ich habe völlig vergessen, dass ich heute etwas Zeit mit Setsuna-kun verbringen wollte. Ich habe ihm gerade gesagt, dass mir etwas dazwischengekommen ist und das ich etwas wichtiges zu erledigen habe. Naja, er hat es nicht so gut aufgenommen.“ „Oh man, das tut mir echt leid, Tenno“, murmelte Luca und kratzte sich am Hinterkopf, doch winkte die Brünette schnell ab: „Es muss euch nicht leidtun. Ich fühle mich zwar schlecht wegen Setsuna, aber diese Sache ist wichtiger. Kommt ihr mit rein?“ „Meinst du etwa, wir sind den weiten Weg hierhergekommen, nur damit wir draußen warten? Natürlich gehen wir mit rein!“, stellte Mirai klar und stemmte eine Hand an die Hüfte, was die Brünette wohl etwas beruhigte, denn sie winkte ihre Freunde mit sich und lief zur Haustür. Sie nahm noch ein paar Mal tief Luft, ehe sie die Tür öffnete und mit ihren Freunden das Haus betrat.   Nachdem alle ihre Schuhe ausgezogen hatten, führte Haruka sie ins Wohnzimmer, wo ihre Mutter an ihrem Computer saß und anscheinend etwas recherchierte. Die Brünette schien die Gruppe an Teenagern noch gar nicht bemerkt zu haben, denn sie tippte seelenruhig auf der Tastatur ihres Computers herum. Haruka sah noch einmal zu ihren Freunden, die ihr zum Teil ermutigend zunickten oder, im Fall von Miyuki, ihr eine gehobene Faust mit gedrücktem Daumen zeigten, bevor sie das Wort ergriff: „Mama, hast du kurz einen Moment?“ Überrascht hob die ältere Brünette den Kopf und sah ihre Tochter an, wobei sie beim Anblick der restlichen Teenagern eine Augenbraue hob: „Natürlich, mein Schatz. Wenn ich gewusst hätte, dass du Besuch erwartest, hätte ich einen Kuchen oder so etwas besorgt.“ „Bitte, machen Sie sich unseretwegen keine Umstände, Tenno-san“, winkte Aiden ab und sah zu Haruka, die sich neben ihre Mutter setzte: „Ich wollte mit dir über den Umzug sprechen. Es ist so... Ich...“ Sie knetete nervös ihre Hände, ehe sie das Aussprach, was sie wollte: „Ich will nicht umziehen!“   Die Brünette stieß einen Seufzer aus, hielt allerdings den Blick auf dem Bildschirm ihres Computers gerichtet, während sie eine Antwort gab: „Haruka, das haben wir doch schon mehrfach besprochen. Du... „Nein, wir haben nichts besprochen. Du hast gesagt, dass wir es so machen und mich nicht einmal nach meiner Meinung gefragt“, fiel Haruka ihrer Mutter sehr barsch ins Wort, was ihre Freunde erstaunt etwas zurückweichen ließ, denn keiner hatte mit so einer Wut in der Stimme der Brünette gerechnet. „Wie oft muss ich dir das noch erklären, Haruka? Diese Stadt ist viel zu gefährlich, du bist entführt worden! Wenn die Polizei wenigstens den Täter geschnappt hätte, aber selbst dazu sind diese schlampigen Beamten nicht in der Lage“, zischte die ältere Brünette und klappte den Laptop zu, damit sie ihre Tochter anschauen konnte, die den Blick zur Seite wandte: „Ich weiß, aber mir geht es gut, also musst du dich nicht verrückt machen.“ „Ich mache mich verrückt? Ist dir eigentlich klar, was ich durchgemacht habe als du verschwunden warst? Ich war krank vor Sorge und dachte, dass ich dich nie wieder sehen würde!“, rief die Frau aus und erhob sich von der Couch, was ihre Tochter erschrocken zusammenzucken ließ: „J-ja, aber... Ich will nicht weg. Alles und jeder den ich kenne und liebe ist hier in der Stadt.“ „Ich weiß, dass das eine schwere Situation für dich ist, Haruka, aber ich kann und werde deine Gesundheit nicht wegen irgendwelcher Sentimentalitäten aufs Spiel setzen. Du wirst neue Freunde finden und wenn wir uns eingelebt haben kann Sakura-chan dich ja besuchen kommen.“   Man sah Haruka an, dass sie sehr mit sich zu kämpfen hatte, um nicht wieder auszurasten, doch war sie nicht gewillt aufzugeben: „Und was wird aus Opa? Soll der etwa alleine hierbleiben?“ „Dein Großvater hat ohnehin eine Pflegerin, die sich um ihn kümmert und solange er seine Werkstatt hat, ist der Alte ohnehin beschäftigt“, winkte Kotone ab und musterte die anderen Schüler, die in der Tür standen und ihre Freundin besorgt musterten, wobei Haruka plötzlich irritiert wirkte: „Opa hat... eine Pflegerin? Das hat er mir nie erzählt.“ „Weil der alte Zausel immer genau das tut, was er nicht soll. Mit seinem Herz sollte er sich auch nicht mehr so anstrengen und dennoch tut er es“, kam es von der Älteren, die anscheinend keine allzu hohe Meinung von ihrem Schwiegervater hatte, damit allerdings bei Haruka den roten Knopf gedrückt hatte: „Und in diesem Zustand sollen wir Opa alleine lassen? Genau deswegen sollten wir hierbleiben! Er gehört zu meiner Familie, genauso wie du es tust. Du zwingst mich nicht nur meine Freunde, sondern auch meine Familie zurück zu lassen. Ist dir eigentlich egal wie es mir dabei geht? Warum frage ich dich überhaupt, natürlich ist es dir egal! Es muss ja immer nach deiner Pfeife gehen!“ Langsam aber sicher redete sich die Schülerin in Rage und ihre Freunde befürchteten ein Donnerwetter, was sie allerdings nicht erwartet hatten war, dass Kotone ihrer Tochter eine Ohrfeige verpasste: „Was fällt dir ein? Glaubst du allen Ernstes, dass du mir egal bist? Alles was ich tue ist, damit du in deinem späteren Leben Erfolg hast und dass du gesund bist! Auch dieser Umzug ist einzig und alleine für deine Sicherheit!“   Luca und Aiden starrten die Szene fassungslos an, Miyuki war bei der Ohrfeige ängstlich zusammengezuckt und Mirai ballte wütend die Fäuste, denn für ihren Geschmack ging das zu weit. Gerade, als Haruka wieder zu einer Antwort ansetzen wollte, schallte ein schrilles und quietschendes Kratzen durch das Zimmer, welches alle Anwesenden zwang, sich die Ohren zuzuhalten. Aiden kannte das Geräusch, denn es entstand, wenn man mit Nägel über eine Tafel kratzte und als er über die Schulter sah, entdeckte er Harukas Großvater Iwato, der eine kleine Schreibtafel und einen rostigen Nagel in der Hand hielt. Nach und nach gingen alle Blicke zu dem Alten, der sich seine Mütze vom Kopf nahm und die Tafel beiseitelegte, damit er sich über den Bart streichen konnte. Aiden nahm keinen Geruch von Alkohol mehr an ihm wahr, doch Iwatos Gesichtsausdruck wirkte nicht weniger furchteinflößend wie damals, als er die Gruppe in seinem Vollrausch angeschrien hatte: „Seid ihr beide eigentlich von allen guten Geistern verlassen, dass ihr euch hier so an die Gurgel geht? Verdammt nochmal, ihr seid Mutter und Tochter, ihr solltet euch lieben und respektieren und euch nicht ununterbrochen anschreien. Haruki würde sich im Grab umdrehen, wenn er euch so sehen würde.“ Bei der Erwähnung von Harukas Vater zogen beide Frauen den Kopf ein und sahen zu Boden, denn daran hatte keiner der beiden gedacht.   Aiden verschränkte die Arme vor der Brust und musterte seine Mitschülerin, die sich beim Gedanken an ihren Vater eine Träne aus dem Auge wischen musste, als ihr Großvater weitersprach: „Jetzt seid ihr beide mal still und hört mir zu. Kotone, ich weiß, dass du nicht viel von mir hältst, aber ich weiß ganz genau, dass dir Harukis Meinung wichtig war.“ Die Brünette sah ihren Schwiegervater verstimmt an, verschränkte die Arme vor der Brust und biss sich auf die Unterlippe, als der Alte weiter auf sie einredete: „Kotone, ich weiß besser als jeder andere, wie sehr du unsere Haruka liebst und was du alles für sie auf dich nimmst, aber...“ „Aber was?“, fauchte die Frau und kniff die Augen zusammen, was den Mechaniker jedoch komplett kalt ließ: „Aber du kannst Haruka nicht immer bevormunden und ihr alles vorschreiben. Sie ist fast 17 Jahre alt und langsam muss sie lernen, auf ihren eigenen Füßen zu stehen. Du willst sie beschützen, das verstehe ich, aber du musst sie auch mal gehen lassen. Und es geht hier nicht nur um Haruka und ihren eigenen Willen, sondern auch um dich, meine Liebe. Kannst du so einfach allen Erinnerungen an deinen Mann den Rücken kehren?“ Iwato hatte den richtigen Punkt getroffen, denn Kotone stiegen Tränen in die Augen und sie rang um ihre Fassung, als ihr Schwiegervater sie in den Arm nahm: „Auch wenn du mich nicht magst, bist du mir wichtig. Du bist die Frau meines Sohnes, also meine Tochter und ich will, dass ihr beide glücklich werdet. Du hast Angst auch noch deine Tochter zu verlieren, aber mit deinem jetzigen Verhalten, steuerst du auf genau das zu. Tu dir selbst den Gefallen und lass deiner Tochter etwas Freiraum.“   Die Brünette schien mit den Nerven völlig am Ende zu sein, denn sie fuhr sich durch die Haare und atmete schwer ein und aus, bevor sie sich an ihre Tochter wandte: „Haruka, ich will wirklich nur dein Bestes.“ „Ich weiß, Mama, aber... deine Art mir alles vorzuschreiben macht mich wahnsinnig!“, erwiderte die Schülerin, bevor sie versuchte sich zu beruhigen und sich am Arm kratzte: „Es gibt drüben in Iwatodai ein Schülerwohnheim, in das ich gerne ziehen würde, denn ich glaube, uns würde ein wenig Abstand gut tun. Ich will die Chance auf meinen eigenen Füßen zu stehen. Ich weiß, dass mein Verschwinden dich fertig gemacht hat, aber für mich war es wesentlich schlimmer. Ich... ich will hier nicht weg, aber ich will mich auch nicht dauernd mit dir streiten, du bist meine Mutter und ich liebe dich.“ Nun kämpfte auch Haruka mit den Tränen, weshalb Iwato die Chance ergriff: „Passt mal auf, ihr beiden. Kotone, wenn irgendjemand versuchen würde, Haruka wieder zu entführen hätte er es doch schon versucht und selbst in einer anderen Stadt wäre sie nicht sicherer, vor allem wegen der fremden Umgebung. Es mag schwer sein, aber versuche nach vorne zu schauen, ohne gleich zu übertreiben. Vielleicht ist etwas Abstand wirklich das Richtige für euch beide. Ihr könnt eure Gedanken sortieren, aber euch dennoch bei Bedarf sehen. Kotone, denk an deine Tochter.“   Die beiden Brünetten sahen sich in die Augen und man sah der Älteren an, dass sie innerlich sehr mit sich kämpfte, doch dann warf sie die Arme in die Luft: „Was ist, wenn ihr wieder was passiert?“ „Mama, bitte“, flehte Haruka fast schon und ergriff die Hände ihrer Mutter, die den Kopf zur Seite drehte und auf ein Bild von sich, ihrer Tochter und ihrem Mann ansah. Sie wischte sich übers Gesicht und schniefte einmal, bevor sie wieder zu ihrer Tochter schaute: „Wie kann ich mir sicher sein, dass du in Sicherheit bist?“ „Das kannst du nicht, aber das kann überall so sein, Mama. Wir müssen es einfach riskieren, was wir eigentlich jedes Mal tun, wenn ich ohne dich vor die Tür gehe“, traf Haruka den Nagel auf den Kopf, was ihre Mutter aufseufzen ließ: „Ich werde es vermutlich bitter bereuen, aber... ich glaube ihr habt Recht.“ Sofort machte die junge Brünette ein paar freudige Hüpfer, doch war ihre Mutter noch nicht fertig: „Aber bevor ich endgültig zustimme, habe ich ein paar Regeln, junges Fräulein. Du wirst dich jeden Abend bei mir melden, damit ich weiß, dass es dir gut geht. Deine Schulnoten werden nicht darunter leiden, dass ich nicht mehr in deiner Nähe bin und zum Schluss... Versprich mir, dass du nichts dummes anstellst.“ „Versprochen, Mama“, stimmte Haruka zu und fiel ihrer Mutter um den Hals, denn beide konnten die Tränen nicht länger zurückhalten, was allerdings auch für den Ältesten in der Gruppe galt.   Aiden gab seinen Freunden zu verstehen, dass sie ihm folgen sollten, weshalb er sie vor die Tür führte und sich dort an die Wand neben der Garage lehnte: „Das war echt unangenehm mit anzusehen, Leute.“ „Ja, ich hatte echt Angst, dass die beiden sich gleich an den Hals springen. Zum Glück ist es gut ausgegangen. Opa Tenno ist echt ne harte Nuss“, murmelte Miyuki und presste sich eine Hand aufs Herz, welches ihr gefühlt bis zum Hals schlug. Luca wirkte eher gelassen und hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt, doch bei Mirai sah das etwas anders aus, da sie leicht das Gesicht verzogen hatte: „Ganz ehrlich, es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte dieser alten Schachtel die Meinung gegeigt. Ob verbal oder mit der Faust bin ich mir noch nicht sicher.“ „Das wäre vermutlich nicht so gut gewesen, Miri-chan“, erwiderte die Grünhaarige und nahm ein paar tiefe Atemzüge, bevor sie zur Haustür schaute. Die Gedanken des Quartetts drehten sich um Haruka, die schon seit einer Viertelstunde mit ihrer Mutter und ihrem Großvater alleine da drin war, doch dann öffnete sich die Tür und die Brünette trat ins Freie. Sie entschuldigte sich dafür, dass es so lange gedauert hatte, wobei man an ihren Augen sah, dass sie viel geweint hatte. Auf Aidens Frage, ob denn alles in Ordnung sei nickte Haruka nur und deutete ins Haus: „Alles gut, war nur etwas aufwendig, Mama komplett zu überreden. Ich muss jetzt meine Sachen packen, würdet ihr mir zur Hand gehen, Nobiro, Mirai?“   Damit verschwanden die drei Mädchenim Haus und ließen Aiden und Luca alleine, die sich in der Werkstatt auf einen Reifenhaufen setzten und einen synchronen Seufzer ausstießen. Der Tag war doch aufreibender gewesen als die beiden es sich gedacht hatten, doch war alles zum Guten ausgegangen. Luca meckerte darüber, dass sie jetzt untätig hier rumsitzen mussten, doch kam es Aiden recht gelegen, da er sich so noch etwas erholen konnte. Warum konnte er nicht erklären, aber er schlug sich bereits den ganzen Tag mit heftigen Kopfschmerzen herum. Da er keine Lösung fand schob er es auf den Stress der letzten Tage, was durchaus plausibel war. Nach einer Weile ergriff der Spanier das Wort und sah zu seinem Freund: „Sag mal, glaubst du, dass diese Sache mit Tenno wieder passieren wird? Also das jemand verschwindet?“ Über die Antwort musste Aiden lange nachdenken und am liebsten hätte er die Frage verneint, doch wusste er aufgrund von Igors Worten nur zu gut, dass es noch nicht vorbei war: „Ich fürchte, dass wir es noch nicht überstanden haben und irgendwas sagt mir, dass es noch sehr viel schlimmer werden wird.“ „Wow, da wünscht man sich fast die Prüfungen zurück, was?“, gab sein Freund Antwort und lehnte sich gegen die Wand, um etwas nachzudenken.   Aiden sah sich kurz in der Werkstatt um und war erneut erstaunt, dass Haruka sich mit diesem ganzen Zeug auskannte, allerdings rang es ihm Respekt ab, dass sie zu ihren Vorlieben stand. Er selbst konnte so einen Ehrgeiz leider nicht aufweisen, da ihm viele Dinge nach kurzer Zeit langweilig wurden und er diese deshalb abbrach. Dieses Mal würde er das mit dem Kendo allerdings aufrecht halten müssen, denn er brauchte das Training, um mit den Shadows mithalten zu können. Irgendwann spürte er einen Blick auf sich, den er zuerst Luca zuordnete, doch da dieser immer noch mit geschlossenen Augen dalag, sah er sich um und entdeckte am Eingang der Werkstatt Setsuna. Der Junge warf ihm einen wütenden Blick zu, den Aiden nicht ganz verstand, denn er hatte seinem Mitschüler nie etwas getan. Um der Sache auf den Grund zu gehen stand der Braunhaarige auf und verließ das Gebäude, um den Jüngeren zur Rede zu stellen: „Hallo, Akutagawa. Gibt es einen Grund, dass du mich so wütend anschaust.“ „Ich wette, sie hat mich deinetwegen versetzt“, knurrte der Weiß-blauhaarige und gab dem Älteren keine Möglichkeit eine Antwort zu geben, da er auf dem Absatz kehrt machte und davonlief.   Etwas irritiert sah Aiden dem Schüler nach, als erst Luca aus der Werkstatt und dann die Mädchen mit zwei gepackten Koffern aus dem Haus kamen. Miyuki verkündete noch einmal, dass sie fertig wären, doch galt Harukas Blick dem weglaufenden Setsuna, der sie besorgt dreinschauen ließ: „Er muss echt sauer sein, weil ich unseren Spaziergang abgesagt habe. Morgen nach der Schule werde ich das Ganze mit ihm klären, es war ja nicht böse gemeint. Ich hoffe, er hat dich nicht irgendwie beleidigt, Kurosaki-kun.“ „Nein, er meinte nur, dass du ihn meinetwegen versetzt hast. In gewissen Punkt hat er da nicht Unrecht“, gab der Braunhaarige zurück und legte den Kopf schief, woraufhin seine neue Mitbewohnerin mit dem Kopf schüttelte: „Dich trifft keine Schuld, Kurosaki-kun. Das ist meine Entscheidung, also muss ich das klären. Hoffentlich stellt er nicht wieder auf stur.“ Noch einmal warf die Brünette einen Blick auf das Haus, bevor sie sich zum Gehen wandte: „Irgendwie ein komisches Gefühl.“ „Du kannst ja jederzeit wieder herkommen. Jetzt lasst uns gehen, sonst schlagen wir hier noch Wurzeln“, warf nun Mirai in die Runde, was die anderen nur mit einem Nicken kommentierten und sich auf den Weg zum Bahnhof machten.   Während der Fahrt wurden sie skeptisch von den Leuten gemustert, denn die zwei Koffer hatten leider eine grellpinke Farbe, die laut Haruka von ihrer Mutter ausgesucht worden waren. Um die Farbe nicht die ganze Zeit im Auge zu haben, wurden die Koffer während der Fahrt unter die Sitze geschoben, jedoch half das nicht lange. Nach dem Aussteigen führten Aiden und Luca die Gruppe bis zum Wohnheim, wo sie von einer missgelaunten Kiara begrüßt wurden, die es wohl nicht lustig fand, wieder von Aiden vernachlässigt zu werden. Während Aiden sich mit seiner Katze in die Küche begab, deutete Miyuki auf das Schlüsselbrett hinter dem Tresen: „So, du darfst dir ein Zimmer aussuchen. Sind noch drei übrig.“ „Drei? Ich sehe aber sieben Schlüssel“, gab die Brünette zurück, doch wurde sie sofort von Miyuki gebremst: „Ja schon, aber die vier in der unteren Reihe sind für den zweiten Stock und da wohnen die männlichen Schüler. Im dritten Stock wohnen die Mädchen, also du, Mirai und ich. Aber da fällt mir leider was ein...“ Auf die Frage, was es denn wäre, führte Miyuki die Gruppe nur in den dritten Stock, wo sich Haruka für ein Zimmer entschied und die Tür aufschloss. Beim Betreten des Raumes merkten alle, was Miyuki gemeint hatte, denn die dicke Staubschicht und die Spinnen in den Ecken würden erst einmal eine gründliche Putzaktion notwendig machen.   Um die Aktion so wenig aufwendig wie möglich zu machen halfen alle mit, wobei es Lucas und Aidens Aufgabe war, sich um das Krabbelzeugs im Zimmer zu kümmern. Miyuki ergriff, wie bereits in Mirais Zimmer regelmäßig aus Ekel die Flucht, was die Silberhaarige irgendwann dazu veranlasste, ihrer Freundin eins mit dem Fensterleder überzuziehen. Irgendwie schafften sie es zu fünft dann endlich, den Raum bewohnbar zu machen, weshalb sie erschöpft und verschwitzt zu Boden sanken. „Mal ne frage, würdet ihr das auch für mich machen, wenn ich herziehen würde?“, warf Luca in den Raum, was ihm von allen ein langgezogenes „Äh“ einbrachte und beleidigt die Wangen aufblähen ließ: „Na besten dank auch!“ „Vielleicht, aber nicht alles an einem Tag, Luca“, tröstete Aiden seinen Freund und lehnte sich müde zurück, während Miyuki nachdenklich an die Decke schaute: „Es wäre vielleicht wirklich besser, wenn Silva-kun herziehen würde. Zum einen müsste er dann nicht immer seine Mutter anlügen, wenn er spät abends wegmüsste und zum anderen sieht es bestimmt sehr seltsam aus, wenn Aiden-kun mit drei Mädchen alleine hier wohnt.“ „Aidens Mama hat ja schon ihre Gedanken dazu“, stichelte Mirai gegen ihren Bekannten, der nur sarkastisch auflachte und sich dann erhob: „Wenn es euch nichts ausmacht werde ich mir eine Dusche genehmigen.“ „Gute Idee, es ist schon spät und ich sollte nach Hause. Vielleicht denke ich wirklich darüber nach, zu euch zu ziehen, aber erst mal abwarten. Adios, Amigos!“, rief Luca und winkte etwas übertrieben theatralisch, bevor er mit Aiden das Zimmer verließ und die drei Damen alleine ließ.   Miyuki erhob sich nun ebenfalls und streckte sich erst einmal ausgiebig, bevor sie sich gähnend am Rücken kratzte: „Eine Dusche klingt echt super. Soll ich dir zeigen, wo alles ist, Tenno-san?“ „Das wäre echt lieb, aber hör mal, du musst mich nicht Tenno-san nennen. Wir sind immerhin gleich alt. Sag einfach Haruka“, gab die Brünette zurück, was die Grünhaarige freudig nicken ließ, während Mirai etwas von „Hätte ich sowieso getan“ murmelte. Bevor sie den Raum verließen ergriff der Neuankömmling allerdings noch einmal das Wort: „Darf ich euch beide noch etwas... naja, persönliches Fragen?“ Für einen Moment sahen sich Mirai und Miyuki verwundert an, doch dann nickten sie Haruka zustimmend zu, was die Brünette leicht rot werden ließ: „Also, es ist so... Hat einer von euch beiden etwas mit Kurosaki-kun am Laufen?“ Man sah ihr an, dass ihr diese Frage extrem unangenehm war, doch brachen die beiden Gefragten kurz darauf in schallendes Gelächter aus. Während Miyuki um Atem rang, fing sich Mirai deutlich schneller: „Was? Aiden? Mit einem von uns? Der war echt gut, Haruka.“ „Wir sind nur Freunde, also mach dir keine Sorgen, du hast freie Bahn“, grinste nun die Grünhaarige, die euphorisch die Fäuste ballte und die Brünette anfeuerte, deren Kopf nun einer Tomate glich: „Ihr beiden müsst nicht so viel in meine Frage hineininterpretieren!“ „Ja, ist klar!“, erwiderten die anderen beiden und verließen lachend das Zimmer, während Haruka mit fast schon rauchendem Kopf hinter ihnen herlief: „Ehrlich! Kommt nicht auf falsche Gedanken! Und hört auf zu lachen!“ Kapitel 23: XXIII - Der Alptraum ist nicht vorbei ------------------------------------------------- ~~~Montag 23. Mai 2016~~~ In der Küche des Wohnheims war Aiden bereits fleißig dabei, die Bentos für sich und seine Mitbewohnerinnen vorzubereiten, wobei er vor einem kleinen Problem stand: Er wusste nicht, was Haruka gerne aß. Miyuki hatte ihm eine kleine Liste mit Dingen, die sie gerne aß, gegeben, doch bei der Brünetten konnte er jetzt nur raten. Er dachte einen Moment lang nach, doch dann schüttelte er den Kopf und schob die leere Box beiseite. Jetzt auf gut Glück etwas in die Box zu packen würde nichts bringen, am Ende hatte Haruka noch irgendeine Allergie, die er unabsichtlicher Weise auslösen würde und das wollte er nicht verantworten. Er griff wieder nach Miyukis Bentobox und begann, sie mit Fisch und Rührei zu füllen, als die Tür aufging und Mirai eintrat, die ihm einen schelmischen Blick zuwarf: „Oh, der Hausmann ist bei der Arbeit.“ „Du tust ja so, als wäre das was schlechtes“, gab der Braunhaarige zurück und schob das fertige Bento auf die Seite, um sich seinem eigenen Mittagessen zu widmen, während seine Freundin sich am Reis bediente: „Ist es nicht, ich bin ehrlich gesagt beeindruckt, wie locker du das alles regelst.“ „Locker? Glaub mir, Mirai, es ist alles, aber nicht einfach. Manchmal ist es ehrlich gesagt ziemlich stressig“, gab der junge Mann zurück und lehnte sich gegen die Arbeitsplatte, was ihm einen fragenden Blick einbrachte: „Warum machst du es dann, wenn es so viel Arbeit ist?“ „Hm... Gute Frage. Es ist zwar anstrengend, aber ich bin es mittlerweile gewohnt und der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier“, lachte Aiden und verschränkte die Arme vor der Brust, während seine Mitbewohnerin ihn nur skeptisch ansah und als komischen Kauz betitelte.   Die beiden sahen sich eine Weile an, bis die Tür erneut aufging und Miyuki und Haruka eintraten. Die Brünette wirkte etwas verkrampft, doch die Grünhaarige hob nur grinsend ihre Bento-Box hoch und wandte sich an den Koch des Hauses: „Danke Aiden-kun. Lachs mit Rührei?“ „Klar, ich weiß doch, was dir schmeckt“, gab der junge Mann grinsend zurück, was seine Freundin freudig hüpfen ließ: „Lecker, lecker! Da freut man sich doch aufs Essen. Haruka-chan, du musst Aiden-kun unbedingt sagen, was du gerne isst. Er macht echt tolle Bentos!“ „Jetzt lass mal die Kirche im Dorf, Miyuki“, murmelte Aiden peinlich berührt und kratzte sich an der Nase, während Haruka ihn überrascht ansah: „Du kannst kochen? Das ist ja toll, ich kenne nicht viele Männer, die im Haushalt helfen. Mein Papa, mein Opa und auch Sakura’s Papa sind... reden wir nicht darüber, lass sie einfach nicht in die Nähe der Küche. Aber du musst mir kein Frühstück vorbereiten, ich will keine Umstände machen.“ „Das eine Bento macht den Braten jetzt auch nicht mehr fett. Ich meine, wenn ich eh schon dabei bin, kann ich deins auch machen, du musst mir nur verraten was du gerne isst und ob du was nicht verträgst“, stellte der Braunhaarige klar und streckte sich einmal, bevor er sich sein eigenes Frühstück genehmigte.   Die vier aßen gemütlich zusammen, bevor Miyuki etwas betrübt den Kopf hängen ließ und leise seufzte: „Heute kriegen wir die Prüfungsergebnisse mitgeteilt.“ „Was? So schnell?“, wunderte sich Aiden und sah seine Mitschülerinnen an, von denen Haruka zustimmend nickte: „Ja, das geht immer sehr schnell. War das bei dir früher nicht so?“ „Ehrlich gesagt nicht, wir hatten immer eine Woche dazwischen Zeit, aber da werde ich mich wohl umstellen müssen. Ganz zu schweigen von den Sechs-Tage-Prüfungen“, brummte der Braunhaarige und sah verstimmt zur Seite, wo Kiara genüsslich ihr Essen vertilgte und ihn dann mit schief gelegtem Kopf ansah. „Naja, du wirst das schon hinkriegen, aber ich glaube, wir sollten so langsam mal los. Ich will vor der Schule noch was klären“, erklärte Haruka und packte ihre Bento-Box, bevor sie aus der Küche lief, um ihre Schultasche zu holen. Aiden und Miyuki folgten ihrem Beispiel und stiegen die Treppen hinauf, um ihre Schultaschen zu holen, mit denen sie sich anschließend auf den Weg zum Bahnhof machten.   Die Fahrt zur Schule gestaltete sich gesprächiger als Aiden es sich gedacht hatte. Am Bahnhof war die Gruppe in Sakura reingelaufen, die sich darüber gewundert hatte, ihrer besten Freundin an diesem Bahnhof zu treffen. Die Brünette hatte ihrer Freundin die Situation kurz geschildert und sofort hatte sich die Rosahaarige hellauf begeistert gezeigt, denn jetzt wohnten sie viel näher aneinander. Aiden und Luca konnten nicht anders, als die beiden Mädchen mit sich selbst zu vergleichen, jedoch brachte das dem Spanier einen Tritt in die Hacken ein, denn die Rosahaarige mochte es gar nicht, mit ihm verglichen zu werden. Miyuki fühlte sich von den beiden Paaren irgendwie ausgegrenzt, doch nahm Haruka sie einfach zu sich und Sakura, wodurch sie den Weg zur Schule auch einen Gesprächspartner hatte.   Vor dem Schulgebäude blieb Haruka stehen und sah sich suchend um, was ihre Freunde bemerkten und neugierig machte. Aiden hatte bereits so eine Ahnung, wonach seine Kollegin suchen könnte, weshalb er nachfragte: „Kann es sein, dass du nach Akutagawa suchst?“ „Ja, normalerweise kommt er vor der Schule immer her und…“, setzte die Brünette an und wurde von ihrer besten Freundin unterbrochen: „Und rennt dich über den Haufen. Ganz ehrlich, ich habe kein Problem damit, dass ich den kleinen Quälgeist heute nicht sehen muss. Der bringt mich echt auf die Palme!“ Miyuki machte zur Sicherheit einen Schritt zur Seite, doch Luca legte es wirklich drauf an, Sakura sauer zu machen: „Ach was, du bist die hübscheste Tante, die er jemals treffen wird, Nozaki-chan.“ Den Satz sollte er sofort bereuen, denn die Rosahaarige ließ eine Schimpftirade auf den Braunhaarigen einprasseln, dass sie nicht einmal ansatzweise alt genug wäre, um als Tante bezeichnet zu werden.   Luca ging dann doch in die Defensive und versteckte sich hinter Aiden, der nun zwischen seinem Freund und der Rosahaarigen stand und als menschlicher Schild fungierte. Ehe er sich versah, wurden er und Luca allerdings von einer Schar Schülerinnen einfach umgerannt und beiseite gestoßen, damit diese sich auf dem Hof vor dem Tor versammeln konnten. Stöhnend und Ächzend lagen die beiden Oberschüler am Boden, während die Mädchenschar wild durcheinander kreischte: „Samejima-senpai!“ „Oh mein Gott, er sieht heute noch viel besser aus!“ „Weg da, ich hab ihn zuerst gesehen!“ Haruka half Aiden wieder auf die Füße und sah ihn dabei besorgt an, während dieser irritiert zu der Menschentraube schaute: „Geht es dir gut, Kurosaki-kun?“ „Ja, alles gut soweit. Was zum Teufel war das denn?“, gab der Braunhaarige zurück und rieb sich den Rücken, während Miyuki nur mit den Achseln zuckte: „Scheint so, als wäre Katzumis Fanclub mal wieder unterwegs.“ „Ich kapier nicht, was an dem Kerl so toll sein soll“, brummte Luca verärgert und stemmte sich ebenfalls auf die Beine, wobei sein Blick auf dem rotbraunhaarigen Jungen lag, der sich völlig desinteressiert durch die Menschenmenge bewegte.   Die fünf Schüler betrachteten das Schauspiel noch einen Moment, bevor Aiden leise seufzte: „Er scheint echt beliebt zu sein.“ „Das ist noch untertrieben. Samejima-kun ist einer der beliebtesten Jungs der ganzen Schule und noch dazu ist er der stellvertretende Präsident des Student Council. Was will man mehr?“, gab Sakura zurück und neigte den Kopf, was Luca schnippisch Antwort geben ließ: „Ich könnte auch so beliebt sein, wenn ich wollte.“ „Nein, könntest du nicht“, erwiderten Haruka und Sakura trocken und brachten den Spanier zum Seufzen, während Aiden sich weiter den Rücken rieb: „Naja, wenigstens weiß ich jetzt, wie Miyuki sich immer fühlt.“ „Sehr witzig“, brummte die Grünhaarige und sah Katzumi nach, der mittlerweile in der Schule verschwunden war und sich wohl innerlich etwas Ruhe wünschte, die ihm leider verwehrt bleiben würde.   Luca verschränkte die Hände hinter dem Kopf und sah von Miyuki zur Schule und dann wieder zurück: „Ich hege tiefen Respekt für dich, Nobiro, dass du nicht auch so am rumkreischen bist wie die anderen Mädchen.“ Auf die Aussage machte die Grünhaarige erst einmal große Augen, denn damit hatte sie nicht gerechnet, weshalb sie leicht verlegen zur Seite schaute: „Warum sollte ich auch so irre rumkreischen? Gibt doch keinen Grund dazu.“ „Vermutlich deshalb, weil du Samejima ganz offenbar schon eine Weile kennst“, gab Aiden nun seine Vermutung dazu preis, was die Künstlerin mit den Achseln zucken und den Kopf schütteln ließ: „Das ist ja genau der Grund. Ich kenne Katzu schon seit der Grundschule und deshalb bin ich gegen seinen Charme wohl immun. Außerdem bin ich ein Otaku, ich kreische nicht, ich fangirle!“ „Wo ist der Unterschied?“, kam die Frage der anderen beiden Mädchen, was die Grünhaarige zum Stottern brachte: „Also… Naja… Das ist so… Es ist was anderes, also akzeptiert es einfach. Ich bin ein Fangirl und wenn ich übertreibe, dann höchstens bei Fantasien mit meinen Husbandos. Das habe ich jetzt nicht laut gesagt, oder?“ Sie sah ihre vier Freunde mit knallrotem Kopf an, denn sie wurde von vier Seiten breit angegrinst, weshalb sie schnell die Flucht ergriff: „Oh, ich glaube, ich habe die Schulglocke gehört, wir sollten uns beeilen. Ich geh schon mal vor!“   Lachend sah das verbleibende Quartett der Grünhaarigen nach, bevor Aiden sich auch langsam in Bewegung setzte: „Sie ist schon eine Nummer für sich, meinst du nicht?“ „Schon und man kann sagen, was man will, aber Nobiro ist echt niedlich“, stimmte Luca seinem Freund zu und zu viert rannten sie in die Schule, als nun wirklich die Schulglocke erklang und den Unterricht startete. Beim Reinlaufen drehte sich Haruka noch einmal suchend um, denn sie hatte Setsuna nirgendwo gesehen, obwohl er normalerweise immer um diese Zeit zur Schule kam. Sie hatte ein schlechtes Gefühl, aber vielleicht dachte sie auch zu viel darüber nach und war einfach nur müde von den letzten Tagen. Als Sakura noch einmal nach ihr rief rannte sie schnell ins Gebäude, da sie keine Standpauke von ihrem Klassenlehrer haben wollte.   Die ersten Stunden des Tages vergingen relativ schnell wie Aiden empfand, allerdings kam ihm das sogar sehr gelegen, denn so kam er gefühlt schneller wieder nach Hause. Was ihn aber ein wenig störte waren die komischen Blicke, die Miyuki ihm die ganze Zeit zuwarf, fast so als ob sie sich verfolgt fühlen würde. Als es zur Pause klingelte wandte sich der Braunhaarige endlich an seine Mitbewohnerin und zog eine Augenbraue nach oben: „Warum guckst du die ganze Zeit so, Miyuki?“ „Du hältst mich bestimmt für komisch, oder? Nachdem, was ich eben gesagt habe“, brummte die Grünhaarige und sah auf die Tischplatte, was Aiden etwas irritierte: „Warum glaubst du das? Du solltest mittlerweile wissen, dass ich keine Probleme mit deinen Hobbys habe. Außerdem müsstest du mir schon erklären, was ein Husbando ist.“ „Oh, na dann. Das machen wir irgendwann anders. Heute habe ich keinen Nerv dafür, schließlich könnte es jederzeit...“, murmelte die Schülerin und wurde unterbrochen, als die Tür zur Klasse aufgezogen wurde und einer ihrer Mitschüler hereingestürmt kam: „Hey, Leute, die Ergebnisse hängen aus!“ Auf den Ausruf sprangen einige der Schüler sofort auf und rannten aus der Klasse, während andere sich eher langsam erhoben, als ob sie gar nicht wirklich wissen wollten, wie sie abgeschnitten hatten. Aiden und Miyuki gehörten definitiv zu letzterer Gruppe, allerdings kamen sie nicht drum herum.   Langsam traten die beiden an das schwarze Brett, an dem die Ergebnisse ausgehangen wurden, heran, doch war dort eine derartige Menschentraube, dass ein Durchkommen unmöglich war. Nach einer Weile kamen auch Luca, Sakura und Haruka dazu, welche auf die sich vordrängelnden Schüler schauten und nur mit dem Kopf schüttelten. Miyuki stellte sich immer wieder auf die Zehenspitzen, doch war sie zu klein, um etwas sehen zu können, weshalb sie achselzuckend zu ihren Freunden zurückkehrte: „Das wird nichts. Sieht aus, als müssten wir einfach warten.“ „So lange dauert unsere Pause nicht und ich will noch was essen“, brummte Luca und drückte sich zwischen einigen Schülern durch, um an das Brett zu kommen. Aiden und die anderen schüttelten nur die Köpfe, als zwei Schüler vom Brett weg an ihnen vorbeigingen: „Hast du gesehen? Samejima und Akutagawa sind mal wieder ganz oben.“ „Was erwartest du denn? Sind doch beides voll die Streber.“ Neugierig hob der Braunhaarige eine Augenbraue und sah dann zu den Damen, mit denen er herumstand: „Samejima und Akutagawa sind anscheinend ziemlich intelligent.“ „Kann man so sagen. Katzu lernt jeden Tag wie ein Tier und ist immer ganz oben dabei, meistens mit 100 Punkten. Hätte ich auch mal gerne“, lachte Miyuki verlegen auf und kratzet sich and er Nase, als Haruka etwas hinzufügte: „Man sieht es Setsuna-kun zwar nicht an, aber er ist wirklich sehr schlau. Er will es nur nie zeigen. Kann mich an keine Prüfung erinnern, in der er keine volle Punktzahl hatte. Ich habe ihn aber heute immer noch nicht gesehen.“   Die vier sahen sich etwas besorgt an, als Luca aus dem Knäul zurückkehrte und nach Atem rang: „Ich weiß nicht, wie ich das überlebt habe und ich weiß auch nicht, wie ich die 51 Punkte geschafft habe um zu bestehen, aber ich bin happy.“ „Glückwunsch, Silva-kun“, applaudierte die Grünhaarige und sah zum Brett, wo sich die Menschenmenge deutlich gelichtet hatte, weshalb nun auch die anderen nach ihrer Note schauten. Aiden hatte es zu seinem großen Erstaunen geschafft satte 63 Punkte zu erzielen, auch wenn er gefühlt nichts gewusst hatte. Miyuki hatte ihn mit 71 ein gutes Stück übertrumpft, während Haruka mit 56 auch eher im unteren Teil war, doch konnte man es ihr durch ihre zweiwöchige Abwesenheit nicht anprangern. Sakura hatte von ihnen das beste Ergebnis, denn sie hatte ganze 83 Punkte erzielt und stieß deshalb freudig die Faust in die Luft, um ihre Note zu feiern. Haruka drückte ihre Freundin für den Erfolg, während Aiden es sich nicht nehmen ließ, sich die Noten von Katzumi und Setsuna anzuschauen, die beide tatsächlich perfekte 100 Punkte aufweisen konnten.   Nach der Bekanntgabe der Noten ging der Unterricht für die Schüler wie gewohnt weiter, wobei die Lehrer es sich nicht nehmen ließen, noch einmal genau auf die Punkte einzugehen, die in der Prüfung am öftesten falsch gemacht worden waren. Aiden nahm das Ganze extrem ernst, denn auch wenn es wieder zu einem Vorfall wie bei Haruka kommen sollte, wollte er die nächste Prüfung deutlich besser schaffen als die jetzige. Erstaunlicherweise ging der Tag dadurch, dass er sich mal wirklich intensiv auf alles konzentrierte viel schneller vorbei, als er erwartet hatte, doch freute es ihn aus einem anderen Grund: Der Kendo-Club. Schnell packte er seine Sachen zusammen und machte sich auf den Weg zur Sporthalle, wobei Miyuki ihn ein Stück begleitete und dann in Richtung des Schießplatzes davonlief. Er selbst lief zum Kendo-Club, wo er sich schnell umzog und sich dann zu seinen Kameraden gesellte, die bereits von Masao die gewohnte Einweisung erhielten: „So, jetzt da wir alle da sind, das nächste Mal etwas schneller, Kurosaki, können wir ja wieder mit dem Training beginnen. Ich hoffe doch mal, dass ihr alle eure Energie nicht zu sehr in die Prüfung gesteckt, denn ich erwarte volle Leistung von euch!“   Die Kendoka stießen die Fäuste in die Luft, um ihrem Kapitän zu zeigen, dass sie mit vollem Eifer dabei waren und sofort machten sich alle ans Training. Aiden ging dabei wie üblich mit Sakura zusammen, die durch ihre guten Noten so dermaßen in Fahrt war, dass sie ihrem Kollegen im wahrsten Sinne des Wortes den Hintern versohlte. Die ganze Trainingseinheit über blieb Aiden komplett chancenlos, was ihm ein wenig auf die Laune drückte, doch die aufmunternden Worte seiner Freundin halfen ihm wieder hoch. Auch wenn Sakura das im Moment nur tat, um ihn im nächsten Moment wieder auf die Bretter zu befördern. Masao beobachtete das Training mit Argusaugen, denn ihm sollte nicht der kleinste Fehler seiner Teamkollegen entgehen, wobei er da leider viel zu viel zu beanstanden hatte. Schnell huschte er zwischen den einzelnen Paaren hindurch und korrigierte hier und da die Stellung oder Haltung, damit sich keiner verletzten sollte. Am Ende der Stunde verabschiedete sich Masao von seinem Team, doch wandte er sich noch einmal an Aiden: „Kurosaki, bleibst du bitte noch einen Moment hier?“   Ein leicht mulmiges Gefühl machte sich in Aiden breit, während seine Kollegen einer nach dem anderen die Halle verließen. Sakura ließ sich Zeit und räumte noch die Ausrüstung weg, als Masao an Aiden herantrat und ihn einen Moment eindringlich musterte. Langsam wurde dem Braunhaarigen flau im Magen, als sein Senpai das Wort ergriff: „Na, die Prüfungen gut überstanden?“ „Äh, ja, soweit. Hab zwar nicht so gut abgeschnitten wie gehofft, aber der Umzug und die neue Schule haben doch mehr an meinen Nerven gezogen, als ich anfangs gedacht habe“, gab er zurück und lachte verlegen auf, was den Lilahaarigen verstehend nicken ließ: „Kann ich mir vorstellen, dass dich das schon mitgenommen hat. Es geht jetzt allerdings um was Ernstes und keine Sorge, es betrifft nicht nur dich. Ich habe das Ganze eben auch schon mit den anderen besprochen, als du noch nicht da warst.“ „Oh, okay. Ist was passiert, Senpai?“, war nun Aidens Neugier geweckt, wobei er auch nicht lange auf eine Antwort warten musste: „Es ist in der Schule leider zu einem unschönen Vorfall gekommen, bei dem anscheinend eine Schülerin in den Umkleiden der Sportteams bespannt worden ist. Hast du irgendwas davon gesehen oder gehört?“ Einen Moment lang musste Aiden überlegen, bis ihm einfiel, dass dieses Gerücht durch sein erstes Treffen mit Sakura entstanden sein könnte. Natürlich konnte er das Masao nicht erzählen, weshalb er nach weiterem Überlegen den Kopf schüttelte: „Nein, ich habe leider nichts davon gehört, aber das klingt echt furchtbar.“ „Ja, sowas wirft auf alle Schüler unserer Schule ein schlechtes Licht. Versteh mich nicht falsch, Kurosaki, ich unterstelle keinem von euch, dass er dafür verantwortlich ist. Ich will nur auf Nummer sicher gehen, dass meine Jungs unschuldig sind und ich glaube jedem einzelnen von euch. Wenn du irgendwas rausbekommen solltest, dann lass es mich wissen, okay?“ „Alles klar, Senpai, du kannst auf mich zählen“, gab der Braunhaarige zurück und verspürte ein warmes Gefühl in seiner Brust, wobei ihm ein etwas bitterer Nachgeschmack zurückblieb.   Nach dem Training zog Aiden sich schnell um und wollte nur noch das Gebäude verlassen. Die Tatsache, dass er seinen Senpai womöglich angelogen hatte, schlug ihm sehr auf den Magen. Ein Teil von ihm war besorgt darüber, aber zum anderen war er sich nicht mal sicher, ob es bei dem Gerücht wirklich um ihn und Sakura ging. Er fuhr sich kurz mit den Händen durch die Haare und stieß einen langen Seufzer aus, bevor er sich wieder auf den Weg machte. Im Foyer der Schule, wo er eigentlich zu seinem Spind wollte, entdeckte er Haruka und eine Frau mit weißblauen Haaren, die so aussah, als würde sie jeden Moment durchdrehen. Vorsichtig ging er hinter einer Säule in Deckung, damit er verstehen konnte, was die beiden Frauen miteinander redeten. „Es tut mir leid, Shiragami-san, aber ich habe ihn seit gestern Mittag nicht mehr gesehen“, erklang Harukas Stimme und an dem Namen der anderen Person erkannte Aiden, dass es sich um ihre Lehrerin für Gesundheitswesen handelte. Die Stimme seiner Lehrerin zitterte wie Espenlaub, als sie sich mit Haruka unterhielt: „Hast du ihn wirklich nirgendwo gesehen? Er ist seit gestern Morgen verschwunden, als er zu dir wollte.“ „Ja, er war auch da, aber... ich musste ihm leider absagen, weil ich noch was Wichtiges mit meiner Mutter zu klären hatte. Als ich ihm das gesagt habe, ist er wütend abgehauen. Seither habe ich ihn nicht mehr gesehen“, gab die Brünette Antwort, was die Lehrerin heftig schluchzen ließ: „Ich mache mir furchtbare Sorgen, aber wenn auch du nicht weißt wo er ist, dann... Oh Gott...“ „Bitte bleiben Sie ruhig, Shiragami-san. Er wird schon wieder auftauchen, vermutlich ist er nur wieder eingeschnappt und hält es für klug, sich irgendwo zu verstecken. Gehen Sie nach Hause und versuchen Sie sich zu beruhigen. Er taucht bestimmt wieder auf, wenn er Hunger bekommt.“   „Ich hoffe, du hast Recht, Haruka-chan“, gab die Frau zurück und schniefte einmal, bevor sie sich mit leiser werdenden Schritten entfernte. Aiden lugte hinter seinem Versteck hervor und warf einen Blick auf Haruka, die aussah, als würde sie sich jeden Moment übergeben, weshalb er vorsichtig auf sie zuschritt: „Tenno, was ist denn los?“ Die Brünette sah ihn einen Moment verblüfft an, denn offenbar hatte sie nicht damit gerechnet, Aiden zu treffen, als es aus ihr herausplatzte: „Es geht um Setsuna-kun. Er scheint seit gestern verschwunden zu sein. Er war nicht zu Hause und seit er von mir weggelaufen ist, hat ihn niemand mehr gesehen. Kurosaki-kun, er... er wird doch nicht...“ Sie kämpfte mit den Tränen und presste sich die Hände auf den Mund, denn Aiden wusste ganz genau, was ihre Befürchtung war. So sehr er es auch nicht wahrhaben wollte, es war sehr gut möglich, dass es Setsuna in die Schattenwelt verschlagen hatte und damit war es für die Persona-User wieder an der Zeit in Aktion zu treten. Kapitel 24: XXIV - Vom Jäger zum Gejagten ----------------------------------------- ~~~Dienstag 24. Mai 2016~~~   Es hatte gerade zur Pause geklingelt, als sich Aiden mit Miyuki, Luca und Haruka auf dem Dach der Schule einfand. Der Spanier sah etwas erstaunt in die Runde, denn er wusste noch gar nicht, worum es hier gehen sollte, weshalb er erst einmal eingeweiht werden musste. Haruka übernahm die Sache und berichtete ihren Freunden, dass Setsuna anscheinend seit Sonntag nicht mehr zu Hause gewesen war. Natürlich sah man ihr die Sorge an, da sie sich selbst die Schuld für sein Verschwinden gab. Schließlich war sie es gewesen, die ihm erst etwas versprochen und dieses Versprechen dann gebrochen hatte. Miyuki stützte das Kinn auf den Handflächen ab und machte ein nachdenkliches Geräusch, während sie die Unterlippe etwas vorschob: „Es besteht also durchaus die Möglichkeit, dass es Akutagawa-kun dorthin verschlagen hat.“ „Wenn das wirklich so ist, dann dürfen wir keine Zeit verlieren und müssen uns auf die Suche nach ihm machen!“, rief Luca aus und sprang auf, wobei er enthusiastisch die Faust in die Luft stieß. Haruka hatte die Hände im Schoß gefaltet und kaute auf ihrer Unterlippe herum: „Wenn er wirklich dort drüben ist... dann wird er doch okay sein, oder? Er wird doch nicht von irgendwelchen Monstern angefallen werden?“ „Ich hoffe nicht“, murmelte Miyuki, was Aiden leise Seufzen ließ: „Macht euch keine Sorgen. Wir wissen noch nicht einmal, ob es ihn wirklich nach dort drüben verschlagen hat. Wir werden es erst mit Sicherheit wissen, wenn wir nachgesehen haben, danach können wir immer noch entscheiden, wie wir weiter machen.“   Die Gruppe nickte zustimmend und machte sich anschließend über ihr Essen her, wobei Luca noch etwas einfiel, was er gerne ansprechen wollte: „Sagt mal, woher weiß eigentlich einer unserer Lehrer so genau, dass der Knirps verschwunden ist? Das ist doch ziemlich verdächtig, oder?“ „Jetzt wo du es sagst... Kann es sein, dass unsere Lehrerin mit den Shadows unter einem Hut steckt?“, ging Miyuki erschrocken auf die Frage ihres Kollegen ein, doch wurden sie sofort von der Brünetten gebremst: „Jetzt kommt mal wieder runter, ihr beiden. Edogawa-sensei weiß so genau, dass Setsuna weg ist, weil sie seine Mutter ist.“ „Warte, der Knirps ist das Kind unserer Lehrerin? Uff, das ist echt hart“, murmelte der Braunhaarige und sah dann zu Aiden, der sich erhob und seine Bentobox schloss: „Darüber können wir uns später Gedanken machen. Lasst es heute den Tag über locker angehen und heuet Abend gehen wir rüber. Vielleicht hat Zen ja was bemerkt.“ Die Gruppe nickte und machte sich auf den Weg zurück zu ihren Klassenräumen, während Haruka noch leise vor sich hinmurmelte: „Setsuna... Ich hoffe, dir geht es gut.“   Auch wenn alle es noch so sehr versuchten, sie konnten sich nicht richtig auf den heutigen Unterricht konzentrieren. Aiden schaffte es auch nur ganz knapp einer weiteren Standpauke seiner Klassenlehrerin zu entgehen, weil Miyuki ihm zeigte, wo sie waren. Irgendwie schafften sie es, den Tag hinter sich zu bringen und räumten anschließend ihre Sachen zusammen. Aiden streckte sich einen Moment, als Miyuki ihn von der Seite ansprach: „Sag mal, Aiden-kun, hast du vielleicht ein bisschen Zeit?“ „Zeit? Wofür denn?“, wunderte sich der Braunhaarige, was seine Bekannte leicht die Finger gegeneinander tippen ließ: „Ich wollte mir noch was besorgen gehen und wollte fragen, ob du nicht Lust hast mitzukommen.“ „Hm, klar, warum nicht. Wir müssen eh die Zeit bis heute Abend totschlagen, da kann ich mich auch mit dir über Husbandos unterhalten“, lachte Aiden auf und schulterte seine Tasche, während die Grünhaarige verstimmt das Gesicht verzog: „Du lässt es einfach nicht sein, oder? Fein, komm mit, du wirst dein blaues Wunder erleben!“ Sie stolzierte aus der Klasse und bereitete damit ihrem Mitbewohner leichte Sorgen: „Ich fürchte, ich habe eine Grenze überschritten. Das werde ich noch bereuen.“   Die beiden machten sich auf den Weg zum Bahnhof und fuhren nach Iwatodai, wo Miyuki ihn in eine kleine Einkaufsmeile führte: „Komm, ich will dir was Besonderes zeigen.“ „Du willst mich aber nicht in einer dunklen Seitengasse erschlagen und liegen lassen, oder?“, hakte der Braunhaarige nervös nach, doch lachte seine Freundin nur auf: „Ach quatsch, ich will dir den Laden hier zeigen.“ „Laden? »Otaku Paradise«?“, las er den Namen des Geschäfts und beobachtete, wie die Augen von Miyuki förmlich zu leuchten begannen: „Die Paulownia Mall ist nicht schlecht, aber wenn es um Manga und Anime geht, ziehe ich den Laden hier vor.“ „Hat das einen bestimmten Grund?“, erkundigte sich der Braunhaarige und betrat mit Miyuki den Laden, der mit Regalen voller Figuren, Büchern und Filmen zugestellt war, wobei die Grünhaarige ihm wahrheitsgemäß antwortete: „Ich mag die Atmosphäre hier. Hier wird keiner komisch angeschaut, wenn er was kauft, was nicht der Norm entspricht.“   Aiden ließ den Blick schweifen und fand auch mehrere kleine Sitzgruppen im hinteren Bereich, wo Leute zusammensaßen und einfach nur lasen. Es wunderte ihn extrem, dass es solche Orte noch gab, aber irgendwie konnte er Miyuki verstehen. Der Ort hatte eine ganz besondere Ausstrahlung, die man nicht überall fand. „So, du wolltest wissen, was ein Husbando ist, nicht wahr?“, riss die Grünhaarige ihn aus seinen Gedanken, weshalb er schnell nickte: „Ja, es schien dir vor uns irgendwie peinlich zu sein, aber ich kann mit dem Begriff nichts anfangen.“ „Naja, ich habe halt Angst, dass ihr mich auslacht, verstehst du? Ich bin es leider gewohnt, aber zum Thema. Sagt dir vielleicht der Begriff »Waifu« etwas?“, nahm die Oberschülerin das Thema wieder auf und sah zu, wie ihr Kollege einen Moment überlegte und dann sogar nickte: „Tatsächlich ja. Ich glaube, dass meine alten Klassenkameraden sich mal darüber unterhalten haben, dass eine Videospielfigur Waifu-Material wäre. Weil ich damals aber keinen Kontakt zu meinen Kollegen hatte, habe ich auch nicht nachgefragt.“ „Ah, verstehe. Nun, die Begriffe sind eigentlich fast gleich, jedoch beschreibt das eine einen weiblichen und das andere einen männlichen Charakter. Im Grunde genommen beschreibt dieser Begriff eine besonders starke Fanliebe zu einer fiktionalen Figur, die von einfach starker Bewunderung bis hin zu... Naja, dem Wunsch nach einer Beziehung oder noch extremeren Dingen geht. Alles rein in der Fantasie versteht sich! Die Begriffe ähneln sehr stark den englischen Wörtern »Wife« und »Husband« was Ehefrau beziehungsweise Ehemann bedeutet“, erklärte Miyuki mit erhobenem Zeigefinger und hatte Aiden in der Zwischenzeit auf einen Stuhl im Laden bugsiert, damit er ihr zuhören konnte.   „Aha“, war das Einzige, was Aiden nach einer Weile hervorbrachte, denn er musste diese Info über Miyuki erst einmal verarbeiten: „Also, es geht im Prinzip darum, dass du dir wünschst, mit einer erfundenen und fiktiven Figur eine romantische Beziehung einzugehen? Daten, heiraten und sowas?“ „Im höheren Grade ja. Du wirst erstaunt sein, aber es haben schon Leute wirklich ihre Waifu geheiratet und sich das sogar eintragen lassen. Verstehst du jetzt, warum mir das Thema vor euch ein wenig unangenehm ist?“, fuhr die Grünhaarige fort und setzte sich ihrem Freund gegenüber, der verstehend nickte und versuchte, die Gefühle seines Gegenübers richtig zu verstehen. Er hatte sich nie wirklich damit auseinandergesetzt, aber er hatte auch schon mitbekommen, dass solche Schüler des Öfteren das Ziel von Spott und Mobbing waren, daher war Miyuki’s Angst durchaus berechtigt, aber er wollte ihr kein ungutes Gefühl geben. „Und du hast also solche Husbandos. Du hast die Mehrzahl benutzt, also... Wie viele hast du?“, wollte der Braunhaarige wissen und sah seine Freundin skeptisch an, wobei sie verlegen zur Seite schaute und leise murmelte: „N-nur ein Paar. Vier oder fünf?“ „Die genaue Anzahl bitte, Miyuki“, forderte der Braunhaarige, was ihm leise gemurmeltes „13“ einbrachte. Auf die Antwort entglitten Aiden kurz die Gesichtszüge, doch fing er sich wieder und fuhr sich durch die Haare: „13? Ernsthaft? Das grenzt ja fast schon an Polygamie. Aber du musst es selbst zugeben, ist es nicht seltsam, sich eine Beziehung mit so vielen unterschiedlichen und vor allem nicht existenten Personen vorzustellen?“ Zur großen Verwunderung war es nicht Miyuki, die ihm antwortete, sondern gefühlt jeder andere Kunde in dem Laden, die sich zu ihnen umdrehten: „Nein, ist es nicht!“   Erschrocken zuckte Aiden zusammen und hob dann beschwichtigend die Hände, um keinen Streit anzufangen: „Okay, verstanden. Sorry, ich bin noch neu in dem Gebiet, tut mir leid.“ Irgendwie fühlte er sich gerade völlig fehl am Platze, weshalb er sich in seinem Stuhl klein machte und es nicht wagte, einen weiteren Ton von sich zu geben. Miyuki selbst schien sich prächtig zu amüsieren, denn sie kicherte vergnügt vor sich hin: „Tja, hier bin ich in der Überzahl. Natürlich muss es für Leute wie dich, die sich nicht für Anime und Manga interessieren, extrem seltsam wirken, aber... das ist das, was uns glücklich macht.“ „Ich verstehe. Du hast mich hierhergebracht, damit ich auch mal deine Welt sehe, oder?“, schoss Aiden ins Blaue, schien aber getroffen zu haben, denn seine Freundin nickte zustimmend: „Ja, das stimmt. Weißt du, neben Katzu bist du einer meiner wenigen Freunde und... Also...“ „Man sollte wenigstens versuchen, seinen Horizont zu erweitern und die Interessen seiner Freunde zu verstehen. Ich habe das die letzten Jahre penetrant vermieden und habe mich damit zum Außenseiter gemacht. Ist nicht ganz dasselbe, aber wir hatten es beide nicht leicht in der Schule.“   Eine Weile saßen die beiden da und lauschten den begeisterten Manga-Lesern, bis Miyuki die Fäuste ballte: „Okay, Karten auf den Tisch! Hast du wirklich noch nie eine Waifu gehabt?“ „Könnte es jetzt nicht beschwören, bis vorhin kannte ich den Begriff ja noch nicht mal“, wehrte Aiden ab und faltete die Hände in seinem Schoß, doch war Miyuki nicht gewillt, ihn vom Haken zu lassen: „Du kannst eine haben, ohne es zu wissen! Sei ehrlich, hast du jemals einen Film gesehen, ein Buch gelesen oder ein Videospiel gespielt, wo du dir gedacht hast »Man, warum ist die nicht echt«? Na?“ Nun musste Aiden wirklich angestrengt nachdenken, doch zu Miyukis Überraschung nickte er zögerlich: „Ich glaube, da war wirklich was.“ „Wirklich? Erzähl! Vielleicht kenne ich den Charakter“, legte die Grünhaarige direkt los und schien es gar nicht glauben zu können, dass sie sich wirklich mit jemandem über dieses Thema unterhalten konnte. Aiden selbst grübelte nach, doch schien er nicht mehr auf den Namen zu kommen: „Es war ein weiblicher Ninja aus einem Beat’m’up Game, aber ich kann mich nicht an den Namen erinnern. War aber ein echt cooler Chara und eventuell hatte ich einen leichten Crush auf sie.“ „Waifu bestätigt!“, jubelte die Grünhaarige, was selbst die umstehenden Leute lachen und jubeln ließ, weshalb Aiden den Kopf einzog: „Wow, die sind echt seltsam, aber irgendwie liebenswert.“ „Keine Sorge, ich finde schon raus, welcher Chara das ist, verlass dich auf mich!“, legte die Schülerin fest und Aiden spürte ein warmes Gefühl in seiner Brust, während er sich den Pony aus dem Gesicht strich: „Mach dir meinetwegen keine Umstände...“ „Sind keine Umstände und jetzt komm, ich zeig dir meine Husbandos oder zumindest einen Teil davon!“, grinste die Grünhaarige weiter und zerrte Aiden die nächste Zeit quer durch den Laden um ihm alle möglichen Charaktere zu zeigen, bis sie sich endlich auf den Rückweg zum Wohnheim machten.   ~~~Später am Abend~~~   Die Gruppe hatte sich zu fünft auf den Weg zum Naganaki Schrein gemacht und stand nun vor dem Baum, der als Portal zur Schattenwelt fungierte. Luca, Miyuki und Mirai wirkten recht gelassen, doch Haruka sah man die Panik deutlich an, denn sie wusste gar nicht, was sie erwarten würde. Aiden bemerkte das sofort, denn es war gar nicht zu übersehen, weshalb er noch einmal den Plan durchging: „Okay, hört mal zu. Wir können nicht mit Sicherheit sagen, ob es Akutagawa wirklich da rüber verschlagen hat, deshalb werden wir heute mal die Gegend auskundschaften. Bedeutet, wir werden uns in der Schattenwelt in diesem Wohnbereich umsehen und nach Spuren suchen. Meidet unnötige Kämpfe und wenn ihr Zen seht, fragt ihn, ob er was gesehen hat.“ Drei der vier Leute nickten zustimmend, doch Haruka hob fragend die Hand: „Okay und wer ist dieser Zen?“ „Ein Bekannter würde ich sagen. Er scheint auch irgendwie dort drüben zu leben, aber wir haben eigentlich keine Ahnung was er genau ist“, erzählte Luca und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, während Mirai mit den Augen rollte und vor sich hin knurrte: „Meistens taucht er einfach aus dem Nichts auf, ist echt nervig mit dem Kerl.“ „Okay“, gab die Brünette langgezogen zurück und rieb sich den Arm, als Aiden ihr etwas hinhielt: „Bevor wir rüber gehen solltest du das hier nehmen, du wirst es brauchen.“   Vorsichtig griff Haruka nach dem Gegenstand, doch als sie erkannte was es war, wich sie erschrocken einen Schritt zurück: „D-das ist eine Waffe!“ „Nicht wirklich, sie sieht nur so aus. Wir benutzen dieses Teil, um unsere Persona zu beschwören“, erklärte Miyuki ruhig, um ihre Freundin nicht zu sehr zu erschrecken, doch zog Luca seinen eigenen Evoker und hielt ihn sich an den Kopf: „Ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig, das gebe ich zu, aber wenn du dich dran gewöhnt hast, ist es einfach.“ „Wie soll man sich daran gewöhnen, dass man sich in den Kopf schießt?“, stieß die Brünette geschockt hervor, was die drei verbleibenden Persona-User mit den Achseln zucken ließ, bis Aiden seine Meinung kund tat: „Ach weißt du, es dauert eine Weile, aber irgendwann ist dir klar, dass die Waffe nicht echt ist und dann ist es nicht mehr so schlimm.“ Das schien die Brünette etwas zu beruhigen, denn sie nahm die Pistole an sich und band sich das Halfter um die Hüfte, bevor sich die Gruppe dem Baum zuwandte und auf die entfernt erklingenden Glockenschläge durch den Baum sprangen.   Aiden und Mirai schafften es ohne Probleme zu landen, Luca stolperte ein wenig, konnte sich aber fangen, doch Miyuki und Haruka purzelten wild durcheinander und mussten erst einmal auf die Füße gezogen werden. Die Brünette riss panisch die Augen auf, als sie ihre Umgebung in Augenschein nahm, denn all die Grün- und Rottöne, der grünlich schimmernde Mond und die roten Pfützen am Boden sorgten bei ihr fast für eine Panikattacke. Miyuki legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter und redete beruhigend auf sie ein, denn sie konnte genau verstehen, wie sich die Brünette gerade fühlte. Luca und Aiden währenddessen nahmen ihre Waffen aus dem inneren des Schreingebäudes und hielten auch Miyuki ihren Bogen hin, als Aiden etwas auffiel. Er sah sich noch einmal im Schrein um, doch dann kratzte er sich am Hinterkopf: „Mist, wir haben keine Waffe für Tenno...“ „Dann muss sie eben für den Anfang mit ihrer Persona vorlieb nehmen“, brummte Mirai, der dieses Detail jetzt auch aufgefallen war, doch hatten sie keine Chance es zu ändern. Luca hingegen machte sich schon Pläne und sah sich in der Gegend um: „Also, wir suchen heute hier das Wohngebiet ab, nicht wahr? Dann schlage ich vor, dass wir uns aufteilen, damit wir mehr absuchen können.“ „Ist das nicht viel zu gefährlich?“, erwiderte Miyuki sichtlich besorgt und drehte ihren Bogen immer wieder in den Händen, doch winkte der Spanier nur ab: „Keine Sorge, ich habe das Ganze genau durchdacht. Die Shadows hier in der Gegend sind nicht so stark, die konntest du damals alleine besiegen, Aiden und jetzt sind wir zu viert. Wenn wir also zu zweit gehen, haben wir immer noch die Oberhand.“ „Ich kann nicht glauben, dass ich das sage, aber Luca hat Recht“, stimmte Mirai zu und strich sich ihren Pony aus dem Gesicht, während Aiden sich die Sache durch den Kopf gehen ließ. Sein Freund hatte tatsächlich was wahres angesprochen, aber er konnte und wollte nicht leichtsinnig werden, denn das könnte ganz schnell ins Auge gehen. Es war aber eine gute Methode, um die Suche zu beschleunigen, weshalb er sich durch die Haare fuhr und dann aufseufzte: „Na gut, aber keine unnötigen Risiken. Lauft lieber weg, als euch in einen Kampf zu stürzen. Sucht die Umgebung ab und wir treffen uns in einer Stunde dann wieder hier, okay? Wenn etwas ist, dann lasst eure Persona einen Angriff in den Himmel schicken.“ Die anderen Schüler nickten und teilten sich auf, wobei Miyuki Luca und Mirai zu sich zog und es damit erklärte, dass sie Mirais Wissen bräuchten und Aiden ja mehrere Persona hätte, um auf jede Situation vorbereitet zu sein. Keiner hatte Einwände gegen die Aufteilung, weshalb sie in unterschiedliche Richtungen liefen und ihre Suche begannen.   Auf Aidens Verdacht, dass Setsuna genau wie Haruka bei sich zu Hause sein könnte, führte die Brünette ihn zum Haus des Schülers, jedoch gab es hier, im Gegensatz zur Werkstatt keinerlei Anzeichen einer Veränderung. Vorsichtig durchsuchten die beiden das Haus auch von innen, doch blieb es einfach nur ein normales Haus. Etwas enttäuscht verließen die beiden das Gebäude und sahen sich in der Straße um, die wohl den etwas besser betuchten Leuten gehörte. Haruka sah sich immer wieder gehetzt um und schien hinter jeder Ecke einen Feind zu sehen, was Aiden ihr nicht einmal verdenken konnte, doch klopfte er ihr aufmunternd auf die Schulter, um sie etwas zu beruhigen. Auf Aidens Frage, ob ihr noch ein Ort einfallen würde, an dem sich Setsuna gerne aufhielt, musste sie kurz überlegen, doch dann fiel ihr ein alter Spielplatz ein, auf dem sie früher oft mit ihm gespielt hatte. „Ich meine mich sogar zu erinnern, dass er da immer noch oft hingeht, auch wenn der Ort schon etwas heruntergekommen ist“, überlegte die Brünette laut, was ihr einen fragenden Blick einbrachte: „Warum heruntergekommen? Geht da keiner mehr hin?“ „So in der Art, es wurden einfach Spielplätze gebaut, die näher an den Wohnungen lagen, von daher wurden die vorgezogen, wenn man irgendwo hinwollte. War schneller und einfacher“, erklärte die Brünette und Aiden bemerkte mit einem Schmunzeln, wie sie immer wieder an dem Halfter herum werkelte: „Passt er nicht richtig?“ „Nein, er scheuert unangenehm“, murrte Haruka und quietschte erschrocken auf, als Aiden den Gurt etwas öffnete und nach einem besseren Sitz suchte: „So, das sollte passen. Ist alles okay? Du guckst so komisch.“   Ertappt riss Haruka die Augen auf und suchte schnell nach einer Ausrede, als sie glaubte, ein Geräusch zu hören: „Hast du das gehört?“ „Was meinst du?“, gab der Braunhaarige zurück und horchte genauer hin, ebenso wie Haruka, die das Geräusch wieder wahrnahm: „Da war es schon wieder. Es klang wie... ein Winseln.“ Nun war Aidens Neugier geweckt, weshalb er die Augen schloss und genauer hinhörte, bis auch er das Winseln hörte, von dem seine Kollegin gesprochen hatte: „Jetzt hab ich es auch gehört!“ „Glaubst du, das könnte Setsuna-kun sein?“, war die Brünette sofort in Alarmbereitschaft, weshalb sie sich mit Aiden in Bewegung setzte: „Das werden wir gleich wissen.“ So schnell sie konnten, liefen die beiden die Straße entlang, bis sie an einer Seitenstraße vorbeikamen, aus der lautes Scheppern ertönte. Sofort zog der Braunhaarige eins seiner Schwerter und machte sich bereit, jederzeit anzugreifen, während er langsam in die Seitenstraße trat. Haruka folgte ihm nervös und hielt dabei den Evoker in beiden Händen, wobei sie sich nicht sicher war, ob sie ihn würde benutzen können. Erneut hallte ein lautes Scheppern durch die Gasse, gefolgt von einem gurgelnden Geräusch, welches Aiden den schleimartigen Shadows zuordnete und einem lauten Jaulen.   Sofort hechtete der Braunhaarige weiter nach vorne und entdeckte den Ursprung des Lärms, denn vor einer Mülltonne kauerte ein rot-brauner Hund, dessen Körper von Brand und Schnittwunden nur so übersät war. Dem Hund gegenüber standen fünf der Shadows, die sich bereits für einen weiteren Angriff bereit machten. Haruka presste sich erschrocken die Hände auf den Mund, als Aiden seinen Evoker zog und sich an die Schläfe setzte: „Oh nein, ihr lasst das arme Tier in Ruhe! Rigel!“ Die Persona schwang sich sofort in die Lüfte und stieß mit dem Speer voran in einen der Shadows, der unter der Attacke sofort verschwand. Die übrigen vier wandten sich nun Aiden zu und erstarrten regelrecht, während sie panische Angstlaute von sich gaben. Davon ließ sich der Oberschüler aber nicht bremsen und feuerte seine Persona noch einmal an, sich den nächsten Shadow vorzunehmen, der durch die Attacke sofort starb. Den nächsten Angriff führte Aiden selbst aus und zerteilte einen der Schleime mit seinem Schwert, woraufhin die letzten beiden panisch die Flucht ergriffen. „Kurosaki-kun, sie hauen ab!“, rief Haruka und sah den Shadows nach, doch schob der Braunhaarige das Schwert bereits in die Scheide zurück und ließ Rigel verschwinden: „Lass sie, die sind keine Gefahr für uns. Der Hund ist erst einmal wichtiger.“   Die beiden Schüler gingen um die Mülltonne herum und entdeckten das Tier, welches sie sofort anknurrte und wild mit den Zähnen fletschte. Natürlich hatte es Angst und versuchte seine Feinde zu vertreiben, denn zum Kampf fehlte ihm durch die schweren Verletzungen eindeutig die Kraft. Der Hund hatte auf den ersten Blick schon furchtbar ausgesehen, doch bei genauerer Betrachtung war das Tier in einem noch viel furchtbareren Zustand. „Das arme Ding. Wir müssen was tun, sonst stirbt er“, murmelte Haruka und ging in die Hocke, doch reagierte der Hund wieder mit einer Drohgebärde, was Aiden auf eine Idee brachte: „Ich will mal was versuchen. Die beiden Shadows haben mir gerade was sehr schönes dagelassen.“ Noch bevor die Brünette fragen konnte, was er genau meinte, setzte sich Aiden wieder den Evoker an die Schläfe und drückte ab, woraufhin eine kleine Fee erschien, die eine Runde um ihn herumflog. Auf sein Kommando flog die Fee zu dem Hund und ließ ihn in einem sanften, grünen Licht leuchten. Natürlich drohte der Hund wieder, doch kurz darauf wurde er leiser und sah an sich herunter, denn die Wunden waren durch den Effekt der Fee sichtlich zurück gegangen.   Erleichtert atmete Aiden aus und steckte den Evoker weg: „Es hat geklappt, zumindest ein bisschen. Komm her, Kleiner, wir tun dir nichts.“ Trotz der Heilung war der Hund ihnen nicht freundlicher gesonnen, weshalb Haruka in ihrer Tasche kramte: „Hast du vielleicht was zu essen dabei? Er hat bestimmt Hunger und vielleicht können wir ihn so beruhigen.“ „Hast Recht, aber ich habe nichts bei mir“, gab der Oberschüler zurück, als er den Hund fassungslos anstarrte. Es war ihm die ganze Zeit nicht wirklich in den Sinn gekommen, aber wie kam ein normaler Hund in die Welt der Shadows? Das ergab doch keinen Sinn. Bisher hatten sie nur Shadows getroffen, aber keine Tiere oder andere Leute. Keinen, außer Zen und Mirai. Bei dem Gedanken an die Silberhaarige kam Aiden der Abend des Konzerts vor zwei Wochen in den Sinn, weshalb er wie von selbst den Namen aussprach: „Kako.“ „Kako?“ Wurde er fragend von der Seite angeschaut, denn Haruka verstand nicht, was Aiden damit meinen könnte, doch der Braunhaarige wollte seine Theorie überprüfen: „Du bist Kako, oder? Komm her, Kako, ich tu dir nichts.“ Auf die Nennung des Namens zuckte der Hund kurz mit den Ohren und kam tatsächlich auf Aiden zu, um vorsichtig an dessen ausgestreckter Hand zu schnuppern.   Haruka betrachtete die Szene eine Weile stumm, ehe sie den Kopf Aiden zuwandte: „Sag mal, woher weißt du eigentlich, wie der Hund heißt?“ Auf die Frage sah der Braunhaarige mit einem langgezogenen Laut zur Seite, denn er konnte ja jetzt nicht sagen, dass er es von Mirai wusste, denn sie hatte ihn ja extra darum gebeten, nichts von ihrer Erinnerung zu verraten. Leider wollte ihm auf die Schnelle auch keine vernünftige Ausrede einfallen, doch war das im nächsten Moment Nebensache. Erneut drang ein seltsames Geräusch in die Ohren der beiden Schüler und auch der Hund reagierte darauf, denn er begann sofort zu drohen. Haruka wich immer mehr zurück, denn dieses Geräusch machte ihr aus irgendeinem Grund eine panische Angst. Erneut erklang das Geräusch und Aiden war sich absolut sicher, dass dies das Rasseln einer Metallkette war und was auch immer diese Kette bei sich hatte, es kam genau auf sie zu. So sehr er es versuchte, er war förmlich wie gelähmt und konnte keinen Muskel rühren, als aus dem Dunkel der Ursprung des Geräusches erschien. Vor den beiden Schülern schwebte ein riesiges Monster in einer schwarz-roten Kutte, um die zwei rasselnde Metallketten hingen. Sein Gesicht war von einem blutgetränkten Sack verdeckt und in jeder Hand hielt es einen Revolver, der gut und gerne so lang wie Aidens Arme war. Beiden rann der Angstschweiß übers Gesicht, denn sie spürten förmlich, was für eine Macht von diesem Monstrum ausging, als es einen seiner Revolver hob und auf Haruka richtete. Die Brünette stieß einen schrillen Schrei aus, der Aiden aus seiner Starre erwachen und sie sofort zur Seite zerren ließ. Genau in dem Moment, als er Haruka beiseite zog, explodierte die Wand hinter ihnen. „Lauf!“, schrie Aiden und zerrte Haruka mit sich aus der Seitenstraße, während der Hund ihnen panisch folgte und nur knapp einem weiteren Schuss des Shadows entging.   Sie rannten so schnell sie konnten durch die Straßen und mussten immer wieder in Deckung springen, weil auf sie geschossen wurde. Aiden sprang gerade hinter ein Auto in Deckung und schützte sich und Haruka vor dem zersplitterten Asphalt, als er sah, wie Kako erschöpft zu Boden sank und anscheinend nicht weiter laufen konnte. „Fuck!“, schrie der Braunhaarige und rannte zurück, da sich der Shadow nun dem armen Tier zugewandt hatte und es anscheinend erledigen wollte. Bevor er allerdings abdrücken konnte, musste er den Revolver hochreißen, um den herannahenden Speer von Rigel zu blocken, den Aiden auf seinen Gegner gehetzt hatte. Immer wieder schlug die Persona auf ihren Gegner ein, doch es schien fast so, als würde sein Gegner die Angriffe gar nicht spüren. Nun schien der Shadow aber genug zu haben, denn er hob den Revolver und schoss einmal in die Luft, was einen gewaltigen Blitzschlag zur Folge hatte, dem Aiden nur deshalb entging, weil er im letzten Moment auf seine Persona Raiju wechseln konnte. Er schlitterte durch die Druckwelle der Explosion ein Stück über den Boden, als er einen Schlag mit dem zweiten Revolver in die Seite bekam und zu Boden stürzte.   Er rollte sich kurz über den Asphalt und stemmte sich mit schmerzender Seite hoch, bevor er zu Haruka schaute und sie mit der Hand wegscheuchte: „Was stehst du noch da rum? Nimm den Hund und renn! Ich verschaff dir Zeit!“ „Ja, aber was ist mit dir?“, wollte die junge Frau schon protestieren, doch wurde sie nur noch lauter angefahren: „Hau endlich ab!“ Mit dem Aufschrei ließ Aiden die Persona Yaksini erscheinen, die sich mit ihren beiden Klingen auf den Shadow stürzte, ihm aber nicht wirklich etwas entgegen zu setzen hatte. Unter Tränen griff Haruka nach dem Halsband des Hundes und zog ihn mit, während Aiden sich weiter mit dem Shadow bekriegte und leider vollkommen chancenlos blieb. Immer wieder musste er in Deckung springen, denn nicht nur die Attacken des Monsters an sich machten ihm zu schaffen, sondern auch die Nebenwirkungen. Am schlimmsten traf es ihn, als der Shadow ein parkendes Auto mit einem Feuerzauber traf und zum Explodieren brachte, was den Oberschüler wieder zu Boden warf und seinen Ohren ein lautes Piepen bescherte. Zu seinem Glück löste die erste Explosion zwei weitere aus, die sich direkt neben dem Shadow befanden und somit zurückdrängten. Da er kaum noch Kraft zum Kämpfen hatte, rannte Aiden um sein Leben und versuchte, so schnell er konnte zum Schrein zu kommen. Leider hatte er nach der Explosion Probleme, richtig zu laufen, geschweige denn auf den Beinen zu bleiben, dennoch musste er hier weg und das so schnell wie möglich.   Miyuki, Mirai und Luca waren ebenfalls auf dem Rückweg zum Schrein, da die Silberhaarige urplötzlich drauf bestanden hatte, zum Treffpunkt zurück zu kehren. Warum genau hatte sie keinem ihrer beiden Freunde erklärt, doch irgendwas sorgte bei ihr für ein extrem unwohles Gefühl. Sie konnte es sich nicht erklären, aber sie spürte eine große Bedrohung in der Nähe und betete, dass Aiden und Haruka ihr nicht begegnet waren. Das Trio bog gerade in die Straße zum Schrein ein, als ihnen ein Stück entfernt Haruka auffiel, die versuchte, einen Hund die Treppe hoch zu ziehen. „Tenno, was machst du denn schon hier und wo ist Aiden?“, ergriff Luca das Wort und brachte die Brünette dazu aufzuschauen und die Gruppe zu beachten. „Kurosaki-kun hat mir gesagt ich soll mich in Sicherheit bringen, aber wenn ihr jetzt hier seid können wir ihm helfen!“, rief sie aus und stellte sich hin, als Miyuki eine Augenbraue hob: „Warum in Sicherheit bringen? Was ist denn passiert?“ „D-da war dieser riesige Shadow, der uns angegriffen hat und er schien irgendwie nichts zu merken, egal wie oft Kurosaki-kun ihn angegriffen hat!“, brach es aus der Brünetten hervor, was Luca nicken ließ: „Los, wir müssen sofort zu ihm!“ Gerade als der Braunhaarige sich in Bewegung setzte sollte, deutete Miyuki in die Richtung, aus der Haruka gekommen war und entdeckte Aiden, der sich hektisch in die Richtung schleppte.   Die Freude über Aiden wich allerdings schnell, als der Shadow, der dem Braunhaarigen auf den Fersen war, auftauchte und erneut auf den Schüler schoss. Mirai wich ängstlich zurück und starrte das Monster an, als sie panisch ausstieß: „Der Reaper! Aiden, mach das du da wegkommst!“ Wieder explodierte eine Wand und warf den Braunhaarigen zu Boden, der sich unter Schmerzen hin und her wälzte, doch nun dem Shadow gegenüberstand, der sich über ihm aufbaute und seinen Revolver hob. „Fuck! Nobiro, komm, wir müssen ihm helfen!“, schrie Luca und rannte auf den Shadow zu, was die Grünhaarige ihm mit gezückten Evoker gleichtat. Beide ließen ihre Persona erscheinen und auf den Reaper zufliegen, doch war beiden klar, dass sie es nicht rechtzeitig schaffen würden. Gerade als der Reaper abdrücken wollte, ging zwischen den Schülern und dem Shadow eine blaue Lichtsäule in den Himmel, aus der sich eine große Gestalt manifestierte. Der Neuankömmling riss die Lichtsäule mit einem Ruck auseinander und entpuppte sich als Wesen in einem weißen Mantel und einer silbernen Maske. In seiner rechten Hand hielt es eine gewaltige Doppelklinge, die einen großen, goldenen Ring als Handschutz hatte. Das Wesen fixierte den Reaper, der wiederum sofort abdrückte und das weiße Wesen mit Kugeln eindeckte, die ihm allerdings nicht wirklich etwas anzuhaben schienen.   Aiden rutschte weiter nach hinten, bis Luca zu ihm aufschloss und ihn auf die Beine zog, damit sie fliehen konnten, während der Reaper sich mit seinem neuen Gegner herumschlug und diesem anscheinend nichts anhaben konnte. Die drei Mädchen halfen Aiden schnell die Treppe nach oben und versuchten so gut es ging aus der Schussbahn zu bleiben, als Luca den Hund hochhob und zum Schrein trug: „Was ist das jetzt für ein Teil?“ „Keine Ahnung, aber es scheint auf unserer Seite zu sein“, stieß Miyuki hervor und versuchte, Aiden so sachte es ging zu tragen, denn er hatte eine Menge einstecken müssen, als Mirai etwas bemerkte: „Dieses weiße Ding ist eine Persona!“ „Das soll eine Persona sein? Das Teil ist riesig!“, stieß Luca hervor und erreichte als Letzter den Vorplatz des Schreins, doch genau das schien der Moment gewesen zu sein, auf den die fremde Persona gewartet hatte. In dem Moment, in dem der Reaper den Kopf zu der Gruppe drehte, wurde von der gewaltigen Klinge der Persona in Stücke gerissen. Die Gruppe bekam es nur noch am Rande mit, denn Miyuki und Haruka zogen Aiden bereits durch das Portal, was Luca mit dem Hund ebenfalls tat.   Mirai blieb vor dem Baum stehen und drehte den Kopf zur Seite, wo die Persona zu einem der Häuser schwebte, auf dem die Silhouette einer Person zu erkennen war. Sie wusste nicht, wer das war, aber er hatte ihnen gerade das Leben gerettet. Das Einzige, was Mirai erkennen konnte, war das schimmern eines Brillenglases im Mondlicht, ehe die Persona neben ihrem Beschwörer verschwand und dieser sich zum Gehen wandte. Eigentlich wollte sie ihm folgen, fragen wer er war und ob er etwas über sie wusste, immerhin konnte er diese Welt betreten, doch noch bevor sie sich entschieden hatte, war die Person verschwunden. Wütend und enttäuscht zugleich ließ die Silberhaarige den Kopf hängen und trat durch das Portal, um ihren Freunden zu folgen.   ~~~Mittwoch 25. Mai 2016~~~   Schwer keuchend schleppte sich die Gruppe auf den Vorplatz des Naganaki Schreins außerhalb der Schattenwelt, wo sie sofort erschöpft zusammensackten. Besonders Aiden rang um Atem und hielt sich die schmerzende Seite fest, denn er hatte einige extrem harte Schläge einstecken müssen und er wusste gar nicht, wie er diesen Horror überlebt hatte. Miyuki und Haruka wimmerte leise vor sich hin und Luca hatte die Hände an die Hüfte gestemmt, als er nach einer kurzen Verschnaufpause das Wort ergriff: „Wenn von euch keiner fragt mach ich es: Was war das für ein Ding?“ Nun gingen die Blicke zu Mirai, die sich kurz durch den Pony fuhr und dann leise zu sprechen begann: „Das, was ihr da eben gesehen habt, war der Reaper. Der mit Abstand gefährlichste und mächtigste Shadow, der so irgendwo rumlaufen kann. Wir können von Glück reden, dass wir das überlebt haben.“ Die vier Persona User sahen sich an und versuchten sich ein wenig zu beruhigen, als Luca auf den Hund deutete, der sich neben Mirai setzte und ihr liebevoll die Finger ableckte. Die Silberhaarige erschrak aufgrund der plötzlichen Berührung und sah das Tier an, welches leise winselte und mit dem Schwanz wedelte.   Aiden musterte das Tier eingehend, als Luca wieder das Wort ergriff: „Okay, da wir ja jetzt außer Gefahr sind, kann mir jemand erklären, was es mit dem pelzigen Vierbeiner auf sich hat?“ „Naja, wir haben ihn drüben gefunden und vor den Shadows gerettet. Ich habe versucht, ihn mit einer Persona zu heilen, aber... das hat nur sehr mäßig geklappt. Bevor wir aber wirklich was machen konnten, tauchte der Reaper auf und wir haben dann lieber die Flucht ergriffen“, schilderte Aiden keuchend das zuvor geschehene, während die anderen ihm stumm lauschten und anschließend zu dem Hund schauten. „W-was machen wir jetzt mit ihm? Ich meine, er kann ja nicht hier bleiben, aber... er kann auch nicht zu uns, wegen Kiara und so“, stammelte Miyuki und rutschte etwas von dem Hund weg, welcher sich aber mehr für Mirai interessierte. Sie war im Moment so mit den Gedanken durch den Wind, dass sie erst reagierte, als Haruka etwas ansprach: „Kurosaki-kun hat sie mit Kako angesprochen und darauf hat sie auch reagiert.“ „Kako?“, fragte Miyuki mit einer gehobenen Augenbraue nach, während Luca den Kopf schief legte und den Vierbeiner ansah: „Und wie kommst du darauf, dass es eine sie ist?“ Auf die Frage deutete Haruka eher unbeholfen zwischen die Beine der sitzenden Hundedame, welche den Kopf an Mirais Hand drückte und freudig wedelte. Neugierig folgte die Grünhaarige dem Fingerzeig, doch sah sie dann peinlich berührt zur Seite: „Also da wollte ich jetzt nicht so direkt hinstarren.“ „Gut, da wir jetzt die Geschlechtsfrage geklärt haben, kommen wir zu der Namensfrage. Amigo, dein Auftritt“, legte der Spanier fest und sah seinen Freund an, der etwas unbeholfen den Blicken seiner Freunde auswich, doch nahm Mirai ihm diese Bürde ab und ging neben dem Hund in die Hocke: „Er kennt den Namen, weil ich ihm den gesagt habe.“   „Wie meinst du das, Miri-chan?“, wunderte sich Miyuki und neigte fragend den Kopf, als die Silberhaarige erzählte, was sie damals am Tag des Konzerts gesehen hatte. Natürlich waren Luca und Miyuki sofort begeistert, dass sich die Silberhaarige an etwas erinnern konnte, doch nahm diese ihnen sofort den Wind aus den Segeln, da sie sich an nichts außer dem Hund erinnern konnte. Die Tatsache, dass sie sich weder an die Personen noch an den Zeitraum ihrer Vision erinnern konnte, machte die Gruppe etwas trübsinnig, doch sofort warf der Spanier die Hände hoch, denn ein Hund sei schließlich besser als nichts. Auf den Kommentar knurrte Kako den Schüler einmal an, woraufhin dieser beschwichtigend die Hand hob: „Verzeihen Sie bitte, die Dame. Das war positiv gemeint.“ Das schien die Hündin nicht weiter zu interessieren, denn im nächsten Moment nahm Mirai sie in den Arm und schmiegte ihr Gesicht ins Fell des Tieres: „Meine kleine Kako. Ich bin so froh, dass du hier bist.“ Die Hündin wedelte freudig und leckte ihrem Frauchen die Ohren ab, als Haruka sich an Aiden wandte: „Gut, du kanntest den Namen des Hundes, aber wie bist du darauf gekommen, dass das wirklich Kako ist?“ „Ich habe lediglich eins und eins zusammengezählt. Wir haben Mirai damals in dieser Welt gefunden und außer ihr und Zen haben wir keinen Menschen, kein Tier, kein gar nichts getroffen. Wem sollte dieser Hund sein, wenn nicht Mirai“, erklärte der Anführer der Gruppe seine Beweggründe und stieß einen langen Seufzer aus, denn sein ganzer Körper stand förmlich in Flammen.   „Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich bin erledigt. Schade nur, dass wir heute nichts herausgefunden haben“, brummte Luca und brachte Haruka mit seiner Aussage zum Schniefen, weshalb Miyuki sofort einschritt: „Wir mussten vorzeitig abbrechen, also können wir noch nichts mit Sicherheit sagen!“ Mirai sah in die Gruppe und blieb bei Aiden hängen, der sich mühsam erhob und kurz wankte, bevor er tief durchatmete und die Stimme erhob: „Ganz ehrlich, heute schaff ich das bestimmt nicht nochmal, also lasst uns die Sache auf Donnerstag verschieben. Ruht euch aus und danke für heute, ihr alle.“ „Du musst dich für nichts bedanken, Amigo. Ich mach mich jetzt aber besser vom Acker, bevor meine Mama merkt, dass ich weg bin. Wir sehen uns, Leute!“ Damit hob der Spanier noch einmal die Hand und flitzte in Richtung Heimat davon. Die restlichen Teenager erhoben sich ebenfalls und machten sich auf den Rückweg zum Wohnheim, wobei Mirai zum ersten Mal seit langem wirklich fröhlich wirkte, denn sie hatte etwas aus ihrer Vergangenheit zurück und das war für sie mehr wert, als irgendeine dämliche Vision. Kapitel 25: XXV - Tierische Probleme ------------------------------------ ~~~Mittwoch 25. Mai 2016~~~   Der Tag hatte alles andere als gut angefangen, als die Gruppe nach ihrer erfolglosen Suchaktion heimgekehrt waren. Da sie alle extrem erschöpft gewesen waren, hatte sich sofort in ihre Zimmer verzogen, in denen sie nach einer viel zu kurzen Nacht von einem gnadenlosen Wecker aus dem Schlaf gerissen worden waren. Bei der Rückkehr hatte niemand damit gerechnet, dass das gemeinsame Frühstück zu einer Katastrophe ausarten könnte, als jedoch Kiara und Kako aufeinandertrafen, war es mit der gewünschten Ruhe vorbei gewesen. Die Hündin hatte sofort angefangen, die Katze durch das Wohnheim zu jagen, wobei Kiara auf ihrer Flucht über die Schränke einige Stücke Geschirr zertrümmert hatte. Kako war nicht besser, denn sie hatte mehrere Stühle umgeworfen und an einigen Stellen die Tapete zerkratzt, weil sie an die Katze heranwollte, bis Mirai und Aiden ihre Haustiere endlich zu fassen bekommen hatten. Leider war der Sturm noch nicht vorbei gewesen, denn sofort hatten sich die beiden Teenager in die Haare bekommen und ihrem Ärger Luft gemacht. Während Mirai Kako aufgrund ihrer Verletzungen sachte angefasst hatte, hatte Aiden sie angemahnt, ihr Tier unter Kontrolle zu halten. Der ganze Morgen hatte sich um laute Diskussionen gedreht, wobei Mirai darauf plädierte, dass Kako nun einmal ein Hund sei, doch Aiden legte dar, dass Kiara vorher hier gewesen sei und es daher ihr Revier wäre. Miyuki und Haruka hatten versucht, die beiden Streithähne zu beruhigen, doch war es darin geendet, dass Aiden seine Sache genommen und alleine zur Schule gegangen war. Die Silberhaarige hatte sich aus Frust mit ihrem Hund in ihr Zimmer verzogen, weshalb die verbliebenen Mädchen sich mit betrübten Gemütern ebenfalls auf den Weg gemacht hatten.   Aiden hatte den ganzen Tag kein Wort mit Miyuki gewechselt und war auch nicht dazu gekommen, als sich die Grünhaarige mit Luca und Haruka auf dem Dach getroffen hatte. Mit gemischten Gefühlen hatten die beiden Mädchen ihrem Kollegen berichtet, was am Morgen vorgefallen war und Luca sah danach betrübt zu Boden, während er die Wangen dick aufblies. Er kannte Aiden bereits seit Jahren und auch wenn er sich etwas verändert hatte, sah es ihm überhaupt nicht ähnlich, direkt so an die Decke zu gehen. Miyuki ließ die Beine etwas in der Luft baumeln und seufzte traurig auf, denn sie hasste diesen Stress zu Hause, ebenso wie Haruka, die das mit ihrer Mutter zur Genüge hatte. „Ich kann ja verstehen, dass Kurosaki-kun sich Sorgen um seine Katze macht, aber gleich so auszurasten ist doch etwas übertrieben“, brummte die Brünette und stützte das Kinn auf den Handflächen ab, was ihre grünhaarige Freundin ihr gleichtat: „Irgendwie schon, er hätte nicht so rumschreien müssen, auch wenn ich zugeben muss, dass er schon recht hatte.“ „Das ist eine verdammt blöde Situation. Aiden hält zu seiner Katze und Mirai zu ihrem Hund, natürlich wird da keiner irgendwie die Schuld bei seinem eigenen Tier suchen“, murmelte der Spanier und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, während er sich rücklings auf die Sitzbank fallen ließ und in den Himmel sah. Die drei saßen eine Weile da, ehe sie zeitgleich einen synchronen, langgezogenen Seufzer ausstießen und sich ihre Gedanken zu dem Thema machten.   Als es nach zehn Minuten immer noch still war, ergriff Haruka das Wort: „Und was machen wir jetzt? Wir müssen als Team zusammenhalten, wenn wir Setsuna-kun finden wollen. Das klappt nicht, wenn sich Mirai und Kurosaki-kun an die Gurgel gehen.“ „Das stimmt, aber was sollen wir denn machen? Sobald die beiden sich sehen, fängt der Streit wieder an und ich rede jetzt nicht nur von Kako und Kiara-chan“, brummte die Grünhaarige und sah traurig in die Runde, als Luca aufstand und sich einmal streckte: „Wir müssen uns was überlegen. Wir werden irgendwie zwischen den beiden vermitteln müssen, aber vor allem müssen wir die beiden Tierchen davon abhalten, sich zu zanken.“ „Wie willst du das machen? Soll Kiara die ganze Zeit in einer Box sitzen oder Kako einen Maulkorb bekommen?“, warf die Mechanikerin ein und schüttelte über die Methoden selbst den Kopf, doch hatte ihr Klassenkamerad eine andere Idee: „Nein, aber ich weiß jemanden, der uns helfen kann. Wir gehen nach der Schule zu ihm und fragen ihn um Hilfe.“ „Aber ich hab Kyūdō“, jammerte die Grünhaarige, was sofort mit einer ausgestreckten Hand des Braunhaarigen erwidert wurde: „Hast du nicht. Unten am schwarzen Brett hängt ein Aushang, dass der Sportkomplex gereinigt werden muss und die Clubs heute und am Freitag ausfallen.“ Mehr als ein leises „Oh“ hatte die Schülerin nicht als Antwort, bevor sie mit den Achseln zuckte und der Sache zustimmte.   Während der zweiten Hälfte des Tages versuchte Miyuki immer wieder, Aiden zum Sprechen zu bewegen, doch stieß sie dabei nur auf taube Ohren, weshalb sie es nach der zweiten Stunde aufgab und versuchte, dem Unterricht zu folgen. Der Tag verlief ruhig und als er zu Ende ging, machte sich Aiden alleine auf den Weg, ohne Miyuki zu fragen, ob sie ihn begleiten wolle. Ganz schien die Grünhaarige ihm aber nicht egal zu sein, denn sie konnte genau hören, dass er leise „Wir sehen uns später“ gemurmelt hatte. Sie kannte ihn vermutlich nicht so gut wie Luca es tat, aber nach der Aktion in Harukas Dungeon, bei der er, ohne auf seine und ihre Gesundheit zu achten, losgeprescht wäre, wusste sie, dass er sich schnell schuldig fühlte. Sie wollte ihm helfen, so gut und schnell es ging, weshalb sie die Klasse verließ und sich mit Luca und Haruka traf. Der Braunhaarige führte sie zum Fußballplatz, wo sie einen weiteren Schüler mit braunen Haaren entdeckten, der ein paar Bälle überprüfte und dabei leise pfiff. Die beiden Mädchen tauschten einen schnellen Blick und ließen ihrem Kollegen den Vortritt, welchen dieser auch sofort übernahm und die Hand hob: „Hey, Kapitän, kann ich dich was fragen?“ Überrascht drehte sich der Schüler um und die beiden Schülerinnen im Hintergrund erkannten nun, wer das war: Der Präsident ihrer Schülervertretung.   Luca grinste wie üblich, was seinen Bekannten schmunzeln ließ: „Sicher doch, was kann ich für dich tun, Silva? Du hast doch nicht wieder die Mädchen irgendwie komisch angesprochen, oder?“ „Nein, nicht dieses Mal“, brummte Haruka eine leise Verteidigung für Luca, welche dieser seufzend annahm: „Danke, Tenno... Senpai, du hast doch einen Hund, oder?“ „Hä? Natürlich habe ich einen Hund, du hast ihn doch schon des Öfteren gesehen, Silva“, lachte der Schüler leicht verlegen auf und verschränkte dann die Arme vor der Brust: „Warum fragst du mich das überhaupt?“ „Noch eine Frage vorab, dein Hund ist ein Shiba Inu, richtig?“, hakte der Spanier nach und wartete, bis sein Kapitän nickte, ehe er fortfuhr: „Sehr gut. Es ist so, Senpai: Wir haben zwei Freunde, Mirai und Aiden. Aiden hat eine Katze, Kiara, und Mirai einen Hund, Kako. Kako war eine Weile abhandengekommen, aber jetzt hat Mirai sie wieder und...“ „Bleib beim Thema, Silva!“, zischte Haruka und stieß dem Schüler in den Rücken, als Miyuki einschritt und weiterredete: „Es ist jetzt leider so, dass Kiara und Kako wortwörtlich wie Hund und Katze zueinanderstehen.“ „Ah, ich versteh schon. Dieser Hund, Kako, ist ein Shiba Inu, richtig?“, fragte jetzt der andere Braunhaarige nach, was ihm von Luca mit einem Nicken bestätigt wurde: „Genau und ich dachte, du hättest vielleicht eine Idee, wie man das wesenstechnisch beim Hund irgendwie in den Griff bekommt. Du bist der einzige, den ich kenne, der so einen Hund hat.“ „Ich verstehe, der Ansatz ist schon mal nicht verkehrt, aber ich bin selbst kein wirklicher Hundeprofi. Zumal das sehr schwer werden kann. Shiba Inu sind nämlich Jagdhunde“, erklärte der Schülersprecher und sah in die Runde, was Haruka etwas erschrocken dreinschauen ließ: „Das klingt nicht gut für Kiara-chan.“   „Ich will den Hund jetzt nicht als Killermaschine darstellen, das dürft ihr so nicht auffassen. Ich sage nur, dass diese Hunderasse einen stärker ausgeprägten Jagdtrieb hat und diesen abzugewöhnen schwierig bis unmöglich ist“, stellte der Oberschüler klar und musterte die Jüngeren, von denen Luca wieder die Hände hinter dem Kopf verschränkte und in den Himmel schaute: „Dein Hund kam mir nie wie ein großer Jäger vor. Der ist eher der bequeme Typ.“ Einen Moment kratzte sich der Schülersprecher am Kopf und lachte dann auf: „Ja, das ist gut möglich, aber Koromaru ist ja auch schon zehn Jahre alt. Wenn ich so darüber nachdenke, war er nie sonderlich wild und sowas. Er hatte schon immer eine besondere Persönlichkeit.“ „Ja, okay. Koromaru ist was ganz Besonderes, ich habe es kapiert, Amada-senpai, aber was machen wir wegen Kako?“, kam der Spanier wieder zum Thema zurück, was Amada nachdenklich werden ließ: „Die einzige Lösung, die mir jetzt einfällt ist, dass ihr Kako irgendwie antrainieren müsst, dass sie Kiara nicht als Beute sehen darf, sondern als Freund.“ „Okay, das leuchtet ein, aber wie machen wir das? Sollen wir sie mit so einer Sprühflasche nass machen, wenn sie knurrt?“, wunderte sich nun Miyuki und tippte sich nachdenklich ans Kinn, doch schüttelte der Ältere direkt den Kopf: „Nein, bloß nicht! Warum kommt jeder mit dieser Sprühflasche? Versucht es mit positiver Bestärkung.“   Als die drei Schüler sich nur fragend ansahen lachte Amada kurz auf und fuhr dann fort: „Es ist ganz einfach, wenn ihr sie mit Wasser bestraft, wenn sie die Katze jagt, könntet ihr dem Hund den ganzen Jagdtrieb kaputt machen, sofern der gewollt antrainiert ist. Ihr müsst ihr nur zeigen, dass sie gelobt und belohnt wird, wenn sie nett zu dem Kätzchen ist. Am besten mit Leckerlies oder so etwas.“ „Verstehe, sie darf jagen, aber sie soll Kiara mit was Schönem verbinden. Hoffentlich kriegen wir das hin“, murmelte die Grünhaarige und zeichnete mit ihrem Fuß Kreise am Boden, doch war Haruka zuversichtlich: „Kopf hoch, Miyuki. Das schaffen wir schon. Ich glaube, es wird eher schwieriger, Mirai und Kurosaki-kun wieder zu versöhnen.“ „Ach, überlasst Aiden nur mir, Ladys. Ich mach das schon!“, meinte Luca und deutete mit seinem Daumen auf seine Brust, doch rollte die Brünette nur mit den Augen und wandte sich zum Gehen: „Glaub mir, Silva, deine Aussage beruhigt mich nichts ansatzweise so viel, wie du vielleicht glaubst. Danke, für die Hilfe, Amada-senpai.“ „Ja, vielen Dank, aber wir sollten jetzt los“, verabschiedete sich auch Miyuki mit einer Verneigung von dem Älteren, der nur nickte und zum Abschied die Hand hob: „Keine Ursache und haltet mich auf dem Laufenden, okay?“ „Okay!“, riefen die beiden Mädchen und zogen ab, als Luca bemerkte, dass er stehen gelassen worden war, weshalb er sich auch verneigte und dann hinter seinen beiden Kolleginnen herrannte.   Nach einer kurzen Zugfahrt und einem schnellen Fußmarsch erreichten die drei das Wohnheim, in welchem sie auf Mirai stießen, die sich um die Verletzungen ihrer Hündin kümmerte. Luca trat sofort auf sie zu und grinste sie an: „Hey, Mirai, wir sind wieder da. Wie geht‘s dem Wauzi?“ „Naja, sie hat sehr viele Wunden, die ich behandeln muss und dafür muss ich wohl zum Tierarzt, was eine Menge doofer Fragen aufwerfen wird und das will ich nach Möglichkeit vermeiden“, murmelte die Silberhaarige und strich ihrer Gefährtin über den Kopf, während Haruka vorsichtig den Blick schweifen ließ und dann das Wort ergriff: „Wo ist denn Kuroaki-kun?“ „Keine Ahnung, der war noch nicht hier und es ist mir auch lieber so“ bekam sie eine kühle Antwort, was nun Miyuki auf den Plan rief: „Das meinst du doch nicht ernst, Mirai.“ „Todernst!“, zischte die junge Frau zurück, was auch ihren Hund kurz mit den Ohren zucken ließ, ehe sie begann um die Gruppe herum zu trotten. Während Luca und Haruka sich darüber Gedanken machten, wie man die beiden Streithähne wieder versöhnen könnte, versuchte Miyuki krampfhaft dem Hund aus dem Weg zu gehen. Was die vier nicht wussten war, dass Aiden sich gar nicht so weit vom Wohnheim entfernt aufhielt und seinen eigenen Gedanken nachhing.   Der Anführer der Gruppe lief den Weg entlang und streichelte Kiara, die ihm auf dem Heimweg aus einer Hecke heraus begrüßt hatte. Die Sache von heute Morgen bereitete ihm immer noch Magenschmerzen und er schämte sich selbst dafür, dass er Miyuki, Haruka und Luca wegen seiner schlechten Laune mit Schweigen strafte. Er hatte gemerkt, wie sehr sein Schweigen Miyuki verletzt hatte, aber wenn er in seiner gereizten Stimmung was Verletzendes gesagt hätte, wäre es noch schlimmer geworden. Natürlich war ihm bewusst, wie viel Mirai der Hund bedeuten musste, aber dafür würde er nicht die Gesundheit seiner Katze aufs Spiel setzen. Mit Kiara im Schlepptau ging er zu dem Spielplatz am Naganaki Schrein und setzte sich auf eine der Schaukeln, wo er einen kleinen Wedel nahm und damit vor seiner Katze herum wedelte, um sie zu bespaßen. Das Tier versuchte immer wieder, das gefiederte Ende des Wedels zu fassen zu bekommen, bevor Aiden es in eine andere Richtung hielt und sie erneut zur Jagd ansetzte. „War ich vielleicht doch zu hart? Klar, Mirai hat Kako wieder, aber sie weiß nichts über den Hund. Wir beide sind seit drei Jahren zusammen und du warst immer bei mir“, murmelte der Braunhaarige vor sich hin und sah Kiara an, die seinen Blick mit ihren blau-grünen Augen erwiderte und leise miaute. Er hatte schon oft das Gefühl, als würde seine Katze deutlich mehr wahrnehmen, als er dachte, denn sie schien in Gesprächen genau zu wissen, worum es ging. Er wedelte noch ein paar Mal mit dem Spielzeug, bevor ein Geräusch ihn über die Schulter schauen ließ. Auf einer Holzbank hockte eine junge Frau mit braunen Haaren, die ihn mit einem skeptischen Blick fixierte und dabei eine Augenbraue in die Höhe zog.   Die Frau kam ihm bekannt vor und er musste eine Weile überlegen, bevor ihm wieder einfiel, dass es sich bei der Dame um Miyukis Senpai aus dem Kyūdō-Club handelte: Katō Yui. Bereits damals hatte sie keinen sonderlich sympathischen Eindruck hinterlassen, da sie in seinen Augen Miyuki eher niedergemacht als unterstützt hatte. Aber auch wenn sie eine etwas andere Sicht der Dinge hatte, hatte sie seine Mitbewohnerin in den Club aufgenommen. Unter dem missmutigen Blick hob Aiden kurz die Hand, um seinen Senpai zu begrüßen: „Guten Tag, Katō-senpai.“ „Redest du immer mit dir selbst?“, murrte die junge Frau und sah wieder auf ihr Handy, wo sie anscheinend etwas las und dann auf das Display eintippte. „Also... eigentlich habe ich mit meiner Katze geredet“, verteidigte sich der Braunhaarige und kratzte sich verlegen an der Wange, was ihm einen sarkastischen Kommentar einbrachte: „Wow, wo Katzen ja auch so toll antworten können.“ Der Kommentar ließ den Oberschüler leicht zusammen zucken, doch dann tat er etwas, was ihn selbst erstaunte: „Kann ich dich etwas fragen, Katō-senpai?“ Erst bekam er nur ein Augenrollen als Antwort, bevor die Brünette seufzte, aber weiter auf ihr Handy schaute: „Ich kann es dir ja schlecht verbieten, oder?“   Erneut zuckte Aiden gescholten zusammen, doch dann setzte er sich neben die Frau und faltete die Hände in seinem Schoß zusammen: „Es ist so: Meine Mitbewohnerin hat einen Hund, der sich nicht mit meiner Katze verträgt und deshalb haben wir uns gestritten.“ „Wer kommt auf die Idee einen Hund und eine Katze in eine WG zu bringen, ohne zu überlegen, ob die sich vertragen?“, unterbrach Yui den Braunhaarigen, der sich kurz durch die Haare fuhr und seufzte: „Es war hektisch und alles... Ist schwer zu erklären.“ Mehr als ein leises Brummen hatte die Brünette nicht übrig, während sie auf den Rest wartete, den Aiden nun preisgab: „Ich habe mich heftig mit ihr gestritten, weil sie anscheinend keine Probleme damit hat, dass meine Katze gejagt wird. Aber warum muss mein Tier leiden, damit ihres bleiben darf?“ Langsam änderte sich der Gesichtsausdruck von Yui von desinteressiert zu besorgt, doch sah sie einfach wieder zur Seite: „Lass mich raten, du hast jetzt ein schlechtes Gewissen, weil ihr beide wie kleine Kinder gestritten habt, richtig? Gott, es ist nur eine Katze.“ „Kiara ist mehr als nur eine Katze. Sie ist meine beste Freundin, seit ich sie vor drei Jahren bekommen habe. Ich will jetzt nicht zu viel in der Vergangenheit schwelgen, aber sie ist mir sehr wichtig“, gab er eine kurze Erklärung ab, die jedoch mit weiterem Desinteresse abgetan wurde: „Ich will auch nicht deine Lebensgeschichte hören, Kurosaki. Und wobei soll ich dir jetzt genau helfen? Soll ich den Vermittler spielen?“ „Nein, aber vielleicht hast du eine etwas neutralere Sicht auf die Dinge als ich. Ich habe da glaube ich ein wenig überreagiert.“   „Ein bisschen? Ein bisschen viel, würde ich sagen. Man sollte nicht meinen, dass ihr junge Erwachsene seid. Ist nur meine Meinung, aber du solltest deine Schuld eingestehen“, murrte Yui und spielte weiter an ihrem Handy herum, was Aiden sauer machte: „Was? Warum soll ich denn die Schuld auf mich nehmen? Sie hat auch ihren Teil dazu getan!“ „Hab ich was davon gesagt, dass du alleine dran schuld bist?“, brummte die Brünette und warf ihm einen derart kalten Blick zu, dass er kurz schluckte und verstummte, ehe sie weiter redete: „Ihr seid beide Schuld, aber es ist deutlich leichter so ein Gespräch anzufangen, wenn man sich seine eigene Schuld eingesteht, als wenn man der anderen Person Vorwürfe macht.“ „Du meinst also, ich soll damit anfangen und sagen, dass ich einen Fehler gemacht habe und nicht hätte überreagieren dürfen und dass sie das dazu animiert, mir entgegen zu kommen?“, wunderte sich der Braunhaarige und sah die Ältere an, die genervt mit dem Kopf nickte: „Das habe ich gerade gesagt. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich habe noch was zu erledigen. Schönen Abend noch.“ Die junge Frau erhob sich und machte sich schon auf den Weg, als Aiden ebenfalls aufstand und sich vor ihr verneigte: „Danke für die Hilfe, Katō-senpai. Du bist doch netter, als ich gedacht habe.“ Für einen Moment hielt Yui inne und man merkte ihr an, dass sie sich umdrehen wollte, doch dann warf sie nur die Arme in die Luft und stapfte davon: „Bild dir bloß nichts darauf ein! Boah, das war das letzte Mal, dass ich mich auf so ein Gespräch eingelassen habe.“ Damit stapfte sie davon und ließ Aiden mit Kiara alleine, wobei der Oberschüler leicht auflachte: „Wie man sich in Leuten täuschen kann. Sie hat so eine seltsame Art an sich, aber dennoch... hilft sie. Auf ihre verschrobene Art und Weise.“ Plötzlich riss er die Augen auf, als in seinem Kopf eine leise Stimme erklang, die ihm seit neuestem sehr vertraut war: „Ich bin du... Du bist ich...“ Um seine Aufmerksamkeit zu bekommen stieß Kiara ein lautes Miauen aus, was ihr Herrchen kurz aufschrecken und zu ihr schauen ließ: „Was? Oh, sorry. Na komm, wir gehen heim. Du hast bestimmt Hunger, außerdem müssen wir was klären.“   Mirai hockte im Foyer des Wohnheims und hörte sich die Ideen von Luca, Miyuki und Haruka an, wie sie Kako davon abhalten könnten, hinter Kiara herzujagen. Wirklich überzeugt war sie nicht, was auch eher daran lag, dass sie im Moment nur mit halbem Ohr zuhörte und sich immer noch über Aiden ärgerte. Sie würde gar nichts versuchen, bis er sich bei ihr entschuldigen würde für das, was er gesagt hatte. So langsam schienen auch die anderen drei zu begreifen, dass sie momentan gegen eine Wand redeten, weshalb sie sich mit einem synchronen Seufzer auf ihren Plätzen zurücklehnten. Sie hatten auf Zuspruch gehofft, doch leider lief das Gespräch in eine komplett andere Richtung und die Stimmung sank sogar noch weiter, als die Tür aufging und Aiden das Wohnheim betrat. Mirai und Aiden sahen sich sofort an, während ihre drei Freunde angespannt die Blicke zwischen ihnen hin und her huschen ließen, doch dann ergriff der Braunhaarige das Wort: „Können wir uns unterhalten, Mirai? Unter uns, wenn es geht.“ Von der Silberhaarigen kam nur ein Schnauben, doch dann erhob sie sich und verließ, von Kako begleitet, das Wohnheim: „Von mir aus.“ Was sofort auffiel war, dass die Hündin Kiara im Blick hatte, welche leise fauchte, doch dann von Aiden zu Miyuki gebracht wurde: „Kannst du auf sie aufpassen, bis ich wiederkomme?“ „Sicher doch, aber... bitte streitet nicht mehr. Okay?“, gab die Grünhaarige zurück und war sichtlich besorgt, doch konnte Aiden diese Sorge nicht beseitigen: „Kann ich nicht versprechen.“   Vor dem Wohnheim standen sich die beiden anschließend gegenüber und Mirai verschränkte mit verstimmter Miene die Arme vor der Brust: „Du wolltest reden?“ Aiden musste sich noch einmal Yuis Rat in Erinnerung rufen, bevor er leise seufzt und zu seiner Entschuldigung ansetzte: „Ich wollte mich entschuldigen. Ich hätte wegen Kako nicht so ausflippen dürfen. Du hast alles aus deiner Vergangenheit vergessen und jetzt endlich etwas wiedergefunden. Mir hätte klar sein müssen, wie verdammt wichtig dir das ist. Es tut mir leid.“ Man konnte der Silberhaarigen ansehen, dass sie mit vielem, aber nicht damit gerechnet hatte, denn ihr klappte leicht der Mund auf. Sie hatte sich wirklich schon darauf eingestellt, dass es jetzt wieder zu einer Diskussion kommen würde, doch das hier brachte sie aus dem Konzept. Noch einmal strich sie sich durch ihren Pony, bevor sie leise eine Antwort gab: „Ich war vermutlich auch nicht ganz unschuldig... Kiara ist dir bestimmt so wichtig, wie mir Kako wichtig ist und ich hatte nicht bedacht, dass mein Hund deine Katze verletzen könnte. Ich hatte mich einfach so gefreut, sie wieder zu sehen, dass ich nicht an euch andere gedacht habe.“ „Dafür kann dir beim besten Willen niemand einen Vorwurf machen. Ich würde dich nur bitten, dass du auch auf Kiara und mich Rücksicht nimmst. Ich weiß nicht, ob dir das bewusst ist, aber Shiba Inus sind Jagdhunde“, setzte Aiden nach und musterte die Hündin, die neugierig an einer Hecke schnüffelte, während Mirai leicht bedrückt zur Seite schaute: „Doch, das weiß ich noch, aber... Ich weiß leider nicht, wie ich Kako trainiert habe. Ob sie genau das machen soll, oder ob ich dabei war, es ihr abzugewöhnen. Ich hatte einfach Angst, dass ich etwas falsch mache und sie vergraule.“   Daran hatte der Braunhaarige gar nicht gedacht, weshalb nun er leicht verunsichert dreinschaute und zu Boden sah. Tiererziehung war eine heikle Sache, wenn man an das entsprechende Tier geriet und hier war das Problem, das Mirai bereits angesprochen hatte: Sie wusste nicht, was Kako bereits für eine Erziehung hatte. Wenn er all das bedachte, war es wirklich die richtige Entscheidung gewesen, sich zu entschuldigen, denn hier konnte man Mirai wirklich keinen Vorwurf machen. „Okay, ich sehe, wo das Problem ist, aber... Kako muss ja irgendeine Erziehung gehabt haben und du wirkst auf mich nicht wie eine Person, die eine blutrünstige Killermaschine erzogen hat. Könntest du aber bitte versuchen, während der Erziehungsphase Kiara nicht zu gefährden?“ „Ich versuche es und ich glaube, dass die anderen drei dazu schon eine Idee haben“, lenkte Mirai ein und kratzte sich leicht verlegen an der Wange, was Aiden etwas irritierte: „Warum glaubst du das?“ Auf die Frage räusperte sich die Silberhaarige und rieb sich pfeifend den Nacken, während Kako einen fragenden Laut von sich gab: „Weil die drei eben die ganze Zeit gelabert haben, aber... ich hab nicht zugehört, oder besser gesagt, nicht ganz.“ Aiden brauchte einen Moment, ehe er in schallendes Gelächter ausbrach und sich den Bauch halten musste. Noch einmal schnappte er nach Luft, bevor er sich beruhigte und auf die Tür deutete: „Na komm, dann wollen wir doch mal schauen, was Luca und die beiden Mädels für eine Idee ausgetüftelt haben.“ „Ja, aber erwähn bitte nicht, dass ich nicht zugehört habe. Ich will ihre Gefühle nicht verletzen. Eine Sache noch, willst du mir erzählen, warum du bei Kiara immer so empfindlich reagierst?“, erkundigte sich die junge Frau und folgte Aiden zur Tür, wo dieser einen Moment innehielt und dann grinste: „Vielleicht ein andermal. Jetzt sollten wir uns mal um Kako kümmern.“ Die beiden grinsten sich noch einmal an, ehe sie ins Wohnheim zurück gingen, um sich mit dem Rest ihrer Gruppe zu beratschlagen. Kapitel 26: XXVI - Kako, die Spürnase ------------------------------------- ~~~Donnerstag 26. Mai 2016~~~   Kurz nachdem es zur Mittagspause geläutet hatte, hatten sich Aiden und Miyuki mit Luca und Haruka wieder auf dem Dach der Schule eingefunden, wobei die Brünette etwas geknickt wirkte. Natürlich hakte die Grünhaarige direkt nach, was denn los sei, woraufhin die Mechanikerin erklärte, dass sie Sakura zum Mittagessen abgesagt hatte. Aiden konnte verstehen, warum das die Brünette störte, denn schließlich war Sakura ihre beste Freundin und die vertröstete man ungern auf eine andere Zeit. Da sie sich allerdings über die Shadow-Welt unterhielten, wäre es äußerst hinderlich, wenn Unwissende etwas davon mitbekommen hätten, weshalb sie unter sich blieben. Sie standen leider immer noch vor dem gleichen Problem wie auch am Anfang, dass sie keine Gewissheit über den Aufenthaltsort von Setsuna hatten. Da Haruka aber von dessen Mutter erfahren hatte, dass er immer noch nicht nach Hause gekommen sei, waren sie sich zumindest sicher, dass der Junge nur in der anderen Welt sein konnte, sonst wäre er schon längst wieder aufgetaucht. Aiden tippte ein wenig auf seinem Handy herum und versuchte den Kopf frei zu bekommen, als Miyuki laut seufzte: „Das ist doch zum Haare raufen. Wir haben keine Spur wo er sein könnte.“ „Ich habe echt Angst um ihn. Er hat doch keine Chance zu überleben, wenn er diesen Monstern begegnet“, schluchzte Haruka und zog die Knie an die Brust, weshalb Luca versuchte, irgendwie die Stimmung zu lockern: „Tja, dann müssen wir wohl weiter versuchen ihn aufzuspüren. Aufspüren, kapiert? Wegen der Spur.“ Die drei Schüler sahen den Spanier einen Moment, doch konnte keiner über den Witz lachen, weshalb der Oberschüler noch einmal nachhakte: „Wirklich? Keiner von euch? Nicht mal du, Aiden?“ Als die drei erneut nur mit dem Kopf schüttelten, verzog Luca das Gesicht und verschränkte die Arme vor der Brust: „Och kommt schon! Der war doch gut.“   Während Luca sich immer noch schmollend mit Haruka und Miyuki darüber stritt, ob sei Scherz denn jetzt lustig war oder nicht, tippte Aiden weiter auf seinem Handy herum. Er grübelte ein wenig nach, während er eine Aufgabe seines Kreuzworträtsels betrachtete, als ihm ein Einfall kam: „Spur… Aufspüren… Das ist es!“ Er war so ruckartig aufgesprungen, dass seine Freunde erschrocken zusammenzuckten und ihn anstarrten. Auf die fragenden Blicke begann der Braunhaarige nur zu grinsen: „Ich habe eine Idee, wie wir an Akutagawa rankommen können. Luca, du bist ein Genie, auf deine eigene, völlig behämmerte Art.“ „Haha, danke für das Kompliment, Amigo. Warte mal, was war das Letzte?“, freute sich der Spanier, doch sah er dann skeptisch zu seinem Freund, der sein Handy in die Tasche steckte und sich ein Onigiri genehmigte: „Nimm es als Kompliment, Luca und ignorier den Rest.“ Mehr als ein langgezogenes „Ah ja“ brachte der Spanier nicht heraus, als Miyuki sich fragend nach vorne lehnte: „Was genau hast du denn für einen Plan, Aiden-kun?“ „Das seht ihr heute Abend, denn wir gehen heute wieder rüber“, stellte der Anführer klar und wurde erst überrascht angeschaut, ehe seine Kameraden entschlossen nickten.   Die Schulglocke ließ sie aber sofort zusammenzucken, weshalb sie ihre Sachen packten und sich auf den Rückweg zur Klasse machten. Auf der Treppe hielt Aiden Haruka noch kurz an der Schulter zurück und sprach sie leise an: „Tenno, du müsstest mir einen Gefallen tun.“ „Einen Gefallen? Sicher, was brauchst du denn?“, wunderte sich die Brünette und neigte leicht den Kopf, als ihr Mitbewohner ihr seine Bitte ins Ohr flüsterte und dadurch große Augen machen ließ: „Warum brauchst du das denn?“ „Wirst du dann sehen. Meinst du, du kriegst das hin?“, hakte er nach und wurde etwas unsicher wegen seines Plans, doch nickte Haruka anschließend: „Keine Sorge, ich weiß schon, wie ich das anstelle. Wird zwar etwas komisch aussehen, aber das klappt schon.“ „Alles klar, ich verlass mich auf dich, Tenno“, grinste der Braunhaarige und klopfte seiner Freundin sanft auf die Schulter, ehe er den anderen beiden die Treppe nach unten folgte.   Bis auf die Tatsache, dass Mr. Edogawa seine gesamte Schülerschaft wieder in den Schlaf lullte, geschah an diesem Tag nichts außergewöhnliches, weshalb Aiden froh war, nicht zu viel nachdenken zu müssen. Den Nachmittag nutzte er, um mit Luca und einigen anderen Jungs aus ihren Klassen in die Spielhalle in der Mall zu gehen. Wenn er ehrlich war, hatte Aiden noch nie eine solche Spielhalle betreten, aber er konnte bei all den Spielen und Möglichkeiten nur staunen: „Wow, die haben echt das volle Programm. Kampfspiele, Shooter, Autorennen. Wer spielt bitte einen Zug-Brems-Simulator?“ „Das frage ich mich auch, aber es scheint ja genug Leute zu geben, sonst wäre das Teil nicht da“, lachte Luca auf und sah sich anschließend um: „Worauf hast du Lust, Amigo?“ „Wenn ich spontan antworten müsste, würde ich gerne einen Motorradsimulator ausprobieren“, lachte Aiden, dem gerade ihre langsamen Roller für die Shadow-Welt durch den Kopf schossen. Sofort zog Luca ihn durch die Halle, bis sie zu einem Spiel mit einem Motorrad kamen. Einige Schüler schienen das Spiel ebenfalls spielen zu wollen, doch traute sich niemand heran, da an dem Motorrad ein junger Mann mit schwarzen Haaren stand. Er schaute nur auf sein Handy und schien die ganzen Leute um sich herum gar nicht wahrzunehmen oder es störte ihn schlicht und ergreifend nicht, dass er den anderen im Weg stand.   Luca verzog kurz das Gesicht und sah sich schon nach einer Alternative um, als Aiden einfach einen Schritt vor machte und auf das Spiel deutete: „Entschuldigung? Benutzen Sie das Teil gerade? Wenn nicht, würde ich gerne mal ne Runde fahren.“ Luca biss sich auf den Fingerknöchel, als einer seiner Klassenkameraden ihn am Arm packte: „Silva, ist der dämlich? Der redet Nomura einfach so von der Seite an?“ „Er ist neu und weiß es nicht. Oh fuck, Aiden“, jammerte der Spanier und hielt den Atem an, als der Schwarzhaarige seinen besten Freund mit einem irritierten Blick musterte. Seine Augen hatten eine helle, eisblaue Farbe, während sein schwarzes Haar am Pony rot gefärbt war. Er trug dieselbe Uniform wie Aiden, jedoch war sie am unteren Ende ziemlich ramponiert, was ihn auch nicht zu stören schien. Er sah noch einmal zu dem Motorrad und dann zu Aiden, bevor er sich locker abdrückte und aufrecht hinstellte, wobei er den Braunhaarigen ein gutes Stück überragte: „Tu dir keinen Zwang an.“ „Besten Dank“, grinste der Braunhaarige zurück und sah zu, wie der Schwarzhaarige davonging und dabei die Zuschauer wild auseinander springen ließ. Er fand die Reaktion definitiv übertrieben, aber das sollte ihn nicht von einer schönen Fahrt abhalten, weshalb er sich einfach auf das Plastik-Rad setzte und das Spiel startete. Während des ganzen Nachmittags wurde Aiden von seinen Schülern ehrfürchtig angestarrt, was er aber nicht wirklich realisierte, bis er sich nach einer schönen Zeit mit Luca auf den Weg nach Hause machte.   ~~~später am Abend~~~   Aiden, Haruka und Miyuki überprüften noch einmal ihre Ausrüstung, während Mirai am Boden hockte und Kako streichelte. Sie machte sich Sorgen, wie ihr Hund auf ihre Abwesenheit reagieren könnte, doch hob sie den Kopf, als Miyuki sie zum Aufbruch animierte. „Ich bin bald wieder da, Kako. Sei schön brav, okay?“, murmelte die Silberhaarige und erhob sich bereits, als Aiden die Arme vor der Brust verschränkte: „Was machst du denn? Kako kommt mit uns.“ „Was?“, entfuhr es den drei Frauen, die dem Braunhaarigen dabei zusahen, wie er dem Hund die neu gekaufte Leine anlegte und dann das Wohnheim verließ, wobei er sich noch einmal von Kiara verabschiedete, die zur Sicherheit auf einem Schrank hockte. Nach und nach folgten die Damen ihrem Kollegen, der mit Kako zielstrebig auf den Schrein zusteuerte, an dem sie alle bereits von Luca erwartet wurden. Miyuki musterte Aiden die ganze Zeit extrem skeptisch, denn sie hatte so einen Verdacht, warum er den Hund dabeihaben wollte. Noch einmal überprüften alle ihre Ausrüstung, bevor erst Aiden mit Kako, dann Luca und zum Schluss die drei Mädchen durch das Portal schritten.   ~~~Shadow-Welt~~~   Vor dem riesigen Schrein versammelte sich das Team und Mirai machte ihrem Ärger Luft: „Hat es einen Grund, dass du Kako unbedingt hierher mitnehmen wolltest? Sie hat Angst, siehst du das nicht?“ „Doch, das sehe ich, aber ich weiß auch, dass Kako unser Trumpf ist, um Akutagawa zu finden“, erklärte Aiden und sah die Hündin an, die seinen Blick leicht fragend erwiderte, während ihr Frauchen völlig auf dem Schlauch stand: „Warte... was? Ich dachte, du willst sie nur nicht im Wohnheim lassen, weil du ihr nicht traust.“ Die vier Persona-User sahen ihre Freundin an, die leicht rot wurde und zur Seite schaute: „Also ob ich die Einzige wäre, die das geglaubt hatte. Was willst du also mit ihr?“ „Das wirst du gleich sehen. Tenno, hast du dabei, worum ich dich gebeten habe?“, wandte sich der Braunhaarige nun an die Mechanikerin, die kurz blinzelte und dann eifrig nickte: „Was? Ach so, ja. Warte... hier!“ Sie wühlte kurz in ihrer Tasche herum, ehe sie eine kleine Stoffjacke in einer Plastiktüte hervorholte: „Ich glaube, jetzt versteh ich endlich, was du vorhast.“ „Kann es mir dann einer erklären? Ich schnall es nämlich nicht“, brummte Luca und stützte sich auf seiner Hellebarde ab, als Aiden die Sache erklärte: „Genau genommen hat mich dein blöder Witz mit dem aufspüren drauf gebracht. Ich mache oft Kreuzworträtsel und heute war eins dabei, welches lautete: »Anderes Wort für Hund mit neun Buchstaben«.“   Er sah kurz in die Runde und wartete ab, bis Miyuki laut ausrief: „Oh mein Gott! Spürnase! Natürlich, die Jacke da muss Akutagawa-kun gehören und wenn er hier langgelaufen ist, kann Kako ihn bestimmt riechen.“ Sofort gingen alle Blicke zu der Hündin, die die Ohren aufstellte und zur Treppe sah, aus deren Richtung ein junger Mann mit dunkelbraunem Haar und schwarzer Kleidung auftauchte, der die Gruppe neugierig musterte. „Hola, Zen. Wie geht’s?“, grüßte Luca den jungen Mann, der kurz den Kopf neigte und dann auf sie zukam: „Kann mich nicht beklagen, aber ihr scheint irgendwas zu planen.“ Auf die Aussage setzte Miyuki einen entschlossenen Gesichtsausdruck auf und ballte die Fäuste: „Natürlich hecken wir was aus! Wir haben jemanden zu retten!“ „Es ist also wieder jemand hier gelandet? Das erklärt, warum die Shadows sich so unruhig verhalten“, überlegte Zen laut, was Aiden kurz seufzen ließ: „Wenn ich dich richtig verstehe, hast du also nicht gewusst, dass jemand hier ist. Richtig?“ „Korrekt. Aber ich denke mal, dass ihr euch auf die Suche machen werdet. Wollt ihr etwa den Hund dafür benutzen?“, deutete der in schwarz Gekleidete nun auf Kako, die ein freudiges Bellen hören ließ und mit dem Schwanz wedelte. Aiden verschränkte die Arme vor der Brust und nickte zustimmend: „Das war der Plan gewesen, Zen. Aber ob Kako ihn wirklich finden kann, werden wir sehen, wenn wir es versucht haben.“ „Haben wir vertrauen in unser rotes Puffelchen“, grinste Luca und sah zu dem Tier, welches immer noch wedelnd auf die Tüte in Harukas Händen starrte.   Als sich aber keiner der Gruppe rührte, deutete Aiden auf Mirai: „Wärst du so nett?“ „Was? Warum ich?“, wunderte sich die Silberhaarige und bekam eine Antwort von Luca, der nur mit den Achseln zuckte: „Es ist dein Hund, also ist es nur logisch, dass sie einen Befehl zum Suchen eher von dir als von einem von uns annehmen wird. Also hopp, Mirai!“ „Ja, ist ja gut“, brummte die junge Frau und nahm die Jacke von Haruka entgegen, bei der es sich bei genauerer Betrachtung um den oberen Teil eines Pyjamas handelte und hielt ihn der Hündin hin: „Schnupper mal dran, Kako. Wir suchen den Jungen, dem das gehört. Kannst du ihn finden?“ Neugierig begann die Hündin das Stück Stoff zu beschnuppern, ehe sie anfing, den Boden abzusuchen. „Und jetzt?“, warf Miyuki fragend in den Raum und sah ihre Freunde an, von denen Haruka das Wort ergriff: „Jetzt warten wir, bis sie was gefunden hat.“ Gespannt sahen alle auf den Hund, was Mirai aber Zeit gab, um ein anderes Problem der Gruppe zu beseitigen: „Sag mal, Haruka, weißt du, was eine Armbrust ist?“ „Ähm, ja, das weiß ich. Warum fragst du?“ „Meinst du, du kannst mit einer umgehen?“, fragte Mirai weiter nach und ließ die Brünette nervös zurückweichen: „A-also… Vielleicht. Ich weiß es nicht, weil ich noch nie eine in der Hand hatte.“   Verwundert über das Gespräch legte Luca den Kopf schief und sah zu seinem Freund hinüber, der ebenfalls leicht irritiert wirkte: „Wo will sie denn auf die schnelle eine Armbrust herkriegen?“ Erst zuckte der andere Braunhaarige mit den Schultern, doch dann verstand er den Wink und sah mit einem breiten Grinsen zu Zen, was Miyuki ihm gleichtat. Der junge Mann schien es nicht ganz zu verstehen, weshalb er kurz zwischen den beiden hin und her sah und dann eine Augenbraue hob: „Warum guckt ihr mich so an?“ Auf die Frage hielt Miyuki die Hand auf und trat einen Schritt an Zen heran: „Wärst du so freundlich, uns eine deiner Armbrüste zu leihen, Zen-kun? Haruka braucht dringend eine Waffe.“ Langsam zog der Dunkelbraunhaarige eine seiner beiden Waffen hervor und drehte sie nachdenklich in der Hand, bevor Mirai sie ihm wütend aus der Hand riss und dazu noch den Köcher mit Bolzen von seiner Hose entfernte: „Glotz nicht so dämlich, du hast eh zwei davon!“ Auf die Aussage war Zen erst einmal sprachlos, während die Silberhaarige Haruka die Waffe und den Köcher in die Hand drückte: „Wird schon schief gehen und es ist besser, als wenn du immer deine Persona rufen musst, das verkraftest du nämlich nicht lange.“   Mit etwas gemischten Gefühlen betrachtete Haruka die Waffe, die in ihrer Hand lag und fühlte sich nicht unbedingt wohl dabei, weshalb sie versuchte, sich irgendwie abzulenken: „Was genau meinst du mit »Ich würde es nicht lange verkraften«?“ Auf die Frage hob Mirai lediglich eine Augenbraue in die Höhe, bevor sie mit einem Schulterzucken die Arme ausbreitete: „Genau das, was ich gesagt habe.“ „Der Einsatz deiner Persona laugt dich körperlich und mental aus, Tenno, also versuche es nicht zu übertreiben, okay?“, übernahm Aiden jetzt die Erklärung und sah dann auf Kako, die plötzlich stocksteif dastand und zu bellen begann. Luca machte einen Schritt vor und hob die Faust: „Sieht so aus, als ob unser Puffel was gerochen hätte! Los geht’s!“ „Ja. Los, Kako. Such, mein Mädchen!“, feuerte die Silberhaarige ihren Hund an, der im nächsten Moment die Treppe vom Schrein hinunter hechtete und ihr Frauchen dabei gnadenlos mit sich riss. Zen konnte über die Szene nur skeptisch eine Augenbraue heben, während der Rest der Gruppe nun ebenfalls die Treppe hinunterlief, um Mirai zu folgen. Haruka verneigte sich noch schnell vor Zen und versprach ihm, ihm seine Armbrust bald wiederzugeben, bevor auch sie hinter den anderen herlief.   Mirai hatte sichtlich Probleme damit, ihren Hund zu bremsen, doch nach einigen hundert Metern schaffte sie es endlich: „Kako, mach etwas langsamer, die anderen kommen nicht nach.“ Die Hündin zuckte kurz mit den Ohren, ehe sie begann wieder den Boden zu beschnuppern und dabei zielstrebig in eine Richtung marschierte. Die Silberhaarige sah über die Schulter, wo sie ihre Freunde entdeckte, die kurz darauf zu ihr aufgeschlossen hatten und nun neben ihr herliefen. „Dein Plan scheint tatsächlich zu funktionieren, Kurosaki-kun“, lobte Haruka ihren Anführer, der allerdings leicht das Gesicht verzog: „Das klingt ein bisschen so, als ob du nicht dran geglaubt hättest.“ „Nein, nein, so hab ich das nicht gemeint“, wedelte die Brünette schnell mit den Armen und versuchte, die Sache wieder gerade zu biegen, doch leider war ihr Luca keine Hilfe: „Also ich habe nicht wirklich dran geglaubt.“ „Danke, Luca“, brummte der Braunhaarige und sah seinen besten Freund leicht verstimmt an, der allerdings nur mit den Achseln zuckte: „Hey, ich lag falsch und es klappt, also freu dich. Ich bin nur ehrlich, weißt du?“   Die beiden Jungs diskutierten munter weiter über die Frage, ob dies nun ein Vertrauensbruch sei oder nicht, während die Mädchen ein Stück vorgingen und mit Kako den Weg weiter absuchten. „Es ist schon interessant zu sehen, wie die beiden miteinander umgehen“, brummte Mirai zum Teil erstaunt und zum Teil genervt, während sie aus dem Augenwinkel einen Blick nach hinten auf die beiden Männer warf. Auch Haruka war überrascht, wie locker die beiden miteinander umgingen und wandte sich deshalb an ihre Begleiterinnen: „Sagt mal, kennen sich Kurosaki-kun und Silva schon lange?“ „Seit ihrer Kindheit. Zumindest habe ich das so verstanden. Weil einer von beiden wegziehen musste, haben sie sich aber jahrelang nicht gesehen“, erklärte nun Miyuki und überprüfte die Sehne ihres Bogens, indem sie ihn ein paar Mal spannte. Als sie dies getan hatte, ließ sie den Blick schweifen und stieß ein nachdenkliches Brummen aus: „Diese Welt ist eine gruselige Version von unserer, oder? Also existiert alles, was bei uns drüben ist auch hier. Sehe ich das richtig?“ Mirai bremste Kako etwas im Tempo, ehe sie sich durch die Haare fuhr und kurz nachdachte: „Also ich glaube, man kann es ungefähr so ausdrücken. Zumindest habe ich viele Orte, die ich hier gesehen habe, auch bei euch drüben wiedererkannt. Warum fragst du?“   Auf die Frage begann Miyuki etwas zu gestikulieren, da sie anscheinend nach den richtigen Worten suchte um zu erklären, dass eine Aktion in der einen Welt die andere irgendwie beeinträchtigen könnte. Mirai musste diese Theorie leider schnell widerlegen, denn all die Schäden, die die Shadows in der Stadt und an einigen Gebäuden angerichtet hatten, hatten in der normalen Welt absolut gar nichts bewirkt. Etwas enttäuscht ließ die Grünhaarige den Kopf sinken und trottete nun stumm neben den anderen her, als die beiden Jungs zu ihnen aufschlossen. „Habt ihr eine Ahnung, wie weit wir noch müssen?“, erkundigte sich Luca und sah in die Runde, allerdings bekam er auf die Frage keine Antwort, denn die Mädchen wussten es schlicht und ergreifend nicht. Aiden nutzte die Chance, um sich einen Überblick über seine Umgebung zu machen und sich ein wenig umzusehen. Die Gegend, durch die sie gerade liefen, schien wohl ein altes Einkaufsviertel zu sein, denn der Braunhaarige meinte, hier und da ein altes Verkaufsschild erkennen zu können. „Ein Einkaufsdistrikt?“, fragte er in die Runde und erhoffte sich eine neue Erkenntnis von seinen Freunden, die Haruka ihm auch geben konnte: „Wenn ich so darüber nachdenke... Ja, ich glaube vor einigen Jahren gab es hier eine kleine Shoppingmeile.“ „Es gab sie?“, hakte Mirai nach und blieb einen Moment stehen, damit sie dieses Gespräch in Ruhe führen konnten.   „Ja, es gab sie. Es waren aber alles wirklich nur kleine Geschäfte, die auch etwas abgelegen lagen. Als die Paulownia Mall vor 16 Jahren gebaut wurde, muss es mit den Geschäften langsam aber sich bergab gegangen sein. Das hat mir mein Opa zumindest erzählt“, erklärte die Brünette und als sie geendet hatte, stieß Luca ein belustigtes Schnauben aus: „Früher war alles besser, oder wie darf ich deinen Opa verstehen, Tenno-chan?“ „Das war nicht der Punkt, Luca. Durch die Mall haben vermutlich viele Leute ihren Lebensunterhalt verloren, oder?“, murmelte der Anführer der Gruppe und wurde von Miyuki unterstützt: „Das ist ja fast so wie in Yaso Inaba. Da hat vor einigen Jahren auch so ein Superstore aufgemacht, Junes. Seither geht es den örtlichen Geschäften immer schlechter.“ Mirais Auge zuckte genervt, als sie einmal mit dem Fuß aufstampfte: „Ernsthaft, habt ihr wirklich nichts Besseres zu tun, als über irgendwelche Geschäfte zu diskutieren, die gar nicht mehr da sind? Geht’s euch noch gut?“ „Tut uns leid“, brummten Aiden und Miyuki, als Haruka sich zwischen die Parteien schob: „Wartet mal, mir fällt da gerade was ein.“   Unter dem strengen Blick der Silberhaarigen knickte die Brünette leicht ein, doch kam Luca ihr zur Hilfe: „Guck nicht so grimmig, Mirai. Was ist dir denn eingefallen, Tenno-chan?“ „Naja, der Ort, an dem mich mein Shadow gefangen gehalten hat, war doch die Werkstatt oder?“, setzte die Brünette an und wurde von Mirai sofort abgeblockt: „Ja, aber ihr habt doch bereits bei seinem Haus nachgesehen und da war nichts.“ „Lass mich doch ausreden, Mirai. Die Werkstatt ist nun einmal nicht mein Haus, sondern ein Ort, an dem ich mich wohlfühle. Wenn man sein Zuhause ausschließt...“, begann die Brünette zu erklären, als Aiden sofort darauf einging und sie unterbrach: „Dann muss es einen Ort geben, an dem er sich wohl fühlt und der sich vermutlich so verändert hat, wie es die Werkstatt getan hat. Tenno, gab es in dieser Einkaufsmeile ein Geschäft, welches Akutagawa sehr gemocht hat?“ „Du verstehst, worauf ich hinaus will, Kurosaki-kun. Ja, das gab es und zwar war es ein altes Spielwarengeschäft. Fast alle Ladenbesitzer, die hier waren, sind mit ihren Geschäften in die Mall umgezogen. Der Besitzer des Spielwarengeschäfts war allerdings schon sehr alt und hat den Laden lieber komplett geschlossen, als sich noch einmal den Stress eines Umzugs zu geben. Ich meine, ich kann ihn verstehen, aber ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie es Setsuna-kun damals fast das Herz gebrochen hat. Ich lege fast schon meine Hand dafür ins Feuer, dass er zu diesem Geschäft gegangen ist. Wenn ich mich nicht irre, dann sind wir auch ganz nahe und müssen nur noch eine Kreuzung weiter“, beendete Haruka ihre Erklärung, woraufhin die Gruppe sich entschlossen ansah und nickte.   Unter der Führung von Kako und Haruka, die auch bestätigen konnte, dass die Hündin genau in die Richtung lief, in der auch das Geschäft lag, marschierte die Gruppe weiter. Das Team wurde mit jedem Schritt nervöser und als sie um die nächste Ecke kamen, stockte ihnen erst einmal der Atem. Vor ihnen erstreckte sich ein völlig verwüsteter Parkplatz, bei dem der Asphalt an mehreren Stellen aufgeplatzt war. Die Laternen auf dem Parkplatz waren komplett zerstört und überall lagen Metall- und Glassplitter herum, vor denen Kako demonstrativ zurückwich, da sie sich nicht die Pfotenballen aufschneiden wollte. Doch nichts in der Umgebung jagte den Schülern so einen Schrecken ein, wie das Geschäft, zu dem der Parkplatz gehörte. Es war ein riesiges Gebäude mit verglaster Front, aus denen ein unheimliches, grünes Licht drang und einer doppelten Schiebetür als Eingang. Über der Tür hingen ein überdimensionaler Stoffteddie, dessen Bauch von einer Schere aufgeschnitten wurde und eine Stoffkatze mit einem halben Kopf, die mit einer Kettensäge hantierte. Miyuki stieß bei dem Anblick einen spitzen Schrei aus und versteckte sich hinter Mirai, die lediglich den Kopf neigte und die Türverzierung musterte: „Sehr einladend, genau das richtige für kleine Kinder.“ „Muss der Sarkasmus wirklich sein, Mirai-san?“, murrte Haruka und starrte leicht verängstigt auf das Geschäft, als Aiden sich zu ihr umdrehte: „Ist das der Laden?“ „Ja, kein Zweifel, das ist genau die Stelle. Kako-chan scheint das auch so zu sehen“, stimmte Haruka zu und sah zu der Hündin, die immer wieder vor den Scherben hin und her trottete, den Blick allerdings fest auf das Gebäude gerichtet hatte.   „Müssen wir wirklich da rein gehen? Ich meine, natürlich müssen wir Akutagawa-kun finden, aber... Muss es denn unbedingt so eine Hölle sein?“, beschwerte sich die Grünhaarige erneut und versuchte nicht auf die Horror-Plüschtiere zu schauen. Aiden trat an sie heran und legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter: „Hey, es ist alles gut. Ich kann mir denken, dass dir das Angst macht, aber das Einzige, was dich hier irgendwie angreifen kann, sind die Shadows und die kannst du wegbrennen. Kriegst du das hin, Miyuki?“ „I-ich versuche mein Bestes, Aiden-kun“, nickte die Künstlerin und lächelte den Braunhaarigen dankbar an, bevor dieser sich dem Geschäft zuwandte: „Okay, Leute, dann wollen wir mal loslegen. Mirai, kannst du Kako über die Splitter heben, oder sollen wir das machen?“ „Das mach ich selbst, geh du mit Luca vor und beseitige mögliche Gefahren. Haruka und Miyuki bleiben hinten und schießen von da“, bestimmte die Silberhaarige und stemmte die Hände an die Hüfte. Als sie keine Widerworte bekam, hob sie ihren Hund hoch und trug ihn den Rest bis zum Geschäft, wo sich die doppelte Glastür wie von selbst öffnete und nur auf sie zu warten schien. „Spielwarengeschäft des Grauens, here we go“, murmelte Luca mit leichter Sorge in der Stimme, bevor sie zusammen in das Geschäft gingen, in dem Setsuna auf sie wartete.   Kapitel 27: XXVII - Spielwarengeschäft des Grauens -------------------------------------------------- ~~~Donnerstag 26. Mai 2016~~~ ~~~Shadow Welt~~~   Jeder Schritt, der von der Gruppe gemacht wurde, schien in dem langen Gang, der sich vor ihnen erstreckte, widerzuhallen und noch lauter zu werden. Kaum hatten sie das Geschäft betreten, war die gläserne Eingangstür hinter ihnen zugefallen und hatte sich nicht mehr öffnen lasse, egal wie sehr Aiden und Luca gezogen hatten. Da es für sie nun kein Zurück mehr gab und sie auch nicht zurückwollten, wandten sie sich dem Inneren des Dungeons zu. Er hatte von außen schon sehr schaurig ausgesehen und Miyuki fast einen Herzinfarkt verursacht, doch das Innere gab selbst dem Rest der Gruppe den Rest. Die Lampen, die von der Decke hingen, erinnerte an Mobiles für Babys, während die Wände aus hölzernen Verkaufsregalen mit zerfetzten Spielzeugen bestanden. Diese Regale waren von dicken Glasscheiben versperrt, was den Inhalt durch den Lichteinfall noch zehnmal schlimmer wirken ließ. Miyuki stieß immer wieder ein ängstliches Quieken aus, denn sie wollte so schnell wie möglich wieder hier raus, allerdings wusste sie, dass es nicht so einfach ging. Aiden ließ ihr einen Moment, um sich zu beruhigen, bevor sie sich in Bewegung setzten und langsam den Gang entlang schritten.   Einige der Lampen flackerten, sobald die Gruppe sich ihnen näherte, was die Sicht äußerst bescheiden machte. Das flackernde Licht bescherte Aiden leichte Kopfschmerzen, doch versuchte er diese durch massieren seiner Schläfen zu vertreiben, denn er durfte sich jetzt keine Schwäche leisten. Luca festigte immer wieder den griff um seine Hellebarde, während er die Umgebung im Auge behielt und leise seine Gedanken aussprach: „Okay, bei Tenno habe ich das mit dem Metall und der anschließenden Bühne ja noch verstanden, aber warum ist der Dungeon von dem Knirps eine fucking Geisterbahn?“ „Gute Frage. Vielleicht erschreckt er gerne Leute“, mutmaßte Mirai und griff die Leine von Kako fester, denn sie konnte und wollte nicht zugeben, dass sie in diesem Ort langsam aber sicher Panik bekam. Haruka schien tatsächlich die Einzige zu sein, die sich von der Umgebung kein bisschen ablenken ließ, denn sie hatte den Blick fest nach vorne gerichtet. Leider schien der grobe Aufbau des Dungeons dem von Haruka zu ähneln, denn es hatte gar nicht lange gedauert, bis die Gruppe sich mit einer Kreuzung und Kurve nach der anderen herumschlagen musste. Bei jeder Ecke, die ihren Weg formte, waren die Teenager in Alarmbereitschaft, denn sie mussten jederzeit mit einem Angriff rechnen. Je mehr Zeit verging, ohne dass sich ein Shadow blicken ließ, umso paranoider wurden die Schüler.   Als sie die nächste Sackgasse erreichten, seufzte Miyuki müde auf und rieb sich nervös den Arm, als Aidens Blick auf eine Kiste fiel, die alleine an der Wand stand und nur auf sie zu warten schien. „Eine unbewachte Schatzkiste? Nie im Leben ist das eine Falle“, brummte Mirai sarkastisch und kniff die Augen leicht zusammen, während der Anführer Anweisungen gab: „Wir nehmen uns den Inhalt. Luca, halt mir den Rücken frei. Tenno, Miyuki, behaltet den Gang im Auge, vermutlich wird uns irgendwas angreifen, sobald wir das Ding aufmachen.“ Die drei Schüler nickten zustimmend und machten sich bereit, jederzeit anzugreifen. Aiden trat in der Zeit an die Kiste heran und klopfte erst mit einem seiner Schwerter dagegen, bevor er in die Hocke ging und den Deckel öffnete. Die Nerven der Gruppe waren bis zum Zerreißen gespannt, doch auch nachdem Aiden den Inhalt der Kiste, welcher aus einer kleinen Lehmfigur bestand, herausgenommen hatte, geschah nichts. Die drei Mädchen seufzten erleichtert aus und auch Kako bellte ihre Erleichterung heraus, während Luca sich leicht die Haare raufte: „Maldito! Wenn das so weitergeht wachsen mir noch graue Haare!“ „Es mag zwar jetzt nichts passiert sein, aber das heißt nicht, dass nicht doch noch etwas kommen kann. Bleib auf der Hut, Luca“, ermahnte Aiden seinen Freund, der die Augen schloss und leicht nickte: „Ja, schon klar, Amigo.“   Man sah den Schülern an, dass sie über das Ausbleiben von Shadows froh waren, doch leider hielt diese Erleichterung nicht lange an, denn als sie die erste Kurve des Rückweges nahmen, standen sie einem riesigen, lilafarbenen Käfer mit goldener Krone gegenüber. Leider kam er nicht alleine, denn er wurde drei Shadows begleitet, die an einen Adler mit einer Laterne an den Klauen erinnerte. Die drei Adler stießen aus der Luft herab und versuchten, Aiden und Luca mit ihren scharfen Schnäbeln zu erwischen, doch konnten die beiden Jungs den außen fliegenden Shadows ausweichen. Der dritte Shadow wurde in seinem Angriff von Miyuki mit einem Pfeil erwischt, wodurch er zu Boden stürzte. Auch Haruka versuchte, die Vögel vom Himmel zu holen, doch kam sie mit der Armbrust absolut nicht zurecht und beförderte den Bolzen in eine der Glasscheiben, die sofort unzählige Risse bekam. Der große Käfer unterdessen nahm die beiden Jungs ins Visier, die eng beieinanderstanden und versuchte, sie mit seinem riesigen Horn, an dessen Spitze die Shadowmaske saß, zu rammen. Gerade noch rechtzeitig konnten die beiden Schüler die Waffen zum Schutz hochreißen und einen direkten Treffer vermeiden. Leider war die Kraft des Shadows so groß, dass es die beiden Schüler rücklings von den Füßen riss.   So schnell es ging stemmten sich die beiden wieder hoch, doch leider wurde Luca dabei von einem der Adler gerammt und gegen das Glas geworfen. Den zweiten Adler konnte Miyuki mit einem gezielten Schuss in den Kopf vernichten, während Aiden den am Boden liegenden Vogel mit seinem Schwert exekutierte. Der Käfer setzte erneut zu einem Rammangriff an, doch konnte Haruka diesem mit einem Hechtsprung ausweichen, bevor Luca seine Persona Alphard beschwor und die verbleibenden Shadows jeweils mit einem Eisbrocken attackierte. Der Vogel ging durch den Angriff gnadenlos unter, doch den Käfer schien die Kälte nicht sonderlich zu stören. Mirai hielt sich mit Kako im Hintergrund, als sie eine Art Gedankenblitz hatte, denn sie wusste plötzlich, wo die Schwäche des Gegners lag: „Aiden! Haruka! Greift ihn mit Blitzen an!“ Die beiden Braunhaarigen sahen ihre Freundin einen Moment überrascht an, doch war Aiden sofort bereit, die neue Information zu nutzen. Er zog die Pistole und schoss sich in den Kopf, woraufhin der Tiger Raiju über ihm erschien und sofort einen krachenden Blitz auf den Käfer niedergehen ließ. Diesen Treffer hatte er deutlich gespürt, denn das Insekt wurde von dem Treffer von den Füßen gerissen und lag nun, hilflos mit den Beinen strampelnd, auf dem Rücken. Haruka hielt die Pistole mit zitternden Händen fest und versuchte ebenfalls, ihre Persona zu rufen, doch konnte sie sich nicht überwinden. Es war auch nicht nötig, denn ihre drei Teamkollegen hatten die Chance genutzt und sich auf den Shadow gestürzt, der unter den Schlägen in einer rot-schwarzen Rauchwolke verschwand.   Luca stützte sich nach dem Kampf erschöpft auf seiner Waffe ab und rieb sich die Seite, mit der er gegen das Glas geprallt war, bevor er leise jammerte: „Schleimviecher, Ritter mit unsichtbaren Pferden, Adler mit Laternen und riesige, gekrönte Käfer. Was kommt als nächstes? Ein Panzer?“ „Beschwör hier nichts!“, zischte Mirai und funkelte den Jungen böse an, als Haruka leise die Stimme erhob: „E-Es tut mir leid... Ich konnte es einfach nicht.“ Aiden sah die Brünette verwundert an, denn er brauchte einen Moment um zu verstehen, dass sie über ihre Persona gesprochen hatte. Man konnte der Brünette ansehen, dass es ihr wirklich leidtat, nicht geholfen zu haben. Bevor die beiden Jungs etwas sagen konnten, hatte Miyuki der Mechanikerin tröstend eine Hand auf die Schulter gelegt: „Nimm es dir nicht so zu Herzen, Haruka-chan. Es ist nicht einfach und ich konnte es am Anfang auch nicht. Ich habe mich anfangs auch so nutzlos gefühlt, weil ich Aiden-kun und Silva-kun nicht hatte helfen können.“ Mit großen Augen sah die Brünette ihre Freundin an und war erstaunt, dass auch Miyuki solche Probleme gehabt hatte. Luca ließ die Schulter ein paar Mal kreisen, bevor sich seine Hellebarde über die Schultern legte: „Es ist nicht so leicht, sich dabei zu überwinden, aber wir leben alle noch. Nimm dir die Zeit, die du brauchst, bis es klappt.“ Aiden lehnte sich mit einem Lächeln gegen das Glas und hielt es nicht für notwendig, hier noch etwas hinzuzufügen.   Haruka nahm noch ein paar tiefe Atemzüge, bevor sie die Armbrust wieder hinten an ihrem Gürtel festmachte: „Danke für euer Verständnis. Ich gebe mein Bestes, um euch nicht wieder zu enttäuschen!“ „Wissen wir doch, Tenno. Na los, gehen wir weiter. Da warten noch ganz viele Horrorspielsachen auf uns“, ergriff Aiden nun das Wort und setzte sich in Bewegung, wobei Luca sofort zu ihm aufschloss: „Weißt du, zu Halloween wäre das Teil hier der Hammer!“ Während die Jungs vorgingen, blieben die drei Mädchen noch kurz stehen und sahen ihnen nach. Die Szene brachte sie einfach zum Schmunzeln, als Haruka den Kopf leicht schief legte: „Ich hätte nicht gedacht, dass Silva so... aufmerksam und entgegenkommend ist. Eine echte Überraschung.“ „Gewöhn dich nicht zu sehr daran, sonst flirtet er dich direkt wieder an. Na kommt, sonst hängen die beiden uns noch ab. Kako, bei Fuß“, warf Mirai ein und zusammen hechteten die Mädchen hinter ihren Teamkollegen her, die an der nächsten Kreuzung auf sie warteten. Zusammen setzten sie ihren Weg fort, doch leider wirkte es jetzt so, als hätte ihr letzter Kampf die gesamten Shadows in diesem Labyrinth aufgeweckt. Hinter jeder zweiten Ecke kamen die Monster aus den Schatten gekrochen und griffen die Teenager an, doch blieb es zum Glück bei den Kleineren.   Haruka war mittlerweile etwas ruhiger geworden und hatte sogar gegen einen Shadow einen Treffer mit der Armbrust landen können, doch leider blieb ihr Trefferbilanz im negativen Bereich. Während sie die Sehne ihrer Waffe neu spannte, blieb Luca stehen und deutete nach vorne: „Hey, da ist eine Tür!“ „Na, die schauen wir uns mal an“, murmelte Aiden und schritt auf die besagte Tür zu, bei der es sich um eine einzelne, automatische Schiebetür handelte, die aus grünem Glas bestand. Im Gegensatz zu der Tür am Eingang blieb diese allerdings verschlossen, was Mirai wütend mit den Zähnen knirschen ließ: „Es war so klar! Wir finden eine Tür und dann ist sie verschlossen!“ „Bitte beruhig dich doch, Miri-chan“, jammerte Miyuki und zog leicht den Kopf ein, wodurch ihr Blick auf eine kleine Box neben der Tür fiel: „Was ist das denn?“ Sofort gingen die Blicke der anderen zu der Box, bei der es sich um einen Holzwürfel mit einem Loch an der Stirn und den Seiten handelte. Neugierig gingen die Schüler näher heran und untersuchten die Box genauer, wobei Haruka sie von allen Seiten musterte: „Hat diese Box etwas mit der Tür zu tun? Es sieht eher so aus, als wäre das so ein Spielzeug, mit dem Kinder die verschiedenen Formen lernen.“ „Vermutlich sind die dazu passenden Klötze der Schlüssel, um die Tür zu öffnen“, mutmaßte Mirai und legte nachdenklich den Kopf schief, während Kako mit dem Schwanz wedelte und ungeduldig bellte.   „Schön und gut, wenn das der Schlüssel ist, aber... Wer hängt denn an so einem Ort ein Lernspielzeug auf? Da gäbe es doch deutlich bessere Sachen“, wunderte sich Luca und starte die Box mit skeptischem Blick an, während Aiden die Löcher genauer untersuchte: „Mag sein, Luca, aber das ist unser einziger Anhaltspunkt, den wir momentan haben, also sollten wir es versuchen.“ „Dann ist es ziemlich offensichtlich. Wir brauchen nur die Figur mit der Farbe, welche zu der Tür passt und schon sind wir durch!“, freute sich die Brünette und deutete auf die Glastür, wobei sie auf Zuspruch ihrer Freunde hoffte. „Klingt tatsächlich einleuchtend“, stimmte Mirai zu und brachte Haruka leicht zum Hüpfen, als Aiden ihr einen Strich durch die Rechnung machte: „Funktioniert nicht. Es gibt kein grünes Loch.“ Geschockt kam Haruka zu ihm gelaufen und betrachtete die Box von allen Seiten, doch war tatsächlich nichts Grünes daran zu sehen. Luca lehnte sich an die Wand und blies sich ein paar Haare aus dem Gesicht, während mit seiner Hellebarde ein Hanteltraining simulierte: „Und was jetzt? Die Idee hat so gut geklungen, aber jetzt haben wir keinen Ansatzpunkt mehr… Irgendwelche Vorschläge?“   Mit einem synchronen Seufzer ließ die Gruppe die Köpfe hängen, als Miyuki nachdenklich die Unterlippe nach vorne schob: „Was für Farben und Formen sind denn an dem Würfel dran? Vielleicht kommen wir so weiter.“ „Hm? Warte… Ein roter Stern, ein gelbes Dreieck und ein blauer Kreis“, gab Aiden ihr Antwort, nachdem er zur Sicherheit noch einmal nachgesehen hatte. Zu seinem Erstaunen bekam er einen bösen Blick von der Grünhaarigen zu spüren, die empört die Hände an die Hüften stemmte: „Ihr wollt mir nicht ernsthaft erzählen, dass ihr das nicht gelöst bekommt, oder? Das ist doch kinderleicht und ich bin in Rätseln eine Niete!“ „Ist es?“, gaben ihre drei Mitschüler verwirrt zurück, woraufhin sich die Zeichnerin mit dem Handballen gegen die Stirn schlug: „Natürlich ist es das! Harukas Idee ist tatsächlich richtig, nur noch nicht ganz durchdacht. Ich denke eher, dass wir zwei der Formen brauchen, um dadurch zu kommen.“ Für einen Moment sahen sich die übrigen Teenager an, bevor Luca vorsichtig das Wort ergriff: „Und was genau bringt dich zu dieser Vermutung, Nobiro-chan? Und warum zwei Formen oder besser, warum zwei Schlüssel?“   „Habt ihr im Kunstunterricht in der Grundschule geschlafen? Natürlich hat die Box was mit dem Öffnen zu tun, sonst würde sie da nicht hängen, aber der Rest ist einfaches denken. Rot, Blau und Gelb sind die drei Grundfarben, aus denen man alle andere mischen kann“, erklärte die junge Frau, was Luca skeptisch dreinschauen ließ: „Drei? Ich dachte es wären vier. Was ist denn mit Grün?“ „Nein, drei. Grün ist keine Grundfarbe, auch wenn sie aus irgendeinem Grund immer mit den anderen drei zusammen genannt wird. Es ist nämlich eine Mischung aus Blau und Gelb“, stellte die Grünhaarige klar und verschränkte die Arme vor der Brust, was Haruka etwas zurückweichen ließ: „Wieso fühle ich mich gerade so, als ob ich eine Standpauke bekommen würde?“ „Keine Ahnung, aber sie kommt echt wie eine Lehrerin rüber“, stimmte der Spanier ihr zu und sah zu Aiden, der wieder die Box untersuchte und mit den Fingern über die Löcher fuhr: „Also… Wenn wir den blauen Kreis und das gelbe Dreieck finden, da das zusammen ja Grün ergibt, müssten wir die Tür öffnen können. Verstehe ich deine Theorie richtig?“ „Jap, etwas anderes kann es nicht sein, wir haben hier in dem Abschnitt alle Gänge abgesucht“, bestätigte die Schülerin noch einmal, wobei sie nachdenklich mit den Händen über ihren Zopf strich.   „Also müssen wir nochmal alles absuchen und hoffen, dass wir diese Figuren irgendwo finden“, murrte Mirai im Hintergrund, wobei sie genervt das Gesicht verzog, im nächsten Moment allerdings aufsah. Luca war an die Tür herangetreten und holte mit seiner Waffe aus: „Mal ne andere Idee. Es ist Glas, also warum schlagen wir sie nicht einfach ein? Geht viel schneller.“ „Mach das nicht, Luca!“, schrie Mirai aus und versuchte, den Spanier zu stoppen, doch leider prallte die Spitze seiner Waffe bereits gegen das Glas, was einen starken Stromschlag auslöste, der den Jungen von den Füßen riss und kurz vor Schmerz aufschreien ließ. Luca saß am Boden und biss die Zähne zusammen, wobei er verzweifelt versuchte, die unkontrollierten Zuckungen in seiner rechten Hand zu stoppen. Seine Freunde scharrten sich um ihn und erkundigten sich nach seinem Zustand, doch war es zum Glück bei einem Schreck und einem kurzen Stromschlag geblieben. Immer wieder schüttelte der Braunhaarige seine zitternde Hand aus, als er von Mirai einen Schlag an den Kopf bekam: „Baka! Warum machst du so einen Mist? War doch klar, dass das nicht funktioniert.“ „Hätte ja sein können…“, brummte der Gescholtene kleinlaut und ließ sich von Aiden wieder auf die Beine ziehen, während Haruka seine Waffe aufhob und ihm reichte. Sie ließen dem Schüler noch einen Moment, um wieder zur Ruhe zu kommen, bevor Aiden sich auf den Rückweg machte: „Kommt, lasst uns sehen, dass wir irgendwo diese Formen finden.“ „Und besser schnell. Ich habe keine Lust, in den Reaper reinzulaufen. Der Anblick aus der Distanz hat mir gereicht“, stimmte die Silberhaarige zu und folgte dem Anführer, ebenso wie der Rest der Gruppe, der sich nun langsam in Bewegung setzte.   Sie kamen leider nur sehr langsam vorwärts, da sie die Blicke stets starr auf den Boden gerichtet hatten. Nach einer Weile machten sie eine kurze Pause, da den Persona-Usern von dem ganzen Nach-unten-starren der Nacken wehtat. Aiden und Luca rieben sich den Nacken, als Miyuki sich an dem Gals nach unten gleiten ließ, um sich etwas hinzusetzen. Doch kaum hatte sie sich gesetzt, sprang sie mit einem spitzen Aufschrei wieder auf und sah auf die Stelle, wo sie gerade gesessen hatte. „Was ist los, Miyuki?“, kam Haruka erschrocken zu ihr gelaufen, denn die Reaktion der Grünhaarigen hatte sie alle zusammenzucken lassen, doch deutete die Zeichnerin auf den Boden: „Ich habe mich auf irgendwas drauf gesetzt... Warte mal. Hey, das ist das gelbe Dreieck!“ „Ernsthaft?“, rief Luca aus und kam dazu, um sich ein Bild von der Situation zu machen, doch hatte Miyuki Recht und hob gerade das gesuchte Objekt auf. Haruka freute sich über den Fund, doch Luca war leider nicht so optimistisch: „Ist das hier nicht ein wirklich... willkürlicher Ort, um so etwas zu verstecken? Das heißt, wir müssen echt alles absuchen, um diese Teile zu finden.“   Die beiden Mädchen ließen betrübt die Köpfe hängen, doch hatten Aiden und Mirai in der Zwischenzeit etwas anderes gefunden, was ihre Neugier geweckt hatte. Der Braunhaarige war in die Hocke gegangen und betrachtete eine nasse Stelle am Boden, welche die Silberhaarige mehr als skeptisch machte: „Was macht die Pfütze hier? Hier ist kein Wasserhahn oder ähnliches.“ „War auch nicht notwendig, wenn wir Luca haben. Komm, halt mal den Finger rein“, grinste der Braunhaarige, woraufhin die junge Frau kurz mit dem Finger durch das Wasser fuhr und dann die Augen aufriss: „Das... ist Eiswasser. Die ist von einer von Luca‘s Attacken. Verstehe, also hat einer der Shadow, die wir besiegt haben, das Ding fallen lassen, das Miyuki gerade aufgehoben hat.“ „Genau. Leute, wir gehen weiter und suchen nach den Orten, wo wir gegen Shadows gekämpft haben. Schaut euch da genau um!“, ordnete Aiden an und sah zu seinen Freunden, die alle sofort verstanden hatten, worauf er hinauswollte.   Mit neuem Elan machte sich die Gruppe auf den Weg, um ihre Kampfplätze von vorher zu suchen, was aufgrund der Kollateralschäden, die sie hinterlassen hatten, auch nicht schwer war. Bei den ersten Stellen gingen sie leider leer aus und ihr nächster Fund war mit dem roten Stern auch leider das falsche Objekt, doch als sie endlich den blauen Kreis in der Hand hielten, liefen sie so schnell es ging zu der Tür zurück. Vor dem grünen Glas angekommen reichte Aiden Miyuki die beiden benötigten Figuren und lächelte sie an: „Ich denke mal, die Ehre gebührt dir, Miyuki.“ „Okay“, grinste die junge Frau und nahm die Förmchen, die sie vorsichtig in die dafür vorgesehene Öffnung schob und dann zu der Tür sah, die ein kurzes Piepen von sich gab und sich dann öffnete. Die Gruppe grinste sich fröhlich an, doch kaum war die Tür komplett geöffnet, verfärbte sich das Licht in dem Dungeon rot und mehrere Stimmen hallten durch die Gänge.   „Schaut euch den mal an. Der spielt mit seiner Puppe.“ „Das ist keine Puppe, sondern eine Action-Figur!“ „Red dir das nur ein, du Zwerg. Zeig mal her!“ „Hey, gib sie mir zurück!“ „Hol sie dir doch, wenn du kannst. Oh, ganz vergessen... Du bist viel zu klein, um sie dir zu holen. Mal sehen, ob das Teil schwimmen kann.“ „Was? Nein! Lass das!... Ich hasse euch... Ich hasse euch alle...“   Es ertönte ein Geräusch, welches an ein Radio erinnerte, das gerade seinen Sender verloren hatte, bevor es still wurde. Die fünf Teenager sahen sich erschrocken an, wobei man vor allem Haruka ansah, dass sie das eben gehörte sehr mitnahm. „Eine der Stimmen... das war doch Akutagawa, oder?“, ergriff Aiden das Wort und sah zu der Brünetten, die die Hände vor der Brust faltete und an die Decke schaute: „J-ja... der Junge, der mit der Figur gespielt hat, ist Setsuna.“ „Klingt für mich so, als würde der Knirps von den Größeren gemobbt werden. Alter, da krieg ich was an mich“, knurrte Luca und ballte die Hand zur Faust, sodass seine Knöchel weiß hervortraten. Auch Miyuki schien das eben gehörte sehr mitzunehmen, denn sie biss sich nervös auf die Unterlippe und zitterte ein wenig. Auch wenn er sich selbst damit ziemlich kaltherzig vorkam, machte Aiden einen Schritt durch die nun offene Glastür und sah nach hinten zu seinen Freunden: „Lasst uns gehen. Wir sollten so wenig Zeit wie möglich verschwenden und zusehen, dass wir Akutagawa hier rausbekommen.“ „Aiden hat Recht, also reißt euch zusammen, ihr Jammerlappen“, knurrte Mirai und stolzierte mit Kako hinter dem Braunhaarigen her, was Haruka wütend mit den Zähnen knirschen ließ: „Wir kann euch das so kalt lassen? Ist euch egal, was mit Setsuna gewesen ist?“ Aiden blieb stehen und nahm einen tiefen Atemzug, bevor er sich umdrehte und die Brünette fest ansah: „Nein, er ist mir nicht egal. Wenn er es wäre, würde ich diese Aktion nicht durchziehen. Aber egal, was früher mit ihm gewesen war, es ist momentan wichtiger, wie es ihm jetzt im Moment geht und da läuft uns leider die Zeit davon.“ Überrascht von der Ansage riss Haruka die Augen auf, als Mirai noch etwas hinzufügte: „Wenn wir den Kleinen hier rausgeholt haben, könnt ihr ihn so viel bemitleiden, wie ihr wollt.“ Die drei verbleibenden Persona-User sahen sich erstaunt an, bevor sie gleichzeitig nickten und sich aufmachten, ihren beiden Freunden tiefer in den Dungeon zu folgen.   Kapitel 28: XXVIII - Blitz und Donner ------------------------------------- ~~~Donnerstag 26. Mai 2016~~~ ~~~Dungeon~~~   Mit einem lauten Krachen schlug der riesige Käfer-Shadow mit seinem Horn gegen die nächste Glasscheibe und sackte kurz in sich zusammen, bevor er von einem riesigen Feuerball getroffen und zerfetzt wurde. Miyuki hüpfte freudig und summte eine Siegesmelodie, während Aiden am Boden kniete und sich den Schweiß vom Kinn wischte. Seit sie in diesen Abschnitt gekommen waren, wurden sie an gefühlt jeder Ecke von Shadows überfallen. Die kleineren Shadows wie die Schleime oder die Adler waren mittlerweile kein Problem, da Haruka langsam warm wurde und sie auch mit der Armbrust traf, doch die Käfer waren eine andere Sache. Diese erwiesen sich nämlich als extrem hartnäckige Gegner, die ihnen viel Kraft abverlangten. Da Haruka es allerdings immer noch nicht hinbekam, ihre Persona zu rufen, musste Aiden nicht nur das Wind-, sondern auch das Blitzelement mit abdecken. Er wollte es vor seinen Freunden nicht zeigen, aber das ständige wechseln zwischen Rigel und Raiju zerrte deutlich an seinen Kraftreserven und er wusste auch nicht, wie lange er das noch durchhalten würde. Um sich nichts anmerken zu lassen griff er nach seiner Tasche und zog eine Wasserflasche hervor, die er auf ex leerte. Als er sich etwas beruhigt hatte, erhob er sich und streckte sich erst einmal ausgiebig, bevor er seine Freunde zum Weitermachen aufrief.   Nach jedem Kampf suchten sie den Boden ab, damit sie auch ja keine der Figuren übersehen würden, doch zu ihrem Erstaunen ließ keiner der Shadows etwas fallen. „Hat sich hier die Situation geändert oder warum kommt da nichts mehr?“, wunderte sich Luca und kratzte sich fragend am Hinterkopf. Auf eine Antwort wartete er vergebens, denn keiner der anderen wusste, warum sie nichts fanden. Die Stille zwischen ihnen wurde allerdings von Kako durchbrochen, die im nächsten Moment zu knurren begann und wie wild bellte. Die Reaktion des Tiers löste bei allen sofort Alarmbereitschaft aus und sie starrten auf den Gang vor ihnen, in dem kurz darauf eine goldene Hand auftauchte. „Oh, das ist wieder einer von denen“, merkte Miyuki an, da sie sich noch gut an diesen Shadow erinnerte, doch knuffte Mirai ihr gegen die Schulter: „Steht da nicht rum! Macht ihn fertig! Die haben alle möglichen Schätze bei sich!“ Sofort gingen die Persona-User zum Angriff über, doch weder Miyuki noch Haruka konnten einen Treffer bei ihm landen. Luca traf zwar mit seiner Hellebarde, doch schien es die Hand kein bisschen zu stören. Erst Aidens Schwerthieb ließ den Shadow kurz wanken, doch entschied er sich dann dazu, die Flucht zu ergreifen. „Los! Hinterher!“, rief Mirai und so schnell sie konnten, rannte die Gruppe der Hand nach und versuchte dabei, sie nicht nach jeder Kurve aus den Augen zu verlieren. Kurz bevor sie ihr Ziel einholen konnten, löste es sich in einem schwarz-roten Nebel auf und verschwand gänzlich.   Erschöpft sanken die drei Mädchen zusammen und stöhnten müde auf, während die beiden Jungs sich darüber ärgerten, ihr Ziel verloren zu haben. Selbst Kako wirkte schlecht gelaunt, denn sie knurrte immer wieder, bevor sie zu ihrem Frauchen zurückkehrte. „All die Mühe für nichts“, jammerte Haruka und strich sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht, doch sah sie auf, als Miyuki ihr gegen den Arm tippte: „Nicht ganz. Schaut mal, da ist eine Kiste.“ „Glück im Unglück, würde ich sagen“, lachte Luca und wollte schon auf die Kiste zugehen, als sein Freund ihn am Handgelenk zurückhielt: „Bleib auf der Hut, Luca. Wer weiß, ob das nicht eine Falle ist.“ Mit einer leisen Entschuldigung blieb der Spanier stehen und meinte nur, dass ihn das Schatzfieber ein bisschen zu sehr gepackt hätte, bevor sie zu fünft an die Kiste traten. Sie sah anders aus als die, die sie bisher gesehen hatten. Die übrigen Kisten waren schlicht braun gewesen, doch diese war bunt und hatte ein kleines Drehschloss am Deckel. „Okay, jetzt spielen wir Schlossknacker! Aber wie sollen wir das machen? Wir brauchen einen Hinweis auf die Lösung, sonst lösen wir vermutlich eine Falle aus“, brummte Aiden, doch war Mirai anscheinend so genervt, dass sie einfach begann, an den Rädchen zu drehen. „Hey, wieso darf sie einfach machen und ich werde immer angemeckert?“, kam es empört von Luca, doch wollte keiner seiner Freunde hier für irgendjemanden Partei ergreifen. Eine Antwort bekam er allerdings von Mirai, die ihn süffisant angrinste: „Weil ich im Gegensatz zu dir keine Falle auslöse. Sie ist offen.“   Sofort scharrte sich die Gruppe um die Kiste, welche von Mirai geöffnet wurde und drei Gegenstände zum Vorschein brachte: Eine Armbrust, einen Bolzenköcher und einen kleinen, blauen Kreis. „Da ist die Figur! Wir haben sie! Aber warum die Armbrust?“, stoppte Miyuki ihre Euphorie und sah auf den Schatz, den die Silberhaarige gerade Haruka in die Hand drückte: „Da, dann musst du nicht die von Zen benutzen.“ „Ist auf jeden Fall praktisch. Was war jetzt eigentlich die Lösung für die Truhe? Ich bin neugierig“, lachte Aiden und sah seine Freundin an, die nur unbeteiligt mit den Achseln zuckte und dann ihren Hund streichelte: „0320, frag mich aber nicht, was es damit auf sich hat.“ „Seine Passwörter sind meistens sehr einfach zu erraten, aber... mir fällt hierzu gar nichts ein“, murmelte Haruka und legte ein paar Mal ihre neue Waffe an, um ein Gefühl dafür zu bekommen, bevor sie entschlossen nickte: „Ich denke, damit kann ich arbeiten. Wenn sie nur nicht so quietsch bunt wäre.“ „Man kann nicht alles haben, Tenno-chan“, säuselte Luca und machte sich mit Mirai und Haruka bereits auf den Rückweg. Aiden blieb allerdings stehen und brummte nachdenklich, weshalb Miyuki an ihn herantrat und ihn neugierig musterte: „Was ist denn los, Aiden-kun?“ „Ich bin am überlegen, ob diese Zahl für ihn eine besondere Bedeutung hat und ob wir sie hier vielleicht noch einmal brauchen werden. Wir sollten sie auf jeden Fall im Hinterkopf behalten“, murmelte der Braunhaarige und marschierte mit vor der Brust verschränkten Armen hinter seinen Freunden her, als Miyuki versuchte, ihn aufzuheitern: „Jawohl, Chef! 0320 ist abgespeichert!“   Mit schnellen Schritten holten die beiden zu ihrem Team auf, welche sich mittlerweile zu der nächsten Glastür durchgekämpft hatten und nun vor dieser warteten. Sofort stach einem das lilafarbene Glas der Tür ins Auge, welches absolut nicht zum Rest des Dungeons passte, doch würden sie sich hier nicht allzu lange aufhalten. Miyuki studierte die Tür und nickte anschließend mit dem Kopf: „Wie erwartet. Wir haben noch einen roten Stern und eben einen blauen Kreis gefunden. Passend dazu haben wir hier die lilafarbene Tür. Lasst uns keine Zeit verlieren.“ Damit setzte sie die beiden Holzblöcke in die Box neben der Tür ein, woraufhin sich die Glastür lautlos öffnete. Es blieb allerdings nicht ruhig, denn wie auch bei der letzten Tür flackerten die Lichter und mehrere Stimmen hallten durch die Gänge.   „Oh, schau mal, Setsuna. Da ist diese Figur aus deiner Lieblingsserie.“ „Was? N-Nein, das stimmt nicht. Ich mag diese Serie gar nicht, die ist doof.“ „Och komm, jetzt sei doch nicht so. Ich weiß doch, wie sehr du das magst.“ „S-stimmt gar nicht.“ „Du kleiner Sturkopf. Deine letzte Prüfung war so gut, ich finde, du hast dir eine Belohnung verdient. Ich kaufe sie dir.“ „Hörst du mir eigentlich zu? Ich hasse das Zeug und hör auf, mich wie ein Kind zu behandeln!“   Es rauschte wieder und die Stimmen verstummten, doch war Aiden sicher, dass er durch das Rauschen noch einmal die Stimme des Jungen gehört hatte. Er hatte es nicht genau verstehen können, doch es hatte für ihn wie ein „Tut mir leid, Mama“ geklungen, weshalb er nachdenklich die Stirn in Falten legte. „Also... aus dem Knirps soll mal einer schlau werden. Bei seinen Mitschülern verteidigt er seine Figuren und wenn seine Mutter ihm was Gutes tun will, dann zickt er rum. Die Jugend von heute“, murmelte Luca und breitete theatralisch die Arme aus, denn er verstand die ganze Situation einfach nicht. „Es scheint so, als würde er sich vor seinen Mitschülern für das schämen, was er mag, aber... dann ergibt das Verhalten bei seiner Mutter keinen Sinn. Sie weiß doch, was er mag und will ihm was Nettes tun, also warum diese Überreaktion?“, warf nun Mirai ein und tippte nachdenklich mit dem Fuß auf den Boden. „Das Problem ist, dass wir lediglich Dinge hören, sie aber nicht sehen. Es passt nicht, außer... Man hört doch oft, dass Kinder versuchen, sich erwachsener zu verhalten. Wollte er das mit der Aussage erreichen?“, tat nun Aiden seine Meinung kund, doch schüttelte er dann den Kopf, als Miyuki auf seine Aussage einging: „Dann hat er das aber nicht geschafft, er wirkt sogar noch kindischer damit.“ „Lasst uns weitergehen, es bringt uns nicht weiter, wenn wir hier rumstehen“, murmelte Haruka leise und trat durch die Tür in einen langen Gang.   Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend folgten die Teenager Haruka, die einen langen, schmalen Flur entlanglief, an dessen Ende man eine große Tür erkennen konnte. Luca und Miyuki bekamen ein noch viel schlechteres Gefühl, als sie dieses Tor sahen, denn sie erinnerten sich an das letzte Mal. Mirai blieb mit Kako hinten und biss sich auf die Unterlippe. Wenn hinter dieser Tür das lauerte, von dem sie es erwartete, dann würde sie erneut nur im Weg herumstehen. Es wurmte sie extrem, dass sie kein bisschen helfen konnte und durch Kako war noch eine weitere, schutzbedürftige Person dabei. Sie wandte den Blick von der Tür ab und sah zu Aiden, der sich kurz an den Kopf fuhr und dabei das linke Auge zusammenkniff. „Alles in Ordnung, Aiden?“, ergriff die Silberhaarige nun das Wort, um sich von ihren eigenen Gedanken abzulenken, doch winkte der Braunhaarige nur mit der Hand ab: „Ja, alles gut. Ich kriege von diesem flackernden Licht nur Kopfschmerzen, das ist alles.“ „Ja, das stört wirklich“, stimmte Haruka schnell zu und sah besorgt über die Schulter zu dem Braunhaarigen, der jedoch schnell versicherte, dass er in Ordnung sei.   Mirai glaubte das nicht so wirklich, denn ihr war bereits in Harukas Dungeon aufgefallen, dass Aiden so komisch geguckt hatte und da waren keine flackernden Lampen gewesen. Um ihre Freunde nicht noch weiter zu verunsichern, behielt sie ihre Bedenken für sich und sah wieder zu der Tür, bei der sie gerade angekommen waren. Aiden trat vor und wandte sich seinem Team zu, wobei er ihnen erklärte, dass dies vermutlich wieder ein starker Shadow sei, ihnen danach allerdings der Teleporter und damit der Rückweg zur Verfügung stehen würde. Nach diesem Kampf würden sie die Erkundung also unterbrechen, weshalb er noch betonte, dass es keinen Grund gäbe, sich zurück zu halten. Die anderen drei Persona-User nickten zustimmend, denn es war klar, dass sie hier mit voller Kraft kämpfen konnten und sich nichts aufsparen mussten. Noch einmal atmeten sie tief durch, bevor Aiden die Tür aufzog und sie nacheinander den Raum betraten.   Beim letzten Mal waren sie in einer metallenen Sauna gelandet, doch hatten sie dieses Mal mehr Glück, denn sie standen in einem normalen, recht weitläufigen Raum, der vor Spielsachen nur so überquoll. Wo man hinsah lagen Bausteine, Klötze und Bälle herum oder waren zu hohen Türmen aufgestapelt, doch war das nichts zu den beiden Gestalten, die in der Mitte des Raumes Rücken an Rücken hockten. Sofort zogen die vier Schüler ihre Waffen, während Aiden Mirai dazu ermahnte, sich irgendwo mit ihrem Hund Deckung zu suchen, damit ihr nichts passierte. Die Gestalten im Zentrum rührten sich erst, als die Gruppe ein Stück näher an sie herantrat, denn jetzt erhoben sie sich und wandten sich langsam der Gruppe zu. Bei der linken Gestalt handelte es sich um eine Frau mit kurzen, blonden Haaren in weißer Kleidung. Die rechte Gestalt war eine junge Frau mit langem, blau-grauem Haar und einem Haarschmuck, der ein wenig an einen mittelalterlichen Helm erinnerte. Auch sie trug weiße Kleidung, handelte es sich dabei allerdings eindeutig um eine Schuluniform. „Also ich fühle mich etwas unwohl dabei, gegen zwei so hübsche Damen zu kämpfen“, witzelte Luca und schüttelte leicht empört den Kopf, doch wich er sofort zurück, als die beiden Frauen ihn mit den giftgelben Augen eines Shadows ansahen. „Ich glaube, du hast deine Meinung geändert, oder, Silva-kun?“, brummte Haruka und legte einen Bolzen in ihre Armbrust, während Miyuki bereits ihren Bogen spannte und zielte: „Schaut euch mal den Arm von der Blondine an. Ist sie so eine Art Roboter?“   Die Frage bekam sie sofort beantwortet, als die Blondine sie einen nach dem anderen ansah und dann mit einer monotonen, mechanischen Stimme sprach: „Eindringlinge lokalisiert. Initiiere Auslöschungsprotokoll.“ „Wie bitte?“, wich Haruka erschrocken zurück, doch schob sich Aiden schützend vor sie: „Verlier nicht die Nerven, Tenno! Wir machen es wie bei allen Shadows: Ihr beiden bleibt hinten und schießt, Luca und ich gehen in den Nahkampf. Bereit?“ „Verlass dich auf mich, Aiden-kun!“ „I-ich gebe mein Bestes, Kurosaki-kun!“ „Legen wir los, Amigo!“ Sofort stürmten die beiden Jungs nach vorne, um eine Öffnung für die beiden Schützinnen zu schlagen, doch wurde ihr Ehrgeiz schnell gebremst, als die Blondine zum Gegenangriff überging. Sie hob beide Hände und ließ die vordersten Fingerglieder wegklappen, weshalb Aiden und Luca sofort abbremsten und zur Seite sprangen. Die Aktion kam im letzten Moment, denn kurz darauf ging eine Kugelsalve auf die Stelle nieder, wo die beiden Schüler eben noch gestanden hatten. Aiden musste sich neu orientieren, doch war er noch gar nicht richtig mit den Füßen wieder auf dem Boden, als der zweite Shadow mit einer großen Axt angestürmt kam und nach ihm schlug. Er konnte einem direkten Treffer entgehen, indem er sein Schwert hochriss, doch schleuderte ihn der Schlag einige Meter zurück in einen Stapel Bausteine und sein Schwert ins Nirvana.   Haruka schoss sofort auf den Shadow, um ihn von dem Braunhaarige fernzuhalten, doch nutzte diese das Blatt ihrer Axt wie einen Schild: „Glaubst du wirklich, dass mich so ein mickriger Holzspieß verletzen kann?“ „Warte es ab!“, rief Miyuki und schoss einen Pfeil ab, doch prallte dieser ebenfalls an der Axt ab, was die Grünhaarige wütend mit den Zähnen knirschen ließ. Aiden bekam durch die Hilfe allerdings genug Zeit, um sich in eine sichere Position zu begeben, wo er seine Pistole zog: „Es geht nicht anders. Rigel!“ Auf den Schuss erschien der Speerträger, der sich sofort auf die Axtkämpferin stürzte und sie mit einem Stoß ein Stück zurückdrängte. Der blonde Shadow hob erneut die Hände und schoss auf die Persona, die jedoch mit zwei flinken Haken ausweichen konnte und dann mit einem Windstoß konterte. Luca und Miyuki ließen nicht lange auf sich warten und riefen ihre eigenen Persona, die die Axtkämpferin mit Feuer und die Schützin mit Eisattacken eindeckten. Zwar konnten beide einige Treffer landen, doch wirklich beeindruckt schienen die Shadows nicht zu sein.   Haruka setzte sich ebenfalls ihre Pistole an den Kopf, doch wollte sich ihr Finger einfach nicht um den Abzug krümmen, egal wie sehr sie es versuchte. „Wenn du nicht angreifen willst, dann mach ich es!“, rief der grauhaarige Shadow und stürmte auf die Brünette zu, die panisch zurückwich, über einen Spielstein stolperte und dadurch zu Boden stürzte. Luca versuchte einzugreifen, doch zwang ein weiterer Kugelhagel ihn zurück, während der Shadow die Axt hob. Haruka konnte nur tatenlos zusehen, wie das schwere Axtblatt auf sie niederging, doch bevor es sie erreichte, sprang eine Dämonin mit lilafarbener Haut und zwei Schwertern dazwischen und fing den Schlag ab. „Tenno! Ich weiß, dass es schwer ist, sich zu überwinden, aber denk daran, warum du hier bist!“, rief Aiden seiner Kameradin zu, während er versuchte, seine Person gegen den Schlag ankämpfen zu lassen. Die Brünette biss die Zähne zusammen, während sie über Aidens Worte nachdachte und sofort zu dem Punkt kam, warum sie hierhergekommen war: Setsuna. Sie griff die Pistole mit beiden Händen und presste sie sich unter das Kinn, was ihren Puls auf gefühlte 200 ansteigen ließ. Sie zitterte, doch wollte sie nicht wieder versagen, weshalb sie ihren Finger um den Abzug legte: „Ich will ihn retten, aber ich kann das nicht so, wie ich jetzt bin. Hilf mir, Spica!“   Das Erscheinen der Persona drückte den Shadow zurück, als die Frau im weißen Kleid erschien und den Kopf ihrem Gegner zuwandte. Auf den Befehl der Brünette hob die Persona ihren linken, mechanischen Arm und klappte ihre klingenartigen Flügel aus, als auf beide Shadows ein heftiger Blitz niederging und sie zu Boden gehen ließ. „Du kannst es, Haruka-chan!“, rief Miyuki und ließ Anser einen weiteren Feuerball auf die Axtträgerin werfen, während Luca mit der Hilfe von Alphard seine Gefährten in ein lilafarbenes Licht hüllte: „Nicht nachlassen, Leute! Tenno, hau ihnen noch eine rein!“ „Darum musst du mich nicht bitten! Spica!“, rief die junge Frau, woraufhin ihre Persona einen zweiten Blitzhagel auf die beiden Maschinen niedergehen ließ und sie weiter in den Boden drückte. Aiden biss die Zähne zusammen, denn er hatte nur noch genug Energie für einen Versuch, weshalb er seine Persona wieder auf den Tiger Raiju wechselte und der Grauhaarigen einen dritten Blitzschlag verpasste, der sie laut aufschreien ließ. Mit rauchendem und vor Blitzen zuckendem Körper wandte sich der Shadow am Boden, bevor sein Körper sich langsam in schwarz-roten Rauch auflöste: „Wie konnte ich... verlieren? Schwester, es liegt... jetzt an dir.“   Die Gruppe freute sich über ihren Triumpf, doch hatten sie vergessen, dass sie noch eine Gegnerin hatten, die sich jetzt wieder erhob und sie mit gelben Augen fixierte: „Gefahrenpotenzial: Hoch. Drastische Maßnahmen erforderlich. Aktiviere Orgia Modus!“ Von der Blondine stieg Dampf auf, als ein Geräusch erklang, dass an einen hochdrehenden Motor erinnerte. Im nächsten Moment sprintete der Shadow mit hohem Tempo nach vorne und beförderte Luca mit einem Tritt in Miyuki, wodurch beide zu Boden fielen und ächzend versuchten, sich in Deckung zu bringen. Leider ließ der Shadow ihnen keine Zeit, denn sie hob wieder die Hände und ließ eine weitere Salve an Kugeln auf die Schüler los. Zeit, um aus dem Weg zu springen hatten keiner der Schüler mehr, doch hatten sie es Luca zu verdanken, dass der Schaden relativ gering ausfiel. Der lilafarbene Schleier, den Alphard um alle gelegt hatte, lenkte die Kugeln so stark ab, dass sie die Schüler nur noch streiften, anstatt direkt zu treffen. Haruka ließ Spica erneut erscheinen und angreifen, doch war ihre Gegnerin durch den Powerschub zu schnell geworden und wich dem Blitz einfach aus. Aiden rannte zu seinen Freunden, um ihnen wieder auf die Beine zu helfen, als sie schon wieder aufs Korn genommen wurden. Die Blondine visierte Aiden an und wollte bereits schießen, als einer der aus Bausteinen bestehenden Türme auf sie krachte.   Erstaunt sah die Gruppe zur Seite, wo sie Mirai entdeckten, die anscheinend den Turm umgestoßen hatte, um ihnen zu helfen, doch hielt die Freude nicht lange, als aus dem Steinhaufen ein rotes Licht drang: „Persona, erscheine! Palladion!“ Die Steine wurde von einer großen Maschine mit blauem Umhang und einem goldenen Legionärshelm mit rotem Federschmuck beiseite gefegt. Der Kopf der Persona klappte auf und ließ eine Art Antenne erscheinen, bevor eine Welle aus Feuer die Schüler von den Füßen holte. Erneut dankten alle innerlich Luca für den Abwehrboost, doch lagen sie alle nun am Boden und waren ihrer Gegnerin hilflos ausgeliefert. Luca schaffte es, noch einmal Alphard zu rufen, der einen Eisbrocken auf den Shadow abfeuerte. Dieser traf auch, doch hielt sie das nicht davon ab, nach vorne zu gehen und sich über Aiden zu stellen. Geschockt weiteten sie dich Pupillen des jungen Mannes, als er in die fünf Pistolenläufe starrte und machte bereits sein Testament, als der Shadow stoppte. Erstaunt hob er den Kopf und sah in die gelben Augen der Frau, die anscheinend mit sich selbst rang: „Nein... das ist... falsch. Meine Aufgabe ist... dich zu beschützen... Mako... to...-san.“   Die Blondine zögerte weiter, doch war dieser Moment zu viel gewesen, denn im nächsten Moment zuckte ein Blitz durch ihren Körper und ließ sie zusammen sacken: „Überhitzt... Abkühlphase...“ Schnell schüttelte der Braunhaarige seine Zweifel ab und griff nach seinem zweiten Schwert, welches er schnell aus der Scheide riss und anschließend durch den Torso der Maschinenfrau bohrte. Aus der Wunde drang schwarz-roter Qualm, während die Frau den Kopf hängen ließ und sich langsam auflöste: „Mission... fehlgeschlagen... Error...“ Aiden wusste nicht, was er gerade denken sollte, doch gaben im nächsten Moment seine Beine nach und ließen ihn zu Boden gehen. Er wusste nicht wie, aber er war gerade dem Tod von der Schippe gesprungen, so viel war sicher. Luca ließ sich neben ihm zu Boden sinken und klopfte ihm hart auf die Schulter: „Ich habe keine Ahnung, wie wir das gemacht haben, aber wir haben es geschafft!“ „Das war für meinen Geschmack etwas zu knapp“, murmelte Haruka und presste sich eine Hand auf die Brust, während sie Miyuki nachsah, die zu Mirai lief und sich nach deren Gesundheit erkundigte.   Mühsam drückte sich der Braunhaarige wieder auf die Beine, um nach seinem verlorenen Schwert zu suchen, welches er unter einigen Bauklötzen entdeckte: „Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich bin völlig erledigt.“ „Lasst uns nach Hause gehen, heute werden wir definitiv nicht mehr alt“, stimmte Mirai zu, die sich einen Baustein aus den Haaren fischte und nach dem Teleportaltar suchte. Ein Bellen von Kako ließ sie aufschauen und grinsen, denn der Vierbeiner hatte das gesuchte Objekt bereits gefunden und wartete geduldig daneben. Noch einmal ließ die Gruppe den Blick schweifen, bevor sie sich zu dem grün leuchtenden Altar begaben und sich für heute auf den Weg nach Hause machten. Kapitel 29: XXIX - Zusammenhalt in allen Lagen ---------------------------------------------- ~~~Freitag 27. Mai 2016~~~   Der heutige Schultag entpuppte sich für Aiden und Miyuki als die reinste Qual. Dies lag aber nicht am Schulstoff, sondern daran, dass die beiden von der gestrigen Rettungsaktion vollkommen erledigt waren. Jede Bewegung tat ihnen weh und Konzentration war bei ihnen heute Mangelware. Die Tatsache, dass ihnen nachher der Sportclub erspart bleiben würde, machte die Sache ein wenig besser. Im Moment gab es aber etwas anderes, was sie beschäftigte, denn obwohl die letzte Doppelstunde des Tages bereits vor 20 Minuten begonnen hatte, war ihre Lehrerin noch nicht erschienen. Miyuki sah von der Skizze, die sie gerade zeichnete auf und ließ den Blick durch die Klasse schweifen, bevor sie zu Aiden schaute: „Komisch, es sieht Shiragami-sensei gar nicht ähnlich, einfach nicht zum Unterricht zu kommen.“ „Ja und uns hat auch noch keiner irgendwie was gesagt. Sollen wir jetzt zwei Stunden Selbstbeschäftigung machen?“, murmelte der Braunhaarige und massierte sich den rechten Oberarm, der vor Muskelkater ekelhaft pochte. Seine Sitznachbarin schien damit kein Problem zu haben, denn sie sah wieder auf ihre Zeichnung: „Also ich finde das gerade gar nicht so schlecht. Ich muss den Kopf frei bekommen, sonst macht Katō-senpai mich nachher rund... Oh warte, die Clubs fallen ja wegen Reinigung aus. Umso besser!“ Bei der Vorstellung musste der Junge belustigt schnauben, allerdings war es sich mittlerweile sicher, dass die junge Frau gar nicht so schlimm war, wie sie immer tat. Sie hatte ihm mit Mirai einen guten Rat gegeben und dafür war er der Älteren überaus dankbar. Irgendwann würde er sich mal erkenntlich zeigen müssen.   Im nächsten Moment hob er allerdings den Kopf, als die Tür aufging und seine Klassenlehrerin eintrat. Die Brünette trat ans Lehrerpult und sah ihre Klasse mit festem Blick an: „Es tut mir leid, euch das sagen zu müssen, aber Shiragami-san hat sich auf unbestimmte Zeit krank gemeldet.“ Sofort brach Unruhe unter den Schülern aus, da sie mehr über ihre Lehrerin erfahren wollten, doch verschaffte sich die Brünette Ruhe, indem sie ein Buch auf das Pult fallen ließ: „Ruhe jetzt! Ihr werdet euch die verbleibenden anderthalb Stunden leise selbst beschäftigen. Nutzt die Zeit zum Lernen oder um eure Hausaufgaben zu machen. Ich will keinen sehen, der morgen seine Sachen nicht erledigt hat. Wir sehen uns morgen, meine Lieben.“ „Bis morgen, Toriumi-sensei“, gab die Klasse synchron Antwort, bevor sich ein Großteil daran machte, ihre Bücher auszupacken. Auch Aiden gehörte dazu, denn wenn er sein Zeug jetzt erledigt bekam, hatte er später mehr Zeit für andere Dinge. Seine Nachbarin schien denselben Gedanken gehabt zu haben, denn auch sie zog ihre Bücher hervor und machte sich mit ihm an die Arbeit. Die beiden Schüler waren am Ende selbst erstaunt darüber, wie viel sie in den zwei Schulstunden geschafft hatten, denn als es zum Ende des Schultages klingelte, hatten beide ihre Hausaufgaben bis auf ein paar einzelne, kleine Aufgaben erledigt. „Puh, das Schwerste ist geschafft, also kein Grund mehr zur Panik“, lachte Miyuki und räumte ihr Pult leer, bevor sie sich langsam erhob: „Ich habe noch was vor. Wir sehen uns heute Abend, okay?“ „Okay, bis heute Abend, Miyuki“, verabschiedete sich Aiden von seiner Mitbewohnerin und erhob sich dann selbst von seinem Platz.   Mit geschulterter Tasche verließ er mit einigen seiner Mitschüler den Raum, nur um von einer Hand gepackt und zur Seite gezogen zu werden. Ein Blick nach oben verriet ihm auch, wer der Übeltäter war: Luca. Der Spanier hatte sein typisches Grinsen aufgesetzt und hob grüßend die Hand: „Na, den Tag gut überstanden, Amigo?“ „Ja, soweit ganz gut. Wir hatten nur die letzten beiden Stunden keine Lehrerin. Shiragami-sensei ist anscheinend krank“, erklärte der Braunhaarige und verschränkte nachdenklich die Arme vor der Brust, als hinter ihm eine weibliche Stimme erklang: „Das wundert mich eigentlich nicht. Sie muss krank vor Sorge sein.“ Überrascht drehten die beiden Jungs sich um und standen Haruka und Sakura gegenüber, wobei die Rosahaarige sich ans Kinn tippte: „Angeblich soll sie einen Nervenzusammenbruch gehabt haben. Meint ihr, dass das stimmt?“ „Naja, es hieß, dass sie auf unbestimmte Zeit krank ist“, gab Aiden zurück und sah in die Runde, als Luca ihm einen Arm um die Schulter legte: „Hey, was haltet ihr davon, wenn wir vier Hübschen uns zusammen einen schönen Nachmittag machen?“   „Mit dir kann das nicht schön werden, Silva. Außerdem... muss ich kurz was mit Kurosaki besprechen, unter vier Augen, wenn es geht“, gab die Rosahaarige leicht gereizt zurück und bedeutete Aiden, ihr zu folgen. Mit sehr gemischten Gefühlen trottete der Braunhaarige hinter seiner Teamkollegin her, die ihn in den kleinen Bereich zwischen dem eigentlichen Campus und dem Sportkomplex führte. Dort angekommen seufzte das Mädchen erst einmal auf und fuhr sich durch die Haare, bevor sie sich zu ihm umdrehte und ihn einen Augenblick nur ansah. „Du... hast nichts über das verraten, was damals zwischen uns passiert ist, oder?“, sprach sie endlich das aus, was ihr anscheinend auf der Seele brannte. Aiden senkte leicht den Kopf, denn er hatte mit so etwas bereits gerechnet, seit Masao ihn nach dem Training darauf angesprochen hatte, doch hatte er sich absolut nichts zu Schulden kommen lassen: „Ich kann mir denken, warum du mich das fragst, aber ich schwöre, dass ich kein Wort darüber verloren habe.“ Er hegte ehrlich gesagt keine große Hoffnung darauf, dass die junge Frau ihm Glauben schenken würde, doch zu seiner großen Überraschung begann sie zu lächeln: „Das hatte ich mir fast schon gedacht, aber ich wollte nur noch einmal auf Nummer sicher gehen. Entschuldige, wenn ich dich damit gerade etwas überfallen habe, aber mir ist am Montag fast das Herz in die Hose gerutscht, als Munemasa-senpai mich darauf angesprochen hat.“   „Ja, kann ich mir vorstellen, ging mir nicht anders. Ich frage mich aber, wie das überhaupt rausgekommen ist“, brummte der Braunhaarige und lehnte sich an die Wand der Überdachung, während er nachdenklich den Kopf schief legte. Sakura hingegen ging immer wieder auf und ab und kaute dabei nervös auf ihrem Daumennagel herum: „So wie es aussieht, sind es momentan nur Gerüchte, aber vielleicht hatte ich an dem Tag auch einfach etwas zu laut geschrien.“ „Egal wie das hier zustande gekommen ist, du musst jetzt noch mehr aufpassen“, ermahnte Aiden seine Freundin, die sich mit beiden Händen durch die Haare fuhr und anscheinend nicht wusste, was sie jetzt tun sollte: „Am liebsten würde ich ja sagen, dass ich eine Weile vom Club weg bleibe, aber dann werden die Leite vermutlich sofort denken, dass ich der Spanner war. So ein Elend.“ „Ja, wobei du doch eigentlich die Bespannte warst. Hör mal, vermutlich machst du dir einfach zu viele Gedanken deswegen. Mach so weiter wie bisher, denn es ist ja sonst nichts weiter passiert. Wenn ich nicht wieder so ein scheiß Timing habe, sollte nichts passieren“, versuchte der Braunhaarige seine Bekannte etwas zu beruhigen, was ihm leider nur sehr wenig gelang.   Sakura lief noch ein paar Mal hin und her, bevor sie mit einem lauten Seufzer arme und Kopf hängen ließ: „Vermutlich hast du Recht, Kurosaki-kun. Ich werde wirklich versuchen, die Sache ruhig auszusitzen und mache weiter wie bisher. Danke, dass du mir zugehört hast, die Sache hat mich echt fertig gemacht.“ Aiden sah sie eine Weile an, doch dann lächelte er sanft, während sich in seiner Brust ein warmes Gefühl breitmachte: „Ist okay. Zusammen werden wir das Problem irgendwie in den Griff bekommen, Nozaki. Was ich dich aber seit langem mal fragen wollte... Ist denn keiner in deiner Klasse, der dich im Club an deinem Nachnamen erkennen könnte?“ Auf die Frage lachte die Rosahaarige auf und stemmte eine Hand an die Hüfte: „Nein, das kann nicht passieren. In meiner Klasse ist nämlich niemand, der in den Kendo-Club geht. Die sind alle eher für Fußball, Boxen oder Schwimmen. Also ist das Problem schon einmal aus der Welt. Ich muss mich ein bisschen abreagieren... Hast du Lust, mit in das Dōjō von Papa zu kommen? Dann kannst du noch ein bisschen an deinem Einhandstil üben.“ Eigentlich hatte Aiden darauf überhaupt keine Lust, denn sein ganzer Körper schrien innerlich seinen Protest heraus, doch wurde ihm keine Zeit für eine Antwort gelassen, als Sakura ihn an der Hand packte und einfach mit sich zog.   ~~~~~   Da Aiden und Sakura kurzerhand das Weite gesucht hatten, hatte Luca Haruka angeboten, sie nach Hause zu begleiten. Eigentlich hätte die Brünette überhaupt keine Lust dazu gehabt, war ihre Meinung von dem Spanier doch alles andere als hoch, doch wollte sie versuchen, besser mit ihm klarzukommen. So spazierten sie nebeneinander her und waren auf dem Weg zur Bahnstation, als der Braunhaarige grinsend das Wort ergriff: „Ich kann mich nicht erinnern, wann wir das letzte Mal alleine zu zweit waren, Tenno-chan.“ „Liegt vermutlich daran, dass wir noch nie zu zweit unter uns waren“, gab die junge Frau leicht angesäuert zurück, denn Luca war kurz davor, sie wieder mit seiner ständigen Flirterei zu nerven. Zu ihrer Überraschung schnitt er aber ein ganz anderes Thema an: „Du hast eben erwähnt, dass dich der Zustand unserer Gesundheitswesen-Lehrerin nicht wundert. Wie kommt das? Hast du gewusst, dass Shiragami-sensei krank ist?“ Für einen Moment blinzelte die Brünette verdutzt, doch dann senkte sie betrübt den Kopf: „Was? Nein, direkt gewusst habe ich es nicht, allerdings kenne ich ihre familiäre Situation. Du musst wissen, dass Shiragami-san die Mutter von Setsuna-kun ist.“ Auf die Aussage stieß Luca einen langen, genervten Laut aus, bei dem er theatralisch den Kopf hängen ließ: „Das wird ja immer besser... Ernsthaft, die Situation des Kleinen lädt ja förmlich dazu ein, dass er gemobbt wird. Er steht auf Sachen, die andere in seinem Umfeld nicht mögen und dazu ist er noch das Kind eines unserer Lehrer. Der Knirps tut mir echt leid. Wir müssen ihn so schnell es geht da rausholen, damit es für ihn besser werden kann!“   Völlig verblüfft blieb Haruka stehen und starrte den Braunhaarigen mit großen Augen an, was diesen etwas irritierte: „Habe ich was Komisches gesagt? Oder warum guckst du so?“ „N-nein, komisch war es nicht. Es ist allerdings das erste Mal, dass ich dir für das, was du gesagt hast, wirklich dankbar bin, Silva-kun“, brachte die Brünette erst nach einer ganzen Minute hervor und trat wieder neben ihren Klassenkameraden, der sich peinlich berührt an der Nase kratzte: „Ich labere nicht nur dummes Zeug, weißt du?“ „Scheint wirklich so. Ganz ehrlich, ich habe dich immer für ein Großmaul und einen dummen Sprücheklopfer gehalten, aber jetzt... So langsam fange ich an zu glauben, dass du gar nicht so schlecht bist, wie ich es anfangs gedacht habe“, gab Haruka zu und neigte leicht den Kopf, während sie Luca eindringlich musterte. Dieser wischte sich mit einem breiten Grinsen unter der Nase entlang, bevor er die Arme hinter dem Kopf verschränkte: „Ganz ehrlich, Tenno-chan, ich wollte diese Chance auch nutzen, um dich etwas besser kennen zu lernen.“   „Ich nehme zurück, was ich eben gesagt habe“, brummte die Mechanikerin sofort und verschränkte die Arme vor der Brust, weshalb Luca schnell beschwichtigend die Hände hob: „Warte, lass es mich erklären, damit du es nicht falsch verstehst. Ich meine besser kennen lernen einfach in dem Sinne, dass ich verstehen will, wie du so tickst. Ich meine, ich kenne dich zwar seit der Mittelstufe, aber wirklich etwas über dich wissen tue ich nicht. Na gut, außer das mit der Schönheitskönigin.“ „Wenn du es mit dieser Aussage besser machen wolltest, dann sage ich dir gleich, dass es nicht funktioniert, Silva“, knurrte die junge Frau und kniff die Augen zusammen, was den Spanier leicht stöhnen ließ: „Menno, der Witz kam nicht gut an. Okay, Karten auf den Tisch: Wir beide stecken in dieser Sache zusammen drin und müssen uns aufeinander verlassen können. Deshalb will ich wissen, wie du so bist, damit wir gut zusammenarbeiten können.“ Für einen Moment war Haruka extrem skeptisch, denn das, was Luca gesagt hatte, machte tatsächlich Sinn, allerdings traute sie dem Braten noch nicht: „Und weiter? Sonst hast du keine Hintergedanken?“   Auf die Aussage blieb Luca stehen und sah mit einem Blick an, den die junge Frau ihrem Bekannten gar nicht zugetraut hätte: „Um ehrlich zu sein, ist da noch etwas. Mir geht es auch darum, dass ich dir helfe, deine Komplexe in den Griff zu kriegen. Es hat mit deiner Persona leider sehr lange gedauert und ich bin mir nicht sicher, ob du das im nächsten Kampf wieder hinbekommst und stattdessen wieder Panik schiebst.“ Beleidigt plusterte Haruka eine Wange auf und stemmte beide Hände an die Hüfte, bevor sie eine Antwort zischte: „Und was gehen dich meine Probleme an, Silva? Tut mir ja leid, wenn du dir so einfach in den Kopf schießen kannst, aber ich kann es eben nicht.“ „Das hat nichts mit mir zu tun. Mir geht es um Aiden“, fauchte Luca zurück und brachte die Brünette damit aus dem Konzept: „Warum Kurosaki-kun?“ „Du hast es sicher gesehen, oder? Die Tatsache, dass Aiden mehrere Persona benutzen kann, im Gegensatz zu Nobiro, dir und mir?“, wurde Luca wieder ruhiger und wartete, bis die Brünette nickte, ehe er fortfuhr: „Da du deine Persona nicht rufen konntest, musste Aiden deine Schwäche mit seinen Persona ausgleichen. Ich kenne ihn sehr gut und auch wenn er versucht hat, es zu verbergen... Es hat sehr an seinen Kräften gezehrt. Aiden ist nicht die Art von Person, der seine Last anderen aufbürden will, aber ich fürchte, dass er sich damit auch kaputt macht. Vermutlich liegt es daran, dass er diese andere Kraft hat.“   Jetzt verstand Haruka, worauf der Braunhaarige hinauswollte und sie fühlte sich furchtbar. Ihr war nicht bewusst gewesen, wie sehr der Einsatz einer Persona jemanden ermüden könnte und gestern hatte Aiden für sie mitkämpfen müssen. Sie faltete die Hände zusammen und senkte den Kopf, doch klopfte Luca ihr in dem Moment auf die Schulter: „Hey, ich mache dir keine Vorwürfe, so darfst du das nicht verstehen. Ich will dir lediglich klarmachen, dass wir bestmöglich miteinander agieren müssen, um Aiden zu entlasten. Wir haben ihn schon zum Anführer abgestempelt, also müssen wir wenigstens hier etwas aushelfen.“ „Alles klar, ich verstehe, was du meinst. Tut mir leid, Silva-kun, ich habe dich komplett falsch eingeschätzt. Bitte verzeih mir“, entschuldigte sich die Brünette und verneigte sich dabei tief, was dem Spanier nur ein Grinsen entlockte: „Hey, wir sind ein Team, also ist es schon vergeben und vergessen. Wenn du dich aber bei mir entschuldigen willst, dann könntest du bei Nozaki-chan ein gutes Wort für mich einlegen.“ „Wenn du unbedingt mit einem Katana in zwei Hälften gehauen werden willst bitte, den Gefallen kann ich dir tun“, lachte die Brünette und setzte mit Luca zusammen den Weg nach Hause fort, wobei sie es sich nicht nehmen ließ, Luca ein bisschen über Aiden auszufragen.   ~~~~~   Vorsichtig klopfte Miyuki an die Tür des Schülerrats, bevor sie diese aufzog und den Raum betrat. Kurz ließ die Grünhaarige den Blick schweifen, bis sie die Person fand, die sie gesucht hatte. An einem der Tische saß Katzumi und tippte auf die Tastatur seines Laptops ein, wobei er den Ankömmling noch nicht bemerkt zu haben schien. Die Schülerin verschränkte die Arme hinter dem Rücken und wartete einen Moment, bevor ihr das Warten doch zu langweilig wurde und sie einen Schritt vor machte: „Hey, Katzu, hast du einen Moment Zeit?“ Nun hob der Braunhaarige den Kopf und musterte seine Assistentin einen Moment, bevor er wieder auf den Bildschirm schaute: „Was ist denn los, Miyu? Ich kann mich nicht erinnern, dich für heute eingeteilt zu haben.“ „Hast du auch nicht, aber ich wollte dich was fragen“, erwiderte die Grünhaarige und setzte sich ihrem Freund gegenüber, der kurz seinen Absatz zu Ende tippte und dann den Computer beiseiteschob: „Was ist denn los? Du wirkst besorgt.“ „Naja, ein wenig schon. Du kennst dich doch mit Tieren aus, nicht wahr?“, versuchte die junge Frau das Gespräch langsam zu eröffnen, doch schien das ihren Gesprächspartner etwas zu verärgern: „Hör mal, ich habe keine Zeit, um dir irgendwelche rhetorischen Fragen zu beantworten.“   Mit einem entschuldigenden Blick zog die Grünhaarige den Kopf ein, bevor sie leicht die Zeigefinger gegeneinander tippte: „Sorry. Es ist so, eine Freundin von mir hatte ihren Hund verloren und als er vor ein paar Tagen endlich wieder aufgetaucht ist, hatte er furchtbare Verletzungen. Hast du eine Ahnung, wie man dem armen Tier am besten helfen kann?“ Auf die Erzählung zog der stellvertretende Präsident eine Augenbraue in die Höhe, denn die Sache verwunderte ihn ein wenig: „Warum interessierst du dich für die Gesundheit eines Hundes? Du bist die größte Hunde-Phobikerin die ich kenne, Miyuki. Nimm es mir nicht übel, aber es klingt etwas unglaubwürdig.“ „Ja, gut, da hast du nicht ganz unrecht, aber es geht wie gesagt um eine Freundin und... sie kann nicht zum Tierarzt, weil das ganz blöde Fragen nach sich ziehen wird. Kannst du mir nicht einfach einen Tipp geben, ohne groß Fragen zu stellen?“, flehte die Grünhaarige und legte bittend die Hände zusammen, doch leider hatte ihr Freund etwas dagegen, denn er verschränkte die Arme und gab ihr trocken eine Antwort: „Nein.“ „Jetzt sei doch nicht so ein Arsch!“, rief die Schülerin aus und ließ die Stirn auf die Tischplatte sinken, während Katzumi sich wieder seinem Laptop widmete: „Wenn du meine Hilfe willst, solltest du mir schon alles erklären. Ganz ehrlich, deine Erzählung klingt auch ein bisschen so, als wäre es nicht ganz legal.“   „Ich mache nichts verbotenes, Katzu! Das schwöre ich dir!“, beharrte die Grünhaarige und schlug mit beiden Händen auf den Tisch, bevor sie den Kopf einzog und leise murmelte: „Ich kann es dir nicht ganz erklären...“ „Dann such dir woanders Hilfe“, gab der Braunhaarige kühl zurück und blätterte in einer seiner Akten, was Miyuki extrem traurig machte. Gerade von Katzumi hatte sie sich eigentlich ein wenig Rückendeckung erhofft und jetzt diese Abfuhr von ihm zu bekommen tat ihr weh. Sie wollte Mirai um jeden Preis helfen, doch wie sollte sie dies tun, ohne ihrem Freund von der Silberhaarigen und ihrer Amnesie zu erzählen? Sie wusste einfach nicht weiter, weshalb sie begann, nervös auf ihrer Unterlippe herum zu kauen und ihre Finger zu kneten. Katzumi schien all dies nicht wirklich zu interessieren, denn er tippte seelenruhig weiter auf seiner Tastatur herum und las in den Akten neben ihm. „W-wenn ich dir alles erkläre, wirst du mir glauben und mir dann helfen?“, brachte die Grünhaarige leise hervor, was ihr nun wieder die Aufmerksamkeit des stellvertretenden Präsidenten einbrachte: „Ich kenne dich mittlerweile lange genug um zu wissen, dass du sowas nicht ohne Grund sagst. Wenn du so ein Geheimnis daraus machst, dann ist da irgendwas faul. Du hast dich nicht auf irgendwelche kriminellen Aktivitäten eingelassen, oder?“ Sofort zuckte die junge Frau zusammen und winkte panisch mit den Händen ab, wobei sie beteuerte, nichts Verbotenes oder Illegales getan zu haben. Noch einmal ging sie im Kopf durch, was sie tun sollte, doch sollte sie die Sache mit Mirai nicht offen aussprechen, ohne sich mit ihren Freunden abzusprechen. Mit einer leisen Entschuldigung und der Aussage, dass sie sich später wieder bei Katzumi melden würde, verließ nun auch Miyuki die Schule und machte sich auf den Weg zum Wohnheim.   ~~~~~   Im Wohnheim lag Aiden, alle Viere von sich gestreckt, auf der Couch und versuchte den Schmerz in seinen Armen zu verdrängen. Mirai saß in einem Sessel und hatte Aidens Laptop auf dem Schoß, mit dem sie im Internet nach Wegen suchte, um ihren Hund zu behandeln. Der Punkt Tierarzt war von allen gleich beiseitegeschoben worden, denn Mirai hatte weder das Geld dazu, noch hatte sie irgendwelche Unterlagen zu Kako, wie einen Impfpass. Haruka kam aus der Küche und hielt ein Tablett mit drei dampfenden Bechern in den Händen, wobei sie jedem ihrer Freunde einen Becher hinstellte und sich dann auf den Sessel neben Aiden niederließ. Die Silberhaarige versuchte sich zu beherrschen, doch war das, was sie eben von ihrem Mitbewohner gehört hatte, einfach zu lustig: „Um es noch einmal klar zu stellen: Du bist von einem Mädchen mit einem Kendoschwert verhauen worden?“ „Können wir jetzt bitte das Thema wechseln, Mirai? Mir tut alles weh und ich will das nicht noch einmal erzählen“, brummte der Braunhaarige und legte sich einen Arm übers Gesicht. Haruka musterte ihn von der Seite und nippte an ihrem Tee, wobei sie sich fragte, warum er überhaupt mit Sakura trainiert hatte. Sie hatte ehrlich gesagt Angst, dass Aiden hinter das Geheimnis der Rosahaarigen kommen und ihr den Kendo-Club ruinieren könnte. Die Tatsache, dass Aiden bereits über Sakura Bescheid wusste, war der Brünette allerdings nicht bekannt, weshalb sie sich weiter ihre Sorgen machte.   Als die Tür aufging und Miyuki das Wohnheim betrat, gingen sofort alle Blicke zu ihr, weshalb sie zaghaft die Hand hob: „Tadaima.“ „Okairinasai, Miyuki-san“, begrüßte Haruka die Grünhaarige, die sich auf die verbleibende, freie Couch setzte und in die Runde sah: „Ich wollte mal kurz was mit euch besprechen. Habt ihr einen Moment?“ „Ich werde mich definitiv nicht von dieser Couch bewegen“, murrte Aiden und stieß einen leisen Schmerzenslaut aus, welcher Mirai leicht kichern ließ: „Sei nicht so eine Memme, Aiden. Was ist denn los, Miyuki?“ Für einen Moment wirkte die Grünhaarige sichtlich besorgt, doch dann begann sie zu erzählen, dass sie jemanden kennen würde, der Kako eventuell würde helfen können. Als sie aber zu dem Punkt kam, dass sie dafür die Fakten zu Mirai auf den Tisch legen müsste, verfielen die anderen drei Bewohner für eine Weile in Schweigen. Die Silberhaarige verschränkte die Arme vor der Brust und senkte nachdenklich den Blick, denn ihr war bewusst, warum das so ein Problem darstellte. Sie wollte ihre Freunde nicht in Schwierigkeiten bringen, denn die Sache mit der Shadow-Welt brachte den Schülern schon mehr als genug Probleme.   Die Stille im Foyer wurde endlich von Haruka gebrochen, die die Grünhaarige nachdenklich ansah: „Wenn ich dich richtig verstehe, hast du noch nichts über Mirai gesagt, oder?“ „Nein, habe ich nicht. Wir stecken alle in der Sache drin und da wollte ich nichts ohne eure Zustimmung tun. Was haltet ihr davon?“, stellte Miyuki die entscheidende Frage, welche nach einer Minute von Aiden beantwortet wurde: „Sehen wir es mal so: Egal wie wir es machen, wir werden um komische Fragen nicht drum herumkommen. Mit deinem Bekannten könnten wir es aber so klein wie möglich halten. Ganz zu schweigen davon, dass wir Kako endlich mal behandeln lassen müssen. Ich bin kein Tierarzt, aber es würde mich nicht wundern, wenn sich einige der Wunden entzündet hätten. Meine Zustimmung hast du, Miyuki.“ „Ich sehe es wie Kurosaki-kun. Wir können es nicht so weitergehen lassen. Am Ende haben wir zu lange gewartet und Kako wird krank. Wir sollten das Risiko eingehen, auch dem Tier zuliebe. Mirai, wie siehst du das?“, tat die Brünette ihre Meinung kund und sah dann zu der Silberhaarigen, die sich nachdenklich durch ihren Pony fuhr. Sie wusste die Geste ihrer Freunde zu schätzen, aber sie war sich nicht sicher, ob sie diese annehmen konnte.   Sie dachte noch eine Weile darüber nach, wobei sie zu Kako schaute, die momentan schlafend auf einem Kissen lag: „Ist das wirklich okay für euch? Ich könnte euch alle damit unnötig Ärger machen.“ „Passt schon. Schlimmer als die Shadows kann es nicht sein, also mach dir keine Sorgen, Mirai“, murmelte Aiden und rollte sich von der Couch, um sich auf den Weg nach oben zu machen. Für den Braunhaarigen war diese Diskussion anscheinend beendet, weshalb Mirai nickte und zu Miyuki schaute: „Okay, machen wir es so. Regelst du die Sache?“ „Verlass dich auf mich, Miri-chan“, lachte die Grünhaarige und hechtete mit gezücktem Handy die Treppe nach oben, wodurch Mirai und Haruka alleine blieben. Die beiden tranken von ihrem Tee, als die Silberhaarige zu grinsen begann: „War das wirklich deine Meinung oder hast du einfach nur Aiden Honig ums Maul geschmiert?“ Sofort wurde die Mechanikerin rot um die Nase, weshalb sie ihren Becher mit beiden Händen griff und immer wieder drehte, um sich zu beruhigen: „N-natürlich war das meine Meinung. Kako-chan braucht die Hilfe und es ist doch normal, dass sich in einem so offensichtlichen Fall meine Meinung mit der von Kurosaki-kun deckt.“ „Wenn du es sagst, Haruka“, stichelte die Silberhaarige und prostete ihr mit einem Zwinkern zu, wobei sie sich köstlich über das rote Gesicht ihrer Freundin amüsierte.   Kapitel 30: XXX - Abgezockt --------------------------- ~~~Samstag 28. Mai 2016~~~   Kurz nachdem es zur Pause geläutet hatte, hatte sich das Quartett um Aiden, Luca, Haruka und Miyuki auf dem Dach der Schule eingefunden und beratschlagten zusammen das weitere Vorgehen ihrer Mission. Sie hatten bereits sehr viel Zeit gebraucht, um überhaupt bis zur Hälfte des Dungeons zu kommen und Aiden hatte angemerkt, dass ihnen bis zum nächsten Neumond nicht mehr viel Zeit blieb. Dabei stocherte der Braunhaarige in seinem Essen und musterte sein Handy, auf dem er sich vor ein paar Tagen einen Mondkalender geladen hatte. Haruka hatte ihre Hände um ihre Bentobox auf ihrem Schoß gelegt und ließ sich die ganzen Informationen, mit denen Luca sie gestern und auch heute bombardiert hatte, noch einmal durch den Kopf gehen: „Also habe ich das richtig verstanden: Wir können zwar den Dungeon durchqueren und wir können auch jederzeit in diese andere Welt. Den Raum, in dem sich Setsuna aufhält, können wir aber nicht vor Mitternacht der nächsten Neumondnacht betreten. Passt das so?“ „So war es zumindest bei dir gewesen, Haruka-chan“ bestätigte Miyuki und schob sich einen frittierten Shrimp in den Mund, woraufhin die Brünette nachdenklich das Gesicht verzog: „Ganz ehrlich, das klingt alles andere als zuverlässig. Wie lange haben wir denn dann noch, um Setsuna zu finden?“   Die leichte Panik in ihrer Stimme war nicht zu überhören, weshalb die Grünhaarige versuchte, sie ein wenig zu beruhigen und dann zu Aiden schaute, der sein Handy hob: „Also, wenn dieser Kalender hier richtig geht, dann ist der nächste Neumond am fünften Juni.“ Die beiden Mädchen nickten verstehend, während Luca mit einem Finger einen imaginären Zahlenstrahl abzählte und dann das Wort ergriff: „Das ist nächste Woche Sonntag, also noch acht Tage. Das ist wirklich nicht viel.“ „Dann sollten wir so bald wie möglich wieder da hin!“, rief Haruka aus und sprang auf die Füße, wobei sie versehentlich die Reste ihres Mittagessens auf dem Dach verteilte. Miyuki betrachtete die Sauerei, bevor sie nickend den Kopf hob und die Faust ballte: „Also auf mich kannst du zähen, Haruka!“ Luca zog leicht den Kopf und rang ein wenig mit sich, bevor er sichtlich gequält die folgende Worte aussprach: „Es tut mir leid, aber... wenn ihr heute geht, werde ich leider aussetzen müssen. Ich merke eindeutig, dass ich noch nicht wieder ganz fit bin.“ Geschockt sah die Brünette auf ihren Klassenkameraden, der allerdings in dem Moment Hilfe von seinem besten Freund bekam: „Da muss ich mich leider anschließen. Außerdem hat Miyuki für morgen früh noch die Hilfe für Kako geordert. Was haltet ihr davon: Wir gehen es heute langsam an, kümmern uns morgen früh um Kako und gehen am Mittag wieder rüber, um den Rest dieses Horrorladens zu erforschen. Ist das okay für dich, Tenno?“ Für einen Moment biss sich die junge Frau auf die Unterlippe und schien angestrengt zu überlegen, ob sie darauf eingehen sollte oder nicht. Am Ende seufzte sie einmal und nickte zustimmend, denn sie sah selbst ein, dass sie alle ihre Freunde für diese Aktion brauchte und sie konnte auch Luca nicht verübeln, dass er erschöpft war. Immerhin hatte er mit Aiden zusammen ganz vorne gestanden und mehr als einen heftigen Schlag von einem Shadow einstecken müssen.   Die Diskussion wurde jäh von der Schulglocke unterbrochen, weshalb sich das Quartett auf den Weg zurück in ihre Klassen machte. Die Tatsache, dass Aiden und Miyuki in der letzten Doppelstunde der Woche Unterricht bei Mr. Edogawa blühte, sorgte bei den beiden Schülern für keine gute Stimmung. An sich war Aiden auch keiner, der im Unterricht schlief, doch heute konnte er einfach nicht mehr und legte, kurz nachdem sein Lehrer einen ewig langen Monolog gestartet hatte, den Kopf auf den Tisch und schlief ein. Zwar war es nur ein kurzes Nickerchen gewesen, doch hatte es dem Braunhaarigen sichtlich gut getan, was man ihm an seinem leichten Grinsen ansah. Miyuki räumte ihre Sachen zusammen und sah ihn neugierig von der Seite an: „Also ganz ehrlich, ich hätte nicht gedacht, dass du jemand bist, der im Unterricht schläft, Aiden-kun.“ „Verurteil mich nicht, du hast selbst schon bei dem Typ gepennt, Miyuki“, gab der Braunhaarige mit einem kurzen Gähnen zurück, bevor er sich erhob und seine Tasche schulterte. Miyukis Kommentar, dass das nur ein oder zweimal vorgekommen sei, nahm der Junge mit einem leichten Lachen hin und verließ mit seiner Mitbewohnerin den Raum.   Leise pfeifend verließen die beiden kurz darauf das Schulgebäude, wo sie auf Haruka und Sakura stießen, die bei einer brünetten Frau am Tor standen. Aiden brauchte einen Moment, bevor er Harukas Mutter Kotone erkannte. Diese hatte eine Hand auf der Schulter ihrer Tochter, während sie mit der anderen immer wieder durch Harukas Haare fuhr. Langsam traten die beiden Schüler an die Gruppe heran, weshalb sie nun auch das Gespräch mithören konnten: „Du siehst etwas blass aus, Haruka. Ist wirklich alles in Ordnung in diesem Wohnheim? Wenn du etwas brauchst, dann sag es mir ruhig.“ „Also ich glaube, sie übertreibt es ein wenig mit der Sorge“, murmelte Miyuki an Aiden gewandt, der nur zustimmend nickte und auf die Brünette schaute, die die Hand ihrer Mutter von ihrer Schulter nahm: „Mama, es ist alles in Ordnung. Mach dir nicht immer so eine Panik.“ „Tut mir leid, mein Schatz... Ich versuche es ja, aber du weißt, dass ich mir nur Sorgen um dich mache“, gab Kotone zurück und tätschelte ihrer Tochter die Wange, die das Gehabe mit einem Murren über sich ergehen ließ: „Ja, ich weiß, Mama. Muss das wirklich jetzt sein? Meine Freunde stehen daneben.“ Sofort nahm die Brünette die Hand weg und verschränkte leicht die Arme vor der Brust: „Ich wollte nur nach dir schauen. Ich muss beruflich ein paar Tage aus der Stadt raus und werde nicht da sein. Ich habe auch einen kleinen Bonus bekommen und dachte, dass du dir davon doch ein paar schöne Kleider kaufen könntest.“   Aiden konnte sehen, wie Haruka die Augen zusammenkniff und am liebsten gerade einen vermutlich bissigen Kommentar losgelassen hätte, doch Sakura ging schnell dazwischen und nahm den Umschlag von Kotone entgegen: „Weißt du, Haru, das ist gar keine schlechte Idee. Du könntest echt mal was Neues gebrauchen. Also los, gehen wir shoppen!“ „Was? Saku, hast du dir den Kopf gestoßen?“, zischte die Brünette leise, doch schien die Rosahaarige das gar nicht gehört zu haben und zog ihre Freundin einfach mit sich: „Sie sind so eine aufmerksame Mutter, Kotone-san. Haben Sie eine gute Fahrt und kommen Sie heil an. Wir sehen uns nächste Woche! Komm, Haru.“ Kotone selbst schien von der Aktion Sakuras sichtlich verblüfft zu sein, denn sie stand immer noch an derselben Stelle und sah ihrer Tochter ungläubig nach. Aiden und Miyuki tauschten einen kurzen Blick, bevor sie sich zunickten und dann den beiden Mädchen folgten.   Ein Stück vor der Mall holten sie das Duo endlich ein, wobei Sakura tatsächlich auf sie zu warten schien: „Ich habe schon gedacht, ihr kommt gar nicht mehr.“ „Bist du irre? Ich werde mir garantiert keinen so blöden Fummel kaufen und anziehen!“, fauchte Haruka und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. Auf die Aktion brach die Rosahaarige in lautes Gelächter aus: „Hast du wirklich geglaubt, dass ich das ernst gemeint habe? Komm schon, Haru, wie lange kennen wir uns jetzt schon? Deine Mom sagte nur, dass du dir Kleider kaufen sollst, aber nicht, was für welche.“ „Nun, wenn man es so betrachtet, hat Nozaki recht. Alles, was man anziehen kann, kann man als Kleider bezeichnen“, lachte Aiden auf und sah in Richtung der Mall, was die drei Mädchen ihm gleichtaten. Miyuki wiegte ein paar Mal den Kopf hin und her, bevor sie mit einem Grinsen nickte: „Okay, dann lasst uns gehen. Die Boutique »Kaiser Crown« hat sehr gute und schöne Sachen. Da findest du bestimmt was, Haruka-chan.“ „Na schön, wenn ihr darauf besteht“, ergab sich die Brünette mit einem leichten Schulterzucken, bevor sie sich auf den Weg zu der Boutique machten.   Bei dem Namen hatte Aiden die ganze Zeit überlegt, woher er ihn kannte, doch als sie ankamen, erkannte er den Laden, in dem er vor zwei Monaten seine Uniform gekauft hatte. Unweigerlich kam ihm die seltsame Erscheinung im Spiegel der Umkleide wieder in den Sinn, weshalb er leicht auf seiner Unterlippe herum kaute. Die Entscheidung, ob er reingehen oder draußen bleiben sollte, wurde ihm von Sakura abgenommen, die ihn einfach mit in den Laden zog. Da Aiden erst kurz vor seinem Umzug neue Kleider von seiner Mutter gekauft bekommen hatte, sah er keine Notwendigkeit darin, sich etwas zu kaufen. Daher blieb ihm nichts anderes zu tun, als sich auf einen Sessel nahe den Umkleiden zu setzen und auf seinem Handy herumzuspielen. Er schrieb kurz eine Nachricht an Luca, dass er sich gut erholen solle und dann an seine Mutter, dass es ihm gut gehe. Nun stand er aber vor dem Problem, dass er nichts zu tun hatte, denn die Mädchen liefen am anderen Ende des Geschäfts herum und suchten neue Sachen für Haruka. Nun wusste er wieder, warum er es hasste, Klamotten kaufen zu gehen. Es war einfach nur sterbenslangweilig, weshalb er in dem Sessel zurücklehnte und an die Decke starrte. Nach einer Weile wurde es ihm ziemlich warm, weshalb er kurzerhand das Jackett seiner Uniform auszog und beiseitelegte.   Er fühlte sich hier definitiv fehl am Platz, doch würde er sich vermutlich eine Standpauke anhören dürfen, wenn er jetzt einfach verschwinden würde. Um sich die Zeit zu vertreiben, begann er selbst, ein wenig zwischen den einzelnen Ständern mit Kleidern zu stöbern, wobei er an zwei Mitarbeiterinnen vorbeikam. Die beiden Frauen legten gerade ein paar Pullover zusammen und hatten die Köpfe zusammengesteckt, während die eine leise murrte: „Boah, die alte Fujibayashi ist schon wieder da. Warum kommt dir eigentlich immer wieder?“ „Ich weiß es nicht. Sie sagt, was sie will und wenn wir die besten Sachen zeigen, dann will sie es nicht und geht wieder. Die macht mich echt aggressiv.“ So ein Gespräch während der Arbeit hatte Aiden schon des Öfteren mitbekommen, denn oft gab es anscheinend Kunden, die den Angestellten schlicht das Leben zur Hölle machen wollten. Wenn er es richtig verstanden hatte, ging es um eine alte Dame, die vermutlich gar nicht mehr wusste, was ihr genau gefiel. Wenn er so darüber nachdachte, war seine Großmutter auch so eine Frau gewesen und hatte sich immer einen Spaß daraus gemacht, die Arbeiten hin und her zu scheuchen.   Er wollte allerdings nicht in diese Diskussion verwickelt werden, weshalb er einfach weiterging und die Frauen nicht weiter beachtete. Gerade wollte Aiden zurück zu seinem Platz gehen, als sein Blick auf eine ältere Frau mit grauem Haar fiel, die versuchte, ein Kleidungsstück aus einem etwas höheren Fach zu angeln. Ein wenig tat die Frau ihm leid, weshalb er vorsichtig an sie herantrat und ihr seine Hilfe anbot: „Brauchen Sie vielleicht Hilfe?“ „Hm? Wurde ja auch mal Zeit, dass sich da jemand meldet. Holen Sie mir mal das Kleid da oben runter“, befahl die Alte und schnippte dabei zweimal gebieterisch mit den Fingern, was den Braunhaarigen etwas stutzig machte. Da Aiden sich immer noch nicht rührte, wurde die Dame deutlicher: „Heute noch, wenn es möglich ist. Gott, was hat die Jugend von heute bitte für eine Arbeitsmoral.“ „W-warten Sie mal, ich arbeite nich...“, setzte er an, doch wurde ihm mit der Hand das Wort angeschnitten: „Es ist mir gleich, ob das Ihre Abteilung ist oder nicht. Holen Sie mir dieses Kleid und arbeiten Sie mal für Ihr Geld.“ Gegen diese Frau zu diskutieren schien ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, weshalb Aiden sich mit einem Seufzer ergab und der Dame das gewünschte Kleidungsstück herunternahm.   Sofort nahm die Frau das Stück an sich und hielt es im Spiegel vor ihren Körper, wobei selbst Aiden sagen konnte, dass es ihr überhaupt nicht stand. Dieses Kleid richtete sich mit dem engen Schnitt definitiv an ein jüngeres Klientel, allerdings würde er nicht einfach so dazwischenreden, ohne gefragt worden zu sein. Vermutlich würde er ohnehin auf taube Ohren stoßen. Aus der Sache kam er leider nicht so einfach heraus, denn die Frau wandte ihm den Kopf zu: „Was meinen Sie? Würde mir das stehen?“ Jetzt saß er in der Patsche, doch was sollte schon passieren, immerhin arbeitete er nicht hier: „Ganz ehrlich: Nein. Das Kleid ist nichts für eine Frau Ihres Alters, tut mir leid.“ Für einen Moment meinte er, ein böses Funkeln in den Augen der Frau zu sehen, doch dann wandte sie sich ihm mit einem neugierigen Blick zu: „Nun, dann suchen sie mir doch etwas, was besser zu einer »Frau meines Alters« passen würde.“ Das konnte ja etwas werden, schoss es Aiden durch den Kopf, bevor er mit einem leichten Lächeln der Frau den Rücken kehrte und die einzelnen Regale und Fächer absuchte. Er sah sich alles ganz genau an, bevor er sich am Ende für ein lockeres Kleid mit Blumen- und Rankenmuster und eine luftige Bluse entschied.   Mit seiner Auswahl kehrte er zu der Frau zurück, die immer noch an der gleichen Stelle stand und sich anscheinend eine neue Verkäuferin geangelt hatte. Die blonde Frau, die nun dabei stand, tippte immer wieder ungehalten mit dem Absatz ihres Stiefels auf den Boden, doch sprach sie mit erstaunlich freundlicher Stimme: „Fujibayashi-san, suchen Sie wieder etwas bestimmtes?“ „Danke, aber ich habe bereits einen Ihrer männlichen Angestellten damit beauftragt“, gab die Alte zurück und musterte Aiden nun kritisch, als dieser mit den Sachen zurück kam. „Wir haben keine männlichen Mitarbeiter“, murmelte die Frau leise und musterte Aiden mit zusammengekniffenen Augen, dem gerade die Kleider aus der Hand gerissen wurden, damit die alte Dame in der Umkleide verschwinden konnte. „Was soll das werden, wenn es fertig ist?“, murrte die Blondine und erdolchte Aiden mit ihren lilafarbenen Augen fast, was diesen etwas nervös machte: „I-ich habe versucht ihr zu erklären, dass ich nicht hier arbeite, aber sie hat nicht zugehört.“ Die Aussage schien die Frau nicht wirklich zu glauben, doch kam die ältere Dame kurz darauf wieder aus der Umkleide und hatte ein zufriedenes Lächeln im Gesicht: „Eine gute Wahl, gefällt mir. Asuka-chan, sei ein Schatz und pack es mir ein. Oh und leg noch einen 10.000 Yen Gutschein dazu, mein Enkel hat die Tage Geburtstag, der kann auch mal wieder was neues zum Anziehen gebrauchen.“ „Wie Sie wünschen“, erwiderte die Frau mit zuckersüßer Stimme, bevor sie zur Kasse ging und alles vorbereitete.   Aiden hatte eigentlich vor, sich wieder auf seinen Platz zu verziehen, doch zerrte die alte Frau ihn am Arm einfach mit sich. Bei der Kraft, welche die Alte aufbrachte, musste er höllisch aufpassen, dass er nicht auf die Nase fiel. Sein Arm schien kurz davor zu sein, komplett abzusterben, als er endlich losgelassen wurde und die Dame ihre Einkäufe entgegennahm: „Besten Dank, Asuka-chan. Auch Ihnen einen herzlichen, junger Mann. Ich werde demnächst wieder kommen und ihren Modegeschmack in Anspruch nehmen.“ Damit stolzierte die Frau davon und ließ einen völlig irritierten Oberschüler stehen, der sich langsam mit der Hand durch die Haare fuhr: „Was war das für ne Aktion? So viel zu einem ruhigen Tag.“ „Ist dir eigentlich klar, was du gerade getan hast?“, wandte sich nun die blonde Frau an den Schüler, weshalb dieser leicht zusammenzuckte und sich umdrehte. Er wusste nicht, was er jetzt falsch gemacht haben könnte, schließlich hatte er der Frau nur geholfen und seine Erklärungsversuche waren sofort abgewürgt worden. Er hatte also keine andere Wahl gehabt.   Zu seinem Erstaunen begann die Blondine zu grinsen: „Diese tattrige Alte kommt gefühlt jede Woche her, raubt meinen Mädels den letzten Nerv und kauft nichts. Du allerdings, mein Hübscher, hast ihr gerade zwei der teuersten Kleidungsstücke aufgeschwatzt und die hat sie auch noch genommen.“ Überrascht riss Aiden die Augen auf, denn wenn er ehrlich war, hatte er gar nicht auf den Preis geschaut, doch schien es keine der beiden Frauen sonderlich gestört zu haben. „Naja, ich... ich hatte einfach etwas gegriffen, was meiner Meinung nach gut aussehen würde. Das ist alles“, gab er endlich eine Antwort, was die Blondine nur weitergrinsen ließ: „Tja, deine Meinung hat mir gerade einen schönen Gewinn in die Kasse gespült und dafür verdienst du eine Belohnung.“ Diese Belohnung machte den Oberschüler etwas nervös, doch holte die Blondine lediglich ein Scheckheft hervor, schrieb kurz etwas darauf und reichte ihn dann ihrem gegenüber: „Deine Provision.“ Äußerst skeptisch hob Aiden den Zettel hoch und bei dem Betrag wären ihm fast die Augen aus den Höhlen gesprungen. Das war mehr, als er in drei Monaten an Taschengeld würde sparen können, doch gerade, als er sich freuen wollte, riss die Frau ihm den Zettel wieder aus der Hand und zerriss ihn in tausend Fetzen: „Bist du echt so dämlich, Knirps? Ich werde ja wohl keine Person bezahlen, die nicht für mich arbeitet.“   Die Aktion verpasste Aiden einen gewaltigen Dämpfer, weshalb er gescholten den Kopf einzog und sich gerade extrem dämlich vorkam. Vermutlich würde sich die Blondine gleich vor Lachen nicht mehr einkriegen, wenn er den Laden verließ. Es kam allerdings anders, denn die Frau spielte ein wenig an ihrem seidenen Halstuch herum und musterte ihn kritisch von oben bis unten: „Du hast eine gute Figur und ein hübsches Gesicht, dazu hast du genau das Alter, welches die meisten meiner Kundinnen haben. Was hältst du davon, wenn du anfängst, hier für mich zu arbeiten? Dann kriegst du beim nächsten Mal auch wirklich eine Entlohnung, wenn du Fujibayashi-san Honig ums Maul schmierst.“ „Warum habe ich das Gefühl, dass sie mich nur ausnutzen wollen?“, brummte der Braunhaarige und machte einen kleinen Schritt zurück, was die Blondine mit den Augenbrauen wackeln ließ: „Oh, glaube mir, mein Süßer, wenn ich etwas will, dann hole ich es mir. Dazu mache ich dir doch ein verdammt gutes Angebot, meinst du nicht?“ „N-naja, also...“, stammelte der Braunhaarige und kratzte sich an der Wange, doch hatte er die falschen Worte gewählt, denn die Frau klatschte in die Hände: „Gut, ich habe ein »Ja« gehört. Ausgezeichnet! Komm nächsten Dienstag nach der Schule her, dann klären wir den Rest. Jetzt entschuldige mich, ich habe zu arbeiten.“   Ohne dem Schüler auch nur eine Chance auf eine Gegenreaktion zu lassen, war die Blondine hüftschwenkend davon stolziert und kümmerte sich um neue Kunden. Immer noch völlig überrumpelt bekam Aiden gar nicht mit, wie Miyuki neben ihn trat und seinem Blick folgte: „Ist alles in Ordnung, Aiden? Du schaust so komisch.“ „Ich... Also... ich habe keine Ahnung, Miyuki“, brachte der Braunhaarige endlich hervor und fuhr sich wieder mit der Hand durch die Haare, bevor er zu den Sesseln ging und seine Sachen griff. Er wollte so schnell wie möglich aus diesem Laden heraus, ansonsten würde diese Frau ihm wieder irgendwelche Worte in den Mund legen, die ihm am Ende das Genick brechen konnten. Zu seinem Leidwesen war es gerade die Blondine, die seine Freundinnen abkassierte und ihnen noch einen schönen Tag wünschte. So sehr er versuchte, sich nicht aus der Reserve locken zu lassen, er schaffte es nicht, denn die Frau zwinkerte ihm frech zu und deutete mit dem Finger auf einen Kalender, der hinter dem Tresen hing. Ohne sich noch einmal umzudrehen marschierte er aus dem Laden und atmete vor der Tür erst einmal tief durch. Das war mit Abstand eine der seltsamsten Begegnungen gewesen, die er jemals gehabt hatte. Die fragenden Blicke seiner Bekannten ignorierte er so gut er konnte, während er sich in Bewegung setzte und für heute nur noch nach Hause in sein Bett wollte. Kapitel 31: XXXI - Tierarzt Dr. Katzumi --------------------------------------- ~~~Sonntag 29. Mai 2016~~~   Leise drang die Musik der Werbesendung aus dem Fernseher, während Aiden alle viere von sich gestreckt auf seinem Bett lag und vor sich hindöste. An sich war er keine Person, die lange schlief, doch heute hatte er den freien Tag genutzt, um so lange wie möglich zu entspannen. Kiara hatte sich auf seinem Bauch zusammengerollt und genoss die Streicheleinheiten, die sie den ganzen Vormittag schon im Überfluss bekam. Mit geschlossenen Augen lauschte der Schüler dem wohligen Schnurren seiner Katze, als sich plötzlich Kiaras Magen durch ein lautes Grummeln zu Wort meldete und das Tier verstimmt Maunzen ließ. „Na, hast du Hunger?“, fragte der Schüler seine treue Begleiterin, die ihn nur mit einem bösen Blick ansah, als ob sie ihm sagen wollte, dass er solche dämlichen Fragen sein lassen solle. Ein leises Kichern entwich dem Braunhaarigen, bevor er sich aufsetzte, seine Katze vorsichtig auf den Arm nahm und sich erhob. Mit einer Hand tastete er nach der Fernbedienung, um den Fernseher auszuschalten, nur um dann mit seiner Katze das Zimmer zu verlassen. Wie üblich, hatte sich die Katze ihren Stammplatz auf der Schulter ihres Herrchens ergattert und sah sich aufmerksam im Flur um, während sie die Treppe nach unten getragen wurde.   Im Foyer hockten Mirai und Miyuki zusammen und hatten ein Brettspiel zwischen sich aufgebaut, welches Aiden nicht sofort erkannte. Beide Mädchen hatten Würfel, Karten und kleine Figuren auf dem Brett, was für seinen Geschmack viel zu kompliziert aussah, doch wollte er die zwei auch nicht bei ihrer Aktivität stören. In der Küche bereitete der Braunhaarige seiner Katze eine Schale mit Essen und eine mit Wasser vor, welche er ihr auf der Arbeitsplatte servierte und der Katze dann eine Weile beim Essen zusah. Aiden mochte es, Kiara einfach nur zu beobachten, denn seine Katze zeigte immer wieder, dass sie deutlich mehr war, als man vermutete. Er spielte mit dem Gedanken, seinem Haustier mal so ein Intelligenzspielzeug zu kaufen, einfach nur um zu sehen, wie sie damit umging. Das Läuten der Türklingel riss den Braunhaarigen dann aus seinen Gedanken, weshalb er aus der Küche trat, um die Situation zu beobachten.   Miyuki war zur Tür gehechtet und öffnete sie, um den Besucher einzulassen, bei dem es sich um den stellvertretenden Präsidenten ihres Schülerrates handelte: Samejima Katzumi. Der Braunhaarige trug ein schwarzes, offenes Hemd, ein rotes T-Shirt und eine lockere braune Hose mit mehreren Taschen, dazu hielt er eine etwas dickere Ledertasche in der Hand. Aiden hätte dem Jungen so einen Look gar nicht zugetraut. Er wirkte in der Schule immer so oberordentlich, weshalb Aiden ihm eher einen Anzug zugetraut hätte. Dennoch war es mal eine Überraschung, den Schüler als normale Person zu sehen. „Guten Morgen, ich hoffe, ich komme nicht zu früh und habe niemanden geweckt“, begrüßte der Rotbraunhaarige die Anwesenden und verneigte sich kurz, doch winkte Miyuki schnell ab: „Nein, nein, alles gut, Katzu. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast.“ „Nun, bevor ich hier irgendwas mache, schuldest du mir eine Erklärung, Miyuki“, brummte Katzumi und verschränkte die Arme vor der Brust, wodurch er wieder das Verhalten zeigte, was Aiden von ihm gewohnt war. Die Grünhaarige kratzte sich nervös am Arm und sah auf ihre Schuhe, doch dann atmete sie einmal tief durch und sah dann zu Mirai: „Naja, ich habe es dir versprochen, also... Das ist Mirai, sie ist die Besitzerin des Hundes, wegen dem ich dich gefragt habe.“   Die Silberhaarige erhob sich und sah in die grünen Augen des Besuchers, der lediglich eine Augenbraue in die Höhe hob: „Du heißt also Mirai. Und wie noch? Ich finde es etwas befremdlich, völlig fremde Leute direkt mit dem Vornamen anzusprechen.“ „Tja, daran wirst du dich gewöhnen müssen, Kollege. Ich habe bestimmt einen Familiennamen, allerdings kann ich mich nicht an ihn erinnern“, gab die junge Frau schnippisch zurück und funkelte Katzumi etwas ungehalten an, denn es passte ihr nicht, wie sie von dem Typ angesehen wurde. Die beiden starrten sich einen Moment wütend an, bevor der Besucher lediglich eine Augenbraue in die Höhe hob: „Und du glaubst alles Ernstes, dass ich dir dieses Schmierentheater abkaufe? Komm schon, Miyuki, eine Frau mit Amnesie und einem verletzten Hund? Sowas würde in einem deiner Mangas passieren, aber nicht im echten Leben.“ Auf die Aussage zog die Grünhaarige den Kopf ein und gab ein leises Schniefen von sich, was den stellvertretenden Präsidenten leicht verunsichert wegschauen ließ: „Jetzt guck doch nicht so, ich sag doch nur die Wahrheit.“ Miyukis Laune sank weiter in den Keller, weshalb nun Aiden um den Empfangstresen herumkam und sich Katzumi gegenüberstellte: „Sag mal, geht’s noch, Samejima? Miyuki hat seit zwei Tagen Panik wegen dieser Sache und hat lange mit sich gerungen, ob sie dir die Wahrheit sagen soll oder nicht. Und jetzt redest du es als eine dumme Lüge runter? Hast du so wenig Vertrauen in sie, dass du ihr zutraust, dich anzulügen?“   Die beiden Jungs sahen sich an und Katzumi konnte nicht verleumden, dass ihn die Aussage von Aiden beeindruckte. Mit einem leicht reumütigen Blick sah der Rotbraunhaarige wieder zu seiner Sandkastenfreundin, die noch immer traurig auf ihre Füße starrte. Aiden und Mirai sahen zwischen den beiden hin und her, bevor dem Gast ein genervter Seufzer entwich: „Ich kenne dich jetzt lange genug und du würdest nicht ohne Grund so eine Geschichte erzählen.“ Sofort hellte sich der Blick der jungen Frau auf, als sie ihren Freund mit großen Augen anstrahlte: „Du glaubst mir also?“ „Das habe ich nicht gesagt. Ich halte es immer noch für ziemlich aus der Luft gegriffen, aber ich weiß, dass du mich nicht anlügen würdest“, gab Katzu zurück und kratzte sich verlegen an der Wange, was Miyuki wieder grinsen ließ: „Also glaubst du mir!“ „Nein, so habe ich das nicht... Ach egal, wo ist denn der Hund, um den es geht?“, wechselte der Junge mit einem Räuspern das Thema und sah sich um, während Mirai in eine Ecke hinter der Couch deutete: „Da hinten liegt sie und schläft.“   Kurz warf der Rotbraunhaarige einen Blick über die Lehne auf den Hund, bevor er seine Tasche auf den Tisch legte und begann, einige Utensilien zur Behandlung von Wunden auszupacken. Kako hatte war in der Zwischenzeit aufgewacht und hatte bemerkt, dass man sie anstarrte, denn sie hob den Kopf und blinzelte müde. Aiden hatte die Tage mitbekommen, dass es dem Hund immer schlechter gegangen war und vermutlich war der Ausflug in die Shadow-Welt in ihrem Zustand einfach zu viel für sie gewesen. Katzumi gab den Anwesenden einige Instruktionen, weshalb Mirai eine Decke bereitlegte und Kako darauf positionierte, während Aiden in die Küche ging, um ein paar Leckerlies zu holen. Miyuki hielt sich etwas im Hintergrund und beobachtete lediglich, wie ihr Freund anfing, die Hündin vorsichtig abzutasten. Eigentlich hatte das Trio damit gerechnet, dass Kako Katzu anknurren würde, doch tatsächlich schien sie sich zu freuen, ihn zu sehen. Sie wedelte freudig mit dem Schweif und ließ die Untersuchung brav über sich ergehen, weshalb sie sanft von Katzumi den Kopf getätschelt bekam: „Du bist ein braves Mädchen. Keine Sorge, ich sorge schon dafür, dass es dir besser gehen wird.“ Dann erhob er sich und fing an, einige Döschen aus seiner Tasche zu suchen.   Die Umstehenden sahen ihm geduldig zu, bis er alles beisammenhatte, was er brauchte. Mirai konnte man ansehen, dass sie gefühlt wie auf glühenden Kohlen hockte und es nicht mehr aushielt: „Wie sieht es denn aus? Wird sie wieder?“ „Nun, sie hat mehrere starke Prellungen und Schürfwunden. Die sind ehrlich gesagt nicht weiter schlimm, das heilt von selbst. Was mich aber beunruhigt, sind die Schnittwunden, die sie am Hinterlauf, am Ohr und am Bauch hat. Diese haben sich leider Gottes heftig entzündet und sind teilweise vereitert“, erklärte der Braunhaarige und für die Anwesenden klang er fast schon wie ein Tierarzt. Durch die Aussage war Mirai allerdings noch gestresster: „Aber das kann man behandeln, oder? Sie muss nicht operiert werden oder so etwas?“ „Ich hoffe es mal nicht, aber das hängt davon ab, wie sie sich jetzt verhält. Miyuki, geh mir bitte eine saubere Schüssel mit frischem Wasser holen. Kurosaki, du setzt dich hin und versuchst sie mit etwas abzulenken. Ich muss die Wunden reinigen und desinfizieren.“ Sofort machte sich jeder an seine Aufgabe und kurz darauf war der Schüler schon dabei, die entzündeten Wunden der Hündin mit dem Wasser zu reinigen. Auf Miyukis Frage, ob sie denn einen Verband machen müssten, blockte der Braunhaarige sofort ab und verneinte die Aussage. Aiden konnte nur zustimmen, denn er hatte bereits gehört, dass man so eine Wunde offenlassen müsste. Warum wusste er nicht, allerdings würde er auch die Kompetenz seines Mitschülers in dieser Situation nicht in Frage stellen.   Kako ließ die ganze Prozedur ruhig über sich ergehen, doch als das Desinfektionsmittel zum Einsatz kam, sah Aiden schwarz. Solches Zeug brannte wie die Hölle und vermutlich würde Kako gleich die Einrichtung um dekorieren. Zu seiner großen Überraschung zuckte Kako nur kurz zusammen, als das Spray auf ihre Wunde traf, doch gab sie keine weitere Reaktion von sich. Auch Mirai und Miyuki waren von der ausbleibenden Reaktion mehr als Erstaunt, weshalb der Braunhaarige die Sache erklärte: „Desinfektionsmittel für Tiere ist deutlich sanfter als das für Menschen. Das arme Tier würde ja durchdrehen, wenn es so etwas brennendes auf eine Wunde bekäme. Da kannst du gleich ein Abrisskommando in deine Wohnung bringen. So, die Wunde lasst ihr offen, denn der Dreck muss aus der Wunde raus, so gut es geht.“ Er streichelte der Hündin noch einmal den Kopf, welche schwach mit dem Schwanz wedelte, bevor er zu seiner Tasche ging und ein langes Stück Plastik hervorholte. Mirai knuddelte ihren Vierbeiner liebevoll und sah aus dem Augenwinkel zu dem Aushilfs-Tierarzt: „Können wir noch etwas tun oder müssen wir jetzt abwarten?“ Auf die Frage zeigte Katzumi das Plastikteil in seiner Hand: „Nun, das einzige, was ihr jetzt machen könnt, ist dafür zu sorgen, dass sie nicht an der Wunde rum leckt. Das wäre der Supergau, damit würde sie nur wieder neuen Dreck in die Wunde drücken. Passt auf, dass sie die Wunden in Ruhe lässt und falls sie es nicht tut, lasse ich euch diesen Halstrichter hier.“ „Nichts für ungut, aber das Teil ist der Supergau“, murrte Aiden und deutete auf den Trichter, was den Jungen nur mit den Achseln zucken ließ: „Ja, das Ding wird gehasst, aber es muss sein, wenn es um die Gesundheit des Tieres geht. Kann es sein, dass du so eins Mal benutzt hast?“ „Ja, einmal hat Kiara sowas tragen müssen. Es war der Horror“, lachte der Braunhaarige auf und kratzte sich am Kopf, bevor er sich langsam erhob und die Beine streckte.   Miyuki trat neben ihren Sandkastenfreund und musterte Kako ein wenig, bevor sie zur Seite schaute: „Danke, dass du uns geholfen hast, Katzu.“ „Keine Ding. Aber was diese Amnesie-Geschichte angeht bin ich immer noch nicht voll überzeugt. Sieh bloß zu, dass du dich aus Ärger raushältst. Ich muss jetzt los, habe noch einen Termin mit meinem Vater“, gab der Braunhaarige zurück und griff seine Tasche, bevor er sich verneigte und nach einer kurzen Verabschiedung das Wohnheim verließ. Mirai kraulte ihren Hund hinter dem gesunden Ohr und murmelte leise vor sich hin: „Dir geht es so schlecht und trotzdem hast du tapfer durchgehalten, um uns zu dem Dungeon zu bringen. Du bist einfach toll, Kako.“ „Wenn die Sache mit Akutagawa-kun vorbei ist, werde ich ihr ein saftiges Steak spendieren“, grinste Miyuki und sah zu der Hündin, doch als diese Anstalten machte, auf die Grünhaarige zuzugehen, wich diese schnell zurück.   Aiden sah immer noch zur Tür und war erstaunt, wie sehr man sich in Leuten täuschen konnte. Er würde seine Meinung über Katzumi wohl noch einmal überdenken müssen, doch hatte Miyukis Satz es bei ihm klingeln lassen: „Wo wir gerade von Akutagawa reden, nach dem Mittagessen gehen wir rüber und sehen zu, dass wir zu der Tür kommen.“ Die beiden Mädchen nickten zustimmend, als Miyuki schon ihr Handy zückte: „Geht klar, Chef, ich geb Haruka-chan und Silva-kun die Zeit durch.“ Während die Grünhaarige in ihren Gruppenchat schrieb, setzte sich Aiden zu Mirai auf den Boden und streichelte die Hündin vorsichtig. Seine Sitznachbarin hatte ganz recht, dieser Hund hatte furchtbare Schmerzen und hatte sie dennoch zu dem Ort gebracht, an dem sie einem unschuldigen Jungen würden helfen können. Dieser Einsatz durfte nicht umsonst gewesen sein und später würde er mit allem Kämpfen, was er aufbieten konnte.   Sofort, nachdem sie die Nachricht an Haruka und Luca gesendet hatte, war Miyuki ihrem Freund nachgeeilt. Sie brauchte ein bisschen, da Kazumi schon einen gewissen Vorsprung hatte, doch holte sie ihn an der Iwatodai Station ein, wo er an einem Buchladen gestoppt hatte. Die Grünhaarige war sich bewusst, dass Katzu sie sehr wohl bemerkt hatte, aber einfach aus Gewohnheit nichts sagte und sich weiter die Buchtitel ansah. „Warum bist du eigentlich so schnell abgehauen? Du hättest noch zum Essen bleiben können“, ergriff die Grünhaarige schließlich das Wort, was den Rotbraunhaarige nur schnauben ließ: „Nein danke, du kommst mit diesen beiden Typen deutlich besser klar als ich. Außerdem will ich mich nicht zwischen dich und deine Freunde drängen.“ „Trotzdem kam das unhöflich rüber, weißt du?“, blieb die junge Frau stur und nutzte die Chance, um sich selbst in der Auslage etwas umzusehen. Wieder ertönte nur ein Schnauben des Jungen, doch eine weitere Antwort bekam sie nicht. Es störte Miyuki schon ein wenig, dass ihr längster Freund sich so von ihr distanzierte, doch würde ihr schon etwas einfallen, mit dem sie Katzumi aus der Reserve locken könnte.   Mit einem leichten Lächeln griff sie nach einem Buch, welches den Titel »Mechaniken des Freundschaftschließens« trug und hielt es dem Braunhaargen hin: „Das hier wäre was für dich.“ Neugierig hob der Angesprochene den Blick, doch dann knurrte er nur verstimmt: „Haha, sehr lustig. Ich weiß, wie man Freunde findet.“ „Dann tu es auch mal. Aiden und Mirai sind meine Freunde, genau wie du es bist. Mir wäre es lieber, wenn ihr euch vertragt. Du musst ja nicht sofort Busenfreunde mit ihnen werden, aber ein wenig mehr Höflichkeit wäre angebracht“, murmelte sie und legte das Buch zurück, was ihrem Bekannten einen langen Seufzer entlockte und ihn zur Seite schauen ließ: „Es sind deine Freunde und da will ich mich nicht dazwischen drängen. Das ist alles. Danke für das Angebot, aber man sollte keine zwei Dinge zusammentun, die sich nicht vertragen.“ Auf die Aussage beteuerte Miyuki, dass er doch noch gar nicht wisse, ob er sich nicht mit ihnen vertragen würde und bat ihn noch einmal darum, dass er es ja wenigstens einmal versuchen könnte. Sie wusste, dass sie nur stur genug sein musste, um ihn zu überzeugen, denn er erkannte genau, wenn jemandem etwas wichtig war, um dafür zu kämpfen. Sie trat neben ihn und hakte noch einmal mit einem langen „Na?“ nach, als Katzumi ihr mit dem Zeige- und Mittelfinger gegen die Stirn schnippte: „Vielleicht beim nächsten Mal, Miyu.“   „Sag nicht immer beim nächsten Mal, sondern mach es einfach“, meckerte sie munter weiter, als sie von einem ihr bekannten Postboten angesprochen wurde, der ihr mit einer leichten Verneigung einen Brief in die Hand drückte und sich dann verabschiedete. Ein Blick auf den Absender des Briefes ließ die Grünhaarige strahlen, was auch Katzumi leicht lachen ließ: „Deine Briefreundin aus Kagaminomachi?“ „Ja, ich freu mich jedes Mal, wenn sie mir schreibt. Ich warte aber bis heute Abend, dann kann ich mich gemütlich in mein Bett kuscheln und habe was tolles zu lesen“, freute sich die Künstlerin und machte einen leichten Hüpfer, bevor sie wieder zu ihrem Freund sah: „Weißt du, ich will eventuell im Herbst zu ihr fahren. Muss natürlich noch eine Menge klären. Zugfahrt, Unterkunft und solche, aber du könntest mich doch begleiten.“ Auf die Frage, was er denn dort sollte, gab sie nur zurück, dass er bestimmt etwas zu tun finden würde, denn Miyu kannte Katzu lange genug und auch seine Hobbys waren ihr gut bekannt. Tatsächlich kratzte sich der Junge am Kinn und sah murmelnd zur Seite: „Ich könnte Chiyo-san mal anrufen... Okay, ich werde es mir überlegen. Hast du Hunger? Wir könnten uns was beim Wild Duck Burger holen.“ „Du bist verdammt schlecht darin, das Thema zu wechseln, weißt du? Aber von mir aus. Du bezahlst!“, rief die Grünhaarige und lief auf die Stahltreppe zu, die die einzelnen Etagen des Mehrstöckigen Verkaufskomplexes miteinander verband. Leise fluchend folgte der Braunhaarige, doch störte das Miyuki nicht wirklich, während sie den Brief behutsam in ihrer Tasche verstaute.   Kapitel 32: XXXII - Gesagt und gemeint -------------------------------------- ~~~Sonntag 29. Mai 2016~~~ ~~~Shadow-Welt~~~   Kurz nach dem Mittagessen hatte sich die Gruppe am Naganaki Schrein eingefunden, um ihre Suche nach Setsuna fortzusetzen. Um keine Zeit zu verlieren, waren sie sofort in die andere Welt gegangen und marschierten nun zielstrebig in Richtung des Dungeons. Luca knabberte seelenruhig an einem Churro herum und sah sich auf dem Spielplatz um, während Haruka sich unruhig am Arm kratzte. Mirai hatte sich leider dazu durchringen müssen, Kako diesen Plastiktrichter über den Kopf zu ziehen. Die Hündin hatte sich nicht von den Wunden fernhalten lassen und das nagte an ihrer Laune, die sie bei jedem Kommentar an Luca ausließ. Aiden hatte eigentlich schon eingreifen wollen, doch hatte der Spanier alles mit einem Lächeln hingenommen, schließlich wusste er ja, dass sie es nicht böse meinen würde. Nach einer Weile erreichte die Gruppe ihr Ziel, doch tummelten sich dieses Mal eine Unmenge an Shadows vor dem Geschäft herum.   „Wahnsinn, ist hier ein Ausverkauf oder was wollen die hier?“, scherzte Luca und legte sich seine Waffe quer über die Schultern, während er zu seinem besten Freund schaute, der nachdenklich das Gesicht verzog: „Vermutlich liegt es daran, dass wir schon einmal drin waren. Sie wissen, dass wir da rein wollen und versuchen uns zu stoppen.“ „Das können sie lange versuchen! Setsuna-kun ist noch da drin!“, fauchte Haruka und griff ihre Armbrust, doch hielt Aiden sie zurück: „Nicht so eilig. Vielleicht können wir an ihnen vorbeischleichen.“ „Aiden hat recht, ihr solltet eure Energie sparen. Die werdet ihr noch brauchen“, murmelte Mirai und sah sich um, doch leider war vor ihnen der weite Parkplatz, auf dem sie keinerlei Deckung hatten. Noch während sie alle am Überlegen waren, wie sie am besten an den Shadows vorbeikommen könnten, erklang ein Stück rechts von ihnen ein lautes Krachen. Sofort zuckte die Gruppe zusammen und sah in die Richtung, in der aus einer Seitenstraße eine große Staubwolke drang.   „Was zum Teufel...?“, setzte Luca an und sah zu, wie die Shadows in die Seitenstraße stürmten, woraufhin Mirai den Spanier am Arm packte: „Ich weiß nicht, was das war, aber das ist unsere Chance. Los!“ So schnell sie konnten rannten die Teenager über den Parkplatz und suchten nach dem Altar, der ein Stück links vom Eingang vor sich hin schimmerte. Luca wollte ihn schon aktivieren, als Haruka ihn zurückhielt: „Wo ist Miyuki-chan?“ „Wieso? Oh verdammt, Nobiro-chan ist weg!“, zuckte der Braunhaarige erschrocken zusammen und sah sich hektisch dabei um, als Mirai zur Seite deutete: „Da ist sie doch.“ Tatsächlich kam die Grünhaarige aus einer anderen Seitenstraße gerannt und aktivierte sofort den Altar, kaum dass sie bei ihren Freunden angekommen war. Das grüne Licht strahlte hell und ehe sich die Teenager versahen, standen sie in dem großen Spielzimmer. Aiden und Luca sahen sich sofort in der Umgebung um, damit sie nicht in einen Hinterhalt gerieten, doch war außer ihnen niemand im Raum. Miyuki stützte sich auf ihren Knien ab und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Als sie dies endlich geschafft hatte, verließen sie den Raum und betraten den nächsten Abschnitt.   Das, was nun vor ihnen lag, jagte selbst Aiden und Luca einen kalten Schauer über den Rücken. Das ohnehin schon schaurige Spielwarengeschäft war einer Kulisse gewichen, die an eine Schule erinnerte. Doch hier endeten die Parallelen auch schon, denn alles um sie herum war verwüstet und mit der roten Flüssigkeit versehen, die überall in der Shadow-Welt anstelle von Wasser zu finden war. Alle Fenster, ob an den Wänden oder in den Türen, waren gesplittert und brachen das Licht der Deckenlampen zu einer gruseligen Atmosphäre. Miyuki wimmerte leise und klammerte sich an Haruka und Mirai, die sich durch das zusätzliche Gewicht nicht mehr richtig bewegen konnten. Dieses Mal konnte Aiden dem Mädchen ihre Reaktion wirklich nicht verübeln, denn dieser Ort wurde langsam zu einer mentalen Folter. Leider half es alles nichts und sich mussten ihren Weg fortsetzen, auch wenn sie dabei von einem ständigen Jammern und Wehklagen begleitet wurden. Haruka schaffte es irgendwann, ihren Arm wieder frei zu bekommen und überließ ihre Freundin Mirai, die sie in den Arm nahm und ihr immer wieder über den Kopf strich. Um das Thema zu wechseln drehte sich Luca um und lief rückwärts weiter, wobei er das Wort an die Grünhaarige richtete: „Sag mal, Nobiro-chan, wo bist du eben eigentlich gewesen? Hast du diesen Krach verursacht?“ Langsam hob die junge Frau den Kopf und versuchte, sich nicht zu sehr in der Umgebung umzusehen, bevor sie zu erklären begann: „J-ja, das bin ich gewesen. Es ist, wie es immer ist: Ich werde übersehen.“ Auf die Aussage sah die Gruppe ihre Kameradin erstaunt an, doch dann begann Aiden breit zu grinsen: „Dieses Mal hatte es aber was Gutes. Vielen Dank für die tolle Hilfe, Miyuki.“   Das Gespräch der Gruppe wurde jäh von einer Gruppe Shadows unterbrochen, die sich ihnen in den Weg stellten. Sehr zum Ärgernis der Gruppe handelte es sich bei ihren Gegnern um gleich drei dieser starken Käfer-Shadows, die sie sofort aufs Korn nahmen. Miyuki schaffte es, sich während des Kampfes nicht zu sehr von der Umgebung ablenken zu lassen und auch Haruka schien ihre Zweifel bei der Beschwörung endgültig überwunden zu haben. Wie auch schon bei den beiden Robotern, hagelte es jetzt Blitze auf die Käfer, welche sich durch die gut getimten Attacken von Aiden und Haruka gar nicht mehr auf die Füße retten konnten. Mit einem letzten Blitzschlag von Spica fiel auch schon der letzte Shadow, was die Brünette freudig jubeln ließ und synchron mit Aiden den Sieg feierte: „Nehmt das, ihr Riesenkakerlaken!“ „Die beiden sind ja Feuer und Flamme für den Kampf“, kommentierte Mirai die Situation, was Luca ihr gleichtat: „Ich würde eher sagen, dass die beiden wie Blitz und Donner sind. Ihr seid ein echt gutes Team.“ Auf das Lob wurde Haruka leicht rot um die Nase und spielte ein wenig mit ihren Haaren, bevor sie erwartungsvoll zu Aiden schaute, der allerdings den Blick gesenkt hatte und anscheinend den Boden absuchte. Die drei Mädchen sahen sich fragend an, doch Luca schien zu wissen, was Aiden da tat und machte einen Schritt nach vorne: „Na, hast du wieder ein Figürchen gefunden, Amigo?“ „Nein, dieses Mal nicht. Ich weiß leider nicht, ob wir dieses System hier weiterverfolgen müssen, aber ich gehe lieber auf Nummer sicher“, gab der Braunhaarige zurück und setzte seinen Weg fort, nur um wieder an einer Kreuzung zu Enden.   Mit vereinten Kräften bahnte sich die Gruppe ihren Weg durch den Dungeon, wobei sie nach keinem Kampf wieder auf eine der bunten Figuren stießen, die sie im vorherigen Abschnitt gebraucht hatten. Langsam kam Aiden der Verdacht, dass sich mit dem Aussehen auch die Funktionen des Dungeons geändert haben könnten. Leider galt dies nicht für die Shadows, die ihnen mit allen Mitteln das Leben schwer machen wollten. Auch die Medizinampullen, die sie in den versteckten Kisten fanden, waren aufgrund der Monsterschar, die ihnen entgegenkam, schnell aufgebraucht. Nach der gefühlt zwanzigsten Kreuzung legten sie eine Pause ein und hockten sich an die Wand, um ein wenig zu verschnaufen. „Wie lange geht dieser Teil noch? Meine Füße bringen mich um“, jammerte Haruka und zog sogar einen ihrer Schuhe aus, um sich den Fuß zu massieren. „Ich weiß es nicht, aber ich will hier so schnell wie möglich wieder raus. Dieses Gebäude wird mich in meinen Alpträumen verfolgen, so viel ist sicher. Ich kann nie wieder in die Schule gehen“, gab die Grünhaarige zurück, während sie an einem Churro knabberte, den Luca ihr als Nervennahrung gegeben hatte. Mirai und Aiden saßen ein Stück abseits und hatten beide die Augen geschlossen, denn keinem von beiden war großartig nach reden zumute.   Nach einer Weile erhob sich der Braunhaarige allerdings und sah zu seinen Freunden, die sich an einem Ratespiel versuchten: „Kommt, wir sollten so langsam mal weitergehen.“ Schnell waren die drei Schüler auf den Beinen und eilten zu ihrem Anführer, der noch darauf wartete, dass Mirai sich ebenfalls erhob. Kaum war die Silberhaarige auf den Beinen, setzte die Gruppe ihren Weg fort, doch endete dieser nach der nächsten Kurve vor einer großen, grauen Schiebetür, die an die Türen zu ihrem Klassenraum erinnerte. Im Gegensatz zu den Türen im ersten Teil des Dungeons hatte diese Tür allerdings keine Box neben sich, in die man etwas einsetzen konnte. Fragend sahen sich die Teenager an und begann damit, die Umgebung nach einem weiteren, vermutlich sehr seltsamen Schlüsselloch abzusuchen. So sehr die Gruppe auch suchte, sie fanden einfach nichts, was ihnen weiterhelfen konnte. Genervt ließ Luca den Kopf hängen und stöhnte laut auf: „Wer auch immer dieses Teil gebaut hat, gehört verprügelt. Wie soll man so eine Tür öffnen?“ Leider hatte keiner eine Antwort auf diese Frage, bis Mirai ebenfalls nach unten schaute und den Kopf schief legte: „Sag mal, Luca, auf was stehst du da eigentlich?“ Neugierig machte der Spanier einen Schritt zurück und entdeckte eine leicht schimmernde Platte am Boden, auf der die Ziffer »1« zu sehen war. Enthusiastisch trat er auf das Feld, doch passierte absolut gar nichts.   Auch wenn es noch nichts gebracht hatte, hatte der Fund des Feldes die Gruppe etwas zuversichtlicher gemacht, weshalb sie den Gang nach weiteren solchen Feldern absuchten. Sie mussten den ganzen Weg bis zur Kurve zurück gehen, bis sie ein Feld mit einer »4« darauf fanden. „Da vorne ist eine eins und hier eine vier... Aber wo sind zwei und drei?“, wunderte sich Haruka und sah hinab auf das Feld, was ihre Freunde ihr gleichtaten. Sie versuchten, sich einen Reim auf diese Sache zu machen, doch wollte ihnen nichts einfallen, bis das Feld plötzlich aufleuchtete. Wie aus dem Nichts erschienen drei falkenähnliche Shadows zwischen den Schülern, was die Gruppe sofort in Alarmbereitschaft versetzte. Zum Glück waren sie noch ganz gut in Form und konnten ihre Gegner ohne große Mühe erledigen. „Was war das denn?“, beschwerte sich Luca und stapfte zu der Schiebetür zurück, um nach dem Feld auf dem Boden zu schauen: „Hä? Hey, Leute, auf dem Feld ist plötzlich eine »2« erschienen!“ „Wirklich?“, stieß Haruka erstaunt hervor und faltete die Hände vor der Brust, während Aiden zu dem anderen Feld lief und es betrachtete: „Mal sehen... Hier haben wir jetzt eine »1«. Komisch.“ Haruka sah immer wieder zwischen den beiden Jungs hin und her, bis ihr ein leichtes Leuchten unter ihren Füßen auffiel. Auch Mirai und Miyuki hatten es nun bemerkt und stellten erstaunt fest, dass eine dritte Fläche erschienen war, die ebenfalls eine »2« trug.   Die beiden Schülerinnen sahen sich fragend an und wussten leider nicht, was sie jetzt machen sollten. Luca verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schien angestrengt nachzudenken, als ihm eine Idee kam: „Hm, ich habe eine Idee! Aiden! Tenno-chan, welche Zahlen sind bei euch?“ „Wie meinen? Bei mir ist eine eins“, gab Aiden zurück und sah zu Haruka, die mit der Hand ein Peace-Zeichen machte und damit symbolisierte, dass sie eine zwei unter sich hatte. Die Antworten schienen dem Spanier gut zu passen, denn er grinste jetzt noch breiter: „Das könnte klappen. Mirai, komm mal bitte zu mir. Aiden, du Tenno-chan und Nobiro-chan bleibt jeweils da, wo ihr seid.“ Zwar konnte sich keiner der Teenager einen Reim darauf machen, was Luca vorhatte, doch tat Mirai das, worum sie gebeten wurde. Sie lief durch den Gang zu dem Spanier und kaum stand sie neben ihm, leuchteten die drei Felder noch stärker auf. Das Licht verblasste und in der Mitte des Raumes, direkt neben den beiden Schülerinnen, tauchten zwei Adler- und ein Käfershadow auf. Die beiden wichen panisch zurück und versuchten, ihre Waffen bereit zu machen, doch bevor die Shadows eine Aktion machten konnten, wurde sie alle drei von einem Einbrocken erwischt und zurückgedrängt. Aiden ließ sofort seine Persona los und ließ den Käfer mit einem Blitz zusammenzucken. In der Zwischenzeit waren auch die beiden Mädchen zum Kampf bereit und zahlten ihren Gegner den Schreck heim, indem sie diese mit Feuer und Blitzen bombardierten.   Nach dem Kampf wischte sich Miyuki den Schweiß vom Kinn und stampfte dann zornig mit dem Fuß auf: „Ernsthaft, was sollte das denn? Wieso ist das passiert?“ „Tja, wenn ich nicht ganz falsch liege, dann zeigen die Platten auf dem Boden an, wie viele Leute darauf stehen müssen“, erklärte der Spanier seine Vermutung und wurde daraufhin mit großen Augen angestarrt. Es war Haruka, die als erstes ihre Stimme wiederfand und anscheinend nicht glauben konnte, was sie jetzt sagen musste: „Wow, die Idee ist genial, Silva. Ich bin beeindruckt.“ „Da staunst du, was? Nun, dann wollen wir mal schauen, was wir jetzt finden“, grinste der Braunhaarige und lief einmal den Gang ab, bevor zu seinen Freunden zurückkehrte und berichtete: „Also, wir haben jetzt eine vierte Fläche bekommen und von hinten nach vorne: »1«, »2«, »1« und noch eine »1«.“ „Also, wenn Silva-kuns Theorie richtig ist, dann müssen wir uns so aufteilen, dass bei jedem Feld so viele Leute stehen, wie die Zahl sagt. Richtig?“, fasste Miyuki die Situation zusammen und warf einen Blick in die Runde, als Aiden kurz nachdachte und dann nickte: „Okay, passt mal auf, ich weiß, wie wir uns am besten positionieren. Tenno, du gehst ganz hinten in den Gang. Miyuki, du gehst an die Tür. Luca stellst sich auf das Feld vor Miyuki und Mirai kommt mit mir zu dem Zwei-Mann-Feld.“   Die Gruppe sah ihren Anführer einen Moment fragend an, doch dann nickten sie alle zustimmend und liefen zu der Position, die Aiden ihnen genannt hatte. Kaum war jeder auf seinem Posten, glühten die vier Felder auf und zwischen den Schülern erschien ein riesiger Shadow, der auf einer Art Schaukelpferd saß. „Was zum Geier ist das?“, rief Luca aus und starrte auf den Shadow, der mit seinem Pferd Schwung holte und nach vorne schwang. „Frag nicht so blöd, sondern kämpf!“, zischte Mirai und machte mit Aiden einen Sprung nach hinten, um dem Treffer zu entgehen. Sofort kam der Spanier angestürmt und stach mit seiner Waffe zu, während die beiden Mädchen aus der Ferne angriffen. Zwar erlitt der Shadow Schaden, doch war dieser kaum der Rede wert, da er bereits wieder zum Angriff überging. Aiden sprang seiner Faust aus dem Weg und schlug mit dem Schwert zu, doch auch das zeigte wenig bis gar keine Wirkung. Um ihrem Anführer zu helfen, ließ Miyuki einen Feuerzauber los, doch verpuffte dieser an dem Shadow, bevor er auch nur einen Kratzer verursachen konnte. „Alter, ist das Teil gegen alles immun, oder was?“, knurrte Luca und schoss mit Alphard einen Eisbrocken auf seinen Gegner, der allerdings genau wie der Feuerzauber endete. Leider war der Spanier näher an ihrem Feind als Miyuki, denn den Eiszauber bestrafte der Koloss damit, dass er das Pferd herumriss und mit dem hinteren Teil Luca von den Beinen gegen eine Wand fegte.   Schnell eilte Aiden seinem Freund zur Hilfe, während Haruka versuchte, ihren Gegner mit Blitzen in Schach zu halten, doch wie schon bei Eis und Feuer, zeigte es keine Wirkung. Als die beiden Braunhaarigen außer Reichweite waren, versuchte Aiden es mit einer Windattacke. Er erhoffte sich ehrlich gesagt keinen großen Erfolg und wurde auch nicht enttäuscht, denn die Attacke verpuffte ebenfalls. „Was sollen wir denn machen? Der wehrt alles ab!“, rief Miyuki und schoss einen weiteren Pfeil ab, der den Koloss nicht einmal ins Straucheln brachte. Wieder schwang der Shadow nach vorne und versuchte, seine Gegner unter sich zu begraben, doch sprangen seine Ziele schnell aus dem Weg. Mit knirschenden Zähnen starrte Mirai das Monster an und wünschte sich einfach, nicht so nutzlos zu sein: „Wie gerne würde ich dem Vieh einfach eine reinhauen. Reinhauen? Leute, haut dem Vieh eine!“ „Was glaubst du, was wir hier die ganze Zeit machen?“, rief Luca zurück und wich einem weiteren Stoß aus, bevor er zu Aiden schaute: „Hast du eine Ahnung, was sie meint?“ Auf die Frage setzte sich der Braunhaarige wieder die Pistole an den Kopf und sah Luca aus dem Augenwinkel an: „Ja und ich hoffe, dass es klappt! Jack Frost!“   Auf den Schuss erschien eine kleine, einem Schneemann ähnelnde Gestalt mit blauen Kleidern und Mütze, die locker auf der Stelle lief und ein fröhliches „Hee-Ho!“ von sich gab. Anschließend wandte er sich seinem Gegner zu und wirbelte seinen rechten Arm ein paar Mal wie eine Windmühle, ehe er dem Shadow einen Schlag verpasste, der ihn mitsamt seinem Schaukelpferd umriss. „Es hat echt geklappt!“, kam es von Luca, doch stieß Aiden ihm in die Seite und rannte nach vorne: „Guck nicht, sondern prügel auf das Vieh ein!“ „Attacke!“, schrie Miyuki und stürmte mit Aiden zusammen auf den Shadow zu, ebenso wie Haruka und kurz darauf auch Luca. Gegen die geballte Wucht des Angriffs kam der Shadow nicht an und verschwand nach der Tracht Prügel in einer schwarz-roten Rauchwolke. „Und komm bloß nicht wieder!“, rief Aiden aus und stützte sich auf seinen Knien ab, bevor zur Seite auf die Tür schaute, die sich geräuschlos öffnete: „Wenigstens hat es geklappt.“ „Geht es bei euch? Können wir weiter oder braucht ihr eine Pause?“, fragte Haruka zaghaft nach und sah dabei in die Runde, doch schüttelten die anderen nur die Köpfe. Erleichtert lächelte Haruka ihre Freunde an und lief bereits auf die Tür, doch kaum hatte sie diese erreicht, begannen die Lampen wieder zu flackern und ein weiteres Mal hallten die körperlösen Stimmen zu ihnen.   „H-hallo, Yamazaki-san.“ „Hm? Wolltest du etwas, Akutagawa-kun?“ „A-also weißt du... i-im Kino läuft ein neuer Film und ich dachte, w-wir könnten ihn uns gemeinsam anschauen.“ „Ein Film? Du meinst den neuen Featherman Rangers-Film?“ „A-also um ehrlich zu sein... Naja...“ „Bittest du mich gerade um ein Date? Ernsthaft?“ „Was? N-nein, das ist doch kein Date, also... wenn du es willst, dann könnte es eins sein, aber muss es nicht... Naja...“ „Was soll ich mit so einem Typen wie dir? Klär mal deine Prioritäten, bevor du mit mir redest.“ „J-ja, aber... Yamazaki-san, ich...“   Mit einem lauten Rauschen brach das Gespräch ab und ließ die Gruppe nachdenklich zurück. Luca verschränkte die Hände hinter dem Kopf und wippte leicht vor und zurück, während die drei Mädchen sich mit einem skeptischen Blick anschauten. Aiden konnte nur fragend die Arme vor der Brust verschränken und den Kopf schief legen. Die Situation eben hatte nichts mit dem Mobbing zu tun, was sie im ersten Teil des Dungeons gehört hatten, allerdings passte es auch nicht zu dem Gespräch mit Setsunas Mutter. Keiner sprach ein Wort, ehe Luca endlich die Stille durchbrach: „Kommt schon, hat der Knirps eigentlich nur ins Klo gegriffen? Er wird gemobbt, hat Zoff mit seiner Mutter und kriegt jetzt noch eine Abfuhr von einem Mädchen? Der arme Junge.“ „Mag sein, dass er ziemlich viele Probleme hat, aber wie passt dieses Gespräch in den Rest rein?“, gab Aiden zurück und wiegte den Kopf hin und her, bevor er fragend zu Haruka schaute und sich anscheinend von ihr eine Antwort erhoffte. Als die Brünette seinen Blick bemerkte schüttelte sie lediglich den Kopf und zuckte mit den Achseln: „Ich kann mir da auch keinen Reim darauf machen. Aber... liegt es nur an mir oder klang die Abfuhr nicht wirklich bösartig?“   „Kann eine Abfuhr auch nicht bösartig klingen?“, gaben Aiden und Luca synchron von sich und wurden von den drei Damen irritiert angeschaut, ehe Mirai nur den Kopf hängen ließ: „Männer...“ „Wenn es richtig gemacht wird, kann man einen Jungen auch abschießen, ohne dass es schlimm wird. Also... für mich klang es so, als würde sie wollen, dass Akutagawa etwas ändert“, sprach Miyuki ihren Verdacht aus und zeichnete mit dem Fuß Kreise am Boden. Wieder sah die Gruppe sich etwas ratlos an, bis Mirai sich durch die Haare fuhr und laut überlegte: „Was soll er denn ändern? Sein Stottern? Oder war sie sauer, weil er sie in einen Kinderfilm einladen wollte?“ „Die einfachste Lösung wäre es, wenn wir dieses Mädchen selbst fragen“, entschied der Anführer der Gruppe und steckte seine Hände in die Hosentaschen, woraufhin Luca ihm einen Daumen hoch gab: „Das ist natürlich die beste Idee. Also gehen wir am besten morgen nach der Schule los und suchen diese... diese... Wie hieß sie nochmal?“ „Irgendwas mit Yama. Yama...ki?“, kam es von der Silberhaarigen, die sich fragend an der Wange kratzte und sich hilfesuchend an ihre Freunde wandte, von denen Haruka leicht planlos wirkte: „Yama... Yama...“ „Yamazaki“, erlöste Miyuki die vier von ihrer Raterunde und wurde dankend angesehen, als Aiden leicht auflachte: „Wie gut, dass Miyuki sich anscheinend Namen schnell merken kann. Ich kann es nicht.“   „Das hat nicht wirklich was mit schnell merken zu tun. Das Mädchen geht in den Kunstclub an der Gekkoukan, daher kenne ich sie“, erklärte die Grünhaarige nebenbei, was ihr einen verdutzten Blick von Aiden einbrachte: „Hast du nicht gesagt, dass du in keinem Schulclub bist?“ „Ich sagte, ich bin in keinem Sportclub, aber das ist jetzt Nebensache. Am einfachsten finden wir Yamazaki-san Dienstags oder Donnerstags im Kunstraum.“ „Da das ja jetzt geklärt ist, können wir weitergehen, denn wir müssen immer noch den Raum finden, in dem Akutagawa ist. Keine Müdigkeit vorschützen, wir haben noch ein Stück vor uns!“, rief Haruka und stieß die Faust in die Luft, woraufhin die Gruppe endlich die Tür durchschritt und sich aufmachte, noch tiefer in den düsteren Dungeon vorzudringen.   Der Enthusiasmus, den Haruka vorher noch gezeigt hatte, hielt nicht lange an, denn der neue Weg, den der Dungeon nahm, war eine wahre Berg- und Talfahrt. Der Weg ging keine zehn Meter, bevor er einen Knick machte und in eine andere Richtung führte. Shadows zeigten sich keine in diesem Abschnitt, doch alleine der Weg machte der Gruppe das Leben wahrlich zur Hölle. Nach einer Weile hielt die Gruppe an, um etwas zu verschnaufen, doch leider brachte diese Pause eine bittere Erkenntnis mit sich. Aiden stützte sich mit einer Hand an der Wand ab, während er den Gang vor sich entlang schaute und dabei mit den Zähnen knirschte: „Da vorne ist die offene Tür, durch die wir eben gekommen sind.“ „Ernsthaft? Wir sind jetzt nicht wirklich die ganze Zeit im Kreis gelaufen, oder?“, jammerte Miyuki und sackte am Boden zusammen, da sie kaum noch Kraft in den Beinen hatte. Keiner aus der Gruppe gab eine Antwort, dafür nagte die Situation zu sehr an ihnen. Die Wege hier waren so verwinkelt und hatten dazu noch Höhenunterschiede, weshalb es einem extrem schwerfiel, irgendwie die Orientierung zu behalten.   Luca griff nach seiner Wasserflasche, um etwas zu trinken und seine Gedanken zu ordnen, doch ihm wollte einfach nichts einfallen. Mirai und Haruka waren ebenfalls mit ihrem Latein am Ende, was man der Silberhaarigen deutlicher ansah als der Brünette. „Wie sollen wir hier durchkommen? Es muss doch eine Lösung geben!“, fauchte die Silberhaarige und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Das Einzige, was anschließend zu hören war, war das stete Klopfen, wenn Luca den Schaft seiner Hellebarde auf den Boden setzte. Der gleichmäßige Rhythmus wirkte einigermaßen beruhigend auf seine Freunde, denn sie ließen ihren Frust nicht mehr so offen raus. Haruka sah der Reihe nach zu ihren Freunden und als ihr Blick bei Aiden ankam, fiel ihr etwas ein, was sie mal von Setsuna gehört hatte: „Ich habe eine Idee.“ „Echt? Lass hören, Tenno“, forderte der Anführer seine Begleiterin auf, die auf die Hand des Braunhaarigen deutete: „Das hat Setsuna-kun mir mal erklärt, als wir in einem Vergnügungspark waren. Angeblich kann man ein Labyrinth bestehen, indem man die Rechte-Hand-Methode verwendet.“   Irritiert wiederholten Luca und Miyuki den Namen der Aktion und sahen sich fragend an, während Aiden die Details deutlicher erfragte: „Wie genau funktioniert dieser Trick?“ „Nun, vom Prinzip her soll es funktionieren, wenn man durch ein Labyrinth läuft und dabei stets die rechte Hand an der Wand lässt. Ich habe es selbst nie ausprobiert, aber Setsuna hat uns damals durch so ein Spiegellabyrinth gelotst. Da könnte also was dran sein“, erzählte die Brünette und sah ihre Freunde an, von denen Luca immer noch irritiert wirkte: „Wie soll einem das helfen? Ich kapier es nicht.“ Die Antwort darauf bekam er von Mirai, die ihre Hand an die Wand legte und dabei den Trick verstanden hatte: „Natürlich, das ist ganz logisch. Pass auf, Luca, ich erkläre es dir. Ein Labyrinth hat einen Start und ein Ziel, korrekt?“ „Ja, so viel ist klar, aber was soll der Kram mit der rechten Hand?“, fragte der Spanier zurück und wurde frech angegrinst: „Ganz einfach, ein Labyrinth funktioniert so: Du hast Start und Ziel und dazwischen werden die Hindernisse aufgebaut. Mit Kreuzungen, Sackgassen und allem, was dazu gehört. Was dich in so einem Irrgarten wirklich ablenkt ist, wenn du immer wieder an eine Kreuzung kommst und dich entscheiden musst, wo du langläufst oder in einer Sackgasse endest.“ Aiden hatte aufmerksam zugehört und unterbrach Mirai mit einem Grinsen: „Verstehe, wenn du dich also nur auf die Hand an der Wand konzentrierst und einfach dem Weg, den die Wand selbst baut folgst, musst du irgendwann am anderen Ende herauskommen. Der Trick ist genial, also versuchen wir es!“   Mit neuem Mut machte sich die Gruppe auf, den Trick zu verwenden, weshalb Haruka ihre Hand an die Wand setzte und vorausging. Natürlich blieb bei allen eine gewisse Skepsis zurück, ob diese Aktion wirklich von Erfolg gekrönt sein würde, aber sie waren alle gewillt, es zu versuchen. Es ging hin und her und mehrere Male lief die Gruppe eine Haarnadelkurve, welche die Skepsis von Luca und Miyuki immer mehr steigen ließ. Aiden und Mirai hingegen konzentrierten sich nur auf Haruka, die den Blick starr auf ihre Hand gerichtet hatte, um sich nicht ablenken zu lassen. Die Stille in dem Dungeon war etwas, was den Schülern auch deutlich zusetzte, denn es konnte jederzeit passieren, dass sie wieder in einen Shadow reinliefen. Zu ihrem Glück ließ sich keins der Schattenwesen blicken, bevor sie vor einer geschlossenen Schiebetür zum Stehen kamen. „Das ist nicht die, durch die wir eben gekommen sind, oder?“, ging Luca sicher und sah zu Aiden, der den Kopf schüttelte und einen Schritt nach vorne machte: „Nein, die war bereits offen, auch als wir zurückgekommen sind. Das ist die Nächste, aber wie öffnen wir sie?“ Haruka lief an ihm vorbei und hatte aus Gewohnheit noch immer die Hand an der Wand, als die Tür plötzlich zur Seite fuhr und den Weg freigab. Perplex nahm die Brünette endlich die Hand von der Wand und kratzte sich an der Wange, doch wollte keiner groß Zeit vergeuden, weshalb sie weiterliefen. Bevor sie allerdings durch die Tür konnten, erklang ein lautes Rauschen, gefolgt von zwei, ihnen sehr bekannt vorkommenden Stimmen.   „Was meinst du damit, du hast keine Zeit?“ „Es tut mir leid, Setsuna-kun, aber mir ist leider was Wichtiges dazwischengekommen.“ „Du hast es mir versprochen!“ „Ja, ich weiß und es tut mir wirklich leid, aber... ich kann die Sache heute nicht verschieben.“ „Ja, klar... das ist doch nur eine Ausrede. Du willst keine Zeit mit mir verbringen, oder?“ „Was? Nein! Setsuna-kun, das ist nicht wahr.“ „Spar es dir! Du hast es versprochen und jetzt brichst du es... Ich hasse dich!“ „Setsuna-kun warte...“   Wieder rauschte es durch die Gänge, bevor es still wurde. Haruka verkrampfte sich und drückte sich beide Hände auf die Brust, denn sie hatte gerade ihre eigene Stimme gehört. Auch Aiden und den anderen war klar, wann dieses Gespräch stattgefunden hatte. „Das war an dem Tag, an dem du ins Wohnheim gezogen bist, oder?“, wandte sich der Braunhaarige an die Mechanikerin, die zaghaft nickte und den Tränen nahe schien: „Ja, das war kurz bevor ihr gekommen seid.“ „Ernsthaft, der Kleine will erwachsener auf andere wirken, aber flippt aus wie ein Vierjähriger, wenn er nicht das bekommt, was er will. Bei dem läuft doch was nicht richtig. Es passt nicht zusammen“, murmelte Luca und verschränkte die Arme vor der Brust, während er sich alles noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Es ergab für ihn einfach keinen Sinn, allerdings hatte Mirai die Lösung: „Es passt sehr wohl. Ein Shadow erscheint, wenn du an einem Punkt bist, an dem du durch negative Emotionen unter Druck stehst und dich selbst oder deine Aktionen nicht wahrhaben oder akzeptieren willst. Setsuna will erwachsen sein, kann aber sein kindliches Verhalten nicht kontrollieren. Er kann sich also wortwörtlich nicht so akzeptieren, wie er ist.“ „Die Absage von Haruka war also der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, beteiligte sich Miyuki an der Diskussion, doch leider ließ ihre Aussage die Brünette fast zusammenbrechen: „Dann ist es meine Schuld, dass er hier ist? Was habe ich getan? Das habe ich nicht gewollt.“   „Es ist nicht deine Schuld, Tenno. Wir werden ihn hier rausholen und dann klärt ihr die Sache“, bestimmte Aiden und ging durch die Tür, was ihn anschließend große Augen machen ließ. Vor ihm erstreckte sich ein kurzer Gang, der in einer gigantischen Tür mit einer Glaskuppel darauf endete. Er winkte seine Freunde mit sich und lief den Gang entlang, bis er vor der Tür zum Stehen kam. Sie hatten es endlich geschafft und ihr Ziel erreicht. Während der Rest der Gruppe den Gang entlanggelaufen kam, nutzte Aiden die Zeit, um das Schloss zu untersuchen. Seine Erleichterung über das Erreichen des Ziels hielt nicht lange, denn kaum berührte seine Hand die Glaskuppel, hatte er das Gefühl, als würde sein Kopf zerspringen. Er umfasste seinen Kopf mit einer Hand, bevor er einen lauten Schmerzensschrei ausstieß und auf die Knie sackte. Vor seinen Augen blitzten immer wieder dunkle Bilder auf, die von mehrere Lichtflecken durchzogen waren. Jedes Mal, wenn eins der Lichter aufblitzte, bekam Aiden höllische Kopfschmerzen, doch half auch das zusätzliche Licht nicht dabei, etwas zu erkennen. So schnell der Schmerz gekommen war, genauso schnell verschwand er auch wieder und ließ den Jungen schwer keuchend am Boden zurück.   „Hey, Amigo, was hast du denn?“, rief Luca seinem Freund zu, während er besorgt neben ihm in die Hocke ging. Mehr als ein schweres Keuchen bekam er leider nicht zur Antwort, da Aiden immer noch um Atem rang. Haruka hockte sich neben ihn und legte ihm behutsam die Hand auf die Schulter, wofür der Braunhaarige dankbar nickte: „Sorry, hab es wohl etwas übertrieben...“ Während Haruka sich weiter nach seinem Wohlbefinden erkundigte, untersuchten Miyuki und Mirai das Schlüsselloch, welches dieses Mal eine viereckige Form mit einer tieferen Einbuchtung hatte. Fragend sahen sie zum Rest der Gruppe, doch fiel ihn auf die Schnelle nichts ein, was als Schlüssel würde fungieren können. Aiden hatte es geschafft, sich wieder auf die Beine zu kämpfen, weshalb er für heute den Rückzug anordnete. Keiner der anderen hatte ein Problem damit, denn der Dungeon hatte hart an ihren Kräften gezerrt. Mirai aktivierte den Altar, welcher in einer Ecke des Ganges stand und mit einem letzten Blick auf die Tür trat die Gruppe den Rückweg an.   Kapitel 33: XXXIII - Zuhören will gelernt sein ---------------------------------------------- ~~~Montag 30. Mai 2016~~~   Wie auch schon in den vorherigen Tagen hatten sich die vier Schüler während der Mittagspause auf dem Dach der Schule eingefunden, um ihr weiteres Vorgehen zu planen. Die Stimmung war heute deutlich besser, da sie es immerhin schon geschafft hatten, durch den Dungeon zu kommen und waren ihrem Ziel damit zum Greifen nahe. Haruka nutzte die Gelegenheit und erfragte sich weitere Informationen dazu, was sie als nächstes tun mussten, um Setsuna zu retten. Zum einen blieb ihr Vorhaben offen, sich mit der Schülerin Yamazaki zu unterhalten und zum anderen benötigten sie noch den Schlüssel, mit dem sie die Tür würden öffnen können. „Wie genau sieht dieser Schlüssel denn aus?“, überlegte die Brünette und sah in den Himmel, der leicht mit Wolken behangen war, als Luca zu erklären begann, dass der Schlüssel wohl eine viereckige Form haben musste. Worum es sich bei der Vertiefung, die in dem Loch war, handeln könnte, wusste er allerdings nicht. Auch Miyuki und Aiden waren da etwas planlos, weshalb sie versuchten, einen sinnvollen Zusammenhang zu finden.   „Mal überlegen, was ist viereckig?“, fing Miyuki an, was ihre Freunde dazu veranlasste, einige Ideen in den Raum zu werden. Leider schienen alle Ideen nicht wirklich zu passen, weshalb Luca nachdenklich zu Aiden schaute: „Wenn wir mal versuchen, eine Parallele zu Tenno-chan zu ziehen, was könnte da passen?“ „Sorry, wenn ich das Thema wechsele, aber was genau war mein Schlüssel eigentlich?“, warf die Brünette ein, woraufhin sie eine lockere Antwort von dem Spanier bekam: „Ach, nur so ein Diadem, was du wohl mal bei einer deiner Misswahlen gewonnen hast.“ Für einen Moment wunderte sich die Brünette, dass gerade dieses Schmuckstück von ihr der Schlüssel war, doch dann verzog sie irritiert das Gesicht: „Wartet mal einen Moment... Das Diadem war in einer Schachtel, welche unter meinem Bett liegt. Wie seid ihr da drangekommen? Silva, bist du in meinem Zimmer gewesen?“ Erschrocken wich der Braunhaarige zurück und wedelte sofort abwehrend mit den Händen, da er in diesem Fall absolut unschuldig war, leider konnte er seine Unschuld nur auf eine Art beweisen: „Ich schwöre, ich war es nicht... Es war Aiden!“ Erschrocken fuhr die Brünette herum und starrte den Anführer der Gruppe an, der sich gerade ein Stück Fisch in den Mund stecken wollte, dabei jetzt allerdings innehielt: „Äh... ich kann das erklären.“ „Da bin ich aber gespannt!“, fauchte die Brünette, die es überhaupt nicht lustig fand, dass Aiden einfach so in ihrem Zimmer herumgeschnüffelt hatte.   Sich der Gefahr vollkommen bewusst, begann Aiden zu erzählen, wie er damals von Rigel zum Haus der Mechanikerin gelotst worden war und anschließend durch ihren Großvater Zutritt zum Haus bekommen hatte. Nach der Erzählung erhob er sich und verneigte sich so tief er konnte, denn er war sich bewusst, dass er damals wirklich eine Grenze überschritten hatte, allerdings hatte es keine andere Wahl gegeben. Zwar war die Brünette ziemlich wütend über diese Erkenntnis, allerdings sah sie auch ein, was der Grund für die Aktion gewesen war. Sie seufzte ergeben auf und schenkte Aiden ein sanftes Lächeln, bevor sie sich wieder hinsetzte: „Es... ist okay, Kurosaki-kun. Aber bitte, mach das nicht wieder, denn sonst…“ „Versprochen, Tenno“, gab der Braunhaarige reumütig zurück und aß nun weiter seinen Fisch, wobei der unvollendete Satz der Mechanikerin ihn etwas beunruhigte. Miyuki atmete einmal erleichtert aus, nachdem sich die Situation etwas beruhigt hatte und sah dann in die Runde: „Um wieder aufs Thema zu kommen. Wir brauchen also ein Objekt, was für Akutagawa dieselbe Bedeutung hat, wie das Diadem für Haruka-chan?“ „Scheint so, aber jetzt bleibt die Frage, was das Teil für Tenno bedeutet?“, führte Luca die Überlegung weiter und sah zu seiner Klassenkameradin, die nachdenklich die Augen schloss und den Kopf senkte: „Naja, es ist... kompliziert. Zum einen erinnert es mich an diese Folter, die meine Mutter mir immer aufgezwungen hat, aber auf der anderen Seite erinnert es mich an meinen Vater. Er hat mich damals unterstützt, als ich gewonnen hatte.“   Aiden blies sich seinen Pony aus dem Gesicht und legte sich auf eine der Holzbänke, um in den Himmel zu schauen. Seine Gedanken kreisten um das eben gesagt und wie sie es jetzt würden lösen können. Als ihm nichts einfallen wollte, setzte er sich auf und erhob sich dann von der Bank: „Es hilft nichts, wir werden uns heute Abend darüber unterhalten müssen.“ „Ja, aber wir können immer noch versuchen, mit Yamazaki-san zu reden“, ergriff Miyuki das Wort und stand ebenfalls auf, wurde jedoch fragend angeschaut. „Sagtest du nicht, dass der Club Dienstags wäre? Es ist Montag“, wunderte sich Luca und stützte das Kinn auf der Hand ab, was die Grünhaarige verlegen auflachen ließ: „Ja, stimmt schon, aber sie geht auch oft außerhalb der Zeit in den Raum. Wir können es heute also versuchen, wenn ihr wollt.“ „Klingt nach einem Plan!“, rief Luca und sprang auf, doch wurde sein Enthusiasmus von Haruka gebremst: „Habt ihr nicht alle heute eure Sportclubs?“ Mit einem gequälten Laut ließen die drei Sportler die Köpfe hängen, denn daran hatten sie gar nicht mehr gedacht, allerdings würden sie sich hüten, ihre Kurse zu schwänzen. Aiden wollte sich lieber nicht ausmalen, was Masao ihm für eine Standpauke verpassen würde, wenn er einfach den Club schwänzte.   Mit hängenden Köpfen machten sie sich dieses Mal früher auf den Weg zurück in die Klasse, doch trafen sie im Treppenhaus auf Sakura, die sie etwas missmutig anstarrte. Der Blick der Rosahaarigen wanderte von Luca zu Miyuki, dann zu Aiden und anschließend zu Haruka: „Du... bist in letzter Zeit recht häufig mit ihnen beim Mittagessen, Haru.“ „Oh, naja... Ja, wir verstehen uns halt gut“, gab die Brünette etwas hilflos zurück, doch hatte gerade diese Aussage ihre Freundin wohl schwer getroffen: „Verstehe... Für mich hast du dann wohl keinen Platz mehr, oder?“ Das Gespräch sorgte bei allen Anwesenden für ein unangenehmes Gefühl und Aiden fühlte sich irgendwie dafür verantwortlich. Tatsächlich hatte Haruka bei ihrem ersten Treffen auf dem Dach erwähnt, dass sie Sakura vertröstet hatte und da sie in den letzten Tagen regelmäßig in der Pause einen Krisengipfel gehabt hatten, war die Rosahaarige dementsprechend oft abserviert worden. Leider schien die Brünette auch keine vernünftige Erklärung zu haben, denn sie zog lediglich den Kopf ein und lief an ihrer Freundin vorbei: „Es tut mir leid, Saku, aber ich kann es nicht erklären.“   Um einem unangenehmen Gespräch weiter aus dem Weg zu gehen, stahlen sich Luca und Miyuki an Sakura vorbei und verschwanden im Flur, doch kam Aiden nicht an ihr vorbei. Er hasste solche Situationen, doch musste er mit ansehen, wie der Rosahaarigen die Tränen in die Augen stiegen: „Habe ich irgendwas getan, weshalb sie mir böse ist? Sie hat mich noch nie gemieden.“ Verzweifelt suchte Aiden nach einem Ausweg, allerdings klang alles in seinem Kopf wie eine billige Ausrede, die er der Schülerin jetzt nicht auftischen wollte. Er musste sich etwas einfallen lassen, als ihm nur eine Sache einfiel: „N-naja, sie wohnt jetzt bei uns und muss sich noch einleben, vermutlich will sie dich nicht mit ihren Problemen belagern.“ „Bei dir und Nobiro verstehe ich es ja, aber warum Silva? Sie hasst den Typen“, gab die Rosahaarige zurück und starrte ihren Teamkollegen an, der sich durch die Haare fuhr: „Also... was anderes will mir nicht einfallen, a-aber... Sie wird ja ihre Gründe haben, um dich nicht in die Gespräche einzubinden.“ Keins der Wörter wollte die junge Frau irgendwie aufheitern, was Aiden langsam wirkliche Gewissensbisse verpasste. Dann stellte sie aber eine Frage, die ihn wirklich an den Rand brachte: „Worüber redet ihr eigentlich in der Pause, dass sie mich nicht dabeihaben will?“   Nun hatte er ein Problem, denn Lügen war etwas, was Aiden nicht sonderlich gut konnte. Er verriet sich oft, also musste er eine Ausrede suchen, bei der es sich nicht um eine Lüge handelte. Schnell ging er im Kopf alles durch, worüber sie sich unterhalten hatten, doch kam ihm nur ein Thema in den Sinn, welches nichts mit den Shadows zu tun hatte: Die Sportclubs. Doch genau dieses Thema brachte ihn auf eine Idee, die er versuchen wollte, weshalb er ein nachdenkliches Gesicht machte: „Naja, hauptsächlich fragt sie uns über unsere Hobbys und die Sportclubs aus... Warte mal. Weiß Tenno, dass du im Kendoclub bist?“ Nun blinzelte Sakura einen Moment verdutzt, jedoch bejahte sie die Frage mit einem Nicken, was sie aber sofort die Augen aufreißen ließ: „Oh nein, sag mir nicht... Ich glaube ich weiß, was das Problem ist.“   „Ach wirklich?“, stammelte Aiden leicht verunsichert, doch dann seufzte seine Kollegin auf und wischte sich kurz über die Augen: „Sie weiß, dass du auch im Kendoclub bist und vermutlich will sie mich von dir fernhalten, damit du mich nicht mit deinem Clubkameraden in Verbindung bringst.“ Aiden wusste nicht, wie das Gespräch so hatte verlaufen können, doch spielte es ihm perfekt in die Karten. Aus diesem Grund ließ er sich sofort auf den Weg ein und schlug sich gespielt gegen die Stirn: „Deshalb fragt sie mich dauernd über meine Teamkollegen aus! Dieses durchtriebene Weib!“ „Eigentlich wäre es einfacher, wenn wir ihr einfach die Wahrheit erzählen, dann muss sie nicht weiter diese Heimlichtuerei auf sich nehmen. Ich bin so erleichtert, ich dachte schon, sie wäre sauer auf mich“, seufzte die Rosahaarige erleichtert auf und lächelte fröhlich, als Aiden sie kurz antippte: „Es mag zwar riskant sein, aber vielleicht solltest du heute mal vom Club wegbleiben und was mit Tenno unternehmen. Ich wette, es ist für euch beide gut.“ „Meinst du? Vielleicht hast du recht. Danke, dass du mir zuhörst, Aiden-kun. Du bist schwer in Ordnung“, grinste das Mädchen und eilte dann die Treppe hinunter, als die Schulglocke ertönte. Nun musste auch Aiden sich beeilen, um rechtzeitig zurück in die Klasse zu kommen, allerdings störte ihn das weniger, denn schließlich hatte er gerade so ein anderes Problem abwenden können.   Der restliche Tag verging schneller als er erwartet hätte, weshalb er sich für eine Weile von Miyuki verabschiedete, um sich zum Kendoclub zu begeben. Da Sakura heute nicht dabei war, musste sich Aiden einen neuen Trainingspartner suchen und zu seiner Freude war Masao bereit, ihm wieder bei seinem Einhandtraining zu helfen. Zwar sah man dem Älteren seine Skepsis diesem Stil gegenüber immer noch an, doch tat er sein Bestes, um Aiden so gut es ging zu unterrichten. Am liebsten hätte der Braunhaarige voll aufgedreht, um seinen Senpai von der abwesenden Nozaki abzulenken, allerdings steckte ihm die gestrige Erkundung zu tief in den Knochen und bremste ihn aus. Natürlich entging das dem Lilahaarigen nicht, doch konnte Aiden ihn davon überzeugen, dass er es wohl bei seinem Privattraining ein wenig übertrieben hatte. Kaum hatte er das gesagt, begann Masao damit, ihn mit allen möglichen Fitnesstipps zu bombardieren, vor allem damit, wie man Muskelkater am besten Vorbeugen konnte. Ein wenig störte es seine Konzentration, wenn sein Senpai ohne Unterbrechung redete, doch auf der anderen Seite freute er sich darüber, dass sich Masao so um ihn sorgte. Leider gab es neben dem Älteren noch etwas, was Aidens Konzentration störte und das war der Blick auf die Uhr. Auch dies entging dem Lilahaarigen nicht, der nun fragend eine Augenbraue hob und seinem Blick folgte: „Sag mal, warum guckst du dauernd auf die Uhr, Kurosaki?“ „Was? Äh, also weißt du... Ich habe nachher noch einen Termin und muss daher wirklich pünktlich gehen“, stammelte er etwas nervös und kratzte sich an der Wange, während sein Senpai verstehend nickte und dann mit den Achseln zuckte: „Weißt du was? Du bist immer länger da und hilfst Nozaki-kun dabei aufzuräumen, also sind heute mal die anderen dran. Geh zu deinem Termin und wir sehen uns dann am Mittwoch.   Erstaunt sah der Braunhaarige seinen Teamkapitän an, der sich nun an die anderen wandte und ihnen erklärte, dass sie heute mit aufräumen dran waren. Aiden verneigte sich respektvoll vor seinem Senpai, bevor er schnell aus der Halle hechtete. Um nicht zu viel Zeit zu vergeuden, machte er nur eine schnelle Katzenwäsche, bevor er die Kleider wechselte und dann den Sportkomplex verließ. Langsam marschierte er anschließend durch den Gang, in dem sich die Räume für die eher kreativen Schulclubs befanden. Ein wenig unfair fand Aiden die Aufteilung schon, wenn man bedachte, dass die Sportclubs einen gesamten Komplex hatten und die anderen Räume sich in einem Schulflur befanden. Er ließ kurz den Blick schweifen, doch war von Luca und Miyuki noch nichts zu sehen, weshalb er sich alleine auf die Suche nach dem Kunstclub machte. Er brauchte auch nicht lange zu suchen, bis er den gewünschten Raum fand. Vorsichtig horchte er an der Tür, um zu erfahren, ob sich jemand in dem Raum befand, doch konnte er leider nichts hören. Leider blieb ihm jetzt nichts anderes übrig, als sich die Zeit anderweitig zu vertreiben, weshalb er ein wenig auf seinem Handy herumspielte. Bei einer Nachricht von Kari musste er grinsen, als sie ihm schrieb, wie sie in der Schule die beste Matheklausur geschrieben hatte.   Er war so in sein Handy vertieft, dass er Miyuki nicht bemerkte, die mit nassen Haaren neben ihm zum Stehen kam und ihre Uniform etwas richtete: „Entschuldige, dass ich so spät bin, aber ich musste ganz dringend duschen.“ Nun hatte Aiden sie bemerkt und musterte sie von der Seite, wobei er Miyuki nun zum ersten Mal mit offenen Haaren sah. Im offenen Zustand reichten ihre Haare bis knapp zu den Schulterblättern, doch wirkten sie durch die Nässe etwas zu platt. Er musste kurz lachen, ehe er sein Handy wegpackte und die Hände in die Hosentaschen steckte: „Macht nichts. Ich konnte leider nicht hören, ob jemand im Raum ist und ein Fenster hat die Tür auch nicht.“ „Du hättest einfach mal rein linsen können, weißt du?“, schlug die Grünhaarige vor, doch schüttelte Aiden schnell den Kopf: „Und wie hätte ich das erklären sollen? Du hast wenigstens eine legitime Ausrede für dein Kommen, falls Yamazaki nicht da sein sollte. Ich hab keine.“ Auf die Aussage nickte die junge Frau verstehend und ließ anschließend den Blick schweifen, wobei ihr Blick an Luca hängen blieb, der langsam auf sie zugeschritten kam. Kurz hob der Spanier die Hand zum Gruß, ehe er mit der Hand eine kreisende Bewegung machte und dann auf die Tür deutete. Für einen Moment sahen die drei zusammen auf die Tür, ehe die beiden Jungs zu Miyuki schauten. Etwas verunsichert sah die Grünhaarige zwischen ihren Freunden hin und her, bevor beide mit dem Kopf in Richtung Tür deuteten und ihr zu verstehen gaben, dass sie diese öffnen solle. Mit einem leicht missgelaunten Murren klopfte Miyuki an die Tür, nur um sie kurz darauf aufzuziehen und in den Raum zu schauen.   Luca und Aiden traten hinter sie und taten es ihr gleich, wobei sie einen Kreis aus Staffeleien zum Zeichnen und mehrere Holzhocker entdeckten. Auf einem der Hocker saß ein Mädchen mit langem, hellblondem Haar, welches den Blick fest auf ihre Staffelei gerichtet hatte, allerdings im Moment nichts zu zeichnen schien. Immer wieder kam ein leises Murren von der Blondine, bevor sie ihren Stift an die Staffelei setzte, dann aber sofort wieder wegnahm. „Das Gefühl kenne ich. Du willst was zeichnen, aber dir fehlt die Inspiration und das Motiv“, murmelte Miyuki und nickte verstehend, doch war Aiden nicht hier, um über Kunst zu diskutieren. Vorsichtig machte der Braunhaarige einen Schritt vor, bevor er sich räusperte, um auf sich aufmerksam zu machen: „Entschuldige bitte, aber... Bist du Yamazaki-san?“ Mit einem neugierigen Laut drehte das blonde Mädchen sich auf ihrem Platz um und sah das Trio mit ihren rotbraunen Augen skeptisch an: „Was wollt ihr? Und ja, ich bin Yamazaki.“ „Oh gut, dann haben wir die Richtige gefunden. Wir wollten uns kurz mit dir unterhalten“, setzte der Braunhaarige wieder an, doch wandte sich das Mädchen von ihm ab: „Ich bin hier beschäftigt, falls du das sehen kannst.“ Es war klar, dass ihr momentan wohl nicht nach reden zumute war, doch leider machte Luca es nur schlimmer: „Womit denn? Damit, ein leeres Blatt anzustarren?“ Die Aussage schien gesessen zu haben, denn die Blondine sog scharf die Luft ein, während sich der Griff um ihren Stift so sehr festigte, dass man um die Unversehrtheit des Stiftes fürchten musste.   Schnell machte Miyyuki einen Schritt vor und tippte mit den Zeigefingern gegeneinander: „Wir wollen dich nicht lange stören, Yamazaki-san, aber... es geht um einen Bekannten von dir, Akutagawa Setsuna.“ Nun war anscheinend die Neugier des Mädchens geweckt, denn sie wandte ihren Clubkameradin neugierig den Kopf zu: „Was ist mit ihm? Ich habe gehört, dass er angeblich von Zuhause abgehauen sein soll.“ „Er soll abgehauen sein?“, wiederholte Luca etwas ungläubig und hob skeptisch eine Augenbraue, woraufhin die Blondine nur mit dem Achseln zuckte: „Ich kann nur das sagen, was ich gehört habe. Schließlich ist er seit mehr als einer Woche verschwunden. Entweder er ist weggerannt oder er wurde gekidnappt.“ Die Gleichgültigkeit, mit der das Mädchen die beiden Möglichkeiten aussprach ließen das Trio etwas erschrocken zurückweichen, doch fing Aiden sich schnell wieder: „Dir scheint das ja relativ egal zu sein, so wie du klingst.“ „Ich habe genug eigene Probleme, um mich auch noch um diesen Kindskopf zu kümmern“, murrte Yamazaki und musterte Aiden mit ihren rot-braunen Augen, die fast so wirkten, als würden sie sich gleich in ihn hineinbohren.   Mit einem langen Seufzer ließ der Braunhaarige kurz den Kopf hängen, bevor er sich wieder zu Wort meldete: „Eigentlich wollten wir dich zu einer Sache mit Akutagawa fragen, die uns erzählt worden ist. Er... hat dich mal auf ein Date eingeladen, richtig?“ Erstaunt riss das Mädchen die Augen auf und blinzelte ein paar Mal verdutzt, bevor sie den Kopf heftig schüttelte und mit leicht geröteten Wangen wieder auf ihr Blatt schaute: „Wo habt ihr das denn her? Hat Kuno-kun wieder blödes Zeug erzählt?“ „Kuno-kun? Keine Ahnung wer das ist, aber anhand deiner Reaktion stimmt es, oder?“, grinste Luca und lehnte sich gegen einen Schrank, während er auf eine Reaktion der Blondine wartete, die ihn nur böse anfunkelte: „Auf ein Date einladen kann man das nicht nennen. Er hat sich nur was zurecht gestammelt.“ Kurz tauschte das Trio einen erstaunten Blick, bevor Aiden sich neben Yamazaki stellte: „Also stimmt es. Angeblich hast du ihn abblitzen lassen, weil er zu kindisch und unsicher war. Ich meine, Neo Featherman? Das ist schon etwas sehr sonderbar.“ „Was wird das hier? Ein Verhör? Wollt ihr mir jetzt die Schuld für sein Verschwinden geben?“, fauchte die Blondine und sah Aiden an, der allerdings nur langsam den Kopf schüttelte: „Nein, das will ich nicht. Akutagawa ist ein guter Freund einer Freundin von mir und... sie macht sich Sorgen. Wir suchen nach Anhaltspunkten, weshalb er verschwunden sein könnte.“   Mit einem leisen „Ach so“ sah das Mädchen wieder zu ihrer Staffelei, bevor sie seufzte und begann, ihre Sachen zusammen zu packen: „Es ist ja nicht so, als ob mich der Film nicht interessiert hätte.“ „Aber?“, hakte Miyuki nach und machte große Augen, als Yamazaki sich ihr zuwandte und dann ihre Tasche schultere: „Sei doch mal ehrlich, Nobiro-senpai, was will man als Mädchen mit einem Typen, der sich nicht mal sicher ist, ob er einen daten will oder nicht?“ Wieder sah sich das Trio an, ehe es einfach aus Miyuki herausbrach: „Warte, als du sagtest, dass er mal seine Prioritäten klären solle, da hast du lediglich sein Gestottere gemeint? Wenn er dich also klar gefragt hätte, hättest du zugesagt?“ „Ich hätte zumindest darüber nachgedacht, sagen wir es so. Wenn ihr mich jetzt entschuldigt, ich habe noch etwas zu erledigen. Einen unschönen Nachmittag wünsche ich“, murrte die Blondine, bevor sie aus dem Raum stolzierte.   Die Aktion hatte das Trio etwas aus der Bahn geworfen, weshalb sie sich kurz ansahen und dann wieder zur Tür schauten. Aiden und Miyuki verzogen kurz das Gesicht und machten sich ihre Gedanken zu dem Mädchen, als Luca leicht auflachte: „Wow, das Mädel nimmt echt kein Blatt vor den Mund, aber mal ehrlich, was hat uns das jetzt gebracht? Ich meine, außer dass wir angemeckert wurden.“ „Nun, wir haben etwas erfahren, was unsere bisherigen Erfahrungen ergänzt. Lasst uns nach Hause gehen, dann gehen wir nochmal alles durch“, beschloss Aiden und winkte seine Freunde mit sich, wobei er bemerkte, wie Miyuki noch schnell zu einer anderen Staffelei lief und das Bild davon mitnahm.   Einige Zeit später saß das Quintett im Foyer des Wohnheims zusammen, um die neuen Erkenntnisse mit Mirai und Haruka zu teilen. Die Silberhaarige war alles andere als glücklich darüber, dass ihre Freunde solche Fortschritte bei der Ermittlung machten, sie selbst allerdings mal wieder vollkommen nutzlos zu sein schien. Sie seufzte und machte sich in ihrem Sessel ein wenig kleiner, während Haruka sich mit den anderen über das heute erfahrene unterhielt. „Okay, also wie genau können wir die Dinge, die wir erfahren haben, nutzen, um Setsuna zu helfen?“, warf die Brünette schlussendlich in den Raum und sah vor allem zu Aiden, der Kiara auf dem Schoß hatte und ihr die Ohren kraulte: „Wie wir bei Luca, Miyuki und auch bei dir gesehen haben, ist es wichtig, dass man mit seinem Shadow irgendwie ins Reine kommt. Alleine ist das aber extrem schwer, da du sofort dazu neigst, auf defensive zu schalten und alles abzublocken.“ „Daher müssen wir wissen, wie Akutagawa-kun tickt, damit wir ihn unterstützen können“, führte Miyuki fort und sah in die Runde, wo Mirai leise murmelte: „Also fassen wir nochmal alles zusammen, was wir über ihn wissen. Was meint ihr?“ „Klingt gut. Kann jemand mitschreiben?“, erkundigte sich der Anführer, als die Grünhaarige sich bereits mit einem Blick und einem Stift bewaffnet hatte: „Sekretärin Miyuki, bereit zum Diktat.“   „Okay, fangen wir mal mit der ersten Szene an, die wir gehört haben“, begann Luca zu sprechen und setzte sich dabei bequemer hin, „Ihm wurden seine Spielsachen weggenommen, weil andere Schüler es für uncool und kindisch gehalten haben. Fazit: Er wird für seine Vorlieben gemobbt.“ Ein einstimmiges Nicken ging durch die Gruppe, bevor Mirai das Wort ergriff: „Das zweite war eine Unterhaltung mit seiner Mutter, welche ihn für seine harte und gute Arbeit belohnen wollte. Es endete damit, dass er sie deswegen angeschnauzt hat, dass er diesen Kinderkram nicht mögen würde. Am Ende hat er sich aber leise entschuldigt.“ „Warte, du hast das auch gehört?“, wunderte sich Aiden, der sich damals nicht sicher war, ob er das wirklich gehört hatte, doch zu seinem Erstaunen nickten alle seine Freunde, ehe Mirai weiterredete: „Scheint so, oder? Wie hat Luca es formuliert? Fazit: Er verleugnet seine eigenen Vorlieben und versucht, sich erwachsener zu benehmen, was ihn aber nur noch kindischer wirken lässt. Was für ein Mist.“ „Wartet, so schnell kann ich nicht schreiben!“, rief Miyuki aus und kritzelte auf dem Block herum, bevor sie zu Aiden schaute: „Okay, jetzt könnt ihr weiter machen.“   Der Braunhaarige ließ sich die dritte Szene noch einmal durch den Kopf gehen und verknüpfte sie mit dem, was er heute erfahren hatte: „Die dritte Sache war ein Gespräch mit Yamazaki, bei der er wohl versucht hat, sie etwas anzubaggern. Da er allerdings aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen etwas zurückhaltender und nervöser agiert hat, wurde er abgewiesen. Ich habe dieses Mal kein Fazit, sondern eher eine Vermutung. Yamazaki meinte, dass sie ihn abgewiesen hat, weil er ihr zu unsicher gewirkt hat. Ich glaube allerdings, dass Akutagawa es so aufgefasst hat, dass sie ihn auch wegen seiner Vorlieben weggestoßen hat. Kinder, sorry, dass ich ihn so betiteln muss, neigen dazu, Aussagen, die ihnen nicht gefallen, schnell mal in den falschen Hals zu kriegen. Er wurde abgewiesen und hat es sofort negativ aufgenommen, anstatt sich zu fragen, ob mehr dahinterstecken könnte.“ „Klingt logisch, wenn du mich fragst“, brummte Luca und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, während er an die Decke schaute und nachdenklich mit der Zunge schnalzte. Als letztes war Haruka an der Reihe, die bedrückt den Kopf senkte: „Als letztes habe ich ihm wohl den Gnadenstoß verpasst, weil ich ihn auch abgewiesen habe. Aber es ist, wie Kurosaki-kun es eben schon gesagt hat, er hat überreagiert und sich nicht gefragt, was wirklich dahintersteckt. Selbst, als ich es ihm erklären wollte, hat er nicht zuhören wollen.“   Während Miyuki noch die letzten Informationen notierte, stieß der Rest der Gruppe ein nachdenkliches Brummen aus, bevor die Grünhaarige sich selbst noch einmal alles durchlas: „Okay, ich denke, das war alles. Was genau machen wir jetzt damit?“ Für eine Weile herrschte komplette Stille im Raum, welches lediglich durch das Ticken der Uhr oder das Kratzen von Kiara unterbrochen wurde. Dann nickte Aiden und setzte sich auf: „Ich sehe es so: Er hat seine Vorlieben, aber weil er dafür gemobbt und bedrängt wird, versucht er krampfhaft, erwachsen zu sein. Das gelingt ihm aber nicht, weil immer wieder seine normalen Reaktionen durchkommen, so auch die Tatsache, dass er Tenno wie ein Kleinkind anspringt und umarmt. Er hasst es, wie er behandelt wird und wie er ist, weshalb er es ändern will. Auf der anderen Seite kann er es aber nicht, weil er zu sehr an dem hängt, was er ist.“ „Ein klassischer Teufelskreis, würde ich sagen. Das ist jetzt meine Meinung, aber wenn er jemanden hat, der ihn unterstützt und ihn Aufbaut, dann kann er auch sehr gut so durchs Leben gehen, wie er ist“, brummte Mirai und strich sich durch ihren Pony, während sie zustimmendes Nicken erntete.   Luca stand mit leichtem Schwung auf und streckte sich einmal, bevor er in Richtung Tür ging: „Gut, wir wissen also, was den Kleinen bedrückt und vermutlich hat Tenno bereits eine herzzerreißende Rede, die sie ihm sagen will, wenn sie ihn wiedersieht. Jetzt fehlt uns nur noch der Schlüssel, um diese doofe Tür zu öffnen.“ „Darum kümmern wir uns im Laufe der Woche, aber jetzt sollten wir erst einmal versuchen, uns von den letzten Tagen zu erholen. Ganz ehrlich, ich glaube, ich werde die nächsten beiden Tage im Kendo ausfallen lassen. Mir tut alles weh“, murmelte Aiden und rieb sich den Nacken, was seinen besten Freund auflachen ließ: „Kann ich verstehen, geht mir nicht anders. ich verzieh mich dann mal nach Hause und verpflanze mich in die heiße Wanne. Gute Nacht, Amigo, Señoritas.“ Damit spazierte der Spanier aus dem Wohnheim und ließ seine Freunde alleine, die sich nun ebenfalls erhoben, um sich die verdiente Ruhe zu gönnen, die in den letzten Tagen sehr zu kurz gekommen war.   Kapitel 34: XXXIV - Der Teufel trägt Seide ------------------------------------------ ~~~Dienstag 31. Mai 2016~~~   Der Schultag war schneller vorbei, als Aiden es erwartet hatte, doch darüber beschweren wollte er sich garantiert nicht. Sie waren zusammen zu der Übereinstimmung gekommen, dass sie alle die Zeit bis zum nächsten Sonntag damit verbringen würden, sich bestmöglich zu erholen. Den Fakt mit dem Schlüssel würde Haruka nach ihrer eigenen Aussage übernehmen, weshalb für Aiden selbst heute mal nichts anstand. Miyuki hatte sich nach dem Unterricht sofort verabschiedet, weil sie noch ein paar Dinge zu erledigen hatte und Haruka war wieder von Sakura in Beschlag genommen worden. Luca hingegen hatte die Chance beim Schopf gepackt und seinen besten Freund einfach zu einem Spaziergang mitgezerrt, der sie allerdings in Richtung Mall führte. Unweigerlich hatte der Braunhaarige die Befürchtung, dass sein bester Freund wieder etwas aushecken könnte, doch blieb es wirklich bei einem lockeren Spaziergang, während dem die beiden Jungs sich über den Unterricht ausließen. In der Mall selbst trennten sich ihre Wege allerdings, als Luca in Richtung eines Ladens für ausländische Lebensmittel marschierte: „Sorry, Amigo, aber ich habe noch ein bisschen was zu besorgen. Wir schreiben später, okay?“ „Ja, alles klar. Wir sehen uns“, hob Aiden die Hand und sah seinem Freund nach, der kurz darauf in dem Laden verschwunden war.   Nun stand er alleine da und hing seinen Gedanken nach, wobei ihm erst jetzt wirklich bewusstwurde, wie sehr er sich an die Gegenwart seiner Freunde gewöhnt hatte. Früher war er stets ein Einzelgänger gewesen, doch jetzt, nach dem ganzen Kontakt, wieder alleine hier zu sein, nagte ein wenig an ihm. Wirklich böse konnte er auf seine Freunde aber nicht sein, denn schließlich hatte ja jeder sein eigenes Leben. Um sich etwas abzulenken, ließ der Braunhaarige den Blick schweifen und entdeckte durch das Fenster des Cafés Mirai, die in ihrer Maid-Uniform zwischen den Tischen herumwuselte und die Gäste bediente. Während er der Silberhaarigen bei ihrer Arbeit zusah, wanderten seine Gedanken zum letzten Samstag zurück, wo man ihm ebenfalls ein Jobangebot unterbreitet hatte. Unweigerlich huschten seine Augen zu der Boutique und sein Magen begann bei dem Gedanken an die blonde Frau zu rebellieren. Es war totsicher, dass er es bereuen würde, wenn er das Angebot annehmen sollte, doch sah er auch gewisse Vorteile. Momentan war er leider auf das Geld angewiesen, welches seine Eltern ihm jeden Monat zukommen ließen und damit musste er über den Monat kommen. Eine Aktion wie das Konzert, bei dem Kari um alle möglichen Souvenirs gebettelt hatte, hatten da ihre Spuren in seinem Geldbeutel hinterlassen. Zwar hatte er das Geld von seinen Eltern zurückbekommen, aber trotzdem war er für den Moment aufgeschmissen gewesen. Wie er es auch drehte und wendete, ein Nebenjob würde ihm so einiges erleichtern. Er wiegte nachdenklich den Kopf hin und her, bevor er seufzte und sich dann auf den Laden zubewegte.   Im Inneren der Boutique herrschte mal wieder Hochbetrieb, wobei er einige Mädchen aus seinem Jahrgang erkannte, die sich wohl über die neuesten Trends hermachten. Auf der Suche nach der blonden Frau ließ Aiden den Blick schweifen, doch konnte er sie nirgendwo entdecken. Seine Aktion erweckte aber die Aufmerksamkeit einer jungen Frau mit braunem Haar, die sofort auf ihn zukam und ihn freundlich anlächelte: „Guten Tag, der Herr. Suchen Sie etwas Bestimmtes?“ „Also… eigentlich Suche ich nach einer Frau, die hier arbeitet. Sie ist etwa so groß, lilafarbene Augen, blondes Haar“, erklärte der Schüler, was die Angestellte skeptisch dreinschauen ließ: „Du beschreibst Kyousho-san. Was genau willst du denn von ihr?“ „Naja, sie hat mir letzten Samstag gesagt, dass ich heute herkommen soll. Es geht um ein Jobangebot“, erklärte der Braunhaarige und beobachtete erstaunt, wie die Frau vor ihm zusammenzuckte: „D-das solltest du dir lieber noch einmal überlegen. N-nicht, dass du kein guter Kollege wärst, es ist nur… Kyousho-san ist…“ „Keine Sorge, ich kann mir denken, was Sie meinen, aber ich will es wenigstens versuchen“, unterbrach Aiden die Frau, um sie von ihren Sorgen abzubringen, woraufhin sie nickte und ihn mitwinkte: „Auf deine Verantwortung. Komm mit.“ Sie führte ihn an den Kassen vorbei durch einen kleinen Gang, in dem es mehrere Türen gab. Die erste Tür war offensichtlich die Toilette, was man an der Figur an der Tür gut erkennen konnte. Die anderen Türen waren wohl ein Aufenthaltsraum mit Umkleide für die Angestellte und eine kleine Küche, denn schließlich gab es sowas in vielen Geschäften. Sein Ziel allerdings war eine Tür, auf der die Worte „Zutritt nur für Personal“ standen. Die Brünette klopfte sanft, bevor sie die Tür einen Spalt öffnete und hineinschaute: „Kyousho-san, hier ist ein junger Mann, der nach Ihnen gefragt hat.“ „Sehr gut, schick ihn rein“, erklang es aus dem Raum, woraufhin die Brünette ihn vorbeiließ und ihm ein leises „Viel Glück“ zuflüsterte.   Mit einem leichten Nicken zu der Frau trat Aiden in das Büro ein und schloss leise die Tür, bevor er sich kurz umsah. Es war ein schlichtes Büro mit einem schönen Holzschreibtisch mit Computer, mehreren Schränken mit Akten und zwei Sessel für Besucher. Die Blondine, die hinter dem Schreibtisch saß, musterte ihn von oben bis unten, bevor sie mit einem Grinsen die Hände vor ihrem Gesicht faltete und den Jungen damit extrem an Igor erinnerte. „Wie schön, dass du doch noch kommst. Ich hatte schon befürchtet, dass du mich versetzen könntest“, flötete die Blondine und deutete mit einer Hand auf die beiden Sessel, was Aiden als Aufforderung sah, sich hinzusetzen. Als er der Bitte nachgekommen war, ergriff die Blondine wieder das Wort: „So, mein Kleiner, du willst also für mich arbeiten, ja?“ „N-naja, sie haben...“, setzet Aiden an, doch schnitt die Frau ihm scharf das Wort ab: „Ich habe da wieder ein »Ja« gehört, aber so einfach wird das nicht. Ich muss erst einmal deine Qualifikationen testen.“ Innerlich trat sich Aiden gerade in den Hintern, denn er war ihr schon wieder auf den Leim gegangen, doch am meisten ärgerte ihn, dass die Frau ihn zu manipulieren schien, ohne dass er es merkte.   Als er auf ihre Aussage keine Antwort gab, begann die Blondine noch breiter zu grinsen: „Sieh an, du bist lernfähig. Das ist gut. Um das ganze jetzt noch mal ganz offiziell zu machen. Ich heiße Kyousho Asuka und bin die Filialleiterin dieser Boutique. Du scheinst nicht ganz unfähig zu sein und ich denke, dass ich mit dir hier sehr gut arbeiten kann. Allerdings muss ich vorher noch ein paar Dinge über dich wissen, also... Füll das hier aus.“ Damit schob sie dem Jungen ein Blatt Papier hin, welches dieser sichtlich beunruhigt musterte: „Was ist das genau?“ „Du bist hier in einem Bewerbungsgespräch, was könnte das wohl sein? Ein Lebenslauf natürlich und jetzt füll ihn bitte aus, ich habe noch andere Sachen zu tun“, zischte die Blondine und schob einen Stift über den Tisch, mit welchem Aiden begann, das Papier auszufüllen. Seine persönlichen Daten und auch die seiner Eltern hatte er schnell ausgefüllt, doch bei seinem schulischen Werdegang brauchte er eine Weile, was Asuka anscheinend missfiel: „Was dauert das denn so lange?“ Gescholten zog der Junge den Kopf ein und murmelte leise eine Antwort: „Entschuldigung, aber ich war leider auf sehr vielen Schulen und die gehören ja in den Lebenslauf.“   Neugierig zog die Blondine eine Augenbraue in die Höhe, bevor sie Aiden einfach den unfertigen Lebenslauf aus der Hand riss und sich durchlas. Als ihr Blick auf die ganzen Schulen fiel, musste sie einen Moment stutzen: „Du hast echt jedes halbe Jahr die Schule gewechselt? Bist du so eine Art Kleinkrimineller, der regelmäßig von der Schule fliegt?“ „Was? Nein! Meine Eltern sind nur berufstechnisch extrem oft umgezogen und deshalb musste ich oft die Schule wechseln“, stellte er klar, denn er wollte sich nicht als Tunichtgut abstempeln lassen. Wieder richtete sich Asukas Blick auf das Papier, bevor sie weitersprach: „Heißt das, dass du in vier Monaten wieder abhaust?“ Auf die Frage erklärte Aiden, dass er die nächsten zwei Jahre hier bleiben würde, da er unabhängig von seinen Eltern in einem Wohnheim lebte und damit selbstständig war. Die Aussage schien der Blondine zu gefallen, der sie nickte zufrieden und legte dann den Zettel beiseite: „Nun, Ai-chan, ich denke, dass ich mit dir arbeiten kann. Wie du vielleicht weiß, oder auch nicht, läuft die Bezahlung in unserer Boutique nach dem Provisionsmuster ab. Wir bekommen die Waren gestellt, vermitteln sie an unsere Kunden und bekommen dafür von unseren Lieferanten eine schöne Stange Geld.“ Verstehend nickte der Braunhaarige und erinnerte sich mit einer leichten Grimasse daran, wie Asuka ihm am Wochenende den Provisionscheck wieder aus der gerissen und vernichtet hatte, weil er eben kein Angestellter war. Wenn er aber an die Summe dachte, dann könnte dieser Job wirklich lukrativ für ihn sein.   Durch sein Grinsen verstand die Blondine, dass sie ihn wohl an der Angel hatte und lehnte sich leicht vor: „Darf ich deinem Grinsen entnehmen, dass du dich dazu entschieden hast, für mich zu arbeiten, Ai-chan?“ „Na... Also, abgeneigt bin ich nicht, Kyousho-san. Wie sieht es denn mit Arbeitszeiten aus? Ich meine, ich bin schließlich immer noch Schüler“, versuchte Aiden partout, das Wort »Ja« zu vermeiden, was ihm ganz gut gelang. Asuka hingegen griff sich einen kleinen Kalender, der auf dem Tisch stand und musterte die einzelnen Wochentage: „Nun, wann hast du denn Zeit? Du bist doch bestimmt in einigen Clubs, hab ich recht?“ Sie hatte wieder so ein funkeln in den Augen und irgendwie glaubte Aiden, sie würde wieder versuchen, ihn zu manipulieren. Um ihr eine Antwort zu geben nickte er langsam: „Ich bin im Kendoclub und der findet Montags, Mittwochs und Freitags statt. Also hätte ich Dienstag, Donnerstag und Samstag theoretisch Zeit.“ Mit einem zufriedenen Grinsen nickte die Blondine und kramte nach einem anderen Blatt Papier, auf welchem sie kurz herum schrieb und es dann an den Jungen weiter reichte: „Nun, wenn es dir recht ist, würde ich dich hauptsächlich Samstags einsetzen und unter der Woche würde ich dich spontan einspannen, wenn Bedarf besteht. Ist dir das recht?“ Damit wären seine Samstage zwar hin, allerdings war das zu verkraften. So einfach durfte er sich aber nicht darauf einlassen, denn schließlich hatte er noch andere Verpflichtungen: „Wie sieht es aus, wenn ich Prüfungen habe? In der Zeit brauche ich meinen Kopf eher für was anderes.“ „Nun, in den Wochen der Prüfungen und auch die Woche davor steht es dir frei zu kommen, wenn du das möchtest. Natürlich weiß ich, wie wichtig deine Bildung ist, aber falls du Lust darauf haben solltest, etwas abzuschalten vom Pauken, darfst du gerne vorbeikommen und arbeiten“, erklärte Asuka und notierte sich das mit den Tagen auf dem Blatt, bevor sie es Aiden reichte: „Dein Arbeitsvertrag.“   Jetzt war er mehr als skeptisch, denn normalerweise brauchten Schüler, die einen Nebenjob annahmen, keinen solchen Vertrag zu unterschreiben. Irgendwas war hier im Busch und er würde herausfinden, was es war. Sorgsam las er sich den Vertrag durch, allerdings schien er nötig zu sein, da er auf Provisionsbasis arbeiten würde. Immer wieder las er sich den Vertrag durch und auch, wenn er auf den ersten Blick nichts fand war er sich sicher, dass hier etwas faul war. Bevor er sich weiter Gedanken machen konnte, war Asuka aufgestanden und neben ihn getreten: „Wird das heute noch was, Ai-chan?“ Unter ihrem stechenden Blick unterschrieb er den Vertrag und reichte ihn der Blondine, welche ihm plötzlich sanft den Kopf tätschelte: „Du bist so ein lieber, aber total naiver Trottel, Ai-chan. Und jetzt eine wichtige Lektion: Lies stets das Kleingedruckte.“ „Wie, das Kleingedruckte? Das war nichts!“, rief Aiden aus und erhob sich von seinem Sessel, woraufhin Asuka ihm die Rückseite eines der Blätter zeigte, auf dem noch klein etwas geschrieben stand: „Warum? Hier steht es doch. Oh und um dich nicht dumm sterben zu lassen: Dein Vertrag sieht vor, dass 90% deiner Provision an mich geht.“ „Was? 90%? Das ist doch nicht fair, das können Sie nicht machen!“, blieb Aiden laut und starrte die Frau an, die mit dem Vertrag vor seiner Nase herum wedelte: „Nun, ich habe hier einen von dir unterschriebenen Vertrag der sagt, dass ich das kann.“   Fassungslos starrte er die Frau an, die ein gehässiges Kichern von sich gab und ihm anschließend einen Finger unter das Kinn setzte, um sein Gesicht etwas anzuheben: „Hach, du bist wirklich niedlich, wenn du so verzweifelst. Glaube mir, von mir kannst du noch einiges lernen, Ai-chan. Auf die eine oder andere Weise“ Bei dem Letzten hatte sie sich vorgebeugt und ihm ins Ohr geflüstert, woraufhin ihm die Schamesröte ins Gesicht schoss und ihn leicht zurückweichen ließ. Immer noch völlig verunsichert starrte er die Frau an, die ihm kurz zuzwinkerte und dann hüftschwenkend aus dem Raum marschierte: „Ich erwarte dich nächsten Samstag hier, Ai-chan.“ „Was war das gerade? Was ist da passiert?“, stammelte Aiden zu sich selbst und raufte sich die Haare. So sehr er versucht hatte, sich nicht überrumpeln zu lassen, es war doch passiert und jetzt saß er in der Falle. Was die Situation für ihn nur noch schlimmer machte war, dass sich in seinem Kopf eine ihm mittlerweile vertraute Stimme meldet: „Ich bin du... Du bist ich...“ Mit einem flehenden Blick sah er zu der Tür und verfluchte wieder einmal Igor dafür, dass er ihm diese Social Links eingebrockt hatte.   Später am Abend saß Aiden vor seinem Computer und hatte einen Videochat geöffnet, weshalb auf dem Bildschirm das Gesicht seines Vaters zu sehen war. Mit sichtlichem Unbehagen hatte er seinem Vater erzählt, in was für einen Schlamassel er wegen des Jobangebots geraten war. Inständig hoffte er, dass sein Vater ihm einen hilfreichen Rat geben konnte und ihn nicht zu sehr belehren würde, denn er fühlte sich ohnehin schon extrem schlecht. Yuugo rückte seine Brille zurecht, während er auf seinem eigenen Bildschirm den Vertrag durchlas, den Aiden ihm gemailt hatte. Auf dem Gesicht des Älteren war keine Regung zu erkennen, bevor er einmal seufzte und die Brille abnahm: „Tja, da bist du mit beiden Füßen ins Fettnäpfchen getreten, mein Junge und zwar mit Anlauf.“ „Kann ich wirklich nichts dagegen tun, Papa?“, fragte der Braunhaarige fast schon verzweifelt, denn es musste doch etwas geben, mit dem er aus diesem Vertrag würde rauskommen können. Zu seinem Ärgernis schüttelte sein Vater den Kopf und faltete die Hände im Schoß: „Leider nicht. Das ist ein Standardvertrag, der lediglich diesen Zusatz in Bezug auf deine Bezahlung hat. Für gewöhnlich bekommen Schüler, die als Aushilfe arbeiten, nicht einmal einen Vertrag.“ „Ja, aber... ist das nicht irgendwie illegal oder so etwas?“, suchte der Oberschüler weiterhin nach einem Schlupfloch, doch wieder musste sein Vater ihm diese Illusion nehmen: „Nein, leider nicht. Unmoralisch auf jeden Fall, aber illegal? Da wird dir jeder vorwerfen, dass du den Vertrag besser hättest lesen müssen.“ „Schon kapiert, ich habe es vermasselt“, murmelte Aiden und bettete den Kopf auf seinen überkreuzten Armen, was seinen Vater leicht besorgt dreinschauen ließ.   Eine Weile saßen die beiden stumm da, bevor Yuugo seufzte und sich bequemer auf seinen Stuhl setzte: „Jetzt schau doch nicht so, mein Junge. Weißt du, fast jede Person gerät in ihrem Leben einmal in so eine Situation.“ Mehr als ein missgelauntes Murren bekam der Mann nicht zur Antwort, weshalb er etwas weiter ausholte: „Lass mich dir eine Geschichte aus meiner Jugend erzählen.“ „Dauert das länger?“, brummte Aiden, der momentan überhaupt keine Lust darauf hatte, sich von seinem Papa eine Geschichte erzählen zu lassen, doch ließ sich der Mann in keiner Weise beirren: „Jetzt sei doch nicht so mürrisch. Als ich ungefähr in deinem Alter war, vielleicht zwei oder drei Jahre älter, ging ich mal in ein Autohaus, um mir mein erstes eigenes Auto zu kaufen. Ich hatte die ganzen letzten Monate hart gearbeitet und gespart und wollte mir endlich einen Traum erfüllen.“ Während er über seine Vergangenheit sprach, schlich sich ein sanftes Lächeln auf Yuugos Lippen, was Aiden doch etwas überraschte und ihn dazu veranlasste, weiter zuzuhören: „Ich fand in dem Haus auch den perfekten Wagen für mich und war gewillt, ihn zu kaufen. War zwar nicht der teuerste Wagen, aber als Schüler mit Aushilfsjob muss man schauen, wo man bleibt. Dann passierte mir leider das, was dir gerade widerfahren ist. Eine hübsche, attraktive Verkäuferin, die nur ein wenig mit ihren Reizen spielen musste, hier ein offener Knopf an der Bluse, da ein Zwinkern und schon hatte sie mich am Haken. Ehe ich mich versah, hatte ich eine Finanzierung am Laufen, deren Zinsen fast schon die Rate überstiegen und dabei war es nur eine Aushilfe gewesen, die mich über den Tisch gezogen hatte.“   Mit großen Augen starrte Aiden seinen Vater an, der nun verlegen auflachte und sich am Hinterkopf kratzte: „Wie du siehst, es kann jeden treffen. Dein alter Herr ist da keine Ausnahme.“ „Wow, das hätte ich wirklich nicht erwartet, Papa. Hast du nichts gegen diese Sache unternommen?“, hakte der Junge nach und sah zu wie sein Vater seelenruhig seine Brille putzte und dann grinste: „Doch, natürlich habe ich das versucht. Es ist nur ganz anders gekommen, als ich es mir vorgestellt hatte.“ Auf den fragenden Blick seines Sohnes wurde Yuugo etwas rot um die Nase, bevor die Hand hob, an der sich sein Ehering befand: „Die Verkäuferin damals war deine Mutter.“ Diese Erkenntnis traf Aiden wie ein Keulenschlag, doch irgendwie fand er es schön mal zu erfahren, wie seine Eltern sich eigentlich getroffen hatten. Er hatte in diesem Beriech mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass seine Mutter seinen Vater so ausgenommen hatte. So sehr ihn diese Geschichte auch erheiterte, es half ihm bei seiner momentanen Situation nicht weiter. „Und was soll ich jetzt wegen meinem Job machen?“, brachte er schließlich leise hervor, woraufhin sein Vater die Antwort gab, die er am wenigsten erwartet hatte: „Wenn ich ganz ehrlich sein darf: Du solltest in den sauren Apfel beißen und den Job machen. Es zeigt, dass du dich nicht unterkriegen lässt und sieht auch gut auf deinen späteren Bewerbungen aus. Zeig deiner Chefin einfach, was in dir steckt und dann wird sich alles zum Guten wenden. Hm? Oh, ich muss los, deine Mutter ruft zum Essen.“ „Alles klar. Danke für deinen Rat, Papa. Grüß Mama und Kari von mir“, verabschiedete sich der Junge von seinem Vater, der ihm noch einmal winkte und dann den Anruf beendete. Er sollte also aus der Situation das Beste machen, wenn er es richtig verstanden hatte. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass er in einer dummen Situation endete. Irgendwie würde er das schon hinkriegen und dann würde Asuka schon sehen, wer als letztes lacht.   ~~~Mittwoch 01. Juni 2016~~~   Nach der Schule hatte sich Aiden alleine auf den Heimweg gemacht, denn auch wenn er sich gestern mit seinem Vater beratschlagt und auch zu einer Lösung gekommen war, musste er mal seine Gedanken ordnen. Im Kendo war er so mit den Gedanken abwesend gewesen, dass Sakura ihm gefühlt alles grün und blau geschlagen hatte, doch störte ihn das im Moment herzlich wenig. Seine momentane Situation war nichts im Vergleich zu dem Problem, das Setsuna im Moment hatte und immer noch fehlte ihnen die Lösung dafür. Haruka hatte sich für heute zur Aufgabe gemacht, den Schlüssel zu suchen, also musste der Rest erst einmal die Füße stillhalten und abwarten. Um sich wenigstens ein wenig abzulenken hatte sich Aiden zu einem Spaziergang mit Kiara entschieden, die majestätisch vor ihm her trottete und mit dem Schweif dirigierte, wo er langzulaufen hatte. Dieses Verhalten seines Kätzchens hob seine Laune immer wieder, weshalb er seelenruhig seinem Tier folgte.   Nach einer Weile kam er am Naganaki Schrein an und stieg langsam die Treppe nach oben, wo er seinen Blick hin und her schweifen ließ. Außer ihm und Kiara war niemand auf dem Vorplatz, weshalb er einfach eine Runde um den Spielplatz drehte und anschließend vor dem Schreingebäude zum Stehen kam. Er war nicht das, was man sonderlich gläubig nennen würde, doch wenn er schon mal hier war, könnte es nicht schaden für seine Freunde und ihre Mission zu beten. Er warf ein paar Münzen in die Spendenbox, bevor er die Hände zusammenlegte und den Kopf senkte. Wenn es eines gab, was er momentan wollte, dann war es, dass sie alle heil aus dieser Geschichte rauskommen würden. Kiara fand es nicht lustig, von ihrem Herrchen ignoriert zu werden, weshalb sie anfing, mit der Pfote nach einer der Glocken, mit denen der Schrein geschmückt war, zu angeln. Als sie eine erwischte, erklang ein leises Klingeln, was das Tier erschrocken zurückweichen ließ. Wieder konnte Aiden über das Verhalten seines Tieres nur Lachen, doch dann erklang erneut das Klingen einer Glocke. Schnell sah er sich, doch sah er nichts, was das Klingeln verursacht haben könnte, allerdings erregte etwas anderes seine Aufmerksamkeit: Rechts von dem eigentlichen Schreingebäude drang ein blaues Leuchten hervor. Er kannte dieses Leuchten, weshalb er drauf zuging und als er um die Ecke des Gebäudes schaute, erblickte er eine blau schimmernde Tür, die einfach in der Gegend herumstand. Vorsichtig griff Aiden nach der Klinke und drückte die Tür auf, woraufhin ihm ein sanftes Licht entgegenkam.   ~~~Velvet Room~~~   Meine Schritte wurden fast vollständig von dem blauen Teppich verschluckt, während ich auf den runden Tisch inmitten der Sternenwarte zusteuerte. Wie ich es mir bereits gedacht hatte, war diese Tür mit dem Velvet Room verbunden, doch fehlte etwas, was diesen Raum sonst so einzigartig machte: Igor. Der Mann mit der langen Nase, der normalerweise immer auf der Couch hinter dem Tisch saß und mich mit diesem irren Blick ansah, war heute nicht da. Gerade jetzt hätte ich ihm gerne eine Frage gestellt, weshalb ich nur mit dem Kopf schütteln konnte, dann aber nach oben sah. Ein leises Quietschen hatte meine Aufmerksamkeit erregt und an dem großen Teleskop, welches aus dem Glasdach ragte, stand Amalia und sah summend hindurch. Die Blondine hatte mich anscheinend noch nicht bemerkt, denn sie bewegte nur hin und wieder das Teleskop oder machte ein langes „Oh“. Irgendwie erinnerte die Frau an ein neugieriges Kind, doch musste ich ihr den Spaß jetzt verderben: „Guten Tag, Amalia.“ Erstaunt drehte sich die Frau zu mir um, bevor sie sich verneigte und dabei wieder die Glöckchen an ihrer Schärpe erklingen ließ: „Sei gegrüßt, Aiden-sama. Bitte entschuldige mein ungehobeltes Verhalten meinem Gast gegenüber, ich hätte dich entsprechend willkommen heißen müssen.“ „Ist wirklich nicht nötig“, winkte ich schnell mit der Hand ab und war eigentlich nicht scharf darauf, mir wieder den gleichen Text anzuhören, doch schien sie meinen Einwand nicht gehört zu haben, denn sie verneigte sich erneut vor mir: „Willkommen im Velvet Room, werter Gast. Leider ist mein Meister heute nicht zugegen.“   Ich blähte kurz die Wangen auf und blies mir etwas Luft gegen den Pony, bevor ich mit den Achseln zuckte: „Hab ich gemerkt. Ich habe Igor eigentlich etwas fragen wollen, aber... Da kann man wohl nichts machen.“ Meine Worte schienen die Frau etwas zu bestürzen, denn sie richtete sich sofort wieder auf: „Kann ich dir vielleicht helfen, Aiden-sama? Ich würde niemals behaupten, dass ich mit der Weisheit meines Meisters mithalten kann, aber ich bin gewillt, dir zu helfen, wenn es denn in meiner Macht steht.“ Wirklich zuversichtlich war ich bei Amalias Hilfe nicht, wenn man bedachte, dass diese Typen mir keine klaren Antworten auf meine Fragen gaben. Allerdings fiel mir da etwas anders ein, was ich jetzt ansprechen wollte: „Als ich damals den Schlüssel für die Tür von Tenno gefunden habe, hast du mich auf Rigel gestoßen. Wird das wieder passieren, wenn ich in der Nähe des Schlüssels von Akutagawa bin?“ „Ich habe dich auf etwas gestoßen? Nun, so könnte man es nennen, wobei ich dir lediglich gezeigt habe, dass dein wahres Ich auf dich wartet, um dir etwas zu zeigen. Er war eigentlich nicht zu übersehen“, gab mir die Blondine Antwort und strich sich dabei ihren Kimono glatt. Ein wenig kränkte mich diese Aussage, denn ich hatte damals meine Persona wirklich einfach übersehen, dennoch bemerkte ich, dass sie meiner Frage ausgewichen war: „Wird Rigel mir wieder helfen?“ „Dies steht in den Sternen“, blieb die Frau ungenau, doch mehr konnte ich wohl beim besten Willen nicht erwarten. Wenn ich so darüber nachdachte, war es vermutlich das einfachste, wenn ich einfach mal zum Haus von Akutagawa gehen und nachschauen würde, ob Rigel sich wieder zeigt.   Ich verschränkte die Arme vor der Brust und dachte einen Moment nach, bevor ich nickte und die Hände in die Hosentasche steckte: „Nun, ich werde es einfach mal versuchen. Vielleicht habe ich ja Glück.“ „So etwas wie Glück gibt es nicht, Aiden-sama. Unser Schicksal steht in den Sternen“, erwiderte Amalia und sah mich mit ihren bernsteinfarbenen Augen an, wobei ich glaubte, in ihnen ein neugieriges Funkeln zu sehen: „Gibt es noch etwas, was du mir sagen willst?“ „Wenn du erlaubst, Aiden-sama, würde ich es mir gerne zur Aufgabe machen, dir bei der Erweiterung deiner Kraft zu helfen“, gab sie endlich preis und ich stutzte kurz über diese klare Aussage. Sie wollte mir helfen stärker zu werden? Wenn sie einen guten Plan hatte und der auch plausibel klang, würde ich definitiv nicht Nein sagen. Gegen die Monster, die uns noch bevorstanden, konnte ich jede Hilfe gebrauchen, die ich kriegen konnte. „Nun, dann will ich deine Hilfe dankend annehmen, Amalia“, lächelte ich die Frau an, die daraufhin zu strahlen begann und sich tief vor mir verneigte: „Ich werde dich nicht enttäuschen, Aiden-sama. Ich werde allerdings etwas Zeit brauchen, um alles vorzubereiten. Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich mich mit dir in Verbindung setzen.“ Ich nickte nur sachte mit dem Kopf, als ich ein weiteres Mal die seltsame Stimme in meinem Kopf vernahm: „Ich bin du... Du bist ich...“   Ein weiterer Sozial Link und dieses Mal mit Amalia? Diese Sache wurde immer verrückter, aber ich würde ohnehin nichts dagegen tun können, weshalb ich mich zum Gehen wandte und mich dabei von der Blondine verabschiedete. Bevor ich den Raum verließ, sah ich noch einmal über die Schulter und sah, wie die Blondine ein dickes Buch in der Hand hielt und es strahlend betrachtete: „Wie überaus faszinierend.“ Ich hatte wirklich keinen Nerv dafür, mich weiter mit diesem Raum und seinen Bewohnern herumzuschlagen, weshalb ich mich auf den Heimweg machte und dabei den Raum endlich verließ.   Kapitel 35: XXXV - Altes Erfolgsrezept -------------------------------------- ~~~Donnerstag 02. Juni 2016~~~   Nach der Schule hatte sich Aiden vor dem Tor der Schule positioniert, um seinen Plan bezüglich Setsuna in die Tat umzusetzen. Alleine konnte er das allerdings nicht schaffen, weshalb er hier auf die Hilfe wartete, die ihm den Erfolg ermöglichen sollte. Lange brauchte er zum Glück nicht zu warten, denn kurz darauf trat Haruka an ihn heran und legte den Kopf leicht schief: „Du wolltest mich sprechen, Kurosaki-kun?“ „Ja, genau. Ich wollte mit dir über den Schlüssel reden“, kam der Braunhaarige sofort zum Punkt, was die Brünette traurig zu Boden schauen ließ: „Ich habe mir alles angeschaut, aber nichts gefunden, was ein Schlüssel hätte sein können. Da waren mehrere viereckige Dinge: Ein Zauberwürfel, eine Box mit einem Springteufel, mehrere Schachteln mit Spielen, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, wonach ich eigentlich schauen sollte. Es tut mir so leid.“ Man sah der jungen Frau an, dass sie sich extrem schuldig fühlte, in dieser Situation versagt zu haben, doch war Aiden ihr in keiner Weise böse: „Mach dir darum keinen Kopf, Tenno. Ich habe eine Vermutung und wenn sich diese als wahr herausstellt, dann hattest du ohnehin keine Chance, den Schlüssel zu finden.“ Seine Aussage ließ die Brünette verwundert dreinschauen, doch wurde sie bereits mit gewunken.   Nebeneinander liefen die beiden auf den Bahnhof zu, wobei Aiden sich danach erkundigte, wo Setsuna denn überhaupt wohnte. Zwar hatte er das Haus in der Shadow-Welt einmal gesehen, allerdings konnte er den Weg nicht wirklich in die echte Welt übertragen. Haruka erklärte ihm schnell, dass Setsuna ein gutes Stück in der Innenstadt wohnte, wobei es allerdings vom Bahnhof aus sehr gut zu erreichen war. Die Informationen nahm Aiden mit einem leichten Kopfnicken hin, wobei er sich die Zugfahrt über eher in Schweigen hüllte. In den letzten Tagen war so viel auf ihn eingestürzt, dass er das alles erst einmal verarbeiten musste. Was ihn aber am meisten interessierte war, was Amalia in Planung hatte, um ihm zu helfen. Wenn er an den Velvet Room an sich dachte, war er sich nicht mehr so sicher, ob es am Ende eine gute Idee war, die Hilfe anzunehmen. Wirkliche Gewissheit würde er erst dann haben, wenn diese Hilfe zum ersten Mal zum Tragen kommen würde und so lange würde er sich gedulden müssen. Was er nicht bemerkte war, dass Haruka ihn während seiner ganzen Denkerei aufmerksam beobachtete. Erst als der Zug an ihrer Haltestelle hielt, drehte er der Brünette den Kopf zu: „Komm, wir müssen aussteigen. Ähm, warum guckst du so seltsam, Tenno?“ „Was? G-gar nichts, alles in Ordnung!“, rief die Brünette und hechtete so schnell es ging aus dem Zug, was Aiden ihr deutlich langsamer gleichtat.   „K-komm, hier geht es lang“, stammelte Haruka und lief vor Aiden her, um ihm den Weg zu zeigen. Dabei vermied sie es vehement, dem Braunhaarigen ins Gesicht zu sehen, denn es war ihr extrem peinlich, dass er sie dabei bemerkt hatte, wie sie ihn angestarrt hatte. Sie brauchte ein wenig Zeit, um die Röte aus ihrem Gesicht zu vertreiben und so lange hoffte sie, vor ihm herlaufen zu können. Aiden selbst konnte die Situation nur als seltsam bezeichnen, doch zuckte er nur mit den Achseln und folgte der Brünette durch die Stadt, wobei er sich bereits Gedanken über die Form des Schlüssels machte. Kurz vor ihrem Ziel hatte sich Haruka endlich beruhigt und beschleunigte ihren Schritt für einen Moment, ehe sie vor einem kleinen Gartentor zum Stehen kam. Hinter dem Tor führte ein gepflasterter Weg durch einen Garten zu einem zweistöckigen Haus mit weißer Fassade. Tatsächlich war das Haus in keiner Weise mit seiner Shadow-Version zu vergleichen, es war einfach ein Unterschied wie Tag und Nacht. Neugierig sah sich Aiden im Vorgarten um, wobei sein Blick über einige Rosenbüsche glitt, die etwas verwahrlost wirkten. Auf seinen Blick erklärte Haruka, dass sich Setsunas Mutter normalerweise um den Garten kümmerte, doch seit seinem Verschwinden war die Frau einfach nicht mehr dieselbe. Das zu hören brach Aiden fast das Herz, doch bestärkte ihn das lediglich in seinem Vorhaben, den Jungen zu retten, auch seiner Familie willen. An der Haustür betätigte Haruka kurz die Türklingel, ehe sie mit hinter dem Rücken verschränkten Armen darauf wartete, dass jemand die Tür öffnete.   Es dauerte deutlich länger, als Aiden erwartet hatte, doch dann öffnete eine Frau Ende 30 die Tür. Durch ihre blauweißen Haare erkannte man sofort, dass sie mit Setsuna verwandt sein musste. Ihre Augen waren rot gequollen und ihr Haar wirkte kraus und ziemlich ungepflegt, was auch zu ihrem leicht strengen Geruch passte. Kaum etwas an ihr erinnerte noch an die sonst so gut gelaunte Lehrerin, die Aiden aus der Schule kannte. „Oh... Du bist es, Haruka-chan“, murmelte sie mit leiser Stimme und sah ihre Schüler an, die sich beide respektvoll verneigten und sie ansahen, wobei die Brünette als erstes das Wort ergriff: „Guten Tag, Shiori-san. Wie geht es Ihnen?“ „Wie es mir geht? Haruka-chan, was soll ich dir denn sagen? Ich sitze hier, Tag und Nacht und warte darauf, dass mein kleiner Setsuna wieder nach Hause kommt. Ich weiß nicht mehr, was ich noch tun soll. Die Polizei findet keine Spuren von ihm und er meldet sich auch nicht“, winselte die Frau und lehnte sich hart schluchzend an den Türrahmen, wobei sie so wirkte, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen.   Haruka wollte schon eine Hand mach ihr ausstrecken, als Aiden sie sanft an der Schulter zurückhielt und ihr ins Ohr flüsterte: „Tenno, lenk sie irgendwie ab, damit ich genug Zeit habe, mich umzusehen. Oh und sag mir, wo sich das Zimmer von Akutagawa befindet.“ „Die Treppe nach oben, dann nach links. Die dritte Tür mit der Aufschrift »Zutritt verboten«. Shiori-san, kommen Sie. Sie müssen sich mal ganz dringend waschen. Was soll denn Setsuna von Ihnen denken, wenn er heimkommt und sie so verdreckt vorfindet?“, sprach die Mechanikerin behutsam auf die Frau ein und führte sie ins Haus zu einer Tür im Erdgeschoss. Sie öffnete die Tür und drückte ihre Lehrerin mit sanfter Gewalt in den Raum, bevor sie Aiden mit dem Kopf ein Zeichen gab, die Treppe nach oben zu gehen. Der Braunhaarige nickte zustimmend und wandte sich der Treppe zu, als er etwas am oberen Ende bemerkte. Mit einem zufriedenen Grinsen stellte er fest, dass Rigel über dem oberen Treppenabsatz schwebte, auf ihn herabsah und anscheinend auf ihn wartete. Leise schlich er die Treppe hinauf, denn er wusste nicht, ob sich noch jemand im Haus befand, bevor er sich nach links wandte und dem Gang folgte. Aufmerksam suchten seine Augen die Türen ab, allerdings konnte man das große »Zutritt verboten«-Schild an der Tür gar nicht übersehen. „Hier drin ist der Schlüssel, hab ich recht?“, fragte der Oberschüler seine Persona, die ihn stumm ansah und sich dann komplett auflöste. Für ihn reichte das als Antwort, weshalb er die Tür aufdrückte und den Raum betrat.   Eigentlich hatte er mit einem Chaos aus den verschiedensten Spielsachen gerechnet, doch zu seiner Überraschung war das Zimmer sauber und ordentlich aufgeräumt. Unordnung wäre ihm lieber gewesen, denn so hätte er eine höhere Chance gehabt, den Schlüssel zu finden, doch musste er jetzt wohl dasselbe tun, was er zu seinem Missfallen bereits bei Haruka getan hatte: Herumschnüffeln. Er hasste sich selbst dafür, aber um seinen Schulkameraden zu retten hatte er keine Wahl und begann damit, die Regale und den Schreibtisch abzusuchen. Der Schreibtisch war mit Akten und Stiften vollgestopft und jetzt passte das Zimmer deutlich mehr zu einem Kind: Es war aufgeräumt, aber nicht »richtig« aufgeräumt. Um den Schlüssel zu finden, musste er anfangen, wie ein Kind zu denken. Wenn ein bockiges Kind sein Zimmer aufräumen sollte, tat es dies meist nur sehr oberflächlich, also wurde der Kram nur schnell irgendwo reingestopft, wie es beim Schreibtisch der Fall war. Wenn seine Vermutung richtig war, dann würde er mit Sicherheit fündig werden, wenn er den Kleiderschrank öffnen würde. Vorsichtig ging er auf das Mobiliar zu und zog die Tür nur einen Spalt auf, woraufhin ihm bereits ein sanftes, blaues Leuchten entgegenkam. Wie er es sich gedacht hatte, war der Schlüssel mit all dem anderen Zeug einfach hier rein gepfercht worden und er musste ihn nur noch nehmen. Doch leider passierte genau das, was er kommen gesehen hatte: Kaum hatte er die Tür ein Stück weiter geöffnet, kam ihm eine Flut an Spielfiguren, Kuscheltieren, Rennautos und anderen Sachen entgegen.   Mit einem leisen Seufzer machte er sich daran, die Sachen wieder in den Schrank zu räumen, denn er hatte definitiv nicht vor, hier so eine Unordnung zu hinterlassen. Nach und nach nahm er die einzelnen Sachen in die Hand und legte sie zurück, bis er auf das Objekt stieß, welches sie alle so lange gesucht hatten. Mitten all der Spielsachen lag, von einem blauen Licht eingehüllt, ein kurzes Spielzeugschwert mit einem Würfel als Parier-Stange, welches offenbar zu den Neo Featherman Rangers gehörte. Vorsichtig hob er das Spielzeug auf und drehte es in der Hand, wobei ihm jetzt klar war, was diese Einbuchtung in dem Schlüsselloch gewesen war: Die Klinge des Schwerts. Wenn er sich das Spielzeug so ansah stellte er fest, dass es schon extrem alt und abgenutzt wirkte. Der Griff hatte etliche Macken, die Farbe blätterte bereits ab und auch die Plastikklinge war mehrere Male geknickt worden. Aufgrund des bereits abgegriffenen Zustands wollte er noch vorsichtiger damit umgehe, um es nicht komplett zu beschädigen. Er zog ein Tuch aus seiner Schultasche hervor, welches er um das Spielzeug wickelte und es anschließend in seine Tasche gleiten ließ. Jetzt musste er nur noch die restliche Unordnung beseitigen, was er im Schnelldurchgang tat, um keine Zeit zu verschwenden. Als er damit fertig war, schlüpfte er wieder aus dem Zimmer und lief in den Eingangsbereich zurück.   Um sich relativ unauffällig zu verhalten begann er damit, die Bilder, welcher hier aufgestellt waren, zu betrachten. Aiden erkannte seine beiden Lehrer darauf und auch Setsuna als Kind, wobei der Junge anscheinend nie wirklich Probleme mit seinen Eltern gehabt zu haben schien. Setsuna wirkte auf all den Bildern so glücklich und unbeschwert, weshalb es Aiden umso wütender machte, dass er jetzt so leiden musste. Was seine Aufmerksamkeit aber am meisten erregte, war ein Bild von Setsuna als Kind mit einem etwas älteren, brünetten Mädchen, bei dem es sich anscheinend um Haruka handeln musste. Beim Anblick der vermutlich zehnjährigen Haruka konnte er nicht anders, als sie süß zu finden. Auch als Kind hatte sie sich anscheinend gegen Kleider entschieden, denn sie trug ein weißes T-Shirt und eine dunkelblaue Latzhose. „Sie sieht schon niedlich aus“, murmelte er leise, als hinter ihm die Stimme der echten Haruka erklang: „Was hast du gesagt, Kurosaki-kun? Entschuldige, dass es so lange gedauert hat.“ „Schon okay. Wie geht es Shiragami-sensei?“, gab der Braunhaarige zurück und sah zu seiner Lehrerin, die in ihrem Bademantel in ein anderes Zimmer trottete. Auf seinen fragenden Blick zuckte Haruka traurig mit den Achseln: „Sie ist immer noch ziemlich mitgenommen, aber wenigstens hat sie sich selbst gewaschen. Ich sehe noch kurz nach ihr.“ „Mach das, ich warte draußen“, gab er zurück und verließ das Haus, während Haruka zu ihrer Lehrerin ging.   Vor dem Haus traf Aiden auf einen leicht pummeligen Mann mit dunkelbraunen, kurzen Haaren, der ihn mürrisch ansah: „Was haben Sie in meinem Haus zu suchen, Kurosaki?“ „Oh, guten Tag, Akutagawa-sensei. Ich habe Tenno begleitet, die nach ihrer Frau sehen wollte. Sie ist momentan noch drinnen“, gab der Schüler seinem Lehrer Antwort, woraufhin dieser kurz das Gesicht verzog und auf die Tür schaute: „Sie ist nicht mehr dieselbe, seit unser Setsuna verschwunden ist.“ „Haben Sie eine Ahnung, wo er sein könnte, Sensei?“, fragte er zaghaft nach, doch schüttelte der Ältere nur den Kopf: „Nein, keine Ahnung. Er geht nicht an sein Handy und ich weiß nicht, wie ich ihn sonst kontaktieren könnte. Entschuldige, ich sollte einem meiner Schüler nicht die Ohren volljammern.“ „Sie müssen sich nicht entschuldigen, Sensei, immerhin habe ich Sie ja gefragt. Ich hoffe, ihr Sohn taucht bald wieder auf“, murmelte Aiden leise und bekam einen Schulterklopfer seines Lehrers: „Danke, Kurosaki, du bist ein guter Junge. Ich werde mal nach meiner Frau sehen.“ Kurz nachdem der Mann das Haus betreten hatte, kam Haruka heraus und strich sich kurz durch die Haare, ehe sie die Tür zuzog und zu ihrem Mitbewohner ging: „Das war heftiger, als ich es erwartet hatte. Was machen wir jetzt? Hast du was gefunden?“ „Lass uns erst einmal nach Hause gehen, dann reden wir weiter“, wich Aiden der Frage aus und lief los, was die Brünette etwas sauer machte: „Hey, weich meiner Frage nicht aus! Warte auf mich!“   Später am Abend saß die Gruppe wieder im Wohnheim zusammen und schauten gespannt auf den eingewickelten Gegenstand, den Aiden ihnen präsentierte: „Dank Tennos Hilfe war ich in der Lage das hier zu finden.“ Er legte den Gegenstand auf den Tisch und wickelte ihn vorsichtig aus, wodurch alle einen guten Blick auf das Spielzeug hatten. Das Leuchten, welches das Schwert umgab, hatte kein bisschen nachgelassen, doch schienen die anderen das nicht so zu sehen. „Bist du dir sicher, dass das das richtige Objekt ist, Aiden?“, blieb Mirai skeptisch, als sie das abgenutzte Ding vor sich sah und sich einfach nicht vorstellen konnte, dass es der Schlüssel sein sollte. Miyuki schien ebenfalls unsicher zu sein, hielt aber zu Mirai: „Harukas Objekt war so schön und funkelnd, aber das? Es wirkt so abgenutzt.“ „Woher weißt du eigentlich so genau, dass das der Schlüssel ist, Kurosaki-kun?“, erkundigte sich Haruka mit einem Blick zur Seite, woraufhin Aiden erklärte, dass der Gegenstand ein blaues Leuchten von sich gab. Nun bestätigte sich sein Verdacht, dass die anderen dieses Licht gar nicht sehen konnten. Damit war für ihn klar, dass er in Zukunft die Suche nach diesen Objekten würde übernehmen müssen, was seine Laune allerdings nicht gerade hob.   Da er noch keinen Kommentar von seinem besten Freund gehört hatte, sah der Braunhaarige zu Luca, der den Spielzeugsäbel genau untersuchte: „Wenn man es so betrachtet, dann macht es Sinn.“ „Was macht Sinn?“, kam es synchron von Miyuki und Haruka, was Luca kurz schmunzeln ließ: „Bei Tenno war es ein Gegenstand, den sie gleichzeitig liebt und hasst und genau dasselbe haben wir hier. So alt wie das Ding ist würde ich fast schon sagen, dass das hier Akutagawas erstes Spielzeug war. Also etwas sehr wichtiges, auf der anderen Seite verflucht er es, weil es in den Augen der anderen kindisch ist.“ Als er geendet hatte, wurde der Spanier von vier ungläubigen Augenpaaren angestarrt, was diesen nur den Kopf einziehen ließ: „Ich kann auch mal was Ernstes von mir geben, ob ihr es glaubt oder nicht.“ „Gut, nach Lucas Erklärung bin ich bereit, meine Meinung zu revidieren. Und wenn Aiden dieses Leuchten sehen kann, dann haben wir wohl keine andere Wahl“, murmelte Mirai und lehnte sich in ihrem Sessel zurück, während die anderen sich weiter über den Gegenstand unterhielten. Aiden klatschte sich einmal mit der Hand auf den Oberschenkel und erhob sich dann von der Couch: „Okay, wir haben die Tür erreicht und wir haben den Schlüssel. Jetzt heißt es auf Sonntag warten und dann holen wir Akutagawa da raus.“   Motiviert sprangen auch die restlichen Persona-User auf, als Luca seine Faust in die Mitte streckte: „Ich dachte, dass wir sowas für unser Team machen sollten.“ „Nein“, blockten Mirai und Haruka die Aktion direkt ab und ließen den Braunhaarigen etwas zusammenzucken. Miyuki schien sich unsicher zu sein, denn solche Taten waren in einem Manga Gang und Gäbe, doch bevor sie reagieren konnte, hatte sich Luca an Aiden gewandt: „Komm schon, Amigo, lass mich nicht betteln.“ Erst hatte der Angesprochene nur ein belustigtes Schnauben dafür übrig, doch dann erbarmte er sich und stieß seine Faust gegen die von Luca. Leider hatte er etwas übertrieben, weshalb von beiden Fäusten ein fieses Knacken zu hören war und beide Schüler sofort ihre schmerzende Hand ausschüttelten. Die Mädchen konnten sich das Lachen über diese Aktion nicht verkneifen und waren sogar so nett, ihren männlichen Kollegen je einen Kühlbeutel zu reichen.   Kapitel 36: XXXVI - Harte Arbeit -------------------------------- ~~~Freitag 03. Juni 2016~~~   In den letzten Tagen war es für Aiden sehr schwierig, sich auf den Unterricht zu konzentrieren, denn der kommende Sonntag beunruhigte ihn einfach zu sehr. Zum Glück konnte er sich immerhin so stark zusammenreißen, dass er keinen Ärger mit seinen Lehrern bekam, denn besonders seine Klassenlehrerin hatte seit seiner letzten Aktion ein scharfes Auge auf ihn geworfen. Als es endlich klingelte, räumte er seine Sachen zusammen und lehnte sich dann seufzend in seinem Stuhl zurück. Miyuki warf ihm einen besorgten Blick zu, während sie ihre eigene Tasche einpackte: „Du machst dir Sorgen wegen Sonntag, nicht wahr?“ „Du etwa nicht?“, antwortete er mit einer Gegenfrage, welche die Grünhaarige verlegen auflachen ließ: „Mehr, als du dir vielleicht vorstellen kannst. Aber wir dürfen uns davon nicht unterkriegen lassen.“ „Du hast Recht, Miyuki. Bogenschießen?“, erhob sich der Braunhaarige und schulterte seine Tasche, doch schüttelte seine Nachbarin den Kopf: „Nö, ich habe Katō-senpai gesagt, dass ich im Schülerrat gebraucht werde, also gehe ich Katzu ein bisschen zur Hand. Kendo?“ „Nein, das Risiko ist mir zu groß, mich ungünstig zu verletzen“, gab er zurück und verließ mit seiner Klassenkameradin den Raum. Lange gingen sie nicht zusammen, denn die Grünhaarige verabschiedete sich gleich wieder von ihm und verschwand im Zimmer des Schülerrats.   Alleine verließ Aiden, nachdem er seine Schuhe getauscht hatte, die Schule und schlenderte durch den Bereich vor dem Gebäude, um sich die Blumenbeete ein wenig anzusehen. Er wollte sich irgendwie beschäftigen, da er befürchtete, dass ihm heute ansonsten noch die Decke auf den Kopf fallen würde. Als er jemanden seinen Namen rufen hörte, blieb er stehen und wandte sich um. Zu seiner Überraschung kam Haruka auf ihn zugelaufen und blieb ein Stück vor ihm stehen. „H-hey, Kurosaki-kun, schon auf dem Heimweg?“, fragte die Brünette zaghaft nach, was ihr gegenüber ihr mit einem Nicken bestätigte: „Ja. Mir ist heute nicht nach Kendo und ich will keine Prellung oder sowas riskieren.“ Auf die Aussage nickte die Brünette, bevor sie nervös ihre Finger knetete und anscheinend versuchte, etwas zu sagen. Doch egal wie oft sie ansetzte, sie brachte nicht wirklich einen Ton heraus. Dieses Verhalten kam Aiden sehr sonderbar vor, weshalb er der jungen Frau etwas entgegenkam: „Kann es sein, dass du mich was fragen willst, Tenno?“ „J-ja, a-also... Ich wollte fragen, ob du vielleicht Lust hast... Also nur eventuell...“, stammelte die Brünette und eine leichte Röte stieg ihr ins Gesicht, bevor sie endlich die Frage stellte: „Hast du vielleicht Lust, mal einen Tag in der Werkstatt dabei zu sein?“ Die Frage überraschte den Oberschüler sehr, denn er hatte noch nie darüber nachgedacht, mal einem Mechaniker bei der Arbeit zuzusehen. Wenn er so darüber nachdachte, könnte das aber genau das sein, was er heute brauchte, um sich abzulenken, weshalb er lächelte und dann nickte. Haruka machte einen freudigen Hüpfer, bevor sie den Braunhaarigen mit sich winkte und ihn zur Werkstatt führte.   Kaum waren sie an ihrem Ziel angekommen, verschwand die Brünette für einen Moment in einem Nebenraum, um kurz darauf in T-Shirt und Latzhose zurückzukommen. Ihre Haare band sie sich zurück und versteckte sie dann unter einer Schirmmütze, bevor sie sich einen Werkzeuggürtel umband. Aiden konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, denn seine Mitbewohnerin wirkte so enthusiastisch wie sonst kaum, was er auch zur Sprache brachte: „Ich sehe dich selten so engagiert, Tenno.“ Verlegen kratzte sich die Brünette an der Wange und wandte sich schnell zur Seite ab: „N-naja, ich liebe diese Arbeit, da ist es doch normal, dass man sich voll reinhängt, oder?“ Dagegen konnte er nichts sagen, weshalb er seine Tasche beiseitelegte und die Ärmel hochkrempelte: „Recht hast du. Also, was machen wir heute? Ein Auto zusammenbauen?“ Die Frage ließ Haruka laut auflachen und sie musste sich erst einmal beruhigen, bevor sie eine Antwort geben konnte: „Was? Nein, um Himmels Willen. Ein Auto von Hand zu bauen dauernd viel länger.“ „Das weiß ich doch, war ja auch nur ein Scherz“, murmelte er leise, um von seiner dummen Frage abzulenken, als hinter ihm ein leises Poltern erklang und ihn herumfahren ließ.   Harukas Großvater hatte die Werkstatt betreten und eine Kiste mit Ersatzteilen abgestellt, weshalb er sich jetzt erst einmal den Rücken durchdrücken musste: „Ich muss mir jemanden zum Schleppen suchen. Nanu? Haruka, das ist ja eine Freude und Aiden hast du auch mitgebracht. So eine Überraschung.“ Beim letzten Satz grinste er süffisant, was seine Enkelin leicht panisch mit den Armen wedeln ließ: „Opa, komm nicht auf komische Ideen! Ich habe Kurosaki-kun nur angeboten, ihn mal einen Tag hier zugucken zu lassen.“ „Ah ja, wenn du es sagst, meine Kleine. Nun, ich habe gestern ein Mofa rein bekommen, welches durchgecheckt werden müsste. Machst du das?“, erklärte der Alte die Arbeit, die er anscheinend momentan zur Hand hatte, was die Brünette nicken und einen Schraubenschlüssel hervorziehen ließ: „Überlass das nur mir, Opa. Komm, Kurosaki-kun, ich zeig dir mal, was wir hier so arbeiten.“ „Aber gerne doch“, grinste Angesprochener und folgte der jungen Frau zu einem Stellplatz, auf dem ein grün lackiertes Motorrad stand, was ihn sofort skeptisch machte: „Das ist doch kein Mofa, das ist ein Motorrad!“   „Es mag zwar so aussehen, aber es ist wirklich nur ein Mofa. Das ist eine Gilera DNA 50, ein Mofa welches von dem italienischen Hersteller Piaggio gebaut wird. Es ist beabsichtigt, dass es so aussieht wie ein Motorrad, allerdings sind sie meistens gedrosselt sodass sie nicht schneller als 25 km/h fahren. 45 mit der richtigen Motorisierung“, erklärte die junge Frau gewissenhaft und bemerkte dann, wie Aiden sie neugierig ansah und grinste: „Das ist echt interessant. Also quasi ein Roller für Möchtegern-Biker, richtig?“ Erleichtert atmete Haruka aus, bevor sie nickte und sich dann neben das Gefährt hockte: „So kann man es sagen. Es soll halt auch den nicht so schnellen Fahrern einen gewissen Stil geben.“ „Kann ich verstehen, ich würde auch so einen fahren. Was kostet so ein Teil?“, gab Aiden zu und sah Haruka fragend an, die sich kurz nachdenklich ans Kinn tippte und dann versuchte, eine Schraube an dem Roller zu lockern: „Lass mich nicht lügen, aber ich glaube etwas um die 128.000 Yen.“ Sofort zog der Braunhaarige den Kopf ein und rechnete sich aus, wie lange er in der Boutique würde arbeiten müssen, um sich so etwas leisten zu können: „Vergiss, was ich gesagt habe.“   Über den betretenen Blick des Braunhaarigen konnte Haruka nur lachen, bevor sie sich wieder dem Gefährt zuwandte, kurz einen Zettel durchlas und dann eine Abdeckung herunternahm: „So, der Fahrer meinte, dass sie nicht mehr anspringen würde und sie würde sich schwerfällig schieben lassen. Habe ich deine Sauklaue richtig entziffert, Opa?“ „Hey, so schlecht schreibe ich gar nicht! Aber ja, du liest richtig, Haruka“, gab der Mann zurück und trabte zu einem Auto, welches auf der anderen Seite der Werkstatt stand. Aiden hatte von so einer Technik absolut keine Ahnung, weshalb er neugierig zusah, wie Haruka hochkonzentriert einige Stecker löste und anschließend eine Art Box aus dem Mofa hervorzog: „Also, was könnte der Grund sein, dass sie nicht mehr anspringt?“ „Dafür kann es mehrere Probleme geben. Aber die häufigste Sache wäre, dass die Batterie nicht mehr mitmacht“, erklärte die Mechanikerin weiter und hob dabei die Box, welche sie zu einem Regal trug und dort an ein anderes Gerät anschloss: „Dachte ich mir. Die Batterie ist hinüber.“ „Also kann das Teil nicht funktionieren. So eine Batterie ist aber nicht unbedingt ein großes Problem, oder? Ich erinnere mich, dass einer unserer Nachbarn damals immer selbst an seinem Mofa geschraubt hat“, überlegte Aiden und wunderte sich, warum Leute immer in die Werkstatt liefen, anstatt mal etwas selbst zu machen. Haruka kicherte wieder und bereitete mit ein paar schnellen Handgriffen eine Ersatzbatterie vor: „Das ist wirklich nicht so schwer, allerdings sind viele Leute zu unsicher, so etwas selbst zu machen, oder sie glauben gleich, dass es komplett im Eimer ist.“   Die neue Batterie stellte Haruka neben dem Mofa ab und begann dann, sich das Vorderrad anzusehen. Auf Aidens Frage, warum sie die Batterie noch nicht einbaue, gab sie zurück, dass sie erst noch ein wenig warten mussten, bis die Batterie einsatzbereit wäre. Die Zwischenzeit wollte Haruka nutzen, um sich das Problem mit dem Rad zu widmen. Wieder beobachtete Aiden sie mit Adleraugen, doch konnte er sich seine Fragen nicht verkneifen: „Wieso werkelst du an dem Rad rum?“ „Der Kunde meinte, dass sich das Mofa schwerfällig schieben lasse. Also muss etwas an dem Rad nicht stimmen und wenn ich raten müsste, dann würde ich sagen, dass die Bremse klemmt“, bekam er sofort eine Antwort, bevor ihm eine offene Hand hingehalten wurde: „Kannst du mir mal einen Schraubendreher holen? Die, die ich am Gürtel habe, sind alle zu groß.“ Sofort lief Aiden zu der Werkbank und sah sich suchend um, als der Alte ein Stück hinter ihm vergnügt gluckste: „Linke Seite, dritte Schublade von oben.“ Mit einem dankbaren Nicken fand Aiden das gesuchte Werkzeug, welches er zu seiner Freundin brachte, die sich damit ans Werk machte. Bereits nach ein paar Handgriffen gab sie einen triumphierenden Laut von sich und richtete sich mit einer Siegesfaust auf. Nun konnte sie die Batterie einsetzen und die Abdeckung wieder draufmachen, bevor sie nach dem Schlüssel suchen ging.   Beim Zurückkommen bemerkte sie Aidens Blick und hielt ihm den Schlüssel hin: „Wills du dich draufsetzen und sehen, ob sie anspringt?“ „Darf ich?“, entwich es Aiden, noch bevor er sich bremsen konnte und er musste wie ein Kleinkind zu Weihnachten aussehen, denn Haruka kicherte vergnügt und dirigierte ihn auf das stehende Gefährt. Etwas unsicher steckte Aiden den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn, woraufhin allerdings nur das Display am Lenker anging. Haruka erklärte ihm daraufhin, wie man den Kickstarter benutzte und bei seinem ersten Versuch flog er fast auf die Nase. Auf eine Ermahnung der Brünette ging er es etwas langsamer an und schaffte es tatsächlich nach drei Kicks, den Motor zum Laufen zu kriegen. Mit einem strahlenden Grinsen setzte sich der Oberschüler auf das Mofa und drehte ein paar Mal am Gashahn, was den Motor laut brummen ließ. Haruka schien das Geräusch zu gefallen, denn rieb sich die Hände: „Schnurrt wie ein Kätzchen, so mag ich das!“   „Der Wahnsinn.“ Mehr bekam Aiden nicht heraus, der sich bisher kein wirkliches Bild davon hatte machen können, was Haruka hier wirklich tat. Er konnte einfach nicht anders, als von der Brünette beeindruckt zu sein: „Du bist echt der Hammer, Tenno.“ „D-danke, du bist als Assistent aber auch nicht so schlecht“, lachte die Brünette und lief leicht rot an, als sich ein warmes Gefühl in Aidens Brust breit machte. Er musste noch ein bisschen beim Aufräumen helfen, bevor er sich mit Haruka auf den Weg machte, damit sie den nächsten Zug noch bekommen würden. Zu ihrem Glück schafften sie es noch rechtzeitig und saßen nun schnaufend im Zug. „Wie hat es dir gefallen?“, fragte die Brünette nach einer Weile nach und bekam ein breites Grinsen als Antwort: „Absolut genial, ich hatte keine Ahnung, dass du sowas cooles machst. Könnte mir vorstellen, öfters zuzuschauen.“ „Von mir aus jederzeit. Sag nur Bescheid“, grinste Haruka und sah mit geröteten Wangen aus dem Fenster, während Aiden sich seinem Handy widmete, auf dem sich gerade Kari gemeldet hatte.   ~~~Samstag 04. Juni 2016~~~   Niemals im Leben hätte Aiden erwartet, dass der Samstag mal zu seinem Hasstag in der Schule werden würde. Bestimmt freute sich jeder Schüler auf den Samstag, war es doch der letzte Tag der Woche, doch hatte Mr. Edogawa es erfolgreich geschafft, diese Vorfreude durch seine langen Monologe komplett zunichte zu machen. Aiden hatte den Kopf auf der Handfläche abgestützt und versuchte krampfhaft nicht einzuschlafen, ebenso wie 90% seiner Mitschüler. Nur ein paar vereinzelte Köpfe schienen ihrem Lehrer durchgehend folgen zu können, doch er gehörte nicht dazu. Innerlich flehte er den Gott der Zeit an, er möge die Zeit doch bitte schneller vergehen lassen und es schien sogar zu funktionieren, denn kurz darauf erklang der erlösende Klang der Schulglocke. Miyuki lag jammernd auf ihrem Pult und rührte keinen Muskel, bis Aiden sie sanft antippte und zum Gehen animierte. Zu zweit verließen sie die Schule und stießen im Flur noch auf Haruka, Sakura und Luca, die im Gegensatz zu ihnen deutlich fitter wirkten. Neugierig warf Sakura die Frage in dem Raum, ob sie Lust hätten, zusammen etwas zu unternehmen, doch mussten sowohl Luca, als auch Aiden absagen. Zwar waren die Mädchen darüber etwas enttäuscht, doch verabschiedeten sie sich von den Jungs, die sich zusammen auf den Weg zur Mall machten.   Als sie bei dem großen Gebäude ankamen, konnte sich Luca die Frage nicht mehr verkneifen: „Sag mal, Amigo, was genau hast du eigentlich hier vor?“ „Ach weißt du... Ich habe mir einen Job zugelegt“, gab Aiden nach kurzem Zögern zu und kratzte sich an der Nase. Sein bester Freund wirkte etwas überrascht, doch dann begann er in seiner typischen Manier zu grinsen: „Coole Sache, Amigo. Ich jobbe ja selbst in der Mall, weißt du?“ „Wirklich? Wo?“, erwiderte der Braunhaarige verdutzt, woraufhin Luca auf den Lebensmittelladen deutete, in den er letzten Dienstag verschwunden war. Für einen Moment war Aiden sehr überrascht, denn wenn er ehrlich war, hätte er Luca nicht zugetraut, dass er wirklich arbeiten würde. Irgendwie schien der Spanier seine Gedanken lesen zu können, denn er gab seinem Freund einen etwas härteren Knuff in die Seite und belehrte ihn, ihn nicht vorschnell abzuschieben. „Aber genug von mir. Wo arbeitest du?“, wollte nun Luca wissen, wie der Hase lief, weshalb Aiden nach einem kurzen Seufzer auf die Boutique deutete: „Da drüben.“ Nun verzog Luca für einen Moment das Gesicht und schien mit sich zu ringen. Am Ende entschied er sich dann doch dazu, den Mund aufzumachen: „Ich will dich ja nicht beunruhigen, oder deine Entscheidung kritisieren, aber... Einige meiner Kollegen meinen, dass die Filialleiterin eine fiese Abzockerin ist.“ „Danke für die Warnung, Luca, aber die kommt leider ein bisschen spät“, lachte Aiden leicht verstimmt auf, ehe er sich verabschiedete und das Geschäft betrat.   Heute schien nicht so viel los zu sein, allerdings kam ihm das zugute, denn so würde er nicht zu viel zu tun haben. Auf der anderen Seite würde er ohne Arbeit kein Geld verdienen, weshalb er leise murrte und dann zu den Kassen ging. Hinter der Kasse stand dieselbe Brünette, die ihn am Dienstag zu ihrer Chefin gebracht hatte und die Frau schien sichtlich überrascht zu sein, den Jungen vor sich zu sehen. „Hallo, ich soll heute meine erste Schicht machen“, hob Aiden grüßend die Hand, woraufhin die Frau leicht mitleidig das Gesicht verzog: „Oh je, ich hoffe, dass du die Entscheidung nicht bereust. Am besten gehst du nach hinten zu Kyousho-san.“ Mit einem dankbaren Nicken ging der Oberschüler den Gang hinter der Kasse hindurch, bis er wieder vor der Tür zu dem Büro stand. Er wollte gerade die Hand heben, um an die Tür zu klopfen, doch da ertönte von drinnen bereits ein „Komm rein, Ai-chan“. Die Situation war ihm gerade etwas zu gruselig, denn woher konnte sie wissen, dass er vor der Tür stand? Er nahm einen schnellen Atemzug, bevor er die Tür aufdrückte und den Raum betrat, wo ihn sofort der amüsierte Blick Asukas traf. „Na, hab ich dich erschreckt?“, stichelte die Blondine und deutete dann auf die Sessel vor ihrem Tisch, damit Aiden sich hinsetzen solle. Mit einem leisen „Ein wenig“ nahm der Braunhaarige auf einem Sessel Platz und sah seine Chefin an, die ihn immer noch grinsend musterte und dann eine in Folie gewickelte Uniform hinschob: „Das ist deine Arbeitskleidung. Während deiner Schicht hast du sie sauber und vor allem komplett zu tragen, wir haben immerhin einen Ruf zu verlieren. Umkleiden sind im Gemeinschaftsraum auf der linken Seite, wenn du hier rauskommst, die Küche ist rechts. Pausen hast du nach der Schule keine, du arbeitest ja auch nicht lange, an vollen Tagen sieht das anders aus. Noch Fragen?“ Für einen Moment überlegte er, ob er noch etwas fragen sollte, doch als ihm nichts einfiel, schüttelte er schnell den Kopf und bekam ein zufriedenes Nicken: „Gut. Dann geh dich umziehen und dann meldest du dich vorne an der Kasse bei Nijiro. Enttäusch mich nicht, Ai-chan.“   Mit einem leicht erzwungenen Lächeln verließ Aiden das Büro und ging zum Aufenthaltsraum, wo er einen Spind für seine Sachen und mehrere kleine Umkleidekabinen vorfand. Um nicht als Trödler zu gelten, zog er sich schnell um und schlüpfte in seine Uniform, die aus einer schwarzen Hose, einem leicht rosafarbenen Hemd und einem roten Sakko bestand. Schwarz und rot waren in seinen Augen ja eine gute Kombination, aber bei dem Hemd war er sich absolut nicht sicher. Da er es nicht ändern konnte, nahm er es so hin und verließ, nachdem er seine Sachen in einem der Spinde verstaut hatte, den Aufenthaltsraum. Im Verkaufsraum musste er sich erst einmal orientieren, zwar hatte ihm Asuka gesagt, wie die Person hieß, bei der er sich melden sollte, aber er wusste nicht, wie die Person aussah. Um nicht ganz planlos zu wirken ging er zu der Kasse, an dem die freundliche Brünette stand und suchte bei ihr um Rat: „Ähm, entschuldigen Sie? Kyousho-san sagte, dass ich mich bei Nijiro-san melden soll, aber ich weiß nicht, wer das ist. Können Sie mir vielleicht helfen?“ Die Brünette sah ihn kurz an, bevor sie seufzte und sich dann eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich: „Natürlich macht Kyousho-san es einem schwer. Ich bin Nijiro. Nijiro Kaname. Freut mich, dich kennenzulernen.“ „Kurosaki Aiden, freut mich ebenfalls, Nijiro-senpai“, grüßte der Braunhaarige und verneigte sich respektvoll, was die Brünette leicht kichern ließ: „Wow, wie lange ist es her, dass ich Senpai genannt wurde? Nun, Kurosaki-kun, dann will ich dir mal zeigen, wie es bei uns läuft. Schnapp dir einen Block, denn du machst dir besser Notizen.“   Schnell hatte sich Aiden mit einem kleinen Notizblock bewaffnet und folgte anschließend Kaname durch den Laden, wobei sie ihm zeigte, worauf er in dem Laden alles zu achten hatte. Tatsächlich erkannte er ein gewisses System darin, wie die einzelnen Kleidungsstücke verteilt waren. So waren die teuren, sehr angesagten Kleider sowohl vorne an den Schaufenstern, als auch hinten vor den Kassen platziert. Wie die Brünette ihm erklärte diente das dazu, die Käufer zu weiteren Spontankäufen zu animieren. Sie sahen am Anfang etwas, was ihnen gefiel, probierten es an und entscheiden sich für den Kauf, dann gehen sie zur Kasse und finden auf dem noch mehr Sachen, die ihnen gefallen. Es erstaunte Aiden, wie leicht Leute sich beim Einkaufen manipulieren ließen, aber er hatte diese Art schon öfters gesehen. In manchen Läden standen direkt an der Kasse die Süßigkeiten, um Mütter mit kleinen Kindern zu Triggern, was ihm mit Kari schon mehr als einmal passiert war. An den Seiten des Geschäfts waren die nicht so angesagten oder gerade nicht in der Saison befindenden Kleider und in der Mitte waren die Accessoires ausgestellt. Der ganze Aufbau diente dazu, den Leuten möglichst viele Waren um die Ohren zu hauen, damit sie diese kaufen sollten.   Seine Lehrstunde über das Geschäft ging weiter, als ihm das Lager gezeigt wurde und es würde wohl in Zukunft öfter vorkommen, dass er von hier neue Waren in den Laden bringen würde. Aiden gab sein Besten, um sich alles zu notieren, was er beim nächsten Mal würde wissen müssen und zu seinem Glück gab ihm Kaname die Zeit zum Schreiben. Er wusste nicht warum, aber irgendwie hatte er das Gefühl, als würde er die ganze Zeit beobachtet werden, weshalb er dauernd etwas angespannt durch die Gegend lief. Es dauerte mehr als zwei Stunden, bis ihm alles gezeigt und erklärt worden war, wobei die Bedienung der Kassen noch nicht mit inbegriffen war. Als er wieder in den Verkaufsraum kam, fand er Asuka am Tresen vor, wo sie anscheinend eins der Geschäftsbücher wälzte. Als die beiden näherkamen, hob die Blondine kurz den Blick und richtete das Wort an die Brünette: „Nun, bist du mit der Tour fertig, Nijiro?“ „J-ja, Kyousho-san. Ich habe Kurosaki-kun den ganzen Verkaufsraum gezeigt, ihm erklärt, wie es ablaufen wird und habe ihm auch gezeigt, wo das Lager ist“, gab die Frau gehorsam Antwort und irgendwie kam es Aiden so vor, als ob sie panische Angst vor ihrer Chefin hätte.   Asuka schien mit der Aussage augenscheinlich zufrieden zu sein, denn sie gab der Brünette bereits eine neue Aufgabe, der sie sofort nachkam, ehe die Chefin sich an Aiden wandte: „Du schreibst fleißig mit? Braver Junge.“ Mürrisch biss der Braunhaarige die Zähne zusammen und verkniff sich einen Kommentar, denn es war offensichtlich, dass seine Vorgesetzte ihn kein Stück ernst nahm. Er würde sich allerdings nicht die Blöße geben, sie irgendwie zu provozieren, damit sie ihn fertig machen konnte, weshalb er einfach den Mund hielt und nickte. „Auf Bezahlung brauchst du heute nicht zu hoffen, immerhin hast du nichts verkauft. Ich erwarte aber, dass du beim nächsten Mal Geld in meine Kassen spülst. Verstanden?“, funkelte sie ihn mit ihren violetten Augen an, was den Oberschüler nervös schlucken ließ: „Ja, Kyousho-san.“ „Gut, ich bin gespannt zu sehen, wie du dich machen wirst und ob das mit der Alten nur ein Glücksgriff war. Du kannst für heute gehen. Nächsten Samstag, selbe Zeit“, feixte die Frau und widmete sich wieder dem Buch vor ihr, während Aiden sich mit einem Nicken in Richtung des Gemeinschaftsraumes aufmachte. Noch während er ging, breitete sich ein warmes Gefühl in seiner Brust aus, welches ihm verriet, dass er seine Bindung mit Asuka, trotz ihrer abfälligen Art ihm gegenüber, gestärkt hatte. Noch war ihm nicht klar, ob er das hier wirklich so lange aushalten würde, aber er hatte nicht vor, sich dieser Frau geschlagen zu geben, weshalb er sich umzog und dann den Laden verließ.   In der Mall sah er sich nach Luca um, doch schien der Braunhaarige entweder schon gegangen zu sein oder noch gar nicht Feierabend zu haben. Während er sich nach seinem Freund umsah, sprach ihn aber eine andere, bekannte Stimme an: „Na, du Mode-Guru? Fertig mit der Schicht?“ Erschrocken fuhr Aiden herum und sah sich Mirai gegenüber, die ihm ein freches Grinsen schenkte und mit den Augenbrauen wackelte: „Ich muss schon sagen, pinke Hemden stehen dir hervorragend.“ „Scheiße, du hast das gesehen?“, entfuhr es dem Braunhaarigen, der seiner Mitbewohnerin leicht verunsichert nachschaute, denn so wie er die Silberhaarige kannte, könnte das schlimmer enden, als mit Asuka. Eine richtige Antwort bekam er nicht, weshalb er noch einmal nachfragte und hinter Mirai herlief, die nur frech mit der Hand herum wedelte und ihm die Zunge rausstreckte. Kapitel 37: XXXVII - Das Gift des Skorpions ------------------------------------------- ~~~Sonntag 05. Juni 2016~~~ ~~~Neumond~~~   Im Foyer des Wohnheims herrschte eine bedrückende Stille, die lediglich von dem Ticken der Uhr an der Wand oder dem Kratzen von Miyukis Bleistift durchbrochen wurde. Heute war der Tag der Entscheidung gekommen und sie alle machten sich ihre Gedanken über das, was vor ihnen lag, jedoch hatte jeder seine eigene Art, um mit dem Stress fertig zu werden. Luca spielte auf seinem Handy ein Spiel, Mirai saß auf dem Boden und reinigte Kakos Wunden noch einmal, Haruka hatte sich einen Zauberwürfel von Setsuna mitgenommen, Miyuki zeichnete und Aiden ging die Karten durch, die er von Amalia und Igor hatte. Neugierig ließ der Braunhaarige seinen Blick über die einzelnen Karten schweifen, wobei er ein wenig damit kämpfte, den Überblick zu behalten, welche Person welcher Karte entsprach. Irgendwann würde er sich das mal aufschreiben müssen, aber nicht heute. Kurz ließ der Anführer den Blick über seine Freunde gleiten und als er sah, dass Mirai mit der Behandlung ihres Hundes fertig war, erhob er sich: „Okay, Leute, es ist soweit. Gehen wir und beenden diese Sache.“ Seine Freunde nickten und erhoben sich zeitgleich, damit sie sich zusammen auf den Weg zum Naganaki Schrein machen konnten   ~~~Shadow-Welt~~~   Bereits beim Eintritt in die Welt kroch allen Teenagern die Angst in die Knochen. So gruselig, wie die Welt sonst schon wirkte war sie nichts gegen die Zeit, in der der Mond am Himmel fehlte. Luca holte nach und nach die Waffen und Taschen aus dem Schreingebäude, um sie seinen Kameraden zu reichen. Miyuki und Haruka begannen sofort damit, ihre Waffen schussbereit zu machen, um im Bedarfsfall sofort kämpfen zu können. Aiden drehte den Kopf zur Seite und verspürte ein seltsam vertrautes Gefühl, dem er nachgehen wollte. Langsam ging er um das Gebäude herum, nur um vor einer blau schimmernden Tür zu stehen, die er nach einem kurzen Seufzer öffnete und eintrat.   ~~~Velvet Room~~~   Mit gemischten Gefühlen marschierte ich über den blauen Teppich auf den runden Tisch zu, an dem mich dieses Mal wieder Igor in Empfang nahm und mich mit seinem üblich irren Grinsen ansah: „Willkommen im Velvet Room, mein junger Freund. Es scheint, als sei die Zeit für deine nächste Prüfung gekommen.“ Ich kaute kurz auf meiner Unterlippe herum und ließ den Blick durch die Sternenwarte schweifen, bevor ich eine Antwort gab: „Ja, heute werden wir Setsuna retten. Wenn du noch etwas Hilfreiches und ich betone »Hilfreiches« hast, was du mir mit auf den Weg geben möchtest, dann raus damit.“ Mir war momentan wirklich nicht nach irgendwelchen kryptischen Nachrichten, über deren Bedeutung ich lange nachdenken musste, weshalb es mir lieber wäre, wenn der Typ schnell machte. Er schien meiner Bitte sogar nachzukommen, denn er breitete einige Karten auf dem Tisch aus und sah mich dann an: „Dann will ich dir eine helfende Hand reichen. Bevor du in den Kampf ziehst, werde ich dir eine neue Kraft gewähren: Die Fusion. Du hast das Potenzial, mehrere Persona zu zähmen und in dir zu beherbergen, doch nun eröffnet sich dir der Weg, diese Seelen zu nehmen und zu einer neuen, noch Mächtigeren zu vereinen.“   „Um es kurz zu machen: Ich kann zwei Persona nehmen und daraus eine stärkere machen, richtig?“, fasste ich seine Aussage noch einmal zusammen, wofür ich deutlich weniger Zeit benötigte, doch störte ihn das keineswegs: „Korrekt. Nun denn, lass uns beginnen. Amalia, darf ich bitten?“ „Ja, Meister“, tauchte die Blondine wie aus dem Nichts auf, als aus meiner Brust zwei Lichtkugeln kamen, die sich in Tarotkarten verwandelten und dann zu der Blondine flogen. Diese fing die Karten auf und schob die erste in einen Schlitz, der sich in dem großen Teleskop befand. Anschließend drehte sie etwas an einem Rad, bevor sie auch die zweite Karte in das Teleskop schob. Erneut drehte sie an dem Rad, woraufhin aus dem Guckloch ein Lichtstrahl an die Glaskuppel schoss und dort eine Lichtexplosion erzeugte. Aus dem Licht zeigte sich ein neues Wesen, welches zu einer Karte wurde und in meinem Körper verschwand. Kurz fasste ich mir an die Brust und musste sogar grinsen, bevor ich einen entschlossenen Gesichtsausdruck aufsetzte: „Danke, Igor, Amalia. Ich muss dann los, hab noch was zu erledigen.“ „Wir werden sehen, ob du deine Aufgabe erfüllen kannst. Bis dahin, Lebewohl“, verabschiedete sich Igor von mir, während ich den Raum verließ.   ~~~Shadow-Welt~~~   Aiden hob den Kopf und drehte sich um, um wieder zu seinen Freunden zu gehen, doch standen diese bereits etwas irritiert um ihn herum und starrten ihn an. „Ist was?“, kam es verlegen von dem Braunhaarigen, was Mirai ihm beantwortete: „Du stehst da stocksteif rum und lässt dich nicht ansprechen und fragst uns, ob was ist? Ist bei dir da oben eventuell eine Schraube locker?“ „Nein, alles gut, ich war nur kurz in Gedanken versunken“, gab der Braunhaarige verlegen zurück und kratzet sich am Kopf, bevor er sich räusperte und in die Runde sah: „Seid ihr alle soweit? Dann gehen wir und holen den Kleinen da raus!“ „Ja!“, riefen die drei restlichen Persona-User und folgten ihrem Anführer bereits vom Gelände herunter, während Mirai skeptisch stehen blieb und einen Moment auf die Stelle schaute, an der Aiden eben gestanden hatte. Sie hatte ein komisches Gefühl, doch schüttelte sie dieses schnell ab und folgte ihren Freunden, die sich mit schnellen Schritten auf den Weg gemacht hatten.   Der Weg war leider nicht so einfach, wie bei den letzten Malen, denn die Shadows schienen zu ahnen, was vor sich ging und waren gewillt, die Gruppe zu stoppen. Alle gaben ihr Bestes, um sich nicht zu sehr zu verausgaben, denn sie ahnten bereits, dass Setsunas Rettung nicht ohne Kampf passieren würde und dafür mussten sie so fit wie möglich sein. Um nicht zu viel Energie zu verschwenden, besiegten sie nur die Shadows, die in ihrem direkten Weg standen und den Altar blockierten. Kaum hatten sie diesen erreicht, aktivierte Mirai den Mechanismus und transportierte sie direkt vor die riesige Tür. Schnell sah sich die Gruppe um, um nicht in einen Hinterhalt zu geraten, doch schien die Luft rein zu sein. „Ich schwöre euch, irgendwann kriege ich wegen diesem Ort hier noch Paranoia“, brummte Luca und sah sich leicht gehetzt um, während Aiden das Spielzeug aus seiner Tasche nahm und an das mittlerweile frei gewordene Schlüsselloch trat: „Ich kann es dir nicht verdenken, Luca. Okay, es geht los. Seid ihr bereit?“ „Sowas von, Amigo!“ „Ich werde immer ins schwarze Treffen, Aiden-kun!“ „Lass uns Setsuna retten!“ „Ich denke, die Antwort ist eindeutig. Mach auf, Aiden“, kommandierte Mirai den Braunhaarigen herum, der kurz nickte und anschließend das Spielzeugschwert in die Öffnung an der Tür schob. Das Spielzeug rastete komplett ein und ließ sich drehen, bis das Schloss sich auflöste und die Tür aufschwingen ließ.   Die Gruppe betrat den Raum, der aussah, als hätte man sämtliche Stofftiere der Welt genommen, sie zerfetzt und dann in den Boden einbetoniert. Überall ragten Teile von Stofftieren aus dem Boden, doch ließ sich die Gruppe davon nicht ablenken und lief weiter auf das Zentrum des Kuscheltierfriedhofs zu. Noch auf dem Weg dorthin schallte eine kindliche und sehr gereizt klingende Stimme ihnen entgegen: „Halt gefälligst die Klappe! Nichts von dem, was du sagst, ist wahr!“ „Och wirklich? Ganz ehrlich, du benimmst dich wie ein bockiges Kleinkind. Warte, genau das bist du ja auch. Haha!“, erklang eine weitere, leicht verzerrte Stimme, die der ersten extrem ähnlich war. „Ich bin kein Kind!“, fauchte die erste Stimme wieder, als die Gruppe ihr Ziel erreichte und Setsuna fand, der an einem großen, schwarzen Kreuz hing. Ein Stück neben dem Kreuz war ein Haufen aus abgetrennten Stofftierköpfen, auf dem eine kleinere Version von Setsuna hockte und fröhlich die Beine schwingen ließ. Während der gefesselte Setsuna eisblaue Augen hatte, waren die des kleineren Ichs stechend gelb und leuchteten bedrohlich.   „Setsuna!“, rief Haruka und machte einen Schritt nach vorne, woraufhin beide Setsuna sich der Brünette zuwandten. „Onee-chan?“, kam es zögerlich von dem Jungen, der die Mechanikerin und die anderen Leute hinter ihr ungläubig anstarrte, als der Shadow lachend in die Hände klatschte: „Toll, Haru-neechan ist da! Wir können zusammen spielen!“ „Irgendwie wirkt sein Shadow gar nicht so bedrohlich wie der von Tenno“, murmelte Luca Aiden leise zu, was dieser nickend bejahte und dann zu der Brünette schaute: „Versuch mit ihm zu reden, vielleicht kannst du ihn beruhigen.“ Von der jungen Frau kam ein kurzes Nicken, bevor sie einen Schritt nach vorne tat und die beiden weißblauhaarigen Jungs ansah: „Setsuna, bitte hör auf damit. Wir können das alles friedlich lösen.“ „Was interessiert dich das? Ich bin dir doch egal“, murrte der Junge an dem Kreuz und wandte den Kopf ab, was ein Schnauben des Shadows folgen ließ: „Du bist ein Lügner und ein Spielverderber. Onee-chan, er ist gemein und tut mir die ganze Zeit weh!“ „Hör auf, solche Lügen zu erzählen! Du hast mich schließlich hier festgekettet!“, fauchte Setsuna seinen Shadow an, der wie ein Kleinkind die Unterlippe nach vorne schob: „Siehst du? Er tut es schon wieder.“   „Es ist egal, wer von euch beiden angefangen hat, aber ihr müsst beide damit aufhören. Setsuna, hör auf, dir etwas vorzumachen. Und du... kleiner Setsuna, du darfst ihn hier nicht festhalten“, versuchte die Brünette an die Vernunft des Jungen zu appellieren, doch schien das den Schüler noch mehr zu stören: „Jetzt soll ich schuld sein? Ich bin hier das Opfer, also warum soll ich aufhören?“ „Siehst du? Er macht immer weiter und lügt sich was vor. Ich will mit ihm mit unseren Spielsachen spielen, aber er schickt mich weg“, säuselte der Shadow, weshalb Haruka sich an den echten Setsuna wandte: „Ich weiß, dass das alles schwer für dich sein muss, aber du musst ehrlich zu dir sein.“ Nun ballte der Junge die Fäuste und knirschte mit den Zähnen, bevor er die Brünette gereizt anfauchte: „Du erzählst mir etwas von wegen Ehrlichkeit? Du warst es doch, der mich angelogen und sein Versprechen gebrochen hat!“ Schuldbewusst sah die junge Frau auf ihre Füße, weshalb Aiden versuchte, die Sache in die richtige Richtung zu drücken: „Tenno hat dich niemals verletzen wollen und sie hatte einen guten Grund dazu. Lass sie bitte erklären und dann wirst du sehen, dass es keinen Grund für deinen Zorn gibt.“ „Du bist schuld...“, brummte der Junge plötzlich, was Aiden etwas verunsicherte, doch brach es dann aus Setsuna hervor: „Es ist alles deine schuld! Nur weil du da bist, hat Onee-chan mich versetzt! Nur deinetwegen!“   „Setsuna, hör auf, so etwas zu sagen“, flehte Haruka, was den Shadow wieder auf den Plan treten und gelangweilt reden ließ: „Siehst du? Er benimmt sich wie ein verzogenes Kleinkind. Wobei, das ist was Gutes, denn so belügt er sich nicht. Komm, red weiter, dann können wir zusammen spielen!“ „Halt endlich die Klappe! Du weißt nichts über mich, also hör auf so zu tun, als würdest du mich kennen! Und ich bin kein verdammtes Kleinkind, dass jemanden zum Spielen braucht!“, fauchte der Jüngste sein Ebenbild an, woraufhin der Gelbäugige zornig das Gesicht verzog: „Ich weiß mehr über dich, als jeder andere. Ich kenne dich bereits seit deiner Geburt und wenn du mich lassen würdest, dann könnte ich dir helfen. Du bist allerdings so vernagelt, dass du die Wahrheit nicht siehst! Du bist ein kleiner, verzogener Rotzlöffel und nichts anderes!“ „Akutagawa, lass dich nicht auf dieses Gespräch mit ihm ein!“, rief Luca dazwischen, da dieser ahnte, worauf das hinauslaufen würde, doch leider wurde er von dem Jungen ignoriert: „Die Wahrheit ist, dass ich erwachsen bin und keinen brauche, der mich an der Hand nimmt! Lasst mich einfach in Ruhe und haut ab! Und du holst mich gefälligst hier runter!“ „Du glaubst, dass das die Wahrheit ist? Du liegst so falsch, Setsuna. Ich bin du und daher weiß ich genau, was in dir vorgeht“, zischte der Shadow zornig und seine Augen begannen noch einen Tick heller zu glühen.   Leider war Setsunas Mundwerk schneller, als es den Persona-Usern lieb war, denn er zappelte herum fauchte: „Das ich nicht lache. Das ist der mit Abstand größte Scheiß, den ich jemals gehört habe! Als ob du wüsstest, was in mir vorgeht! Es gibt nur einen Setsuna und das bin! Hör also endlich auf, so einen Mist zu erzählen, denn du bist nicht ich und du wirst es niemals sein!“ Der Shadow ließ den Kopf hängen und stieg von dem Kopfhaufen herunter, wo er begann, erst leise zu kichern und dann immer lauter zu lachen, während um seinen Körper eine bedrohliche, schwarze Aura entstand. Das Lachen des Shadows wurde immer lauter, bevor aus der Aura seine noch mehr verzerrte Stimme erklang: „Du hast recht, ich bin nicht du. Jetzt nicht mehr, denn ich brauche so ein erbärmliches Kleinkind wie dich nicht länger!“ Die Aura breitete sich aus, hüllte Setsuna ein und drängte die Schüler zurück, bis sie verschwand und den Blick auf ein riesiges Ungeheuer freigab. Es erinnerte an ein Plüschtier in Skorpionform, dessen Körper aber an vielen Stellen aufgeplatzt und mit Teilen von Scheren und Messern geflickt worden war. Seine pechschwarzen Scheren klapperten bedrohlich, während sein Schwanz, der an ein Spielzeugschwert erinnerte, über ihm hin und her zuckte. Seine gelben Iriden waren auf die Gruppe gerichtet und ließen keinen von ihnen aus den Augen, während seine Füße den Boden aufrissen: „Ich bin ein Shadow, das wahre Ich. Ihr schaut auf mich herab, weil ich anders bin? Ich werde derjenige sein, der auf euch herabsieht, wenn ich euch in eure Gräber schicke!“   Die Gruppe zog sofort ihre Waffen und ging in Position, wobei Luca am meisten missgelaunt wirkte: „Ernsthaft, dieser Satz sollte verboten werden. Der hat noch nie etwas Gutes gebracht!“ „Darüber können wir später streiten, Luca. Seid auf alles gefasst, Leute!“, ermahnte Aiden seine Freunde und zog dabei seinen Evoker, mit dem er Rigel beschwor. Luca tat es ihm gleich, woraufhin die Persona der beiden Jungs auf den Shadow zurasten und auf ihn einschlugen. Leider war der Skorpion in der Lage beide Hiebe mit je einer seiner gigantischen Scheren abzufangen, doch bekam er in dem Moment einen Pfeil und einen Bolzen an den Kopf, was ihn allerdings nur kurz zucken ließ. Direkt darauf schleuderte er die beiden Persona beiseite und ging mit einem Sturmangriff auf die Gruppe los. Mit voller Wucht warf sich der Shadow nach vorne, weshalb die Gruppe auseinandersprang, um dem Angriff zu entgehen. „Glaubt nicht, dass ihr mir entkommt!“, fauchte der Skorpion, bevor er sich schnell um die eigene Achse drehte und die Schüler mit seinem Schweif wegfegte. Alle fünf schlugen hart auf dem Boden auf und bekamen die Luft aus den Lungen gepresst, doch waren sie nicht gewillt, sich davon unterkriegen zu lassen. Haruka rappelte sich wieder hoch und biss die Zähne zusammen, als sie ihre eigene Persona rief, die ihren Gegner mit einem Blitz niederstreckte. Kaum war der Blitz in den Schwertschweif des Skorpions eingeschlagen, sackte dieser zuckend zusammen und rührte sich nicht mehr.   Diese Chance nutzte die Gruppe zum Angriff und ließ noch einen Wind-, einen Feuer- und einen Eisangriff folgen, die auf den Shadow einprasselten. Mirai knirschte mit den Zähnen, denn sie hatte genau gesehen, dass die Feuerattacke von Miyuki einfach abgeprallt war, was sie die Grünhaarige auch sofort wissen ließ. Sofort machte das Mädchen einen Schritt zurück, denn wenn ihre Persona keinen Schaden machen konnte, dann würde sie sich eben auf ihren Bogen und ihre Heilskills verlassen. Diese würde sie auch brauchen, denn der Shadow hatte sich wieder vom Boden aufgerappelt und schüttelte sich kurz. „Die Dunkelheit wird euer Ende sein!“, fauchte das Schattenwesen und stieß alle seine acht Beine in den Boden, bevor er begann, einen schwarzen Nebel auf den Boden vor ihm zu hoch zu würgen, der sich sofort im ganzen Raum ausbreitete. „Fuck, was ist das denn jetzt? Seid ihr noch da?“, zischte Luca leise und versuchte, in der absoluten Dunkelheit irgendwas zu erkennen, als er hinter sich die Stimme von Haruka hörte: „Ich bin noch da, aber ich kann absolut nichts erkennen.“ „Seid bloß vorsichtig, er wird versuchen, uns aus dem Nebel heraus anzugreifen“, warnte Aiden seine Freunde vor und hielt sein Schwert schützend vor sich, bevor er Rigel beschwor und einen Windstoß in den Nebel abfeuerte. Zu seinem Ärgernis wurde die schwarze Masse zwar etwas zerstreut, allerdings war sie so dicht, dass es nicht wirklich half. Als er einen weiteren Versuch wagen wollte, konnte er Luca leise murmeln hören: „Wie will er uns angreifen? Der sieht doch auch nichts... Argh!“   Sofort fuhr die Gruppe herum, als der Schmerzensschrei des Spaniers durch den Raum hallte, doch leider konnte die Gruppe immer noch nichts erkennen. Kurz darauf lichtete sich der Nebel und zeigte Luca, der zusammengekauert am Boden hockte, zitterte und sich die Seite hielt. Er keuchte schwer, doch rührte er sich bis auf das Zittern hin und wieder nicht. „Luca, ist alles okay?“, fragte Aiden, der sich besorgt neben seinen besten Freund kniete, während die Mädchen den Shadow wieder unter Beschuss nahmen. Der Fußballer keuchte immer mehr und sah aus dem Augenwinkel zur Seite: „T-tut mir leid, Amigo, er hat mich erwischt. Ich kann mich nicht mehr bewegen.“ „Verdammt. Mirai, versuch ihn irgendwie in Sicherheit zu bringen“, bat der Braunhaarige sein letztes Teammitglied, die nickte und ihren Kollegen vorsichtig beiseite zog. Der Anführer packte wieder seine Waffe und stürmte auf den Skorpion zu, dem er einen Schlag in die Seite verpasste. Dieser Treffer warf den Shadow kurz um, allerdings erholte er sich schnell wieder. Nun stand der Braunhaarige dem Shadow im Nahkampf alleine gegenüber, weshalb er mehr damit beschäftigt war, den riesigen Scheren und dem Schwanz auszuweichen, als selbst anzugreifen. Haruka und Miyuki schossen immer wieder auf ihren Gegner, doch standen beide bald vor einem Problem: Ihre Munition ging zur Neige. Bei den kleineren Shadows hatten sie zwischen den Kämpfen genug Zeit, um ihre Munition wieder aufzusammeln, doch jetzt sah das leider anderes aus. Wenn sie die Pfeile und Bolzen wiederhaben wollten, mussten sie an ihren Gegner heran und das würde sie in Gefahr bringen. Um ihre Bolzen zu sparen, ließ Mirai Spica einen weiteren Blitz in den Skorpion einfahren, der in zusammenbrechen ließ. Sofort gingen die Persona-User wieder zum Angriff über, was dem Shadow einigen Schaden zufügte, bis er sich wieder aufrichten konnte.   Mit einem Schwinger seines Schweifes brachte der Skorpion Aiden wieder auf Abstand, bevor er erneut die Füße in den Boden rammte und den schwarzen Nebel hoch würgte. Mirai stand mit Luca etwas abseits und knirschte mit den Zähnen, als sie befürchtete, was ihren Freunden blühte. Aiden versuchte, etwas zu sehen, doch leider konnte er den nächsten Angriff des Skorpions nicht verhindern und kurz darauf stieß Miyuki einen schmerzerfüllten Schrei aus. Erschrocken fuhr Haruka herum und starrte in den Nebel, der kurz darauf verschwand und Miyuki zeigte, die zitternd am Boden lag und leicht würgte. „Ich werde jeden von euch langsam töten! Dann werdet ihr sehen, wie es ist, wenn auf euch herabgesehen wird!“, fauchte der Shadow und sah auf seine beiden letzten Gegner, die sich beunruhigt ihrem Gegner zuwandten. „Setsuna, bitte hör auf damit“, flehte Haruka und umklammert ihre Armbrust, doch zeigte der Shadow auf ihr Flehen keinerlei Reaktion. Aiden hielt das Schwert fest und ging wieder in den Nahkampf, um wenigstens etwas Schaden zu verursachen und auch, um den Skorpion so von Haruka und der bewegungsunfähigen Miyuki fernzuhalten.   Währenddessen saß Mirai immer noch zähneknirschend an der Seite und verfluchte sich dafür, nicht kämpfen zu können. Allerdings war ihr in dem Kampf etwas aufgefallen, was sie stutzig gemacht hatte. Der Shadow konnte mit seiner Attacke jeden von ihnen ohne große Mühe lahmlegen, also warum tat er es nicht erneut? Sie versuchte, sich den Kampf noch einmal genau durch den Kopf gehen zu lassen, als sie die Lösung hatte. Beide Male, als der Angriff gekommen war, war er auf eine der Blitzattacken von Haruka gefolgt. Sie wollte die Brünette schon davon abhalten, ihre Aktion zu wiederholen, doch hatte die Mechanikerin bereits einen dritten Blitz auf ihren Gegner krachen lassen. Jetzt erkannte Mirai auch, was der Auslöser war: Der Schwanz des Skorpions war mit einem Adapter verbunden, der durch den Blitz in Gang gesetzt wurde. Leider konnte sie nichts tun und musste wieder zusehen, wie der Shadow den Nebel erzeugte und ihre beiden Freunde einhüllte. Aiden sah sich zum dritten Mal dieser undurchdringlichen Wand gegenüber und ihm war klar, dass es dieses Mal ihn oder Haruka treffen würde. Er musste etwas tun, doch wollte ihm nichts einfallen, mit dem er hier einen Erfolg würde erzielen können. Er sah nichts und Rigels Attacke hatte nicht gereicht, um den Nebel zu zerstreuen. Seine einzige Hoffnung war, dass Rigel zu schwach gewesen war und eine stärkere Persona helfen konnte.   Er horchte in sich hinein und fokussierte sich auf die Persona, die er vor dem Kampf durch die Fusion erhalten hatte. Das war seine einzige Chance und er würde nichts unversucht lassen, um wenigstens Haruka zu schützen. Er zog den Evoker und drückte ohne zu zögern ab, woraufhin sich im Dunkeln seine neue Persona manifestierte, die ein lautes Brüllen ausstieß und dann einen Tornado erzeugte, der sowohl den Nebel, als auch den herannahenden Skorpionschwanz wegstieß. Mirai und Haruka starrten mit großen Augen zu Aiden, über dem ein blauer, asiatischer Drache mit zwei langen, weißen Hörnern schwebte. „Noch einmal zieht dieser miese Trick nicht bei mir! Seiryu, los!“, feuerte der Braunhaarige den Drachen an, der sich in die Luft schwang und einen Windstoß erzeugte, der den Skorpion regelrecht an die Decke des Raumes schleuderte. Haruka und Aiden nutzten diesen Moment der Schwäche aus, um Miyuki in Sicherheit zu bringen und sich dann wieder in Angriffsposition zu bringen. „Du hast den Angriff abgewehrt, Kurosaki-kun, aber... wie lange halten wir noch durch?“, verlor die Brünette langsam den Mut, doch blieb ihr Anführer zuversichtlich: „Wir haben einstecken müssen, aber schau ihn dir genau an. Er hat auch einiges abbekommen und wenn wir es richtig machen, können wir ihn beim nächsten Mal besiegen.“ „Wenn er den Nebel einsetzt, habt ihr die Chance ihn anzugreifen! Er bewegt sich dann nicht!“, rief Mirai ihren Freunden zu und noch bevor Haruka einwerfen konnte, dass sie diesen Angriff nicht vorhersagen konnten, fügte die Silberhaarige noch etwas hinzu: „Er macht die Attacke immer dann, wenn er von einem Blitzangriff getroffen wurde. Also los, Haruka greif an, dann kann Aiden ihm den Rest geben!“   Die Brünette schien sich bei diesem Plan nicht sicher zu sein, doch Aiden trat bereits einen Schritt vor und packte den Evoker: „Das wird der letzte Angriff. Haruka, ich zähl auf dich!“ Völlig überrascht sah die junge Frau ihren Schwarm an, denn er hatte sie noch nie bei ihrem Vornamen genannt, doch reichte das aus, um sie zu motivieren: „Ich lass dich nicht im Stich. Spica, los geht’s!“ Die Cyborg-Dame erschien und ließ erneut einen krachenden Blitz in ihren Gegner einschlagen, woraufhin der Skorpion zusammenbrach und von Windstößen des blauen Drachen eingedeckt wurde. Mit einem zornigen Zischen erhob sich der Skorpion wankend und begann, wie von Mirai vorausgesagt, die nächste Nebelwand zu erzeugen. Mit festem Griff packte Aiden den Evoker und setzte ihn sich an die Schläfe: „Entweder du brichst ab und weichst jetzt aus oder du frisst den Hieb! Rigel, mach ihn alle!“ Durch den Nebel konnte er zwar wieder nichts sehen, aber das brauchte er auch nicht. Er wusste genau, wo sein Gegner stand und auf diesen schoss die Persona mit gezücktem Speer zu. Shadow-Setsuna war so mit dem auswürgen des Nebels beschäftigt, dass er die Persona nicht kommen sah und von ihr regelrecht durchbohrt wurde. Mit einem lauten Schrei ging der Shadow zu Boden, wo er von einer schwarz-roten Wolke eingeschlossen wurde. Zeitgleich löste sich der Nebel um die Gruppe auf und gab den Blick auf die menschliche Shadow-Version von Setsuna frei, die regungslos am Boden lag.   Kaum war der Skorpion verschwunden, stürzte Luca zu Boden und schien sich plötzlich wieder bewegen zu können. Während der Braunhaarige sich wieder aufrappelte, erhob sich auch Miyuki, die sich immer noch die schmerzende Seite rieb und sich leicht desorientiert umsah. Haruka verlor keine Zeit und rannte auf das Kreuz zu, von dem er echte Setsuna zu Boden gefallen war. „Setsuna, bist du okay?“, rief die Brünette und half dem Jüngeren dabei, sich aufzusetzen, wobei dieser schwer atmete und sich leicht gehetzt umsah: „W-was war das?“ „Es ist okay, es ist vorbei. Dir kann nichts passieren“, versuchte Haruka den Jungen zu beruhigen, der die junge Frau einen Moment verdutzt ansah, dann aber den Blick abwandte und zu Boden sah. Besorgt sah die Schülerin ihren Bekannten an, doch schob dieser sie einfach weg und stand mit zitternden Beinen auf: „I-ich komme schon klar.“ Leicht besorgt erhob sich Haruka aus ihrer hockenden Position und sah den Jungen traurig an, während der Rest der Gruppe dazu stieß. Mirai verschränkte die Arme vor der Brust und musterte den Jungen streng, bevor sie das Wort ergriff: „Meinst du nicht, dass du Haruka etwas sagen solltest?“   „Mirai, es ist okay. Ich habe es verdient, dass er wütend auf mich ist“, hielt die Brünette ihre Freundin zurück, bevor sie wieder zu dem Jüngeren schaute, der leise zu sprechen begann: „Wie viel von diesem Gespräch habt ihr gehört?“ Die Gruppe warf sich einen Blick zu und schien sich stumm zu beratschlagen, wie viel sie jetzt preisgeben sollten, als Aiden die Entscheidung übernahm: „Dein Verhalten in dem Gespräch mit deinem Shadow hat nur bestätigt, was wir bereits über dich wissen. Du bist extrem kindisch und uneinsichtig.“ „Ich bin nicht...!“, setzte Setsuna an, doch schnitt Luca ihm das Wort ab: „Was ist denn so schlimm daran, dass du kindisch bist?“ Ertappt erstarrte der Junge förmlich und sah die Älteren an, von denen Aiden eine leichte Handgeste machte und seinem Freund damit signalisierte, dass er ihm das reden überlassen würde: „Pass mal auf, Knirps: Keiner von uns wird jetzt hier anfangen, dich zu bemitleiden. Es mag zwar scheiße sein, wie die anderen dich behandelt haben, aber es ändert deine Situation nicht, wenn wir dich mit Mitleid überhäufen.“ „W-Was wisst ihr schon über mich?“, stammelte der Weißblauhaarige, woraufhin Luca sich seine Hellebarde quer über die Schultern legte und die Augen schloss: „So einiges. Wir wissen, dass du in der Schule mit Mobbing zu kämpfen hast, weil du noch auf Actionfiguren und so etwas stehst und du gewaltsam versuchst, dass loszuwerden.“ Auf diese Aussage wich Setsuna sämtliche Farbe aus dem Gesicht, allerdings verriet es der Gruppe, dass es so war, wie sie sich zusammengereimt hatten.   „Ich kann mir denken, dass es hart für dich ist, dass wir dir das jetzt so ins Gesicht hauen, aber wir wollen dir nur helfen“, ergriff nun Miyuki das Wort und deutete dann auf den Shadow, der mittlerweile im Schneidersitz auf dem Boden hockte und die Gruppe abwartend ansah: „Siehst du ihn? Das ist ein Teil deiner Persönlichkeit, den du krampfhaft zu unterdrücken versuchst.“ Mehr als ein leises, unverständliches Stammeln brachte der Junge nicht zustande und vermied es vehement, die Gruppe anzusehen. Was die anderen aber bemerkten, waren die Tränen, die von Setsunas Gesicht auf den Boden tropften. Aiden konnte nicht anders, als Mitleid mit ihm zu haben. Er war mental noch ein Kind und war von den Leuten in seinem Umfeld in diese mentale Hölle geschickt worden, die ihn fast komplett zerbrochen hatte. Natürlich ging es vielen Leuten so, das war dem Braunhaarigen bewusst, doch nicht alle Leute hatten die mentale Stärke, um das zu überstehen. Setsuna hatte sie offensichtlich nicht.   „Ich will, dass du uns jetzt aufmerksam zuhörst, Setsuna“, ergriff Aiden wieder das Wort und entlockte der Gruppe und dem Opfer einen erstaunten Blick, da er den Vornamen des Jungen benutzt hatte: „Natürlich ist es schlimm, was andere Leute mit dir gemacht haben, aber du darfst deshalb nicht verleugnen, was du bist. Deine Mutter, dein Vater und auch Haruka, sie alle kennen dich und wissen, wie du bist. Bestimmt sind sie traurig, wenn du plötzlich anfängst, sie deswegen anzumeckern, weil sie dir helfen wollen. Du bist kindisch, na und? Du bist erst 15, Setsuna. Du bist ein Kind! Glaub mir, du wirst noch schneller erwachsen werden, als dir lieb ist und musst dich dann mit total blöden und langweiligen Sachen rumschlagen.“ „Aiden-kun hat Recht. Du bist noch jung, also genieße das, was dir Spaß macht und hör nicht auf das, was andere denken. Das sind alles nur Leute, die mit ihrem eigenen Leben unzufrieden sind und deshalb auf anderen rumtrampeln. Du solltest dich nicht für andere verbiegen“, tat nun auch Miyuki ihre Meinung kund und sah den Jüngeren mit traurigem Blick an, der nicht fassen konnte, was er hier zu hören bekam.   Setsuna biss sich auf die Unterlippe und schniefte leise, bevor er den Kopf hängen ließ und schluchzte: „Ich... Ich hatte es einfach so satt... Natürlich waren Mama und Papa für mich da, aber... Die Schule war einfach die Hölle. Ich wollte nicht alleine sein und ausgegrenzt werden. Ich bin so erbärmlich... Ich habe Mama und auch Haruka-nee angeschrien, bloß weil ich mit mir selbst nicht zufrieden war. Wie kann ich jemals um Vergebung bitten?“ „Wer sagt, dass du eine große Entschuldigung bringen musst? Die Leute, die du genannt hast, waren immer für dich da und nichts würde sie glücklicher machen, als dein wahres Ich wiederzusehen“, ergriff nun Shadow-Setsuna das Wort und erhob sich, um vor sein Ebenbild zu treten: „Öffne einfach deine Augen und sieh, was vor dir liegt. Diese Leute, auch Haruka-nee, die du in einem kindischen Anfall angeschrien hast sind hier, um dir zu helfen. Was sagt dir das?“ Fassungslos sah der Schüler zu der Brünetten und wusste nicht, was er tun sollte, bevor es aus ihm herausbrach und er sich weinend an Haruka klammerte: „Es tut mir so leid, Onee-san! Ich war nur so wütend, aber ich wollte dich nie anschreien. Es tut mir so leid!“ Die Brünette zögerte keine Sekunde, bevor sie die Umarmung erwiderte und Setsuna den Rücken tätschelte: „Ich war dir nie böse. Versprich mir nur, dass du mir in Zukunft erzählst, wenn du Probleme hast. Wenn du diese nicht alleine bewältigen kannst, dann stehe ich dir bei.“ „Nicht nur du, Tenno-chan. Wir alle stehen hinter dir, Kurzer“, grinste Luca und legte Aiden dabei einen Arm um die Schulter um zu symbolisieren, dass sie alle damit gemeint waren.   „Danke, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“, schluchzte der Junge weiter und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen, als Mirai auf den Shadow deutete: „Uns musst du nichts sagen, aber ihm schon.“ Mit einem zaghaften Nicken trat Setsuna seinem Shadow gegenüber, doch tat er sich schwer, diesem in die Augen zu sehen: „Ich weiß nicht, wie das geht, aber... Entschuldige, dass ich mich so kindisch verhalten habe. Du wolltest mir nur helfen.“ „Du begreifst es immer noch nicht, was? Du sollst dich kindisch verhalten, weil wir beide nun einmal so sind. Ich will nur nicht, dass du anfängst, dich krampfhaft zu verstellen. Wenn wir uns irgendwann ändern, weil wir älter werden, dann ist es so, aber im Moment sind wir einfach zwei kleine Knirpse, die gerne mit Figuren spielen“, grinste der Shadow und lachte dabei laut auf, was auch dem echten Setsuna ein Lächeln abverlangte: „Ich hoffe, ich kann irgendwann so stark sein wie du. Vielen Dank... Antares.“   Als der Name fiel begann der Junge mit den gelben Augen zu leuchten und wurde kurz darauf von dem Licht komplett eingehüllt. Kurz darauf schwebte eine große Person über dem Jungen, die in einen schwarzen Ganzkörperanzug mit eisblauen Streifen gekleidet war. Sein Kopf steckte in einem geschlossenen Helm, dessen silbernes Visier die Form eines Skorpions hatte. Die linke Hand des Wesens war eine Skorpionschere und in der rechten hielt er eine echte Version von Setsunas Spielzeugschwert. Abgerundet wurde das Kostüm durch einen hüftlangen Umhang, unter dem zwei mechanische Skorpionschwänze herauslugten und links und rechts seinen Körper flankierten. Für einen Moment sahen sich Setsuna und seine Persona an, bevor letztere eine Kampfpose einnahm und sich dann auflöste. Haruka trat neben Setsuna und legte ihm lächelnd eine Hand auf die Schulter.   Der Rest der Gruppe stand etwas abseits, wobei Luca ein langes Gähnen ausstieß: „Man, Leute, ich bin erledigt, aber ich bin froh, dass es vorbei ist.“ „Ja und es passt irgendwie, dass Akutagawa-kuns Persona wie ein Superheld aussieht“, grinste Miyuki und rieb sich immer noch die Seite, was Aiden etwas beunruhigte: „Geht es euch beiden wirklich gut? Der Stich sah übel aus.“ „Passt schon, Amigo, ich will nur noch in mein Bett“, murmelte der Spanier und machte sich auf den Weg zur Tür, was Miyuki, Haruka und Setsuna ihm gleichtaten. Aiden blieb mit Mirai kurz zurück und grinste die Silberhaarige an: „Danke, Mirai, wenn du nicht gewesen wärst, hätten wir alt ausgesehen.“ „Ich habe nicht wirklich was getan...“, brummte die junge Frau und folgte ihrem Team, was den Anführer leicht das Gesicht verziehen ließ: „Ich glaube, du unterschätzt die Hilfe, die du für uns bist, Mirai.“   ~~~Montag 06. Juni 2016~~~ ~~~Iwatodai~~~   Langsam kam ein Gruppenmitglied nach dem anderen durch das Portal und atmete erleichtert aus, denn hier waren sie endlich in Sicherheit. Luca wollte die Mission bereits für beendet erklären, doch gab es noch etwas zu tun: Setsuna nach Hause bringen. Um Luca und Miyuki die Ruhe zu gönnen, die sie dringend brauchen würden, übernahmen Aiden und Haruka die Aufgabe, den Jungen nach Hause zu eskortieren, was sie auch so schnell wie möglich erledigen wollten Zu dritt gingen sie durch die Straßen, bis sie zu der Straße kamen, in der Setsunas Haus stand. „Na komm, deine Eltern warten schon auf dich. Wir bleiben hier und warten, bis du sicher im Haus bist“, erklärte Aiden das weitere Vorgehen, was den Jungen beunruhigte: „Warum kommt ihr nicht mit?“ „Es würde seltsam aussehen und uns in Schwierigkeiten bringen, wenn wir mit einem Jungen auftauchen, der seit zwei Wochen vermisst wird“, gab Haruka Antwort und entlockte dem Jüngeren einen panischen Laut: „Zwei Wochen?“ Die Erkenntnis traf den Schüler schwer, doch torkelte er langsam auf das Haus zu und ging zur Haustür, wo er an die Tür klopfte.   Aiden und Haruka standen an der Straßenecke im Dunkeln und warteten geduldig, wobei sie hören konnten, wie Setsuna etwas sagte: „Papa, ich bin es. Machst du bitte die Tür auf?“ Die beiden Schüler konnten sehen, wie die Tür regelrecht aufgerissen wurde und ihr Lehrer ins Freie trat: „Oh mein Gott, Setsuna! Shiori, komm schnell! Setsuna ist wieder da!“ „Gott sei Dank ist er jetzt in Sicherheit“, murmelte Haruka und beobachtete, wie nun auch die Mutter aus dem Haus kam und Setsuna stürmisch in die Arme schloss. Mit einem leichten Schulterklopfer gab Aiden seiner Teamkollegin zu verstehen, dass es für sie Zeit war zu gehen. Noch einmal sah die Brünette auf die vereinte Familie, bevor sie Aiden in Richtung Wohnheim folgte.   Kapitel 38: XXXVIII - Erwischt ------------------------------ ~~~Montag 06. Juni 2016~~~   Der heutige Schultag hatte die Persona-User an die Grenzen ihrer mentalen Kapazität gebracht, denn sie alle hatten Schwierigkeiten, sich auf den Stoff zu konzentrieren. Mehrere Male bekamen Aiden und Miyuki böse Blicke ihrer Lehrer zugeworfen, doch schafften sie es irgendwie, nicht einzuschlafen. Die Pause hatten die Schüler statt mit essen mit schlafen verbracht, was fast dazu geführt hatte, dass sie fast den Nachmittagsunterricht verschlafen hätten. Zum Glück war es nicht so weit gekommen, allerdings mussten sie sich nun hungrig durch den Unterricht quälen. Natürlich war das ständige Magenknurren der beiden Schüler nicht unbemerkt geblieben, allerdings sagte keiner etwas, bis es endlich zum Ende des Tages läutete. Während der Großteil der Schüler den Saal verließ, machten einige ein paar stichelnde Bemerkungen gegen die beiden Persona-User, was Aiden so gut es ging ignorierte.   Mit müdem Blick trat Miyuki aus der Klasse und gähnte ausgiebig, bevor sie ihre Tasche an sich drückte: „Ich will nicht in den Club, aber wenn ich wieder schwänze, wird Katō-senpai mich vermutlich rauswerfen.“ „Ich weiß, wie es dir geht, ich will auch nicht zum Kendo“, murmelte der Braunhaarige, als ihm jemand auf die Schulter tippte. Neugierig drehte sich Aiden um und stand einem seiner Kendo-Kollegen gegenüber, der allerdings nervös von einem Fuß auf den anderen trat und seinem Blick auswich: „Hey, Kurosaki, ähm... Munemasa-senpai möchte, dass du sofort in die Halle kommst.“ „Warum denn? Ist was passiert?“, fragte er nach und hatte irgendwie ein komisches Gefühl in der Magengegend, doch bekam er keine direkte Antwort, da sein Kollege sich nur nervös im Nacken kratzte: „Das wirst du dann sehen. Komm bitte einfach, okay?“ Damit lief der Schüler wieder davon und ließ Aiden mit Miyuki alleine, von denen Letztere nervös dreinschaute: „Hast du was angestellt, Aiden?“ „Eigentlich nicht. Ist Munemasa-senpai sauer, dass ich letzten Freitag geschwänzt habe? Ich sollte nachsehen gehen. Bis später, Miyuki“, verabschiedete sich Aiden von seiner Freundin und eilte zum Sportkomplex, um seinen Senpai nicht unnötig warten zu lassen.   Er wollte gerade in die Umkleide gehen und sich umziehen, als zwei seiner Club-Mitglieder ihn vorsichtig zu sich winkten. Mit fragendem Blick betrat Aiden die Halle und sah das, was den ganzen Tumult ausgelöst hatte: Sakura. Die Rosahaarige stand vor Masao, einem jungen Mann mit braunen Haaren und einem etwas kleineren Schüler mit schwarz-violettem Haar und Brille, der einen Block in der Hand hielt. Der Club-Kapitän fuhr sich mit der Hand durch die Haare und fixierte die Rosahaarige mit traurigem Blick: „Hast du etwas zu sagen, Nozaki?“ Sakura sah aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen, doch brachte sie keinen Ton heraus, weshalb der Brillenträger sich einmischte: „Du musst einen Insider gehabt haben, sonst hättest du die Anmeldung für den Club nicht fälschen können.“ „Nozaki, sag was dazu“, forderte Masao die junge Frau auf, doch kämpfte diese um ihre Fassung, was den Lilahaarigen traurig seufzen ließ: „Wenn du nichts sagst, kann ich es nicht ändern. Du bist raus aus dem Club, Nozaki... Und das wird leider noch weitere Konsequenzen für dich haben…“   „Was? Senpai, warte einen Moment!“, mischte sich nun Aiden ein und schob sich nach vorne, bis er sich zwischen Sakura und Masao stellen konnte: „Warum schmeißt du sie raus? Nozaki ist eine der besten Kendoka, die wir haben und das weißt du auch!“ „Das was ich weiß und das, was gegen die Regeln ist, sind zwei Dinge, Kurosaki“, murmelte der Ältere leise und sah zu der Rosahaarigen, die sich kurz an Aidens Rücken drückte. Erschrocken sah der Braunhaarige nach hinten, da Sakura ihre Stimme wiedergefunden hatte, wobei diese sehr brüchig war: „Du musst mich nicht in Schutz nehmen... Das bin ich nicht wert. Aber... Danke für alles.“ Das Letzte hatte sie nur noch so leise gesagt, dass lediglich Aiden es verstehen konnte und als der Druck von seinem Rücken verschwand, drehte er sich schnell um. Leider sah er nur noch, wie die Rosahaarige in Tränen aufgelöst aus der Halle rannte. Dieses Bild zerriss Aiden fast das Herz, allerdings machte das warme Gefühl, welches sich in dem Moment in seiner Brust ausbreitete die Situation nur noch schlimmer für ihn. Er ballte wütend die Faust und biss die Zähne zusammen, als ihm jemand eine Hand auf die Schulter legte: „Komm mit.“   Mit zornigem Blick sah Aiden seinem Kapitän nach, der ins Büro des zuständigen Lehrers ging und ihn zu sich winkte. Am liebsten hätte der Braunhaarige jetzt laut aufgeschrien, doch schluckte er seinen Ärger herunter und folgte dem Lilahaarigen. Nachdem er das Büro betreten hatte, schloss Masao die Tür und lehnte sich mit verschränkten Armen an einen Schrank. Eine Moment sahen die beiden sich nur an, bevor der Ältere die Augen schloss und seufzte: „Hast du mir etwas zu sagen, Kurosaki?“ „Warum wird Nozaki aus dem Club geworfen? Was ist denn falsch daran, dass sie Kendo macht?“, beschwerte sich der Oberschüler und starrte seinen Senpai an, der sich die Nasenwurzel rieb und dann zu einer Antwort ansetzte: „Das Problem ist, dass die Regeln der Schule es Mädchen verbieten, einen so gefährlichen Sport auszuüben. Als Manager helfen ist kein Problem, aber selbst ausüben ist nicht drin.“ „Das ist doch absolut bescheuert! Du weißt genauso gut wie ich, dass Nozaki jeden von uns fertig machen könnte!“, ließ Aiden seiner Wut freien Lauf, doch schüttelte Masao nur den Kopf: „Das ist mir durchaus klar, aber es ändert dennoch nicht die Schulregeln. Ich gebe dir jetzt eine Chance, mir im Bezug auf den Spannervorfall und die Sache mit Nozaki die Wahrheit zu sagen. Du bist der Schuldige gewesen, oder?“   Frustriert biss Aiden die Zähne zusammen, doch half es nichts, die Sache jetzt noch länger zu verschweigen, weshalb er nach kurzem Zögern gestand, was damals passiert war. Zu seiner Überraschung hörte Masao ihm ruhig und aufmerksam zu, bis er geendet hatte und sich nun in Schweigen hüllte. „Du hast also lediglich durch Zufall rausgefunden, dass Nozaki ein Mädchen ist und hast nichts gesagt, weil du es ihr zum einen versprochen hast und zum anderen, weil du dich selbst an den Pranger gestellt hättest. Korrekt?“ „Ja. Es tut mir leid, dass ich dich angelogen habe, aber ich fand es nicht fair, dass sie benachteiligt wird, nur weil sie ein Mädchen ist!“, rechtfertigte sich der Braunhaarige weiter und erntete dafür einen traurigen Blick: „Glaubst du wirklich, dass mir das nicht klar ist? Natürlich ist es dumm, aber als Clubkapitän trage ich die Verantwortung für meine Mitglieder und muss dafür sorgen, dass die Regeln eingehalten werden. Amada hat eben die Unterlagen gebracht, die deine und Nozakis Strafen betreffen.“ Sofort wich dem Braunhaarigen sämtliche Farbe aus dem Gesicht, als Masao leise seufzte und das Papier hervorholte: „Du hast mehrere Schulregel gebrochen, du hast mich angelogen und du hast wissentlich die Gesundheit einer Mitschülerin aufs Spiel gesetzt. Nozaki hat ebenfalls eine Schulregel gebrochen und dazu noch Unterlagen gefälscht. Die Lehrer werden darüber bei der nächsten Versammlung entscheiden, aber bis dahin... seid ihr beide vom Unterricht suspendiert.“   Fassungslos starrte Aiden Masao an, der dem Blick des Braunhaarigen auswich und anschließend das Papier in seiner Hand zerknüllte: „Es mag dir zwar schwerfallen, dass zu glauben, aber... Auch wenn ich dich hier bestrafen muss, hast du meinen größten Respekt als Person, dass du dich so für deine Kameraden einsetzt. Ich versuche, dir irgendwie zu helfen, aber für jetzt musst du gehen. Es tut mir leid, dass ich im Moment nicht mehr für euch tun kann, Kurosaki.“ Immer noch völlig geschockt biss sich Aiden auf die Unterlippe, bevor er kaum merklich nickte und zur Tür ging. Masaos Aussage, dass es ihm leidtat, nahm er kaum noch wahr, ebenso wie das warme Gefühl in seiner Brust, welches sich bereits zum zweiten Mal heute zeigte. Jetzt gab es nichts mehr, was ihn hielt, weshalb er die Tür des Büros aufstieß, dabei mehrere seiner Teamkollegen umwarf und aus der Halle stürmte. Er rannte aus der Schule und wollte einfach nur noch weg, denn heute war der mit Abstand schlimmste Tag in seinem Leben. Auch wenn es ihm schlecht ging, so machte er sich momentan am meisten Sorgen um Sakura, doch war diese vermutlich schon längst auf dem Heimweg. Ihm war einfach nur nach Heulen zumute, doch wollte er unter keinen Umständen in der Öffentlichkeit für eine Szene sorgen, weshalb er krampfhaft die Tränen unterdrückte und sich auf den Weg zum Bahnhof machte. Heute wollte er einfach nichts und niemanden mehr sehen.   ~~~Dienstag 07. Juni 2016~~~   Mit schlechter Laune lag Aiden auf seinem Bett und starrte im Dunkeln an die Decke. Durch seine Suspendierung hatte er heute vermutlich nichts zu tun, allerdings hatte er auch nicht wirklich Lust auf irgendwas. Es tat ihm schon ein bisschen leid, dass er das Klopfen von Miyuki und Haruka ignoriert hatte, doch wollte er seine Freunde nicht in seine Probleme mit hineinziehen. Sie alle hatten genug mit ihrem eigenen Kram zu tun. Kiara saß neben ihm auf seinem Bett und warf ihm einen fragenden Blick zu, denn das Tier hatte mittlerweile einen festen Rhythmus, was die Woche anging. Normalerweise hatte sie um diese Zeit schon längst ihr Futter gehabt und Aiden war weg, doch heute war er immer noch da. Mit einem leisen Maunzen tippte die Katze ihr Herrchen nun mit der Pfote an, woraufhin dieser ihr den Blick zuwandte. Wieder gab sie einen auffordernden Laut von sich, weshalb Aiden sich aufsetzte und ihr über den Kopf strich: „Du hast Hunger, nicht wahr? Tut mir leid, dass du so lange gewartet hast. Na komm.“ Damit hob er seine Katze hoch und verließ sein Zimmer, um für sie beide in der Küche Frühstück zu machen.   Kurz darauf saß er an der Arbeitsplatte, die man provisorisch auch als Tisch verwenden konnte und stocherte lustlos in seinem Essen herum, während Kiara ihres förmlich verschlang. Es war nur eine Frage der Zeit, bis seine Eltern davon Wind bekommen würden und dann hatte er noch viel mehr Ärger am Hals. Ein trauriger Seufzer entwich seiner Kehle, als er von einer weiblichen Stimme angesprochen wurde: „Wenn du dein Frühstück nicht willst, dann esse ich es.“ Leicht erschrocken hob er den Kopf und sah sich Mirai gegenüber, welche sich einfach seinen Teller schnappte und sich etwas von dem Rührei in den Mund schob: „Was ist? Vergessen, dass ich hier wohne?“ Schnell schüttelte der Braunhaarige den Kopf und sah auf seinen Schoß, wobei er wirklich nicht mehr daran gedacht hatte, dass sie hier war. Er vermied es, die Silberhaarige anzusehen, wobei er allerdings ganz genau spüren konnte, wie sie ihn mit festem Blick ansah. Als ihn etwas am Bein berührte, zuckte er wieder zusammen, doch war es dieses Mal nur Kako, die ihm den Kopf auf das Bein gelegt hatte und ihn mit treuen Augen ansah. Vorsichtig strich er der Hündin über den Kopf, als Mirai wieder das Wort ergriff: „Also, hat es einen Grund, dass du immer noch hier bist? Du schwänzt doch nicht etwa?“ Auf die Frage bekam sie erst nur einen verstimmten Laut zu hören, bevor ihr Gesprächspartner sich zu einer richtigen Antwort herabließ: „Ich bin von der Schule suspendiert.“ „Warum das denn? Hast du was angestellt? Die anderen haben nichts davon erwähnt“, hakte die Silberhaarige skeptisch nach und verspeiste den Rest des Rühreis, als Aiden ihr die ganze Situation schilderte.   Als er geendet hatte, strich sie sich durch den Pony und setzte sich neben ihn: „Das ist echt mies. Du hast doch nur versucht, dieser Sakura zu helfen.“ Sie wollte mehr tun, da sie sehen konnte, wie sehr es ihren Freund bedrückte, doch wollten ihr nicht die richtigen Worte einfallen. Als letzten Ausweg nahm sie Aiden in den Arm, was diesen etwas überraschte, doch wusste er die Geste wirklich zu schätzen. „Danke, Mirai“, murmelte er leise, woraufhin sich die Silberhaarige mit leicht geröteten Wangen von ihm löste, sich kurz räusperte und dann wegschaute: „Gern geschehen, aber behalt das bitte für dich, okay?“ „Schon klar. Dennoch danke, dass du mich aufheitern willst“, gab der Braunhaarige zurück, was Mirai leise seufzen ließ: „Tritt es nicht breit, hörst du? Was willst du jetzt machen?“ „Naja, die Woche hier haben die Lehrer wohl wieder eine Versammlung und bis dahin bin suspendiert. Allerdings warte ich momentan eher darauf, dass meine Mutter anruft und mich so sehr zur Sau macht, dass ich den Tag bereue, an dem ich geboren wurde“, erklärte der Persona-User und bettete seinen Kopf auf den überkreuzten Armen. Er dachte einen Moment nach, als Mirai ihm hart gegen den Arm knuffte: „Gott, jetzt guck doch nicht so. Herrje, geh hoch, zieh dich an und dann gehen wir.“ „Wohin?“, fragte er verwirrt nach, was ihm nur eine leicht gereizte Antwort einbrachte, während seine Mitbewohnerin den Raum verließ: „Irgendwohin, wo dir nicht die Decke auf den Kopf fällt!“   Nach einer schnellen Dusche und einem Kleiderwechsel standen Aiden und Mirai mit Kiara, welche auf Aidens Schulter hockte und Kako, welche von Mirai an der Leine gehalten wurde, vor dem Wohnheim. Auf den fragenden Blick des Braunhaarigen erklärte die junge Frau, dass sie einfach einen Spaziergang machen würden, um den Kopf frei zu bekommen. Die Idee kam dem Braunhaarigen eigentlich ganz gelegen, weshalb er mit einem Nicken zustimmte und dann mit Mirai losmarschierte. Kako schien sich darüber zu freuen, dass sie mit den beiden Unterwegs war, denn sie lief immer wieder wild wedelnd um das Duo herum, weshalb Mirai mehr als einmal die Leine lösen und die gefesselten Bein entwirren musste. Nach einer Weile ergriff Aiden das Wort und versuchte, auf ein spezielles Thema einzugehen: „Sag mal, kannst du dich mittlerweile an was neues erinnern?“ „Leider nicht, wobei ich ehrlich gesagt auch nicht damit gerechnet habe, mich an was zu erinnern“, gab sie zurück, was ihr einen fragenden Blick einbrachte: „Du bist doch sonst nicht so negativ. Hast du nicht irgendeine Vermutung? Gab es beim letzten Mal etwas Besonderes, was eine Art Auslöser gewesen sein könnte?“ „Nicht direkt, aber meine letzte Erinnerung kam genau einen Tag, nachdem wir Haruka gerettet hatten. Hat dieses Mal aber anscheinend nicht funktioniert“, erwiderte sie leicht niedergeschlagen und zuckte mit den Achseln. Die Aussage machte Aiden etwas nachdenklich. Natürlich war Mirai erpicht darauf, ihre Erinnerungen zu bekommen, doch war das entschlüsseln ihrer Erinnerungen wirklich so einfach? Er gab ein leises Brummen von sich, während er sich die Nacht damals durch den Kopf gehen ließ, in der er Mirai nach ihrer Erinnerung am Boden liegend gefunden hatte. Gab es vielleicht noch mehr, was sie getan hatte, er allerdings nicht wusste? Er kam auf die Schnelle zu keiner Lösung, weshalb nur seufzend mit dem Kopf schüttelte und sich dann umsah.   Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als sein Magen zu grummeln begann und ihm der Geruch von Takoyaki in die Nase stieg. Jetzt fiel ihm wieder ein, dass er ja nicht gefrühstückt hatte, weshalb er schnell in seiner Tasche nach seinem Geldbeutel kramte. Damit trat er dann an den Verkaufstresen, wo ihn der Verkäufer nach kurzer Zeit bemerkte: „Was darf es sein, der Herr?“ „Eine Portion Takkoyaki bitte. Können Sie mir halb und halb mit Tintenfisch und Champignons machen?“, gab er seine Bestellung auf, was der Standbetreiber mit einem gehobenen Daumen zur Kenntnis nahm, bevor sein Blick auf die Person neben Aiden ging: „Und was darf es für deine Freundin sein?“ „Meine... Freundin?“, murmelte er irritiert, weshalb er den Kopf zur Seite drehte und Mirai entdeckte, die ihre Schulter eng an seine drückte und die Auslage musterte. Dann hob sie den Blick und lächelte den Verkäufer freundlich an: „Machen Sie sich keine Umstände, wir teilen uns die Portion. Nicht wahr, Aiden-kun?“ Dieser süße Ton, den die Silberhaarige drauf hatte, passte absolut gar nicht zu ihr, doch ihr Zwinkern verriet Aiden, dass sie etwas im Schulde führte, was wohl auch funktionierte. Als Aiden seine Portion bekam, waren mehr Kugeln drauf, als normal, was der Verkäufer mit einem Zwinkern erklärte: „Dann lasst es euch schmecken, ihr Beiden.“ Immer noch perplex bezahlte Aiden die Portion, die dennoch den normalen Preis kostete und ließ sich dann von Mirai am Arm mitziehen.   Ein Stück von dem Laden entfernt ergriff Aiden dann das Wort: „Das war echt eine miese Nummer, Mirai.“ „Wieso denn? Ich habe den Mann doch nicht dazu gezwungen, dir ein paar Bällchen extra zu geben. Hey, du hättest dich doch nicht hier irgendwo hingesetzt und die Dinger gefuttert, ohne mir was abzugeben, oder?“, funkelte sie ihren Begleiter böse an, was dieser erst mal nur mit einem langgezogenen „Äh“ beantwortete. „Nein, hätte ich nicht“, murmelte er anschließend mit einem ebenfalls sehr langgezogenen Tonfall, was die Silberhaarige schnauben ließ: „Heuchler, natürlich hättest du das. Aber da ich dir ja ein paar Extra-Takoyaki beschert habe, darfst du mir diese gerne abdrücken.“ „Auch wenn das von dir ziemlich durchtrieben und hinterhältig war, bin ich trotzdem erstaunt, wie schnell du diesen Plan hattest“, gab Aiden zu und setzte sich mit seiner Begleiterin auf eine Bank, um sich das Essen schmecken zu lassen, wobei Mirai sich sofort den ersten Bissen nahm: „Danke für die Blumen.“   Genüsslich verspeisten die beiden ihre Teigbällchen, wobei sie dabei noch von zwei leuchtenden paar Tieraugen angestarrt wurden, die ebenfalls etwas abhaben wollten. Die letzten beiden Bällchen überließen Aiden und Mirai dann auch Kiara und Kako, wobei beide darüber lachen mussten, wie ähnlich sie sich in Bezug auf ihren Vierbeiner waren. Mit einem wohligen Seufzer lehnten sich beide auf der Bank zurück und sahen in den Himmel, wobei jeder seinen eigenen Gedanken nachhing. Irgendwann durchbrach Aiden die Stille und sah zur Seite zu der Silberhaarigen: „Danke, dass du mich mitgenommen hast. Drinnen hätte ich vermutlich einen Lagerkoller bekommen.“ „Keine Ursache, aber wirklich mit deinem Problem helfen konnte ich nicht“, brummte die junge Frau leise und schloss die Augen, woraufhin sich beide wieder in Schweigen hüllten. Die beiden saßen einfach nur still da, bevor sie sich erhoben und langsam auf den Rückweg machten. Aiden war gar nicht aufgefallen, wie lange sie unterwegs gewesen waren, denn es war bereits Nachmittag. Allerdings hatte er auch nicht gewusst, wie lange er in seinem Zimmer gelegen und an die Decke gestarrt hatte. Vermutlich würden dann bald Miyuki und Haruka wieder im Wohnheim ankommen und ihn mit Fragen löchern. Ein Blick auf sein Handy zeigte ihm außerdem gefühlt 50 Nachrichten, sowie einige Anrufe in Abwesenheit von Luca und auch von seinem Vater. Sie wussten also schon Bescheid, was bedeutete, dass ihm heute Abend ein Donnerwetter blühte. Ein Klaps gegen die Schulter ließ ihn aufschauen, als Mirai ihn mit sich winkte und durch die Stadt zum Naganaki Schrein führte.   Auf seinen fragenden Blick hin winkte sie mit der Hand ab: „Da dir sowieso die Exekution blüht, kannst du hier wenigstens etwas versuchen.“ „Und was genau soll das sein?“, gab er skeptisch zurück und bekam ein freches Grinsen als Antwort: „Nun, du kannst rüber gehen und auf den Reaper warten. Du kannst Zen bitten, dich abzuknallen oder, wenn du die langweilige Methode willst, an dem Schrein hier für ein gutes Ende beten.“ Aiden konnte jetzt nicht sagen, ob Mirai das ernst meinte oder sich nur einen Scherz mit ihm erlaubte, allerdings hatte er wirklich keine großartigen Möglichkeiten, weshalb er an den Schrein trat und die Hände zusammenlegte. Eigentlich würde er sich nicht als besonders religiös oder gläubig bezeichnen, aber bei Setsunas Shadow hatte es auch funktioniert, weshalb er den Versuch wenigstens wagen wollte. Was er nicht mitbekam war, dass Mirai das gleiche tat und für sein Glück betete. Nach seinem Gebet seufzte der Braunhaarige auf und steckte die Hände in die Hosentaschen, bevor er sich zum Gehen wandte. Ein lautes Miauen von Kiara ließ ihn zu der Katze schauen, die eine Person fixierte, welche gerade die Stufen zum Schrein hochkam. Erst nach ein paar Sekunden realisierte Aiden, dass es Yui war, die seinen Blick skeptisch erwiderte und sich dann abwandte, um sich auf eine Bank neben dem Spielplatz zu setzen. „Hast du was dagegen, wenn ich kurz zu ihr gehe?“, wandte sich Aiden an Mirai, die fragend eine Augenbraue hob, dann allerdings mit der Hand in Richtung der Brünette deutete: „Tu dir keinen Zwang an.“   Nach einem kurzen Nicken ging Aiden zu der älteren Schülerin, die gerade dabei war, sich ein paar Kopfhörer in die Ohren zu stecken, jedoch leicht den Blick hob, als er näher kam: „Entschuldige bitte, Katō-senpai, hast du einen Moment?“ Seine Frage wurde mit einem giftigen Blick und einem genervten Stöhnen beantwortet, bevor die Brünette ihren Kopfhörer wieder wegpackte: „Lass mich raten, es geht um die Tatsache, dass du suspendiert worden bist, hab ich recht?“ „Du... hast davon gehört?“, murmelte er leise und kratzte sich am Hinterkopf, während Yui die Arme vor der Brust verschränkte: „Ja, ich habe es mitbekommen, weil fast alle Sportclubs darüber sprechen.“ „Ich bin also komplett am Arsch“, gab Aiden traurig von sich und setzte sich neben die Brünette, wobei er den Kopf hängen ließ und auf seine Füße starrte. Zu seinem Erstaunen, reagierte die Frau sogar auf ihn: „Ich bin ganz ehrlich, du bist unter den Mädchen der Sportclubs gerade das Gesprächsthema Nummer eins.“ „Weil ich ein Mädchen beim Umziehen gesehen habe?“, stöhnte der Kendoka auf und spürte schon, wie seine Laune immer tiefer in den Keller sank, als die Bogenschützin den Kopf schüttelte: „Nicht ganz. Die Mädchen glauben, dass das nur ein Versehen von dir war. Vor allem Nobiro hat sich heute... sehr lautstark in der Schule darüber ausgelassen, wie ich gehört habe. Alle Sportlerinnen stehen hinter dir, weil du dich für diese Nozaki eingesetzt hast. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass du trotzdem ein Perversling bist.“   Zwar hatte der Anfang des Satzes seine Laune deutlich gehoben, doch leider ließ der Schluss diese wieder komplett in den Keller sinken: „Bitte, reite nicht darauf herum, Senpai. Es war wirklich ein Versehen. Ich wusste nicht, dass Nozaki in der Umkleide war.“ „Das sagen sie alle“, erwiderte Yui monoton und tippte wieder auf ihrem Handy herum, während Aiden seine Hände knetete und nach einer Lösung suchte. Er brauchte die Hilfe dringend, weshalb er den Kopf hob und zu der Frau schaute: „Katō-senpai, hast du eine Idee, wie ich dieses Problem lösen kann?“ „Du wirst mich vermutlich erst dann in Ruhe lassen, wenn ich dir meine Meinung gesagt habe, oder?“, murrte die junge Frau und packte ihr Handy weg, bevor sie sich aufsetzte und den Kopf zur Seite drehte: „Ich bin ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung, was du tun könntest. Ich war nie in deiner Lage und will es auch nicht sein.“ „Aber angenommen, du hättest das Problem, wie würdest du vorgehen, um es zu lösen?“, wagte der Braunhaarige wieder einen Versuch, der ihm erneut einen genervten Blick einbrachte: „Warum fragst du nicht einfach jemanden, der in der Schule was zu sagen hat, anstatt mir auf die Nerven zu gehen?“ „Wie sollen mir denn die Lehrer helfen? Die werden mich vermutlich komplett von der Schule schmeißen“, erwiderte Aiden traurig und krallte die Hände ineinander, als er die Möglichkeit genannt bekam, die er gar nicht bedacht hatte: „Die Lehrer haben nicht ansatzweise so viel zu sagen, wie du vielleicht glaubst. Oft lassen die sich vom Schülerrat mehr sagen, als ihnen lieb ist. In meiner Grundschulzeit hatte die Schülersprecherin die ganze Lehrerschaft unter Kontrolle. Die Frau war schon irgendwie gruselig.“   „Der Schülerrat? Das könnte klappen, aber ich habe auch keine große Wahl“, sprach er mehr mit sich selbst als zu Yui, die mit den Augen rollte und wieder auf das Display ihres Handys schaute: „Du hast die Wahl, mich in Ruhe zu lassen. Was hältst du davon?“ Auf die Aussage konnte Aiden nicht anders als laut aufzulachen, dennoch erhob er sich und verneigte sich tief: „Da hast du Recht, Senpai und ich habe genug deiner Zeit in Anspruch genommen. Vielen Dank für deinen Rat, du bist mir wirklich eine Hilfe.“ „Mir wäre es lieber, wenn du mir nicht mit deinen Problemen in den Ohren liegen würdest, Kurosaki“, meckerte die Ältere und steckte sich demonstrativ ihre Kopfhörer in die Ohren um das Gespräch zu beenden, als Aiden sich wieder verneigte: „Es tut mir leid, aber dafür schätze ich deinen Rat zu sehr. Vielen Dank, Senpai, ich werde mich irgendwann erkenntlich zeigen.“ Für einen Moment stutzte die junge Frau, doch dann plusterte sie die Wangen auf und starrte auf ihr Handy: „Jetzt zisch endlich ab, Kurosaki!“ Mit einem verlegenen Lacht machte sich Aiden auf den Weg, um mit Mirai zum Wohnheim zugehen. An der Treppe hielt er kurz inne, da sich ein warmes Gefühl in seiner Brust ausbreitete. Mirais fragenden Blick ließ er unbeantwortet und verließ das Schreingelände mit einem etwas besseren Bauchgefühl.   Im Wohnheim angekommen warf sich Mirai direkt auf die Couch und streckte alle viere von sich, während Aiden sie skeptisch musterte: „Bist du so müde?“ „Nein, ich warte darauf, dass du das Abendessen vorbereitest“, grinste Mirai und schloss die Augen, jedoch öffnet sie diese wieder, als Aidens Handy klingelte und er mit einem gequälten Blick auf das Display schaute: „Meine Mama...“ „Dann hopp, lass dich übers Knie legen, dann hast du es hinter dir“, gluckste die Silberhaarige, während der Braunhaarige das Gespräch annahm: „Hey, Mama...“ „Was ist mir da von der Schule zu Ohren gekommen? Du hast ein Mädchen in der Umkleide beobachtet, mehrere Regeln gebrochen und deine Mitschüler in Gefahr gebracht? Aiden, was ist da los bei dir?“, schallte die Stimme von Rin so laut aus dem Handy, dass Kako aufschreckte und das Weite suchte. „Mama, das ist nicht so, wie es dir gesagt wurde“, versuchte er krampfhaft, seine Mutter zu beruhigen, doch war diese offenbar ziemlich schlecht gelaunt: „Das kannst du mir gerne persönlich sagen, mein Lieber. Ich bin in zwei Stunden bei dir. Wenn du Glück hast, kann ich dich vor einem Schulverweis bewahren.“   Rin redete immer weiter, doch bekam Aiden davon fast nichts mit, denn plötzlich begann sein ganzer Körper sich zu verkrampfen. Sein Atem ging immer schneller, bis er plötzlich so starke Kopfschmerzen bekam, dass er auf die Knie fiel. Mirai sprang von der Couch auf und lief zu ihrem Freund, der immer stärker hyperventilierte und sich anscheinend jeden Moment übergab. Auch Rin schien jetzt bemerkt zu haben, dass was nicht stimmte, denn sie fragte immer wieder nach, was los sei, allerdings bekam sie keine Antwort. Was Mirai allerdings Angst machte war die Tatsache, dass Aidens linke Iris plötzlich von seltsamen, gelben Adern durchzogen war. Das Auge schien zu schmerzen, denn Aiden presste sich die Faust auf das linke Auge, ehe er einen lauten Schmerzensschrei ausstieß. Mirai wusste nicht, was sie tun sollte, als Aiden vor ihr auf dem Boden zusammenbrach und sich nicht mehr bewegte. Vor lauter Panik war die Silberhaarige einen Moment wie gelähmt, bevor sie Aidens Handy griff, den Anruf der Mutter abwürgte und den Notruf wählte. Sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte, aber irgendwas musste sie tun.   Kapitel 39: XXXIX - Im Krankenhaus ---------------------------------- ~~~Donnerstag 09. Juni 2016~~~   Ein leises, stetes Piepen drang in Aidens Ohren, doch konnte er nicht zuordnen, woher es kam. Sein Kopf schmerzte furchtbar und er hatte Probleme damit, seine Gedanken zu ordnen. Er versuchte die Augen zu öffnen, doch fühlten sich seine Lieder so an, als wären sie aus Blei. Er versuchte es immer wieder, doch wollte es ihm nicht gelingen, weshalb er es aufgab und versuchte, sich etwas zu entspannen. Die Ruhe im Raum wurde kurz durchbrochen, als er das Öffnen und Schließen einer Tür vernahm, wodurch kurz mehrere Stimmen in sein Ohr drangen. Wo auch immer er momentan war, es war jemand in sein Zimmer gekommen und schritt nun durch den Raum. Er würde zu gerne wissen, wer das war, allerdings fehlte ihm die Kraft, um zu schauen oder sich bemerkbar zu machen. Plötzlich ging die Tür erneut auf und wurde etwas härter geschlossen, woraufhin eine ihm vertraute Stimme erklang: „Was ist denn jetzt mit ihm? Du wirst ja wohl irgendwas zu seinem Zustand sagen können!“ Er brauchte einen Moment, um die Stimme zu erkennen, aber dann war ihm klar, wer dastand: Miyuki. Auf den sehr gereizten Ton der Grünhaarige folgte eine deutlich sanftere, aber auch leicht genervt klingende, weibliche Stimme: „Miyu, um Himmels Willen. Das hier ist ein Krankenhaus, also senke bitte deine Stimme etwas. Wir haben ihn untersucht und wenn du jetzt mal ruhig halten könntest, könnte ich mir die Ergebnisse auch mal anschauen.“ „Hättest du das nicht schon draußen machen können?“, meckerte Miyuki weiter, woraufhin die andere Frau deutlich bestimmter eine Antwort gab: „Du kannst froh sein, dass ich dich nicht schon längst rausgeworfen habe, aber wenn du weiter so laut bist, muss ich dich vom Sicherheitsdienst rausbringen lassen.“   Das Gespräch war Aiden etwas unangenehm, denn er hatte das Gefühl, als sollte er das nicht hören. Was ihm aber am meisten überraschte war, wie seine Mitbewohnerin mit der anderen Frau sprach, denn bisher hatte er noch nie so einen Ton von der Zeichnerin gehört. Die andere Frauenstimme machte einen murrenden Laut, bevor dieser in ein nachdenkliches Summen überging. In der Zeit versuchte der Braunhaarige immer wieder, die Augen zu öffnen, was ihm allerdings nur einen Spalt weit gelang. Das grelle Licht im Zimmer zwang ihn aber sofort wieder dazu, die Augen zu schließen. „Okay, also seine vitalen Körperfunktionen sind alle völlig normal, Leberwerte tadellos, seine Nieren arbeiten perfekt“, murmelte die unbekannte Frauenstimme, woraufhin Miyuki wieder loslegte: „Wenn er also gesund ist, warum ist er dann zusammengebrochen?“ „Miyuki, jetzt sei gefälligst leiser. Wenn wir wüssten, was ihm fehlt, würden wir ihn nicht so lange hierbehalten müssen. Außerdem ist er leider noch nicht aufgewacht“, erklärte die Frau, bei der es sich der letzten Aussage nach um eine Ärztin handeln musste. Er war also im Krankenhaus gelandet. Seine Gedanken gingen aber wieder zu Miyuki, die anscheinend wütend aufstampfte und dabei lauter: „Wozu studierst du eigentlich Medizin, wenn du den Leuten nicht helfen kannst?“ „Es reicht. Raus! Geh nach unten ins Foyer, ich lasse dich wissen, wenn es was Neues gibt“, wurde nun auch die Ärztin etwas lauter und Aiden bemerkte, dass Miyuki zu einer Antwort ansetzte, doch kam die Unbekannte ihr zuvor: „Raus!“ Erst erklang ein ängstliches Fiepen, welches der Braunhaarige definitiv seiner Mitbewohnerin zuordnen konnte, bevor leise Schritte und die Tür erklangen.   „Sie hat sich ganz schön verändert“, murmelte die Ärztin, als Aiden vorsichtig blinzelnd die Augen komplett öffnen konnte. Da das Licht ihm in den Augen wehtat, murrte er ungewollt, wodurch die Frau ihn bemerkte und nun in seine Richtung schaute: „Oh, du bist wach? Das freut mich.“ Kurz ließ der Braunhaarige seinen Blick durch den Raum schweifen um sich zu vergewissern, dass er wirklich in einem Krankenhaus war. Anschließend ging sein Blick zu der Ärztin, die ihn leicht besorgt musterte und dabei immer wieder auf die Akte in ihrer Hand schaute. Sofort fielen Aiden ihre langen, petrolfarbenen Haare auf, die denen von Miyuki sehr ähnlich waren, welche sie zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden waren. An sich sah die Frau seiner Mitbewohnerin zum Verwechseln ähnlich, doch war sie augenscheinlich um die 20 Jahre alt. Sie war ein Stück größer als seine Mitbewohnerin und hatte keine violetten, sondern rehbraune Augen. An Kleidung trug sie eine enganliegende, hellblaue Jeans, ein schwarzes Tanktop und darüber einen langen, weißen Kittel.   Vorsichtig trat sie an das Bett heran und legte Aiden eine Hand auf die Stirn, um seine Temperatur zu fühlen: „Wie fühlst du dich?“ „G-ganz gut soweit“, stammelte er und betrachtete die Frau, die kurz nickte und sich dann ein paar Notizen in der Akte machte: „Du hast uns echt einen gehörigen Schreck eingejagt. Wir haben einfach nicht finden können, warum du zusammengebrochen bist.“ Langsam kamen dem Jungen die Erinnerungen an den Nachmittag wieder hoch, doch bereitete ihm diese heftige Kopfschmerzen. Er war mit Mirai unterwegs gewesen, hatte sich mit Yui unterhalten, war nach Hause gekommen, wo er einen Anruf seiner Mutter bekommen hatte. Aber was war dann passiert? So sehr er versuchte, sich zu erinnern, es war alles wie hinter einem dicken Nebel verborgen, weshalb er den Kopf schüttelte und dann auf seine Hände schaute. Nach einer Weile sah er wieder auf und fragte das Erste, was ihm momentan in den Sinn kam: „Was für ein Tag ist heute?“ „Wir haben Donnerstag. Du bist Vorgestern Nachmittag eingeliefert worden und hast fast zwei Tage durchgeschlafen“, gab die Grünhaarige freundlich Antwort und musterte ihren Patienten einen Moment, bevor die Tür zum Raum erneut aufging und eine weitere Ärztin eintrat.   Die Frau hatte schulterlanges, dunkelbraunes Haar und braune Augen und trug ebenfalls einen langen weißen Kittel. Die neue Ärztin war bereits in den Mittvierzigern und hatte einen furchtbar strengen Blick, der erst Aiden und dann der Grünhaarigen galt: „Gut, er ist wach. Dann kann deine Schwester ja aufhören, da unten so einen Terror zu machen.“ „Sie macht sich Sorgen um ihn, Mutter“, murmelte die jüngere Ärztin, bevor sie mit einem sanften Lächeln zu ihrem Patienten schaute: „Entschuldige, aber Miyu ist schon seit deiner Einweisung mit den Nerven am Ende.“ „Sie... Sie sind Miyukis Mutter und Schwester?“, fasste Aiden zusammen, denn sein Kopf brauchte momentan deutlich länger, um Informationen zu verarbeiten, denn die Verbindung hätte ihm schon beim Aussehen und dem Verhalten von Miyuki klar sein müssen. „Das ist korrekt und sie sind anscheinend der neue Mitbewohner, von dem sie kurz erzählt hat. Wie sind seine Werte, Kohana?“, schaute die ältere Frau zu ihrer Tochter, die ihr die Akte reichte und erklärte: „Körperlich ist er komplett gesund. Ich tippe auch mentale Erschöpfung, eventuell ein abgeschwächtes Burnout-Syndrom. Auf jeden Fall sollten wir das im Auge behalten.“ Für einen Moment las sich Miyukis Mutter die Akte durch, bevor sie ihrer Tochter die Akte reichte und dann zur Tür ging: „Gut, dann kümmere dich darum, Kohana. Was Sie betrifft, Kurosaki-san, ich werde eine Schwester zu Ihnen schicken, denn sie sollten erst einmal etwas essen. Ich sehe später nach Ihnen.“   Damit verließ die Frau den Raum und ließ die beiden alleine, woraufhin Kohana sich eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht strich: „Sie ist extrem gestresst, aber das gehört zum Ärzteberuf dazu. Brauchst du etwas, Kurosaki-kun?“ Etwas überfordert sah sich der Braunhaarige um, als er sich an den Bauch fasste: „Was zu essen wäre wirklich nicht schlecht. Ich hatte auch am Dienstag nicht viel gegessen, lediglich ein paar Takoyaki.“ „Das ist wirklich nicht viel und dann stimme ich meiner Mutter zu, du musst was essen. Ich hole die Schwester sofort“, erklärte sie und ging zur Tür, wo sie schon nach der Klinke griff, dann aber innerhielt und sich nochmal ihrem Patienten zuwandte: „Ich hoffe, dass dir diese Frage jetzt nicht unangenehm ist oder so, aber... Wie stehst du zu Miyu?“ Für einen Moment war Aiden überrascht, doch konnte er verstehen, warum diese Frage kam. Ihre Schwester wohnte alleine, jetzt mit einigen Mitbewohnern und hatte offenbar ein paar soziale Probleme in der Schule. Jedes besorgte Geschwisterteil würde da nachfragen, weshalb Aiden freundlich eine Antwort gab: „Sie ist eine gute Freundin, die ich in meinem Leben nicht missen will. Sie ist lieb, hilfsbereit und ich würde ihr mein Leben anvertrauen.“   Für einen Moment staunte die Ärztin nicht schlecht, denn mit der Aussage, dass Aiden Miyuki so sehr vertraute, hatte er sie überrascht. Dennoch war sie extrem froh, diese Worte zu hören, weshalb sie sich die Akte an die Brust drückte und die Tür öffnete: „Danke, Kurosaki-kun. Ich bin froh, dass Miyu solche Freunde hat.“ Damit verließ sie den Raum und ließ Aiden alleine, der sich in seine Kissen sinken ließ und an die Decke schaute. Seine Gedanken drehten sich um Kohana, Miyuki und deren Mutter, wobei Aiden langsam das Gefühl bekam, dass der Shadow der Grünhaarigen damals auf einen der beiden angesprochen haben musste. Beide waren Ärzte, allerdings schien Miyuki gar nicht in diesen Bereich zu gehen und das könnte schon für einige Spannungen sorgen. Von sich würde er diese Sache allerdings nicht ansprechen, denn wenn Miyuki darüber reden wollen würde, würde sie es irgendwann von selbst tun. Nun saß er alleine im Raum und versuchte, seinen Kopf in Reihe zu bekommen, weshalb er sich erst einmal die Beine vertreten wollte. Vorsichtig stieg er aus dem Bett, denn er befürchtete, dass seine Beine ihn nicht würden tragen können, bevor er langsam zur Tür ging. Natürlich hatte er tierischen Hunger, aber genauso dringend wollte er sich jetzt einfach mal ein wenig bewegen. Langsam zog er die Tür auf und stieß fast mit einer Krankenschwester zusammen, die anscheinend gerade nach ihm hatte sehen wollen, als er ihr sein Anliegen erklärte und von dieser gestützt wurde. Erst jetzt bemerkte er, wie schlaff sein Körper durch die Auszeit wirklich geworden war, denn er schaffte kaum drei Schritte, ohne sich irgendwo abstützen zu müssen. Mit der Schwester schaffte er es seinem Bewegungsdrang ein bisschen nachzugehen, bis sie im Foyer des Krankenhauses ankamen. Heute schien nicht wirklich viel los zu sein, denn lediglich drei Leute saßen in den Raum und keiner von ihnen war Miyuki. Anscheinend war diese wirklich noch aus dem Krankenhaus geworfen worden, was dem Braunhaarigen doch schon einige Sorgen bereitete. Er wollte wirklich nicht, dass seine Freunde seinetwegen in solche Schwierigkeiten gerieten, schon gar nicht mit ihrer Familie. Gerade als er sich abwenden wollte, entdeckte Aiden einen blau-weißen Haarschopf, der ihm mehr als nur bekannt vorkam. Er erklärte der Schwester, dass er kurz jemanden begrüßen wollte und schritt anschließend vorsichtig durch den Saal auf die Person zu. Diese hatte den Blick fest auf eine kleine Handheldkonsole in seinen Händen gerichtet und drückte wie wild auf den Knöpfe herum: „Jetzt stirb doch endlich, du doofer Kobold!“ Bei dem Anblick konnte der Braunhaarige nur grinsen, weshalb er sich neben den Jungen setzte und wartete, bis dieser ihn von selbst bemerkte. Schnell pausierte der Junge das Spiel, ehe er sich dem Älteren zuwandte und ihn mit großen Augen ansah: „Wie lange sitzt du schon da, Kurosaki-senpai?“ „Lange genug, um dein Koboldmassaker mitanzusehen“, grinste Aiden und nutzte den Moment, um Setsuna von oben bis unten zu mustern.   Bereits in der Shadow-Welt hatte er extrem schmächtig und zerbrechlich gewirkt, aber jetzt bei Tageslicht sah man erst richtig, was die Tortur mit seinem Shadow bei dem Jungen angerichtet hatte. Er wirkte sichtlich erschöpft und hatte dunkle Augenringe, allerdings war er in keiner Weise abgemagert oder sonst etwas, obwohl er zwei Wochen gefangen gehalten worden war. Kurz fuhr er sich durch die Haare, bevor er wieder das Wort ergriff: „Wie geht es dir, Akutagawa? Tenno war wirklich besorgt um dich.“ „Nicht so sehr, wie sie um dich besorgt war, Senpai. Sie hat die letzten beiden Tage fast pausenlos an deinem Bett gesessen. Irgendwann mussten die Ärzte ihre Mutter anrufen, damit sie nach Hause ging. Aber mir geht es gut, es ist nur…“, setzte der Junge an und senkte dann den Blick, bevor er leise murmelte: „Das Ganze wirkt einfach immer noch wie ein Alptraum, aus dem ich erst erwacht bin. Doch so sehr ich mir einreden möchte, dass es nur ein Traum war, weiß ich genau, dass dies nicht der Fall ist.“ „Kann ich mir denken. Es ist wirklich nicht leicht, so einen Schock zu verarbeiten und zu akzeptieren“, stimmte Aiden dem Jungen zu, der nun etwas unsicher wirkte: „Sei bitte ehrlich, Senpai… Bist du meinetwegen zusammengebrochen? Ich weiß nicht, wie viel ihr auf euch nehmen musstet, um mich da raus zu holen.“ Für einen Moment legte der Oberschüler die Stirn in Falten, doch dann schüttelte er sanft den Kopf: „Ich glaube nicht, dass das wegen dir war. Vielleicht vertrage ich diese Sache einfach nicht so gut, also mach dir keine Gedanken.“ Wirklich überzeugt war Setsuna anscheinend immer noch nicht, doch nahm er die Aussage mit einem Nicken hin und sah dann auf seine Hände und seinen Schoß.   Die Stille zwischen den beiden war etwas unangenehm, weshalb Aiden versuchte, das Thema zu wechseln: „Warum bist du eigentlich hier? Fühlst du dich krank?“ „Hm? Nein, eigentlich nicht, mir geht es gut soweit. Ich bin nur etwas erschöpft, aber meine Mutter will lieber auf Nummer sicher gehen und lässt mich komplett durchchecken, auch wenn ich hundertmal sage, dass es mir gut geht“, erwiderte der Weißblauhaarige und blies beleidigt die Wangen auf, was ihn in Aidens Augen einfach nur knuffig aussehen ließ. Leider konnte sich der Braunhaarige ein leises Lachen nicht verkneifen, was ihm einen geschockten Blick von Setsuna einbrachte, eher er ihm eine Hand auf den Kopf setzte: „Nimm es ihr nicht übel, Akutagawa. Sie will einfach nur, dass du gesund bist und es ist ja nicht so, als würde dir hier eine Darmspiegelung oder so etwas drohen.“ „Na danke, jetzt habe ich schiss, dass das wirklich passiert!“, jammerte der Junge und zog den Kopf ein, doch kicherte er leise und sah dann zu Aiden auf: „Du bist echt cool, Senpai, ich weiß jetzt, warum Haru-nee so eine hohe Meinung von dir hat.“ Sichtlich erstaunt sah Aiden den Jüngeren an, der mit einem strahlenden Grinsen zu ihm hochschaute und damit etwas verlegen machte: „Ich glaube, du und Tenno habt vielleicht eine etwas zu hohe Meinung von mir, Akutagawa.“ „Nö, finde ich nicht. Ich finde, du bist richtig cool, wie der rote Featherman Ranger“, blieb der Erstklässler bei seiner Meinung und wippte auf seinem Stuhl hin und her, weshalb Aiden etwas rot um die Nase wurde und sich verlegen an der Wange kratzte: „Laut meiner Schwester bin ich eher der blaue Ranger.“   Die Aussage wehrte Setsuna vehement ab, da er als Anführer ausschließlich der rote Ranger sein könne, doch wurde ihre Unterhaltung unterbrochen, als die Schwester Aiden dazu auffordert, wieder auf sein Zimmer zu gehen. Zeitgleich wurde Setsuna zu seiner Untersuchung gerufen, weshalb sich beide erhoben und sich noch einmal ansahen. Der Jüngere verneigte sich respektvoll und schulterte seinen Rucksack, bevor er der Ärztin folgte: „Wir sehen uns in der Schule, Senpai.“ Aiden nickte ihm zu und winkte zum Abschied, als in seinem Kopf eine ihm mittlerweile sehr vertraute Stimme erklang: „Ich bin du… Du bist ich…“ Einen Moment sah der Braunhaarige seinem Bekannten nach, bevor auch er der ihm zugewiesenen Schwester zurück zu seinem Zimmer folgte. Dort angekommen legte er sich ins Bett und bekam ein Tablett mit Essen gereicht, welches er sich nur zu gerne zu Gemüte führte.   Den restlichen Mittag und Nachmittag verbrachte Aiden damit, durch die Fernsehkanäle zu zappen, doch lief nichts, was ihm wirklich gefiel. Gegen Abend kam seine Mutter dann vorbei und musterte ihn einen Moment kritisch, ehe sie sich zu ihm aufs Bett setzte: „Wie geht es dir, Schatz?“ „An sich ganz gut“, murmelte er leise und vermied es, seine Mutter anzusehen, denn er wusste ganzgenau, warum sie eigentlich hier war. Zum Glück ging Rin nicht auf das Thema ein und strich ihm nur sanft über den Kopf: „Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Was ist denn passiert?“ „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht… Es war, als wäre da oben ein Ausschalter gedrückt worden. Ich hatte an dem Tag aber auch nicht sonderlich viel gegessen“, versuchte er irgendwie eine logische Erklärung zu liefern, worauf seine Mutter auch ansprang: „Hoffentlich wirst du nicht Zuckerkrank, das wäre wirklich das Letzte, was du jetzt brauchen kannst.“ Darauf gab er keine Antwort, denn er war sich ziemlich sicher, dass es nicht daran gelegen hatte, aber das konnte Aiden seiner Mutter schlecht sagen, weshalb er lieber auf ein anderes Thema ging: „Wie lange muss ich hierbleiben?“ „Nun, laut der Ärztin ist es okay, wenn du nach Hause gehst, schließlich haben sie nichts gefunden, allerdings sollst du bitte jeden Tag nach der Schule noch einmal zum Check kommen. Nur, um sicher zu gehen“, erklärte Rin das, was er in den nächsten Tagen würde tun müssen. Mit etwas zittrigen Beinen stieg er wieder aus dem Bett und zog sich um, denn je schneller er hier rauskam, desto besser. Wirklich erklären konnte er es nicht, aber etwas tief in Aiden selbst verabscheute Krankenhäuser wie die Pest. Es war nicht so, dass er Angst hätte, er mochte es einfach nicht, weshalb er umso erleichterter aufatmete, als er mit seiner Mutter das Gebäude verließ und die kühle Abendluft einsog.   Kurz darauf saß er schon im Auto seiner Mutter und fuhr mit ihr über die Moonlight-Bridge in Richtung Iwatodai, wobei die Brünette ihm immer wieder einen seltsamen Blick zuwarf. Irgendwann schien sie die Stille nicht weiter auszuhalten und seufzte schwer auf: „Eigentlich will ich das nicht ansprechen, aber… die Sache in deiner Schule…“ Sofort zuckte Aiden zusammen und vermied es, seine Mutter anzusehen, doch diese blieb hartnäckig: „Du kommst sowieso nirgendwo hin, also kannst du mir auch deine Version der Dinge schildern.“ „Du würdest es mir sowieso nicht glauben“, brummte der Braunhaarige und behielt den Blick auf das Beifahrerfenster gerichtet, doch drehte er den Kopf, als seine Mutter deutlich sanfter wurde: „Du hast mich noch nie angelogen, also warum sollte ich dir nicht glauben?“ „Weiß nicht… Weil die Lehrer dir schon was anderes erzählt haben und du klangst am Telefon nicht so, als ob du mir zuhören würdest“, murmelte der Oberschüler leise, was seine Mutter leicht wehmütig dreinschauen ließ: „Es tut mir leid, dass ich dich am Telefon so angefahren habe, die Arbeit ist in den letzten Tagen gefühlt immer mehr. Natürlich glaube ich dir, aber dafür muss ich wissen, was genau passiert ist.“ Für einen Moment zögerte Aiden, bevor er seiner Mutter erklärte, was bei seiner Begegnung mit Sakura passiert war und wie er sich dazu entschlossen hatte, sie zu decken. Rin lauschte seiner Erzählung und rieb sich kurz die Stirn: „Also du hast dieses Mädchen in der Jungenumkleide erwischt, weil sie sich als Junge ausgegeben und sich in einen Club geschlichen hat, in den sie regeltechnisch gar nicht dürfte. Weil du nichts gesagt hast wirst du suspendiert, da das Mädchen sich beim Kendo hätte verletzen können. Habe ich das so richtig verstanden?“ Auf die Zusammenfassung nickte Aiden kurz und sah dann wieder aus dem Fenster, während seine Mutter sanfter wurde: „Das werde ich so nicht stehen lassen. Wir gehen morgen zur Schule und unterhalten uns mit deinen Lehrern. Du hast nichts falsch gemacht und solltest daher nicht bestraft werden.“ Mit großen Augen sah der Schüler seine Mutter an und lächelte dankbar, während er nickte: „Danke, Mama.“   Es dauerte nicht lange, bis sie endlich vor dem Wohnheim ankamen und Rin Aiden aus dem Auto half. Seine Proteste, dass er selbst aussteigen könne, ignorierte sie gekonnt, doch ließ sie ihn immerhin selbst laufen. Die Stütze hätte er allerdings dringend gebraucht, denn kaum hatte er die Tür geöffnet, wurde er von Kako regelrecht von den Füßen gerissen und abgeleckt. Nur mit Mühe konnte Aiden die Hündin von sich drücken und ließ sich anschließend von seiner Mutter aufhelfen: „Danke, Mama. Kako, das war echt nicht notwendig.“ „Sie freut sich nur, dich zu sehen, sei also mal etwas dankbarer“, kam es von Mirai, die mit Luca, Haruka und Miyuki auf der Couch saß und zu den Neuankömmlingen schaute. Luca war sofort aufgesprungen und zu seinem Kumpel gelaufen, den er besorgt musterte: „Du hast uns ganz schön Angst gemacht, weißt du das? Ist alles okay?“ „Ja, alles gut. Die Ärztin vermutet leichtes Burnout“, erklärte der Braunhaarige und sah in die Runde: „Tut mir leid, dass ich euch Sorgen bereitet habe.“ „Ich bin nur froh, dass du gesund bist“, schluchzte Haruka und wischte sich kurz über die Augen, während Miyuki sich erhob und zu ihm kam: „Kannst du hierbleiben oder musst du wieder ins Krankenhaus?“ „Nur zu kleinen Test nach der Schule, aber ansonsten ist alles gut“, gab er zögerlich zurück, denn er wollte vor Miyuki und Haruka jetzt nicht unbedingt damit um die Ecke kommen, dass er suspendiert worden war.   Um die Stimmung etwas zu lockern klatschte Rin in die Hände und wandte sich Richtung Tür: „Genug ausgefragt, jetzt mach ich uns mal was Richtiges zu essen. Mehr als diesen Krankenhausfraß hast du ja noch nicht gehabt. Haruka-chan, Miyuki-chan, Mirai-chan, helft Ihr mir?“ Einen Moment sahen sich die drei Mädchen an, doch auf das bestimmende Winken der Frau nickten sie und folgten ihr in die Küche, wodurch Aiden und Luca alleine blieben. Die beiden setzten sich auf die Couch, wobei Aiden das auffordernde Maunzen von Kiara, die wohl Hunger hatte, nicht beachtete. „Du hast nicht wirklich gespannt, oder?“, ergriff nun Luca das Wort und Aiden rieb sich die Schläfen, denn er hatte wirklich keine Lust, dieses Thema noch einmal durchzukauen: „Nein, habe ich nicht, aber für heute habe ich echt genug gehabt. Ist es okay für dich, wenn ich es dir morgen erkläre?“ „Soll mir recht sein, aber eins ist mir sicher“, nickte der Spanier und entlockte seinem Freund einen fragenden Blick, bis er zu grinsen begann: „Das, was die Typen über dich erzählen stimmt definitiv nicht, also warte ich lieber, bis ich die Wahrheit kenne.“ Auf die Aussage nickte Aiden fröhlich und lehnet sich zurück, denn die Ruhe, die Luca ihm gönnte, hieß er mehr als willkommen.   Kapitel 40: XL – Demokratische Lösung ------------------------------------- ~~~Freitag 10. Juni 2016~~~   Es war bereits um die Mittagszeit, als Aiden sich mit seiner Mutter im Foyer des Wohnheims niederließ, um seinen Aufgaben nachzugehen. Durch seinen Krankenhausaufenthalt hatte er einiges an Stoff verpasst und zum Glück war Miyuki so lieb gewesen, ihm ihre Unterlagen zur Verfügung zu stellen. So saß er nun an dem großen Esstisch und machte seine Mathehausaufgaben, während seine Mutter mit ihrem Laptop ihm gegenübersaß und ihre eigene Arbeit verrichtete. Während Aiden eine Seite umblätterte, kam ihm sein Gespräch mit seinem Vater wieder in den Sinn, weshalb er immer wieder zu seiner Mutter schaute. Rin bemerkte dies irgendwann und hob den Blick: „Willst du was fragen, Schatz?“ „Naja… du arbeitest doch als Dads Sekretärin, richtig?“, fing er langsam an und strich dabei einen falschen Lösungsansatz durch, als seine Mutter stumm nickte und ihn ansah: „Papa hat mir erzählt, dass du ihn bei seinem ersten Autokauf über den Tisch gezogen hast. Warum bist du denn nicht bei dem Job geblieben?“ „Ach, dieser elende Schwätzer. Über den Tisch gezogen, dass ich nicht lache. Das war ein Büronebenjob und ich habe ihm den Wagen schöngeredet. Natürlich stellt er mich wieder als die Böse dar. Der kann was erleben, wenn ich nach Hause komme“, drohte die Frau gespielt, was Aiden etwas das Gesicht verziehen ließ. Anscheinend hatte sein Vater mal wieder die Tatsachen verdreht, um ihm bei seinem Problem einen guten Rat geben zu können. Auch wenn es geflunkert war, konnte Aiden nicht abstreiten, dass der Rat gut gewesen war und er würde morgen wieder in die Boutique marschieren.   Wo er gerade über seine Arbeit nachdachte, öffnete sich die Tür zum Wohnheim und Mirai trat ein, die von ihrem Kellnerjob zurückkam. Kakos lautstarke Begrüßung ließ das letzte bisschen Konzentration des Braunhaarigen komplett bröckeln, weshalb er sich umdrehte und seine Mitbewohnerin begrüßte. „Ist es wirklich so gut, dass du dich jetzt mit Schulsachen befasst?“, wunderte sich die Silberhaarige, als sie die ganzen Schulbücher auf dem Tisch sah, doch zuckte der Braunhaarige nur mit den Achseln: „Ich hatte nichts zu tun und irgendwann muss ich es eh nachholen.“ „Schon, aber du solltest dir auch die Ruhe gönnen, die du brauchst“, gab Mirai zurück und schüttelte nur den Kopf, als Rin ihren Laptop zuklappte und das Mädchen ansah: „Müsstest du nicht in der Schule sein, Mirai-chan?“ Die Frage brachte nicht nur Mirai, sondern auch Aiden aus dem Konzept, denn die beiden hatten gar nicht daran gedacht, dass Rin nichts von Mirais Situation wusste. Skeptisch zog die Frau nun die Stirn in Falten und verschränkte die Arme vor der Brust: „Du schwänzt doch nicht etwa die Schule, oder? Wissen deine Eltern davon?“ „Ich… Äh… Nein?“, stammelte Mirai, die bei Rin ihre sonst so freche und vorlaute Haltung einfach nicht aufrechthalten konnte und sich wieder wie ein kleines Kind fühlte, dass eine Schelte bekam.   „Auf welche Schule gehst du eigentlich, Mirai?“, hakte Rin nach und musterte die Silberhaarige, die sich verlegen an der Wange kratzte: „Also, wissen Sie… keine. Ich gehe arbeiten.“ „Wie bitte?“, kam es skeptisch von der Frau, die Aiden einen fragenden Blick zuwarf, doch nickte dieser nur bestätigend: „Ja, tut sie.“ „Aber was ist denn mit deiner Schulbildung? Sind deine Eltern damit einverstanden, dass du die Schule so früh beendet hast? Es wäre wirklich besser, wenn du deine Bildung ernster nehmen würdest, vor allem für deine Zukunft“, empörte sich die Frau weiter, als Mirai leise murmelte: „Ich kann mich nicht an meine Eltern erinnern, also weiß ich nicht, was sie dazu sagen würden.“ Sofort verstummte die Brünette und sah peinlich berührt zur Seite, denn dieses Thema war nun ihr unangenehm geworden, weshalb sie sich mit der Entschuldigung, dass sie Tee machen wolle, in die Küche verzog. Die beiden Teenager blieben alleine, bis Aiden erleichtert ausatmete: „Puh, das war knapp… Die Ausrede ist dir schnell eingefallen.“ „Wieso Ausrede? Ich kann mich wirklich nicht an meine Eltern erinnern. Davon, dass sie tot sind, habe ich nichts gesagt“, erwiderte die junge Frau und setzte sich neben Aiden, um in sein Buch zu schauen: „Aber deine Mutter hat schon recht, ich sollte diese Sachen eigentlich lernen.“ „Vielleicht hast du das ja. Ich meine, eigentlich müsstest du ja eine Schülerin an der Gekkoukan gewesen sein, sonst hättest du wohl kaum die Uniform gehabt, oder?“, überlegte Aiden weiter und setzte sich wieder an seine Hausaufgaben, bis Rin mit drei Bechern Tee zurückkam und sich wieder den zwei gegenübersetzte.   Mirais Antwort von vorher schien die Fragen im Keim erstickt zu haben, denn Rin verzichtete darauf, weiter auf das Thema einzugehen, bis sie nachmittags den Laptop zuklappte: „Nun, ich denke, wir sollten fahren. Ich habe noch ein Wörtchen mit deinen Lehrern zu wechseln.“ „Oh, das wird kein gutes Ende nehmen… Kommst du mit, Mirai?“, wandte sich Aiden an seine Freundin, die an ihrem Tee nippte und dann mit einem Nicken aufstand: „Klar, warum nicht. Habe momentan eh nichts Besseres zu tun.“ Die beiden verstauten ihre Sachen noch in ihren Zimmern und zogen sich um, bevor sie mit Rin zusammen nach Port Island zur Gekkoukan High School fuhren. Zu dritt betraten sie die Schule, wobei Rin sich sofort in Richtung des Lehrerzimmers aufmachte, um sich mit den Lehrern zu unterhalten. Aiden blieb mit Mirai im Eingangsbereich stehen und lehnte sich gegen die Schließfächer, während die Silberhaarige sich neugierig umsah. Nachdenklich behielt der Braunhaarige sie im Blick, bevor er sich von den Spinten abdrückte und zu ihr trat: „Kommt dir irgendwas bekannt vor?“ „Ich bin mir nicht sicher. Ich glaube schon“, murmelte die Silberhaarige und legte nachdenklich den Kopf schief, als ihr Begleiter ihr einen Vorschlag machte: „Sollen wir uns noch ein bisschen umsehen?“   Kurz darauf stiegen sie in den ersten und anschließend den zweiten Stock hinauf und spazierten durch den Flur, wobei die beiden sich über die Schule an sich unterhielten. Wie Aiden bemerkte, war es für Mirai doch schlimmer nicht zur Schule gehen zu können, als er anfangs gedacht hätte, denn sie schien sich nach einem solchen Alltag zu sehnen. Irgendwie müsste Aiden ihr helfen, doch wusste er nicht wie, denn im Moment würde er erst einmal sein eigenes Problem lösen müssen. Plötzlich blieb er stehen und sah auf eine Tür, neben der die Worte »Student Council« auf einem Schild standen und klopfte an: „Ich muss kurz was erledigen, Mirai.“ Als ein leises „Herein“ ertönte, betrat der Braunhaarige den Raum, wobei Mirai ihm folgte und nun beide vom Schülerrat der Gekkoukan neugierig angesehen wurden. Alle Schüler saßen um ein Viereck aus Bänken herum, wobei lediglich ein Schüler mit braunen Haaren stand und einige Dokumente in der Hand hielt, der nun freundlich das Wort ergriff: „Braucht Ihr etwas?“ „Ähm, ja… Entschuldigen Sie bitte, wenn ich störe, aber ich hätte eine Frage zu den Schulclubs“, begann Aiden mit seinem Anliegen, als einer der männlichen Ratsmitglieder dazwischenging: „Du bist doch der Typ, der wegen Spannerei aus dem Kendoclub geworfen wurde.“ Die Aussage ließ den Braunhaarige ungewollt zusammenzucken, doch kam ihm der Junge mit den Dokumenten zur Hilfe: „Ich will keine weiteren solche Zwischenrufe hören. Entschuldige, Kurosaki, rede bitte weiter.“ „Woher kennst du meinen Namen?“, wunderte sich der Oberschüler, was sein Gegenüber nur leicht auflachen ließ: „Zum einen weiß gefühlt jeder, wer du bist, nachdem, was die Woche passiert ist und zum anderen hat Silva sich lauthals über die ungerechte Aktion gegen dich beschwert.“   Innerlich dankte Aiden seinem Freund für diese Geste, als der Schüler mit den Dokumenten weitersprach: „Ich bin übrigens Amada Ken und als Präsident des Student Council höre ich mir stets alle Belange meiner Mitschüler an, also bitte: Sprich weiter.“ „Danke, Amada-senpai. Es ist so… die ganze Sache ist passiert, weil sich eine Schülerin als Junge ausgegeben hat, um in den Kendoclub aufgenommen zu werden. Ist es möglich, dass man diese Regelung irgendwie ändert, damit Nozaki wieder zum Kendo darf?“, trug Aiden sein Anliegen vor, woraufhin Ken etwas überrascht aufsah: „Warte… Du kommst her und fragst wegen einer anderen Schülerin und nicht wegen dir selbst?“ „Vermutlich will er sich aus der Affäre ziehen“, stichelte der Schüler, der Aiden eben schon unterbrochen hatte, doch wurde er erneut von Ken zur Ruhe ermahnt. Aiden hingegen schüttelte nur den Kopf und redete weiter: „Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe, aber ich habe lediglich versucht, einer Freundin zu helfen. Kendo ist ihre große Leidenschaft und warum darf sie dies nicht in der Schule tun, nur weil sie ein Mädchen ist?“ „Man sollte meinen, dass wir in einem Zeitalter leben, in der Frauen nicht mehr wegen ihrem Geschlecht anders behandelt werden“, fauchte Mirai leise und einige der männlichen Schüler zuckten unter ihrem Blick zusammen.   „Interessant… Das, was wir jetzt von dir gehört haben, weicht vollkommen von dem ab, was die anderen Schüler uns erzählt haben“, überlegte Ken laut und rieb sich das Kinn, als die Tür erneut aufging und Katzumi den Raum betrat: „Ich hätte wirklich gedacht, dass ihr etwas engagierter bei so einem Fall vorgehen würdet. Der Ansatz ist relativ einfach.“ „Wie meinst du das, Samejima-senpai?“, erkundigte sich eine weibliche Schülerin, die den Rotbraunhaarige wie fast jedes Mädchen im Raum anschmachtete, während dieser die Arme vor der Brust verschränkte: „Die Schule gibt es schon seit Anfang des 21. Jahrhunderts. Damals waren es noch andere Bedingungen, unter denen die Clubs gegründet wurden. Wie die Dame es schon sagte, sollten wir heutzutage deutlich offener für Frauen im Sport sein.“ „Und wie genau kann ich dieses Problem angehen, Samejima?“, wandte sich Aiden an den Jungen, der sich kurz durch die Haare fuhr und zu einem Aktenschrank marschierte: „Ganz einfach: Wir haben ja regelmäßig eine Lehrerversammlung und wenn es genug Anreiz gibt, etwas an der Schule zu ändern, dann kann man so etwas in die Wege leiten.“ „Soll ich jetzt mit einer Petition durch die Schule rennen oder wie soll ich das anstellen?“, tat der Braunhaarige seine Skepsis kund, doch bekam er in dem Moment ein Klemmbrett in die Hand gedrückt: „Wäre eine Idee, Kurosaki. Hier geht es allerdings nicht nur um die Mädchen, sondern um die Geschlechterfrage an sich.“   Verstehend nickte Aiden und schrieb bereits den Grund für die Unterschriftenaktion auf das Papier, als sich einer der weiblichen Schüler meldete: „Darf ich mich auch eintragen? Ich finde es wichtig, dass wir diesen Schritt gehen.“ Sofort reichte der Braunhaarige ihr das Klemmbrett, welches kurz darauf die Runde durch den ganzen Saal machte. Selbst Ken und Katzumi trugen sich ein, was Aiden sehr freute und als das Brett wieder bei ihm ankam, verneigte er sich dankbar vor dem Schülerrat. Mit einer weiteren Verbeugung und einem aufrichtigen Dankeschön verließ Aiden mit Mirai den Raum, wo die Silberhaarige lachen musste: „Ich wünsche dir viel Spaß dabei, durch die ganze Schule zu laufen.“ „Du kommst mit, hast doch eh nichts Besseres zu tun“, stichelte der Braunhaarige sichtlich gut gelaunt, was die Silberhaarige beleidigt die Wangen aufblähen ließ: „Du mich auch, Aiden.“ Trotz der Stichelei konnte Mirai sich ein Grinsen nicht verkneifen, doch wurden die beiden erneut von Katzumi unterbrochen, der den Raum nun ebenfalls verließ: „Achte darauf, die Schüler nicht zu belästigen, während du durch die Schule läufst.“ Die beiden Teenager sahen den Rotbraunhaarigen an, wobei vor allem Aiden sich ihm ganz zuwandte und sich leicht verneigte: „Danke, dass du mir hilfst, Samejima.“ „Ich habe lediglich keine Lust, mir diese Diskussion der Mädchen weiter anzuhören, also bilde dir nichts ein, Kurosaki“, erwiderte der Junge und stapfte mit in die Hosentaschen gesteckten Hände den Gang davon. Mirai ließ einen etwas abfälligen Kommentar über den Schüler fallen, doch Aiden begann zu grinsen, als er eine vertraute Stimme in seinem Kopf vernahm: „Ich bin du… Du bist ich…“ Mirai bemerkte das Lächeln ihres Freundes und legte fragend den Kopf schief: „Was grinst du denn so dämlich?“ „Ach, nichts Wichtiges. Komm, schauen wir mal, ob wir einige helfende Leute finden“, lenkte der Braunhaarige ab und marschierte zielstrebig in Richtung der Treppe, denn als erstes wollte er bei den Sportclubs anfangen.   An sich hatte er es für eine gute Idee gehalten, doch als Aiden nun vor dem Kendoclub stand, hinterfragte er seine eigene Idee doch. Die Jungs des Clubs musterten ihn neugierig, sagten aber nichts, bis Masao aus dem Büro des zuständigen Lehrers kam und Aiden mit einem überraschten Blick ansah. „Geht es dir wieder besser, Kurosaki? Wie ich mitbekommen habe, warst du im Krankenhaus“, erkundigte sich der Lilahaarige und Aiden konnten in seinem Blick sehen, dass er sich anscheinend wirklich Sorgen um ihn gemacht hatte. „Ja, alles gut, Senpai. Es geht um folgendes… Ich möchte bei der Schulleitung einen Antrag stellen, dass man die Geschlechtertrennung bei den einzelnen Sportclubs aufhebt und wollte euch fragen, ob ihr mich dabei unterstützen würdet“, erklärte er sein Vorhaben und einige der Jungs sahen sich fragend an. Ein Junge mit dunkelbraunen Haaren kratzte sich am Hinterkopf und wirkte etwas irritiert: „Naja, diese Regelung gibt es zum Schutz der Mädchen, also hat das Ganze ja schon einen Sinn, meinst du nicht?“ „Mag schon sein, aber seid jetzt bitte alle ehrlich: Wer von euch ist ernsthaft der Meinung, dass er in der Lage wäre, Nozaki zu besiegen?“, stellte Aiden eine Frage, die alle Anwesenden kleinlaut den Kopf einziehen ließ. Der Junge, der eben noch Einwände gehabt hatte, zog den Kopf ein und murmelte leise vor sich hin, dass da schon was dran sein könnte. Einen Moment tat sich in der Gruppe nichts und Mirai war schon kurz davor, laut zu werden, als Masao vortrat und Aiden auf die Schulter klopfte: „Ich bin froh zu sehen, dass du es nicht einfach so hinnimmst und wenn ich was tun kann, damit du und Nozaki wieder in den Club kommen dürfen, dann bin ich gerne dabei.“ Mit einem strahlenden Lächeln sah der Braunhaarige zu, wie der Lilahaarige sich in die Liste eintrug und sie dann an den Rest weitergab, welche sich größtenteils mit eintrugen.   Dankbar verneigte sich der Braunhaarige und machte sich mit Mirai wieder auf den Weg, wobei er sich vornahm, den Fußballclub und den Schützenclub aufzusuchen, denn wenn er sich von jemandem Hilfe erhoffte, dann waren es Luca und Miyuki. Die Jungs aus dem Fußballclub waren anfangs sehr skeptisch, doch nach einer Erklärung seitens Aiden und energischem Zuspruch von Luca ließen sich die meisten zur Hilfe überreden. Deutlich leichter hatten es die beiden, als sie beim Schützenclub ankamen, der zum größten Teil aus Mädchen bestand, die sich sofort alle eintrugen, um die Ungerechtigkeit gegen Sakura zu unterbinden. Miyuki trat neben Aiden und musterte ihn von oben bis unten: „Wie fühlst du dich, Aiden-kun?“ „Ganz gut soweit, danke der Nachfrage. Wenn ich sehe, wie viele Leute sich für die Sache aussprechen, geht es mir sogar noch besser“, gab der Braunhaarige zurück und sah zu Yui, die kurz ihren Namen auf der Liste eintrug und ihm dann die Liste zurückgab: „Du endest aber auch immer in den seltsamsten Zwischenfällen, kann das sein?“ „Du tust fast so, als würde ich das absichtlich tun, Senpai“, murrte Aiden und musterte die junge Frau, die nur mit den Achseln zuckte und sich dann wieder an ihre Übungen machte: „Nobiro, mach deine Übungen weiter, du bist schließlich nicht zum Tratschen hier!“ „H-hai, Senpai! Ich mach dann mal weiter… Wir sehen uns später, ihr beiden“, verabschiedete sich die Grünhaarige und lief wieder zu den anderen, um ihre Schießübungen zu machen. Aiden und Mirai sahen noch einen Moment zu, bis Yui ihnen klar machte, dass sie entweder mitmachen oder abhauen könnten, weshalb sich die beiden für letzteres entschieden.   Sie verbrachten noch eine ganze Stunde damit, die restlichen Sportclubs abzuklappern und es waren doch mehr, als Aiden anfangs geglaubt hatte. Erst als die Clubs ihre Tätigkeiten langsam einstellten, taten es Aiden und Mirai ihnen gleich und verließen das Schulgebäude, um sich auf eine Bank zu setzen. Eine Weile saßen sie stumm da, bevor Aiden sich im Nacken kratzte und auf das Gebäude schaute: „Wie lange will meine Mutter eigentlich noch mit den Lehrern diskutieren?“ „Weiß nicht, aber ich bewundere ihre Ausdauer“, gluckste Mirai und lehnte sich etwas zurück, während sie müde aufseufzte und sich die Stirn rieb. Die Aktion entging Aiden nicht, weshalb er seine Freundin besorgt ansah: „Ist alles okay, Mirai? Du wirkst irgendwie so blass.“ Anfangs reagierte die Silberhaarige nicht und Aiden musste sie noch zweimal ansprechen, bevor sie realisierte: „Was? Ich weiß nicht, mein Kopf tut weh.“ „Wirst du krank? Vielleicht war das mit der Schule etwas zu viel für dich“, mutmaßte der Braunhaarige und behielt seine Freundin im Auge, die ihm einen bösen Blick zuwarf: „Mach dich nicht lächerlich! Als ob ein bisschen durch die Schule laufen mich schon so auslaugen würde. Es ist… ist…“ Sie brach mitten im Satz ab und fuhr sich wieder an die Stirn, als sie anfing, deutlich schneller und flacher zu atmen. Zaghaft berührte Aiden sie an der Schulter, bevor sie krampfhaft zusammenzuckte und leise wimmerte, da ihr Kopf sich anfühlte, als würde er gleich auseinander bersten.   ~~~???~~~   Mit einem langen Gähner bettete Mirai ihren Kopf auf ihren Armen und sah aus dem Fenster, während um sie herum lautes Stimmgewirr erklang. Sie verzog leicht das Gesicht, denn weder verstand sie wirklich, was die Leute redeten, noch konnte sie deren Gesichter erkennen. Der Raum, in dem sie sich befand, war deutlich zu erkennen und es handelte sich offensichtlich um ein Klassenzimmer, doch ihre Mitschüler waren wie durch einen grauen Schleier verborgen. Nach ihrer Unterhaltung mit Haruka hatte sie so etwas schon einmal erlebt, wobei sie sich damals an Kako erinnert hatte, welche als einziges Wesen klar zu erkennen gewesen war. Langsam hob sie den Kopf, als ein lautes Läuten ertönte und anhand der Bewegungen, die um sie herum entstanden, musste dies wohl das Ende des Schultages sein. Da sie in der Szene ohnehin bloß Zuschauerin war, ließ sie zu, dass sich ihr Körper wie von selbst bewegte und sich mit geschulterter Schultasche erhob, bevor sie sich mit einem Schüler auf den Weg machte.   Der Gang, in dem sie sich nun befand, hatte sie erst vor kurzem mit Aiden zusammen gesehen, weshalb sie sich anscheinend in der Gekkoukan High School befinden musste. Sie konnte zwar ihren Körper nicht kontrollieren, aber umsehen konnte sie sich immer noch, weshalb sie nach etwas oder jemandem Ausschau hielt, das nicht von diesem Schleier verborgen war. Was sie noch mehr störte war, dass sie sich über etwas mit der Person neben ihr unterhielt, davon aber nichts verstehen konnte, selbst ihre eigenen Worte waren nur ein Rauschen in ihren Ohren. Plötzlich stieß Mirai mit dem Rücken gegen eine Wand, als jemand seinen Arm neben ihrem Kopf abstützte. Leider erkannte sie die Person nicht, doch schien sie das nicht davon abzuhalten, der Person eine klatschende Ohrfeige zu verpassen. Die Situation verwirrte Mirai mehr, als dass sie ihr irgendeinen Aufschluss gab, denn trotz der Ohrfeige schien sie sich über die Szene zu freuen. War sie so sadistisch, dass sie es genoss, wenn sie Leute schlug oder war sie mit der Person befreundet? Tatsächlich drehte sie sich zu der geohrfeigten Person um und winkte ihr zu, was doch mehr dafürstand, dass sie die Person kannte. Sie spürte noch, wie sie der Person einen Arm um die Schulter legte, bevor alles vor ihren Augen verschwamm und sie leicht panisch nach Luft schnappte.   ~~~Gekkoukan High School~~~   Besorgt sah Aiden auf seine Bekannte, die ihre Hände in ihren Rock gekrallt hatte und fast am hyperventilieren war, ehe sie schlagartig die Augen aufriss und sich desorientiert umsah. „Ist alles okay, Mirai? Du bist komplett verkrampft“, fragte der Braunhaarige besorgt nach und stützte die Silberhaarige, die sich den Schweiß von der Stirn wischte und sich weiter umsah: „Es geht schon… Ich hatte wieder so eine Vision.“ „Wirklich? Du hast dich an was erinnert? Was war es?“, freute sich Aiden, doch schüttelte Mirai nur den Kopf: „Nichts… Ich scheine wirklich hier auf der Schule gewesen zu sein, aber ich konnte wieder keine Gesichter erkennen.“ „Mist… Aber wenn du wirklich hier auf der Schule bist, dann muss es doch Leute geben, die dich kennen!“, wurde Aiden etwas lauter, was seine Bekannte das Gesicht verziehen ließ: „Möglich, aber kannst du bitte etwas leiser sein? Mein Kopf…“ Schnell entschuldigte sich der Junge und kratzte sich an der Nase, denn das hatte er nicht beabsichtigt, als sich Mirai mit dem Kopf an seine Schulter lehnte: „Diese Erinnerungen tun weh und wirklich helfen tun sie auch nicht.“ „Mach dir keine Sorgen, wenn du dich nur an kleine Sachen erinnerst, sind wir dennoch auf dem richtigen Weg. Wir kriegen deinen Kopf schon wieder hin“, versicherte der Braunhaarige, was seine Bekannte sanft lächeln ließ, ehe sie die Augen schloss und versuchte, ihre Kopfschmerzen etwas zu lindern. Aiden hingegen sah wieder auf die Schule, während sich in seiner Brust ein warmes Gefühl breitmachte, welches er seiner vertieften Verbindung zu Mirai zuschrieb. Zusammen hockten sie einfach da und warteten, bis Rin mit einem zufriedenen Grinsen aus der Schule stolziert kam.   „Also, Aiden: Ich habe mich mit deinen Lehrern ausgiebig unterhalten und ihnen die Situation erklärt, weshalb sie deine Suspendierung aufgehoben haben. Du darfst also morgen wieder in die Schule gehen“, verkündete die Brünette fröhlich und strahlte ihren Sohn an, der grinsend nickte, dann aber noch ein anderes Thema ansprach: „Und was ist mit Nozaki?“ „Das… war leider etwas anderes, schließlich hat sie eine Schulregel unter falschen Tatsachen gebrochen, von daher wird hier noch diskutiert“, erklärte die Frau und sah die Enttäuschung im Gesicht ihres Sohnes, doch tätschelte sie ihm sanft den Kopf, um ihn aufzuheitern: „Es wird schon alles gut werden. Für dich ist alles gut ausgegangen und ich bin sicher, dass es für Nozaki-chan auch so sein wird.“ „Ja, vielleicht hast du recht“, gab er leicht niedergeschlagen zurück, als seine Mutter entschied, ihn und Mirai noch auf ein Eis einzuladen, was die Silberhaarige nur zögerlich annahm.   Kapitel 41: XLI – Hoffnung auf Besserung ---------------------------------------- ~~~Samstag 11. Juni 2016~~~   In der Boutique »Kaiser Crown« herrschte reges Treiben, denn das Wochenende stand vor der Tür und besonders die jungen Erwachsenen freuten sich auf Partys oder Treffen mit Freunden, wofür sie einige neue Kleider benötigten. Aiden hatte sich fest vorgenommen, heute auf der Arbeit zu erscheinen, doch als er den Andrang realisierte, wäre er lieber wieder nach Hause gegangen. Da dies erst sein zweiter Tag im Laden war, gab es allerdings noch nicht so viel, bei dem er wirklich helfen konnte, außer die Regale mit neuen Waren aufzufüllen. Stets darauf bedacht, keinen Fehler zu machen, huschte Aiden zwischen einigen Kleiderständern herum und hing ein paar neu reingekommene Kleider an Bügeln auf eine Stange, damit sie nicht zerknitterten und besser zu betrachten waren. Auch wenn Asuka sich nicht im Verkaufsraum befand, war der Braunhaarige sich sicher, dass die Blondine ihn irgendwie beobachtete und wenn er ehrlich war, machte ihn das schon nervös. Mit einem leisen Seufzer legte er das letzte Stück seiner Fuhre in die Auslage und nutzte die Zeit, sich im Laden umzusehen, der trotz der Tatsache, dass er bereits eine Stunde arbeitete, immer noch brechend voll war. Langsam fuhr er sich mit der Hand durch die Haare, als er jemanden seinen Namen rufen hörte und ein suchender Blick offenbarte ihm Kaname, die an der Kasse stand und ihn zu sich winkte. Mit schnellen, aber sicheren Schritten schlängelte er sich zwischen den Kunden hindurch, bis er bei der brünetten Frau an der Kasse ankam, die sichtlich gestresst wirkte: „Ist alles in Ordnung, Nijiro-senpai?“ „Ganz ehrlich? Nein! Kyousho-san ist beschäftigt und Sumi musste Maki-chan nach Hause bringen, weil ihr schlecht geworden ist. Tut mir leid, wenn ich dich ins kalte Wasser schmeißen muss, aber kannst du mir bei der Kasse helfen, Kurosaki-kun?“, redete sich die Frau erst etwas in Rage, bevor sie fast schon bettelnd die Hände aneinanderlegte und ihn fest ansah. „Wenn du mir zeigst, wie das funktioniert, tue ich, was ich kann“, gab er sofort zurück und kam um den Tresen herum, wo Kaname die Kunden kurz um einen Moment Geduld bat und anschließend begann, Aiden einen Crashkurs in Sachen Kassenbedienung zu geben.   Leider war Aiden nicht unbedingt das, was man ein Technikgenie nennen konnte, doch prägte er sich die Anweisungen so gut es ging ein: „Ich hoffe einfach, dass es keine Störung oder so etwas gibt. Falls du was vergisst, ich steh ja immer noch neben dir, also keine Panik.“ Auf die Aussage konnte Aiden nur eine Augenbraue heben, denn wenn hier einer gerade in Panik verfiel, dann war es Kaname selbst, doch konnte er schon verstehen, was in ihr vorging. Da die Kunden, die sich mittlerweile zu einer langen Schlange geformt hatten, unruhig wurden, schaltete er die Kasse an und begann damit, seine erste Kundin zu bedienen. Um keine Fehler zu machen machte er am Anfang etwas langsamer, was ihm leider den ein oder anderen dummen Kommentar einbrachte, den er so gut es ging ignorierte. Nach dem dritten Kunden hatte er eine gewisse Routine und wusste, wo er draufdrücken musste, damit er die Ware zusammenaddieren und abkassieren konnte, weshalb es etwas schneller ging. Die nächste Kundin, die mit ihrer Karte zahlen wollte, brachte ihn allerdings komplett aus dem Konzept, weshalb er sich hilfesuchend an die Brünette wandte: „Nijiro-senpai, wo haben wir das Kartenlesegerät?“ „Schau mal unter dem Tresen, da ist eine kleine Nische. Du müsstest das Kabel bereits sehen können. Vielen Dank für ihren Besuch, beehren Sie uns bald wieder. Da rechts“, schaffte es die Frau gleichzeitig eine Kundin zu bedienen und Aiden zu dirigieren, wodurch er das gewünschte Objekt fand. Um nicht als ganz inkompetent dazustehen, versuchte er, selbst mit dem Lesegerät zurechtzukommen und zu seiner großen Freude schaffte er dies auch, was allerdings eher an den entsprechenden Tasten auf dem Display der Kasse lag.   So langsam wurde Aiden klar, warum Kaname ihn um Hilfe angefleht hatte, denn auch wenn die Brünette nur die Hälfte der Kunden bedienen musste, war sie dennoch ununterbrochen am Rödeln und hatte kaum Zeit zum Verschnaufen. Zwar war er deutlich langsamer beim Kassieren und brauchte fast das Dreifache an Zeit, doch würde er nicht sagen, dass er schlecht war. Immerhin beschwerte sich keiner der Kunden mehr über sein Tempo, was die Arbeit schon deutlich angenehmer machte. Nachdem die letzte Kundin in der Schlange mit gefüllten Taschen den Laden verlassen hatte, stießen beide Kassierer einen langen Seufzer aus. Kaname richtete sich kurz ihre Haare, ehe sie sich an ihren Mitarbeiter wandte und ihn freudig anlächelte: „Du bist echt ein Lebensretter, weißt du das? Alleine wäre ich immer noch nicht fertig.“ „Keine Ursache, ich bin ja froh, dass ich helfen konnte. Ist aber auch schön, dass ich jetzt mal bezahlt werde“, brummte der Braunhaarige, was die Frau stutzen ließ: „Warum wirst du jetzt mal bezahlt? Weil du was verkauft hast? Jede Aushilfe bei uns hat ihr festes Gehalt, das mit der Provision hat bei den Aushilfen keinen großen Sinn, weil sie nicht so gut im Verkauf sind. „Was? Kyousho-san hat gesagt, dass ich nur bezahlt werde, wenn ich was verkaufe und dann kassiert sie auch noch 90% meiner Provision“, platzte es aus dem Oberschüler heraus, der wütend den Gang zum Büro der Blondine schaute, welche auch gerade aus diesem herauskam.   Asuka warf sich kurz ihren Haarzopf zurück, ehe sie in den Verkaufsraum stolziert kam und sich etwas verwundert umsah: „Wo sind Sumi und Maki?“ „Maki ist schlecht geworden und Sumi hat sich bereit erklärt, sie nach Hause zu bringen. Die arme Maki sah aus, als würde sie sich jeden Moment übergeben, vermutlich hat sie was falsches gegessen“, erklärte die Brünette etwas gereizt, denn anscheinend gefiel auch ihr nicht, wie ihre Chefin mit Aiden umsprang. Besagte Chefin erblickte ihre Aushilfe hinter dem Tresen und trat an ihn heran, um sich das Kassenprotokoll anzusehen: „Für das erste Mal an der Kasse akzeptabel. Deinen Anteil an der Provision kriegst du beim nächsten Mal, da wir immer erst am Ende der Woche abrechnen.“ Es brannte dem Jungen unter den Nägeln nach seiner normalen Bezahlung zu fragen, doch war es Kaname, die für ihn eintrat: „Kyousho-san, hat Kurosaki-kun einen anderen Vertrag als die restlichen Aushilfen? Müsste er nicht normal bezahlt werden?“ „Natürlich wird er das, ich bin schließlich kein Unmensch. Wenn der Herr nicht in der Lage ist, den Umschlag aus seinem Spind zu holen, kann ich nichts dafür. Nijiro, sei so gut und geh mal nachsehen, wie viele der Sommerkleider wir noch haben oder ob wir etwas nachordern müssen“, gab die Blondine zurück und scheuchte die Brünette anschließend ins Lager davon, bevor sie Aiden mit ihren violetten Augen fixierte. In ihren Augen lag so ein bedrohliches Funkeln und Aiden hatte irgendwie das Gefühl, als ob sie ihn provozieren wollte, doch würde er ihr nicht auf den Leim gehen. Natürlich machte es ihn extrem wütend, dass sie ihn wieder ausgetrickst hatte, doch machte sie es noch schlimmer, indem sie weiterstichelte: „Willst du was sagen, mein kleines Ai-chan?“ Für einen Moment biss er die Zähne zusammen und ballte er so stark die Faust, dass seine Knöchel weiß hervortraten, doch riss er sich am Riemen und senkte den Blick: „Nein, Kyousho-san, alles gut.“ „Du bist gehorsam und ein Arbeitstier. Eine hervorragende Mischung, Ai-chan. Deine Bezahlung von heute und von letzter Woche liegt in deinem Spind in einem Umschlag, aber vergiss nicht wieder, sie mitzunehmen. Du kannst für heute gehen, aber eins sage ich dir, du bleibst mir erhalten, mein kleiner Goldesel“, grinste sie ihn frech an und scheuchte ihn dann mit der Hand davon, während sich in der Brust des Braunhaarigen ein warmes Gefühl breitmachte. Zwar freute er sich, dass er Fortschritte machte, doch würde er sich lediglich wünschen, dass er mit einer anderen Person zu tun hätte.   Nach der Schicht verließ Aiden die Boutique und staunte nicht schlecht, als er das Geld aus den zwei Umschlägen durchzählte. Dafür, dass Asuka ihn so sehr auf den Arm genommen hatte, bezahlte sie ihre Angestellten wirklich nicht schlecht, was das Ganze bestimmt deutlich erträglicher machen würde. Grinsend verstaute er das Geld in seiner Tasche, als es aus einem anderen Fach zu klingeln begann und er hastig nach seinem Handy kramte. Schnell hatte er das Mobiltelefon gefunden und warf erst einmal einen Blick auf das Display, auf dem das Wort »Mama« stand, bevor er das Gespräch annahm: „Hey, Mama. Bist du schon zu Hause?“ „Ja, ging zum Glück besser als erwartet und was ist bei dir? Ich habe schon dreimal angerufen, aber du bist nie dran gegangen. Geht es dir gut?“, gab die Frau auf der anderen Leitung leicht besorgt zurück, was Aiden sich nervös an der Wange kratzen ließ: „Ich war beschäftigt und hatte das Handy nicht zur Hand. Mach dir keine Sorgen, mir geht es wieder gut.“ „Das sagst du zwar, aber eine Mutter spürt, wenn ihr Kind etwas bedrückt“, erwiderte Rin belehrend, was den Braunhaarigen nur belustigt mit den Augen rollen ließ: „Schon klar, Mama, aber es ist wirklich in Ordnung. Ich habe einen Nebenjob angenommen und musste mich darauf konzentrieren.“ Während seine Mutter sich daran erinnerte, dass sein Vater das wohl mal beiläufig fallen gelassen hatte, entdeckte Aiden Haruka an der Bahnstation, die auf ihr eigenes Handy schaute und dabei die Stirn in Falten legte. Mit der schnellen Entschuldigung, dass er jetzt in den Zug einsteigen müsse, beendete Aiden das Gespräch, um sich seiner Mitbewohnerin zu widmen.   „Ist alles in Ordnung bei dir, Tenno? Du guckst so seltsam“, ergriff er nach einem Moment das Wort, was die Brünette kurz zusammenzucken ließ, bevor sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr strich: „Oh, hi, Kurosaki-kun. Wo kommst du denn so spät noch her? Ich kann nicht unbedingt sagen, dass alles in Ordnung ist. Ich versuche Sakura anzurufen, aber sie hebt nicht ab und wenn ich bei ihrer Mutter anrufe, wimmelt Saku diese einfach ab. Langsam mache ich mir echt Sorgen.“ „Irgendwie habe ich ein Dejá-vù“, brummte der Braunhaarige und kratzte sich im Nacken, ehe er wieder zu dem Mädchen neben sich schaute: „Vielleicht solltest du einfach mal hingehen und dich persönlich mit ihr unterhalten. Dann kann sie dich nicht so einfach abwimmeln.“ „Wollte ich sowieso machen. Magst du mitkommen? Ich könnte eventuell etwas Hilfe bei ihr gebrauchen. Sakura kann recht dickköpfig sein, wenn sie bockig ist“, erklärte Haruka und steckte ihr Handy in die Jackentasche, bevor sie in den Zug einstieg, der gerade am Bahnsteig gehalten hatte. Da der Zug nicht sonderlich voll war, konnten beide einen Sitzplatz ergattern, was Aiden auch recht zugutekam, denn er hatte während der Arbeit eindeutig genug gestanden oder war herumgelaufen. Während der Fahrt erkundigte sich Haruka, ob er denn wüsste, wo die Rosahaarige wohnte, woraufhin Aiden ihr erklärte, dass er nur einmal aus Zufall dort vorbeigekommen war und dabei auch lediglich das Dojo von innen gesehen hatte. Verstehend nickte die Brünette und erklärte ihm noch einmal den Weg, welchen sie nach der Zugfahrt auch sofort einschlugen.   Alleine hätte Aiden den Weg vermutlich nicht mehr gefunden, doch da er einfach nur Haruka folgen musste, war das ganze gar kein Problem, weshalb sie nach kurzer Zeit vor dem Haus der Familie Nozaki standen. Der alte Stil des Hauses passte einfach perfekt zu dem Dojo, doch fiel ihm jetzt auf, dass alle Häuser in der Gegend noch in diesem alten, traditionellen Stil gehalten waren. „Ist ja an sich eine ganz schöne Gegend, aber ich bevorzuge doch einen etwas moderneren Stil. Was ist mit dir, Kurosaki-kun?“, erkundigte sich die Brünette, während sie die Türklingel betätigte und darauf wartete, dass entweder die Tür aufgehen oder sie eine Antwort erhalten würde. Der Braunhaarige sah sich kurz um und dachte über die Frage nach, doch kam er zu keiner Antwort, denn vorher öffnete sich die Tür und eine etwas korpulentere Frau mit dunkelblonden Haaren kam zum Vorschein. Zuerst fiel ihr Blick auf Aiden, bevor er zu Haruka wanderte und da hellte sich ihre Miene auf: „Ach, Haruka-chan, das ist ja eine Freude. Du kommst bestimmt Sakura besuchen.“ „Das war mein Plan gewesen, Himawari-san. Sie antwortet ja nicht auf meine Nachrichten oder Anrufe“, gab die Schülerin zurück, was die Frau nur leise seufzen und sich die Hand an die Wange legen ließ: „Ja, diese ganze Sache hat sie schwer mitgenommen, aber ich bin ja niemand, der einer Person einen Fehler auf die Nase bindet. Wobei ich meinem werten Gatten gesagt habe, dass das keine gute Idee ist!“ Den letzten Satz hatte sie etwas lauter über die Schulter gerufen, woraufhin aus einem Raum ein missgelauntes Brummen zu hören war: „Ja, ich habe es verstanden, Himawari. Ich kläre das Problem schon, keine Sorge.“ „Wenn ich das nur glauben könnte… Naja, kommt doch bitte rein. Sakura ist oben in ihrem Zimmer und wenn ihr reingeht, dann seid doch bitte so nett und lüftet einmal durch. Sie ist so deprimiert, dass sie nicht einmal das tut“, sprach die Frau traurig weiter und trat zur Seite, um die beiden Teenager eintreten zu lassen.   Noch während die beiden sich die Schuhe auszogen, verschwand die Blondine in einer Tür auf der linken Seite, weshalb Aiden sich hilfesuchend an Haruka wandte, die ihn den Flur entlangführte. Überall an den Wänden hingen alte Bilder von Samurai oder gar richtige Katana, wobei sich der Braunhaarige schon fragte, ob diese lediglich Deko oder echte Waffen waren. Da es sich um ein Haus mit Dojo handelte, lag die Vermutung nahe, dass die Waffen tatsächlich zu gebrauchen waren, aber er würde es nicht wagen, eine davon anzufassen. Als Haruka plötzlich vor einer Tür stehen blieb, musste Aiden abrupt stoppen und betrachtete die Tür, auf der eine große Kirschblüte angebracht war. Kurz sah er weiter den Flur entlang und entdeckte eine weitere Tür, an der eine Sonnenblume und ein Farn angebracht waren. „Heißt Nozakis Vater zufällig Shida?“, fragte er vorsichtig nach, woraufhin die Brünette belustigt schnaubte und an die Tür klopfte, nur um sie kurz darauf aufzuziehen: „Ist schon sehr offensichtlich, oder? Hey, Saku!“ Haruka betrat den Raum doch blieb Aiden selbst vor der Tür stehen, denn zwar war er damals in Harukas Zimmer rein gegangen, doch hatte er einfach keine Wahl gehabt und jetzt fühlte er sich einfach nicht wohl dabei, erneut das Zimmer eines Mädchens zu betreten. Erst als er noch einmal von Haruka zum Reinkommen aufgefordert wurde, betrat er den Raum und schloss die Tür hinter sich.   Kurz ließ er den Blick schweifen, doch wirkte das Zimmer nicht sonderlich speziell. Es war ein einfach eingerichtetes Zimmer, wie es wohl die meisten Teenager in ihrem Alter hatten, lediglich das Katana an der Wand stach einem als Deko sofort ins Auge. Hier und da standen kleine Samurai- oder Pferde-Figuren herum, weshalb er sich insgeheim fragte, ob Sakura auch Reitsport praktizierte. Anschließend richtete der Braunhaarige seinen Blick aufs Bett, wo unter der Bettdecke eine große Beule zu sehen war, die mit Sicherheit von der Rosahaarigen kam. Haruka kam der Bitte von Sakuras Mutter nach und öffnete erst einmal das Fenster, ehe sie ans Bett trat und die Decke leicht anhob: „Saku, du kannst dich doch nicht die ganze Zeit hier in deinem Zimmer verkriechen.“ „Kann ich wohl…“, kam es unter der Decke hervor und innerlich seufzte Aiden, denn seine Bekannte schien wirklich mit den Nerven am Ende zu sein, doch Haruka sah das Ganze wohl etwas anders: „Gut, du könntest, aber du solltest es nicht. Jetzt komm da raus, Kurosaki-kun und ich wollen mit dir reden.“ Für einen Moment blieb es still, bevor Sakura ein leises „Hey, Kurosaki“, von sich gab, allerdings immer noch unter der Decke verborgen blieb. Auch wenn die Rosahaarige es nicht sehen konnte, hob er die Hand zum Gruß und sah dann zu seiner Mitbewohnerin, die sich ein Herz fasste und einfach die Decke von ihrer Freundin zog. Beim Anblick des Mädchens konnte Aiden nur traurig dreinschauen, denn sie wirkte wirklich wie ein kleines Häufchen Elend. Ihre Haare hatte sie wohl seither nicht gewaschen und waren komplett zerzaust, ihre Augen waren rot und verquollen und durch die Embryohaltung machte sie das Bild noch schlimmer.   „Hey, Nozaki. Alles klar?“, sprach Aiden das erste aus, was ihm in den Sinn kam, auch wenn er sich sofort danach mental in den Hintern trat. Sakura schien das nicht zu stören, denn sie schniefte nur kurz und schüttelte dann den Kopf: „Nein, nichts ist klar… Ich fliege von der Schule und mein Traum ist auch vorbei…“ „Jetzt übertreibst du aber, Sakura. Du wirst schon nicht von der Schule fliegen und so einfach würde ich deinen Traum nicht aufgeben. Kurosaki-kuns Suspendierung wurde auch aufgehoben… Okay, das war vermutlich nur, weil seine Mutter die Lehrer übelst zusammengestaucht hat, aber es hat funktioniert“, versuchte Haruka ihre Freundin wieder auf die Beine zu bringen, doch erneut gab die Rosahaarige nur ein leises Schniefen von sich, bevor sie ihr Kopfkissen nahm und es sich über den Kopf zog. „Du machst mich fertig, weißt du das? Hast du Hunger? Oder Durst? Irgendwas, was ich für dich tun kann?“, wurde die Brünette langsam verzweifelt, als unter dem Kissen eine leise Antwort hervorkam: „Einen Tee hätte ich gern…“ „Kriegst du“, erwiderte Haruka deutlich sanfter und marschierte wieder zur Tür, wobei sie Aiden kurz an die Schulter tippte: „Ich bin gleich wieder da. Versuch du doch mal, mit ihr zu reden. Immerhin betrifft dieses Problem euch beide.“ Bei der letzten Aussage schien sie etwas gereizt zu wirken, doch hatte sie schon den Raum verlassen, bevor Aiden hatte nachfragen können. Mit einer leichten Grimasse wandte sich der Braunhaarige nun dem Bett zu und musterte seine Clubkameradin einen Moment, ehe er sich neben das Bett auf den Boden setzte.   „Ich denke mal, dass wir beide uns unterhalten sollten, Nozaki“, ergriff er das Wort, woraufhin das Schniefen unter dem Kissen lauter wurde: „Es tut mir leid, Kurosaki-kun… du bist nur meinetwegen in Schwierigkeiten geraten. Wenn du mich nicht gedeckt hättest, hättest du den ganzen Ärger jetzt nicht am Hals.“ Für einen Moment blies Aiden die Wangen auf und entließ die Luft sehr langsam durch den Mund, bevor er seufzte und sich mit der Hand durch die Haare fuhr: „Kann sein, dass ich mir den Ärger hätte sparen können, aber… Ich habe dich nie für meine Situation verantwortlich gemacht.“ „Hast du nicht?“, kam es zögerlich unter dem Stoff hervor, welcher auch ein Stück angehoben wurde und eins von Sakuras roten Augen freigab. Auf die Frage konnte Aiden nur lachen und lehnte sich auf die Bettkante: „Natürlich nicht. Es war meine Entscheidung und dafür muss ich grade stehen. Das ist nicht deine Schuld, also mach dir deshalb bitte keine Vorwürfe. Ich weiß nicht, ob es ein Trost für dich ist, aber ich bin an etwas dran, um dir eventuell zu helfen.“ „Meinst du das ernst?“, fragte das Mädchen zaghaft nach und setzte sich jetzt sogar auf, wobei sie das Kissen fest an ihre Brust drückte, als hätte sie Angst, es zu verlieren. Aiden nickte einmal und begann dann zu erzählen, was Katzumi ihm geraten und wie er gestern und auch heute in der Pause mit einigen seiner Mitschüler gesprochen hatte. Als Sakura hörte, dass sich selbst die Jungs aus dem Kendoclub für sie ausgesprochen hatten, machte sie große Augen und drückte das Kissen noch enger an sich.   „Meinst du, dass das wirklich funktioniert?“, stellte die Rosahaarige nach einem Moment die Frage, die sie extrem beschäftigte, doch konnte der Braunhaarige nur mit den Achseln zucken: „Ich weiß es nicht, wenn ich ganz ehrlich bin. Aber lieber versuche ich etwas, um einem Freund zu helfen, als tatenlos rumzusitzen. So wie Samejima das erklärt hat, sind die Lehrer bei so etwas sehr kooperativ, also lass uns positiv gestimmt bleiben, dann wird schon alles gut gehen.“ Auf die Aussage musste die Rosahaarige erst einmal nachdenken und sah erst dann auf, als Haruka mit drei dampfenden Bechern ins Zimmer zurückkam und diese auf den Tisch stellte: „Hier, aber vorsichtig, extrem heiß. Schön, dass du endlich mal aufrecht stehst… äh, sitzt, Sakura.“ Auf den Witz gab die Kendoka keine Regung von sich, sondern nippte vorsichtig an ihrem Tee und starrte nachdenklich auf die Tischplatte ihres Beistelltisches. Leicht besorgt sahen sich die beiden Schüler an, bevor Sakura aufseufzte und versuchte, sich mit der Hand ein wenig die Haare zu glätten. Besorgt lehnte sich Haruka ein wenig vor und sah ihrer Freundin ins Gesicht, die ein leicht schiefes Grinsen aufsetzte: „Naja, was soll ich groß machen? Ich werde einfach warten und hoffen, dass Kurosaki-kuns Methode irgendwas ausrichtet. Bis dahin halte ich die Füße still und gehe vielleicht mal duschen.“ Etwas erleichtert atmete Haruka aus und tätschelte ihrer Freundin sanft den Rücken: „Es wird alles gut, Saku. Wir kriegen das hin.“ „Ich versuche, daran zu glauben, Haru. Danke, dass ihr beide für mich da seid“, lächelte die Rosahaarige nun aufrichtig und in dem Moment spürte Aiden ein warmes Gefühl in seiner Brust aufsteigen.   Das Trio saß noch eine Weile zusammen, wobei sich Sakura danach erkundigte, was so in der Schule los war. Haruka erzählte dann tatsächlich, dass sie Rins kleinen Ausraster im Lehrerzimmer mitbekommen hatte, denn den musste man wohl im gesamten Gang gehört haben. Die Geschichte half wirklich dabei, die Laune der Rosahaarigen zu heben, denn sie wirkte deutlich entspannter als noch einige Minuten zuvor. Der Mond war schon längst aufgegangen, als die beiden Wohnheimbewohner beschlossen, dass es Zeit wäre, den Heimweg anzutreten. Sakura begleitete die beiden noch bis zur Tür, wobei sie Haruka umarmte und sich vor Aiden verneigte. „Danke nochmal ihr beiden. Ich bin echt froh, Freunde wie euch zu haben.“ „Jederzeit, Haru, aber tu mir wirklich den Gefallen und geh dich waschen“, murmelte Haruka, woraufhin ihre Freundin sie noch ein Steck fester an sich drückte: „Dann mief doch mit mir.“ „Spinnst du? Lass das, das ist eklig! Saku!“, beschwerte sich die Brünette und schob ihre Freundin von sich weg, die nur lachte und dann mit einem Winken im Haus verschwand. Leicht schmollend schaute die Schülerin zu Aiden, der sich mit einem Grinsen abwandte und loslief: „Für Freunde steckt man auch mal eine solche Umarmung ein. Du bist echt eine tolle Freundin, Tenno.“ Der Kommentar ließ Haruka rot anlaufen, wobei sie sich nervös mit den Fingern durch die Haare fuhr, bevor sie dem Braunhaarigen nachlief, um ebenfalls den Heimweg anzutreten.   ~~~Sonntag 12. Juni 2016~~~ Je länger Aiden auf die Aufgaben vor ihm schaute, desto mehr sank seine Motivation in den Keller. Die Tatsache, dass Sonntag war, half dem Braunhaarigen nicht wirklich dabei, seine versäumten Schulaufgaben nachzuholen, doch wollte er dies auch nicht unnötig vor sich herschieben. Luca und Miyuki halfen ihm bei einigen Dingen, insbesondere, wenn bei einem Thema eine kleine Erklärung notwendig war. Mirai hingegen hatte es sich mit einem Buch in einem Sessel bequem gemacht und blätterte gemütlich eine Seite um, bevor sie die drei Schüler neugierig anschaute: „Musst du noch viel nachholen? Das wirkt mir für zwei Tage etwas übertrieben.“ „Nein, nicht mehr viel. Noch zwei Aufgaben und dann habe ich es geschafft“, erwiderte Aiden und setzte sich an die Vorletzte Hürde, während Luca sich mit hinter dem Kopf verschränkten Armen zurücklehnte: „Ich hätte dich auch abschreiben lassen können, weißt du?“ „Das weiß ich zu schätzen, aber durch reines Abschreiben lerne ich den Kram nicht und schaue am Ende doof in die Röhre, wenn es in der Prüfung drankommt“, gab der Braunhaarige zurück und raufte sich leicht verzweifelt die Haare, denn egal wie er die Aufgabe anging, er endete immer in einer Sackgasse.   Miyuki hatte ihren Zeichenblock auf dem Schoß und kritzelte ein wenig vor sich hin, wobei sie nebenbei etwas in den Raum warf: „Die Aufgabe, an der du dran bist, ist übrigens nicht lösbar. Das war mir schon aufgefallen und Katzu hat mir erklärt, dass da wohl ein Druckfehler im Buch ist.“ „Dein Ernst?“, kam es entgeistert von den beiden Jungs, die die Grünhaarige nun mit großen Augen ansahen, welche allerdings nur mit den Achseln zuckte: „Ich dachte, ich sage es lieber gleich, bevor du dir noch die Haare ausreißt. Sagt mal, wo ist eigentlich Haruka-chan?“ „Jetzt wo du es erwähnst, ich hab Tenno-chan heute noch gar nicht gesehen“, warf Luca ein und sah sich im Foyer des Wohnheims, doch drehte er den Kopf zur Seite, als Mirai ihm eine Antwort gab: „Sie meinte eben, dass sie noch was wichtiges zu tun hätte und später wieder da sei. Ach und sie hat irgendwas von Besuch gesagt.“ „Besuch?“, wiederholte Miyuki mit schief geneigtem Kopf, als der Spanier freudig grinste: „Bestimmt Nozaki-chan.“ Aiden hörte nur mit einem halben Ohr zu, denn er konzentrierte sich auf die letzte Aufgabe, die er zum Glück relativ schnell lösen konnte und legte anschließend wohlig seufzend seinen Stift beiseite: „Fertig. Meine Hand bringt mich um.“   „Soll ich dir etwas Magnesium holen? Das hilft bei Krämpfen“, bot die Grünhaarige an, doch winkte der Braunhaarige nur ab und rieb sich stattdessen das Handgelenk: „Nicht nötig, trotzdem danke, Miyuki. Aber zu deiner Aussage, Luca, ich glaube nicht, dass es Nozaki ist, den Tenno mitbringt. „Nein? Wer soll es dann sein?“, wollte der Spanier wissen, als in diesem Moment die Tür aufging und Haruka eintrat. Hinter ihr kam eine etwas kleinere Person ins Wohnheim und Aiden konnte nur grinsen, denn seine Vermutung hatte sich als richtig herausgestellt. „Tadaima“, begrüßte Haruka ihre Freunde und hob die Hand, während sich Setsuna neben ihr respektvoll verneigte: „Guten Tag, werte Senpai.“ Luca und Miyuki musterten den Jungen mit den blau-weißen Haaren erstaunt, als Aiden seinem Freund leicht in die Seite boxte: „Tja, ich hab mir schon gedacht, dass sie Akutagawa mitbringt.“ „Woher willst du das jetzt bitte gewusst haben?“, erwiderte der Spanier leicht angesäuert, was den Anführer der Gruppe auflachen ließ: „Ich habe Akutagawa im Krankenhaus getroffen und irgendwie erscheint es logisch, dass er uns wegen der Sache ansprechen will. Wie könnte er das besser tun als durch Tenno?“ Die Erklärung ließ den Jungen zögerlich nicken, bevor er wieder zu dem Erstklässler schaute: „Na dann, nimm Platz, Kleiner.“ „Du musst mich nicht auf meine Größe reduzieren, okay?“, brummte Setsuna leicht verstimmt und ließ sich auf einen freien Sessel fallen, während Haruka sich neben Miyuki auf die Couch setzte und zu ihrem Bekannten schaute.   Setsuna ließ sich einen Moment Zeit, um das Innere des Wohnheims zu betrachten, bevor er den Kopf senkte und das Wort ergriff: „Erst einmal vielen, vielen Dank, dass Ihr mich gerettet habt. Ich weiß nicht, wie ich euch das danken soll.“ „Brauchst du nicht, Akutagawa-kun. Das haben wir nicht getan, um eine Belohnung von dir zu bekommen, sondern weil wir dir helfen wollten“, gab Miyuki sofort zurück und ließ den Jungen etwas zusammensacken: „Aber… irgendwie muss ich mich doch bei euch bedanken.“ „Hast du doch. Du hast »vielen, vielen Dank« gesagt und damit ist die Sache erledigt“, schnitt Mirai dem Jüngeren das Wort ab, wobei sie zeitgleich das Buch zuklappte und auf den Tisch legte: „Aber wenn du uns wirklich helfen willst, dann kannst du uns deine Kraft zur Verfügung stellen.“ „Meine… Kraft?“, kam es zögerlich von dem Kleinen, der sich eine Hand an die Brust legte und zu Aiden schaute: „Ist das dieses Ding, zu dem mein Doppelgänger geworden ist?“ „Genau. Dein Wahres Ich oder auch Persona genannt“, erklärte der Gruppenführer und lehnte sich etwas vor, um weiter zu sprechen: „Die Monster, die in dieser anderen Welt hausen, nennen wir Shadows und so wie es aussieht, können lediglich Leute mit einer Persona gegen sie kämpfen.“ „Aus diesem Grund haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, in diese Welt zu gehen und diesen Viechern in den Arsch zu treten!“, ergriff nun Luca das Wort und hob die Faust, doch musste er von Miyuki gebremst werden: „Wir gehen da nicht rüber, um Monster zu verhauen, sondern um nach Mirais Erinnerungen zu suchen. Vergiss das bitte nicht, Silva-kun.“ „Ich bitte dich, Nobiro-chan, als ob ich das Anliegen meiner wundervollen Mirai vergessen würde“, säuselte der Braunhaarige und brachte sowohl Haruka als auch Mirai dazu, mit den Augen zu rollen. Aiden seufzte leise auf und rieb sich die Nasenwurzel, als Setsuna aufsprang und die Gruppe mit weit aufgerissenen, fast schon strahlenden Augen ansah: „Das heißt, Ihr seid eine echte Heldengruppe, wie die Featherman Rangers! Ihr kämpft gegen Monster, rettet vermisste Personen, sucht nach den Erinnerungen eurer Freundin. Ihr… Ihr… Ihr seid einfach die coolsten Leute der ganzen Schule!“   Die Aussage ließ die ganze Gruppe erst einmal überrascht dreinschauen, während Setsuna sie immer noch mit großen Augen der Reihe nach anschaute und dabei wie ein kleines Kind quietschte: „Das ist einfach so verdammt cool und ich habe diese Kraft auch?“ Immer noch von der Reaktion sichtlich erstaunt konnte Haruka nur zaghaft nicken, was den Jungen freudig durch das ganze Zimmer rennen und dabei Kiara und Kako aufschrecken ließ: „Ich kann ein Held werden! Ein richtig echter Superheld! Das ist der tollste Tag in meinem Leben! Das war die Hölle mit meinem Shadow echt wert!“ Während Haruka und Miyuki Setsuna beim Rumrennen zusahen, wandte sich Mirai an die beiden Jungs des Teams und machte mit ihrem Zeigefinger eine kreisende Bewegung neben ihrem Kopf: „Kann es sein, dass der Kleine nicht mehr alle Latten am Zaun hat?“ „Naja, immerhin scheint er sich nicht vor den Shadows zu fürchten und wird vermutlich auch keine Probleme damit haben, seine Persona zu rufen“, vermutete Luca nachdenklich, woraufhin sich Aiden erhob und zur Treppe ging: „Das ist ein gutes Stichwort, Luca. Ich bin gleich wieder da.“ Es dauerte nicht lange, bis Aiden die Treppe wieder nach unten kam und Setsuna zur Ruhe rief, damit dieser auch mitbekam, um was es jetzt gehen sollte.   Gehorsam setzte sich der Junge wieder auf den Sessel, wobei er immer noch hibbelig mit den Füßen zappelte und dabei neugierig auf den Gegenstand schaute, den Aiden in der Hand hielt: „Ist ja ganz schön, dass du das so aufregend findest, aber der Kampf gegen die Shadows ist alles andere als leicht.“ „Das ist mir bewusst, aber ich bin zuversichtlich, dass wir als Team gegen jeden Feind und Schurken gewinnen können!“, blieb der Weiß-blauhaarige zuversichtlich, woraufhin Aiden eine silberne Pistole auf den Tisch legte: „Das ist ein Evoker, den benutzen wir, um unsere Persona zu rufen.“ „Kriegst du das hin? Dir in den Kopf zu schießen, um diese Kraft freizusetzen?“, kam es nun von Mirai, die zur Verdeutlichung mit den Fingern eine Pistole formte und sich den Zeigefinger an die Schläfe setzte. Einen Moment sah Setsuna zwischen den Älteren hin und her, bevor er vorsichtig die Kanone aufhob und in den Händen wog: „Das... ist keine echte Pistole, oder?“ „Nein, sie dient wirklich nur dazu, die Persona zu rufen. Wir haben keinen Plan wie das funktioniert, aber das tut es. Glaubst du, du schaffst das?“, kam es nun auch von Luca, denn sie alle machten sich Sorgen um die Mentalität des Jungen. Immerhin war Setsuna in mehr als einer Hinsicht noch ein Kind, doch setzte sich der Junge einfach den Evoker an die Schläfe und drückte ab. Die Gruppe starrte ihn erneut mit großen Augen an, doch hatte der Jüngste nur einen enttäuschten Schmollmund auf Lager: „Es passiert ja gar nichts.“   Nun war die Gruppe mit den Nerven völlig am Ende und Luca klopfte Aiden hart mit der Hand auf den Rücken: „Alter, dieser Knirps macht mich fertig.“ „Wie kann man eigentlich so sorglos sein?“, jammerte Miyuki und hielt sich die Brust, was Haruka ihr gleichtat: „Ich glaube, Setsuna-kun ist einfach viel zu aufgeregt um irgendwas im Moment zu hinterfragen.“ „Hey, was tuschelt ihr da? Warum ist meine Persona nicht gekommen?“, entrüstete sich der Junge und sah die Gruppe auffordernd an, als Aiden sich erhob und sich durch die Haare fuhr: „Die Persona scheinen lediglich in der anderen Welt erscheinen zu können. Hier ist das Ding also nichts außer einer glänzenden Attrappe. So wie es aussieht, hast du aber wirklich keinerlei Probleme damit, sie einzusetzen.“ „Wenn ich damit ein Held werden kann, dann nutze ich es! Das ist wie der Morpher, die die Featherman Rangers einsetzen. Mach dich bereit, Schattenwelt, Akutagawa Setsuna, der Persona Ranger, wird deinen Bewohner Gerechtigkeit zuteilwerden lassen!“, rief er euphorisch aus und Aiden spürte wieder dieses vertraute, warme Gefühl in der Brust, wobei er im Moment nicht zuordnen konnte, zu wem genau es gehörte, dennoch wusste er aber, dass ihr Team ein neues Mitglied gewonnen hatte.   Kapitel 42: XLII – Wahre Freunde -------------------------------- ~~~Montag 13. Juni 2016~~~   Wenn es etwas gab, was Aiden an der Schule mochte, dann waren es die Stunden, die die Klassenlehrer für ihre organisatorischen Dinge brauchten. Hier musste man lediglich dasitzen und zuhören und sich nicht großartig anstrengen. Seine Mitschüler sahen das wohl sehr ähnlich, denn sie wirkten deutlich entspannter als in all den anderen Stunden. Miss Toriumi ging einige Dinge für die Schüler durch, bevor sie zum letzten Punkt der Tagesordnung kam: „So, wie Ihr alle vielleicht noch wisst, ist diese Woche der Schulausflug und diesen werden wir dieses Mal mit den Parallelklassen und den Erstklässlern zusammen machen.“ Auf die Aussage wurde es etwas unruhig in der Klasse, denn anscheinend hatte keiner von ihnen Lust, viel Zeit mit den Jüngeren zu verbringen. Aiden sah darin eher eine Chance, denn vermutlich würde Setsuna in einer der Klassen sein, die mitfahren würden und so konnte er den Jungen etwas besser kennenlernen. Miyuki schien wohl denselben Gedanken gehabt zu haben, denn sie grinste ihn von der Seite an, als ihre Lehrerin sich Gehör verschaffte: „Ruhe jetzt, es ist bereits entschieden, als nehmt es hin und spart euch eure Widerworte. Der Ausflug startet am Donnerstag und wird bis Samstag andauern, also packt genug frische Kleider ein. Unser Reiseziel ist das Örtchen Yaso Inaba. Wir werden die dortigen Örtlichkeiten besuchen, dem Unterricht einer dortigen High School beiwohnen und, wenn die Zeit reicht, uns etwas amüsieren. Die Entscheidung wurde von den Vorsitzenden der Schule wegen unserer Kooperation mit der Jugôya High School getroffen, also achtet darauf, uns bestmöglich zu repräsentieren.“   Aiden verschränkte die Arme hinter dem Kopf, als sich seine Sitznachbarin fragend an ihn wandte: „Weißt du etwas über den Ort, Aiden-kun?“ „Hm… Nur bedingt. Ist eher ein Landkaff verglichen mit anderen Städten, aber das muss ja nichts Schlechtes sein. Ich freu mich drauf, solche Orte haben oft einen besonderen Charme“, lachte der Braunhaarige und sah wieder nach vorne, wo seine Lehrerin jedem Schüler einen Programmzettel in die Hand drückte: „Hier könnt Ihr euch noch ein wenig informieren und wenn ein Elternteil sich als Aufsichtsperson zur Verfügung stellen möchte, ist dies gerne gesehen. So, das war es dann für heute. Packt eure Sachen und euch allen einen schönen Nachmittag.“ Kaum hatte die Frau das gesagt, ertönte auch bereits die Schulglocke, woraufhin die meisten Schüler sich erhoben und den Saal verließen. Aiden selbst hätte sich jetzt eigentlich auf den Weg zum Kendoclub gemacht, aber da er von diesem noch immer suspendiert war, musste er sich den Nachmittag anders vertreiben. Er packte seine Sachen zusammen und erhob sich, als Miyuki ihm sanft gegen die Schulter tippte: „Hast du schon was vor?“ „Eigentlich nicht. Wahrscheinlich geh ich einfach nach Hause und hau mich auf die Couch oder mach meine Hausaufgaben. Und du? Gehst du zum Bogenschießen?“, erkundigte sich der Braunhaarige, während er mit seiner Freundin den Raum verließ, doch schüttelte diese nur mit dem Kopf: „Nö, heute nicht. Ich dachte eher, dass wir wieder was zusammen unternehmen könnten.“ Mit einem skeptischen Blick sah der Braunhaarige die junge Frau an und hob eine Augenbraue in die Höhe: „Du willst mir nur wieder was von Waffeln und Hosenbund erzählen.“ „Erstens heißt es Waifus und Husbandos. Zweitens klingen Waffeln doch gar nicht schlecht. Was sagst du, holen wir uns eine?“, lächelte die Grünhaarige und wartete gar nicht auf eine Antwort, bevor sie den Braunhaarigen einfach mit sich zog.   Eigentlich hatte Aiden damit gerechnet, ins Café Chagall gezogen zu werden, doch stand er nun vor einem kleinen Imbisswagen, der sich ein Stück von der Mall entfernt positioniert hatte. Schon von weitem war ihm der verführerische Duft nach frischgebackenen Waffeln in die Nase gestiegen und er bereute nicht, mitgekommen zu sein. „Ganz schön lange Schlange“, merkte er an, als er die fast Dutzend Leute vor ihm betrachtete, die anscheinend allesamt etwas von den Leckereien abhaben wollten. Miyuki stellte sich auf die Zehenspitzen und sah an einigen Leuten vorbei, bevor sie sich über ihren Haarzopf strich: „Die sollen sehr gut sein und da ist es klar, dass so viele Leute was davon abhaben wollen. Gut Ding will Weile haben, oder wie heißt es? Hoffentlich ist es die Warterei wirklich wert.“ „Stimmt schon, aber der Geruch beim Warten ist echte Folter“, witzelte der Braunhaarige und entlockte auch seiner Mitbewohnerin ein Lachen, als sich die Schlange ein Stück bewegte. Nach und nach kamen sie voran, bis sie endlich selbst an der Reihe waren und ihre Bestellung aufgeben konnten. Hinter dem Tresen stand ein sehr kräftiger Mann mit strohblonden Haaren und lächelte sie warmherzig an, während hinter ihm ein Teenager mit Stirnband und hochgestylten Haaren den Teig zubereitete.   „Was darf es sein, ihr beiden? Was Süßes oder lieber doch herzhaft? Wir haben für jeden Geschmack etwas parat“, erkundigte sich der Verkäufer, woraufhin Aiden erst einmal die Karte mit den verschiedenen Variationen unter die Lupe nahm. Hier gab es wirklich für jeden etwas, doch genau das machte es ihm schwer, sich für eine Sorte zu entscheiden, wobei er sich schon darüber wunderte, dass eine ausländische Speise so schnell so eine Beliebtheit gewonnen hatte. Er musste beim Aussuchen wirklich verzweifelt aussehen, denn der Mann gluckste vergnügt und klatschte in die Hände: „Für Pärchen haben wir ein ganz besonderes Angebot, wenn ihr interessiert seid.“ Erschrocken zuckte der Braunhaarige zusammen und sah den Mann mit weit aufgerissenen Augen an, bevor sein Blick zu Miyuki huschte, die rot angelaufen war und ihr Gesicht in ihrer Kapuze versteckte. Was den Jungen noch mehr Erstaunte war, dass unter der Kapuze eine leise Bestätigung für das Special kam und der Mann sich sofort mit einem breiten Grinsen ans Werk machte. Während der Dicke sich um die Waffeln kümmerte, kam der Junge nach vorne, um das Geld zu kassieren, doch bemerkte Aiden dabei genau, wie der Junge ihn äußerst missbilligend, ja fast schon hasserfüllt anschaute. Etwas überfordert zahlte Aiden für die Bestellung, doch konnte er keinen Grund für den Blick des Jungen finden. Miyuki schien das Ganze nicht mitbekommen zu haben, denn sie spielte weiter an ihrer Kapuze herum, weshalb Aiden die Bestellung letzten Endes entgegennahm und sie mit einem Stups gegen die Schulter auf sich aufmerksam machte. Mit einer freundlichen Verneigung ihrerseits und einem lauten „Lasst es euch schmecken“ des Verkäufers suchten sich die beiden eine Bank, auf der sie sich niederlassen konnten.   Für einen Moment saßen die beiden nur nebeneinander, bevor Aiden sich unsicher an seine Freundin wandte: „W-warum hast du eigentlich diesem Pärchen-Special zugestimmt? Jetzt denkt der Typ doch, dass wir zusammen sind. Gott, so eine Situation hatte ich erst letztens mit Mirai… Habt ihr euch abgesprochen?“ „Ich habe ehrlich gesagt nicht darüber nachgedacht. Du konntest dich nicht entschieden, ich konnte es auch nicht, da erschien mir das als der einfachste Weg… Tut mir leid, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen, Aiden-kun“, murmelte die Grünhaarige leise und zog sich dabei erneut die Kapuze über den Kopf, allerdings konnte Aiden ihr nicht böse sein, weshalb er einfach mit der Hand abwinkte: „Passt schon, wir können es ja auch einfach als Freunde genießen.“ „Da bin ich dafür, also schauen wir mal“, stimmte das Mädchen zu und öffnete die Box, die sie Aiden kurz zuvor aus der Hand genommen hatte. Eigentlich hatten beide mit Unmengen an Schokolade, Herzchen und etwaigen Liebesbekundungen gerechnet, doch waren die Waffeln durch Schokolade, Obst und Sahne eher schlicht verziert worden. Bei genauerer Betrachtung stellten die einzelnen Obststücke Personen da, die Händchen hielten, was Miyuki wieder rot anlaufen ließ: „W-wow, das ist wirklich gut geworden. Fast schon zu Schade, um es zu essen.“ Aiden spürte das Unwohlsein seiner Freundin, weshalb er das Thema wechselte und die Schachtel auf seinen Schoß zog: „Wenn du nichts willst, esse ich es alleine.“ „Das hättest du wohl gerne! Gib mir meinen Teil ab, aber sofort!“, forderte die Grünhaarige und stieß ihm den Ellenbogen in die Seite, bevor sie sich einen Bissen genehmigte.   Genüsslich kauend genossen sie ihr Dessert, wobei sie sich auch langsam wieder beruhigten, da Aiden das Thema auf etwas anderes lenkte: „Sag mal, ist dir aufgefallen, dass der Junge an dem Stand mich so böse angeschaut hat?“ „Hat er? Tut mir leid, ich habe nicht richtig hingesehen, aber warum sollte er dich böse angucken? Kennst du ihn denn?“, überlegte das Mädchen und nuckelte an ihrer Gabel herum, denn sie konnte sich beim besten Willen keinen Reim auf die Aktion machen. Auch dem Braunhaarigen kam die Sache etwas seltsam vor, denn er war sich ziemlich sicher, dass er die Person noch nie im Leben gesehen, geschweige denn mit ihm gesprochen hatte, doch wollte er sich nicht weiter den Kopf darüber zerbrechen und lieber sein Essen genießen. Nach einer Weile ergriff Miyuki das Wort und schien dabei plötzlich extrem angespannt zu sein: „Kann ich dich was anderes Fragen? Als du im Krankenhaus warst, hast du doch bestimmt mit einer deiner beiden Ärztinnen gesprochen, oder?“ Der Themenwechsel erstaunte den Jungen sehr, weshalb er sich kurz an der Waffel verschluckte und nach Luft schnappte, bevor er antworten konnte: „Ja schon, ein bisschen, aber nichts Spezielles. Warum fragst du?“ „Ach, nur so“, murmelte die Künstlerin und sah auf ihren Schoß, wo sie ihre Gabel in ihrer Hand im Kreis schwenken ließ und immer wieder ein leises „Hm“ hören ließ. Eigentlich hatte sich Aiden vorgenommen, sich nicht in das Thema einzumischen, aber irgendwas schien seine Freundin zu bedrücken und wenn er ihr irgendwie helfen konnte, würde er diese Chance ergreifen: „Die jüngere Frau hat dir sehr ähnlich gesehen, weißt du? Vor allem die Haare.“   Auf die Frage breitete sich eine unangenehme Stille zwischen den beiden aus und Aiden fürchtete schon, dass er eine Grenze übertreten hätte, doch dann seufzte Miyuki und faltete die Hände zusammen: „Das liegt daran, dass deine Ärztinnen meine ältere Schwester Kohana und meine Mama gewesen sind.“ „Du hast also Ärzte in der Familie, ja? Das ist ein sehr schwieriger Beruf, besonders bei dem ganzen Kram, den man lernen und studieren muss“, warf der Junge beiläufig ein und behielt Miyuki genau im Blick, die nun ihr Kinn auf ihren Händen abstützte: „Nicht nur meine Schwester und meine Mutter, mein Vater ist Physiotherapeut und Chiropraktiker. Ich bin also sozusagen das schwarze Schaf in unserer Familie, weil ich kein Interesse daran habe, in einem Bereich mit Medizin zu arbeiten.“ „Dazu kann dich doch auch keiner zwingen, es ist schließlich deine Entscheidung“, nahm Aiden das Gespräch auf und sah die Grünhaarige besorgt an, bei der sich mittlerweile kleine Tränen in den Augenwinkeln gebildet hatten: „Sag das meinen Eltern. Für sie bin ich nur eine Enttäuschung, die ihre Zeit mit Kinderserien und Bildern vergeudet.“ „Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie das nicht so sehen, immerhin…“, setzet er an, doch wurde ihm barsch das Wort abgeschnitten: „Doch, sie sehen es genauso, das haben sie mir sehr deutlich klar gemacht. Ich muss mir immer wieder anhören, dass ich meine Zeit nicht mit diesem Kinderkram verschwenden und lieber etwas Anständiges lernen soll. Kohana hat sich so etwas noch nie anhören müssen.“ Langsam machte sich ein schlechtes Gewissen in Aiden breit, denn er hatte hier definitiv einen wunden Punkt erwischt und fühlte sich schlecht, dass er Miyuki emotional so aufwühlte. Da der Hahn jetzt allerdings offen war, sprudelte es nun einfach aus dem Mädchen heraus, denn sie erzählte weiter: „Meine Schwester war immer eine super Schülerin. In jedem wichtigen Fach hatte sie 100 Punkte, doch das, was ich gut konnte, war für meine Eltern nicht wichtig. Immer wieder haben sie mir gesagt, dass ich mich auf die falschen Sachen konzentriere und dass ich mich mehr anstrengen müsse.“   Das, was er hier hörte, ließ Aiden die Fäuste ballen und mit den Zähnen knirschen, denn er fand es einfach ungerecht, dass Miyukis Eltern sie so sehr kritisierten, obwohl ihre Stärken irgendwo ganz anders lagen. Erst nachdem er ein paar Mal durchgeatmet hatte, konnte er das Gespräch wieder aufnehmen und eine Frage stellen: „Was hat denn deine Schwester dazu gemeint? Hat die das einfach so hingenommen? Sie wirkte nicht so, als ob sie so etwas einfach geschehen lassen würde.“ „Kohana hat es nie für nötig gehalten, was zu sagen, wenn Mama und Papa an mir rumgenörgelt haben. Warum sollte sie auch? Sie war immer die gute Tochter, der Liebling der Lehrer und das Mädchen, mit dem jeder befreundet sein wollte. Hast du dich jemals gefragt, warum ich so gut wie keinen Kontakt zu den Leuten in der Schule habe?“, ging das Mädchen plötzlich in eine andere Richtung, doch war das tatsächlich etwas, was Aiden sich schon oft gefragt hatte. Anfangs hatte er geglaubt, dass es an der Tatsache lag, dass viele Leute Miyuki einfach übersahen, doch das war ja nicht immer der Fall. In der Klasse oder in ihrem Club gab es natürlich Leute, mit denen sie redete und interagierte, doch warum hatte sie unter diesen keine Freunde? Um das Mädchen nicht warten zu lassen, nickte er sanft, was die Grünhaarige nur kurz schnauben ließ: „Alle Leute, mit denen ich mich angefreundet hatte, haben mich nur ausgenutzt, um irgendwie in die Nähe von Kohana zu kommen. Jeder hat sich nur für sie interessiert und nicht für mich. Ich war nur ein Mittel zum Zweck.“   Schnell wischte sich Miyuki über die Augen, um die Tränen loszuwerden, bevor sie sich von der Bank erhob und sich wieder die Kapuze über den Kopf zog: „Tut mir leid, dass ich dich mit meinen Problemen vollheule. Ich weiß selbst nicht, was da plötzlich über mich gekommen ist.“ „Du musst dich für nichts entschuldigen, Miyuki. Ich kann dir aber versichern, dass ich um deinetwillen mit dir befreundet bin und nicht wegen deiner Schwester“, stellte der Junge klar und erhob sich ebenfalls, wobei er von dem Mädchen mit großen Augen angesehen wurde. Schnell zog sie sich die Kapuze tiefer ins Gesicht und schluchzte heftig, bevor sie mit leiser, erstickter Stimme flüsterte: „Danke, Aiden-kun, du bist ein echter Freund.“ Das warme Gefühl, welches in Aidens Brust aufflammte war ihm im Moment völlig egal, denn er wollte einfach nur, dass es Miyuki gut ging, weshalb er ihr sanft eine Hand auf die Schulter legte: „Und du bist die beste Freundin, die ich mir hier hätte wünschen können. Was sagst du, wollen wir heim gehen?“ Mit einem etwas erstickten Glucksen wischte sich Miyuki wieder über die Augen, doch schüttelte sie mit dem Kopf: „Nein, ich geh lieber noch eine Runde spazieren. Bevor du fragst, ich wäre gern ein bisschen alleine, aber das war echt süß von dir.“ „Okay, wir sehen uns dann heute Abend im Wohnheim“, verabschiedete sich der Braunhaarige von seiner Freundin, die ihm kurz zuwinkte und dann in eine andere Richtung davonmarschierte.   Während er dastand und dem Mädchen nachschaute, machte sich Aiden seine Gedanken zu dem eben erfahrenen, denn eins war für ihn ganz klar: Miyuki war Kohana mit ziemlicher Sicherheit nicht egal, denn ansonsten hätte sich die junge Ärztin nicht nach seiner Beziehung zu der Künstlerin erkundigt. Auch ihre Aussage, dass sie sich freute, dass Miyuki einen solchen Freund gefunden hatte, bestärkten seinen Glauben, dass die Beziehung zwischen den beiden Schwestern nicht so schlecht war, wie Miyuki sie selbst wahrnahm. Ein letztes Mal seufzte der Braunhaarige auf und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, bevor er die Verpackung in den nächsten Mülleimer warf und dann den Weg nach Hause antrat.   Kapitel 43: XLIII – Amalias Prüfung Teil 1 ------------------------------------------ ~~~Dienstag 14. Juni 2016~~~   Mit einem leisen Summen und einer höflichen Verneigung verabschiedete Aiden den letzten Kunden der Boutique, ehe er sich mit einem müden Seufzer auf den Tresen lehnte. So hatte er sich den heutigen Tag eigentlich nicht vorgestellt, doch hatte er die Rechnung ohne Asuka und ihren fiesen Charakter gemacht. Da er am kommenden Samstag erst aus Inaba zurückkommen würde, wollte er sich für diesen Tag schon einmal als fehlend melden, doch hatte die Blondine ihn kurzerhand dazu verdonnert, die Arbeit am heutigen Tag vorzuarbeiten. Wenn er so darüber nachdachte, war es eigentlich nur gerecht, dass er die Arbeit an einem anderen Tag würde verrichten müssen, doch dieses Kurzfristige war das, was ihm die Laune vermiest hatte. Zum Glück war heute nicht viel Betrieb gewesen und seine Schicht neigte sich auch bereits dem Ende entgegen, weshalb er seine Kasse abdrückte und sich an die Brünette neben ihm wandte: „Du kommst alleine klar, oder, Nijiro-senpai?“ Kanami grinste nur und nickte zustimmend, während sie sich im Laden umsah: „Ja, heute wird es vermutlich ruhig bleiben, aber es war trotzdem eine große Hilfe, dass du da warst, Kurosaki-kun. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend und viel Spaß auf deinem Ausflug.“ „Danke und bis nächste Woche, Nijiro-senpai“, verabschiedete sich der Braunhaarige und ging in den Aufenthaltsraum, um sich umzuziehen und seine Sachen zu holen. Auf dem Weg nach draußen hielt Asuka ihm noch einen Umschlag hin, den er mit einem kurzen Nicken annahm und sich mit einer respektvollen Verneigung verabschiedete. Eigentlich war er niemand, der gute Miene zum bösen Spiel machte, aber bei Asuka würde es sich diese Blöße nicht geben und ihr die Chance auf einen Angriff lassen.   Vor dem Laden streckte er sich einmal und drückte sich den Rücken durch, als ihm jemand von hinten einen Arm um die Schulter legte: „Hey, Amigo, so spät noch in der Mall?“ „Au! Geht das auch etwas weniger stürmisch, Luca? Naja, ich war auf der Arbeit und hab jetzt erst Schluss“, erklärte der Braunhaarige und sah zu seinem Freund, der nur verstehend nickte und die Arme hinter dem Kopf verschränkte: „Cool, dann können wir ja zusammen den Heimweg antreten, meinst du nicht?“ Damit schlenderte der Spanier los, während Aiden ihm etwas verdutzt nachsah: „Wundert es dich nicht, dass ich arbeite?“ „Ganz ehrlich? Nein, das passt irgendwie zu dir, du Arbeitstier“, lachte der Braunhaarige und streckte Aiden die Zunge heraus, der nur lachend den Kopf schüttelte und hinter seinem Freund herlief. Eine Weile liefen die beiden nebeneinander her und unterhielten sich über den kommenden Schulausflug, wobei Luca sich schon darauf freute, vor allem die etwas ländlichere Gegend zu sehen. Aiden hingegen hatte einige Bedenken, war er doch bei einer Internetrecherche zu dem Ort über eine Mordserie gestolpert, die es dort vor knapp vier Jahren gegeben hatte. Natürlich nahm sein Freund das Ganze nicht ernst und stempelte es als Klatschpresse ab, doch blieb bei Aiden eine gewisse Sorge zurück.   Als sie am Bahnhof ankamen und auf den Zug warteten, drang eine seltsame Arie in Aidens Ohr, die ihn sofort aufschrecken und sich hastig umsehen ließ. Er kannte diese Melodie, doch war es sich ziemlich sicher, dass er sich nicht im Velvet Room befand, weshalb er nicht verstand, wo die Melodie so plötzlich herkam. Auch Luca schien sie zu hören, denn er sah sich mit einem seltsamen Gesichtsausdruck um und richtete den Blick dann auf Aidens Tasche: „Alter, ist das dein Handy? Was ist denn das für ein grausiger Klingelton?“ „Mein Handy?“, wunderte sich der Junge, zog sofort sein Mobiltelefon aus der Tasche und warf einen Blick auf das Display, welches keine Nummer zeigte, sondern lediglich in einem sanften, blauen Licht leuchtete. Die beiden Braunhaarigen tauschten einen fragenden Blick, bevor Aiden das Gespräch annahm und sich das Handy ans Ohr hielt: „Hallo?“ „Sei gegrüßt, Aiden-sama. Hier ist Amalia“, erklang die Stimme von Igors Assistentin aus dem Hörer, was den Oberschüler erst einmal völlig perplex dreinschauen ließ. Schnell warf er einen prüfenden Blick auf das immer noch blau schimmernde Display, bevor er sich den Hörer wieder ans Ohr hielt: „Amalia? Woher hast du meine Handynummer?“ „Von meinem Meister natürlich“, gab die Blondine völlig unbekümmert Antwort, die den Braunhaarigen einen Moment sprachlos machte, bevor er sich die Nasenwurzel rieb: „Vermutlich hat es keinen Sinn dich zu fragen, woher der Typ meine Nummer hat, oder?“ „Die Wege meines Meisters sind unergründlich, Aiden-sama. Ich kontaktiere dich, weil ich dich einer Prüfung unterziehen möchte. Komm bitte zum Schattenschrein, dort werde ich dir alles weitere erklären. Ich erwarte dich“, beendete Amalia das Gespräch und ließ den Jungen noch verwunderter zurück.   Sie wollte ihn auf die Probe stellen? Wie um alles in der Welt wollte sie das anstellen und was bezweckte sie damit? Während er sich nachdenklich das Kinn rieb, legte ihm Luca wieder eine Hand auf die Schulter und sah ihn mit einem neugierigen Blick an: „So, wer ist Amalia? Verheimlichst du eine Schönheit vor mir, Amigo?“ „Was? Das ist etwas schwer zu erklären, Luca. Hast du noch ein wenig Zeit?“, fragte er geradeheraus und wartete, bis der Spanier zaghaft nickte, bevor er in Richtung des ankommenden Zugs schaute: „Ich brauch vermutlich deine Hilfe.“ Um nicht belauscht zu werden, verzichtete Aiden auf jede weitere Erklärung, auch wenn Luca ihn die gesamte Fahrt mit Fragen löcherte, was sie denn vorhatten. Immer wieder schüttelte er nur mit dem Kopf und als sie am Bahnhof Iwatodai ausstiegen, machten sie sich im Laufschritt auf den Weg zum Naganaki Schrein. Vor dem Gebäude sahen sich die beiden um, doch gab es nichts Außergewöhnliches, weshalb der Blick des Anführers zu dem Baum ging, der sie in die Schattenwelt bringen würde. „Sie hat Schattenschrein gesagt, also meint sie wohl den Schrein auf der anderen Seite. Luca, komm mit“, befahl er fast schon und lief auf den Baum zu, durch den er hindurchschritt, ohne groß nachzudenken. Luca hingegen legte den Kopf schief und folgte seinem Freund mit einem leisen Seufzer: „Ich wäre ja froh, wenn du mir wenigstens sagen würdest, was wir vorhaben.“   ~~~Schattenwelt~~~   Mit einem leisen Ächzen landeten die beiden Braunhaarigen in der anderen Welt und sahen sich sofort alarmiert um, um nicht in einen Hinterhalt zu geraten. Als es auch nach einigen Sekunden still blieb, nickten sie sich zu und traten auf den Vorplatz des Schreins, auf dem Amalia stand und in den Himmel schaute. Immer wieder drehte sie den Oberkörper sanft hin und her, was die zwei Glöckchen an ihrer Schärpe leise klingeln ließ, bevor sie sich den beiden Neuankömmlingen zuwandte: „Ich grüße dich, Aiden-sam und auch dich, Verkörperung des Mondes.“ Über die Bezeichnung stutzte Aiden kurz, doch trat Luca nach vorne und schenkte der Dame ein charmantes Lächeln: „Ich grüße euch, meine Dame. Mein Name ist Luca und ich bin mir sicher, dass Ihr Amalia seid. Habe ich recht?“ Auf die Frage verneigte sich die Blondine und ließ dadurch wieder ein leises Klingeln ertönen: „Das ist Korrekt, Luca-san. Ich bin erstaunt, dass sich mein Gast dieser Prüfung nicht alleine stellt, aber es wird mir nicht im Traum einfallen, Aiden-samas Entscheidungen anzuzweifeln.“ „Okay… Ähm, Aiden, wer ist sie genau?“, wandte sich der Spanier an seinen Freund, der kurz mit dem Kopf schüttelte und dann an die Frau herantrat: „Du sagtest, dass du mich einer Prüfung unterziehen willst. Was genau meinst du damit, Amalia?“ „Ich bin erfreut, dass du fragst. Erinnerst du dich an den Ort, an dem du zum ersten Mal einem Shadow gegenübergetreten bist?“, begann die Blondine zu erklären, weshalb Aiden und Luca sich zeitgleich auf dem Vorplatz umsahen: „Ja, das war hier.“   „Oh… Ich meinte den Ort, an dem du deine Macht zum ersten Mal erweckt hast. Dort hat sich vor kurzem ein starker Shadow niedergelassen und ich glaube, dass es eine gute Prüfung deiner Fähigkeiten wäre, ihn zu besiegen. Dein Gefährte darf dir natürlich dabei helfen“, fuhr die Frau fort und sah dabei zu Luca, der fragend eine Augenbraue hob: „Du willst also, dass wir losgehen und einen gewissen Shadow verkloppen? Meinst du das ernst?“ Auf die Frage nickte die Blondine zustimmend und strich sich ihren Kimono glatt, während die beiden Schüler einen skeptischen Blick tauschten. „Ich denke mal, es kann nicht schaden, ein wenig zu trainieren, oder?“, stimmte Aiden schlussendlich dem Vorschlag zu und ging zu dem Schreingebäude, in dem sie immer ihre Waffen zwischenlagerten, um diese nicht in der echten Welt zu verstecken. Luca folgte ihm und nahm seine Hellebarde aus dem Inneren, sowie einen kleinen Rucksack mit einigen Heilgegenständen: „Die werden wir hoffentlich nicht brauchen.“ „Besser dabei haben und nicht brauchen, als brauchen und nicht dabei haben“, sinnierte Aiden und gürtete sich seine beiden Katana um, bevor er ein paar Mal auf der Stelle hüpfte und sich warm machte. „Ich erwarte eure triumphale Rückkehr, Aiden-sama“, verabschiedete sich Amalia von den beiden Jungs, die sich mit einem etwas mulmigen Gefühl auf den Weg zum Bahnhof machten, denn dort würde ihr Ziel auf sie warten.   Leise hallten die Schritte der beiden Schüler durch die Straßen des Schatten-Iwatodai, während sie sich immer weiter ihrem Ziel näherten. Aidens linke Hand ruhte auf dem Griff eines seiner Schwerter, denn die Situation machte ihn doch sehr nervös. Luca hingegen wirkte etwas gelassener und hatte sich seine Waffe quer über die Schultern gelegt, um seine Arme zu schonen. Nach einer Weile durchbrach der Spanier die Stille und musterte seinen Freund aus dem Augenwinkel: „Wirst du mir verraten, wer die Dame ist und was es mit dieser Prüfung auf sich hat?“ „Wenn ich es dir erklären könnte, würde ich es tun, Luca. Es ist ziemlich verwirrend und ich verstehe es selbst nicht so ganz“, versuchte der Braunhaarige seinem Freund die Situation verständlicher zu machen, der das Ganze fürs erste auch so hinnahm: „Okay, wenn das so ist, dann glaub ich dir. Aber wenn du es verstehst, erwarte ich eine ausführliche Antwort.“ „Soll mir recht sein, aber jetzt haben wir erst einmal was anderes zu erledigen“, gab der Anführer zurück und sah auf den Zebrastreifen vor ihnen, auf dem sich ein großer Shadow, der die Gestalt von zwei kopflosen Tänzern hatte, über deren Körper ein großes Herz schwebte. Der männliche Part des Shadows hielt ein dünnes Rapier in der Hand, während der weibliche Teil sich lediglich an ihrem Partner festhielt. Langsam drehte der Shadow ein paar Pirouetten, bevor es sich Aiden und Luca zuwandte und sich langsam auf sie zubewegte. „Ich denke mal, jetzt müssen wir unsere Taten sprechen lassen. Darf ich um den Tanz bitten, Amigo?“, grinste Luca und wirbelte seine Waffe kurz um seine Hand, ehe er sie mit beiden Händen packte und die Spitze auf seinen Gegner richtete. Mit einem leichten Lächeln zog Aiden eins seiner Schwerter aus der Scheide und stellte sich mit der Schulter gegen die seines Freundes, wodurch beide den näherkommenden Shadow genau im Auge hatten: „Zusammen kriegen wir das hin. Auf geht’s!“   Sofort rannten die beiden Schüler auf ihren Gegner zu, der in seiner Drehung innehielt, um mit seinem Rapier zuzustoßen. Aiden schaffte es, den Stich mit einem flinken Hieb zur Seite abzulenken, wodurch Luca freie Bahn hatte und selbst mit seiner Waffe auf den männlichen Teil einstach. Der Angriff lief leider ins Leere, als der weibliche Teil ihren Partner mitzog und sich wieder mit ihm um die eigene Achse drehte. „Sieht extrem affig aus, ist aber erstaunlich effektiv beim Ausweichen“, knurrte der Spanier und lief wieder auf den Shadow zu, der ihn mit ein paar gezielten Stößen allerdings auf Abstand hielt. In der Zwischenzeit umrundete Aiden den Feind und versuchte nun seinerseits einen Treffer zu landen, doch bemerkte ihn der Shadow und ließ ihn mit einer flinken Drehung ins Leere laufen. Plötzlich begannen die Tänzer zu leuchten und als der Mann sein Rapier nach vorne stieß, bildete sich zwischen den beiden Jungs ein grüner Wirbelwind, der sich schlagartig vergrößerte und die beiden regelrecht wegschleuderte. Luca musste seine Waffe als Stütze verwenden, um nicht umgeworfen zu werden, während Aiden sich erstaunlich einfach auf den Beinen halten konnte. Zum Glück war seine eigene Persona resistent gegen windelementare Angriffe, doch bei seinem Partner sah das nicht so aus. Zwar war Lucas Persona nicht unbedingt anfällig für Wind, doch hatte sie auch keinerlei Schutz dagegen.   Schnell durchforstete Aiden seine Persona, in der Hoffnung etwas zu finden, was ihnen helfen könnte. Im Kampf gegen Harukas Shadow hatte er mit Raijuu eine Persona bekommen, die einen Schild gegen Blitze bilden konnte, doch leider war ihm Fortuna nicht hold, denn er hatte nichts, um Luca gegen die Garu-Angriffe abzuschirmen. „Pass auf!“, riss ihn die Stimme des Spaniers plötzlich aus den Gedanken und im letzten Moment konnte er sich vor einem weiteren Stich des Rapiers in Sicherheit bringen. Erschrocken wich er noch etwas weiter zurück, als es notwendig gewesen wäre, doch musste Aiden erst einmal durchatmen und die Lage sondieren. Ihre normalen Attacken brachten sie nicht weiter, weshalb sie wohl etwas härtere Kaliber würden auffahren müssen und um das zu tun, zog er den Evoker aus dem Halfter. Er zielte auf seinen Kopf und drückte ab, woraufhin die Gestalt von Rigel erschien und sich mit nach vorne gerichtetem Speer auf den Shadow stürzte und tatsächlich einen Treffer landen konnte. Leider brachte der Stoß deutlich weniger, als es sich der Junge erhofft hatte, weshalb Luca ihm mit Alphard zur Hilfe eilte und den Shadow mit großen Eisbrocken eindeckte. Zwar konnte auch hier ein Treffer verzeichnet werden, doch zeigte sich das Tanzpaar unbeeindruckt von dem Angriff. „Ist das dein Ernst? Das Teil ist resistent gegen Speere und Eis? Ich fühle mich gerade echt verarscht“, fauchte der Braunhaarige erzürnt und wich einem Stich aus, um mit seiner Waffe zuzuschlagen, doch hatte der Treffer keine große Wirkung.   Aiden knirschte mit den Zähnen und zog wieder seinen Evoker: „Ich muss mir was einfallen lassen… Raijuu!“ Nach dem Schuss erschien der gelbe Blitztiger und ließ einen großen Blitz auf seinen Gegner niedergehen, der ihn für einen Moment zusammenzucken ließ. Luca bejubelte den Treffer, als er den Moment für einen weiteren Treffer mit Alphard nutzte, der dem Shadow einen Tritt in die Seite verpasste. Ein weiteres Mal beschwor Aiden den Tiger, um einen Blitz in seinen Gegner einschlagen zu lassen, doch wichen die Tänzer aus und griffen mit einem weiteren Windstoß an, der Aiden regelrecht von den Füßen riss. Unter Schmerzen rollte sich der Braunhaarige am Boden herum und schaffte es gerade noch, sich vor einem Stich in Sicherheit zu bringen, da ein Eisbrocken den Shadow für einen Moment behinderte und ihm so die Chance zum Ausweichen gab. „Aiden, ist alles klar?“, rief Luca seinem Freund zu, der sich wieder auf die Beine kämpfte und sich den Schweiß vom Kinn wischte: „Ich muss den Kampf alleine übernehmen… Luca kann ihn nur blockieren, also muss ich angreifen, aber was soll ich machen?“ Gehetzt hob er den Kopf, denn der Shadow hatte wieder den Kampf gegen Luca aufgenommen und stach immer wieder mit seinem Rapier auf diesen ein.   „Was soll ich machen? Welcher Angriff kann ihm etwas anhaben? Denk nach Aiden!“, ermahnte sich der Oberschüler selbst und presste sich die Faust an die Stirn, als eine seltsam verzerrte Stimme in seinem Kopf wiederhallte: „Musst du wirklich alles alleine machen? Du könntest ja auch einfach auch mal versuchen, jemand anderem das Rampenlicht zu überlassen.“ „Was zum…“, stammelte der Braunhaarige und sah sich gehetzt um, als sein Blick wieder auf Luca und den Shadow fiel: „Ich soll jemand anderem das Rampenlicht überlassen? Darum geht es doch gar nicht. Luca kann ihn nicht treffen, weil… der Shadow immun ist… Das ist es!“ Sofort schloss er die Augen und durchforstete seine Persona, denn wenn er etwas hatte, dass ein gewisses Element von seinen Freunden abhielt, hatte er vielleicht auch etwas, was einen Gegner anfälliger machen könnte. Nach einer kurzen Suche hatte er das gefunden, wonach er so sehnlichst gesucht hatte und setzte sich wieder den Evoker an den Kopf: „Luca, mach dich für einen weiteren Bufu-Angriff bereit! Zeig’s ihm, Andras!“ Aus dem blauen Licht, welches Aiden umgab, erschien ein Wesen mit rotem Körper und einem blau-gelb gefiederten Vogelkopf mit dazu passenden Flügeln. Das Wesen hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah auf den Shadow, bevor es den Arm hob und eine kurze Druckwelle abgab. Auf die Aktion bildete sich eine Art blauer Wall um den Shadow, der aber sofort in tausend Stücke zerbrach.   Kaum war der Schild weg, ließ Luca Alphard einen weiteren Eisbrocken schleudern, der den Shadow fast von den Füßen riss: „Alter, es hat geklappt!“ „Nicht nachlassen! Persona Change, Jack Frost!“, rief Aiden und ließ ein kleines, weißes Wesen mit blauer Mütze erscheinen, dass hämisch lachte und dem Shadow einen weiteren Eisbrocken entgegenwarf. Wieder wichen die Tänzer zurück, als Alphard erneut zum Angriff ausholte und einen deutlich größeren Eiszauber losließ als er es die ganze Zeit getan hatte. Der Schlag war so heftig, dass es den Shadow komplett von den Füßen holte und die beiden Jungs jetzt freie Bahn für einen Angriff hatten. Sofort stürmten sie nach vorne und deckten ihren Gegner mit Hieben ein, welcher darin gipfelte, dass Luca den männlichen Part am Boden durchbohrte und Aiden den weiblichen Teil in der Mitte zerteilte. Noch während die beiden Jungs wieder zu Atem kamen, löste sich der Shadow in rot-schwarzem Rauch auf und Stille kehrte auf der Straße ein. Es blieb für einen Moment still, bis Luca laut zu Lachen begann und die Arme in die Luft warf: „Wir haben es geschafft! Alter, ich kam mir am Anfang so verdammt unnütz vor, das glaubst du nicht. Aber echt krass, dass du die Resistenz eines Shadows aushebeln kannst.“ „Ich… habe es jetzt erst gesehen, dass ich eine solche Persona habe“, gab Aiden zurück und schob sein Schwert in die Scheide zurück, bevor er sich prüfend in der Umgebung umsah: „Ich denke, dass wir fertig sind, oder?“ „Würde ich sagen. Lass uns zum Schrein zurückgehen, bevor wieder dieses gruselige Revolvervieh auftaucht“, bestätigte der Fußballer und zu zweit machten sie sich so schnell wie möglich auf den Rückweg, denn sie wollten unter keinen Umständen wieder dem Reaper begegnen.   Am Schrein angekommen wurden sie sofort von Amalia begrüßt, welche freudig in die Hände klatschte und die beiden Jungs anstrahlte: „Ich bin entzückt, Aiden-sama, du hast meine Prüfung mit Bravour bestanden.“ Aiden murmelte lediglich ein leises „Dankeschön“, während Luca neugierig an die Blondine herantrat: „Seid Ihr so freundlich uns zu verraten, warum Ihr Aiden unbedingt prüfen wolltet?“ „Ich bitte um Verzeihung, aber diese Information ist lediglich für meinen Gast bestimmt, von daher muss ich euch bitten, schon einmal zu gehen“, wehrte die Blondine die Frage des Jungen ab, welcher daraufhin etwas beleidigt die Arme hinter dem Kopf verschränkte: „Puh, ich hasse solche Geheimniskrämerei, aber von mir aus. Ich geh schon mal, aber du kommst sofort nach, okay?“ Mit diesen Worten verstaute Luca seine Sachen im Inneren des Schreins und trat dann an den Baum heran, nur um noch einmal zu seinem Freund zu schauen, der ihm bestätigend zunickte. Nachdem er diese Zustimmung hatte, sprang der Braunhaarige durch das Portal und ließ Aiden mit Amalia alleine.   Kaum waren sie alleine, ergriff die Blondine wieder das Wort: „Du hast dich sehr gut geschlagen, Aiden-sama und dafür hast du eine Belohnung verdient.“ „Ich denke, dass ich etwas deutlich Wertvolleres gelernt habe als irgendeine Belohnung, die du mir geben kannst. Dennoch danke“, lachte der Oberschüler auf, als die Frau ihm eine Halskette überreichte, in der eine kleine, rote Kugel steckte. Neugierig betrachtete er die kunstvoll gefertigte Kette und die Kugel, wobei ihm sofort auffiel, dass an dem Schmuckstück noch kleine Löcher waren, die genauso groß waren wie die rote Kugel. Seine genaue Musterung des Schmuckstücks schien Amalia zu gefallen, denn sie gluckste vergnügt auf: „Du hast es schon gesehen, nicht wahr? Es fehlen noch ein paar Kugel, aber die musst du dir erst verdienen.“ „Okay. Moment, heißt das, dass das hier nicht die ganze Prüfung war?“, gab der Braunhaarige etwas geschockt von sich und wurde zur Antwort freudig angelächelt: „Doch, natürlich. Diese Prüfung hast du bestanden, aber ich habe noch ein paar weitere für dich auf Lager, Aiden-sama. Als Assistent des Velvet Rooms ist es meine Aufgabe, der Wild Card nach allen Kräften zur Seite zu stehen und so wie es scheint, hast du etwas Wichtiges über deine Fähigkeiten gelernt, nicht wahr?“ Auf die Frage ließ sich Aiden den ganzen Kampf noch einmal durch den Kopf gehen, bevor er zustimmend nickte und leicht mit der Hand gestikulierte: „Ich dachte immer, dass ich mit meiner Fähigkeit nur die Shadows besiegen soll, gegen die meine Freunde nicht ausrichten können, aber dem ist nicht so. Ich kann meine Persona auch nutzen, um meinen Freunden eine Chance zum Angriff zu geben.“   Stumm lauschte die Blondine der Erzählung, bevor sie wieder freudig in die Hände klatschte und dabei die Glöckchen klingeln ließ: „Ausgezeichnet, Aiden-sama, aber ich habe auch nichts anderes von dir erwartet. Die Wild Card ist nicht bloß ein Schwert, welches gegen deine Feinde geschwungen wird, sie ist so viel mehr: Ein Schild, ein Zauberstab, eine Rüstung, eine Oase in der Wüste kurz vor dem Verdursten… Wenn ich die erleuchtenden Worte meines Meisters verwenden darf: Deine Kraft birgt unendliches Potenzial.“ „Ich habe verstanden, ich muss lernen, diese Fähigkeit perfekt zu beherrschen, wenn wir alle diese Sache unbeschadet überstehen wollen“, schnitt er der Frau etwas barsch das Wort ab, doch nahm diese es ihm nicht übel, sondern bestätigte seine Aussage mit einem Nicken: „Dann war die Prüfung wirklich erfolgreich und wenn du so weitermachst, werden auch die nächsten Prüfungen dir keine großen Schwierigkeiten machen.“ Für einen Moment machte sich ein warmes Gefühl in der Brust des Jungen breit, was ihn dazu veranlasste, sich respektvoll zu verneigen: „Vielen Dank, Amalia. Ich weiß deine Hilfe zu schätzen. Ich sollte mich jetzt auf den Weg machen, ich habe die nächsten Tage ein bisschen was zu tun und werde wohl nicht mit euch reden können.“ „Selbstverständlich, Aiden-sama. Ich wünsche dir eine gute Nachtruhe und bis dahin, Lebewohl“, imitierte die Blondine ihren Meister und verneigte sich, während Aiden seine Sachen in den Schrein packte und sich dann zum Gehen wandte.   Auf halbem Weg blieb Aiden noch einmal stehen und kratzet sich am Kopf, denn etwas an dieser Prüfung kam ihm nun doch komisch vor: „Darf ich dich noch etwas fragen, Amalia? Dieser Shadow schien genau darauf ausgelegt zu sein, Luca abzuwehren, also hatten wir ja wirklich Glück bei dieser Lektion. Ich meine, wenn ich jemand anderes als Hilfe gehabt hätte, wäre dein Plan ja gar nicht aufgegangen, habe ich Recht? Amalia?“ Verwundert darüber, dass er keine Antwort bekam, drehte sich der Braunhaarige um, doch musste er feststellen, dass er alleine auf dem Vorplatz des Schreins stand. Schnell ließ er den Kopf nach links und rechts huschen, doch war von der Blondine nichts zu hören oder zu sehen. „Da hol mich doch der… Wie kann sie so einfach verschwinden? Was habe ich eigentlich erwartet… Dass ich hier eine normale Antwort bekomme? Aiden, du hättest es besser wissen müssen“, sprach er zu sich selbst, bevor er mit einigen leises Flüchen auf den Lippen durch das Portal sprang.   ~~~Naganaki Schrein~~~   Mit leicht rudernden Armen tauchte Aiden in der echten Welt wieder auf und erblickte sofort Luca, der mit dem Rücken zu ihm stand und darauf achtete, dass ihn wohl niemand aus dem Baum kommen sah. Kurz schüttelte sich Aiden etwas aus, bevor er an seinen Freund herantrat und diesem auf die Schulter klopfte: „Da bin ich. Tut mir leid, dass du warten musstest.“ Mit einem leicht erschrockenen Laut fuhr Luca zusammen, bevor er sich an die Brust fuhr und sich zu Aiden umdrehte, nur um ein beleidigtes Schmollgesicht zu machen: „Erschreck mich doch nicht so! Hast du alles geklärt?“ „Mehr oder weniger, aber ich erwarte gar keine klare Antwort mehr“, gab der Anführer mit einem Schulterzucken zurück, woraufhin ihn sein Freund leicht skeptisch musterte und dann grinste: „Wirst du mir jemals erzählen, was es mit diesem Mädel auf sich hat, Amigo?“ „Irgendwann, wenn ich selbst weiß, was da genau abgeht“, gab Aiden zurück und machte sich mit seinem Freund auf den Weg, wobei Luca ihm spielerisch in die Seite stieß: „Ich nehme dich beim Wort und wehe, du hältst nicht Wort.“ „Schon klar“, lachte der Braunhaarige zurück und trennte sich nach einer Weile von seinem Freund, um den Rest des Heimweges alleine zu gehen.   Kapitel 44: XLIV – Unter Verdacht --------------------------------- ~~~Mittwoch 15. Juni 2016~~~   Die letzten Minuten des Unterrichts vergingen recht schnell, weshalb Mr. Edogawa sich den Nacken reibend vorzeitig das Tempo drosselte: „Ich denke, für heute machen wir Schluss. Ihr seid vermutlich alle schon mit dem Kopf in Inaba, also wünsche ich euch viel Spaß und nutzt die Chance, um die alten Schreine und Mythen zu erforschen. Es wird euch überraschen, wie viel Magie in unserer Welt zu finden ist.“ Die meisten Schüler hörten schon gar nicht mehr richtig zu, doch Miyuki neigte auf die Aussage fragend den Kopf, ehe sie sich an ihren Nachbarn wandte: „Sag mal, Aiden, glaubst du, Mr. Edogawa glaubt wirklich das ganze Zeug, was er uns jeden Tag erzählt?“ „Ganz ehrlich? Bei dem Typ weiß ich nicht, was ich noch glauben soll, Miyuki. Na komm, wir müssen noch ein bisschen was für die nächsten Tage besorgen“, wechselte Aiden das Thema und erhob sich leise gähnend von seinem Stuhl, bevor er seine Tasche schulterte und, gefolgt von seiner Mitbewohnerin, das Klassenzimmer verließ. Kaum hatten sie den Flur betreten, fiel ihr Blick auf ein Trio, welches sich ein Stück von ihnen unterhielten. Was an dem Trio besonders ins Auge stach, war das Mädchen mit den rosafarbenen Haaren, die leicht genervt das Gesicht verzogen hatte und sich mit der Brünetten neben sich unterhielt. Langsam kamen Aiden und Miyuki dazu, wobei ersterer grüßend die Hand hob: „Hey, Luca und Tenno. Nozaki, schön dich zu sehen. Ist deine Suspendierung aufgehoben?“ Neugierig drehten sich die drei Schüler um und die Angesprochene lachte etwas verlegen auf: „Hey, Kurosaki. Ja, allerdings gilt das nur für die Schule, in den Kendoclub darf ich immer noch nicht.“ „Aber immerhin bist du wieder in der Schule, Saku“, warf Haruka ein und legte ihrer Freundin eine Hand auf die Schulter, welche dies mit einem Seufzer hinnahm: „Ja, ich weiß, Haru. Trotzdem würde ich gerne wieder in den Club.“   Die Stimmung war etwas bedrückend, weshalb Aiden versuchte, das Thema zu wechseln: „Was habt ihr denn heute noch so vor? Ich meine, wir sind die nächsten drei Tage unterwegs.“ „Ich soll noch ein paar Sachen besorgen. Mama meinte, man könne nie genug paar frische Unterhosen dabeihaben“, gab Luca zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, während er die Mädchen der Gruppe ansah, von der sich Haruka zu Wort meldete: „Ich wollte gleich zu Opa und dann noch ein paar Dinge für die Werkstatt besorgen gehen. Leider ist Opa nicht mehr so fit, von daher übernehme ich das. Mir ist es ohnehin lieber, wenn er so wenig wie möglich hinter dem Steuer eines Autos verbringt.“ „Ich wollte auch noch einkaufen gehen und vielleicht nehme ich Mirai mit“, teilte Miyuki ihre Pläne mit, was Sakura kurz aufschreien und zurückspringen ließ: „Scheiße, wo kommst du denn plötzlich her, Nobiro?“ „Ich bin doch eben mit Aiden-kun zusammen angekommen“, murmelte die Grünhaarige und tippte verunsichert die Zeigefinger aneinander, woraufhin sich die Rosahaarige mehrfach dafür entschuldigte, sie übersehen zu haben. Um wieder das Thema zu wechseln, sah Sakura zu Aiden, der sich kurz mit Luca über die Angewohnheiten von dessen Mutter unterhielten: „Sag mal, Kurosaki-kun: Warum begleitest du Haru nicht bei ihren Besorgungen? Sie könnte bestimmt jemanden brauchen, der ihr beim Tragen und so hilft.“ „Meinst du? Ich dachte eher, dass ich mit Miyuki und Mirai zusammen einkaufen gehe. Immerhin brauche ich ja auch noch ein paar Sachen für die Tage“, erwiderte der Braunhaarige, doch schüttelte seine Klassenkameradin schnell mit dem Kopf: „Nein, du solltest mit Haruka-chan mitgehen. Sag mir einfach, was du brauchst, dann bringen Mirai und ich es dir mit.“   Die Aktion überraschte den Jungen doch sehr, denn aus irgendeinem Grund wich Miyuki seinem Blick aus, ebenso wie Haruka: „Ist irgendwas? Willst du mich nicht dabeihaben?“ „Doch, natürlich, aber ich glaube, dass Haruka eben deine Hilfe braucht“, beteuerte die Grünhaarige, woraufhin die Mechanikerin leise murmelte: „A-also ein bisschen Hilfe wäre schon nicht schlecht.“ „Oh, na wenn da so ist. Hier, ich schreib dir schnell, was ich noch brauche. Sag mir nur, was du nachher an Geld bekommst, okay?“, klärte der Oberschüler noch die letzten Details mit seiner Mitbewohnerin, die allem, was er sagte, sehr schnell zustimmte und dann den Arm hob: „Schon klar, aber ihr solltet jetzt los. Ihr müsst die Sachen ja kaufen und dann noch in die Werkstatt bringen, nicht wahr?“ „Ich denke schon… Sollen wir, Tenno?“, wandte sich Aiden an die Brünette, die schnell nickte und sich in Bewegung setzte. Beim Gehen wandte sich Aiden noch einmal seinen Freunden zu, die ihm alle etwas zu euphorisch zuwinkten: „Irgendwas haben die doch vor, aber was? Hm…“ Kaum waren die beiden verschwunden, seufzte Sakura auf und blähte mit verschränkten Armen die Wangen auf: „Der Typ ist so ein Schlauchstehen.“ „Der typische Protagonist eines Anime“, bestätigte Miyuki und wurde dafür komisch angesehen, weshalb sie sich mit einer leisen Entschuldigung schnell auf den Weg machte, um Mirai abzuholen. „Nun, jetzt sind es nur noch wir beide, Nozaki-chan“, säuselte Luca, als bemerkte, dass er mit der Rosahaarigen alleine war, doch wandte diese sich sofort ab: „Ich hab noch einen Termin.“ Sichtlich geknickt ließ der Spanier den Kopf hängen und kratzte sich an der Wange: „Das war ein Schlag unter die Gürtellinie…“   ~~~In der Stadt~~~     Auf dem Weg zur Werkstatt machte sich Aiden so seine Gedanken über seine Freunde, denn auch wenn sie es abstreiten würden, sie hatten sich alle extrem seltsam benommen. Haruka, die neben ihm herlief, war ungewöhnlich still und sah sich mehr in der Gegend um, weshalb es sie etwas erschreckte, als er sie ansprach: „Sag mal, Tenno, findest du nicht auch, dass sich die anderen eben etwas komisch benommen haben?“ „K-komisch? Wieso? Naja, Sakura steht vermutlich noch etwas neben sich und auf der anderen Seite war es Silva. Der ist immer komisch“, versuchte die Brünette das Gespräch so schnell wie möglich zu beenden. Natürlich war ihr klar, dass ihre Freunde es darauf angelegt hatten, sie alleine mit Aiden loszuschicken, aber das war ihr doch extrem unangenehm gewesen. Umso erleichterter war sie, als sie an der Werkstatt ankamen und sie sich mit einer kurzen Entschuldigung schnell ins Innere flüchten konnte. „Sind heute eigentlich alle ein bisschen seltsam drauf? Junge… ob das an dem kommenden Vollmond liegt?“, überlegte der Braunhaarige und lehnte sich gegen eine Straßenlaterne, um ein bisschen auf seinem Handy zu recherchieren.   Leise summte er vor sich hin, als eine junge Frau mit dunkelblauen Haaren an ihn herantrat und ihn kurz musterte, ehe sie das Wort ergriff: „Kurosaki Aiden, richtig?“ Neugierig hob der Oberschüler den Kopf und sah sich der Frau gegenüber, der er während des Risette-Konzerts begegnet war. Wenn er sich richtig erinnerte, arbeitete sie mit der Polizei zusammen, denn er hatte sie auch damals mit Harukas Mutter zusammen gesehen, während die Brünette noch verschollen war. Etwas unsicher stellte sich der Braunhaarige richtig hin und hob eine Augenbraue: „Ja, das bin ich. Und Ihr Name war… Shirogane?“ „Korrekt. Shirogane Naoto, ich ermittle in einem etwas komplexen Fall, der sich seit einem halben Jahr hier in der Stadt abspielt“, erklärte die Frau und sah dann zu der Werkstatt, in der Aiden Haruka und ihren Großvater erkennen konnte: „Du bist mit der jungen Dame befreundet, oder? Sicher ist dir bewusst, dass sie vor etwas mehr als einem Monat verschwunden war.“ „Ich habe davon gehört“, hielt der Junge seine Antwort kurz, als Naoto ihn mit einem festen Blick fixierte: „Nun, es muss etwas mehr sein als nur gehört, schließlich hast du mehr als einmal in der Zeit hier herumgeschnüffelt.“ Ungewollt zuckte er zusammen, denn anscheinend hatte die Frau ihn damals, als er nach dem Diadem gesucht hatte, doch gesehen. Er durfte jetzt keinen Fehler machen, weshalb er sich durch die Haare fuhr, um sich etwas zu beruhigen: „Wieso herumgeschnüffelt? Darf man hier nicht mehr vorbeigehen?“ „Doch, natürlich, allerdings schienst du ein ganz schönes Interesse an der Sache gehabt zu haben, was mich natürlich neugierig machte. Es gibt das schöne Sprichwort »Der Täter kehrt immer an den Schauplatz des Verbrechens zurück«“, erwiderte Naoto und musterte Aiden genauestens, was diesen extrem nervös machte.   Er knirschte leicht mit den Zähnen und versuchte, keine ungewollte Körperreaktion zu zeigen, bevor er etwas schnippisch wurde: „Wollen Sie damit sagen, dass ich etwas mit Tennos Entführung zu tun habe?“ „Nein, denn mir ist durchaus bewusst, dass du erst vor zwei Monaten hierhergezogen bist und diese komischen Fälle passieren schon länger.“ Bei Ihrer Erklärung rieb sich die junge Frau nachdenklich das Kinn und Aiden war schon erschrocken darüber, dass diese Frau sich anscheinend über ihn informiert hatte: „Wenn ich als Täter nicht in Frage komme, warum verhören Sie mich dann?“ „Du magst nicht der Täter sein, allerdings könntest du andere Dinge wissen. Es muss ja einen Grund für dein Interesse an der Sache gegeben haben, außerdem ist es etwas auffällig, dass das Mädchen, welches verschollen war, plötzlich wieder auftaucht und dann in dasselbe Wohnheim zieht, indem du wohnst“, drängte die Frau ihn weiter in die Enge, weshalb er versuchte, sich irgendwie rauszureden: „Soweit ich das weiß, hatte Tenno Probleme mit ihrer Mutter und brauchte etwas Abstand. Warum sie gerade in das Wohnheim gezogen ist, kann ich Ihnen leider nicht sagen.“ „Probleme mit der Mutter? Da werde ich wohl nochmal nachhören müssen, aber noch eine andere Frage: Sagt dir der Name Akutagawa etwas?“ Bei der Frage behielt Naoto Aiden ganz genau im Blick, was den Oberschüler noch nervöser werden ließ, falls das überhaupt möglich war. Sofort war ihm klar, dass sie jetzt auf Setsuna anspielte, aber zum Glück hatte er da noch einen Trumpf in der Hand, den er jetzt ausspielen konnte: „Ja, den Namen kenne ich…“ Auf die Aussage wurde Naoto hellhörig, doch hatte sie wohl nicht mit dem folgenden Konter gerechnet: „Aber ich weiß wirklich nicht, was mein Lehrer jetzt mit der Sache zu tun hat.“   Etwas verstimmt kratzte sich die junge Frau an der Nase, bevor sie sich räusperte und ihre Fassung wiedererlangte: „Es geht mir um den Sohn deines Lehrers, Akutagawa Setsuna. Schon mal gehört?“ Auf die Frage schüttelte er langsam den Kopf und versuchte dabei ehrlich zu wirken, was er mit einer zusätzlichen Aussage versuchte: „Ich bin noch nicht so lange auf der Schule, da kenne ich ehrlich gesagt auch nicht so viele Leute und ob die Kinder unserer Lehrer da sind, kann ich Ihnen leider auch nicht sagen. Wieso, ist der auch verschwunden?“ „Nicht mehr. Er wurde als vermisst gemeldet, tauchte aber vor eineinhalb Wochen wieder auf. Ich dachte, darüber würde man sich in der Schule unterhalten“, machte die Frau weiter, doch zuckte Aiden nur mit den Achseln: „Verzeihen Sie, Shirogane-san, aber ich gebe wirklich nichts auf irgendwelche Gerüchte in der Schule, deshalb höre ich da meistens nicht hin, wenn ich durch den Flur gehe.“ „Ich verstehe. Nun, dann will ich dich nicht weiter belästigen und wünsche dir noch einen schönen Nachmittag, Kurosaki-kun“, verabschiedete sich Naoto von dem Jungen und marschierte an ihm vorbei in Richtung der Mall. Aiden sah der Frau einen Moment lang nach, bis er bemerkte, dass Haruka an ihn herangetreten war und seinem Blick folgte: „Ist etwas passiert? Du schaust so komisch.“ „Nein, alles gut, Tenno. Hast du deinen Einkaufszettel?“, wechselte der Braunhaarige das Thema, woraufhin die Brünette grinsend mit dem Papier in der Hand wedelte: „Ja, hier. Dann los, wir müssen rüber nach Iwatodai.“   Während der Zugfahrt erkundigte sich Aiden, warum sie denn für den Einkauf nach Iwatodai müssten, woraufhin Haruka ihm erklärte, dass es auf der Insel, auf der sich die Mall, die Schule und die ganzen anderen Gebäude befanden, schlicht nicht genug Platz für alle Arten von Geschäften gab. Die Erklärung machte tatsächlich Sinn, allerdings wurde dem Jungen etwas mulmig bei dem Gedanken, später noch einmal mit Tüten und Teilen beladen mit dem Zug zurück nach Port Island zu fahren. Ganz zu schweigen davon, dass sie dann auch wieder zurück nach Hause mussten und das würde ziemlich viel Zeit in Anspruch nehmen. Haruka schien zu erahnen was er dachte, denn sie konnte ihn damit beruhigen, dass ihre Mutter später vorbeikommen und die Einkäufe mitnehmen würde. Damit war Aiden sichtlich zufrieden und er freute sich schon ein wenig darauf zu sehen, was Haruka am Ende alles kaufen würde. Das Geschäft, in welches sie dafür mussten, befand sich gar nicht mal so weit vom Bahnhof entfernt, wodurch sie schon nach einem kurzen Fußmarsch an ihrem Ziel ankamen.   Eigentlich hatte Aiden mit so etwas wie einem Baumarkt gerechnet, aber dieser Laden erinnerte eher an eine Rockerbar, was besonders an dem hier anzutreffenden Klientel lag. Von schwarzen Lederjacken bis hin zu Totenköpfen war hier anscheinend jedes Klischee vertreten, weshalb Aiden schon ein wenig verunsichert wirkte und sich an seine Begleitung wandte: „Irgendwie fühle ich mich hier fehl am Platz… sogar noch mehr wie damals, als Miyuki mich mit in dieses Manga-Café genommen hat.“ „Mach dir keine Sorgen, Kurosaki-kun. Die sehen zwar hart aus, aber die meisten sind eigentlich ganz normale Büroangestellte, die hier ein wenig ihre Träume ausleben wollen“, erklärte Haruka und grüßte dabei einen der Kunden, der ihr freundlich zuwinkte und sich dann wieder den Waren im Regal widmete. Haruka selbst hatte sich mit einem Einkaufswagen bewaffnet und studierte ihre Einkaufsliste, die sie systematisch abarbeitete. Die meisten Teile, die im Karren der Brünette landeten, hatte Aiden noch nie gesehen, andere wie zum Beispiel Zündkerzen konnte er klar einordnen. Was ihn am meisten Verwunderte war, dass die ganzen Erwachsenen sich anscheinend gar nicht darüber wunderten, dass Haruka hier herumlief und sich mit den verschiedensten Teilen ausstaffierte. Nach einer Weile gewann Aidens Neugier die Oberhand und er wühlte ein wenig in dem Karren herum: „Sag mal, Tenno, reicht das Zeug hier eigentlich für alle Kunden? Ich meine, kommt man damit bei dem ganzen Andrang eigentlich aus?“ „Leider nicht, dafür gibt es einfach viel zu viele verschiedene Arten von Autos, Motorräder und sowas. Bei der ganzen Vielfalt kannst du dich gar nicht mit allem Ausstatten, was du irgendwie irgendwann mal brauchen wirst, deshalb sind Opa und ich dazu übergegangen, uns lediglich mit den gängigsten Teilen und Größen einen Vorrat anzulegen“, gab die Mechanikerin zurück und sah sich mit großen Augen um.   Es erstaunte Aiden schon sehr, wie offen und fröhlich Haruka in dieser Umgebung wirkte, wenn er daran dachte, wie bedrückt und zurückgezogen sie dagegen in der Schule oder bei ihrer Mutter war. Die gute Laune verflog bei der Brünetten, als ihr Handy kurz klingelte und sie einen Blick auf das Display warf, woraufhin sich einen leisen Seufzer ausstieß. „Was ist los? Schlechte Nachrichten?“, erkundigte sich der Oberschüler, doch schüttelte seine Mitbewohnerin lediglich mit dem Kopf: „Nein, das ist nur eine Nachricht von meiner Mama.“ „Sie ist wohl immer noch sehr besorgt um dich, kann das sein?“, ging Aiden auf das Thema ein und übernahm dabei das Schieben des Einkaufswagens, damit Haruka eine Antwort tippen konnte, ohne irgendwo reinzufahren: „Besorgt ist gar kein Ausdruck. Ich meine, ich telefoniere jeden Tag mit ihr, hatte ich ihr ja auch versprochen, aber jedes Mal dieses »Willst du wieder nach Hause kommen?« geht einem echt auf den Geist. Ich meine, ich halte es ihr ja zugute, dass sie versucht sich zu ändern und mir meine Freiheiten lässt, insbesondere, dass sie mir nicht mehr ihre Meinung aufzwingt, aber manchmal kann sie schon extrem nerven.“ „Naja, wie schon gesagt, sie macht sich Sorgen um dich, Tenno. Schließlich bist du ihre einzige Tochter und ich kann mir denken, dass sie nach der Sache mit… Du weißt schon, etwas paranoid geworden ist“, versuchte Aiden, die Beweggründe von Harukas Mutter etwas zu verstehen, denn er war sich sicher, dass sie nur das Beste für ihr Kind wollte. „Ich weiß, sie will nur sicher gehen, dass es mir gut geht, aber sie fängt wieder an, in diesen Kontrollwahn zu verfallen. Die letzten beiden Tage, ist sie abends bei uns vorbeigefahren und hat das Wohnheim observiert“, murmelte die Brünette und rieb sich dabei die Nasenwurzel, während Aiden sich ein lautes Lachen nicht verkneifen konnte: „Ernsthaft? Ach du Schande. Warte, woher weißt du das? Hast du sie gesehen?“ „Nein, es war Mirai, die sie gesehen hat, als sie mit Kako spazieren war. Ich will Mama ja liebhaben, aber manchmal hasse ich sie für solche Aktionen. Es ist, als ob sie mir nicht vertrauen würde“, murrte Haruka verstimmt, als sie bemerkte, wie Aiden stehen geblieben war und nachdenklich auf seine Hände schaute: „Ich denke einfach, dass das der Weg ist, wie manche Mütter ihre Liebe zeigen.“   „Denkst du? Hm… Wie ist es eigentlich zwischen dir und deiner Mutter? Sie schien mir auch etwas temperamentvoll zu sein“, erkundigte sich das Mädchen und sah ihren Bekannten neugierig an, der sich nachdenklich den Nacken rieb: „Naja, wenn ich so zurückdenke, war meine Mutter fast nur mit der Arbeit beschäftigt. Sie hat stets dafür gesorgt, dass Kari und ich alles hatten, aber ich hätte mir wirklich gewünscht, sie mehr um mich zu haben. Daher entschuldige, wenn ich deinen Wunsch nach Abstand zu deiner Mutter nicht ganz nachvollziehen kann.“ „E-entschuldige, ich wollte dir jetzt nichts Böses unterstellen oder dich irgendwie angreifen“, wurde Haruka etwas panisch und sah ihren Bekannten traurig an, doch lachte dieser nur leicht auf: „Wieso denn mich angreifen? Du hast halt andere Erfahrungen gemacht als ich, da kann man sich ja denken, dass wir die Dinge etwas unterschiedlich sehen.“ „Puh, ich hatte schon Angst, du wärst mir böse oder sowas“, gab die Brünette erleichtert von sich, woraufhin sie rot anlief und verlegen zur Seite schaute, denn Aiden lachte wieder auf: „Du bist echt eine Ulknudel, weißt du das? Warum sollte ich dir denn böse sein? Es ist doch nichts passiert, aber vielleicht solltest du mal versuchen, die Taten deiner Mutter aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.“ „Aus einem anderen Blickwinkel?“, murmelte Haruka leise und zeichnete mit ihrem Fuß Kreise am Boden, während sie über das Gesagte nachdachte: „Vielleicht hast du Recht. Es lag auch an meiner eigenen Einstellung, die meinen Shadow erst hervorgebracht hat, von daher muss ich mir wohl auch mal an die eigene Nase fassen.“ „Es gibt immer zwei Blickwinkel, das habe ich durch dich und Akutagawa erkannt und wenn du bei deiner Mutter Hilfe brauchst, bin ich gerne da, um dir zur Seite zu stehen“, bot Aiden seine Hilfe an, was das Gesicht der Brünette fast schon in eine Tomate verwandelte. „A-also… Wenn du mir deine Hilfe so freundlich anbietest, werde ich sie natürlich dankend annehmen“, gab Haruka leise zurück und grinste Aiden freudig an, als dieser wieder ein warmes Gefühl in seinem Inneren spürte, welches ihn das Lächeln erwidern ließ. „Tja, dann sollten wir uns mal mit den Einkäufen beeilen, sonst steht deine Mutter nachher vor der Tür und es gibt eine Standpauke, weil du nicht fertig bist“, lachte der Junge auf, was das Mädchen nur seufzen ließ: „Du bist echt ein Stimmungstöter, Kurosaki-kun.“   Kapitel 45: XLV – Lustige Zugfahrt ---------------------------------- ~~~Donnerstag 16. Juni 2016~~~   Die Schüler der Gekkoukan High School standen wild miteinander diskutierend am Bahnhof Iwatodai und warteten darauf, dass ihr Zug in Richtung Inaba endlich kommen sollte. Aiden stand mit Haruka, Luca, Mirai und Miyuki etwas abseits und versuchte krampfhaft, sein Gähnen zu unterdrücken. Leider gelang ihm das nicht, denn sein bester Freund gab sich überhaupt keine Mühe damit, seine Gähner im Zaum zu halten und döste im Stehen vor sich hin, weshalb Lucas gähnen ihn förmlich ansteckte. An sich wirkten die meisten Schüler noch extrem verschlafen und es grenzte an ein Wunder, dass schon alle da waren. „Warum müssen wir so früh losfahren?“, brummte Luca irgendwann und blinzelte verschlafen, weshalb Haruka den Tagesplaner hervorholte: „Naja, weil die Zugfahrt nach Inaba locker bis zum Nachmittag dauern wird und wenn wir später fahren, kommen wir erst mitten in der Nacht an.“ „Wie gut, dass ich mich mit diesem Kram gar nicht rumärgern muss. Ich mache mir drei schöne, freie Tage“, stichelte Mirai hämisch und strich Kako über den Kopf, die freudig wedelnd neben ihr saß und dabei Kiara im Blick hatte, die auf Aidens Tasche hockte. „Hast du es gut, Mirai. Ich würde auch gerne wieder in mein Bett“, seufzte der Spanier und wirkte so, als wäre er gerade im Stehen eingeschlafen. Miyuki hatte aber eine andere Sorge, die sie besorgt zu der Silberhaarigen schauen ließ: „Bist du sicher, dass du ohne uns zurechtkommst, Mirai?“ „Himmel, bist du meine Mutter, oder was? Ihr seid für drei Tage weg, da werde ich wohl alleine bleiben können, ohne das Wohnheim abzufackeln. Ich bin schon groß, Miyuki, ich brauche niemanden, der mir das Händchen hält“, brummte die junge Frau und verschränkte die Arme vor der Brust, doch rollte sie kurz darauf mit den Augen, als Luca sie anflirtete: „Ich hätte nichts dagegen, deine hübsche Hand zu halten, Mirai-chan.“   Aiden schüttelte über die Aktion nur den Kopf, während Haruka ebenfalls mit den Augen rollte: „Weißt du, Silva-kun, deine Flirtversuche würden vielleicht besser ankommen, wenn du das nicht bei jedem Lebewesen versuchen würdest, dass auch nur ansatzweise Brüste hat.“ Eigentlich hatte sie dem Schürzenjäger einen Dämpfer versetzen wollen, doch ging Harukas Aktion leider nach hinten los, als Luca seine Hand neben ihrem Kopf an der Wand abstützte: „Oh? Höre ich da etwa den Wunsch, meine ungeteilte Aufmerksamkeit für sich zu haben, Tenno-chan?“ „In deinen Träumen“, knurrte die Brünette und ging von der Gruppe weg, um sich zu Sakura und einigen Mädchen aus ihrer Klasse zu stellen. Die verbleibenden drei Teenager sahen sich leicht belustigt an, bevor Mirai mit dem Daumen auf Luca deutete: „Und ihr macht euch wegen mir Sorgen? Kümmert euch lieber um Luca.“ „Da hat sie nicht ganz unrecht“, lachte Miyuki peinlich berührt auf und schulterte ihre Tasche, als die Stimme ihrer Lehrerin erklang: „Kommt bitte alle her und stellt euch zu euren Klassenlehrern. Der Zug fährt jeden Moment ein!“ „Scheint so, als müsstet ihr los. Ich wünsche euch viel Spaß und bringt mir was mit“, hob Mirai zum Abschied die Hand, als Miyuki sie fest umarmte: „Ich bring dir ganz viel mit, Miri-chan.“ „Ich bin dann mal da drüben. Wir sehen uns, Mirai“, verabschiedete sich der Spanier von der Silberhaarigen und schlenderte zu Haruka und Sakura hinüber.   Mirai sah Luca einen Moment nach, ehe ihr Blick auf die Tasche von Aiden ging und dabei leicht schmunzelte: „Nimmst du den blinden Passagier da eigentlich mit?“ „Blinder Passagier wäre sie nur, wenn ich sie nicht eben schon gesehen hätte. Kiara, du kannst nicht mitkommen“, ermahnte der Junge sein Haustier, welches sich auf seiner Tasche so klein wie möglich machte und versuchte, ihren Platz zu verteidigen. Leider gelang es dem Kätzchen nicht, denn Aiden hob sie einfach hoch und hielt sie seiner Freundin hin: „Mirai, bist du so freundlich und nimmst sie mit nach Hause?“ „Damit du es weißt, Katzensitting kostet extra“, scherzte Mirai mit einem Zwinkern, doch nahm sie das Tier auf den Arm und streichelte ihren Kopf: „Du bleibst bei mir und Kako und keine Widerworte, junges Fräulein.“ Die Katze gab ein protestierendes Miauen von sich und sah Aiden an, der ihr sanft den Kopf tätschelte und dann seien Tasche griff: „Wir sehen uns in drei Tagen und danke nochmal, Mirai.“ „Jaja, du kochst meinem Hund schließlich das Essen, also will ich mal nicht so sein. Viel Spaß und denkt an meine Souvenirs. Komm, Kako“, verabschiedete sich die junge Frau und machte sich mit den beiden Tieren auf den Rückweg zum Wohnheim, wobei Aiden den vorwurfsvollen Blick von Kiara abbekam, die anscheinend nicht glauben konnte, dass er sie tatsächlich zurückließ. Schlussendlich wandte sich Aiden ab und ging mit Miyuki zu ihrer Klasse, wo sie von ihrer Lehrerin nochmal ermahnt wurden, im Zug keinen Unsinn anzustellen. Kurz darauf fuhr auch schon der Zug ein und Aiden verstand wie üblich nicht, warum sich die Leute beim Einsteigen eigentlich immer so anstellen mussten. Natürlich wollte man am liebsten einen Sitzplatz, aber sich dafür so rum zuschubsen war das Ganze wirklich nicht wert.   Auch ohne den übertriebenen Einsatz von Ellenbogen hatten sich Miyuki, Haruka und Sakura einen Sitzplatz ergattern können, doch zog es Luca und Aiden auf die andere Seite des Abteils. Beim Einsteigen hatte Aiden einen weiß-blauen Haarschopf gesehen, mit dem er sich etwas unterhalten wollte und natürlich ließ Luca es sich nicht nehmen, ihn zu begleiten. Als die beiden den Vierersitz erreichten, auf dem Setsuna hockte, bemerkten sie, dass seine Mutter bei ihm saß und leise auf ihn einredete: „Ist dir schlecht, Setsuna? Soll ich dir ein Mittel gegen Übelkeit geben?“ „Nein, Mama, es ist alles gut“, brummte der Kleine und schaute aus dem Fenster, als er in der Spiegelung des Glases die beiden Persona-User bemerkte und ihnen den Kopf zuwandte: „Oh, hallo, Kurosaki-senpai, Silva-senpai.“ „Hey, Akutagawa“, grüßten die beiden Jungs synchron, als ihre Lehrerin sie erst erstaunt musterte und dann zu ihrem Sohn schaute: „Soll ich euch ein bisschen alleine lassen, Setsuna?“ Auf die Frage schaute der Junge leicht verlegen zur Seite aus dem Fenster, ehe er ein leises „Ist nicht nötig, Mama. Wir reden über nichts, was du nicht hören kannst“ nuschelte und seine Mutter zum Kichern brachte: „Nein, nein, ihr Jungs wollt euch bestimmt ein wenig alleine unterhalten. Bitte, setzt euch doch. Ich muss ohnehin nach den Schülern sehen, die sich nach hinten verzogen haben.“ Noch ehe die beiden etwas erwidern konnten, war die Frau aufgesprungen und den Zug entlang nach hinten verschwunden. „Shiragami-sensei ist glaube ich etwas zu enthusiastisch über die Tatsache, dass der Kleine Freunde hat“, brummte Luca und ließ sich auf den Platz gegenüber von Setsuna fallen, während Aiden den Platz daneben in Beschlag nahm: „Tut mir leid, falls dir das jetzt unangenehm war, Akutagawa.“ „Ist nicht schlimm. Mama reagiert immer so, wenn sie sieht, dass ich mich mit anderen Leuten abgebe und mich mit ihnen verstehe“, erklärte der Unterstufler und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, ehe er wieder aus dem Fenster sah: „Es ist dennoch schon ziemlich peinlich, wenn deine Mutter es so übertrieben breittritt.“ „Mütter, ein ewiges Mysterium“, lachte der Spanier und streckte sich ausgiebig auf seinem Platz, bevor er die Hände hinter dem Kopf verschränkte und die Augen schloss: „Ich bin aber echt froh, dass wir einen Sitzplatz haben. Ich glaube, ich hau mich noch aufs Ohr. Weck mich, wenn wir da sind, Amigo.“ „Als ob du so lange pennst. Luca?“, gab der Braunhaarige zurück und musterte seinen Freund, der allerdings schon im Reich der Träume versunken war: „Alter, wie kann der so schnell einpennen?“ „Haruka-nee meinte mal, dass Silva-senpai ein komischer Kauz wäre, aber ich finde ihn eigentlich voll cool“, grinste Setsuna und wippte auf seinem Platz hin und her, bevor er begann, Aiden über seine bisherige Schulzeit auszufragen.   Haruka hatte, wie die meisten Schüler ihres Jahrgangs, den Morgen für ein weiteres Nickerchen genutzt, doch gegen Mittag wachte sie wieder auf und rieb sich verschlafen die Augen. Sakura neben ihr döste weiter vor sich hin, während Miyuki wie gebannt auf ihr Tablet schaute und dabei immer wieder erschrockene, überraschte oder murrende Laute von sich gab. Neugierig richtete sich die Brünette auf und strich sich die Haare an ihrem Hinterkopf glatt, bevor sie der Grünhaarigen sanft aufs Knie tippte: „Was liest du da, Miyuki?“ Für einen Moment zuckte das Mädchen erschrocken zusammen und sah hoch, als sie Haruka erkannte und erleichtert aufseufzte: „Oh Gott, du hast mich erschreckt, Haruka-chan. Ach, ich lese ein paar Manga.“ „Auf deinem Tablet? Hast du die nicht als richtige Bücher?“, wunderte sich die Brünette und musterte dann ihre beste Freundin neben sich, die ebenfalls wach wurde und sich die Augen rieb: „Worüber redet ihr?“ „Über Manga und ja, ich habe sie alle in Papierform, nur vermeide ich es, diese mit auf Reisen zu nehmen. Am Ende passiert was und sie gehen kaputt. Zuhause lese ich sie natürlich so, aber wenn ich unterwegs bin, lade ich mir welche auf mein Tablet“, erklärte die Grünhaarige und enthusiastisch, doch lief sie rot an und versteckte sich hinter dem Gerät, da sie von zwei skeptischen Blicken gemustert wurde: „Sorry, ich bin schon still…“   „Musst du nicht. Tut mir leid, ich wollte dich nicht so komisch anschauen, ich war nur etwas überrascht“, versuchte Haruka ihre Freundin zu beruhigen, die zaghaft nickte und sich wieder ihrer Lektüre widmete, allerdings war die Neugier der Brünette geweckt: „Was genau liest du denn für Manga? Da gibt es doch bestimmt mehrere Bereiche, wie bei Filmen.“ „Klar gibt es da mehrere Bereiche. Ich lese hauptsächlich Romance, wobei ich gestehen muss, dass ich eher auf die BL und Yuri Manga stehe“, erzählte die Künstlerin, woraufhin Haruka und Sakura die Köpfe schief legten: „BL? Yuri?“ „Das wisst ihr nicht? BL ist der Ausdruck für Geschichten, in denen zwei Jungs geshippt werden, steht für Boys Love und Yuri ist dasselbe bei Mädchen.“ „Okay, du bist also eine von denen, die alles und jeden gedanklich als Paar zusammenstecken“, schlussfolgerte Sakura und stützte das Kinn auf der Hand ab, während Miyuki energisch den Kopf schüttelte: „Nicht alles. Die Charaktere müssen auch zusammenpassen, wobei ich ehrlich sein muss, dass ich hin und wieder auch Leute aus meinem Umfeld shippe.“ Die Aussage ließ die beiden Freundinnen sich überrascht anschauen, ehe sie zu grinsen begannen und die Grünhaarige antippten: „Dann lass mal hören, wen du so alles zusammensteckst.“ Die Aktion ließ das Otaku-Mädchen rot anlaufen und sie schien zu bereuen, dass sie überhaupt etwas gesagt hatte. Leider waren Haruka und Sakura nicht gewillt, sich diese Infos vorenthalten zu lassen, weshalb sie immer wieder nachfragten und die genuschelten Ausreden einfach ignorierten.   „Jetzt komm schon, Nobiro. Sag es uns. Wir werden auch nicht lachen“, beteuerte die Rosahaarige und bemerkte den komischen Blick der Grünhaarigen: „Ihr werdet eher sauer auf mich sein…“ „Warum? Shippst du etwa Saku und mich?“, witzelte Haruka und stieß ihrer besten Freundin in die Seite, doch als sie die roten Wangen von Miyuki sah, trat ihr selbst die Schamesröte ins Gesicht: „Dein Ernst?“ „Ich habe doch gesagt, dass ihr sauer sein werdet…“, murmelte die Grünhaarige und zog den Kopf ein, als Sakura in schallendes Gelächter ausbrach und dadurch von allen Mitfahrern mit großen Augen angesehen wurde. Nun machte auch Miyuki große Augen, denn diese Reaktion hatte sie wirklich nicht erwartet und sah deshalb verblüfft zu Haruka, die ihrer Freundin auf die Schulter tippte: „Gott, du bist manchmal so peinlich, Saku. Jetzt krieg dich mal wieder ein.“ „Sorry, es überkam mich einfach. Ich fand es einfach zu gut. Keine Sorge, Nobiro, ich bin nicht sauer“, versicherte die Rosahaarige und hielt sich den schmerzenden Bauch, um sich erst einmal zu beruhigen.   „Ihr… seid echt nicht wütend?“, hakte Miyuki nach, weshalb beide Mädchen zustimmend nickten und Haruka anschließend gluckste: „Ich gebe selbst zu, dass man bei Sakura und mir dieses Gefühl bekommen könnte. Du bist schon eine interessante Person, Miyuki. Allerdings will ich jetzt auch wissen, was für Jungs du shippst.“ „Oh ja, jetzt kommt der gute Teil“, grinste Sakura und wartete auf die Antwort, die die Grünhaarige nach kurzem Zögern gab, indem sie mit dem Finger über die Schulter zeigte: „Haltet mich für verrückt, aber wären Aiden-kun und Silva-kun nicht total süß zusammen?“ „Oh Gott, nein! Wie kommst du denn darauf?“, gab Haruka empört von sich, was Sakura wieder auflachen ließ: „Also ich muss zugeben, sie hat nicht unrecht, Haru, außerdem ist das ja nur fiktiv. Mach dir also keine Sorgen, dass Silva dir wirklich deinen Schwarm ausspannt.“ Auf den Kommentar wackelte die Rosahaarige frech mit den Augenbrauen und sah zu, wie ihre beste Freundin immer mehr rot anlief und nach Luft schnappte. Jeder Kommentar, dass sie doch nicht so einen Blödsinn reden sollte, wurde von den beiden Schülerinnen sofort im Keim erstickt, was Haruka ihr Gesicht in ihrer Jacke vergraben ließ. Immer noch lachend klopfte die Rosahaarige ihrer Freundin auf die Schulter, die krampfhaft darum bat, endlich das Thema zu wechseln. Um ihr diesen Gefallen zu tun, wandte sich Sakura wieder an Miyuki und erkundigte sich nach ihren Vorlieben: „Okay, um Haru von dem ganzen Romantikgelaber zu erlösen, wechseln wir das Thema. Was liest du denn noch so?“ „Auch wenn du es nicht glaubst, ich lese auch viele Battle Shōnen Manga“, grinste die Grünhaarige und sah danach in zwei verdutzte Gesichter: „Ihr wisst nicht, was Shōnen bedeutet, oder?“ „Nicht wirklich“, gaben die zwei synchron zurück, woraufhin das Mädchen erklärte, dass es sich dabei um Mangas mit einer sehr kampflastigen Story handelten, die sich eigentlich an ein männliches Publikum richteten.   „Sie sind manchmal echt übertrieben, aber einige der Shōnen sind einfach toll. Ich kann euch Drachenkugel S nur empfehlen“, beteuerte die Grünhaarige und sah wieder auf ihr Tablet, als Sakura die Stirn runzelte: „Ich glaube, ich habe die Serie dazu mal gesehen.“ „Wirklich?“, horchte Miyuki sofort auf und sah die Rosahaarige mit großen Augen an, was dieser allerdings etwas unangenehm war: „Ich bin mir nicht mal sicher, ob es der überhaupt war…“ „Beschreib mir die Szene“, forderte die Grünhaarige sofort und hüpfte aufgeregt auf ihrem Sitz herum, weshalb Sakura seufzte und nachdachte: „Das ist schon ein bisschen her, aber… da war so ein mechanisches Alien, welches sich an dem Protagonisten rächen wollte. Ah genau, da war dieser blauhaarige Typ mit dem Schwert, bei dem sich rausgestellt hat, dass er aus der Zukunft gekommen ist.“ „Das war definitiv Drachenkugel S“, bestätigte Miyuki grinsend und sah weiter zu Sakura, die plötzlich breit grinste: „Nenn mich bescheuert, aber dieser Typ war einfach nur hot.“ „Ja, nicht wahr? Später, als er aus der Zeitkammer gekommen ist und die langen Haare hatte, er sah so gut aus“, stimmte die Grünhaarige ihrer Freundin und schloss träumerisch die Augen, während Sakura weiter mitmachte: „Ja, die Folge habe ich auch gesehen. Ich war so in den Typen verschossen, das glaubst du nicht.“ Die beiden Mädchen redeten munter weiter, bis sie merkten, wie Haruka sie mit leicht geschlossenen Augen ansah: „Ist was, Haru?“ „Nein, macht einfach weiter mit eurem Geschwärme“, murmelte die Brünette und sah wieder aus dem Fenster, während ihre beiden Freunde genau das taten und weiter über diesen Anime-Charakter diskutierten.   Mit einem leisen Seufzer lauschte die Brünette ihren beiden Freundinnen, die sich munter weiter mit ihrem Gespräch machten und Haruka bemerkte dabei, wie glücklich es Miyuki machte, sich mit Sakura über diesen Anime unterhalten zu können. Sie selbst enthielt sich hier und ließ stattdessen den Blick durch den Zug schweifen, wobei ihr Blick an Aiden hängen blieb, der mit Setsuna und Luca Karten spielte. Ein fröhliches Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, denn sie freute sich unheimlich darüber, dass Aiden, Luca und Setsuna so gut miteinander klarkamen und würde schon gerne wissen, worüber die drei sich gerade unterhielten. Setsuna bemerkte ihren Blick und grinste kurz in ihre Richtung, ehe er zwei seiner Karten auf die Tischablage zwischen ihm und den beiden älteren Klatschte. Während sie dasaß, traten zwei ihrer Klassenkameraden an die Sitzgruppe heran und eine von ihnen ergriff zaghaft das Wort: „Hallo, Tenno-san, dürfen wir dich kurz was fragen?“ Überrascht hob die Brünette den Blick und neigte dann leicht den Kopf, ehe sie sanft nickte: „Sicher doch. Was gibt es denn?“ Die beiden Schülerinnen sahen sich kurz einen Moment an und schienen sich stumm darauf zu einigen, wer von ihnen denn jetzt die Frage stellen sollte und nun sahen auch Miyuki und Sakura neugierig zu den beiden Mädchen.   Nach einem Moment nickten die beiden Mädchen und die erste sah kurz über die Schulter, ehe sie sich Haruka zuwandte: „Läuft da eigentlich was zwischen dir und Silva?“ Die Frage warf Haruka komplett aus der Bahn und sie wusste nicht, was sie auf die Frage antworten sollte. Sakura hingegen presste sich die Hand auf den Mund, um nicht laut loszulachen, denn die Frage war einfach viel zu lächerlich in ihren Augen. Als Haruka sich wieder gefangen hatte, schüttelte sie schnell den Kopf und winkte mit der Hand ab: „Wie kommt ihr beiden denn auf diese verrückte Frage?“ Die Reaktion brachte die zwei Schülerinnen kurz zum Stutzen, bevor die Zweite eine Antwort gab: „Naja, ihr beiden scheint euch in letzter Zeit sehr gut zu verstehen und… ihr kommt in den letzten Tagen immer zusammen aus der Pause zurück.“ „Ja, von daher dachten wir, dass da was zwischen euch laufen würde“, stimmte die Erste zu und sah Haruka abwartend an, doch rieb sich diese nur die Nasenwurzel und knurrte leise: „Ich schwöre, wenn dieser Typ irgendwas komisches gesagt hat… Aber nein, Silva-kun und ich sind nur Freunde. Ich gebe ja zu, dass er oft extrem seltsam ist, aber ich habe mir gedacht, dass ich ihm vielleicht eine Chance gebe und er ist eigentlich kein schlechter Kerl, dennoch läuft da nichts zwischen uns.“   Die beiden Mädchen gaben einen erstaunten Laut von sich, bevor sie sich ansahen und dann zu den drei Jungs auf der anderen Seite schauten, die nun bemerkten, dass man sie anstarrte. Aiden hob eine Augenbraue und sah dann wieder zu seinen Freunden, während die Mädchen sich wieder ihrem Gespräch widmeten. Sakura hatte sich wieder beruhigt und sah zu ihren Klassenkameraden auf, um die Situation zu erklären: „Wisst ihr, genau genommen will Haru nichts von Silva, sondern von dem Kerl, mit dem Silva die ganze Zeit rumhängt.“ Die Aussage ließ Haruka empört aufquietschen, bevor die beiden Mädchen ein langgezogenes „Oh“ von sich gaben und wieder zu Aiden schauten. Die Erste sah weiter in die Richtung, während die Zweite sich an die Brünette wandte: „Du stehst auf Kurosaki? Wirklich?“ „Was? N-nein, so ist das nicht… Also…“, stammelte die Mechanikerin und sah hilfesuchend zu Miyuki, die sich aber wieder hinter ihrem Tablet verkrochen hatte und diesem Gespräch so entging. „Das muss dir doch nicht peinlich sein, er ist doch süß“, sprach die Schülerin weiter, als ihre Freundin sich wieder an die Mädchen wandte: „Ich habe gehört, dass er sich für die Gleichberechtigung der weiblichen Schüler im Sport einsetzt. Das ist voll cool.“   Die fünf Mädchen sahen sich an, als eine männliche, leicht gereizt klingende Stimme neben ihnen erklang: „Wenn ihr was zu sagen habt, würde ich es vorziehen, wenn ihr uns das ins Gesicht sagt und nicht dauernd tuschelnd in unsere Richtung schaut.“ Erschrocken sahen die Schülerinnen zu dem Jungen, bei dem es sich um Aiden handelte, der mit verzogenem Gesicht die Arme vor der Brust verschränkt hatte. Haruka traute sich nicht, den Jungen anzuschauen, doch erklärten die beiden Mitschülerinnen, dass sie sich über Aidens Petition unterhalten hatten. Die Aussage brachte den Braunhaarigen zum Stutzen und er kratzte sich verlegen am Hinterkopf, als eine der beiden Schülerinnen weiterredete: „Wir finden es voll cool, wie du dich für die Mädchen einsetzt. Wenn wir wieder zurück sind, würde ich mich gerne eintragen.“ „Das ist echt super, würde mich freuen. Je mehr Leute sich dafür aussprechen, desto größere Chancen haben wir“, grinste der Braunhaarige und entschuldigte sich dann dafür, dass er gerade etwas patzig gewesen war. Keins der Mädchen nahm ihm die Aktion übel, doch bemerkte Aiden dann, wie gequält Haruka die ganze Zeit dreinschaute und neigte den Kopf: „Geht es dir gut, Tenno? Du wirkst etwas angeschlagen.“ Verblüfft hob die junge Frau den Kopf und versicherte, dass es ihr gut ginge, doch so ganz wollte Aiden das nicht glauben. Die folgende Ausrede, dass sie die Fahrt nicht so gut vertrug, nahm er sofort auf und eilte zu seiner Tasche, um Haruka ein Mittel gegen Reisekrankheit zu holen. „Aw, er ist so aufmerksam“, himmelte die erste der beiden Schülerin, was Sakura breit grinsen ließ: „Und das ist der Grund, warum Haruka auf ihn steht.“ „Sakura, jetzt lass es doch endlich“, jammerte die Brünette und sah zu ihren Klassenkameraden, die sich von ihnen verabschiedete und sich wieder zu ihrer eigenen Gruppe gesellten. Bevor die Rosahaarige weiterreden konnte, kam Aiden mit einem kleinen Döschen zurück und reichte es der Brünette: „Nimm eine davon, wenn dir schlecht ist. Du musst etwas mehr auf dich achten, Tenno.“ „M-mach ich. Versprochen“, stammelte die Mechanikerin und sah dem Braunhaarigen nach, ehe sie Miyuki ans Bein trat und Sakura in die Seite knuffte, um ihr Gekicher zu unterbinden.   Kapitel 46: XLVI – Ankunft in Inaba ----------------------------------- ~~~Donnerstag 16. Juni 2016~~~ ~~~Nachmittag~~~   Mit lautem Zischen kam der Zug im Bahnhof des Städtchens Yasu Inaba zum Stehen und die langsam traten die Schüler der Gekkoukan High School nach und nach ins Freie. Viele schienen die doch sehr lange Zugfahrt nicht sonderlich gut verkraftet zu haben, denn sie wirkten großteilig sehr blass und etwas kränklich. Aiden hatte sich durch die ganzen Kartenspiele mit Luca und Setsuna sehr gut davon ablenken können und war eigentlich guter Dinge, weshalb er nach dem Aussteigen erst einmal den Blick schweifen ließ. „Boah, man merkt richtig, dass das hier auf dem Land ist“, kommentierte Luca und richtete den Gurt seiner Tasche, wobei er für seinen Kommentar einen fragenden Blick von Sakura abbekam: „Und woran merkst du das, Silva?“ „Allein an der Luft kann man das ausmachen. Hier ist die Luft ganz anders als in der Stadt“, gab der Spanier zurück und sah mit einem zufriedenen Grinsen zu, wie die Rosahaarige verstehend nickte: „Irgendwie hast du recht. Es ist irgendwie… Hm…“ „Frischer?“, kam Haruka ihrer Freundin zur Hilfe, die sofort nickte und dann zu ihrem Lehrer schaute. Eigentlich hatten die Schüler sich etwas umsehen wollen, doch leider waren sie ja nicht zum Spaß hier, weshalb die Lehrer sie aufforderten, sich bei ihrem entsprechenden Klassenlehrer einzufinden, damit das weitere Vorgehen besprochen werden könnte.   Aiden und Miyuki gesellten sich zu ihren Klassenkameraden und sahen zu ihrer Lehrerin, die kurz den Stadtplan studierte und dann aufsah: „Okay, es ist noch recht früh, also werden wir uns noch ein wenig die Stadt ansehen. In der Nähe gibt es eine kleine Einkaufsmeile mit mehreren örtlichen Geschäften, die wir besichtigen werden. Bevor ihr etwas sagt, ja, wir werden auch etwas essen gehen, denn in der Einkaufsmeile gibt es anscheinend auch ein kleines Restaurant, zu dem wir als erstes gehen werden. Ihr seht alle aus, als könntet ihr was zu essen vertragen.“ Die Schüler nickten zustimmend und wie auf Kommando knurrten bei einigen die Mägen. Aiden selbst war einer davon und außer dem Frühstück und ein paar Onigiri hatte er heute auch noch nichts gegessen. Miyuki schien dasselbe zu denken, denn sie warf ihm einen strengen Blick, immerhin war sie der Ansicht, dass er beim letzten Mal zusammengebrochen war, weil er nicht richtig gegessen hatte. Er behielt seine Einwände einfach für sich und folgte eher der Gruppe, die sich nun in Bewegung setzte und ihre kleine Städtetour antrat. Da der Tagesplan derselbe für alle Klassen war, hatte sich die kleine Gruppe um Aiden schnell wieder zusammengefunden und liefen nun zu sechst durch die Straßen.   „Warum haben sie uns eigentlich zu unserem Klassenlehrer gerufen, wenn die doch eh alle dasselbe gesagt haben?“, murrte Luca und suchte währenddessen in seiner Tasche nach einer Wasserflasche, wobei die anderen ihm nur zustimmen konnten, allerdings vermutete Setsuna, dass sie einfach etwas Ruhe in der Masse haben wollten. Mit der Erklärung gaben sie sich zufrieden und betrachteten nun die Einkaufsmeile von Inaba, in der sie nun angekommen waren und als erstes sahen sich einem plötzlichen Platzregen gegenüber. Zum Glück hatten Aiden und seine Freunde daran gedacht, sich einen Schirm einzupacken, den sie alle so schnell wie möglich aus ihren Taschen kramten. Als sie vor dem Regen einigermaßen geschützt waren, konnten sie sich auf die erste Station des Einkaufsdistrikts konzentrieren: Eine Tankstelle, an der im Moment allerdings kein Betrieb war. Hinter der Tankstelle folgte eine kleine Buchhandlung, in der sich ein paar Kunden nach der neuesten Literatur erkundigten. Die Buchhandlung war aber nicht so ein Blickfang wie der Laden, der darauffolgte, handelte es sich doch dabei um eine Schmiede für Metallarbeiten. „Krass, die schmieden hier noch? Meint ihr, man kann sich hier ein Ritterschwert bestellen?“, kam es euphorisch von Setsuna, der allerdings schnell von Haruka auf den Boden geholt wurde: „Das dürfte wohl dein Taschengeld etwas übersteigen, Setsuna-kun.“ „Außerdem solltest du dir wenn ein richtiges Katana kaufen. Die sind einfach besser“, bekannte Sakura Farbe für ihre Kultur und viele ihrer Mitschüler schienen an dem Laden wirklich Gefallen gefunden zu haben.   Leider unterbanden die Lehrer die Begeisterung der Schüler sofort, denn es folgte ein sofortiges Verbot, sich irgendwelche Waffen oder etwaige scharfkantige Gegenstände zu kaufen. Mit einem schelmischen Grinsen lief Aiden bereits weiter, hatte er doch zwei richtige Schwerter und brauchte sich daher nicht über das Verbot zu ärgern. Bei dem nächsten Laden handelte es sich um ein Geschäft, in welchem es anscheinend alle möglichen Spezialitäten aus Tofu gab und Aiden war froh, dass sie sich nicht wirklich um dieses Geschäft kümmerten. Bei der folgenden Apotheke überlegte er kurz, ob er noch etwas bräuchte, denn seine Mutter hatte ihm stets eingebläut, dass er besser immer einen kleinen Vorrat an Arznei zur Hand haben sollte. Bei ihrem Besuch hatte sich Rin allerdings selbst um die Besorgungen gekümmert, weshalb er kurz den Kopf schüttelte und mit seinen Freunden einfach weiter die Straße entlanglief. Miyuki hob plötzlich die Nase und begann leicht zu grinsen: „Hm, das riecht aber gut. Meint ihr nicht auch?“ „Bist du neuerdings unter die Hunde gegangen?“, stichelte Katzumi und deutete dann auf ein kleines Lokal auf der linken Seite: „Das ist es, das Restaurant »Aiya«.“ „Wenn es so gut schmeckt wie es riecht, bin ich wunschlos glücklich“, kicherte die Grünhaarige und wollte schon eintreten, als die Lehrer ihnen erklärten, dass es wohl mehrere Möglichkeiten zum Essen gab und die Schüler sich für das entscheiden sollten, was ihnen mehr zusagte. Da keiner der Gruppe irgendwelche Einwände gegen Miyukis Wunsch hatte, betraten sie mit einigen anderen Schülern das Lokal und suchten sich einen Sitzplatz, um die Speisekarte zu studieren.   Haruka und Sakura diskutierten darüber, was sie sich bestellen sollten, was Aiden und Miyuki ihnen gleichtaten, doch fiel Setsuna an einer Tafel im Lokal etwas auf: „Was ist denn diese »Rainy Day Mega Beef Bowl Challenge«?“ Neugierig sahen die umsitzenden Schüler zu der Tafel, auf der eine Herausforderung über das Verzehren einer riesigen Portion angeboten wurde. Dem erfolgreichen Absolventen winkte ein geheimnisvoller Preis, doch war Aiden an sich kein Freund von solch übertriebenen Essensherausforderungen. In seinen Augen war das einfach nur Verschwendung. Die Frage des Weißblauhaarigen wurde von einer jungen Frau mit blauen Haaren beantwortet, die mit einem Schreibblock an ihren Tisch trat und mit einer etwas emotionslosen Stimme sprach: „Eine besondere Herausforderung, die wir nur an Regentagen anbieten. Du musst lediglich unsere »Mega Beef Bowl« komplett essen und du hast gewonnen.“ „Das klingt ja einfach. Hey, Aiden, lass es uns versuchen!“, rief Luca und schlug seinem Freund gegen die Schulter, der ihn nur entgeistert anstarrte: „Bist du völlig bekloppt, Luca? Warum sollte ich das machen?“ „Weil es eine Herausforderung ist. Komm schon, sei kein Frosch“, beharrte der Spanier und zog seinen Freund am Arm zum Tresen, wo sich auch einige der anderen Schüler eingefunden hatten, um sich der Herausforderung zu stellen.   Zu Miyukis großem Erstaunen hatte es auch Katzumi irgendwie an den Tresen verschlagen, doch war sie sich sicher, dass er sich eigentlich nur so da hingesetzt hatte und jetzt im Schlamassel saß: „Ich habe das Gefühl, dass die Jungs später ganz fiese Magenschmerzen haben werden.“ „Ich fürchte eher, dass die sich alles wieder durch den Kopf gehen lassen werden“, murmelte Setsuna und sah zu den älteren Schülern, denen allen eine riesige Schüssel mit Reis, Fleisch und einem Spiegelei aufgetischt wurde. Die Schüler, die nicht an der Herausforderung teilnahmen, feuerten die Teilnehmer lautstark an und verspeisten dabei ihre eigenen Portionen, doch gingen einigen die Augen über, als sie sahen, wie groß die Portion der Challenge war. „Luca…“, fing Aiden leise an und wartete, bis sein Freund ihn zaghaft von der Seite ansah, ehe er ihm bedrohlich zu zischte: „Diese Schüssel ist doppelt so groß wie mein Kopf. Wie soll ich das essen?“ „Ähm… Würde es dir helfen, wenn ich danach vermutlich um mein Leben flehe, weil ich im Fressrausch sterben werde?“, versuchte der Spanier, seinen Freund zu beruhigen, doch kniff dieser nur die Augen zusammen: „Nein, würde es nicht. Ich hoffe wirklich, dass man sich das einpacken lassen kann…“ Während er im Geiste sein Testament schrieb, trat die Kellnerin neben sie und sprach wieder mit ihrer etwas monotonen Stimme: „Ihr habt kein Zeitlimit, nur das eures Magens. Viel Erfolg, liebe Teilnehmer. Die Herausforderung beginnt.“   Die meisten Schüler stürzten sich auf den Fleischberg, doch sah Aiden erst einmal nach links, wo er Katzumi entdeckte, der mit einem zuckenden Auge auf die Portion schaute: „Glaubst du, du kriegst das gegessen, Samejima?“ „Sehe ich wie jemand aus, der sich so mit Essen vollstopft, Kurosaki?“, erwiderte der Rotbraunhaarige und fuhr sich mit der Hand an die Stirn, bevor er seufzend nach seinen Essstäbchen griff: „Es hilft alles nichts… Itadakimasu…“ „Itadakimasu…“, wiederholte Aiden und legte die Hände für ein kurzes Stoßgebet zusammen, bevor er begann, das Ei von der Schüssel runter zu essen. Das Essen schmeckte ausgezeichnet, doch machte es das für den Braunhaarigen nur noch schlimmer, denn wirklich genießen konnte er seine Portion nicht. Dazu dröhnten ihm die ständigen Anfeuerungsrufe seiner Mitschüler in den Ohren, weshalb er sich einfach wünschte, dass sie die Klappe halten würden. Die Zeit verstrich und egal, wie viel Aiden von seiner Schüssel aß, es wollte und wollte einfach nicht weniger werden. Luca klagte neben ihm über dasselbe Problem, denn auch seine Schüssel wirkte so, als hätte er noch keinen Bissen davon angerührt. Nach und nach gaben die Schüler auf und ließen entweder die Köpfe auf den Tresen sinken oder lehnten sich zurück, um sich den schmerzenden Bauch zu reiben. Aiden gehörte zur ersten Gruppe und legte die Stirn auf seine überkreuzten Arme, während er versuchte, sein Essen drin zu behalten. Katzumi neben ihm lehnte sich zurück und verzog leicht das Gesicht, dennoch wirkte er nicht so vollgefressen wie die anderen Schüler. „Ist dir nicht schlecht?“, fragte der Braunhaarige geradeheraus, was ihm einen skeptischen Blick und eine lockere Antwort einbrachte: „Ich habe nur so viel gegessen, wie ich wirklich konnte. Im Gegensatz zu euch habe ich nicht einmal versucht, diese Lächerliche Herausforderung zu bestehen. Entschuldigen Sie? Können Sie mir den Rest bitte einpacken?“   Die Bitte wurde noch von einigen anderen Schülern geäußert, die das Essen nicht verschwenden wollten und es deshalb mitnahmen. Luca und Aiden taten dies ebenfalls und erhoben sich kurz darauf von ihren Plätzen. Das Stehen tat den beiden gut, doch hielt die leichte Übelkeit bei beiden an, weshalb sie froh waren, als sie zum Aufbruch gerufen wurden und an die frische Luft konnten. Die Lehrer wunderten sich etwas darüber, warum einige der Schüler plötzlich so still waren, doch trieb der immer noch anhaltende Regen die Truppe etwas zur Eile an, denn schließlich mussten sie noch zu ihrem Hotel. Da sie sich unter ihren Schirmen verkriechen mussten, konnten sie nicht viel von der Stadt sehen und erst als sie das Hotel erreichten, ließ der Regen langsam aber sicher nach. Vorsichtig hob Aiden den Kopf und schaute auf das Gebäude vor ihnen, bei dem es sich um ein altes, traditionelles Hotel handelte. „Ich glaube, das wird der beste Part des ganzen Ausflugs“, grinste Sakura und schüttelte ihren Schirm aus, während Miyuki sich nachdenklich am Kopf kratzte: „Das »Amagi Inn«… Ich habe den Namen irgendwo schon einmal gehört.“ „Naja, es ist ein recht bekanntes Hotel, gerade wegen diesem alten Stil. Da wäre es eher verwunderlich, wenn du nicht davon gehört hättest“, erklärte Haruka und ging mit den beiden Mädchen ins Innere des Gebäudes, während Setsuna leicht beunruhigt dreinschaute: „Ist es komisch, dass ich noch nie von dem Hotel gehört habe?“ „Nein, ist es nicht“, gaben Aiden und Luca zeitgleich zurück, ehe sie ihren Klassenkameraden ins Innere folgten und sich dort umsahen.   Das Hotel war sehr schön mit vielen Vasen und kleinen Pflanzen eingerichtet und strotzte nur so vor altmodischem Glanz. Vor allem die Mädchen bestaunten die schönen Bonsais und das Ambiente, während die Jungs sich eher über die Onsen, die es im Hotel geben soll, unterhielten. Miss Toriumi klatschte einmal in die Hände und brachte die Schüler somit dazu, sie anzusehen: „So, macht bitte unter euch aus, welche zwei Leute zusammen in ein Zimmer gehen und checkt dann ein. Ich erwarte, dass ihr alle euch vorbildlich benehmt und keinen Unfug anstellt oder irgendwas zu Bruch geht. Habt ihr das verstanden?“ „Ja, Miss Toriumi“, erklang es im Chor, bevor die Schüler nach und nach in Zweierpaaren an den Tresen gingen und sich ein Zimmer aussuchten. Noch bevor Aiden auch nur einen Gedanken an seinen potenziellen Zimmerpartner verschwenden konnte, hatte Luca ihm einen Arm um die Schulter gelegt: „Du und ich, Amigo?“ „Nur, wenn du dein Essen von vorhin drin behalten kannst“, stichelte der Braunhaarige gegen seinen Freund und trat an den Tresen, um für die beiden einzuchecken. Die Dame erklärte ihm, wie er zu seinem Zimmer kommen würde, weshalb Aiden und Luca sich von den Mädchen erst einmal verabschiedeten und sich dann auf den Weg zu ihrem Zimmer machten. Dieses hatten sie durch die genaue Erklärung auch sehr schnell gefunden, weshalb sie sich beide erst einmal auf ihren Schlafplätzen niederließen.   Luca streckte sich erst einmal ausgiebig und gab ein ächzendes Stöhnen von sich, während er vorsichtig seinen leicht aufgedunsenen Bauch rieb: „Na los, sag es schon… Diese Herausforderung war ne blöde Idee.“ „Ach weißt du, das wird dein Magen schon für mich übernehmen. Bleib einfach ein bisschen liegen, okay?“, gab Aiden zurück und zog sich erst einmal um, denn wie es die Etikette verlangte, würde er im Hotel einen Jinbei tragen. Das schwarze Gewand gefiel ihm ausgesprochen gut, weshalb er sich fragte, warum er so etwas nicht öfter trug. Sein bester Freund schaffte es immer noch nicht, sich zu erheben und rollte sich eher auf seinem Futon herum, um wenigstens ein bisschen Bewegung zu haben. Nach einer Weile drehte er den Kopf zur Seite und musterte seinen Anführer skeptisch: „Bedrückt dich etwas, Aiden?“ „Hm? Wie kommst du darauf, dass mich etwas bedrückt?“, gab der Braunhaarige irritiert zurück und hob fragend eine Augenbraue, weshalb sein Freund sich auf den Bauch rollte und ihn fest ansah: „Ich weiß nicht, aber seit wir hier angekommen sind, hast du so einen seltsamen Blick drauf. Stört dich etwas?“ „Ich schaue seltsam? Das ist mir gar nicht aufgefallen. Naja, ich kann es nicht genau erklären, aber irgendwie hat dieser Ort so eine sonderbare Aura“, erklärte der Oberschüler langsam, was ihm einen weiteren skeptischen Blick einbrachte: „Okay. Ich habe zwar keinen Dunst von was du da redest, aber solange es dir gut geht.“ „Ja, mach dir keine Sorgen. Aber danke, dass du ein Auge auf mich hast, Luca“, lachte Aiden auf und ging zu seiner Tasche, um seine Schulunterlagen rauszuholen. „Du willst dich nicht ernsthaft jetzt an die Schulaufgaben setzen, oder?“, gab der Spanier ungläubig von sich, doch nickte sein Zimmerkollege nur bestätigend: „Natürlich. Wenn wir sie jetzt machen, haben wir später mehr Freizeit. Wenn du dich aus dem Bett schwingen kannst, können wir sie zusammen machen und sind dadurch schneller fertig.“ „Ich hasse es, wenn du so ein Streber bist… und dann musst du auch noch Recht haben“, jammerte Luca wehleidig, doch rollte er sich von seinem Futon, um sich erst umzuziehen und sich dann ebenfalls an seine Schulaufgaben zu setzen.   Eine ganze Stunde saßen die beiden Jungs an ihren Aufgaben, die sie durch gute Teamarbeit auch schon zu einem Großteil erledigt hatten, doch ließ bei Luca so langsam die Konzentration nach: „Können wir ne Pause machen? Mein Kopf dröhnt und mein Magen verträgt die leicht gebeugte Haltung nicht.“ „Sicher doch, leg dich für einen Moment hin“, gönnte Aiden seinem Freund eine verdiente Pause, der sich wieder mit einem leisen Stöhnen auf seinen Futon fallen ließ und sich den Bauch rieb: „Ich glaube, ich werde die nächsten paar Tage nichts mehr essen.“ „Dann machst du eben mal eine kleine Diät. Ist doch auch nicht schlimm“, lachte der Braunhaarige und lehnte sich zurück, während er sich ausgiebig streckte. Die beiden Jungs schwiegen einen Moment, als es an ihrer Tür klopfte und sie damit zeitgleich zur Tür schauen ließ. „Wartest du auf jemandem, Luca?“, fragte Aiden neugierig, doch bekam er nur einen Witz als Antwort: „Natürlich. Ich bin doch stets in Erwartung einer hübschen Dame, die an meine Tür klopft.“ „Ist klar“, gab der Braunhaarige zurück, ging zur Tür und zog sie auf. Die Person, die er erblickte, ließ ihn erstaunt die Augen aufreißen: „Miyuki?“ „Hey, Jungs… Wäre es eventuell möglich, also… Ähm… Kann ich heute Nacht vielleicht bei euch bleiben?“, stellte die Grünhaarige eine schüchterne, stark gestammelte Frage, bei der sie vehement auf ihre Füße schaute. Zu Aidens Erstaunen hatte sie ihre Tasche bei sich und schien diese nicht einmal ausgepackt zu haben, allerdings war dies erst einmal nicht wichtig, weshalb er beiseitetrat und seine Mitbewohnerin einließ: „Komm erstmal rein, Miyuki.“ „Danke“, murmelte die Schülerin und betrat den Raum, in dem Luca sich mühsam aufrichtete und seine Bekannte fragend ansah: „Was treibt dich denn zu uns, Nobiro-chan?“   „Ich hatte ein kleines Problem mit meiner Zimmerkollegin und… Sie hat mich aus dem Zimmer geworfen“, erklärte Miyuki und setzte sich im Schneidersitz vor den kleinen Tisch im Zimmer, während Luca sich entsetzt aufrichtete: „Was? Meinst du das ernst?“ Mehr als ein zaghaftes Nicken gab die Grünhaarige nicht von sich, als Aiden sich an der Wange kratzte: „Das ist echt mies, aber… warum bist du eigentlich nicht zu Tenno und Nozaki gegangen? Das wäre glaube ich einfacher zu erklären gewesen.“ „Ich wollte ja zuerst zu den beiden gehen, aber… sie waren anscheinend gerade nicht da. Ich wusste nicht, wo ich sonst hinsollte“, erklärte die Schülerin und knetete nervös ihre Finger, während die Jungs einen kurzen Blick tauschten und dann nickten: „Du kannst gerne hierbleiben, Miyuki.“ „Ich überlasse dir gerne meinen Futon, Nobiro-chan“, bot Luca an, doch winkte die Grünhaarige schnell ab: „D-das kann ich nicht annehmen. Ich kann dir doch nicht deinen Schlafplatz streitig machen.“ „Machst du doch gar nicht, ich biete es dir immerhin an“, lachte der Braunhaarige auf, bevor sein Blick zu Aiden wanderte, der wieder zur Tür ging: „Ich geh mal kurz nachfragen, ob wir noch einen Futon bekommen können. Fragen kostet schließlich nichts.“ Damit verließ Aiden das Zimmer und machte sich auf die Suche nach einem Hotelangestellten.   Sich neugierig umsehend marschierte er durch die Empfangshalle, als er eine Person mit langen schwarzen Haaren entdeckte, die gerade ein paar Handtücher in einem Schrank verstaute. Wenn sie so etwas tat, würde sie wohl zum Personal gehören, weshalb er zielstrebig auf sie zuging und sich kurz räusperte: „Entschuldigen Sie, darf ich kurz was fragen?“ Mit einem leisen Summen richtete die junge Frau ihre dunkelbraunen Augen auf den Schüler und verneigte sich dann lächelnd: „Natürlich. Wie kann ich helfen und ich hoffe, Sie genießen ihren Aufenthalt im Amagi Inn bisher.“ „Ähm, ja, alles gut soweit. Ich wollte fragen, ob wir eventuell noch einen Futon bekommen könnten. Es gab in einem Zimmer wohl einen kleinen Disput“, erklärte der Braunhaarige etwas unbeholfen, woraufhin die Schwarzhaarige anfing, in dem Schrank zu wühlen: „Hat jemand etwas zu trinken verschüttet?“ „Nein, es ist eher so, dass einer aus seinem Zimmer geschmissen wurde und einen neuen Platz braucht“, gab Aiden leise zu und schien damit einen besonderen Punkt getroffen zu haben, denn die Frau reichte ihm eine neue Matratze mitsamt Decke und Kissen: „Nun, dann machen wir einfach ein Dreierzimmer daraus. Die größeren Zimmer waren leider bereits ausgebucht, aber wir sehen das nicht so eng.“ „Vielen Dank, das ist sehr nett von Ihnen“, strahlte der Oberschüler und verneigte sich tief, als er kurz einen stechenden Schmerz im linken Auge verspürte. Als er wieder aufsah, bemerkte er eine leicht schimmernde, blaue Aura und die junge Frau, die von einem blauen Schmetterling begleitet wurde. Erstaunt weiteten sich seine Augen, doch bevor er weiter darauf eingehen konnte, rief jemand über die Frau vor ihm: „Yukiko-chan, wir brauchen dich kurz in der Küche. Kannst du bitte kommen?“ „Ich komme, Otō-san! Wenn Sie sonst noch etwas brauchen, lassen Sie es uns ruhig wissen“, verabschiedete sich Yukiko mit einer tiefen Verneigung und eilte davon, um in der Küche zu helfen. Aiden sah ihr einen Moment lang nach, in dem er sich das linke Auge rieb: „Was war das denn gerade?“ Immer noch leicht irritiert machte er sich auf den Rückweg zu seinem Zimmer, in dem er Luca und Miyuki bei den Hausaufgaben entdeckte. Diese wurden aber erst einmal unterbrochen, damit sie das Zimmer etwas umräumen und für drei Personen herrichten konnten.   Nach getaner Arbeit ließen sich die drei Schüler jeweils auf ihrem Futon nieder und Miyuki drehte verlegen Däumchen, während sie es nicht wagte, den Blick zu haben: „Ich weiß gar nicht, wie ich euch danken soll, Jungs. Ihr seid echt toll.“ „Mach dir deswegen keine Gedanken, du hättest uns schließlich auch geholfen, allerdings muss ich dir jetzt sagen, dass du echt einem Lehrer davon erzählen solltest“, brummte Aiden und sah die Grünhaarige eindringlich an, die sich nur verlegen über ihren Haarzopf strich: „Es ist okay, ich nehme es einfach hin. Wie heißt es so schön, der Klügere gibt nach.“ „Es gibt einen Unterschied zwischen nachgeben und sich schikanieren lassen, Nobiro-chan“, mischte sich jetzt Luca ein, der etwas angesäuert das Gesicht verzog und ebenfalls zu dem Mädchen schaute. Diese seufzte und löste langsam ihren Zopf, um sich die Haare zu glätten: „Es ist wirklich okay, außerdem will ich nicht als Petze verschrien werden.“ „Wenn du meinst… Aber wenn ich einmal sehe, wie dich jemand so behandelt, dass garantiere ich für nichts“, teilte Aiden seine Meinung mit und legte sich auf seinen Futon, um an die Decke zu schauen. Lange blieb er nicht so liegen, denn Miyuki murrte etwas verlegen und sah die beiden Braunhaarigen der Reihe nach an: „Ich… müsste mich mal umziehen…“ „Da ist so ein Holzvorhang, hinter den kannst du gehen“, schlug Luca sofort vor, doch fuhr ihm sein bester Freund in die Parade und erhob sich wieder: „Hättest du gerne, mein Lieber. Los, wir gehen was zu trinken holen, in der Zeit kann Miyuki sich in Ruhe umziehen.“   Mit protestierendem Gemurre und einem leisen „Danke“ von Miyuki liefen die beiden Jungs ins Foyer des Hotels, wo sie auf einen Getränkeautomaten stießen, dessen Angebot sie jetzt inspizierten. „Was magst du, Luca? Ein »Mad Bull«?“, erkundiget sich der Braunhaarige bei seinem Freund, der allerdings sofort abwinkte und auf den Knopf für einen Kamillentee drückte: „Nein, auf Kohlensäure kann ich jetzt getrost verzichten, glaub mir. Weißt du, ich verstehe nicht, warum so viele Leute so gemein zu Nobiro sind.“ „Naja, die meisten Leute übersehen sie einfach… Ging mir beim ersten Mal auch für einen Moment so“, gab Aiden zu und zog einen Orangensaft und eine Limonade aus dem Automaten, bevor er sich mit Luca auf den Rückweg machte. Während diesem unterhielten die beiden sich weiter über ihre Freundin: „Ich gebe zu, dass es nicht richtig von mir war, sie damals über den Haufen zu rennen und ich hätte sie gar nicht bemerkt, wenn du uns nicht angeschnauzt hättest. Allerdings habe ich mich entschuldigt und nicht einmal das schaffen die meisten.“ „Ich glaube, sie sind neidisch auf Miyuki“, mutmaßte der Anführer und nippte an seiner Limo, bevor er seine Aussage etwas mehr erläuterte: „Miyuki ist einfach wie sie ist. Sie tut das, was sie mag, sie beschwert sich nicht über ihr Gewicht oder ihr Aussehen, sie ist zufrieden mit sich und ihrem Leben, großteilig zumindest. So sehe ich das.“ „Du meinst also, dass die anderen neidisch darauf sind, dass Nobiro anscheinend keine Probleme hat?“, hakte der Spanier nach und wartete darauf, dass sein Freund nickte, ehe Luca noch etwas hinzufügte: „Naja, ganz zu schweigen davon, dass sie mit Mr. Ich-bin-cool-wie-ein-Stuhl befreundet ist. Da kommt auch noch die Eifersucht durch.“ Die beiden seufzten synchron und kehrten in ihr Zimmer zurück, wo Miyuki umgezogen auf ihrem Futon lag und wieder auf ihr Tablet schaute, wo sie sich wohl noch einen Manga zu Gemüte führte. Da der nächste Tag für sie eine Menge Anstrengung bringen würde, entschied das Trio sich dazu, es für heute gut sein zu lassen und löschte nach ein paar Minuten das Licht.   Kapitel 47: XLVII – Ein Tag an der Yasogami High School ------------------------------------------------------- ~~~Freitag 17. Juni 2016~~~  Die meisten Schüler der Gekkoukan hatten das Amagi Inn bereits verlassen und waren auf dem Weg zur Yasogami High School, doch standen Aiden, Miyuki und Luca noch bei ihrer Lehrerin, Mrs. Toriumi. Die Brünette hatte leider gesehen, wie die Grünhaarige aus dem Zimmer der beiden Jungs gekommen war und so waren sie gezwungen, ihrer Lehrerin Rede und Antwort zu stehen. Zum Glück des Trios hörte die Lehrerin ihnen ruhig zu und schien ihre Argumentation zu verstehen, doch seufzte sie und rieb sich die Nasenwurzel: „Ich kann euch ja verstehen, dennoch haben wir gewisse Regeln und die müsst ihr befolgen.“ „Aber was hätte ich denn machen sollen, Toriumi-sensei? Kabi-san hat mich aus dem Zimmer geschmissen und die einzigen Mädchen die ich kenne, waren nicht im Zimmer. Ich musste zu den Jungs“, beharrte Miyuki auf ihrer Aktion und brachte ihre Lehrerin wieder zum Seufzen: „Ich weiß, dass ihr nichts Verbotenes gemacht habt, aber ich muss darauf bestehen, dass Nobiro heute Abend bei den Mädchen schläft. Ich werde sehen, dass ich ein anderes Zimmer für dich finde. Jetzt seht zu, dass ihr zur Schule kommt.“ „Ja, Sensei“, murrten die drei Schüler und verließen das Hotel, um sich auf den Weg zur High School zu machen. Auf dem Weg ließ Miyuki ihren Unmut über die Erwachsenen aus, denn die, die andere ärgerten kamen ungeschoren davon und die Schüler, die nichts getan hatten, bekamen Ärger. Luca sah es genauso wie die Grünhaarige und murrte immer wieder vor sich hin, denn die Tatsache, dass ihre Lehrerin eben auch wieder Aidens Vorfall in der Umkleide der Sportclubs zur Sprache gebracht hatte, machte ihn sauer. Aiden war ihm zwar dankbar dafür, dass er sich für ihn einsetzte, aber leider würde das nichts an ihrer Situation ändern: „Wir können nur hoffen, dass Miyuki bei Tenno und Nozaki unterkommt oder eine andere, hoffentlich sozialere Zimmerkollegin bekommt.“ „Ja, hoffen wir es“, gaben die beiden Schüler zurück und folgten dem Strom an Schülern, die sich durch den Ort bewegten.   Nach einer Weile kamen sie an einem Fluss vorbei, den einige ihrer Mitschüler zum Bummeln ausnutzten, doch wollten Aiden und seine Freunde keinen weiteren Zwischenfall mit den Lehrern riskieren. Als sie weitergingen, bemerkte Luca ein Mädchen mit der Gekkoukan Uniform, welche ein Stück von ihnen entfernt am Rand des Weges hockte und anscheinend etwas suchte. Hilfsbereit, wie der Spanier nun einmal war, trat er vorsichtig an das Mädchen heran, wobei er für einen Moment ihr hüftlanges, hellbraunes Haar musterte. Auf dem Kopf trug das Mädchen einen dünnen Haarreif mit einem blauen Schmetterling auf der linken Seite, welcher aufgrund ihrer gebückten Haltung leicht verrutschte. Es war offensichtlich, dass sie etwas suchte, weshalb Luca ihr sanft gegen die Schulter tippte: „Entschuldige, hübsche Lady, brauchst du vielleicht Hilfe beim Suchen?“ Die Reaktion, die auf seine Frage folgte, hatte sich der Oberschüler ganz anders vorgestellt, denn das Mädchen sprang wie von der Tarantel gestochen auf und wich vor ihm zurück. Ihre grauen Augen waren weit aufgerissen, als sie den Braunhaarigen laut anschrie: „Fass mich nicht an!“ Völlig perplex wich Luca einen Schritt und sah die Schülerin erschrocken an, als diese auf dem Absatz kehrt machte und davonstürmte.   Für einen Moment war es ganz still, denn auch die Schüler, die am Fluss herumtrödelten, hatten in ihrem Tun innegehalten, als sie das Geschrei gehört hatten. Aiden verzog leicht das Gesicht und sah zu seinem Freund, der sich leicht bedrückt den Oberarm rieb und vor sich hinmurmelte: „Ich habe ihr doch nur helfen wollen…“ „Mach dir nichts draus, Luca. Vielleicht hat die einfach einen schlechten Tag“, versuchte der Braunhaarige seinen Freund etwas aufzumuntern, der allerdings nur ganz langsam nickte: „Ja, vielleicht…“ „Ich bin überrascht, dass die das so zusetzt, Silva-kun. Du hast doch schon des Öfteren eine Abfuhr bekommen“, ergriff nun Miyuki das Wort und lief wieder neben ihren Freunden her, von denen der Spanier die Hände hinter dem Kopf verschränkte: „Ja schon, aber das war in einem normalen Ton und nach einem Gespräch, aber man schreit doch nicht so rum, nur weil man um Hilfe gebeten wurde.“ „Das war echt schräg, aber stör dich nicht dran. Die ist deine Hilfe dann einfach nicht wert, Silva-kun. Ich weiß, was für ein lieber Kerl du bist und dein Geflirte hat einen gewissen Charme, den aber nicht jeder zu schätzen weiß“, plapperte Miyuki drauf los und brachte den Spanier zum Lächeln: „Das ist echt süß von dir, Nobiro-chan. Dürfte ich dich mal auf einen Saft einladen?“ „Wenn du mir meine nächste Ladung Alkoholmarker bezahlst, gern“, lachte die Grünhaarige auf, als Luca ihr mit einem breiten Grinsen in die Falle ging: „Das Angebot nehme ich an!“ „Du armer Trottel“, murmelte Aiden und schüttelte den Kopf, denn er erinnerte sich noch sehr gut daran, wie viel Geld Miyuki damals für ihre Stifte ausgegeben hatte und das würde seinem Freund ein tiefes Loch in den Geldbeutel brennen.   Das letzte Stück zur Yasogami High School führte einen Hügel hinauf, der vor allem Miyuki schwer zusetzte: „Wer kam auf die dumme Idee, eine Schule auf einen Hügel zu bauen?“ „Du solltest echt mehr trainieren, Miyuki“, seufzte Aiden und erbarmte sich seiner Mitbewohnerin, indem er sie an der Schulter griff und förmlich die letzten Meter hochschob. Vor dem Schultor standen schon einige der Schüler und sahen sich neugierig um, wobei die Gruppe auch Haruka, Sakura und Setsuna entdeckte, die sich über etwas unterhielten. Als das Trio näherkam, hob die Rosahaarige eine Augenbraue und neigte den Kopf: „Na, hast du schon so früh am Tag ne Abfuhr kassiert, Silva?“ „Du musst wirklich nicht darauf rumreiten, Nozaki-chan“, murrte der Braunhaarige und steckte die Hände in die Hosentaschen, als ihm zum Erstaunen der Gruppe Setsuna zur Hilfe kam: „Du solltest dir nicht so viele Gedanken deswegen machen, Silva-senpai.“ Neugierig wurde der Weiß-blauhaarige angeschaut, wobei er mit einem Jo-Jo herumspielte und dieses immer wieder in seine Hand zurückkehren ließ: „Das Mädchen, dem du da begegnet bist, war höchstwahrscheinlich Tanaka-san und die ist sowieso etwas seltsam. Letztens hat sie einen Jungen in meiner Klasse fast mit ihrer Tasche erschlagen, nur weil er ihr ans Ohr geschnipst hatte.“ „Wow, das klingt nach einer ganz schönen Überreaktion“, gab Aiden zu bedenken und erhielt zustimmendes Nicken von Haruka und Miyuki, doch schauten sie zur Schule, als aus dieser das Läuten einer Glocke ertönte. Mit etwas gemischten Gefühlen betrat die Gruppe die Schule und machten sich nach einem Blick auf die Schülerliste auf den Weg zu den ihnen zugewiesenen Klassenräumen.   Zu Aidens missfallen war er mit keinem seiner Freunde in eine Klasse gesteckt worden, dafür hatte es Katzumi zu ihm verschlagen, der von der allgemeinen Situation äußerst genervt zu sein schien. Alle Mädchen, die in der Klasse waren, scharrten sich um den Rotbraunhaarigen und löcherten ihn mit Fragen, wie er die Schule denn bisher fände und ob er später etwas mit ihnen machen wollen würde. Ein wenig tat der Junge Aiden leid, doch erstaunte es ihn ein wenig, als sich Katzumi neben ihn stellte und an die Wand des Ganges lehnte: „Womit habe ich denn die Ehre deiner Anwesenheit verdient, Samejima?“ „Du nervst wenigstens nicht oder pöbelst rum, weil die Mädchen an mir kleben. Von daher bist du das geringere Übel“, merkte der Oberschüler an und sah sich im Gang um, wobei er nach etwas zu suchen schien: „Wo bleibt eigentlich der Lehrer?“ „Ich weiß es nicht, aber sollten wir nicht vielleicht ins Lehrerzimmer nachfragen gehen?“, schlug Aiden vor und sah zu seinem Kollegen, der nur knapp nickte und sich von der Wand abstieß: „Ich geh fragen.“ Gerade als er losgehen wollte, kam ein großgewachsener Mann im Sportanzug auf sie zu und verschränkte die Arme vor der Brust: „Wo bleibt ihr denn? Ich warte seit zehn Minuten auf dem Sportplatz!“ „Sportplatz?“, kam es irritiert von den Schülern, die sich einen Moment anschauten und anschließend von dem Mann aus der Schule zu einem Sportplatz gescheucht wurden.   Der Sportplatz entpuppte sich als großer Praschenplatz mit Fußballtoren, auf dem sich die Schüler einen Moment neugierig umsahen und dann von dem Lehrer etwas barsch angefahren: „Da keiner von euch daran gedacht hat, Sportkleider mitzubringen, werden wir heute etwas Theorie zu verschiedenen Sportarten machen.“ „Sporttheorie?“, kam es von mehreren Spielern gequält, denn darauf hatten sie alle so absolut gar keine Lust, doch wusste Aiden genau, dass alles Nörgeln nicht helfen würde. Nach und nach wurden die Schüler ausgefragt, bevor der Mann zu Katzumi kam und seine Namensliste studierte: „Mal sehen… Samejima! Wie viele Spieler stehen pro Team bei einem Volleyballspiel auf dem Feld?“ Der Junge schloss die Augen ein wenig und schien sich nicht sicher zu sein, ob die Frage an ihn ernst gemeint war, doch brummte er ein gelangweiltes „Sechs.“ „War ja echt schwer“, witzelte Aiden und erntete einen genervten Blick von Katzumi, der die Hände in den Hosentaschen vergrub: „Ich nehme zurück, dass du weniger nervst.“ Die Reaktion brachte Aiden zum Lachen, doch verging ihm dies, als er ins Visier seines Lehrers geriet: „Was gibt es da zu lachen? Du bist… Kurosaki. Wenn du lachen kannst, kannst du auch dein Hirn benutzen. Wie nennt man es beim Fußball, wenn ein Spieler einen Mitspieler anspielt, obwohl kein Gegenspieler mehr da ist?“ „Sie reden von Abseits, oder?“, antwortete Aiden mit einer Gegenfrage und brachte den Mann zum Knurren, ehe er sich einem der Mädchen zuwandte und diese mit Fragen löcherte. Den Mädchen schien dieser grobe Ton absolut gar nicht zu gefallen und Aiden konnte nicht anders, als sie zu bemitleiden: „Hast du auch das Gefühl, dass der Typ bei der Armee war?“ „Nein, absolut nicht“, erwiderte Katzumi und sein Kommentar triefte vor Sarkasmus, doch half diese Sticheleien den beiden, die Stunden zu überstehen.   Auf die Doppelstunde Sport folgte für die Klasse von Aiden eine Doppelstunde Hauswirtschaft und hier passte der Braunhaarige sogar auf, denn Kochen war irgendwie sein Gebiet. Die Lehrerin erklärte den Schülern gerade, wie wichtig beim Kochen die Wahl des richtigen Wassers war, denn die Bestandteile wirkten sich schwerwiegend auf den Geschmack aus. Katzumi beobachtete neugierig, wie fleißig sein Sitznachbar mitschrieb und sich effektiv an dem Unterricht beteiligte. Leider ging die Stunde zu schnell vorbei und als die Glocke wieder läutete, verabschiedete die Lehrerin die Schüler in die Pause. Die Einladung, die Pause mit Aiden und seinen Freunden zu verbringen, schlug Katzumi aus und ging seinen eigenen Dingen nach, weshalb sich der Braunhaarige auf die Suche nach seinen Freunden machte. Da er keine Ahnung hatte, wo er mit der Suche anfangen sollte, stieg er die Treppe zum Dach hinauf und zu seiner Freude traf er dort auf Haruka und Setsuna, die sich ihr Essen bereits schmecken ließen. „Hey, ihr beiden“, begrüßte der Gruppenanführer und winkte den beiden zu, was die beiden mit einem freundlichen Lächeln erwiderten. Die Brünette rutschte ein Stück zur Seite, damit sich Aiden zu ihnen setzen konnte: „Wie war dein Tag bisher so, Kurosaki-kun?“ „Sporttheorie und Hauswirtschaft, also durchwachsen. Was gab es bei euch?“, erkundigte sich der Braunhaarige und bekam ein Jammern von Setsuna zu hören: „Mathe und Literatur… Als ob ich das mit meinen Eltern nicht schon genug machen würde.“ „Mein Beileid, Setsuna, aber mit Englisch und Geographie bin ich nicht wirklich besser dran“, gestand die Mechanikerin und sah anschließend zur Tür, aus der in dem Moment Sakura und Miyuki traten und sich zu ihnen gesellten.   An sich wurde die Pause von der Gruppe genutzt, um sich über die Lehrer zu unterhalten und sie machten sich einen Spaß daraus, Parallelen zu ihren eigenen Lehrern zu ziehen, was in den skurrilsten Vergleichen endete. Aiden amüsierte sich zwar sehr gut mit seinen Freunden, doch wunderte es ihn, dass Luca sich nicht blicken ließ. Irgendwas sagte ihm, dass sein Freund sich Gedanken über sein Treffen mit dem Mädchen vom Morgen machte und er nahm sich vor, später nach ihm zu sehen. Leider mussten sie wieder zum Unterricht, der für Aiden aus Mathematik und Englisch bestand. Die Stunden vergingen auch recht schnell und er merkte allmählich, dass die Yasogami High ein ähnliches Lernpensum wie die Gekkoukan hatte. Vielleicht war es hier an der Schule etwas leichter, doch viel gaben sie sich nicht. Als die Schulglocke endlich zum letzten Mal läutete, packte Aiden seine Sachen zusammen und erhob sich von seinem Platz, um sich ausgiebig zu strecken. Auch Katzumi streckte sich einen Moment, bevor er seine Tasche schulterte: „Das war eine reine Zeitverschwendung, wenn du mich fragst.“ „Es ging eigentlich, es waren ein oder zwei interessante Dinge dabei“, erwiderte der Braunhaarige und verließ mit seinen Klassenkameraden die Schule. Vor dem Gebäude blieb Aiden stehen und lehnte sich an die Mauer, an der das eiserne Schultor befestigt war, um auf seine Freunde und die Lehrer zu warten.   Nach und nach tauchten die anderen Schüler auf und als auch der Letzte anwesend war, kamen Mrs. Toriumi und die anderen Lehrer der Gekkoukan dazu und erläuterten, was als nächstes noch anstand. Zwar hatten die Schüler jetzt etwas Freizeit und durften sich frei in der Stadt bewegen, allerdings mussten sie einen kleinen Aufsatz über das schreiben, was sie getan hatten. Setsuna ließ über diese Aufgabe seinen Unmut lautstark hören, denn er hatte absolut keine Lust, irgendwelche Romane zu schreiben. Keiner seiner Freunde zeigte sonderliche Begeisterung, als von den Lehrern allerdings noch der Hinweis dazu kam, dass man die Aufsätze auch als Gruppenarbeit machen könnte, war die Stimmung doch etwas lockerer. „Wir machen das zusammen, oder?“, jammerte der jüngste Persona-User und sah seine Freunde hilfesuchend an, von denen Miyuki sofort heftig nickte: „Oh Gott, ich bin dafür. Ich kann keine Aufsätze schreiben!“ „Soll mir recht sein, also lasst uns gehen, damit wir auch etwas Material für die Aufgabe bekommen“, bestimmte Sakura und winkte die Gruppe gebieterisch hinter sich her.   Auf dem Weg zum Shopping Distrikt diskutierten die Mädchen darüber, was sie alles machen könnten, während die drei Jungs weiter hinten blieben und ihr eigenes Ding machten. Aiden setzte seinen vorherigen Plan um und suchte das Gespräch mit Luca, der immer noch deutlich bedrückt wirkte: „Alles okay, Luca? Machst du dir immer noch Gedanken wegen der Sache von heute Morgen?“ „Wie könnte ich nicht? Das war nicht so leicht zu verdauen“, gab der Spanier zurück und vergrub seine Hände in seinen Hosentaschen, während er den Blick fest auf seine Füße fixiert hatte. Setsuna spielte wieder mit seinem Jo-Jo und beobachtete seine beiden Senpai einen Moment, bevor er leise einen Kommentar murmelte: „Silva-senpai wirkt deutlich empfindlicher als Haruka-nee ihn immer darstellt. Irgendwie ist er gar nicht so, wie man es hört.“ „Was nuschelst du da in deinen Bart, Akutagawa?“, unterbrach Luca den leisen Monolog des Jungen, der daraufhin erschrocken zusammenzuckte und fast sein Spielzeug fallen ließ: „N-nichts! Ich… ich habe nur ein wenig nachgedacht.“ Die Aussage ließ die beiden Braunhaarigen kurz einen Blick tauschen, bevor sie wieder zu dem Jüngeren schauten und Aiden ergriff dann das Wort: „Und worüber denkst du nach? Wenn dich etwas bedrückt, dann kannst du mit uns reden.“ Die Aussage ließ den Weiß-blauhaarigen große Augen machen, doch schüttelte er dann schnell den Kopf und hob die Hände: „Danke, aber es ist nichts, was mich bedrückt. Ich… ich bin eher über Silva-senpai erstaunt.“   Nun machte der Spanier große Augen und verschränkte die Arme hinter dem Kopf: „Ich erstaune dich? Wo kommt das denn her?“ „Naja, also… Das ist jetzt nicht böse gemeint, aber… Ich habe schon einige Sachen über dich gehört und das, was ich jetzt sehe, passt nicht wirklich zusammen“, erklärte Setsuna langsam und wich dennoch ein Stück zur Seite, denn er befürchtete eine negative Reaktion des Älteren. Luca allerdings machte nur einen nachdenklichen Laut, bevor er mit den Achseln zuckte und in seiner üblichen Manier zu grinsen begann: „Ich bin eben ein äußerst sensibles Individuum, Akutagawa. Außerdem solltest du nicht blind wegen dem gehen, was du von anderen gehört hast, sondern mach dir erst einmal ein eigenes Bild.“ Nach seiner Aussage schloss der Junge zu den Mädchen auf und erkundigte sich danach, was sie als erstes Ziel für ihre freie Zeit auserkoren hatten. Aiden lächelte über die Situation und klopfte Setsuna leicht auf die Schulter: „Da hast du mir ja gerade echt die Tour versaut, Setsuna. Dann rede ich eben heute Abend weiter mit ihm. Na komm, wir hören uns mal an, was die Mädels so geplant haben.“ „Okay“, gab der Jüngere zurück und schloss mit Aiden zu ihren Freunden auf, um sich anzuhören, was sie jetzt machen würden.   Mit der Erklärung warteten die Mädchen, bis sie den Distrikt erreicht hatten und dann übernahm Haruka die Erläuterung: „Ich denke mal, dass wir eine gute Note bekommen, wenn wir eine gewisse Vielfalt haben. Wir fangen also mit einigen örtlichen Geschäften an, dann gehen wir was Essen und nein Silva-kun, wir machen keine Mega-Beef-Bowl-Challenge!“ „Ich habe doch gar nichts gesagt, außerdem gibt es die nur an Regentagen“, belehrte der Spanier seine Klassenkameradin, allerdings hielt er schnell den Mund, als er einen bösen Blick kassierte. „Wo war ich? Ach ja, nach dem Essen machen wir noch etwas mit Kultur, denn hier in der Gegend gibt es auch einen Schrein. Was sagt ihr? Klingt das akzeptabel?“, führte die Brünette die Erklärung fort und sah dann abwartend in die Runde, allerdings schien keiner aus der Gruppe irgendwelche Einwände zu haben. Um die Arbeit etwas zu erleichtern, entschied Miyuki, dass jeder während des Trips Notizen machen sollte, um es am Ende leichter zu haben. Nachdem sich jeder mit einem Block und einem Stift bewaffnet hatte, begannen sie mit ihrem Mini-Städte-Trip, bei dem Sie mit der Tankstelle am Beginn des Distrikts anfingen.   Aiden und Luca waren etwas verloren, da sie nicht wussten, was sie hier genau suchen sollten, allerdings war Haruka sofort in ihrem Element und unterhielt sich mit einigen Kunden ein wenig über die Geschichte der Tankstelle. Wieder einmal merkte Aiden, dass die Brünette bei allem, was auch nur ansatzweise mit KFZ-Technik zu tun hatte, absolut aufblühte. Leider gab es nichts wirklich Interessantes, was die Leute über die Tankstelle erzählen konnten, weshalb die Gruppe als nächstes eine Buchhandlung unter die Lupe nahm. Während Miyuki sich sofort in die Manga-Ecke verzog, stöberte Aiden eher durch die Kochbücher, von denen ihn ganz besonders die Internationale Küche interessierte. Bei dem Buch, welches er momentan in der Hand hielt, konnte sich Luca einen Kommentar nicht verkneifen: „Alter, du kannst doch kein italienisches Kochbuch in meiner Gegenwart lesen. Verräter!“ „Jetzt tu mal nicht so theatralisch, Luca. In dem Buch stehen aber einige sehr interessant aussenden Gerichte drin. Risotto kommt aus Italien? Cool, ich glaube, das kauf ich und das hier nehme ich auch mit“, entschied der Braunhaarige und griff nach einem weiteren Buch, in dem es um französische Süßspeisen ging, weshalb Luca wieder auflachte: „Jetzt auch noch die Franzosen? Willst du mich ärgern? Kauf was Spanisches, Mann!“ „Wenn ich ein spanisches Buch brauche, frag ich deine Mom“, gab Aiden zurück und ging mit seinen Büchern zur Kasse.   Da er dabei aber noch zu Luca schaute, übersah er einen anderen Kunden, in den er versehentlich hineinlief und deshalb zu Boden fiel. Das Poltern der zu Boden gefallenen Bücher ließ alle Anwesenden zu der kleinen Kollision schauen, bei der sich Aiden die Schulter rieb: „Scheiße, tut das weh!“ „Fuck, was hat mich denn da getroffen?“, erklang es ein Stück neben ihm und als Aiden in die Richtung schaute, entdeckte er einen jungen Mann in seinem Alter mit weißen Haaren und einem langen, roten Schal, der sich bereits halb erhoben hatte und sich den Hintern rieb. Schnell hob der Braunhaarige seine Bücher auf, ehe er dem Fremden eine Hand reichte: „Tut mir leid, ich hab dich nicht gesehen. Hast du dir was getan?“ Nun hob der Weißhaarige den Kopf und sah den Braunhaarigen mit seinen rot-braunen Augen verwundert an: „Nein, alles gut. Ich bin nur etwas ungünstig auf dem Hintern gelandet. Wollte dich nicht anrempeln.“ „Du musst dich nicht entschuldigen, ich bin derjenige, der nicht hingesehen hat. Komm, lass mich dir helfen“, beharrte Aiden auf seiner Schuld und half dem Weißhaarigen, seine eigenen Bücher aufzuheben, bei denen er feststellte, dass es alles Bücher über die Schneiderei waren. Es ging ihn allerdings nicht wirklich etwas an, weshalb er die Bücher an den Jungen weiterreichte und sich verneigte: „Es tut mir leid.“ „Ist okay, ich hätte auch aufpassen müssen. Ich sollte nicht in meiner Hosentasche rumwühlen, wenn ich mit Büchern beladen bin…“, gab der Weißhaarige zurück und nickte dankend, als die Verkäuferin ihm eine Tasche für die ganzen Bücher reichte: „Das dürfte besser funktionieren und pass auf dem Heimweg auf, Yuuto-chan. Grüß Raissa von mir.“ „Mach ich und danke. Nochmal sorry, dass ich dich umgerannt habe“, entschuldigte sich der Junge und nachdem er seinen Schal gerichtet hatte, spazierte er aus dem Laden.   Er wusste nicht warum, aber irgendwie kam der Junge Aiden extrem vertraut vor. Zwar war sich der Braunhaarige sicher, dem Weißhaarigen noch nie zuvor begegnet zu sein, denn auch wenn er was flüchtige Bekanntschaften anging ein sehr schlechtes Gedächtnis hatte, so hätte er sich doch definitiv an die weißen Haare erinnert. Woher also kannte er den Jungen? Sakura bemerkte seinen fragenden Blick und trat neben ihn, um seinem Blick nach draußen zu folgen: „Ist was passiert, Kurosaki?“ „Was? Nein, es ist nur… Ich weiß nicht, aber irgendwie kam mir der Typ bekannt vor. Vermutlich irre ich mich, aber es hat mich gerade beschäftigt“, murmelte der Braunhaarige eine leise Antwort und ging zur Kasse, um seine beiden Kochbücher zu bezahlen. Miyuki hatte sich eine kleine Manga-Reihe gegönnt und Haruka las begeistert in einem Buch über amerikanische Muscle-Cars, während Luca und Sakura nichts gekauft hatten. Da sie sich doch länger in der Buchhandlung aufgehalten hatten als es ursprünglich geplant war, ging es danach sofort zum Essen in das Geschäft, in dem sie sich am vorherigen Tag bereits eingefunden hatten. Die Zeit beim Essen nutzte die Gruppe, um sich bei Mirai zu melden, welche sich laut Miyuki bestimmt zu Tode langweilen musste, doch das Telefonat ergab das Gegenteil, denn die Silberhaarige schien sich nie wohler gefühlt zu haben. Zwar stichelte Mirai per Telefon ein wenig gegen ihre Freunde, doch war Aiden sich sicher, dass seine Bekannte sich über den Anruf freute und es einfach nicht zugeben wollte.   Nach dem Essen nahm sich die Gruppe ihren letzten Halt für den Tag vor: Den Schrein im Shopping Distrikt. Das Schreingelände befand sich fast am Ende der Straße und vom Distrikt führte eine lange Treppe nach oben. Die Treppe war mit den typischen, roten Torbögen markiert und auch am oberen Ende der Stufen befand sich ein roter Torbogen. Obenangekommen führte ein gepflasterter Weg, welcher auf beiden Seiten von je einer steinernen Laterne und einer steinernen Komainu-Statue flankiert wurde. Am Ende des Weges befand sich das eigentliche Schreingebäude, wobei ein kleiner Pfad durch einen weiteren Torbogen zu einer Spendenbox führte. Luca hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und drehte sich nachdenklich summend in alle Richtungen, bevor er einen leisen Pfiff ausstieß: „Es ist schon irgendwie lustig.“ „Was meinst du, Silva?“, wunderte sich Haruka und sah sich nach allen Seiten um, bevor der Spanier eine Hand in seine Hosentasche gleiten ließ: „Dieser Ort hier ist so ländlich und wirkt auch deutlich älter als es Iwatodai ist, aber dennoch ist der Schrein in dieser Stadt deutlich kleiner als der Naganaki Schrein. Hätte eher damit gerechnet, dass man hier mehr Wert auf solche Dinge legt.“ „Da hast du nicht ganz Unrecht, allerdings wirkt der Schrein sehr gut in Schuss“, tat Aiden seine eigenen Überlegungen mit, woraufhin Miyuki einen Touristenführer aus der Tasche zog und diesen kurz überflog: „Also laut diesem Plan ist es so, dass der Tatsuhime Schrein, so heißt der hier, früher immer und immer weniger besucht wurde, doch vor etwa fünf Jahren sind wohl Gerüchte aufgekommen, dass die Emas, die man hier aufhängt, wirklich in Erfüllung gehen. Aberglaube oder Realität?“ „Ich bin offen für Neues“, lachte Setsuna und lief zu der Spendenbox, um dort ein paar 100-Yen-Münzen reinzuwerfen. Haruka betrachtete ihren kleinen Freund einen Moment, bevor sie sich an Miyuki wandte: „Gibt es sonst noch was über den Schrein zu wissen?“ „Hm… Ehrlich gesagt nicht“, gab die Grünhaarige zurück, nachdem sie die Broschüre durchgeblättert hatte und dann den Kopf schüttelte. „Na super und was sollen wir dann in den Aufsatz schreiben?“, kam es enttäuscht von Sakura, die sich auf eine Treppenstufe setzte und das Kinn auf die Knie bettete. Etwas verloren sah sich die Truppe an, bis Haruka mit den Achseln zuckte: „Naja, wenn wir unsere erlebten Dinge beschreiben und vielleicht einen Vergleich vom Stadt- zum Landleben ziehen, könnte der Aufsatz dennoch was werden.“ „Oder wir fallen alle durch“, witzelte Luca und lachte auf, bis er einen Knuff gegen sein Knie von Sakura bekam und schnell den Mund hielt. Nach einer kurzen Diskussion entschied sich die Gruppe dazu, Harukas Vorschlag umzusetzen und das wollten sie am besten noch heute Abend in Angriff nehmen.   Auf dem Rückweg vom Schrein fiel Aiden etwas ins Auge, was ihn wieder auf die Palme brachte: Ein Stück von ihnen entfernt stand eine Gruppe von vier zehnjährigen Kindern, wobei das einzige Mädchen von den drei Jungs eingekesselt war. Die Jungs warfen sich immer wieder etwas zu, was nach einer Tasche aussah. „Warum sind Kinder so grausam?“, knurrte Sakura, doch bevor sie einen Schritt machen konnte, war Setsuna bereits auf die Gruppe zumarschiert und schnappte sich die Tasche aus der Luft: „Findet ihr das lustig? Ein Mädchen zu schikanieren?“ „Wir schikanieren sie doch gar, nicht wir spielen nur“, rechtfertigte sich einer der Jungs, doch das Mädchen plusterte nur die Wangen auf: „Wir spielen nicht und ich habe gesagt, dass ihr mich in Ruhe lassen sollt. Hört endlich auf, mich zu bedrängen!“ Die Jungs dachten wohl nicht daran, das zu tun, doch als Aiden und seine Freunde dazukamen, lief das Trio doch lieber davon: „Wir sehen uns in der Schule, Dojima-chan.“ Sakura und Haruka beschwerten sich über die Jugend von heute, während Setsuna dem Mädchen ihren Rucksack zurückgab: „Hier, der gehört dir, oder?“ „Ja, danke. Das war echt lieb von dir. Richtig cool, wie ein Held“, lachte die kleine Brünette, deren Haare ihr offen über den Rücken fielen. Setsuna schien das Lob etwas zu viel zu sein, denn er lief rot an und kratzte sich verlegen am Hinterkopf: „Ich habe nur das getan, was andere Leute auch tun würden.“ Aiden bemerkte, dass sein neuester Teamkollege ihn dabei kurz ansah und musste unwillkürlich grinsen, denn diese Situation war ihrer ersten Begegnung sehr ähnlich, weshalb war er stolz darauf, dass Setsuna hier Courage gezeigt hatte. Das Mädchen verneigte sich noch einmal zum Dank, bevor sie sich mit den Worten verabschiedete, dass sie nach Hause müsse.   Setsuna sah ihr einen Moment nach, bevor er einen Klaps auf die Schulter von Haruka bekam: „Das war richtig männlich, Setsuna-kun.“ „Ach weißt du, Haru-nee, ich habe nur nach meinem Vorbild gehandelt“, erklärte der Junge und grinste stolz, was die Mädchen vergnügt zum Kichern brachte. Das gefiel dem Weiß-blauhaarigen allerdings gar nicht, weshalb er sich lautstark bei den Damen beschwerte, doch während er das tat, bekamen auch Aiden und Luca einen kleinen Lachanfall. Am Ende plusterte auch Setsuna beleidigt die Wangen auf, bevor er übertrieben stampfend den Rückweg zum Hotel antrat. Kapitel 48: XLVIII – Ein Abend im Leben von Luca ------------------------------------------------ ~~~Samstag 18. Juni 2016~~~ ~~~Station Iwatodai, später Abend~~~   Unter lautem Stöhnen verließen die Schüler der Gekkoukan High School den Zug, der wenige Momente zuvor in den Bahnhof eingefahren war und freuten sich über ihre neu gewonnene Freiheit. Der Zug, den sie heute Morgen eigentlich hatten nehmen wollen, hatte sich aufgrund technischer Schwierigkeiten erst verspätet und hatte dann kurz nach Abfahrt einen kompletten Ausfall gehabt. Die Folge war gewesen, dass die Gruppe einen anderen Zug zurück nach Inaba nehmen und dann auf den nächsten Zug nach Iawtodai hatten warten müssen. Dieser neue Zug war leider erst um die Mittagszeit gefahren, weshalb sie nicht wie geplant am Nachmittag, sondern erst jetzt am Abend zu Hause angekommen waren. Was die Laune der Schüler noch weiter runtergezogen hatte war, dass die Wartezeit mit einem Besuch in der städtischen Bibliothek überbrückt worden war. Natürlich hatte dies keinem der Schüler sonderlich gefallen, allerdings hatten Luca und seine Freunde es so geschafft, ihren Aufsatz schon einmal zu beenden und abzugeben. Der Spanier streckte sich ausgiebig und kratzet sich am Rücken, während er auf seinem Handy herumtippte: „So… »Hallo Mama, wir sind jetzt gerade mit dem Zug angekommen, ich mach mich auf dem direkten Weg nach Hause. Bis später. Luca« Alter, wie kann eine Zugfahrt einen eigentlich so fertig machen?“   „Ich weiß es nicht, aber mir sind definitiv die Beine im Zug eingeschlafen“, brummte Setsuna und massierte sich dabei die Oberschenkel in der Hoffnung, das komische Gefühl etwas zu lindern. Die Blicke aller anderen Schüler galten den Lehrern, die es relativ kurzhielten und den Ausflug für beendet erklärten. Das hieß für die Schüler, dass sie nun entlassen waren und nach Hause gehen durften. Luca hob noch einmal die Hand und verabschiedete sich von seinen Freunden, bevor er sich alleine auf den Weg machte, da er leider in eine andere Richtung musste. Auch wenn es erst Mitte Juni war, spürte man die Wärme des Sommers schon heftig, weshalb es selbst um diese Uhrzeit noch angenehm warm war. Für Luca selbst war das allerdings noch nie ein Problem gewesen, denn er vertrug die Hitze deutlich besser als die meisten seiner Schulkameraden. Wenn er so darüber nachdachte, war er immer schon der Sommertyp gewesen und mochte dafür Schnee und so etwas nicht so gerne. In Gedanken versunken bog Luca um eine Ecke und blieb dann überrascht stehen, als ein Stück von ihm entfernt das Mädchen mit den hellbraunen Haaren und dem Schmetterlingshaarreif stand und etwas auf ihrem Telefon checkte. Die Situation in Inaba hatte Luca seither ständig beschäftigt und vielleicht hatte er ja jetzt die Chance, das Ganze irgendwie friedlich zu klären. Er räusperte sich kurz, um auf sich aufmerksam zu machen, blieb dabei allerdings ein gutes Stück von dem Mädchen entfernt stehen: „Entschuldige bitte, Tanaka-san?“ Erschrocken zuckte das Mädchen zusammen und wich einen Schritt zurück, nur um festzustellen, dass Luca gar nicht in ihrer unmittelbaren Nähe stand: „Oh, du bist das… Was willst du?“ Der aggressive Tonfall des Mädchens ließ den Spanier kurz das Gesicht verziehen, doch dann kratzte er sich nervös am Oberarm: „Ich wollte mich für gestern entschuldigen. Ich wollte dir nicht zu nahetreten und habe dir eigentlich nur meine Hilfe anbieten wollen. Tut mir leid, falls ich ungewollt eine Grenze überschritten habe.“ Das Mädchen blinzelte einen Moment verdutzt, bevor sie ihre silbergrauen Augen leicht zusammenkniff: „Ich will nicht unhöflich wirken, aber du bist in der Schule eigentlich dafür bekannt, dass du einen feuchten Kehricht auf die Grenzen anderer Personen gibst, Silva Luca, ganz besonders körperlichen Freiraum.“   Die Aussage ließ den Braunhaarigen den Kopf einziehen, denn ihm war bewusst, dass er einen etwas zweifelhaften Ruf in der Schule hatte. Dennoch hatte er damals bei seinem Gegenüber lediglich helfen wollen, was er auch wieder beteuerte: „Das ist mir bewusst, aber ich habe gestern gedacht, dass du vielleicht etwas verloren hast und wollte dir nur helfen. Das war anscheinend nicht der Fall und es tut mir leid.“ Nach seiner Entschuldigung verneigte er sich so tief er konnte, was die Brünette etwas skeptisch machte, dennoch ließ sie ihre angespannte Haltung etwas fallen: „Du… willst dich nur entschuldigen? Mehr nicht?“ „Ja. Ich habe einen Fehler gemacht und das tut mir leid. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen“, entschuldigte sich Luca noch einmal und entlockte dem Mädchen dadurch ein leichtes Lächeln: „Es ist okay, du musst dich nicht entschuldigen, wobei du der Erste bist, der das tut…“ „Wie, der Erste? Mit einer Entschuldigung?“, gab der Spanier zurück und riss die Augen erstaunt auf, bevor er nachdenklich den Kopf schieflegte: „Liegt vielleicht an deinen Klassenkameraden, so wie ich das gehört habe, sagen einige, dass du etwas seltsam bist, ohne…“ „Ich bin nicht seltsam und die haben alle keine Ahnung!“, schrie das Mädchen Luca fast schon an, ehe sie auf dem Absatz kehrt machte, die Straße entlang davonlief und den Spanier damit alleine zurückließ: „…ohne dich wirklich zu kennen. Maria, hilf, was bin ich eigentlich für ein Depp? Sowas sollte man nicht sagen, wenn es einen bedrückt.“ Sein Versuch, die Wogen irgendwie zu glätten, war wegen eines unbedachten Kommentars seinerseits völlig schiefgelaufen, weshalb der Braunhaarige traurig den Kopf hängen ließ und sich den Nacken rieb.   Mit traurigem Blick richtete er sich wieder auf und sah in die Richtung, in die Tanaka davongelaufen war, bevor er die Hände in seine Hosentasche steckte und seufzte: „Ich sollte in Zukunft echt darauf achten, was ich sage… Das kriegen Leute echt schnell in den falschen Hals.“ „Redest du eigentlich immer mit dir selbst?“, erklang plötzlich eine weibliche Stimme hinter Luca und als er herumfuhr, stand er einer jungen Frau mit hellorangenen Haaren und großen, hellblauen Augen gegenüber, die ihn neugierig musterte. Der Blick, mit dem sie Luca bedachte war zum einen skeptisch, aber zum anderen auch amüsiert, allerdings ließ ihr Kichern den Verdacht eher ins positive gehen. Ungewollt verfiel Luca in seine alte Marotte und strich sich schnell mit der Hand durch die Haare, bevor er der jungen Frau zuzwinkerte: „Eigentlich rede ich nicht mit mir selbst und ich war gerade eher laut am Denken. Wollte ein Problem aus der Welt schaffen, aber das ging gewaltig nach hinten los.“ „Oh? Wie kam es denn dazu? Ein unbedachter Kommentar?“, erkundigte sich die Unbekannte und hob eine Augenbraue, woraufhin Luca etwas aus dem Konzept geriet: „Äh… Ja, so kann man das sagen. Ich habe falsch angefangen und konnte nicht zu Ende reden. Beim nächsten Mal korrigiere ich das, garantiert.“ „So männlich. Vielleicht brauchst du ja einen Gesprächspartner zum Üben“, säuselte die Orangehaarige und zwinkerte Luca kurz zu, was den Jungen knallrot anlaufen ließ, bevor er sich nervös an der Wange kratzte: „D-das wäre herrlich, meine Dame. Wir könnten uns zusammen in ein Café setzen und uns darüber unterhalten.“ Das Mädchen trat näher an Luca heran und tippte ihm mit dem Finger sanft ans Kinn, was dem Braunhaarigen den Schweiß ausbrechen ließ: „Das klingt wirklich verlockend. Entschuldige, wenn das etwas seltsam klingt, aber du kommst mir sehr bekannt vor. Ist es möglich, dass wir uns kennen?“ Die Frage brachte Luca kurz zum Nachdenken, ehe er sein Gegenüber noch einmal musterte, dann jedoch den Kopf schüttelte: „Ich glaube nicht, an so eine Schönheit wie dich würde ich mich garantiert erinnern.“ Die Aussage hatte das Mädchen anscheinend am wenigsten erwartet, denn ihr Blick verfinsterte sich während sie einen Schritt zurücktrat und sich dann von ihm abwandte: „Vollidiot! Du bist genau wie all die anderen Kerle!“ Noch bevor er etwas tun konnte, war die Orangehaarige davonstolziert, was Luca komplett sprachlos zurückließ. Was hatte er denn jetzt schon wieder falsches gesagt? Enttäuscht seufzte er auf und raufte sich die Haare, während er leise vor sich in fluchte: „Bin ich eigentlich der größte Trottel auf diesem Planeten? Kann ich nicht mit Leuten reden, ohne irgendwas falsch zu machen?“   „Die Frage ist berechtigt, wenn du mich fragst“, erklang erst eine weibliche Stimme, gefolgt von einem lauten Belle, welche Luca kurz zusammenzucken ließen, bevor er etwas feuchtes an seiner Hand spürte. Ein Blick nach unten zeigte Kako, welches freudig mit dem Schwanz wedelnd neben ihm stand und ihm liebevoll die Finger ableckte, während sie ihn mit treuen Augen ansah. Der Hund interessierte ihn momentan nicht so sehr, wie die Person, die den Hund an der Leine hatte schon eher: „Hey, Mirai!“ „Guten Abend, Luca und was war das gerade für eine Situation? Was hast du denn gemacht, dass du von dem Püppchen als Volldidiot betitelt wirst?“, erkundigte sich die Silberhaarige und sah an Luca vorbei die Straße hinunter, ehe sie sich wieder ihrem Bekannten zuwandte. Auf die Frage zuckte der Braunhaarige nur mit den Achseln und kraulte dann die Hündin hinter den Ohren: „Ich meinte nur, dass ich mich an so ein hübsches Mädchen definitiv erinnern würde und das hat ihr wohl nicht gefallen. Sie meinte, dass ich ihr bekannt vorkomme, aber ich kann das nicht wirklich zurückgeben.“ „Ist nicht böse gemeint, mein Lieber, aber du schon hast einen etwas schlechten Ruf. Da kommt es vor, dass eine Person dich kennt, du aber nicht sie. Besonders bei den Damen, die du so gerne umgarnst“, erwiderte Mirai und stemmte eine Hand an die Hüfte, was den Spanier leise murren ließ: „Der Tag war schon seltsam genug, musst du mich dann auch noch niedermachen? Ich hab‘s kapiert, ich bin ein komischer, dummer Kauz.“   „Aww, kommt her, du armes, bedürftiges Mäuschen“, spottete die Silberhaarige, doch fing sie an, Luca den Kopf zu tätscheln, was diesem einen irritierten Laut entlockte: „Ist okay, du musst nicht so weit gehen.“ „Hey, ich versuch dir nur zu helfen, also sei mal etwas dankbarer“, murrte die junge Frau und beobachtete die Reaktion ihres Kollegen, der nur leise aufseufzte und sich dann hinhockte, um Kako den Kopf zu streicheln: „Ich weiß die nette Geste wirklich zu schätzen, Mirai. Danke.“ „Kein Ding, dennoch war die Aktion von dieser Trulla schon etwas übertrieben. Ich meine, du flirtest echt alles an, was nicht bei drei auf dem Baum ist, aber du machst ja nichts Schlimmes. Ich meine, du fasst die Mädchen nicht mal an, du machst halt nur sehr übertriebene Komplimente.“ „Hey, die sind alle ernst gemeint!“, beteuerte der Braunhaarige und erhob sich dann wieder, um seiner Freundin ins Gesicht zu schauen: „Auch wenn mir das keiner glaubt.“ „So wie du aussiehst, so wirst du angesehen, Luca. Dennoch, wenn du der Kuh wieder begegnest, dann sag mir Bescheid. Du bist zwar ein notorischer Flirter, aber du bist einer meiner engsten Freunde und ich werde nicht zusehen, wie einer von euch so behandelt wird“, stellte Mirai klar und Kako bellte laut auf, als ob sie ihr Frauchen mental unterstützen wollte. Die Worte ließen Luca etwas rot werden, doch gab es etwas anders, was ihm auffiel und leicht zum Lachen brachte. Das plötzliche Gelächter ließ Mirai skeptisch dreinschauen, denn sie wusste nicht, was daran so lustig gewesen sein sollte.   Auf ihren fragenden Blick erbarmte sich Luca, die Sache aufzulösen: „Du erinnerst mich mit der Aussage gerade extrem an Aiden, das wäre so eine Aussage, die er bringen würde.“ „Vermutlich färbt ihr alle schon auf mich ab“, gab die Silberhaarige mit einem Achselzucken zurück und sah zur Seite, als Luca wieder gluckste und dann die Hände hinter dem Kopf verschränkte: „Vielleicht, aber ich bin dennoch froh, dass du sowas nettes zu mir sagst. Du bist echt süß, Mirai.“ Auf die Aussage lief die junge Frau rot an und sah mit aufgeblähten Wangen zur Seite weg, was den Spanier noch mehr lachen ließ: „Beweisführung abgeschlossen. Sorry, wenn ich dich jetzt so einfach stehenlassen muss, aber ich wollte eigentlich nach Hause. Der Tag war mies…“ „Na super, wenn der Tag nicht gut war, dann darf ich mir gleich die Leidensgeschichte von Miyuki anhören. Wie auch immer, dir dann noch eine gute Nacht, Luca. Komm, Kako“, verabschiedete sich die junge Frau und ließ Luca alleine, der sich mit einem erleichterten Lächeln zum Gehen wandte.   Mit einem leisen Pfeifen lief Luca durch die Straßen von Iwatodai und stieß kurz dem Mehrfamilienhaus auf ein weiteres vertrautes Gesicht in Form einer braun getigerten Katze, die ihn sofort mit ihren blau-grünen Augen fixierte: „Hey, Kiara. Noch auf der Pirsch?“ Die Frage wurde mit einem lauten Maunzen beantwortet, doch beachtete Luca es nicht weiter: „Du solltest schnell nach Hause gehen. Aiden wartet bestimmt schon auf dich.“ Auf die Aussage stellte die Katze die Ohren auf und lief davon, was den Jungen den Kopf schieflegen ließ: „Kiara und Kako sind für normale Tiere echt seltsam vom Verhalten her. Sie wirken so, als würden sie einen genau verstehen. Naja, ab nach Hause.“ Die letzten Meter nahm der Junge im Laufschritt und freute sich riesig, als er die Treppe in den dritten Stock hochhechtete und den Schlüssel ins Schloss steckte, um die Tür zu öffnen: „Mama, ich bin wieder da!“ „Willkommen daheim, Luca“, wurde er sofort von Maria begrüßt, die ihn in die Arme schloss und ihm einen Kuss auf die Stirn drückte: „Na, wie war es in Inaba?“ „Wie eine ländliche Stadt eben so ist, war jetzt nichts wirklich Besonderes. Gab dennoch ein paar schöne Sachen zu sehen. War zu Hause alles in Ordnung?“, erkundigte er sich und brachte seine Taschen in sein Zimmer, während seine Mutter sofort die dreckige Wäsche aus diesen fischte: „Ja, es ist alles gut. Da… ist lediglich ein Brief für dich gekommen... Ich geh und bereite das Abendessen vor, du bist bestimmt hungrig. Ich weiß doch, dass du im Zug nichts essen kannst.“ „Danke, Mama. Ich verstehe nicht, wie Leute im Zug was essen können… Mir würde es da hochkommen. Ich komme gleich runter“, gab der Junge zurück und schlüpfte schon einmal in seinen Pyjama, bevor er sich auf sein Bett setzte und den eben erwähnten Brief an sich nahm. Ihm fiel sofort auf, dass die Adresse nicht auf Japanisch, sondern auf Englisch geschrieben war. Beim Blick auf den Absender zog sich sein Magen zusammen und er rang kurz mit sich, ob er den Brief öffnen sollte oder nicht.   Nach einem kurzen Knurren riss er den Brief auf und las die darinstehenden Zeilen, welche äußerst übersichtlich waren:   „Lieber Luca, ich hoffe, der Brief kommt rechtzeitig an. Alles Gute zum Geburtstag. Mit freundlichen Grüßen   Papa“   Mit knirschenden Zähnen ballte er die Hand, in welcher er den leeren Umschlag hielt zur Faust: „Ernsthaft? Du meldest dich nie. Mama ist dir völlig egal und dann meinst du, so einen Brief schicken zu müssen? Fahr zur Hölle!“ Wutentbrannt riss er den Brief in seinen Händen in immer kleinere Stücke und warf die Fetzen anschließend in seinen Mülleimer, während er versuchte, sich etwas zu beruhigen. „Glaub nicht, dass ich dir verzeihe, was du getan hast“, fauchte er und verließ sein Zimmer, um sich in die Küche zu begeben. Noch während er das Tat, stieg ihm ein scharfer Duft in die Nase, der ihn breit grinsen ließ, weshalb er anschließend sofort in die Küche hechtete und dort einen großen Teller Nudeln mit Tomatensauce vorfand: „Penne Arabiata, geil!“ „Iss so viel du magst, Schatz. Es ist noch mehr da. Schließlich haben wir heute was schönes zu feiern, nicht wahr?“, kicherte Maria und verließ kurz den Raum, der der Familie Silva als Esszimmer und Küche diente. An sich war die Wohnung der beiden nicht sonderlich groß, aber Luca war zufrieden, so wie es war. Vielleicht war es etwas eng und sie hatten nicht so viel Platz wie andere, aber allein die Wärme, die seine Mutter in die Wohnung brachte, machten all das wieder wett.   Während er am Essen war, kam Maria wieder in die Küche und setzte sich mit einem Tee zu ihrem Sohn an den Tisch, wobei sie ihm ein schön eingepacktes Geschenk hinlegte, allerdings wirkte sie so, als würde sie etwas sagen wollen. Luca wartete einen Moment, bevor er leicht zu grinsen begann und mit der Gabel auf sie deutete: „Du willst doch was loswerden, oder? Na komm, erzähl, was dir unter den Nägeln brennt, Mama.“ „Ich habe heute etwas Wundervolles erfahren, was dich sicherlich erfreuen dürfte. Ein alter Bekannter von mir ist in die Stadt gezogen, mehr sage ich aber nicht, denn das musst du schön selbst herausfinden“, erklärte die Brünette und streckte ihrem Sohn die Zunge heraus, was diesen leicht skeptisch dreinschauen ließ: „Erst machst du mir so die Nase lang, nur um mich dann am langen Arm verhungern zu lassen? Du bist ja eine nette Mutter.“ „Die Beste, so steht es zumindest auf meiner Tasse“, gluckste die Frau und deutete auf den Becher in ihrer Hand, wegen dem Luca feuerrot anlief, handelte es sich dabei doch um ein extrem schlecht gemachtes Geschenk, was er seiner Mutter vor Jahren zum Geburtstag geschenkt hatte: „Ich wundere mich ja, dass das Teil immer noch lebt, so sehr, wie ich es damals mit dem Ton verkackt habe.“ „Ach, jetzt sei doch nicht so ein Griesgram, Luca. Ich liebe meinen Becher, weile er von dir ist. Aber komm, jetzt pack dein Geschenk aus. Heute ist immerhin dein besonderer Tag“, kicherte Maria und trank ihren Tee, während Luca sein Geschenk auspackte: „Ich werde jetzt aber nicht eine Tasse mit »Bester Sohn«-Aufdruck vorfinden, oder?“ „Das hebe ich mir für nächstes Jahr auf. Alles Gute zum Geburtstag, Schatz“, lächelte die Brünette, als Luca das Geschenk vollständig öffnete und darin ein neues Paar Fußballschuhe fand: „Wahnsinn! Danke, Mama!“ Das strahlende Gesicht ihres Sohnes ließ auch Maria lächeln: „Alles Gute zum Geburtstag, mein Schatz.“ Während Luca sein Geschenk genau musterte und die Schuhe auch sofort anprobierte, vibrierte sein Handy in der Brusttasche seines Pyjamas. Neugierig zig er das Smartphone hervor und fand eine Nachricht von Aiden, welche mit einem Schuldig dreinschauenden Smiley begann:   „Hey Luca, Sorry, ich hatte es den ganzen Tag über völlig vergessen und es ist mir erst jetzt eingefallen. Alles Gute zum Geburtstag, mein Freund. Ich wünsche dir viel Gesundheit und Glück und mach dir einen schönen Abend. Nach der Horrorfahrt mit dem Zug hast du es dir mehr als verdient. Lass dich gut beschenken und wir sehen uns morgen.“   Kurz nach der Nachricht ploppten noch mehr Alerts auf, welche von Mirai, Miyuki, Haruka und Setsuna, aber auch von Sakura und sogar seinen Teammitglieder aus dem Fußballclub kamen. Mit einem breiten Grinsen lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und schloss die Augen. So wie es jetzt war, war es perfekt und er würde es sich nicht anders wünschen. Die Wut auf seinen Vater war durch die lieben Worte seiner Freunde komplett aus seinem Kopf getilgt worden, weshalb er sich freudig über den Kuchen, den seine Mutter nun noch auftischte, hermachte. Kapitel 49: XLIX – Elternliebe ------------------------------ ~~~Montag 20. Juni 2016~~~   Immer wieder hallte das laute knallen von Pfeilen, die auf eine Zielscheibe trafen, durch die Halle des Kyûdo-Clubs, in dem Yui die Aktionen ihrer Teamkollegen mit Adleraugen beobachtete. Zu ihrem Ärgernis tauchte Aiden in dem Moment in der Halle auf und sah die Schwarzhaarige freundlich an: „Hallo, Katō-senpai. Wie geht es dir?“ „Würde mir besser gehen, wenn du mir nicht wieder mit deinen Problemen in den Ohren liegen würdest“, murrte die Team-Kapitänin verstimmt und musterte den Jüngeren, der ihr seine Petition zeigte: „Ich wollte nochmal bei den Schülern nachhorchen, die beim letzten Mal nicht da gewesen waren, ob sie sich vielleicht eintragen wollen. Ist das für dich okay?“ „Soll mir recht sein, aber rede bitte nur mit denen, die nicht gerade schießen. Die Übungen sind wichtig und können gefährlich enden, wenn man sich nicht konzentriert“, belehrte die Schwarzhaarige den Jungen, der sofort verstehend nickte: „Alles klar. Ich werde keinen unterbrechen.“ Mit einer Verneigung vor seinem Senpai marschierte Aiden durch die Reihen der einzelnen Bogenschützen, wobei ihm sofort Miyuki ins Auge fiel, die etwas an der Sehne ihres Bogens überprüfte. Kurz grüßte der Braunhaarige seine Mitbewohnerin, die ihm knapp zunickte und dann wieder an der Sehne drehte, bevor er selbst von mehreren Schülerinnen aufgesucht wurde. Aiden kannte ihre Namen nicht, allerdings war er zwei von ihnen während der Fahrt nach Inaba begegnet und sie hatten sich sofort für die Gleichberechtigung ausgesprochen, weshalb sie zügig die Liste rumgehen ließen.   Mit einem breiten Grinsen verneigte sich Aiden zum Dank vor seinen Mitschülern, als Miyuki an ihn herantrat und die vollgeschriebene Liste betrachtete: „Wow, das sind ganz schön viele Blätter, die du hast. Sind die alle voll?“ „Ja, sind sie. Ich glaube, ich habe gefühlt jede weibliche Schülerin der Schule auf dieser Liste und hoffe, dass es reichen wird. Ich weiß nur nicht so ganz, was ich jetzt machen soll“, gab der Braunhaarige zu, weshalb seine Freundin vorschlug, dass er sich wegen dem bürokratischen Kram doch an Katzumi wenden könnte, immerhin hatte er diese Idee erst in den Raum geworfen hatte. Da er keine große Alternative hatte, machte er sich auf den Weg zum Büro des Student Council, allerdings bekam er auf sein Klopfen keine Antwort. Skeptisch betrachtete der Braunhaarige die Tür und klopfte erneut, denn eigentlich sollte montags der Rat seine Sitzung abhalten und besonders Katzumi war eigentlich jedes Mal anwesend. Nach dem dritten Mal anklopfen zog er die Tür auf und lugte in den Raum, wo er tatsächlich den Rotbraunhaarigen vorfand, allerdings war dieser in ein Telefonat verwickelt und wirkte dabei etwas gereizt. „Wenn ich es dir doch sage: Ich drücke die Tasten, die du mir sagst. Ich bin schließlich nicht dämlich, aber es tut sich einfach nichts. Ja, das habe ich auch schon versucht. Ja, das auch. Das tatsächlich nicht, wie geht das? Aha. Ja, warte kurz“, murrte der Junge in sein Handy und tippte ein paar Mal auf der Tastatur seines Laptops herum, um das, was er übers Telefon gesagt bekam, umzusetzen. Nachdenklich kaute der stellvertretende Präsident auf seiner Unterlippe und ließ einen Stift um seinen Finger wirbeln, während er sich mit der anderen Hand das Handy ans Ohr hielt und auf den Bildschirm schaute: „Er sagt jetzt etwas davon, dass etwas repariert wird. Soll das so sein? Ah okay, ich muss jetzt also warten. Wie lange dauert sowas normalerweise? Diese „Kommt drauf an“-Antwort ist mir keine Hilfe, Chisato! Naja, da sind schon einige Dokumente drauf… Gut, ich warte dann einfach. Danke für die Hilfe, hast was gut bei mir. Ja, Grüße an Oji-san und Oba-san. Ciao.“   Mit einem genervten Murren beendete er das Gespräch und lehnte sich zurück, wobei er sich einen Arm übers Gesicht legte: „Schon mal was davon gehört, dass man auf ein „Herein“ wartet, bevor man einen Raum betritt, Kurosaki?“ „Ja, schon, aber mir wurde nicht geantwortet, also dachte ich, ich schaue einfach mal rein“, gab Aiden trocken zurück und erhielt einen genervten Blick seines Mitschülers, der sich von seinem Platz erhob und ausgiebig streckte: „Was willst du denn?“ „Ich habe hier die Petition, die du mir damals in Hand gedrückt hast und wollte mal nachfragen, ob das deiner Meinung nach ausreicht, um etwas an der Schule zu verändern“, erklärte der Oberschüler und reichte Katzumi das Klemmbrett, der kurz die Listen durchblätterte und dabei immer größere Augen machte: „Hast du jeden einzelnen Schüler der Schule angesprochen, oder was?“ „Kann sein, aber bei den Mädchen war es deutlich leichter“, gab er zurück und erntete ein kurzes Nicken des Rotbraunhaarigen: „Ich denke mal, dass das reichen sollte. Ich werde es den Lehrern Ende des Monats bei der Versammlung vorlegen.“ „Ende des Monats? Das ist ja noch mehr als eine Woche“, jammerte Aiden und sah seinen Schulkameraden an, der nur mit den Achseln zuckte: „Ich kann halt nicht zaubern, Kurosaki. Mehr kann ich nicht für dich tun.“ „Dann muss ich wohl einfach warten“, murmelte der Braunhaarige und vergrub seine Hände in den Hosentaschen, als hinter ihm die Tür erneut aufging und Ken eintrat. Mit einem überraschten Laut sah sich der Braunhaarige im Raum um und sah dann seufzend zu Katzumi: „Hast du wieder alle weggeschickt, Samejima-kun?“ „Heute war nicht viel und das kriege ich auch alleine hin, Senpai“, gab der Junge zurück und erklärte auf die folgende Frage, was er hier mit Aiden tat. Anerkennend nickend grinste Ken zufrieden und neigte dann den Kopf: „Respektable Leistung, Kurosaki, aber Samejima hat schon recht. Selbst als Präsident und stellvertretender Präsident des Student Council können wir nichts tun, um das zu beschleunigen.“ Auf die Aussage seufzte Aiden enttäuscht auf, doch hatte Ken noch etwas hinzuzufügen: „Aber ich kenne jemanden, der es kann. Komm mit, Kurosaki, wir gehen sofort zum Direktor.“ „Zum Direktor?“, gab es von Aiden und Katzumi gleichzeitig, welche sich nicht sicher waren, ob sie richtig gehört hatten, doch dann folgten sie dem Älteren durch die Schule.   Ken führte die beiden durch das Gebäude, bis er vor einer Tür mit dem Schild „Direktorat“ zum Stehen kam: „Da wären wir. Ich muss euch beide aber bitten, nichts zu sagen, solange ihr nicht angesprochen werdet. Okay?“ Ein synchrones Nicken reichte ihm als Antwort, weshalb Ken kurz durchatmete und dann an die Tür klopfte. Gespannt starrten alle auf die Tür, aus der ein leises „Herein“, ertönte und sofort zog Amada die Tür auf. Katzumi ließ es sich nicht nehmen, noch einmal Aiden zu ermahnen, bevor sie ihrem Senpai in den Raum folgten, der deutlich eindrucksvoller eingerichtet war als es im Rest der Schule der Fall war. Ein imposanter Tisch aus blank poliertem Holz, ein roter, sehr edel wirkender Läufer, zwei hohe Regale hinter dem Schreibtisch, in dem alle möglichen Ordner und Akten lagen. Aiden bestaunte die Einrichtung, als er bemerkte, wie Katzumi skeptisch zum Schreibtisch sah, an dem eine junge Frau mit langen, roten Haaren, die ihre linke Gesichtshälfte verdeckten, saß. Sie war in ein schwarzes Kostüm gekleidet und strich sich kurz den Fellkragen ihres weißen Mantels zurecht, während sie ein Dokument durchlas, welches sie in der Hand hielt. Das war definitiv nicht ihr Direktor, denn den älteren Herrn bemerkte Aiden ein Stück neben seinem Schreibtisch, wo er fast komplett von einer großen Topfpflanze verdeckt wurde. Der Direktor sah zu den drei Schülern und kratzte sich nachdenklich am Kinn: „Amada-kun, Samejima-kun, was bringt euch beide denn her? Und wer ist das?“ „Ein Schüler, der ein Anliegen bezüglich einer zu ändernden Schulregel hat“, erklärte Ken und sah dabei aber eher zu der Frau als zu seinem Direktor.   Die Frau legte den Bericht in ihrer Hand beiseite und musterte das Trio eingehend, wobei ihre braunen Augen äußerst einschüchternd auf die beiden Zweitklässler wirkten, denn selbst Katzumi wagte es kaum, den Blickkontakt zu halten. Neugierig lehnte sich die Frau zurück und schlug ihr linkes Bein über das andere, bevor sie das Wort ergriff: „Schön, dich zu sehen, Amada. Du hast etwas bezüglich einer Regeländerung gesagt?“ „B-bei allem Respekt, Kirijo-san, das ist doch nichts, womit Sie sich befassen müssten. Das können wir Ende des Monats…“, setzte der Direktor an, doch gebot die Frau ihm mit einer erhobenen Hand zu Schweigen: „Du wirst nicht ohne Grund deshalb direkt zu mir kommen, Amada. Worum genau geht es?“ Kurz und knapp erklärte Ken den Grund der Regeländerung und legte Kirijo auch die Unterschriftenliste vor, welche die Rothaarige nachdenklich durchblätterte: „Ah, es geht wieder um die Geschlechterfrage. Das war zu meiner Schulzeit auch einmal ein Thema gewesen, wurde allerdings aus den falschen Gründen abgewiesen. Das hier scheint mir allerdings ein driftiger Grund zu sein.“ „Kirijo-san, mit so etwas müssen Sie sich wirklich nicht rumschlagen“, setzte der Direktor wieder an, wurde von der Frau allerdings gnadenlos ignoriert: „Ich werde das sofort erledigen, Amada. Herr Direktor, veranlassen Sie sofort die entsprechenden Schritte. Die Regelung wird kurz und bündig: Jedem Schüler ist es erlaubt, unabhängig vom Geschlecht, den Sport auszuüben, den er oder sie möchte. Das hätte schon viel früher erledigt werden sollen. Sollte es in diesem Zusammenhang noch irgendwelche Strafen geben, werden diese umgehend aufgehoben.“ Auf dem Gesicht von Aiden erschien ein strahlendes Lachen und er wäre vor Freude fast in die Luft gesprungen: „Vielen, vielen Dank, Kirijo-san! Ich kann Ihnen gar nicht genug danken!“ Die Frau strich sich einen Moment durch die Haare, bevor sie sich schwungvoll erhob und ihren Mantel richtete. Nun bemerkte Aiden etwas, was ihn etwas stutzen ließ. Um die Rothaarige erschien eine leicht, blau schimmernde Aura und ein kleiner, blauer Schmetterling, der seine Runden um die Frau zog. Irritiert starrte Aiden auf das kleine Insekt, welches keiner der anderen irgendwie zu bemerken schien. Damit nicht genug, denn nun fiel ihm auf, dass auch um Ken ein solcher Schmetterling flatterte. Hatte er diesen die ganze Zeit bei seinem Senpai übersehen?   „Stimmt was nicht, Kurosaki?“, holte die Stimme von Ken den Braunhaarigen ins Hier und Jetzt zurück, wo er beschämt den Kopf einzog: „Es tut mir leid, ich habe kurz über was nachgedacht…“ Vier skeptische Augenpaare lagen auf ihm, doch schüttelte Kirijo nur den Kopf und kam um den Tisch herum: „Nun, wenn das alles war, Herr Direktor, dann sind wir hier fertig. Sie kümmern sich um den Rest.“ Auf die Aussage seufzte der Direktor nur müde auf und gab leise seine Zustimmung, während die drei Schüler mit der Frau den Raum verließen. Auf dem Flur verabschiedete sich Katzumi, weil er noch nach seinem Computer schauen müsse, weshalb Aiden mit seinem Senpai und der Frau alleine blieb. Zu seiner Überraschung ließ Ken nun den förmlichen Ton fallen und wirkte deutlich enger mit der Frau: „Du siehst müde aus, Mitsuru-san. Du solltest auf dich achten.“ „Herrje, Amada, du klingst schon wie Yukari“, winkte die Frau ab, was den Jungen nur die Hände an die Hüfte stemmen ließ: „Yukari-san hat absolut recht. Du wirkst sehr müde, vielleicht solltest du dir mal ein paar Tage frei gönnen.“ „Ich habe eine Firma zu leiten, Amada. Ich kann nicht einfach ein paar Tage frei nehmen“, wehrte Mitsuru ab, als sie bemerkte, dass Aiden noch dastand: „Entschuldige, wir sollten andere Leute nicht stören. Ich muss los.“ „Mitsuru-san, denk bitte noch einmal drüber nach. Wenn du schon nicht länger frei nehmen willst, dann mach wenigstens den Nachmittag frei. Kurosaki, hilf mir mal“, wandte sich Ken hilfesuchend an seinen Kohei, der sich aber nur am Kopf kratzen konnte: „Ähm… Naja… Wenn Sie heute noch Termine haben, könnten Sie diese doch an einen Mitarbeiter abgeben, wenn Ihre Anwesenheit nicht zwingend notwendig ist.“   „Oh, das ist gut. Gib deine Termine heute ab und wir machen einen Spaziergang mit Koromaru. Er freut sich bestimmt riesig, dich wiederzusehen“, ging Ken auf Aidens Vorschlag ein und nickte dem Jüngeren dankend zu, während Mitsuru sich murrend eine Schläfe rieb: „Nun gut, ich denke mal, ein kleiner Spaziergang hat noch niemandem geschadet. Ich rufe Aigis an und sage ihr Bescheid.“ Damit zog die Frau ihr Handy und wählte eine Nummer, während ihr Blick auf Aiden lag: „Das sollte klappen. Ja? Aigis, hier ist Mitsuru. Ich komme heute nicht mehr ins Büro. Keine Sorge, ich bin bei Amada und Koromaru. Ja, der Termin nachher bleibt bestehen, allerdings würde ich dich bitten, Kurosaki an meiner Stelle zu schicken. Ja, sag ihm sofort Bescheid. Danke, Aigis.“ Aiden verzog leicht das Gesicht, während Mitsuru und Ken sich von ihm verabschiedeten und in Richtung Schultor davongingen. „Na klasse, da habe ich Dad ja was eingebrockt… Ich wusste gar nicht, dass Papas Chefin auch die Vorsitzende meiner High School ist. So hat er mich also auf die Elite Schule bekommen“, murmelte Aiden leise, als neben ihm eine vertraute Stimme erklang: „Was nuschelst du da in deinen Bart, Nii-san?“ Erschrocken zuckte der Braunhaarige zusammen und sah zur Seite, wo er Setsuna entdeckte, der ihm winkend entgegengrinste: „Hoi, Senpai. Was machst du denn noch hier?“ „Oh, ich war beim Direktor. Wie es aussieht, ist die Sache mit Nozakis Suspendierung vom Tisch“, grinste der Ältere und steckte die Hände in die Hosentaschen, was den Jüngeren erstaunt dreinschauen ließ: „Coole Sache, dann wird sich bestimmt auch Haru-nee freuen. Kann ich dich was fragen, Senpai?“ „Klar doch. Was ist los, Setsuna?“, sah er den Weißblauhaarigen fragend an, der sich nervös am Arm kratzte und auf seine Füße schaute: „Ich wollte mir in der Stadt was kaufen gehen, aber… Ich traue mich nicht. Könntest du mitkommen?“ „Wenn es weiter nichts ist, sicher doch. Lass uns gehen, Setsuna“, lachte Aiden und klopfte dem Kleinen auf die Schulter, welcher sichtlich erleichtert wirkte und ihn freudig grinste: „Dann lass uns gehen.“   Auf dem Weg zur Mall bemerkte Aiden, wie Setsuna immer wieder das Gespräch suchte, sich aber nicht wirklich zu trauen schien. Sonst war der Junge nicht so kleinlaut, weshalb er stark vermutete, dass dem Jüngeren etwas auf dem Herzen lag. Kurz vor der Paulownia Mall blieb der Braunhaarige stehen und sah seinen Mitschüler skeptisch an: „Wenn du mich etwas fragen möchtest, wäre jetzt die Möglichkeit, um damit herauszurücken, Setsuna. Dein ständiges Gemurmel bringt dich nicht weiter.“ Ertappt zuckte der Kleinere zusammen und verzog leicht das Gesicht, bevor er nervös die Hände hinter dem Rücken verschränkte: „Ich… wollte dich um Rat fragen.“ „Um Rat fragen? Sicher doch, aber warum fragst du nicht Tenno? Sie weiß besser, was in dir vorgeht, immerhin kennt ihr beiden euch schon länger“, gab der Braunhaarige zurück, woraufhin Setsuna schnell mit dem Kopf schüttelte: „Ich… kann Haru-nee nicht fragen. Das ist mir ehrlich gesagt sehr peinlich und… Ich bezweifle, dass sie mir helfen kann.“ „Oha, das klingt echt ernst. Was ist denn los?“, nahm Aiden den Hilfeersuch an und wartete geduldig, auch wenn sein Mitschüler sich wieder um eine klare Aussage herumdrückte. Erst nach gefühlten zehn Minuten rückte Setsuna mit der Sprache heraus: „Wenn man erwachsen ist, steht man zu seinen Fehlern, nicht wahr? Ich… habe vor einiger Zeit meine Mama böse angefahren, bloß weil sie mir etwas Gutes für meine harte Arbeit tun wollte. Allerdings standen meine Mitschüler in der Nähe, weshalb ich sie angeschrien habe, dass ich kein Kind wäre. Ich habe sie damit bestimmt verletzt und möchte es wieder gutmachen.“   Erstaunt sah Aiden den Jüngeren an und verstand so langsam auch, warum Setsuna Haruka nicht um Hilfe gefragt hatte. Setsuna hatte ein Problem mit seiner Mutter und Haruka war nicht die beste Ansprechperson, wenn es um Mutterversöhnung ging. Nachdenklich rieb sich der Braunhaarige das Kinn, denn er hatte nicht damit gerechnet, dass die Szene, welche er und seine Freunde in dem Dungeon mitbekommen hatten, anscheinend noch gar nicht so lange her war. Die Tatsache, dass Setsuna sich bei seiner Mutter entschuldigen wollte zeigte aber, dass er seine Schreiaktion von damals in keiner Weise böse gemeint hatte. Nachdenklich brummte Aiden vor sich hin und überlegte sich, was sein Teamkollege am besten würde tun können. „Also… ich denke mal, dass deine Mutter schon glücklich wäre, wenn du ihr sagst, dass es dir leid tut. Auf der anderen Seite gäbe es die Alternative, ihr etwas zu schenken, aber ob das die richtige Wahl ist, wage ich zu bezweifeln“, erklärte der Ältere und sah sich in der Mall um, wobei ihm einfiel, dass genau dieser Ort der richtige wäre um ein Geschenk zu kaufen. „Also… Eigentlich war das genau mein Plan gewesen. Weißt du, Mama kauft sich kaum etwas selbst. Immer stellt sie Papa und mich nach vorne, aber selbst gönnt sie sich nichts. Ich will ihr auch mal etwas Schönes schenken“, erklärte der Weißblauhaarige sein Vorhaben, woraufhin Aiden das gekaufte Geschenk fast nicht mehr beanstanden konnte: „Wenn du das so darstellst nehme ich an, dass du schon etwas im Auge hast, kann das sein?“ „Ganz ehrlich? Nein. Deshalb wollte ich dich ja fragen, ob du eine Idee hast.“ Die Antwort des Jüngeren nahm Aiden erst einmal den Wind aus den Segeln, weshalb er sich leise murrend am Hinterkopf kratzte und dabei an seine eigene Mutter dachte. Sie war oftmals nicht da gewesen, aber wenn sie abends zeitig da war, hatte sie mit Aiden auf der Couch gesessen, gekuschelt und dabei einen Film angesehen.   Eine weitere Aktion, welche er oft mit seiner Mutter Abends gemacht hatte, schien ihm genau das zu sein, was Setsuna brauchte: „Wie wäre es mit einem Puzzle.“ „Ein Puzzle?“, wiederholte Setsuna etwas skeptisch und zog eine Augenbraue in die Höhe, während er mit vor der Brust verschränkten Armen den Kopf schief legte. „Genau. Weißt du, so wie ich deine Mutter einschätze, ist allein Zeit mit dir das, was sie will“, erklärte der Braunhaarige und erntete einen skeptischen Blick: „Klingt das nicht etwas zu klischeehaft, Senpai?“ „Mag sein, aber alleine, wenn ich Tennos Mutter sehe, die wirklich nur Zeit mit ihr verbringen will, muss ja was dran sein. Außerdem habe ich als Kind auch mit meiner Mama gepuzzelt und es hat uns beiden viel Spaß gemacht. Außerdem kann man ein fertiges Puzzle einrahmen und als Deko verwenden. Also zwei Fliegen mit einer Klappe“, beendete Aiden seine Erklärung, woraufhin sein Kohei ihn mit großen Augen anschaute: „Oh mein Gott, das ist genial! Du bist ein Genie, Nii-san!“ „Jetzt übertreib mal nicht, aber sag mal: Hat es einen Grund, dass du immer zwischen »Senpai« und »Nii-san« hin und her wechselst, wenn du mit mir redest?“, gab der Braunhaarige zurück und beobachtete belustigt, wie Setsuna rot anlief und verlegen die Zeigefinger gegeneinanderdrückte. Bei seiner Aktion vermied er es vehement, in die Richtung des Älteren zu schauen, denn offenbar war es ihm peinlich, dass das aufgefallen war.   Um den Jungen etwas zu beruhigen klopfte Aiden ihm sanft auf die Schulter: „Ich frage das nicht, um dich irgendwie in Verlegenheit zu bringen, Setsuna. Es war mir nur aufgefallen.“ „Ich… Ich dachte, es wäre angemessen, wenn ich dich »Senpai« nenne, aber auf der anderen Seite sehe ich dich fast so wie Haru. Ist es okay, wenn ich dich »Nii-san« nenne?“, fragte der Junge zaghaft nach und traute sich kaum aufzusehen, als Aiden auflachte: „Wenn es weiter nichts ist. Nicht, dass Tenno am Ende noch Eifersüchtig wird.“ Mit einem breiten Grinsen lief Setsuna zum nächsten Geschäft, um seinen Einkauf zu tätigen, während sich in Aidens Brust ein warmes Gefühl breit machte. Er hatte wohl den richtigen Weg gefunden, um Setsuna bei seinem Problem zu helfen und wenn der Kleine damit glücklich war, sollte das für ihn ausreichen. Er musste auch gar nicht lange warten, bis der Junge mit drei Paketen in den Armen aus dem Laden gehechtet kam und diese stolz präsentierte: „Meinst du, die werden ihr gefallen?“ „Wäre es nicht klüger gewesen, mich das vor dem Kauf zu fragen?“, antwortete der Braunhaarige mit einer Gegenfrage und musste sich beim Anblick des Jungen das Lachen verkneifen, weshalb er lieber die drei Puzzle-Packungen betrachtete. Eins hatte ein herbstliches Waldmuster, das zweite zeigte einen See mit Enten und das dritte den Sternenhimmel. Alles waren schöne Motive und auch, wenn Aiden den Geschmack seiner Lehrerin nicht kannte war er sich doch sicher, dass sie ihr gefallen würden. „Ich denke, dass das eine gute Wahl war. Na komm, wenn wir uns beeilen, erwischen wir den nächsten Zug noch“, klopfte Aiden Setsuna auf die Schulter und lief dann los, wobei sein Mitschüler kaum nachkam: „Warte, Nii-san, du hast längere Beine als ich!“   ~~~später am Abend~~~   Etwas zögerlich stand Setsuna mit einem Puzzle im Arm in der Tür des Wohnzimmers und lugte in den Raum, in welchem seine Eltern saßen und zusammen einen Tee tranken. Immer wieder lehnte er sich etwas vor und wollte eintreten, allerdings wusste er gar nicht, was er wirklich sagen sollte. Nach dem vierten Mal bemerkte ihn sein Vater und schob sich fragend die Brille zurecht: „Setsuna, stimmt etwas nicht? Komm doch rein.“ Noch während er eintrat, bemerkte er seinen eigenen Fehler, denn er hatte die ganze Zeit nur an seine Mutter, aber nicht an seinen Vater gedacht, der nun daneben saß und ihn abwartend ansah. Zaghaft hob der Junge den Blick und festigte den Griff um die Packung: „Ich… wollte mich bei euch entschuldigen. Ich hätte damals nicht einfach abhauen dürfen. Ich habe euch unnötig Kummer bereitet und mich nie wirklich dafür entschuldigt.“ „Ach Setsuna, für uns ist nur wichtig, dass du wieder gesund und munter bei uns bist“, gab seine Mutter zurück und lächelte ihn warm an, was sein Vater ihr gleichtat: „Du musst dich nicht entschuldigen, mein Junge. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir es tun. Irgendwas muss dich enorm gestört haben… und wir haben es nicht gesehen. Wenn es etwas gibt, was dir auf dem Herzen liegt, dann rede bitte mit uns. Auch, wenn du von deinen Mitschülern belästigt wirst.“ „Wer hat euch das denn erzählt?“, entwich es dem Jungen geschockt, denn damit hatte er seine Eltern nun wirklich nicht belästigen wollen, als seine Mutter ihm erklärte, dass Haruka ihr alles erzählt hatte.   Mit einem tiefen Seufzer verdrängte Setsuna seinen leichten Groll auf Haruka und zeigte seinen Eltern stattdessen die Schachtel in seinen Händen: „Hättet ihr vielleicht Lust, mit mir ein Puzzle zu legen?“ Die beiden Erwachsenen sahen sich überrascht an, bevor sie beide strahlend lächelten und die Frau den Tisch frei räumte: „Nichts lieber als das, mein Schatz.“ „Deine Mutter liebt Puzzle und ich bin auch nicht so schlecht darin. Dieses Puzzle löse ich dir in fünf Minuten“, prahlte Herr Akutagawa und schob sich die Brille die Nase hoch, welche ihm allerdings wieder runterrutschte, als er unter dem Kommentar seiner Frau zusammenzuckte: „Häng noch ein paar Nullen dran, dann kommen wir hin, Liebling. Na dann, zeig mal, was du für ein schönes Motiv hast.“ Mit leuchtenden Augen sprang Setsuna förmlich auf die Couch und packte das gemeinsame Projekt aus, wobei er nicht sagen konnte, wann er sich mit seinen Eltern zum letzten Mal so wohl gefühlt hatte. Kapitel 50: L – Kinobesuch -------------------------- ~~~Dienstag 21. Juni 2016~~~   Vorsichtig balancierte Aiden auf einem Hocker, welcher in einem der kleinen Aufenthaltsbereiche des Wohnheims stand und versuchte, auf das danebenstehende Bücherregal zu schauen. Er reckte seinen Hals so gut er konnte, um alles im Blick zu haben, doch fand er nicht das, was er gesucht hatte. Um auf Nummer sicher zu gehen, tastete er sogar mit der Hand auf dem Regal herum, doch mehr als Staub und eine Spinnenwebe bekam er nicht zu fassen. „Hier auch nicht. Wo ist sie bloß?“, murmelte er vor sich hin und stieg die Treppe nach oben, um in den oberen Stockwerken seine Suche fortzusetzen. In keinem der Flure wurde Aiden fündig, weshalb er als letztes den seltsamen Kommandoraum, welches sich im obersten Stock des Wohnheims befand, unter die Lupe nahm. Vorsichtig nahm er ein paar der Bücher aus dem Regal und sah unter die Sitzmöbel, doch wie auch zuvor blieb seine Suche erfolglos. Gerade steckte er mit dem Kopf halb unter einer Couch und murrte missgelaunt vor sich hin, als ihm plötzlich etwas Nasses ins Ohr gesteckt wurde, woraufhin er erschrocken hochfuhr und mit dem Kopf gegen das Holz knallte. Leise fluchend zog der Braunhaarige den Kopf hervor und rieb sich die schmerzende Schädeldecke, während er nach dem Übeltäter Ausschau hielt, bei dem es sich um Kako handelte, welche mit halb heraushängender Zunge neben ihm saß und ihn mit wedelndem Schwanz ansah. „Man, Kako, was soll denn das?“, meckerte der Junge und wischte sich die Hundesabber aus dem Ohr, bevor er die Hündin anschaute, welche nur den Kopf schief legte und ihm dann quer durchs Gesicht leckte: „Hey, lass das! Ich habe keine Zeit für sowas.“ Die Hündin sah ihn weiterhin an, bevor sie kurz mit den Ohren zuckte und zur Tür sah, durch die einen Moment später die Stimme von Mirai drang: „Kako, Futter! Komm her, mein Mädchen!“ Wie von der Tarantel gestochen sprang die Hündin auf und stürmte aus der Tür, wobei sie fast die Kurve für die Treppe nicht bekam und diese laut polternd herunterstürmte.   Langsam stieg nun auch Aiden die Treppen nach unten, wo er im Foyer auf seine drei Mitbewohnerinnen stieß, die ihn alle fragend ansahen. Mirai war allerdings eher damit beschäftigt, ihren Hund zu versorgen, weshalb Miyuki das Wort ergriff: „Morgen, Aiden-kun. Wo bist du denn gewesen? Du bist ja völlig verdreckt.“ „Was? Oh verdammt!“, fluchte der Junge erneut und versuchte irgendwie den Staub und Schmutz von seinem Jackett und seiner Hose zu klopfen. Eine helfende Hand bekam er von Miyuki, welche ihm eine Fusselbürste reichte, mit der Aiden den Dreck relativ gut wegbekam und ohne Probleme unter Leute gehen konnte. Dankend gab er seiner Mitbewohnerin die Bürste zurück, bevor er sich Haruka zuwandte, die bei ihrer Frage die Hand hob: „Was hast du da oben eigentlich gesucht, Kurosaki-kun? Du sahst aus, als hättest du dich durch den Dreck des ganzen Wohnheims gewühlt.“ „So ganz falsch ist das nicht, Tenno. Ich habe nach Kiara gesucht, weil sie nicht in meinem Zimmer war“, erklärte sich der Braunhaarige, woraufhin Miyuki nachdenklich an die Decke schaute: „Jetzt wo du es erwähnst… Ich habe Kiara-chan gestern gar nicht gesehen.“ „Ja, stimmt. Am Sonntag war sie noch da, da habe ich sie bei Mirai gesehen, aber gestern… Nein. Aber ich war auch gestern den ganzen Tag aus dem Haus, also kann ich nicht sagen, ob sie da war oder nicht“, teilte Haruka ihre Sicht mit und sah wieder zu Aiden, der leicht besorgt das Gesicht verzogen hatte: „Ja, am Sonntag war sie noch da, da ist sie nachmittags zum Streunen rausgegangen, allerdings habe ich sie nicht zurückkommen sehen. Weder am Sonntagabend, noch gestern. Ich mache mir langsam Sorgen, dass ihr was passiert sein könnte.“ Jedes der anwesenden Mädchen konnte die Sorge von Aiden nur zu gut verstehen, allerdings versuchte Mirai, diese Sorge etwas zu mildern: „Ist es denn das erste Mal, dass sie so lange weg ist?“ „Hm… Nein, nicht direkt. Es ist schon ein oder zweimal vorgekommen, dass sie sich irgendwie in Loch manövriert hat und erst nach ein paar Tagen wieder zu Hause war. Sie sah dann immer aus wie ein Schwein“, gab der Braunhaarige zurück und fuhr sich nervös durch die Haare.   Die Stimmung war eindeutig im Keller, weshalb Miyuki freudig in die Hände klatschte: „Ich bin mir sicher, dass Kiara-chan bald wieder da ist. Vielleicht hat sie auch einen süßen Kater gefunden und wenn sie wieder da ist, haben wir ganz viele kleine Katzenbabys.“ Aiden, Haruka und Mirai sahen die Grünhaarige einen Moment an, bis die Stille von einem Bellen Kakos durchbrochen wurde und die Silberhaarige ihrem Hund beipflichtete: „Ich stimme Kako zu. So viele Katzen bringen nichts Gutes.“ „Als ob Kako das gesagt hätte“, gab Miyuki schnippisch zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, was Mirai ihr gleichtat und ihrer Freundin Paroli bot: „Ich verstehe meinen Hund ja wohl besser als du, Fräulein.“ Die beiden Mädchen zofften sich spielerisch weiter, was Haruka und Aiden zum Lachen brachte und die Laune des Braunhaarigen doch etwas anhob: „Danke Leute, ihr seid die Besten. Ich hoffe, dass ihr recht habt und Kiara bald wieder da sein wird.“ Haruka seufzte erleichtert auf und reichte ihrem Schwarm seine Schultasche: „Wollen wir dann gehen? Ich glaube Mirai und Miyuki brauchen noch etwas.“ Mit einem kurz en Nicken hatte Aiden seine Tasche an sich genommen und mit Haruka das Wohnheim verlassen, wodurch die beiden Streitenden alleine blieben und sich ansahen. Kaum hatten die beiden Braunhaarigen das Wohnheim verlassen, kicherten die Mädchen und Mirai warf sich das Haar locker zurück: „Dafür hätte ich einen Emmy verdient. Ich hoffe mal, das Kätzchen kommt bald wieder.“ „Ich auch und sorry, ich wollte Kako mit den Katzenbabys nicht erschrecken. Ich muss los, sonst verpasse ich den Zug. Kannst du vielleicht mal schauen, ob du Kiara-chan irgendwo siehst?“, verabschiedete sich Miyuki von der Silberhaarigen und folgten ihren Freunden in Richtung Bahnhof, während Mirai den Kopf schief legte: „Du findest das Kätzchen, oder, Kako?“ Auf die Frage gab die Hündin ein leises Jaulen von sich, was ihr Frauchen leicht irritierte: „Wenn ich dich nur wirklich verstehen könnte…“   Der Schultag verging wie im Flug, weshalb er für Aiden fast schon an einen Traum grenzte, als es zum Ende des Tages läutete. Während um ihn herum alle Schüler ihre Sachen zusammenpacken, saß er selbst ein wenig teilnahmslos auf seinem Platz und sah an die Decke. Neben ihm stieß Miyuki ein langes Gähnen aus und streckte sich ausgiebig, bevor sie leise schmatzend in ihrem Stuhl zusammensank: „Endlich ist der Tag vorbei.“ „So lang kam er mir gar nicht vor“, gab Aiden zurück und sah zu seiner Freundin, die sich langsam erhob und ihre Tasche schulterte: „Heute ist Dienstag, also keine Sportclubs.“ „Und wir müssen auch nicht in die Shadow-Welt. Wann hatten wir das letzte Mal einen freien Dienstagnachmittag?“, wunderte sich der Braunhaarige und erhob sich ebenfalls, was seine Bekannte zum Kichern brachte. Die beiden hatten gerade ihren Klassenraum verlassen, als sie im Gang auf Luca, Haruka und Sakura trafen: „Yo, Amigo, Señorita. Was liegt an?“ „Hey, Luca. Nicht viel, Miyuki und ich waren gerade am Überlegen, was wir machen könnten. Immerhin haben wir keine Verpflichtungen heute“, gab Aiden zurück und grüßte auch die Mädchen, die fröhlich winkten und sich dann mit Miyuki unterhielten.   Zu fünft spazierte die Gruppe durch die Schule und begab sich zu den Spinten, an denen sie ihre Schuhe tauschen konnten, als Setsuna aus einem Gang gehechtet kam und schlitternd vor ihnen zum Stehen kam: „Gut, ich habe euch nicht verpasst. Habt ihr schon was vor?“ Die Gruppe sah sich einen Moment an, bevor sie zeitgleich den Kopf schüttelten und auf eine weitere Reaktion des Erstklässlers warteten, welche so aussah, dass er freudig die Fäuste ballte und fast in die Luft sprang: „Heute läuft der neue Ninja Dynasty Film im Kino an: Ninja Dynasty 4 Der Zorn des Shinobu! Habt ihr Lust, mit ins Kino zu kommen?“ „Ich kann mich gar nicht dran erinnern, wann ich zum letzten Mal im Kino war?“, lachte Luca auf und band sich die Schuhe, während Aiden sich verlegen am Kopf kratzte: „Vor knapp einem Jahr, da musste ich mit Kari in den Film von Puppy Brigade gehen.“ „Du warst in einem Kinderfilm?“, kicherte Sakura und wackelte mit den Augenbrauen, was Aiden leicht rot werden ließ: „Hey, ich musste mit meiner kleinen Schwester dahin. Von selbst wäre ich nie in diesen Film gegangen.“ „Dann wird es mal Zeit, dass ihr einen richtigen Film zu sehen bekommt! Mit Action, gutaussehenden Schauspielern für Mann und Frau und mehr Lichteffekten als bei einem Feuerwerk!“, versuchte Setsuna immer weiter seine Senpai für seine Aktion zu gewinnen, doch machte Haruka ihm einen Strich durch die Rechnung: „Setsuna? Kann es nicht eher sein, dass du uns dabeihaben willst, weil der Film ab 16 ist und du alleine gar nicht rein kommst?“ Auf die Aussage gingen alle Blicke zu dem Jungen, der ertappt zur Seite schaute und sich anscheinend eine Ausrede parat legte: „Äh… Nein?“ „Boah, du kannst gar nicht lügen, Kleiner“, stellte Luca fest und hielt sich den Bauch vor Lachen, was Setsuna knallrot anlaufen ließ: „Hör sofort auf zu lachen, Senpai und nenn mich nicht Kleiner! Nii-san, sag du doch mal was dazu!“ Nun wanderten die Blicke zu Aiden, der leicht überfordert mit den Achseln zuckte: „Naja, ich meine, es kann ja nicht schaden, mal ein wenig auszuspannen. Ein Kinofilm wäre da vielleicht gar nicht so schlecht.“   Luca nickte zu Aidens Vorschlag, doch war Haruka strikt dagegen: „Der Film ist nicht ohne Grund ab 16. Setsuna ist noch zu jung dafür.“ „Hey, ich werde nächsten Monat 16!“, konterte der Junge und lieferte sich mit Haruka eine Diskussion darüber, ob er jetzt in den Film gehen dürfe oder nicht, während Miyuki auf ihrem Handy das Kino checkte und freudig hüpfte: „Oh mein Gott, wie konnte ich das übersehen? Drachenkugel S hat einen neuen Film bekommen und der läuft auch bei uns. Wenn wir nicht in den Ninja Kram wollen, können wir doch da rein gehen.“ „Nur wenn der langhaarige Schnuckel dabei ist“, warf Sakura ein und lachte dabei, woraufhin Luca hellhörig wurde: „Oho, Nozaki steht auf die Langhaarigen.“ „Problem damit? Wir Mädchen dürfen es doch auch mögen, wenn wir was zum Zupacken haben, oder?“, verteidigte die Rosahaarige ihre Vorlieben, als an der Tür ein lautes Klatschen erklang und ein Junge mit hochgestylten, braunen Haaren und Stirnband hastig seine Bücher zusammensuchte. Aiden zog einen Moment die Stirn in Falten, denn der Junge kam ihm irgendwie bekannt vor, als Haruka sich vorlehnte, um an dem Spind vorbeizuschauen: „Brauchst du Hilfe, Yuuma-kun?“ Erschrocken fuhr der Braunhaarige hoch und richtete sein Stirnband, bevor er schnell mit der Hand abwinkte: „Nee, alles gut, Haru. Trotzdem danke. Mir waren nur die Bücher aus der Hand gerutscht. Man sieht sich!“ „Was war das denn?“, brummte Setsuna und hob eine Augenbraue, während Haruka nachdenklich den Kopf schief legte: „Ich habe keine Ahnung, aber normalerweise ist Yuuma-kun nicht so durch den Wind.“ „Nicht wirklich, aber um das Thema von eben zurückzukommen: Ich bin auch fürs Kino. Ob Ninja Film oder Anime, das ist mir Jacke wie Hose“, teilte die Rosahaarige ihre Meinung mit und sah in die Runde, da sie hier wohl auf die endgültige Entscheidung wartete. „Ich bin dagegen, dass Setsuna in diesen Film geht. Es wird seine Gründe haben, dass er ne Altersbegrenzung hat“, brummte Haruka, doch wurde sie von allen Seiten dazu gedrängt, dem Vorschlag doch zuzustimmen, weshalb sie sich mit einem missgelaunten Knurren am Ende doch ergab.   Auf dem Weg zum Kino suchte Aiden das Gespräch mit der Brünetten, da es etwas gab, was ihn interessierte: „Tenno, kann ich dich kurz was fragen?“ „Was? J-ja sicher doch. Was willst du denn wissen, Kurosaki-kun?“, erteilte die junge Frau ihrem Kollegen hastig die Erlaubnis weiterzumachen, weshalb dieser den Rest der Gruppe etwas vorgehen ließ, um sich in Ruhe mit Haruka unterhalten zu können: „Dieser Typ von eben, der mit dem Stirnband, wer war das?“ „Typ mit Stirnband? Ach so, du meinst Yuuma. Ein Freund von Saku und mir, wir kennen uns seit der Mittelstufe. Er ist ein lieber Kerl, auch wenn er sich manchmal etwas zu sehr in Dinge hineinsteigert“, erklärte die Mechanikerin und tippte sich dabei nachdenklich ans Kinn, bevor sie den Kopf zu Aiden drehte: „Warum fragst du?“ „Naja, ich glaube, ich bin ihm vor ein paar Tagen in der Stadt begegnet. An so einem Waffelstand und da hat er mich die ganze Zeit so zornig angeguckt. Ich meine, ich kenne ihn nicht einmal und er erdolchte mich förmlich mit seinem Blick“, erzählte Aiden von seinem Treffen am Waffelstand, als er mit Miyuki dort gewesen war, wobei er sich immer noch keinen Reim darauf machen konnte, was das Problem von diesem Yuuma sein sollte. Nach einer Weile schüttelte Haruka den Kopf und breitete ergeben die Arme aus: „Das ist echt seltsam, normalerweise ist Yuuma extrem nett zu allen, außer du legst dich mit ihm im Tennis an. Dann hast du schlechte Karten.“ „Wieso Tennis?“, hakte Aiden nach und sah seine Bekannte neugierig an, die kurz kicherte und ihm die Sache erklärte: „Yuuma ist im Tennis-Club und ist dort der beste Spieler, er übertrifft selbst den Kapitän. Aus Spaß haben Saku und ich ihm den Spitznamen »Tennis-Prinz« gegeben und das ist ihm wohl etwas zu Kopf gestiegen. Bei Spielen tut er jetzt immer so, als würde ihm jemand die Königswürde streitig machen und spielt extrem offensiv, aber dadurch hat er schon unzählige Siege für die Gekkoukan geholt. Wenn du magst, rede ich mal mit ihm, was er für ein Problem mit dir hat.“ „Nein, ist schon gut. Bei Gelegenheit kläre ich das selbst mit ihm. Auch wenn ich immer noch nicht weiß, was er hat.“ „Vielleicht denkt er, dass du, jetzt wo du nicht mehr im Kendo bist, in den Tennisclub gehen willst, um ihm seinen Posten streitig zu machen“, kicherte die Brünette und entlockte auch Aiden ein amüsiertes Schnauben: „Ja, ist klar.“   Nach einem kurzen Fußmarsch erreichte die Gruppe das Kino, welches sich direkt am Bahnhof befand und kauften sich an der Kasse ihre Kinokarte. Wie zu erwarten hatte der Verkäufer bedenken, Setsuna in den Film zu lassen, doch da er die gleiche Uniform wie die anderen trug und jeder in der Gruppe bereits 16 Jahre alt war, ließ er auch Setsuna seine Karte kaufen. Triumphierend tanzte der Kleinste im Foyer herum und freute sich ein Loch in den Bauch: „Mission erfolgreich! Jetzt ab zum Popcorn!“ „Immer dieses Zuckerzeug“, murmelte Haruka und strich sich ein paar Haare hinter ihr Ohr, während Sakura ihr einen Arm um die Schulter legte: „Dann kauf eben keins, aber denk nicht, dass ich dich nachher bei mir naschen lasse.“ Die kleine Diskussion der Mädchen lockerte die Stimmung der Gruppe, welche sich kurz darauf in der Schlange anstellten, um sich für den Film mit Proviant zu versorgen. Miyuki, Sakura und Aiden wählten den Klassiker in Form von Cola und Popcorn, während Haruka es bei einem Eistee beließ. Luca bevorzugte die herzhafte Variante und gönnte sich eine Portion Nachos mit Käsesauce und eine Limonade. Setsuna übertrieb es aber maßlos, da er sich neben seiner Limonade noch eine XXL Portion Popcorn, mehrere Schokoriegel und ein paar Saure Drops kaufte. „Setsuna, das kannst du doch unmöglich alles essen“, murmelte Haruka, während sie sich auf die Suche nach ihren Plätzen machten, doch erwiderte der Weißblauhaarige nur, dass das für ihn überhaupt kein Problem wäre. Aus Spaß stieß Luca Aiden in die Seite und deutete auf den Jüngsten der Gruppe: „Würdest du das alles schaffen?“ „Sicher doch“, gab der Braunhaarige zurück, was den Spanier die Augen aufreißen ließ: „Dein Ernst?“ „Ja, denn du hast nicht gesagt, wie schnell. In einer Woche kriege ich das weg“, lachte Aiden und ließ sich auf seinen Platz sinken, wo er sich kurz darauf zwischen Luca und Haruka wiederfand.   Der Film war genau das, was Setsuna ihnen in der Schule versprochen hatte, denn es vergingen keine zwei Minuten, ohne dass es auf der Leinwand in irgendeiner Art und Weise explodierte oder knallte. Besonders die Figuren waren vom Aussehen so gestaltet, dass sie ein wahrer Augenschmaus waren, auch wenn Aiden es bevorzugen würde, wenn es richtige Schauspieler oder komplett gezeichnet und keine Computeranimation wäre. Bei einer Kampfszene gegen Ende des Films brummte Aiden nachdenklich vor sich hin, weshalb Luca sich zu ihm rüber lehnte: „Ist dir der Film zu unrealistisch?“ „Was? Ja schon, aber der Protagonist bringt mich auf ne Idee. Er kämpft mit zwei Schwertern gleichzeitig“, flüsterte Aiden und entlockte seinem Freund ein langes „Oh“ als er begriff, worauf Aiden hinauswollte: „Meinst du, du kriegst das mit deinen Schwertern hin?“ „Ich kann es nur versuchen, aber es wäre hilfreich“, gab Aiden zurück, bevor von hinten mit einem lauten „Pssst!“ zum Schweigen gebracht wurde. Den Rest des Films schwiegen die beiden Jungs und blieben beim Abspann noch sitzen, während viele der Besucher bereits den Saal verließen. „Hat das einen Grund, warum wir sitzen bleiben?“, wunderte sich Sakura und sah in die Runde, was Setsuna ihr erklärte: „Ja. Oftmals ist es so, dass es nach dem Abspann noch eine Szene gibt und die will ich nicht verpassen.“ Um dem Kleinen den Gefallen zu tun, blieb die Gruppe noch Sitzen und tatsächlich gab es nach dem Abspann noch eine kleine Szene, der zwar keiner der Zweitklässler besondere Bedeutung beimaß, doch für Setsuna war das wohl das absolute Highlight gewesen.   Kurz darauf verließ die Gruppe das Kino und alle mussten sich erst einmal strecken, als Miyuki ihr Handy herauszog und die Uhrzeit checkte: „Wie spät ist es eigentlich? Erwischen wir den nächsten Zug noch?“ „Ich habe leider den Fahrplan nicht im Kopf“, gab Luca lachend zurück und sah geduldig auf die Grünhaarige, welche schnell den Fahrplan aufrief und dabei grinste: „Wir haben Glück! In sieben Minuten fährt der nächste Zug. Kommt, den erwischen wir noch!“ Schnell liefen die Teenager auf den entsprechenden Bahnsteig und erreichten tatsächlich den nächsten Zug, der sie nach Iwatodai bringen würde, wodurch sie während der Zugfahrt etwas ausspannen konnten. Setsuna beklagte sich während der Fahrt über Übelkeit, wofür er eine Moralpredigt von Haruka bekam, dass er sich in Zukunft nicht mit so viel Süßkram vollstopfen sollte. Aiden sah einfach nur aus dem Fenster, als er in der Spiegelung bemerkte, dass Luca ihm immer wieder einen kurzen Blick zuwarf. Nachdem der Spanier dies eine geschlagene Minute getan hatte, ließ sich Aiden dazu herab, ihm einen belustigten Blick zuzuwerfen: „Willst du mich was fragen, Luca?“ „Wenn du schon so fragst, eigentlich schon. Ich habe nur darauf gewartet, wie lange du noch wartest, bis du auf meinen Blick reagierst“, lachte der Spanier, woraufhin sein Freund ihm beichtete, dass er den Blick schon vor einer Minute bemerkt hatte. „Was wolltest du mich denn jetzt fragen?“, kam Aiden zum Punkt und sah seinen Freund neugierig an, der sich leicht verlegen am Kragen seines Hemdes zupfte: „Also, es ist so… Du bist ja noch vom Kendo suspendiert, richtig? Ich dachte mir, du könntest ja, also nur wenn du Lust hast, morgen mal bei einem kleinen Probetraining im Fußballclub mitmachen.“   Luca’s erwartungsvoller Blick wurde mit einer skeptisch hochgezogenen Augenbraue erwidert, was den Jungen schnell mit den Händen abwinken ließ: „Du sollst ja nicht dem Club beitreten, einfach mal zur Probe mit uns trainieren.“ Leise summend ließ sich Aiden den Vorschlag durch den Kopf gehen, denn es würde ihm schon nicht schaden, wenn er sich auf irgendeine Art und Weise körperlich betätigte. Er hatte zwar die Sache mit der Regeländerung geklärt und Mitsuru hatte den Direktor angewiesen, diese sofort umzusetzen, allerdings hatte sich hierzu über den Tag noch nichts ergeben. Er war also momentan niemandem etwas schuldig, weshalb er nach kurzer Überlegung zustimmte. Die Freude über dieses Ja sah man Luca sofort an, denn er hüpfte fast von seinem Stuhl und schlang seinem besten Freund einen Arm um die Schulter: „Ich sag dir eins: Das wird der absolute Oberhammer, Amigo. Denk morgen an geeignete Klamotten.“ „Ja ja, schon kapiert und du musst mich dafür nicht gleich umarmen“, lachte Aiden und schob Luca von sich, während dieser ihm voller Vorfreude die Namen aller Fußballer im Club verriet, auch wenn Aiden sich sicher war, dass er sich diese niemals würde behalten können. Kapitel 51: LI – Eine neue Spur ------------------------------- ~~~Mittwoch 22. Juni 2016~~~   Der Schultag war seit einer knappen Viertelstunde zu Ende, doch dachten die meisten Schüler noch gar nicht daran, nach Hause zu gehen. Mittwochs standen die Sportclubs in den Startlöchern. Wie Aiden es am Vortag mit Luca abgemacht hatte, hatte er sich für den heutigen Tag zu einem Probetraining des Fußballclubs angemeldet, weshalb er jetzt in der Umkleide saß und sich die Schuhe zuband. Immer wieder bemerkte er die skeptischen Blicke der anderen Anwerber auf ihm, an die er sich aber seit dem Skandal mit Sakura so langsam gewöhnt hatte. Er war recht geübt darin, Vorurteile und dummes Gerede über sich zu ignorieren, musste er sich das doch gefühlt seit Beginn der Mittelstufe überall anhören, weshalb er auch jetzt nichts auf die Blicke gab. Noch einmal überprüfte er den Sitz seiner Schuhe, bevor er die Umkleide verließ und mit einigen anderen Spielern in Richtung des Feldes marschierte. Auf dem Platz stand bereits das gesamte Team der Gekkoukan High, welches im Moment aus 13 Spielern bestand. Unter diesen befanden sich auch Luca und Ken, doch konnte Aiden mit den restlichen Spielern nichts anfangen, auch wenn er gestern all ihre Namen erfahren hatte. Etwas überfordert standen die Anwärter auf dem Platz und es dauerte eine Weile, bis alle Leute da waren, als Ken sich eine Trillerpfeife griff und kräftig hineinblies. Über den schrillen Ton war er wohl selbst etwas erschrocken, denn er zuckte kurz zusammen, bevor er sich räusperte und in die Runde sah: „Wir sind nun alle vollzählig, deshalb möchte ich euch zum heutigen Probetraining begrüßen. Bevor wir anfangen: Hat jemand von euch eine Frage oder Anmerkung?“   Alle Anwärter sahen sich gegenseitig an, denn anscheinend traute sich niemand, die erste Frage zu stellen, bis ein etwas kräftigerer Junge die Hand hob: „W-wie hoch sind unsere Chancen, ins Team aufgenommen zu werden?“ Die Frage schien wohl jedem auf der Zunge gelegen zu haben, doch schüttelte Ken nur mit dem Kopf und gestikulierte mit der Hand: „Ich werde euch hier jetzt keine prozentualen Chancen ausrechnen, denn hier zählt das, was ihr könnt. Aber um das gleich zu sagen: Nur weil ihr jetzt nicht genommen werdet, heißt das nicht, dass ihr überhaupt nicht ins Team kommt. Von uns 13 werden nächstes Jahr acht Stück nicht mehr da sein, von daher besteht bei jedem von euch die Chance, dass er dem Rest gut in Erinnerung bleibt und nächstes Jahr ins Team aufrücken kann.“ Die Worte des jungen Mannes schienen die Anwärter etwas zu beruhigen, doch Aiden fühlte sich in diesem Moment etwas fehl am Platz. Alle, die hier waren, wollten um jeden Preis ins Team und er selbst war nur zum Spaß hier, weil Luca ihn darum gebeten hatte. Vermutlich wurde er deshalb so böse angeschaut, immerhin war er für jeden hier ein potenzieller Rivale. Etwas verlegen kratzte sich der Braunhaarige am Hinterkopf, als noch ein paar Anwärter dazu kamen, bei denen es sich ausschließlich um Mädchen handelte. „Kapitän, seit wann nehmen wir Mädchen ins Team?“, wunderte sich ein Junge mit schwarzen Haaren und einem Undercut, während er zu dem Kapitän schaute, der sich die Nasenwurzel rieb: „Ich weiß aus verlässlicher Quelle, dass es in der Schule bald eine Regeländerung zu der Geschlechtertrennung geben wird, von daher habe ich zu diesem Probetraining auch die Schülerinnen eingeladen, die Interesse an Fußball haben. Bevor einer von euch jetzt irgendwelche Einwände erhebt, lasst es! Jeder bekommt von mir dieselbe Chance, aber lasst mich euch sagen, Mädchen, dass ihr dasselbe Pensum erfüllen müsst, wie alle anderen. Ist das okay?“ „Hai, Amada-senpai!“, riefen die Mädchen synchron aus, was den Braunhaarigen grinsen ließ, bis er sich an sein Team wandte: „Was euch angeht: Keine dummen Kommentare und vor allem haltet ihr eure Hände bei euch, verstanden?“ Bei seiner Ansprache sah er sein Team der Reihe nach an, bis sein Blick auf einem bestimmten Schüler hängen blieb, der auch sofort auf den Blick reagierte. Empört sah Luca seinen Kapitän an und stemmte dabei die Hände an die Hüften: „Warum schaust du mich jetzt so an, Senpai? Ich habe noch nie eine Schülerin angefasst!“ Das Gesicht und der empörte Ton von Luca waren zu viel für Aiden, der es nicht schaffte, seinen Lachanfall zu unterdrücken, ihn aber zum Glück kurzhalten konnte. Dieses Lachen brachte ihm aber einen bösen Blick seines besten Freundes ein, der beleidigt eine Schnute zog: „Halt die Klappe, Aiden!“   Die Situation mit Luca schien die Stimmung etwas gelockert zu haben, denn alle wirkten deutlich besser gelaunt, weshalb Ken die Übungen erklärte: „So, bevor wir anfangen, mit dem Ball rumzuhantieren, will ich erst einmal eure Basics sehen. Dafür machen wir ein paar Übungen wie Sprints, Slalom und Hochsprung. Stell euch in einer Reihe auf, wir fangen mit den Sprints an.“ Das in einer Reihe aufstellen verlief deutlich weniger problematisch als Aiden erwartet hatte, doch konzentrierte er sich jetzt eher darauf, seine Übungen gut zu machen. Bei den Sprints über hundert Meter schaffte Aiden es, die meisten zu beeindrucken, denn er schaffte eine Zeit von 12,9 Sekunden. Die meisten anderen lagen bei etwas mehr als 13 Sekunden, doch schafften zwei der Mädchen das, was alle Anwesenden sprachlos machte: Sie liefen beide die 100 Meter in unter elf Sekunden. Aiden konnte dafür wirklich nur Respekt zollen, denn so eine Leistung kam nicht einfach so, dafür musste man extrem viel trainieren. Auch die folgenden Übungen waren für Aiden recht gut gelaufen, wobei er lediglich beim Hochsprung ungünstig absprang und die Stange wegkickte. Ken stand am Rand und machte sich aufmerksam seine Notizen, bevor er am Ende des Trainings zu Aiden ging und ihm auf die Schulter klopfte: „Gute Leistung, Kurosaki. Bist gut in Form.“ „Danke, Senpai. Sag mal, wie schnell bist du eigentlich auf 100 Meter?“, erkundigte sich der Braunhaarige und stemmte die Hände an die Hüfte, während er versuchte, wieder zu Atem zu kommen und zu seinem Senpai schaute, der sich an der Nase kratzte: „An guten Tagen schaffe ich knapp zwölf Sekunden, aber das, was die beiden Mädels da gezeigt haben, krieg ich nicht hin. Die rennen mir davon.“ Auf die Aussage musste Aiden kurz lachen und nahm ein paar tiefe Atemzüge, bevor Ken ihn fragend ansah: „Darf ich dich was fragen, Kurosaki? Warum nimmst du eigentlich an diesem Training teil? Ich weiß, du bist im Moment vom Kendoclub suspendiert, aber ich hatte immer die Vermutung, dass du wieder dahin zurückwillst.“ „Wenn ich ganz ehrlich bin, Senpai, ist dieses Training eigentlich nur ein bisschen Zeitvertreib. Luca hat mich gebeten, mal teilzunehmen“, gestand der Braunhaarige, was den Älteren verstehend nicken ließ: „Ich verstehe. Nun, dann hatte Silva mal eine gute Idee. Du und die Mädchen scheint den Rest ganz schön angespornt zu haben.“   „Gesunder Wettbewerb ist nie verkehrt. Sagt meine Mutter zumindest immer“, lachte Aiden und sah zur Seite, als Luca neben ihn trat: „Wie sieht es aus, Senpai? Schon eine vorläufige Entscheidung getroffen?“ „Noch nicht, aber ich werde mich mal mit den Jungs unterhalten. Wen würdest du denn ins Team nehmen, Silva?“, erkundigte sich Ken bei seinem Teamkollegen, der in seiner typischen Manier die Hände hinter dem Kopf verschränkte: „Die beiden Mädchen, die im Sprint so unglaublich schnell waren und auch den etwas Kräftigen würde ich definitiv nehmen. Er mag nicht so schnell sein, aber er ist sehr standfest und hat beim Slalom gute Reflexe gezeigt.“ „Verstehe. Ich werde deine Anmerkungen berücksichtigen. Ich erkundige mich mal nach den anderen.“ Damit verschwand der Ältere zu seinem restlichen Team und ließ Aiden und Luca alleine, damit sie sich noch unterhalten konnten. Natürlich ließ Luca es sich nicht nehmen zu fragen, wie Aiden das Training gefallen hatte, auch wenn es wirklich nur zur körperlichen Ertüchtigung war. Mit einem leichten Lachen streckte sich Aiden und machte ein paar Dehnungsübungen zum Abwärmen: „Es hat Spaß gemacht, auch wenn ich mir manchmal eher vorkam, als würde ich für Leichtathletik trainieren.“ „Naja, du brauchst das beim Fußball halt auch alles. Okay, wir springen nicht so hoch, aber der Rest passt ungefähr. Aber rein aus Interesse, wäre das Team was für dich?“, wechselte Luca das Thema und sah unschuldig pfeifend zur Seite, was Aiden nur mit dem Kopf schütteln ließ: „Du hast mich also doch hierhergelockt, damit ich in den Fußballclub gehe. Meine Antwort ist leider Nein, Luca.“ „Och menno, warum denn nicht? Wir wären das unschlagbare Duo“, versuchte der Spanier weiter, seinen Freund zu überzeugen, doch blieb Aiden bei seiner Aussage: „Wir waren damals ein gutes Duo, als wir klein waren, aber Zeiten ändern sich. Fußball ist dein Ding, Luca und nicht meins. Beim Kendo bin ich mir auch noch nicht so sicher, aber vielleicht muss ich meine große Leidenschaft erst noch finden.“   Auf die Antwort ließ der Junge betrübt den Kopf hängen, weshalb Aiden ihm auf die Schulter klopfte: „Hey, jetzt guck nicht so. Du hast deine Stärken und ich habe meine. Dadurch ergänzen wir uns so gut.“ „Wenn man es so betrachtet, macht das schon Sinn. Ich hätte aber schon gerne mal wieder mit dir gekickt“, brummte Luca und trat einen kleinen Stein mit dem Fuß weg, bevor er den Kopf hob und auf Aidens gehobene Faust schaute: „Wenn Munemasa-senpai mich nicht mehr in den Club lässt, überlege ich mir das mit dem Fußball noch einmal. Ansonsten können wir am Wochenende gerne mal hin und wieder kicken gehen.“ Die Antwort ließ Luca lachen, bevor er die Unterseite seiner Faust gegen die von Aiden schlug: „Ich nehme dich beim Wort, Amigo.“ Die beiden Jungs grinsten sich an, als sich ein warmes Gefühl in Aidens Brust breitmachte was ihm verriet, dass seine Verbindung mit Luca besser geworden war und das war ihm mehr wert als jeder Schulclub. Zum Abschluss des Trainings ließ Aiden sich dazu überreden, noch ein wenig mit Luca zu trainieren, doch zeigte sich hier, dass er mit dem Ball absolut nicht mehr zurechtkam. Für seinen besten Freunde schien das aber keine Rolle zu spielen, denn er schien einfach nur Spaß am Spiel zu haben.   Nachdem beide geduscht und umgezogen waren, verließen Aiden und Luca zusammen den Sportkomplex, als sie wieder auf Ken trafen, der mit Masao im Gang stand und sich unterhielt. Auch wenn Aiden genau wusste, dass es falsch war, interessierte ihn brennend, was die beiden Älteren zu besprechen hatten, weshalb er hinter einer Steinsäule in Deckung ging und mit Luca dem Gespräch lauschte. „Keine Sorge, ich habe mit ihm gesprochen und das Training hat er nur gemacht, weil Silva ihn darum gebeten hatte“, erklang die Stimme von Ken, woraufhin Masao erleichtert aufseufzte und sich durch die Haare fuhr: „Oh, ach so. Ich dachte schon…“ „Was? Dass ich dir deine Leute abwerbe? Komm schon, Masao-kun, für was hältst du mich?“, unterbrach Ken seinen Jahrgangsgenossen, der wieder leise murrte: „Ey, das hast du bei Katō auch schon gemacht.“ „Damit hatte ich nichts zu tun. Mir sind aber schon ein paar Dinge zu Ohren gekommen, dass Katō Leute angeblich aus dem Club ekelt. Ist da was dran?“, wechselte Ken das Thema, woraufhin Masao etwas empört klang: „Definitiv nicht! Okay, sie mag etwas eigen sein und hat nicht immer die nettesten Worte, aber sie ist nicht die Art Person, die Leute mutwillig aus dem Club ekelt.“ „Gut, dass du das auch so siehst. Tu mir aber bitte den Gefallen und halt die Ohren offen. Auch wenn es sich dabei um Lügen handeln, dulde ich keine Hetzreden gegen Mitschüler“, erbat Ken sich die Hilfe seines Bekannten, der nur zustimmend nickte: „Alles klar. Wenn ich was höre, lass ich es dich wissen. Wo wir bei deinen Aufgaben im Schülerrat sind. Wie läuft es eigentlich mit Kurosakis Petition? Ich hätte ihn und Nozaki gerne wieder im Club, aber ich darf mich nicht über die Schulregeln hinwegsetzen.“ „Kann ich verstehen und das ist soweit auch schon geklärt. Der Direktor sollte das eigentlich schon umgesetzt haben, aber wenn er sich sträubt, werde ich kurz einen Anruf tätigen.“ Die Stimmen der beiden Drittklässler wurden leiser, bis sie aus dem Gebäude verschwunden waren und die beiden Braunhaarigen alleine in dem Gang zurückließen. Luca fand als erstes die Stimme wieder und grinste breit: „Wow, Munemsasa-senpai will dich und Nozaki echt wieder im Club haben, was? Der hält wohl ne ganze Menge auf euch. Freut mich jedenfalls, auch wenn das heißt, dass du nicht in den Fußballclub kommst. Aiden? Hörst du mir zu?“ Erschrocken zuckte der Braunhaarige zusammen und sah seinen Freund überrascht an, denn er war mit seinen Gedanken gerade woanders gewesen. Die Worte von Masao hatten ihn sehr berührt und bei Gelegenheit würde er auch mit Sakura darüber reden, doch was ihn im Moment mehr beschäftigte, waren die Gerüchte über Yui. Darüber würde er auch mit der Älteren bei Gelegenheit sprechen, denn er machte sich Sorgen um die Schülerin. Mit einem leisen Seufzer trat Aiden hinter der Säule hervor und richtete die Tasche auf seiner Schulter: „Na komm, lass uns gehen, Luca. Willst du noch was Essen gehen?“   Den restlichen Nachmittag verbrachten die beiden Jungs im Wild Duck Burger und nutzten die Zeit, um sich über allen möglichen Quatsch zu unterhalten. Luca erzählte mit Euphorie von einem neuen Videospiel, für das anscheinend gerade jeder im Fußballclub schwärmte und das gegen Ende des Jahres erscheinen sollte. Aiden konnte nicht verhehlen, dass es durchaus interessant klang und deshalb durchforstete er kurz darauf das Internet. Das besagt Spiel, welches den Namen „Arcanum Online“ trug, warb mit vollständiger virtueller Realität und einem Spielerlebnis, wie es noch kein anderes Spiel vorher hatte. „Komplette virtuelle Realität? Wie soll das überhaupt funktionieren?“, wunderte sich der Braunhaarige und trank von seiner Limonade, während Luca in seinen Hamburger biss und nur mit den Achseln zuckte. Gerade wollte Aiden den Artikel weiterlesen, als eine Nachricht von Setsuna auf seinem Handy aufpoppte, welche die Gruppe aufforderte, sich mit ihm im Wohnheim zu treffen, da er etwas Wichtiges zu erzählen hatte. Auch Luca hatte die Nachricht bekommen und las sie mit einer hochgezogenen Augenbraue durch, bevor er sich an seinen Freund wandte: „Hast du ne Idee, was er so wichtiges haben könnte?“ „Keinen Plan, aber er würde ja nicht ohne Grund so einen Aufriss machen. Na komm, iss auf und dann ziehen wir ab“, forderte der Braunhaarige seinen Kollegen auf, der sich den Rest seines Burgers in den Mund steckte und dann sein Tablett wegbrachte. Aiden tat es ihm gleich und dann machten sie sich auf den Weg zum Wohnheim, wo sie bereits von Haruka erwartet wurden, welche zur selben Zeit heimkam.   Im Foyer des Wohnheims saßen bereits Mirai, Miyuki und Setsuna zusammen und warteten ungeduldig auf den Rest ihres Teams, was der Jüngste auch lautstark bemängelte: „Wo bleiben die denn so lange? Ich habe doch gesagt, dass es wichtig ist!“ „Chill mal, Kleiner. Wir können immerhin nicht fliegen“, brummte Luca, als er mit Aiden und Haruka das Foyer betrat und sich dann auf einen Sessel fallen ließ. Die verbleibenden Braunhaarigen setzten sich zu Miyuki auf die Couch und sahen dann zu Setsuna, der sofort das Wort ergriff: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass wieder jemand in die Shadow-Welt gezogen wurde, deshalb müssen sofort dorthin, um zu helfen!“ Bei seiner Rede war Setsuna bereits aufgesprungen und wollte schon zur Tür hechten, als Luca ihn beim vorbeirennen am Arm packte und festhielt: „Zieh die Bremse, Setsuna und sag uns erst einmal richtig, was hier abgeht.“ „Silva hat Recht. Du hast gesagt, dass jemand in die Shadow-Welt gelangt ist, allerdings hast du uns nicht gesagt, wer es ist oder woher du es weißt“, stellte sich Haruka auf die Seite von Luca, was den Kleinen etwas mürrisch dreinschauen ließ, doch dann beruhigte er sich wieder und begann zu erzählen: „Erinnert ihr euch an das Mädchen, welches Silva-senpai auf dem Inaba-Ausflug so angepflaumt hat?“ „Ja“, kam es von den Gekkoukan-Schülern, während Mirai mit einem trockenen „Nein“ antwortete, doch war dieser Kommentar eher Nebensache, denn Luca saß plötzlich kerzengerade in seinem Sessel: „Du meinst, dass Tanaka in der Shadow-Welt ist? Wie kommst du darauf?“ „Naja, sie war die letzten Tage nicht in der Schule und laut meinen Jahrgangskollegen hat sie seit der Rückkehr aus Inaba niemand mehr gesehen. Sie kann also nur da drüben sein!“, beharrte der Junge auf seiner Aussage, doch zuckte er zusammen, als Mirai ihm den Wind aus den Segeln nahm: „Also erst einmal muss eine Person, bloß weil sie vielleicht krank zu Hause ist, nicht sofort in diesem Alptraum gelandet sein. Zweitens: Selbst, wenn es Tanaka nach da drüben verschlagen hat, bringt es überhaupt nichts, Hals über Kopf da hinzurennen. Diese Welt ist gefährlich und wir müssen vorbereitet sein. Ich verstehe ja, dass du das aufregend findest und zeigen willst, was du kannst, aber wir müssen auf der Hut sein. Das ist kein Spiel, Setsuna.“   Der etwas schroffe Ton von Mirai ließ den Jungen mit einem leisen Quietschen zusammenzucken und hilfesuchend zu Haruka und Aiden schauen, von denen letzterer sich langsam erhob: „Fangt bitte nicht an zu streiten, okay? Setsuna, Mirai hat absolut Recht mit dem, was sie gesagt hat. Wir dürfen nicht leichtsinnig werden, wenn wir da rüber gehen. Die Shadows sind ernst zu nehmende Gefahren.“ Die Antwort ließ den Weißblauhaarigen den Kopf senken, doch horchte er auf, als sich der Anführer an seine silberhaarige Kollegin wandte: „Wir sollten Setsunas Vermutung allerdings nicht sofort ignorieren.“ „Habe ich auch nie gesagt, Aiden. Es ist allerdings besser, wenn wir uns mental vorbereiten und dann gehen, wenn wir auch was erreichen können. Morgen ist Donnerstag, richtig? An dem Tag hat keiner von euch irgendwelche Schulclubs, oder?“ Ein einstimmiges Kopfschütteln ging durch die Gruppe, weshalb Mirai zufrieden in die Hände klatschte und sich erhob: „Dann wäre das ja geklärt. Wir gehen morgen nach der Schule mal rüber und checken die Lage. Vielleicht hat Zen ja was gesehen.“ „Das wäre eine Idee und selbst wenn Tanaka-san nicht da ist, könnten wir die Chance nutzen, um Setsuna zu zeigen, wie man gegen Shadows kämpft“, schlug Miyuki vor und brachte Luca damit kurz zum Schmunzeln: „Das ist ja wie grinden in einem Videospiel.“ „Blöder Vergleich, Silva“, murrte Haruka und schloss die Augen halb, als Aiden sich einmischte: „So ganz falsch liegt Luca da nicht, Tenno. Je mehr Shadows wir besiegen, desto stärker werden wir und unsere Persona.“   „Also gehen wir morgen rüber und verdreschen ein paar dieser Shadows, richtig? Cool! Soll ich irgendwas besonderes mitbringen?“, erkundigte sich Setsuna und wieder erweckte er den Eindruck, als ob er sich der drohenden Gefahr dieses Ortes nicht wirklich bewusst war. Um auf die letzte Frage von Setsuna einzugehen schlug Mirai vor, dass er etwas mitbringen solle, mit dem er sich im Notfall würde verteidigen können. Natürlich warf der Junge sofort in den Raum, dass er doch eine Persona habe und mit dieser gegen die Shadows kämpfen könne. Wie sie es auch bei Haruka getan hatte, erklärte Mirai ihrem jüngsten Kollegen, dass der übermäßige Einsatz der Persona ihn sowohl körperlich als auch mental zermürben würde. Die Erklärung nahm er tatsächlich so hin und grinste dann breit, da er anscheinend genau die richtige Waffe hätte, um sich zu verteidigen. Da der Plan für den nächsten Tag beschlossen war, verabschiedeten sich die Wohnheimbewohner von Luca und Setsuna, wobei Aiden bemerkte, dass Luca sichtlich besorgt wirkte. Um die Mädchen nicht zu stressen, behielt er seine Gedanken für sich und nutzte den restlichen Abend, um sich in der Nachbarschaft noch einmal nach Kiara umzusehen, was allerdings ohne Erfolg blieb. Kapitel 52: LII – Ein Name zum Erinnern --------------------------------------- ~~~Donnerstag 23. Juni 2016~~~   Kurz nachdem es zum Ende des Schultages geläutet hatte, versammelte sich die Gruppe um Aiden auf dem Dach der Schule, um noch einmal den Plan durchzugehen. Wie Aiden es erklärte, war das Ziel des heutigen Tages lediglich eine kleine Observation des Gebiets, um Hinweise auf den Verbleib von Aiko zu finden. Ihr sofortiger Aufbruch war allerdings gecancelt worden, da Miyuki etwas für den Kunstclub zu erledigen hatte. Mit einer Person weniger zu gehen war allerdings viel zu riskant, weshalb sich die Gruppe darauf einigte, etwas später aufzubrechen, wenn sie wieder vollzählig waren. Miyuki entschuldigte sich mehrmals bei ihren Freunden, bevor sie sich zu ihrer Clubaktivität verzog. Die restlichen vier Schüler nahmen sich vor, noch ein paar letzte Vorbereitungen für den Abend zu treffen.   Den Weg zur Mall gingen sie noch zusammen, doch in dem Gebäude angekommen trennte sich das Quartett. Haruka und Setsuna besuchten einen Spielwarenladen, auch wenn die Brünette nicht so genau sagen konnte, was ihr kleiner Bekannter dort wollen könnte, was mit der Shadow-Welt zu tun hatte. Luca hingegen zog Aiden mit in das Lebensmittelgeschäft, in welchem er jobbte und packte ein paar Getränke und Süßigkeiten ein. Anfangs hielt Aiden seine Skepsis noch zurück, doch bei den ganzen Schokoriegeln, die Luca in seinen Einkaufskorb packte, gewann seine Neugier doch die Oberhand: „Verrätst du mir, was du mit dem ganzen Süßkram vorhast?“ „Was wohl? Essen natürlich“, lachte der Spanier und bekam einen regelrechten Lachanfall, als er das verdutzte Gesicht seines Freundes sah, weshalb er versuchte, sich unter Atemnot zu erklären: „Mir ist schon mehrfach aufgefallen, dass solche Lebensmittel sich in der Shadow-Welt positiv auf den Körper auswirken.“ „Inwiefern wirken sie sich positiv auf den Körper aus?“, wiederholte der Anführer und legte nachdenklich die Stirn in Falten, während er der Erklärung seines Kollegen lauschte: „Hast du nie bemerkt, dass ich drüben Alphard deutlich öfter einsetzen kann als Nobiro zum Beispiel Anser?“ Jetzt wo er es erwähnte, musste Aiden feststellen, dass Luca Recht hatte. Miyuki nutzte ihre Persona sehr oft, da sie in der Lage war, Heilzauber zu wirken, allerdings sah Aiden Luca seine Persona deutlich öfter einsetzen. Aber lag das wirklich nur an dem Essen? Immer noch leicht skeptisch betrachtete der Braunhaarige die Schokolade und die süßen Softdrinks, als der Spanier noch etwas hinzufügte: „Versteh mich nicht falsch, die Dinger wirken nicht einmal ansatzweise so stark wie das Zeug, welches wir in den Dungeons finden oder die Zauber, die du und Nobiro einsetzen, allerdings kann selbst eine kleine Stärkung den Ausschlag geben. Bei den Getränken kann ich Alphard deutlich öfter körperlich angreifen lassen, während ich durch die Schokolade mehr auf sein Eis setzen kann. Du glaubst mir nicht, oder?“   „Das ist es nicht… Warum hast du das denn nicht schon viel früher gesagt, wenn du es doch schon so lange weißt?“, erkundigte sich Aiden und las währenddessen die Inhaltsstoffe auf einem Schokoriegel durch, als Luca leicht verlegen auflachte: „Ich habe ehrlich gesagt gedacht, dass ich es mir einbilde, aber wenn ich nichts zu essen dabeihatte, war es echt schwer. Von daher decke ich mich mit genug Zeug für uns alle ein. Du weißt nicht zufällig, ob einer von uns irgendwelche Allergien hat?“ Auf die Frage sah Aiden nachdenklich an die Decke des Ladens, doch hatte er keine Ahnung, ob einer seiner Freunde irgendwelche Unverträglichkeiten hatte. Mit einem Schulterzucken tat er Luca’s Frage ab und sah wieder auf die Schokolade: „Wenn du wirklich recht hast und ich denke mal, dass du keinen Mist erzählst, dann frage ich mich dennoch, wieso sich Schokolade so auswirkt.“ „Naja, es heißt, dass Schokolade gut für die Seele ist. Soul Food, weißt du?“, grinste der Spanier und ging zur Kasse, wo er sich kurz mit dem Kassierer unterhielt und dann mit Aiden zusammen den Laden verließ. Auf dem Weg durch die Mall recherchierte Aiden mit seinem Handy und legte die Stirn in Falten: „Soul Food ist die traditionelle Küche der afroamerikanischen Bevölkerung und besteht oftmals aus sehr deftigen Speisen. Also an sich Essen, was einen glücklich macht. Wenn wir von der Prämisse ausgehen, dass die Persona ein Teil unseres eigenen Wesens, also unserer Seele ist, dann macht es Sinn, dass sie auf solche Lebensmittel reagiert.“ „Das ist echt faszinierend, findest du nicht? Ich hätte niemals erwartet, dass ich mir mal über solche Dinge Gedanken machen würde“, lachte Luca und zog sein Handy aus der Tasche, um die Uhrzeit zu checken: „Nobiro müsste gleich aus der Schule kommen und dann können wir los.“ „Erstmal müssen wir schauen, wo Tenno und Setsuna sind. Nicht, dass wir noch ohne die beiden loslaufen“, widersprach Aiden und sah sich in der Mall um, wobei er besonders nach Setsunas weißblauen Haaren Ausschau hielt.   Als er nichts entdecken konnte, beschlossen die beiden Jungs, dass sie draußen vor dem Gebäude warten würden, doch stießen sie genau dort auf ihre beiden gesuchten Freunden. Haruka saß auf einer Bank und betrachtete ihren kleinen Freund, der mit einem Jo-Jo herumhantierte und damit einige Tricks vollführte. Nachdem er das Spielzeug wieder in seine Hand gezogen hatte, stieß Luca einen anerkennenden Pfiff aus und knuffte Setsuna sanft gegen die Schulter: „Nicht schlecht, Kleiner. Du bist echt gut darin.“ „Hehe, danke, Senpai. Ich liebe Jo-Jos schon seit ich klein bin… Hör auf, so blöd zu grinsen, Silva-senpai!“, wollte der Junge eigentlich etwas aus seiner Kindheit erzählen, doch als er das Wort »Klein« gesagt hatte, war Luca in schallendes Gelächter ausgebrochen und schnappte nach Luft, während er mit der Hand auf Setsunas Größe anspielte. Haruka rieb sich die Schläfen und schüttelte fassungslos den Kopf, denn die Aktion ihres Klassenkameraden war in ihren Augen kindischer als alles, was Setsuna je getan hatte. Die Aktion wollte der Jüngere auch nicht auf sich sitzen lassen und versuchte, dem Älteren auf den Fuß zu treten, während die sich immer noch den Bauch halten musste. Aiden selbst schüttelte nur kurz den Kopf und ließ sich neben Haruka auf der Bank nieder, woraufhin die Brünette ihm den Kopf zuwandte: „Was habt ihr beiden in der Zeit gemacht?“ „Hm? Oh, Luca wollte ein paar Snacks und was zu trinken kaufen, was wir mitnehmen können. Er hat da was Interessantes angesprochen, was ich nachher gerne selbst einmal ausprobieren möchte. Und ihr beide?“, erkundigte sich der Junge und sah neugierig auf seine Mitbewohnerin, welche sich kurz ein paar Haarsträhnen hinter ihr Ohr strich: „Setsuna wollte sich ein Jo-Jo aus Metall kaufen, da er sich damit gegen die Shadows verteidigen will. Ich bin mir nicht wirklich sicher, ob das so eine gute Idee ist.“ Auf die Erklärung hob Aiden eine Augenbraue und sah dabei zu Setsuna, der mittlerweile von Luca mit einem Schokoriegel bestochen und beruhigt worden war: „Er… will sich mit einem Jo-Jo gegen die Shadows verteidigen? Ist das sein Ernst?“ Er konnte Harukas Skepsis absolut nachvollziehen, doch wollte er erst einmal abwarten, was Setsuna genau vorhatte, bevor er die Idee endgültig abschob. Kurz darauf kam Miyuki angelaufen und entschuldigte sich noch einmal dafür, dass sie alle wegen ihr warten mussten. Die Entschuldigung wurde schnell angenommen, denn die Gruppe war nun vollzählig und hatte ein Ziel: Den Naganaki Schrein.“   Auf dem Spielplatz, welcher sich auf dem Schreingelände befand, stieß die Gruppe auf Mirai, welche auf dem Klettergerüst saß und nachdenklich in den Himmel schaute. „Hey, Mirai, wartest du schon lange auf uns?“, begrüßte Haruka die Silberhaarige, welche den Kopf senkte und ihre Freunde einen Moment ansah, bevor sie von dem Gerüst kletterte: „Ein bisschen. Hat Luca mal wieder zu viel mit den Mädchen geflirtet?“ „Hey, dieses Mal bin ich völlig unschuldig! Aber ich will jetzt auch niemandem den schwarzen Peter zuschieben. Wir sind vollzählig und können los. Chef, wie ist der Plan?“, wechselte Luca das Thema und sah seinen besten Freund an, der sich einen Moment streckte und dann in die Runde sah: „Wir gehen nur kurz rüber und sehen nach dem rechten. Unser Hauptziel wird es sein, Hinweise über Tanaka zu finden, sofern sie denn wirklich da drüben ist, dafür suchen wir am besten nach Zen. Mirai, irgendwelche Ideen, wo er sein könnte?“ „Nicht wirklich, aber der Typ kommt und geht sowieso, wie er will. Würde mich nicht wundern, wenn er sofort auftaucht, wenn wir drüben sind“, murrte die Silberhaarige und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das würde uns eigentlich in die Karten spielen, aber wir nehmen es, wie es kommt. Bleibt zusammen, wenn wir drüben sind und wenn ihr Kettenrasseln hört, dann gebt sofort Bescheid und lauft. Seid ihr soweit? Dann los“, stimmte Aiden sein Team ein und ging mit ihnen zu dem alten Baum, durch welchen er als erstes stieg, um die andere Welt zu betreten.   ~~~Shadow-Welt~~~   Langsam bekam Aiden den Bogen raus, um nach dem Eintritt in diese Welt nicht sofort mit der Nase im Dreck zu landen und sah sich aufmerksam um. Hinter ihm tauchten erst Miyuki, dann Luca und Setsuna und zum Schluss Mirai und Haruka auf, welche alle erst einmal den Kopf in alle Richtungen drehten. Da die Luft rein war, trat die Gruppe auf den großen Vorplatz des Schreins und nahmen sich als erstes ihre Ausrüstung aus dem Gebäude. Mit großen Augen bestaunte Setsuna die verschiedenen Waffen, welche seine Freunde hatten und sah dann auf das Jo-Jo, welches er sich an den Gürtel gehängt hatte. Ein wenig albern kam er sich jetzt schon vor, doch würde er schon zeigen, wozu er in der Lage war. Aiden half Luca noch schnell, die Getränke und die Snacks in einen Rucksack zu packen, bevor er an die Treppe trat: „Na dann, gehen wir es an, Leute!“ „Hai!“, rief der Rest des Teams uns und folgte ihrem Teamführer die Stufen nach unten, um die Suche zu beginnen.   Setsuna ließ während der Suche den Blick schweifen und wusste nicht, ob er beeindruckt oder verängstigt sein sollte. Das schwummrige rot und grün, in dem alles leuchtete und die roten Pfützen am Boden bereiteten ihm Unbehagen, doch versuchte er, sich stark zu geben. Unbewusst griff er nach Harukas Hand, welche diesen Griff erwiderte und ihm beruhigend die Hand drückte: „Ist alles okay, Setsuna?“ „J-ja, es geht schon“, murmelte er leise und versuchte, die restlichen Persona-User nichts mitkriegen zu lassen, denn er wollte niemanden zur Last fallen. Miyuki spannte ein paar Mal ihren Bogen und sah sich aufmerksam um: „Keine Spur von Zen-kun. Wo könnte er sein?“ „Sollen wir einfach mal versuchen, ihn zu rufen?“, schlug Luca vor und legte sich seine Hellebarde über die Schultern, um seine Arme etwas zu entlasten. „Wie stellst du dir das vor, Luca? Soll ich einfach mal »Hey Zen, wo steckst du?« in die Pampa rufen?“, kommentierte Mirai sarkastisch und warf dem Braunhaarigen einen bösen Blick zu, als hinter ihr eine männliche Stimme erklang: „Rufen ist nicht notwendig. Ich hör euch auch, wenn ihr normal redet.“ Mit einem erschrockenen Quietschen wich Mirai in Richtung Luca zurück und fuhr herum, wo sie den jungen Mann mit braunen Haaren und dem Stachelhalsband entdeckte.   Neugierig sah Setsuna auf den jungen Mann vor ihnen, der mit recht neugieriger Miene auf sie zukam und direkt vor Aiden stehen blieb: „Ich nehme an, dass ihr nach mir gesucht habt, um mich nach etwaigen Vorkommnissen in der Nähe zu fragen, habe ich recht?“ „Das trifft es recht gut, Zen. Da du unsere Frage ja bereits kennst, hast du auch eine Antwort für uns?“, erkundigte sich Aiden bei seinem Bekannten, der die Arme vor der Brust verschränkte und sich umsah: „Die Shadows sind wieder sehr unruhig, aber das sind sie immer, wenn der Vollmond kommt und geht.“ „Werden Shadows durch den Mond beeinflusst? Was sind diese Dinger, das Meer und die Gezeiten?“, murrte Luca verwirrt und schüttelte den Kopf, als Zen erklärte, dass dieser Vergleich gar nicht mal so weit hergeholt war. Wie er weiterhin erläuterte, wurden die Shadows durch die Mondphasen beeinflusst und waren bei Vollmond am mächtigsten. Diese Erkenntnis war zwar interessant, brachte die Gruppe aber im Moment absolut nicht weiter. Um wieder zum eigentlichen Thema zu kommen, erkundigte sich Aiden nach Aiko, doch konnte Zen nicht bestätigen, dass er eine andere Person in dieser Welt gesehen hatte. Was die Gruppe aber mehr Interessierte war, als Zen anmerkte, dass die Shadows sich auch beim Aufenthalt von Haruka und Setsuna in der Shadow-Welt sehr seltsam verhalten hatten. „Wenn das, was Zen uns hier erzählt stimmt, dann könnte Tanaka wirklich hier sein oder jemand anderes“, sprach Luca seine Gedanken laut aus und erntete leisen Zuspruch seines Teams, als Miyuki leider das hinzufügte, was allen auf der Zunge lag: „Aber wie sollen wir sie finden? Wir wissen so gut wie nichts über Tanaka-san, also auch nicht, wo sie sich für gewöhnlich herumtreibt.“ „Ganz spontan hätte ich ja gesagt, dass wir die gleiche Methode wie bei Setsuna verwenden“, schlug Haruka vor, doch bremste sie sich im nächsten Moment selbst aus: „Allerdings haben wir nichts, was nach ihr riecht.“   „Nach ihr riecht? Wie darf ich das verstehen?“, wunderte sich der Jüngste im Team und bekam im Schnelldurchgang erzählt, dass sie in seinem Fall die Hilfe von Kako in Anspruch genommen hatten, welche ihn durch seinen Schlafanzug gefunden hatte. „Ich verstehe, aber wir werden wohl kaum an den Schlafanzug von Tanaka herankommen. Vielleicht können wir mal zu ihr nach Hause gehen, da werden wir doch bestimmt was finden“, schlug Setsuna am Ende vor und bekam ein einstimmiges Nicken, wobei Haruka noch anmerkte, dass er dabei auch wirklich überprüfen könnte, ob Aiko verschwunden war oder nicht. Zen beobachtete den Kriegsrat der Gruppe stumm, bis Miyuki sich gegen eine Wand lehnte und in die Runde schaute: „Und was machen wir jetzt? Wir haben keinen Anhaltspunkt, an dem wir unsere Suche starten könnten, also können wir es für heute auch gut sein lassen, oder?“ Haruka und Luca nickten zustimmend, denn ohne Hinweis würde eine Suche mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben. Setsuna war sichtlich enttäuscht darüber, nicht gegen einen Shadow kämpfen zu können, doch Aiden bemerkte, wie Mirai bei dem Kommentar von Miyuki kurz das Gesicht verzogen hatte und er wusste auch sofort woran das lag. Sofort ging er im Kopf durch, was er tun könnte, um etwas über Mirai in Erfahrung zu bringen, allerdings fehlten auch hier zu viele Teile in dem Puzzle. Das Einzige, was er in dieser Welt mit der Silberhaarigen in Verbindung bringen konnte war Zen. Einen Moment sahen die beiden Jungs sich an, denn Zen hatte den Blick auf sich schnell bemerkt, bevor Aiden das Wort ergriff: „Sag mal, Zen, du hast doch damals Mirai hier gefunden, oder?“ Sofort gingen alle Blicke zu dem Braunhaarigen, der abwartend auf den Jungen mit dem Halsband schaute, welcher nur kurz nickte: „Ja, ich habe sie bewusstlos auf dem Boden gefunden und dann in dieses Wohnheim gebracht, damit sie sich erholen kann. Nachdem sie wieder aufgewacht war, ist sie einfach nur durch die Gegend gestreift. Kurz darauf seid aber auch schon ihr drei aufgetaucht.“   Die Gruppe tauschten einen kurzen Blick, bevor Aiden sich an Mirai wandte: „Mirai, hast du eigentlich jemals den Punkt untersucht, an dem Zen dich gefunden hat?“ „Nein, denn ich weiß gar nicht, wo dieser Punkt ist“, erwiderte die junge Frau und strich sich mit der Hand durch ihren Pony, bevor sie bei den skeptischen Blicken ihrer Freunde, welche auf ihr lagen, etwas pissig wurde: „Was? Der Kerl war immer schneller weg als ich ihn hätte fragen können.“ „Okay, wenn er dann jetzt hier ist und mit uns redet, könnte Zen uns doch zeigen, wo er Mirai gefunden hat“, schlug Luca vor und sah den Braunhaarigen erwartungsvoll an, als dieser nickte und sich in Bewegung setzte: „Das ist kein Problem. Der Punkt ist allerdings ein Stück von hier entfernt.“ „Das stört uns nicht“, beschloss Mirai für die Gruppe, welche sofort hinter Zen herlief, welcher sie quer durch die Stadt führte. Der Punkt, welchen sie ansteuerten, befand sie außerhalb der Stadt in der Nähe eines Bahnhofs, auch wenn von diesem so gut wie nichts mehr übriggeblieben war. „Scheiße, hat hier eine Bombe eingeschlagen?“, entwich es Luca, als er den kleinen Krater vor ihnen entdeckte, von welchem aus sich eine Welle der Verwüstung in der Umgebung ausbreitete. Mit großen Augen sah sich die Gruppe um und suchte nach Hinweisen, als Zen auf das Zentrum des kleinen Kraters deutete: „Ich habe Mirai dort liegend gefunden. Bevor du fragst: Nein, ich habe mich hier nicht umgesehen, von daher kann ich dir nicht sagen, ob hier etwas von ihr liegt.“ „Dann werden wir das jetzt machen. Kannst du vielleicht so freundlich sein und die Augen und Ohren offenhalten, falls sich etwaige Feinde nähern?“, bat Aiden den Jungen mit dem Cape, welcher mit vor der Brust verschränkten Armen am Rand stehen blieb und ein stummes Nicken zur Bestätigung gab, während er sich eine seiner Armbrüste gegen die Schulter lehnte.   Die Gruppe unterdessen stieg in den kleinen Krater, welcher an der tiefsten Stelle kaum mehr als einen halben Meter tief war. Überall lagen Trümmer und Steine herum, manche noch ganz, andere porös und verrußt, als hätten sie im Feuer gelegen. „Okay, teilt euch auf und seht, ob ihr was finden könnt. Alles könnte ein Hinweis sein, deshalb dreht jeden Stein um. Wortwörtlich, wenn ich mir dieses Trümmerfeld so ansehe“, befahl Aiden seinem Team, bevor er selbst in eine Richtung ging und anfing, einige der Steine beiseite zu räumen und darunter nachzusehen. Das gesamte Team tat es ihm gleich und kurz darauf wühlten sich die sechs Teenager durch den Dreck, wobei Mirai anmerkte, dass Kako hier eine enorme Hilfe sein könnte. Doch auch, wenn sie ihren Hund nicht dabeihatte, wollte sie diese Chance nutzen, um etwas über sich selbst in Erfahrung zu bringen. Immer wieder durchbrach das leise Stöhnen eines der Teenager die Stille, wenn ein größerer Stein bewegt werden musste, doch ansonsten blieb es eher still in der Gruppe. Unter großer Anstrengung stemmte Aiden einen Stein zur Seite, als im Licht der untergehenden Sonne etwas im Dreck vor ihm aufblitzte. Vorsichtig wischte er noch etwas Erde weg, wodurch ein alter Musikspieler zum Vorschein kam, der allerdings durch die Einwirkungen von außen irreparabel beschädigt worden war. „Wäre auch zu schön gewesen“, murmelte der Braunhaarige und sah auf das Objekt in seiner Hand, als Mirai neben ihn trat und auf seine Handfläche schaute: „Hast du etwas gefunden?“ „Einen alten, tragbaren Musikspieler, aber er ist komplett kaputt“, zeigte Aiden seinen Fund, welcher ihm von der Silberhaarigen aus der Hand genommen wurde: „Ob der mir gehört hat?“ „Er taugt zwar nichts mehr, aber du kannst ihn ja erstmal behalten. Wer weiß, vielleicht stellt sich ja wirklich heraus, dass es deiner war. Schade, dass es nicht mehr ist“, entgegnete der Anführer und sah auf das kleine Stück Schrott, doch drückte sich Mirai im nächsten Moment an ihn und flüsterte leise: „Es ist mehr, als ich in den letzten zwei Monaten überhaupt gefunden habe.“   Vorsichtig klopfte Aiden Mirai auf die Schulter, wobei er den Blick über seine Freunde schweifen ließ, von denen Miyuki gerade auf einem Stein verschnaufte, Haruka in einem Metallrohr nachsah und Luca und Setsuna weiterhin Steine wegschoben. Mit ein paar aufmunternden Worten lief Aiden zu Luca, um diesem bei einem besonders großen Stein zu helfen, während Mirai zu Haruka ging und sie kurz beobachtete. „Hast du was gefunden, Haruka?“, erkundigte sich die Silberhaarige, auch wenn sie innerlich die Antwort bereits wusste, doch ging sie sofort in die Hocke, als Harukas Stimme aus dem Rohr schallte: „Ja, hier liegt was. Sieht aus wie ein Geldbeutel.“ „Ein Geldbeutel?“, fragte die Silberhaarige etwas lauter als notwendig, allerdings bekamen es dadurch die anderen ebenfalls mit und versammelten sich um die Brünette, die ihren Oberkörper wieder aus dem Rohr zog: „Ich komm nicht dran, meine Arme sind zu kurz.“ „Vielleicht können Nii-san oder Silva-senpai es rausholen, die haben längere Arme“, schlug Setsuna vor, als Luca Haruka sanft beiseiteschob: „Ich habe eine bessere Idee, schließlich habe ich ne Verlängerung.“ Mit einem breiten Grinsen nahm er seine Hellebarde und schob sie in das Rohr, um nach dem Geldbeutel zu angeln. Ein paar Mal versuchte er, um das Objekt zu erhaschen, bis Aiden ihm zur Hand ging und zu zweit bekamen sie mit der Klinge der Hellebarde das Objekt zu fassen, wodurch sie es aus dem Rohr ziehen konnten.   Neugierig starrte die Gruppe auf den Fund, bei dem es sich tatsächlich um einen schwarzen, ledernen Geldbeutel handelte, welcher allerdings an mehreren Stellen verbrannt und beschädigt war. „Der hat auch schon bessere Tage gesehen“, brummte der Spanier und hob das Portmonee hoch, um es in der Hand zu drehen, bevor er es öffnete und den Inhalt studierte. „Und? Ist etwas nützliches drin?“, konnte Mirai ihre Neugier nicht zügeln und rückte dem Spanier auf die Pelle, welcher nach und nach den Inhalt zum Vorschein brachte. Neben einigen verbrannten Geldscheinen und einem Klumpen aus angeschmolzenen Münzen befanden sich ein paar Plastikkarten in dem Geldbeutel. Das erste war offensichtlich eine Bankkarte, allerdings war diese so stark beschädigt, dass man weder den Kontoinhaber noch die Kontonummer erkennen konnte. Die nächsten Dinge waren wohl Mitgliedskarten für etwaige Clubs, allerdings waren auch diese oberflächlich völlig durch Hitzeeinwirkung beschädigt. „Ernsthaft, das ist doch zum Verzweifeln. So, wie die Karten aussehen, müsste der Beutel komplett hinüber sein, aber so wie das aussieht, will uns jemand absichtlich Infos streitig machen!“, fluchte Luca und warf vor Frust das Objekt in den Dreck, doch entschuldigte er sich im nächsten Moment als er sah, wie Mirai sich hinhockte, den Geldbeutel an sich nahm und an ihre Brust drückte. „Tut mir leid, Mirai-chan, das hätte ich nicht tun sollen“, entschuldigte sich Luca noch einmal, als Aiden eine weitere Karte bemerkte, die Luca in den Dreck geworfen hatte. Bereits beim Aufheben erkannte er, um was es sich handelte: Einen Schülerausweis. Vorsichtig blies er Schmutz und Staub weg, wodurch er auf dem Ausweis das Bild einer jungen Frau mit silbernen Haaren und roten Augen erkennen konnte. Wie auch bei den anderen Objekten war der Großteil beschädigt, allerdings konnte man durch das Emblem eindeutig erkennen, dass der Ausweis zur Gekkoukan High School gehörte. Doch war das nicht alles, denn es gab noch etwas, was Aiden auf dem Ausweis erkennen konnte: „Tokiwa Mirai, geboren am dritten Dezember 1999.“ „Was?“, kam es verwirrt von der Silberhaarigen, als Aiden ihr die Überreste des Ausweises vor hinhielt: „Das Bild ist eindeutig. Das bist du: Tokiwa Mirai.“ „Das steht tatsächlich Mirais Name drauf!“, rief Haruka freudig aus, als Mirai sich die Hand vor den Mund presste und nicht mehr verhindern konnte, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen. Sie versuchte zwar, die Schluchzer zu ersticken, doch übermannte sie einfach die Freude, wenigstens etwas aus ihrer Vergangenheit erfahren zu haben, als Miyuki und Haruka sie beiden Seiten umarmten und fest an sich drückten.   Um Mirai etwas Freiraum zu lassen, ließen Aiden, Luca und Setsuna sie bei den beiden Mädchen des Teams, während sie sich an den Rand des kleinen Kraters zurückzogen und sich beratschlagten. „Wir haben zwar nichts von Tanaka erfahren, aber Mirais Name ist nicht weniger wertvoll. Sie tut immer so tough, aber ihre Reaktion zeigt ganz klar, wie viel ihr das hier bedeutet“, tat Aiden seine Gedanken kund, welche Luca genauso sah: „Mit dem Namen können wir draußen immerhin mal nach ihr suchen oder nach ihren Verwandten.“ „Sie hat geweint vor Freude. Ich mag mir gar nicht vorstellen wie es ist, wenn man absolut nichts über sich selbst weiß… Hat noch einer von euch was gefunden? Meine Suche war erfolglos“, griff Setsuna das Gespräch auf und sah seine beiden Senpai erwartungsvoll an, doch hatte auch Luca nicht wirklich etwas gefunden. Der kaputte Musikspieler, den Aiden gefunden hatte, gehörte eventuell auch Mirai, aber eine wirkliche Spur war es nicht. Während ihres Gedankenaustauschs wanderte Aidens Blick zu Zen, als ihm etwas interessantes auffiel: „Er verheimlicht was.“ „Wie kommst du darauf, Nii-san?“, wunderte sich Setsuna und sah zu dem Capeträger, der die Arme unverändert vor der Brust verschränkt und die Augen geschlossen hatte. „Ganz einfach: Er hat gesagt, dass er Mirai lediglich hier gefunden und sich nicht weiter umgesehen hat. Mirai hat uns erzählt, dass sie ihren Namen von Zen bekommen hat, aber wie sich jetzt zeigt, ist Mirai auch ihr richtiger Name. Woher wusste Zen das, wenn er sich hier doch nicht umgesehen und damit auch ihren Ausweis nicht gefunden hat?“   Skeptisch wanderten die Blicke von Luca und Setsuna zu Zen, der nun bemerkte, dass er angestarrt wurde und ihren Blick fragend erwiderte. „Also entweder kann er verdammt gut raten oder er hat uns angelogen“, murmelte der Jüngste im Team und ließ zur Beruhigung sein Jo-Jo ein paar Mal nach unten fallen und wieder hochsausen. Luca hingegen schien der Sache auf den Grund gehen zu wollen, denn er winkte der Jungen mit dem Halsband zu ihnen, welcher der Geste auch nachkam: „Habt Ihr weitere Fragen oder habt Ihr etwas gefunden?“ „Ja, nämlich Mirais Ausweis, auf dem ihr echter Name steht. Schluss mit dem Versteckspiel: Wenn du ihren Ausweis nicht gefunden hast, woher wusstest du, dass sie Mirai heißt?“, ging der Spanier direkt auf Kollisionskurs, was sein gegenüber in keiner Weise einschüchterte: „Ich wusste es einfach. Reicht dir das?“ „Nein, tut es nicht!“, rief der Spanier etwas lauter als gewollt, als Aiden ihm zur Seite trat: „Wer oder was bist du, Zen?“ Auf die Frage schien der Junge tatsächlich etwas nachzudenken, doch im nächsten Moment änderte sich sein Gesichtsausdruck von nachdenklich zu ernst: „Der Tod kommt näher, Ihr solltet gehen.“ „Alter, weich jetzt nicht aus!“, fluchte Luca und stampfte einmal mit dem Fuß auf, doch reagierte sein Gegenüber nicht darauf. Aiden hingegen hatte etwas anderes, was seine Aufmerksamkeit erregte, denn sofort nach Zens Aussage, erklang in der Ferne das leise Rasseln von Ketten: „Scheiße, der Reaper! Miyuki, Mirai, Tenno! Wir müssen weg!“ Er hatte sich noch nicht einmal umgedreht, da kamen auch schon die drei Mädchen aus dem Krater gehechtet und liefen an den Jungs vorbei, wobei Mirai bei ihnen stehen blieb: „Wir haben es auch gehört. Weg hier!“   So schnell sie konnten, rannten die Teenager durch die Stadt und ignorierten die kleinen Shadows, die sich in ihrem Weg befanden, da diese sie entweder nicht wahrnahmen oder selbst panisch vor etwas zu fliehen schienen. Je näher sie dem Schrein kamen, desto leiser wurde das Kettengeräusch hinter ihnen, was wohl darauf schließen ließ, dass der Reaper die Verfolgung aufgegeben hatte. Auch wenn die Gefahr fürs erste vorbei war, war für die Gruppe klar, dass sie es für heute würden gut sein lassen. Während sie ihre Gegenstände in ihrem üblichen Versteck bunkerten, bemerkte Aiden, wie hoch die Stimmung der Gruppe war, trotz dem kurzen Schockmoment. Mirai wischte sich immer wieder über die Augen und wollte ihre Freudentränen verbergen, doch spielten ihre Emotionen da einfach nicht mit. Die anderen Mädchen und Luca freuten sich über das, was sie über Mirai erfahren hatten, während Setsuna leise darüber jammerte, dass er sich heute nicht hatte beweisen dürfen. Mit einem leichten Schulterklopfer munterte Luca den Kleinen auf und schob ihn sanft durch den Baum, bevor er mit den Mädchen selbst hindurchstieg. Aiden war der Letzte, doch als er durch den Baum steigen wollte, spürte er einen Blick in seinem Rücken, welcher sich beim Umdrehen als der von Zen herausstellte. „Willst du was sagen?“, erkundigte sich der Persona-User und neigte den Kopf, als Zen sich direkt vor ihn stellte: „Deine Frage von eben. Ich bin etwas, was ihr Menschen nicht begreifen könnt. Mehr kann ich dir im Moment nicht sagen außer, dass ich nicht euer Feind bin.“ Für einen Moment verzog Aiden das Gesicht, bevor er leise seufzte und mit den Achseln zuckte: „Mehr, als das im Moment so hinzunehmen kann ich eh nicht, oder? Auf jeden Fall danke für deine Hilfe, heute.“ „Keine Ursache und passt auf euch auf“, verabschiedete sich der Capeträger und schritt von dannen, während Aiden durch das Portal schritt, um zu seinen Freunden zu gehen.   Kapitel 53: LIII – Schmerzhafter Verlust ---------------------------------------- ~~~Freitag 24. Juni 2016~~~   Die Schulglocke, welche den Schultag beendete, kam für Aiden mehr als gerufen. Heute war irgendwie nicht sein Tag gewesen, weshalb er nicht wirklich mit dem Kopf bei der Sache gewesen war und mehrere Male den Faden im Unterricht verloren hatte. Miyuki neben ihm schulterte ihre Tasche und streckte sich ausgiebig, während sie einen langen Gähner ausstieß: „Endlich ist der Tag vorbei.“ „Hast du nicht Kyudo?“, fragte Aiden mit einem frechen Grinsen nach, was ihm einen bösen Blick seiner Mitbewohnerin einbrachte: „Man, du kannst einem aber auch alles kaputt machen.“ „Sorry, aber sag mal, gehst du nicht gern in den Club?“, erkundigte sich der Braunhaarige und schulterte seine Schultasche, woraufhin Miyuki ihm erklärte, dass im Moment im Club irgendwie schlechte Stimmung herrschen würde. Was sie genau damit meinte, wusste er nicht, allerdings hatte er so eine Ahnung, dass es mit dem zu tun hatte, was er am Mittwoch bezüglich Yui gehört hatte.   Zusammen verließen die beiden das Klassenzimmer, wo sie auf Katzumi stießen, der Miyuki zu sich winkte: „Ich habe noch einige Sachen zu erledigen und du müsstest mir zur Hand gehen. Passt das oder musst du in den Kyudo-Club? „Nein, alles gut. Ich bin dann gleich da“, stimmte die Grünhaarige zu und sah ihrem Freund nach, der sich ins Zimmer der Schülervertretung zurückzog. Noch bevor einer der beiden was sagen konnte, tauchten Luca, Haruka und Sakura neben ihnen auf, wobei die Rosahaarige alles andere als glücklich wirkte. „Hey, Leute, was liegt an?“, grüßte Luca in die Runde, woraufhin Miyuki ihm antwortete, dass sie losmüsse und sich dann ebenfalls in den Raum der Schülervertretung begab. Aiden hingegen erwiderte auf die Frage, dass er eigentlich nichts vorhabe, wobei er schon kommen sah, was Luca ihn jetzt fragen würde. Vermutlich wäre von dem Spanier die Frage gekommen, ob er wieder mit zum Fußball wolle, doch kam ihm Masao zuvor, der sich zu der Gruppe gesellte: „Entschuldigt bitte, falls ich störe. Nozaki, Kurosaki, habt ihr beiden mal kurz einen Moment?“ Die beiden Schüler sahen sich etwas besorgt an, doch dann nickten sie synchron, was Masao fröhlich stimmte: „Ich werde euch beiden nicht den Kopf abreißen, versprochen. Amada war eben bei mir und hat mir mitgeteilt, dass die Regeländerung, die du wohl erwirkt hast, jetzt in Kraft tritt. Das bedeutet, dass ihr beiden nicht länger vom Kendo suspendiert seid.“   Aiden und Haruka trauten ihren Ohren nicht, während Sakura laut auf quietschte und ihrem Senpai fast um den Hals fiel: „Heißt das, dass ich wieder zum Kendo kommen darf?“ „Ja, das soll es heißen, Nozaki. Sofern ihr beiden wieder zurück in den Club wollt, würde ich mich freuen, euch wieder beim Training begrüßen zu dürfen“, fuhr der Lilahaarige fort, was die Rosahaarige in lauten Jubel ausbrechen ließ: „Und wie ich zurück in den Club will! Mein Gi ist noch in der Halle, ja? Kurosaki, komm mit! Ich will trainieren!“ Bevor noch ein weiteres Wort fallen konnte, war die Schülerin die Trappe nach unten geflitzt, wobei sie von einem Lehrer lautstark ermahnt wurde, dass Rennen im Gang nicht gestattet war. Während Masao nur belustigt mit dem Kopf schüttelte, wandte sich Aiden an Luca und Haruka: „Kann mir einer von euch beiden einen Gefallen tun und mir aus der Apotheke Verbandszeug, Salbe gegen Prellungen und Schmerzmittel besorgen?“ „Was glaubst du eigentlich, was Nozaki mit dir machen wird?“, wunderte sich der Spanier und sah seinen besten Freund skeptisch an, der allerdings nur murrend die Hände in seinen Hosentaschen vergrub: „Es geht nicht darum was ich glaube, sondern um das, was ich mit Sicherheit weiß…“ „Keine Sorge, Kurosaki. Du trainierst heute mit mir und dann wirst du nicht so schlimm zugerichtet. Das dürfen sich die abholen, die schlecht hinter eurem Rücken geredet haben“, erklärte der Teamkapitän, was Haruka etwas besorgt dreinschauen ließ: „Ist das nicht gegen die Regeln, Munemasa-senpai?“ „Was ich nicht sehe ist nicht passiert, Tenno. Kommst du, Kurosaki?“, säuselte der Lilahaarige und marschierte in Richtung Treppe, wo Aiden ihm nach einer kurzen Verabschiedung seiner Freunde folgte.   Kurz darauf, in der Umkleide, waren Aiden und Sakura alleine, wobei sich die Rosahaarige zum Kleiderwechsel in die Dusche zurückzog. Irgendwie fühlte es sich für ihn komisch an, wieder diesen Gi zu tragen, doch Sakura schien sich regelrecht danach gesehnt zu haben, denn sie kam freudestrahlend aus der Dusche und drehte sich einmal: „Oh man, wie habe ich dieses Ding vermisst!“ „Freut mich, dass du es wieder tragen darfst. Na, dann wollen wir mal sehen, was sich in unserer Abwesenheit so getan hat“, lachte der Braunhaarige und betrat mit seiner Kollegin die Halle, in der der Rest des Teams bereits in einer Reihe stand und auf die Ansprache ihres Kapitäns warteten. Schweigend stellten sich die beiden Teenager dazu, als auch schon Masao aus dem Büro des Lehrers kam und sich vor seine Truppe stellte: „Verneigt euch.“ Zeitgleich verneigte sich das Team vor Masao, welcher die Geste erwiderte und dann die Hände an die Hüften stemmte: „So, als erstes ist es mir eine Freude, Kurosaki und Nozaki wieder in unserem Team willkommen zu heißen. Schön, euch beide wieder hier zu haben.“ „Danke, Senpai“, erwiderten die beiden Genannten synchron und verneigten sich erneut und wurden dann von ihren Teammitgliedern mit Klatschen und Pfiffen willkommen geheißen. Besonders Sakura freute sich darüber, von ihren Kollegen so offen aufgenommen zu werden und sich vor allem mal nicht vor ihnen verstecken zu müssen. Gerade wollte Masao mit seiner Rede fortfahren, als die Tür zur Halle aufging und eine Gruppe von fünf Schülerinnen die Halle betrat. „Weiß einer, wer die sind?“, murmelte einer der Kendoka und sah zu den Mädchen, die unsicher am Rand der Trainingsmatten stehen blieben und sich umsahen.   Mit einem neugierigen Brummen trat Masao an die Besucher heran und runzelte die Stirn: „Kann ich euch helfen?“ „Ähm.. ja“, murmelte eines der Mädchen, welche von einer zweiten abgelöst wurde: „Wir wollten eventuell dem Kendoclub beitreten.“ „Ja, draußen am Schwarzen Brett stand, dass jeder Schüler jede Sportart praktizieren darf“, fügte die dritte Schülerin hinzu, was den Lilahaarigen sich leicht am Kinn kratzen ließ: „Nun, mir soll es recht sein, allerdings solltet ihr erst einmal zuschauen, ob das wirklich der Sport ist, den ihr ausüben wollt. Okay, alle hergehört: Geht zu zweit zusammen und macht eure Übungen. Kurosaki, du kommst bitte zu mir und hilfst mir hier mit den potenziellen Neuzugängen.“ „Aber ich wollte mit Kurosaki trainieren!“, warf Sakura ein und schmollte leicht, doch ließ sich ihr Kapitän nicht erweichen und winkte mit der Hand ab: „Du hast genug andere Partner, Nozaki. Kurosaki, komm bitte her.“ Während die einzelnen Mitglieder des Clubs sich zu Zweiergruppen zusammenfanden, ging Aiden zu seinem Senpai und grüßte die Mädchen, die sich alle damals in seine Petition eingetragen hatten.   Masao begann kurz darauf damit, den Mädchen zu erklären, wie die Schutzausrüstung aussah und wie die einzelnen Teile angelegt wurden. Es war offensichtlich, dass Masao den Schutz einer Person an erste Stelle setzte, denn er befasste sich mehr als ausgiebig mit dem Gi und allen Schutzausrüstungen, bevor er Aiden ein Übungsschwert reichte und ihn die Grundstellung, sowie einige Angriffe vorführen ließ. Die Anwärter schrieben fleißig mit, als sich ein Mädchen mit Brille zu Wort meldete: „Munemasa-senpai, die Ausrüstung muss ja regelmäßig gepflegt werden, richtig? Woher weiß ich denn zu Hause, dass ich es richtig mache?“ „Ja, ich will mein Gi schließlich nicht kaputt machen, weil ich es nicht richtig pflege“, stimmten die anderen Mädchen mit ein, was den Lilahaarigen anscheinend äußerst zufrieden stimmte: „Das ist überhaupt kein Problem. Wir haben alle zwei Wochen einen Tag, bei dem wir unser ganzes Training für die Pflege der Ausrüstung nutzen. Wenn ihr also Hilfe braucht, dann werdet ihr sie hier bekommen. Wenn ich nicht selbst Zeit für euch habe, gibt es genug Leute, die euch helfen können. Entschuldigt, falls das jetzt etwas sehr viel Theorie war, aber der Schutz meiner Leute ist mir wichtig.“ Zwei der Mädchen schienen es sich durch die vielen Vorsichtsmaßnahmen doch anders überlegt zu haben und verließen mit einer Entschuldigung die Halle, allerdings galt Masaos Aufmerksamkeit eher den drei, die noch da waren: „Freut mich, dass ihr versteht, wie wichtig Sicherheit ist. Nun, dann wollen wir euch noch einmal zeigen, wie ein Schlagabtausch aussieht. Oh… wenn ihr mal da rüber schaut, dann seht ihr, wie gut auch ein Mädchen in Kendo sein kann. Wenn ihr euch anstrengt, könnt ihr auch so gut werden.“ Aiden sah mit den drei Mädchen zur Seite und konnte sich das Lachen nicht verkneifen als er sah, wie Sakura anscheinend den vierten Gegner ohne einen Gegentreffer abfertigte.   Die drei Besucherinnen entschieden sich am Ende des Trainings dazu, sich in den Club einzutragen, wobei sie besonders für Sakura schwärmten und sie um alle möglichen Tipps anbettelten. Natürlich genoss es die Rosahaarige, derart im Mittelpunkt zu stehen, doch schien es ihr auch in einem gewissen Maße peinlich zu sein. Masao rief die Gruppe noch einmal zusammen und nutzte die Chance, um seinen Neulingen die richtige Verabschiedung zu zeigen. Nach der Verneigung verließen die Kendoka nach und nach die Halle, allerdings hielt Sakura Aiden noch einen Moment zurück: „Kannst du draußen auf mich warten? Ich möchte kurz etwas mit dir besprechen.“ „Sicher doch. Du machst noch die Halle sauber?“, erkundigte sich der Braunhaarige und sah zu, wie die Rosahaarige anfing, die Matten aufzurollen: „Das habe ich schon immer im Club getan und ich werde es auch weiterhin tun. Wir sehen uns später, Kurosaki-kun.“ „Alles klar, bis später, Nozaki“, verabschiedete sich der Junge und folgte seinen Teamkollegen in die Umkleide, um sich umzuziehen und etwas frisch zu machen.   Kurz darauf stand Aiden im Gang vor der Umkleide und streckte sich ausgiebig, während seine Teamkollegen nach und nach an ihm vorbeigingen und sich von ihm verabschiedeten. Es fühlte sich gut an, wieder hier zu sein, aber nicht wegen ihm selbst, sondern wegen Sakura, welche mit noch leicht klammen Haaren aus der Umkleide kam und ihren Sportanzug zurechtzupfte: „Kennst du das, wenn du aus der Dusche kommst und deine Klamotten so ekelhaft an dir kleben? Echt ätzend.“ „Besonders bei Jeanshosen ist das nervig, deshalb trage ich kaum welche. Du wolltest mit mir über etwas reden, Nozaki?“, kam der Braunhaarige direkt zum Thema, was die Rosahaarige leicht kichern ließ: „Du bist kein Freund von Smalltalk, oder?“ „Nicht wirklich, ich bin aber auch nicht gut darin“, gestand Aiden und verließ mit Sakura zusammen den Sportkomplex, um sich auf den Weg zum Bahnhof zumachen. „Ich wollte mich kurz mit dir unterhalten, aber bitte irgendwo, wo es nicht jeder sehen kann. Vielleicht am Schrein“, überlegte die Rosahaarige und tippte sich ans Kinn, was ihren Gesprächspartner leicht skeptisch machte: „Willst du mich also den ganzen Weg dahin anschweigen?“ „Nö, aber bis dahin labern wir irgendwelchen Stuss“, erwiderte Sakura und lachte amüsiert auf, bevor sie anfing, von ihren Trainingseinheiten mit den anderen Kendoka zu erzählen. Wie Aiden es erwartet hatte, hatte sie jeden einzelnen von Ihnen regelrecht in den Boden gestampft. Das hatte sie allerdings nicht aus Bosheit getan, sondern hatte einfach etwas Dampf ablassen müssen, wie sie es vorher so schön betitelt hatte. Die Zugfahrt über unterhielten sich die beiden über die verschiedensten Schulthemen, wobei Sakura erwähnte, dass es anscheinend eine neue Schülerin in ihrem Jahrgang gab, welche die ungeteilte Aufmerksamkeit der männlichen Schülerschaft auf sich zog. Aiden konnte nicht verhehlen, dass seine Neugier auf diese Schülerin geweckt war, allerdings eher aus dem Grund, dass sie ihm quasi den Titel des Neulings abgenommen hatte. Er wusste genau, wie schwer es einem als neuer Schüler an einer Schule ging und vielleicht könnte er ihr eine helfende Hand reichen, weshalb er sich nach dem Namen erkundigte: „Weißt du zufällig, wie diese Schülerin heißt?“ „Neugierig geworden?“, stichelte Sakura zurück und musterte erstaunt ,wie ihr Kollege den Kopf schüttelte: „Schon, aber nicht aus dem Grund. Ich dachte mir nur, dass man sich vielleicht mit ihr anfreunden kann. Ich weiß, wie dumm man sich manchmal fühlt, wenn man »der Neue« ist.“ „Du bist ganz schön oft der Neue gewesen, oder? Das hat Silva so durchsickern lassen. Dein Gedanke ist aber gar nicht so dumm“, lächelte die Rosahaarige und kratzte sich danach am Kopf: „Wie heißt die nochmal? Tama? Tomi? Tomo? Keine Ahnung, ich komm nicht mehr drauf, aber irgendwas in die Richtung. Ich sag es dir, wenn ich es wieder weiß.“   Die Aussage brachte nicht nur Aiden, sondern auch Sakura selbst zum Lachen, weshalb beide nach der Zugfahrt und einem kurzen Fußmarsch in guter Laune am Naganaki Schrein ankamen. Angekommen ließ die Rosahaarige erst einmal den Blick schweifen um sicher zu gehen, dass außer ihnen niemand hier war. Sichtlich erleichtert seufzte sie auf und sah dann zu Aiden: „Wir sind unter uns.“ „Sieht so aus. Also, worüber wolltest du mit mir reden, Nozaki?“, kam Aiden wieder zum eigentlichen Thema dieses Treffens zurück, was die Rosahaarige etwas verlegen machte: „Das ist mir etwas peinlich, aber… Ich wollte mich bei dir bedanken. Du hast so viel für mich getan und das, obwohl ich dir damit gedroht habe, dich zu verpetzen.“ „Ach, darum geht es dir? Keine große Sache. Ich hatte ja keine große Wahl, oder?“, winkte Aiden ab und verschränkte die Arme vor der Brust, doch war es für Sakura offenbar doch eine große Sache: „Doch, du hättest einfach die Wahrheit sagen und mich verpetzen können. Trotzdem hast du dich für mich eingesetzt, mich immer wieder aufgebaut und am Ende sogar dafür gesorgt, dass ich wieder in den Kendoclub darf. Das war wirklich mega cool und sau nett von dir. Ein einfaches Dankeschön ist niemals genug für deine Hilfe.“ „Jetzt fahr mal wieder einen Gang zurück, Nozaki. Ich habe dir geholfen, weil ich dir helfen wollte und dass es am Ende funktioniert hat ist alles, was zählt“, wehrte Aiden weiterhin das Lob ab, was seine Teamkollegin leise lachen ließ: „Gott. Du siehst gut aus, bist sau nett und auch noch bescheiden. Kein Wunder, dass Haru sich in dich verguckt hat.“ „Was meinst du?“ „Ach, nicht so wichtig. Ich will mich trotzdem bei dir bedanken und ich schwöre, ich finde etwas. Aber bis dahin kann ich weiter an meinem Ziel arbeiten“, grinste die Rosahaarige und stemmte beide Hände an die Hüfte. „Dein… Ziel? Darf ich fragen, was für ein Ziel du hast?“, erkundigte sich der Braunhaarige, doch streckte ihm die Rosahaarige nur die Zunge heraus: „Darfst du, aber noch werde ich dir nicht antworten. Ich kann dir nur sagen, dass ich deine Hilfe dabei brauche. Ich verlass mich also auf dich, Aiden.“ Bei der Aussage hielt sie ihre Hand hoch in die Luft und schien auf etwas zu warten, was Aiden auch schnell bemerkte und ihr ein klatschendes High Five gab: „Ich weiß zwar nicht, was genau du vorhast, aber ich helfe dir wo ich kann, Sakura.“ Bei dem Abklatschen breitete sich ein warmes Gefühl in Aidens Brust aus, welches er nur zu gut kannte und es machte ihn glücklich, dass Sakura ihn als so einen guten Freund betrachtete.   Grinsend verschränkte die Rosahaarige die Arme hinter dem Rücken und ließ den Blick schweifen: „Sag mal, hast du eigentlich auch das Gerücht gehört, dass es in letzter Zeit Wildhunde um den Schrein geben soll?“ „Wildhunde? Mitten in der Stadt? Nein, habe ich nicht mitbekommen“, gab der Junge ehrlich zu und sah sich ebenfalls um, wobei in ihm eine gewisse Sorge aufstieg. Beide maßen dem Gerücht am Ende nicht viel Bedeutung bei, denn solche Tiere wären bestimmt sofort der Polizei oder dem Tierschutz aufgefallen. Ein plötzlich aufgellender Ruf ließ beide zusammenzucken, als sie einen rotbraunen Hund den Bürgersteig entlanglaufen sahen. Aiden hatte einen Verdacht, wer das gewesen sein könnte und seine Vermutung wurde bestätigt, als ein silberner Haarschopf am Rande des Schreingeländes erschien: „Kako, komm wieder her! Himmel, was ist denn in sie gefahren?“ „Ist was passiert, Mirai?“, kam Aiden zu seiner Bekannten gelaufen, welche kurz erklärte, dass ihr Hund sich plötzlich losgerissen hätte und abgehauen war. Sofort stimmten Aiden und Sakura zu, bei der Suche nach Kako zu helfen, welche allerdings nicht weit entfernt an einer Ecke stand und sie abwartend ansah. „Du kommst hierher, Fräulein. Dich einfach so loszureißen. Bei Fuß!“ Auf den Befehl ihres Frauchens bellte die Hündin nur und sah zwischen ein paar Bäume, welche zu einem kleinen Waldstück um den Schrein gehörten. „Sie scheint dir etwas zeigen zu wollen“, vermutete Sakura und trat an die Hündin heran, um zwischen den Bäumen hindurch zu spähen: „Was hast du da gefunden? Hm?“   Als Mirai und Aiden bei Kako ankamen, sprang diese über eine Reihe aus kleinen Blumenkübeln und hechtete in das Waldstück, was die Silberhaarige verärgert murren ließ: „Na warte, du schläfst heute Abend auf dem Boden.“ Etwas ungelenk stieg sie ebenfalls über die Töpfe, wie auch ihre beiden Freunde und lief dann hinter Kako her, die neugierig am Boden herumschnüffelte. Sakura hatte mit ihrer Vermutung recht gehabt, denn kaum war das Trio wieder in der Nähe der Hündin, setzte diese sich in Bewegung und schien etwas zu suchen. Da niemand das Tier ablenken wollte, liefen sie schweigend hinter der Hündin her, welche gefühlt wirr im Zickzack zwischen den Bäumen hin und her wanderte und hier und da zum Schnuppern stehen blieb. Sakura ließ schon erste Zweifel hören, ob Kako überhaupt etwas finden würde, als die Hündin plötzlich Laut gab und etwas vor ihr verbellte. Vorsichtig traten die Schüler näher und mussten alle drei schwer mit sich kämpfen, um sich nicht zu übergeben, denn vor ihnen lagen drei völlig zerrissene Tierkadaver. „Oh Gott, anscheinend stimmte das mit den Wildhunden doch“, jammerte Sakura und hielt sich die Nase zu, um so wenig von dem Geruch wie möglich abzubekommen. Aiden und Mirai traten noch etwas näher, hielten sich aber zum Schutz jeweils ein Taschentuch vor Mund und Nase, um sich die Überreste etwas genauer anzusehen. Eins der Tiere hatte eindeutig schwarzes Fell, während die anderen beiden hellbraunes gehabt hatten. „Kein Wunder, dass Kako darauf angesprungen ist. Der Geruch muss sie verrückt gemacht haben“, murmelte Aiden und kämpfte gegen das komische Gefühl in seinem Magen, während Mirai einen Schritt zurückging: „Was meinst du? Waren das Katzen oder vielleicht Marder?“ „M-möglich wäre es“, murmelte Aiden und wurde dabei immer leiser, denn in seinem Kopf begann sich alles zu drehen, was nicht an dem Verwesungsgeruch lag.   Sakura vertrat sich etwas die Beine und blieb auf Abstand, als sie in einer Hecke etwas Seltsames fand, was sie an ein Armband erinnerte. Vorsichtig löste sie das Objekt aus der Hecke und hielt es hoch, wobei sie feststellte, dass es kein Arm- sondern ein Halsband war: „Ich glaube, dass das wirklich Katzen gewesen sind. Hier ist ein Halsband. Muss wohl einem der armen Tierchen gehört haben. Oh, da ist auch eine Handynummer drauf.“ „Kannst du mal anrufen? Ich glaube, die Besitzer würden gerne wissen, was…“, setzte Mirai an, stoppte sich aber selbst, als ihr klar wurde, was sie da gerade gesagt hatte. Den Gedanken wollte sie nicht weiterführen, allerdings schoss ihr Blick zu Aiden, der ebenso beunruhigt wie sie wirkte: „Alles okay, Aiden?“ Er nickte nur knapp, doch wich ihm im nächsten Moment sämtliche Farbe aus dem Gesicht, als es aus seiner Hosentasche zu klingeln begann. Mirais Augen weiteten sich geschockt, während Sakura eher verwundert in ihre Richtung schaute: „Hä? Ich habe doch die Nummer auf dem Halsband gewählt, warum dann steht da plötzlich Kurosaki auf meinem… Display? Aiden?“ Der Atem des Jungen ging immer schneller, als sein Blick von den braunen Kadavern zu dem Halsband in Sakuras Hand und wieder zurück huschte. Das durfte nicht wahr sein. Genau das, war ihm die ganze Zeit durch den Kopf geschossen, doch er wollte es nicht sehen. „Nein… Nein, das… das ist nicht wahr. Bitte sag mir, dass das nicht wahr ist“, hauchte der Junge aus, wobei sein Atem immer schneller und schneller ging und ihm Tränen in die Augen stiegen. Mirai sah zu Sakura, die erst jetzt realisierte, was sie hier wirklich in der Hand hielt: Das Halsband von Aidens Katze Kiara. Im nächsten Moment brach Aiden weinend über den zerfetzten Tieren zusammen und schrie seinen gesamten Schmerz und seine Trauer heraus, die wild durch den Wald hallten. Kapitel 54: LIV – Operation Tanaka beginnt ------------------------------------------ ~~~Samstag 25. Juni 2016~~~   Die Stimmung im Wohnheim war seit dem gestrigen Abend auf einem absoluten Tiefpunkt. Aiden war nach dem Fund von Kiara derart unter Schock gewesen, dass er seither kein einziges Wort gesprochen und sich auch seither in seinem Zimmer verkrochen hatte. Zwar ließ er Miyuki und die anderen zu sich, doch egal was sie sagten, er reagierte nicht darauf. Selbst Luca, von dem sich die Mädchen in der Situation am meisten Erfolg erhofft hatten, biss bei seinem besten Freund in dieser Sache auf Granit. Ratlos standen Miyuki, Haruka und Luca nun im Foyer des Wohnheims und überlegten angestrengt, wie es weitergehen sollte. „Wir können ihn in dem Zustand nicht alleine lassen. Am Ende tut er sich noch was an, weil er so verzweifelt ist. Meine Mama hat heute frei und hat sich bereit erklärt, nach ihm zu sehen“, erklärte Luca, nachdem er sein Handy wieder in seiner Hosentasche hatte verschwinden lassen. „Immerhin etwas… Es zerreißt einen innerlich, ihn so zu sehen. Können wir denn wirklich gar nichts tun?“, jammerte die Brünette und sah in die Runde, doch schüttelten ihre beiden Freunde nur mit dem Kopf. Als Mirai die Treppen nach unten kam, wurde sie sofort von drei hoffnungsvollen Blicken durchbohrt, doch auch die Silberhaarige konnte nur den Kopf schütteln: „Keine Änderung… Kako liegt bei ihm auf dem Bett und leistet ihm Gesellschaft. Vielleicht überwindet er sich ja zum Aufstehen, wenn sie raus muss. Das Problem ist, dass keiner von uns da sein wird…“ „Haben wir schon geklärt. Meine Mama sieht nach ihm“, erklärte der Spanier und sah dann zur Tür, an der es gerade geklopft hatte. Miyuki öffnete die Tür und ließ Luca’s Mutter Maria herein, was den Jungen zufrieden nicken ließ: „Da ist sie auch schon. Danke, dass du nach ihm siehst, Mama.“ „Das ist doch selbstverständlich. Wie geht es ihm?“, kam es besorgt von der Frau, woraufhin ihr Sohn ihr erklärte, wie sich Aiden seit dem gestrigen Abend verhielt. Natürlich war ihm keiner der Gruppe böse, denn er hatte einen harten Verlust verkraften müssen, doch machten sie sich allesamt große Sorgen. „Ich verstehe. So schwer es ist, aber das Einzige, was in so einer Situation hilft, ist Zeit. Er muss es von sich selbst überwinden. Ich kümmere mich heute um ihn, aber ich vier müsst jetzt in die Schule. Warum trägst du eigentlich keine Uniform, Mirai-chan?“, scheuchte die Frau die Schüler aus dem Gebäude, während Mirai schnell erklärte, dass sie arbeiten ging und deshalb keine Schuluniform trug. Zwar wirkte Maria noch immer etwas skeptisch, genau wie Rin damals, doch verkniff sie sich jeden weiteren Kommentar, als Luca zum Aufbruch rief und die vier Teenager die Wohnung verließen.   Der Vormittagsunterricht war für die Oberschüler alles andere als einfach, denn keiner von ihnen konnte so wirklich dem Stoff folgen. Miyuki schaffte es auch nur knapp, einer Standpauke ihrer Klassenlehrerin zu entgehen, bevor sie sich wieder hinter ihren Büchern verkroch und sehnsüchtig auf die Schulglocke wartete. Kaum war diese erklungen und hatte damit die Mittagspause eingeläutet, traf sich das Trio wieder auf dem Dach der Schule. Während Luca sein Mittagsessen zu sich nahm, stocherte Haruka nur lustlos in ihrer Bentobox herum: „Wieso muss eigentlich immer irgendwas furchtbares passieren?“ „Es ist echt wie verhext“, murmelte Miyuki und kaute seit fünf Minuten an demselben Onigiri herum. Ein synchroner Seufzer entwich der Gruppe, welche dann alle zur Tür schauten, als diese aufging und Setsuna ins Freie trat. Diese streckte sich kurz und schlenderte dann auf seine Senpai zu, während er fröhlich die Hand hob: „Ohayo, Senpai. Was sollen denn die langen Gesichter? Ist jemand gestorben?“ Auf den Satz ließen die drei Älteren leise jammernd den Kopf hängen, was den Jüngsten erst einmal komplett verwirrte, bis er von Haruka berichtet bekam, was gestern passiert war. Geschockt bereute er sofort, was er gerade gesagt hatte und hockte sich neben die Brünette, wo er die Knie an seine Brust zog und das Kinn darauf bettete: „Armer Senpai… Das ist echt furchtbar…“ „Ja, aber so grausam es klingt, aber es steht immer noch aus, ob jemand drüben gelandet ist oder nicht“, murmelte Miyuki und ließ den Kopf hängen, was Setsuna wieder aufschauen ließ: „Ähm, nur zur Info: Tanaka ist immer noch nicht wieder in der Schule.“   „Dann müssen wir wohl davon ausgehen, dass es wirklich sie ist, die in diesen Alptraum geraten ist“, brummte Luca und legte sich mit dem Rücken auf die Bank, um in den Himmel zu schauen. Setsuna sah aufmerksam von einem der Älteren zum Nächsten, bis Miyuki sich zu Wort meldete: „Es sieht immer mehr so aus, als ob es wirklich Tanaka-san ist, aber ich denke, wir sollten wirklich noch einmal wirklich auf Nummer sicher gehen.“ „Wir könnten wir das am besten anstellen? Sollen wir einfach mal bei ihr zu Hause vorbeischauen?“, überlegte Haruka und sah ihre Freundin nachdenklich an, die die Arme vor der Brust verschränkte und den Kopf hin und her wiegte: „Das wäre vielleicht der einfachste Weg. Wir müssten nur herausfinden, wo Tanaka wohnt und wir bräuchten einen plausiblen Grund, warum wir dahin gehen.“ „Ja. So wie Kurosaki-kun es mir erzählt hat, hat diese Detektivin ein Auge auf ihn geworfen. Wir erregen nur unnötig Aufmerksamkeit“, führte Haruka das Brainstorming fort und sah zu den beiden Jungs des Teams, die beide noch nichts zu den Überlegungen beigetragen hatten. Luca hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und brummte vor sich hin: „Ihre Adresse dürfte das geringste Problem sein, denn sie steht bestimmt im Telefonbuch. Der Grund ist das größere Problem. Wir können schlecht sagen, dass wir Klassenkameraden sind, immerhin sind wir in einem anderen Jahrgang.“ Auf die Aussage begann Setsuna zu lachen und zog einen dicken Stapel Papiere aus seinem Rucksack: „Ich korrigiere dich, Senpai: Du kannst nicht sagen, dass du ein Klassenkamerad bist. Ich kann es sehr wohl, immerhin ist Tanaka in meiner Klasse. Außerdem habe ich mir bereits einen Plan überlegt.“ Die drei Zweitklässler sahen den Jüngsten erstaunt an und Haruka verstand den Plan: „Ich verstehe. Du sagst einfach, dass du ihr die Unterlagen von der Woche bringst. Genial, Setsuna.“ Das Lob schien dem Jungen sehr zu gefallen, denn er lachte leicht arrogant auf und rieb sich mit dem Zeigefinger unter der Nase entlang: „Ja, ich bin schon ein Genie, nicht wahr?“ „Komm mal wieder auf den Teppich, Kleiner. Ich werde dich heute Mittag begleiten“, fuhr Luca ihm in die Parade und setzte sich aufrecht hin, was den Jüngeren leicht die Wangen aufblähen ließ: „Ich krieg das auch alleine hin, Senpai.“ „Zur Sicherheit wäre es wirklich besser, wenn jemand mitgeht und Silva ist vermutlich der Einzige, den diese Detektivin nicht im Visier hat“, stimmte Haruka dem Vorschlag ihres Klassenkameraden zu und sah dann in die Runde: „Okay, dann überlassen wir die Untersuchung zu Tanaka Setsuna und Silva. Miyuki, wir beide gehen nach der Schule direkt nach Hause und sehen nach Kurosaki-kun.“ „Alles klar. Ich hoffe einfach, dass er wenigstens wieder etwas sagt“, murmelte die Grünhaarige und packte ihre beinah unangetastete Bentobox zusammen, als die Schulglocke ihre Pause beendete.   Die zweite Hälfte des Schultages verging ebenso zäh, wie es die erste getan hatte, dennoch blieb Luca auf sein Ziel fokussiert und verließ nach dem Ende des Tages sofort das Klassenzimmer. Haruka winkte ihm noch kurz und wünschte ihm viel Glück, allerdings nahm er das ganze gar nicht so wirklich wahr, dafür kreisten in seinem Kopf zu viele Gedanken. Auf dem Weg die Treppe nach unten traf er wieder auf das Mädchen mit den orangebraunen Haaren, welches ihn nach seiner Rückkehr aus Inaba verbal ziemlich fertig gemacht hatte. Sie blieb auf der Treppe stehen und sah ihn an, wobei sie doch recht freundlich wirkte, als sie ansprach: „Guten Tag, lange nicht gesehen. Ist was passiert? Du wirkst etwas niedergeschlagen.“ Für einen Moment war Luca verleitet, sich auf das Gespräch mit ihr einzulassen, doch als ihm der damalige Abend in den Sinn kam, bremste ihn innerlich etwas ab. Er schüttelte nur kurz den Kopf und meinte, dass alles gut wäre, bevor er einfach an dem Mädchen vorbeiging und die Treppe weiter nach unten stieg. Auf halbem Weg sah er noch einmal über die Schulter und bemerkte dabei, wie einige Jungs sich nun mit dem Mädchen unterhielten und offenbar mit ihr flirteten. Er konnte es nicht erklären, aber es schmerzte ihn irgendwie zu sehen, wie dieses Mädchen sich anflirten ließ und die Typen nicht so abservierte, wie sie es bei ihm getan hatte. Tatsächlich hatte Luca das Gefühl, als hätte sie erneut in seine Richtung geschaut und ihn herausfordernd angesehen. Wollte sie ihn mit dieser Aktion verletzen? Kurz biss er sich auf die Unterlippe und wandte sich dann endgültig ab, um zu den Schließfächern vor dem Eingangstor zu gehen, wo er bereits von Setsuna erwartet wurde, der sich mit einem Mädchen mit hellblonden Haaren unterhielt, welches Luca als Yamazaki Serena erkannte.   „Wieso sollte ich neidisch sein? Ich habe mich lediglich gewundert, dass du mir die Unterlagen für Tanaka regelrecht aus der Hand gerissen hast“, murrte Serena und verschränkte die Arme vor der Brust, während Setsuna sich mit der Hand durch die Haare fuhr und seine Mitschülerin angrinste: „Nun, seinen kranken Mitschülern die Sachen zu bringen ist das, was man als verantwortungsvoller Erwachsener tut, Yamazaki. Findest du nicht?“ Luca betrachtete die beiden Erstklässler von der Treppe aus, als Miyuki, Haruka und Sakura neben ihn traten und die Szene ebenfalls sahen, die mit einem Tiefschlag Serenas endete: „Schon, aber wenn man sich extra in den Mittelpunkt schiebt und es tut, nur weil man als erwachsen angesehen werden möchte, ist das echt schwach, Akutagawa. Aber tu, was du nicht lassen kannst.“ Damit marschierte das Mädchen aus der Schule und ließ einen niedergeschlagenen Jungen zurück, der hörbar schniefte und den Kopf hängen ließ. „Junge, das tat ja vom Zusehen weh“, brummte Luca anschließend und bekam ein zustimmendes Nicken seiner drei Mitschülerinnen, die sich nun zu dem Kleinen gesellten. Dieser bemerkte die vier Schüler und jammerte leise: „Warum sind Frauen so kompliziert? Sie sagen das eine und wenn man das tut ist es ihnen auch nicht recht.“ „Naja, eine erwachsene Sache wirkt nicht mehr so, wenn man es explizit betont. Weißt du?“, versuchte Miyuki den Jungen zu trösten, der sich allerdings mit beiden Händen an die Wangen klatschte: „Passt schon, meine Zeit wird kommen. Jetzt muss ich mich erstmal um was anderes kümmern. Kommst du, Senpai?“ Damit war auch er aus der Schule stolziert und Luca konnte nur schmunzelnd den Kopf schütteln, bevor er mit den Mädchen Setsuna folgte und mit diesem zum Bahnhof marschierte.   Nach der Zugfahrt trennten sich die Wege der Jungs und der Mädchen, damit sich Setsuna und Luca um Aiko kümmern konnten. Der Kleinere hatte sein Handy in der Hand und nutzte es Navigationsgerät, um das Haus seiner Mitschülerin zu finden, wobei ihn etwas zu beschäftigen schien. Luca wollte nicht nachfragen, weil es ihn nichts anging, doch fragte Setsuna von sich aus: „Du, Senpai? Warum sind Frauen so kompliziert?“ „Du meinst die Sache mit Yamazaki von eben?“, stellte der Braunhaarige eine Gegenfrage, welche er mit einem Nicken beantwortet bekam: „Ich bin ihr zu kindisch und wenn ich etwas erwachsenes tue, ist es ihr auch nicht recht.“ „Naja, es ist so, wie Nobiro es eben gesagt hat, wirkt es nicht mehr erwachsen, wenn du extra sagst, dass es das ist“, vertrat der Spanier die Ansicht seiner Kollegin, was Setsuna wohl etwas demotivierte: „Und was kann ich tun, um das zu ändern? Ich habe versucht, selbstbewusst zu klingen, aber ich habe eben fast dreimal meine Zunge verschluckt.“ „Ich glaube, was du brauchst, ist Zeit“, sprach der Braunhaarige seine Meinung aus, doch irritierte er den Kleinen damit nur: „Wie darf ich das verstehen?“ „Nun, Yamazaki hat ein Bild von dir und das ändert sich nicht von jetzt auf gleich. Außerdem machst du wieder das, was deinen Shadow hervorgebracht hat: Du verstellst dich“, wurde Luca’s Stimme nun sehr ernst und ließ seinen Kohai zusammenzucken, der sich nervös am Arm kratzte: „O-oh… Ja, du hast recht.“   Die beiden waren nun stehengeblieben und sahen sich einen Moment an, bevor Luca Setsuna auf die Schulter klopfte: „Hey, lass den Kopf nicht hängen. Sei einfach du selbst und sie wird erkennen, was für ein toller Typ du bist. Wir sollten uns jetzt aber wieder auf Tanaka konzentrieren. Ist es noch weit?“ Für einen Moment blinzelte der Kleine erstaunt, bevor er sich mit der Hand durch die Haare fuhr und grinste: „Du bist so ganz anders als Haru-nee dich immer beschrieben hat. Lass mich sehen… Nein, es sind nur noch zwei Straßen.“ „Okay, dann auf“, scheuchte der Braunhaarige den Kleinen weiter, doch war diesem dabei nicht entgangen, wie sich Luca’s Gesichtsausdruck von dem üblichen Grinsen zu besorgt verändert hatte. Nach einem weiteren kleinen Fußmarsch kamen sie in der Straße an, in der Tanaka wohnte und das Haus war auch nicht zu übersehen, denn davor stand ein Polizeiauto. Schnell versteckte sich Setsuna hinter einem Zaun und lugte vorsichtig hervor, als er eine junge Frau mit dunkelblauen Haaren und eine mit kurzgeschnittenen hellbraunen, leicht mehlierten Haaren erblickte: „Versteck dich, Senpai. Siehst du die Blauhaarige da vorne? Das ist die Detektivin, die mich wegen meinem Verschwinden ausfragen wollte und Nii-san im Visier hat.“ „Ich verstehe. Die Frau, die da bei ihr ist, sieht Tanaka sehr ähnlich. Vielleicht ihre Mutter“, murmelte Luca und hielt sich eine Hand ans Ohr, um besser hören zu können.   „Ich bitte vielmals um Verzeihung, dass ich sie erneut damit belästigen muss, Tanaka-san, aber wir müssen jeden Angehörigen dazu befragen. Sie waren die letzten Tage nicht im Lande, wenn ich Ihren Gatten beim letzten Mal richtig verstanden hatte?“, erkundigte sich Naoto bei der Frau, die nur zaghaft nickte: „Ja. Ich bin Anwältin für Internationales Recht und daher oftmals im Ausland unterwegs. Ich hatte kurz vor meiner Rückkehr einen großen Fall und habe mich daher nicht um Anrufe und Nachrichten von Zuhause gekümmert. Mein Mann hatte auch Angst, dass ich auf der Rückreise vielleicht aus Panik unvorsichtig werde, wenn ich es wüsste.“ „Verstehe ich das richtig? Ihr Mann hat Ihnen nichts davon erzählt, dass Ihre einzige Tochter seit knapp einer Woche spurlos verschwunden ist?“, kam es sehr misstrauisch von der Detektivin, während die Mutter die Frage mit einem leichten Nicken beantwortete, doch dann plötzlich laut wurde: „Wollen Sie jetzt irgendwie andeuten, dass mein Mann für Aikos Verschwinden verantwortlich ist?“ „Ich deute überhaupt nichts an, Tanaka-san, ich stelle lediglich Fragen und so grausam sich diese Sachen meistens anhören, gehören sie zum standardmäßigen Prozedere. Wenn mir allerdings die Frage erlaubt ist: Wo sind Ihr Mann und Ihre Söhne im Moment?“, blieb Naoto sachlich und versuchte gleichzeitig, Aikos Mutter zu besänftigen, die sich allerdings immer noch angegriffen fühlte: „Sie sind unterwegs und suchen nach Aiko.“ „Verstehe. Wie mir ihr Mann berichtet hat, war Aiko ihrem Vater und ihren Brüder gegenüber sehr… reserviert. War ihre Tochter bei Ihnen auch so?“ „Überhaupt nicht. Aiko hat mir immer sofort geschrieben, wenn sie etwas störte oder wenn sie etwas tolles gefunden hatte“, berichtete die Brünette und verschränkte die Arme vor der Brust, während Naoto sich eifrig Notizen machte: „Sie haben also ein deutlich besseres Verhältnis zu Aiko als der Rest ihrer Familie. Hat Ihre Tochter irgendwas in den letzten Tagen erwähnt. Fremde Leute, ein ungutes Gefühl, irgendwas in der Art?“ „Naja… nicht wirklich. Sie regt sich des Öfteren über die Schule auf, aber das ist für Teenager in dem Alter ja nichts Ungewöhnliches. Es tut mir leid, aber ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß. Wenn Sie möchten, gebe ich Ihnen mein Handy mit, dass Sie den ganzen Chat mit ihr durchsuchen können“, fauchte die Frau mittlerweile extrem gereizt und man hörte ihr an, dass sie diesem Gespräch allmählich überdrüssig wurde.   In ihrem Versteck lauschten Luca und Setsuna aufmerksam dem Gespräch, bis der Ältere die Hand nach seinem Kollegen ausstreckte: „Gib mir die Unterlagen für Tanaka.“ „Warum? Ich dachte, du kannst das nicht machen“, flüsterte Setsuna verwirrt, doch blieb Luca fest bei seinem Plan: „Schon, aber wenn wir jetzt dazwischen gehen und Tanaka-san aus diesem Gespräch helfen, gibt uns das einen gewissen Vorteil und ich bin der Einzige aus unserem Team, den diese Detektivin nicht auf dem Schirm hat, da ich weder Verschwunden war, noch im Wohnheim wohne. Sie kann also keine Verbindung zwischen Aiden, euch und mir herstellen.“ Mit einem langen „Oh“ schien Setsuna zu verstehen, wie die Sache lief und reichte Luca die Unterlagen, die dieser an sich nahm und dann aus seinem Versteck trat. Er atmete ein paar Mal tief durch und schritt dann an den Häusern entlang, wobei er leise alle Namen auf den Briefkästen las. Langsam kam er bei den beiden Frauen an und tat so, als hätte er sich noch gar nicht gesehen, wobei die beiden ihn erstaunt ansahen: „Bitte entschuldigen Sie die Störung. Ich suche das Haus der Familie Tanaka. Können Sie mir sagen, welches Haus in dieser Straße das ist?“ „Das ist unser Haus. Kann ich dir irgendwie helfen?“, kam Aikos Mutter dem Braunhaarigen entgegen, der die Papiere in seiner Hand zeigte und sich so höflich wie möglich ausdrückte: „Ich bin ein Mitschüler von Tanaka und weil sie anscheinend krank ist, wollte ich ihr die Unterlagen der Woche vorbeibringen.“ „Das ist aber lieb von dir. Bitte, komm doch herein. Shirogane-san, bitte entschuldigen Sie mich“, lud die Frau Luca ins Haus ein, während sie Naoto eindeutig zu verstehen gab, dass dieses Gespräch beendet war. Zwar spürte Luca den skeptischen Blick der Blauhaarigen in seinem Rücken, doch ließ er sich nichts anmerken und betrat das Haus, wo er sich schnell die Schuhe auszog.   Aikos Mutter schloss die Haustür und seufzte müde, bevor sie ebenfalls aus ihren Schuhen schlüpfte und sich dann Luca zuwandte: „Du bist ein Freund meiner Tochter?“ „Freund ist zu viel gesagt und ehrlich gesagt… Bin ich nicht einmal in ihrer Klasse. Ich habe einem Freund angeboten, das mit den Papieren zu übernehmen, weil ich mich kurz mit Tanaka unterhalten wollte“, gestand Luca sofort, damit auch ja keine Missverständnisse aufkommen würden und mit der Wahrheitsnummer war er auch bei Harukas Großvater schon gut gefahren. „Ich verstehe. Und worüber genau wolltest du mit meiner Tochter sprechen?“, hakte die Frau nach, die es anscheinend nicht gerne sah, dass ein älterer Junge sich nach ihrer Tochter erkundigte, doch beschloss Luca weiterhin, bei der Wahrheit zu bleiben: „Letzte Woche, nachdem wir von dem Inaba Ausflug zurückgekommen sind, habe ich etwas Unbedachtes zu ihr gesagt, was sie wohl verletzt hat. Ich wollte mich entschuldigen und die Sache klarstellen. Wäre Tanaka kurz zu sprechen?“ Für einen Moment blickte die Frau ihn mit einem durchdringenden Blick an, bevor sie etwas sagte, was den Jungen sehr verblüffte: „Du bist Silva-kun, nicht wahr? Der notorische Schulflirter.“ Auf die Aussage zog Luca den Kopf ein und wusste für den Anfang nicht, was er darauf antworten sollte. Offenbar hatte er einen deutlich schlechteren Ruf in der Schule als er gedacht hatte. „Das… klingt etwas härter als es ist. Ja, ich bin Silva Luca und bevor Sie mir etwas vorwerfen: Ich habe ihre Tochter nicht angeflirtet und deshalb bin ich auch nicht hier!“, gab der Braunhaarige nach einer Weile endlich zurück und wurde dabei etwas lauter als es gewollt gewesen war.   Der laute Tonfall machte auf die Frau skeptisch, woraufhin Luca seine beiden Begegnungen mit Aiko erklärte und dabei auch seine Schuld eingestand, sie als seltsam bezeichnet zu haben. Bei der Erzählung versuchte er, so schuldbewusst wie möglich auszusehen, was auch nicht schwer war, da er sich wirklich schuldig fühlte für das, was er gesagt hatte. Für einen Moment fürchtete er, von Aikos Mutter rausgeworfen zu werden, doch deutete diese auf die Küche: „Komm, setzen wir uns.“ Zaghaft folgte Luca der Frau und nahm an einem großen, hübsch designten Küchentisch Platz, der bestimmt ein ordentliches Sümmchen gekostet haben dürfte. Die Frau bemerkte seinen Blick und strich kurz über die Marmor-Tischplatte: „Ein schönes Stück, nicht wahr?“ „Meine Mom würde für so einen Tisch töten. Der war bestimmt nicht billig“, entwich es dem Jungen schneller als er sich bremsen konnte, doch lachte Aikos Mutter nur vergnügt auf: „Er hat mehr Arbeit als Geld gekostet. Mein Mann und mein ältester Sohn betreiben eine Baufirma und dazu ist mein Mann gelernter Schreiner. Alle Möbel macht er selbst, denn kaufen würde sein Stolz nicht zulassen.“ „Beeindruckend. Ist Tanaka da? Oder habe ich einen schlechten Zeitpunkt erwischt? Und bitte entschuldigen Sie, wenn ich Sie draußen bei einem Gespräch gestört habe“, blieb Luca so höflich er konnte und entschuldigte sich mit einer Verbeugung, was die Frau fast in Tränen ausbrechen ließ: „Sie ist nicht da… genau genommen, ist Aiko seit Anfang der Woche nicht mehr nach Hause gekommen.“ „Wie? Nicht mehr nach Hause gekommen? Soll das heißen, sie ist weg?“, gab er erstaunt zurück und sah dann in Richtung Flur: „War die Frau eben von der Polizei?“ „So etwas in der Art… Silva-kun, du hast letzte Woche ja mit meiner Tochter gesprochen… Hat sie vielleicht irgendwas gesagt oder ist dir etwas an ihr aufgefallen, weshalb sie weggelaufen sein könnte?“, kam es sehr zögerlich von der Frau, welche nervös ihre Hände knetete und ihm einen hoffnungsvollen Blick zuwarf. Zu ihrer Enttäuschung musste Luca den Kopf schütteln: „Leider nicht, Tanaka-san. Dafür kenne ich Ihre Tochter zu wenig, als dass ich sagen könnte, wenn sie sich untypisch verhält.“   Für einen Moment saß Luca am Tisch und knetete seine Hände, bevor er sich dazu entschied, die Frau auf etwas anzusprechen: „Tanaka-san, entschuldigen Sie, wenn die Frage etwas seltsam klingt, aber… Ist es normal, dass Ihre Tochter so heftig reagiert, wenn sie mit Leuten redet? Ich meine, ich wollte ihr nur helfen, weil es so aussah, als ob sie etwas suchen würde.“ „Ich muss leider sagen, dass ich das schon des Öfteren von ihren Lehrern gehört habe. Einmal hat sie einen ihrer Mitschüler mit ihrer Tasche geschlagen“, erzählte die Frau und beobachtete, wie Luca sie mit großen Augen anstarrte: „Die Geschichte stimmt? Ist sie zu Hause nicht so?“ „Nein, wenn ich da bin ist sie ganz lieb und auch total verschmust. Ich liebe es einfach, abends mit ihr auf der Couch zu sitzen, eine gute Soap Opera zu schauen und mit ihr zu kuscheln“, fuhr die Frau fort und wischte sich dabei kurz die Augen, was Luca traurig den Kopf senken ließ. Es tat ihm leid, dass diese offenbar so nette Frau so eine schwere Zeit hatte und dass nur wegen diesem Mist mit den Shadows.   Das Geräusch einer sich öffnenden Tür ließ die beiden in Richtung Flur schauen, aus dem eine männliche Stimme erklang: „Mama, bist du da?“ „Hier in der Küche, Naohito!“, rief die Frau und kurz darauf erschien ein junger Mann mit hellbraunen, zu einem kleinen Zopf gebundenen Haaren in der Küche: „Die anderen sind noch in der Stadt und suchen, aber Papa steht draußen und versucht sich zu beruhigen… Oh, ich wusste nicht, dass du Besuch hast.“ „Ist okay, ich glaube, ich sollte sowieso gehen. Danke für die Gastfreundschaft, Tanaka-san. Ich hoffe, Ihre Tochter taucht wieder auf. Ähm, dürfte ich vielleicht noch kurz Ihre Toilette benutzen?“, wollte sich Luca eigentlich verabschieden, als sich bei ihm ein dringendes Bedürfnis meldete. Mit einem freundlichen Lächeln zeigte Aikos Mutter ihm das Badezimmer, in welchem Luca sich für eine Weile aufhielt. Noch während sich Luca im Bad aufhielt, konnte er die Stimmen der beiden Leute hören, wobei die von Aikos Mutter als erstes hörte: „Habt ihr irgendwas finden können?“ „Nicht wirklich… Shuichi und Miroku suchen noch am Bahnhof und die Zwillinge im alten Einkaufsviertel. Ich habe aber das hier in der Nähe der Bäckerei gefunden.“ Luca konnte nicht sehen, um was es sich handelte, aber es ließ die Dame schluchzten, bevor sie sich anscheinend aus dem Haus zu ihrem Ehemann flüchtete. Luca wusch sich noch schnell die Hände, bevor er den Raum verließ und wieder im Flur stand. Aus dem Augenwinkel konnte er noch sehen, wie der Junge von eben in einem anderen Raum verschwand, bevor er sich zum Gehen wandte. Er hatte nur einen Schritt gemacht, als er auf einem Sideboard das sah, was Naohito gefunden hatte: Ein verdreckter Haarreif mit einem Schmetterlingsanhänger. Er musste gar nicht lange überlegen, bevor ihm einfiel, dass das der Haarreif von Aiko war, den sie damals getragen hatte. Vorsichtig sah der Braunhaarige über die Schulter um zu checken, ob er beobachtet wurde, bevor er den Haarreif schnappte und in seiner Tasche verschwinden ließ. Mit schnell schlagendem Herzen und einem Puls von gefühlten 200 verließ er das Haus und machte sich auf den Weg zu Setsuna.   ~~~Wohnheim~~~   Vorsichtig klopfte Haruka an die Tür ihres Mitbewohners und horchte angespannt, ob sie eine Antwort bekam. Leider war dem nicht so, weshalb sie noch einmal und etwas fester gegen das Holz klopfte. Als sie erneut keine Antwort bekam, seufzte sie kurz auf und klopfte ein drittes Mal, wobei sie dieses Mal die Stimme erhob: „Kurosaki-kun? Hier ist Haruka. Darf ich reinkommen?“ Auch wenn sie wieder keine Antwort bekam, öffnete sie vorsichtig die Tür und betrat das Zimmer, wobei sie sich etwas unwohl fühlte. Sie war noch nie im Zimmer eines Jungen gewesen und ihre Mutter hatte ihr auch oft genug gesagt, dass sich sowas nicht gehöre, allerdings mussten sie ja etwas tun. Kurz ließ die Brünette den Blick durch das Zimmer schweifen und stellte fest, dass Aiden sich nicht die Mühe gemacht hatte irgendwas zu dekorieren. Miyuki, Mirai und auch sie selbst hatten ihren Zimmern einen gewissen, persönlichen Touch verliehen, aber das Zimmer von Aiden wirkte einfach nur schlicht. Langsam wanderte Harukas Blick zu dem braunhaarigen Jungen, welcher mit an die Brust gezogenen Beinen auf dem Bett hockte und auf ein Bild in seiner Hand schaute. Ihn so zu sehen tat Haruka weh und sie wollte ihm unbedingt aus dieser Misere helfen.   „Wie geht es dir?“, war das Einzige, was ihr im Moment einfiel, doch zeigte Aiden auf die Frage absolut keine Regung, weshalb die Mechanikerin weitersprach: „Magst du etwas essen? Oder vielleicht einen Tee? Du hast seit gestern Mittag nichts gegessen.“ Leider traf ihre Sorge wieder auf taube Ohren, was das Mädchen sich unsicher auf die Unterlippe beißen ließ. Irgendwas musste ihr einfallen und vielleicht könnte sie Aiden ja mit etwas ablenken und so auf andere Gedanken bringen. Schnell sah sie sich um, bis sie auf dem Schreibtisch einige eingerahmte Bilder entdeckte, welche Aiden wohl doch als Dekoration verwendete. Langsam trat sie auf den Schreibtisch zu, doch stoppte sie einen Schritt davor und sah zu ihrem Mitbewohner: „Darf ich mir die Bilder mal ansehen?“ Sie erhoffte sich nicht viel von der Frage, doch zu ihrem Erstaunen nickte Aiden knapp und erteilte ihr damit die Erlaubnis. Das erste Bild zeigte einen kleinen, braunhaarigen Jungen, der ein Baby im Arm hielt und Stolz in die Kamera grinste. Wenn sie richtig lag, war das Aiden mit der neugeborenen Kari und bei dem strahlenden Grinsen des Jungen wurde ihr warm ums Herz. „Du strahlst auf dem Bild so. Bestimmt warst du richtig stolz, als du ein großer Bruder geworden bist, nicht wahr?“, drehte sie vorsichtig den Kopf nach hinten und bemerkte, wie Aiden kurz mit dem Kopf nickte.   Er reagierte auf ihre Fragen und das war schon mal ein Erfolg für sie. Hastig sah Haruka zum nächsten Bild, auf dem wieder Aiden im Kindesalter zu sehen war, dieses Mal mit einem braunhaarigen Jungen mit grünen Augen, den sie definitiv als Luca identifizieren konnte. Beide trugen ein Fußballtrikot, doch war es das Mädchen zwischen den beiden, die ihre Aufmerksamkeit erregte. Das Mädchen, welches sich auf dem Bild bei Aiden und Luca eingehakt hatte, hatte braunes, sehr lockiges Haar, eine Brille und wie man auf dem Bild sehr genau erkennen konnte, einen starken Überbiss. Solche Kinder wurden in der Schule leider viel zu häufig Ziel von Hohn und Spott und die Tatsache, dass Aiden anscheinend früher mit so einem Mädchen befreundet war, zeigte ihr wieder, was für ein guter Mensch er war. Wieder drehte sie den Kopf nach hinten und deutete dabei mit dem Finger auf das Bild: „Das sind du und Silva-kun, richtig?“ Wieder nickte er nur knapp und schniefte dabei kurz, bevor Haruka weiterfragte: „Wer ist das Mädchen? Eine Freundin von dir?“ Ein sanftes Nicken beantwortete ihre Frage, worauf sich allerdings ein seltsames Gefühl in ihrer Brust breitmachte. Auf ihre Frage, ob die beiden noch Kontakt miteinander hätten, schüttelte Aiden nur sachte den Kopf und das Gefühl bei Haruka verflüchtigte sich ein wenig. Zwar würde sie interessieren, wie die Beziehung der beiden zueinander gewesen war, doch war das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um nachzufragen.   Um sich selbst von diesem Thema abzulenken sah Haruka zum letzten Bild, welches auf dem Schreibtisch stand und auf diesem war Aiden mit seinen Eltern, seiner Schwester und Kiara auf der Schulter zu sehen. Vorsichtig nahm Haruka das Bild in die Hand und betrachtete die Katze auf dem Foto, welche sich um den Hals ihres Besitzers gelegt hatte und insgeheim fragte sich die Brünette, ob Aiden ihr das beigebracht oder ob Kiara das einfach von sich aus getan hatte. Sachte stellte sie das Bild zurück und trat dann an das Bett heran, wo sie bemerkte, dass Aiden noch ein Bild bei sich hatte, nämlich eins von sich mit Kiara als Baby. Zwar hatte der Braunhaarige auf ihre Fragen reagiert, doch starrte er nun wieder auf das Bild und ließ den Tränen freien Lauf. Haruka wollte Aiden irgendwie helfen, doch wusste sie einfach nicht, wie sie das noch anstellen sollte. Ihr Freund war so in seiner Trauer versunken, dass er auf nichts wirklich einzugehen schien. Nicken und Kopfschütteln war die eine Sache, aber ansonsten zeigte er keine wirkliche Regung gegenüber anderen. Langsam fuhr sich die Brünette durch die Haare, als ihr einfiel, dass sie genau diesen Zustand, in dem Aiden sich jetzt befand, ebenfalls einmal durchlebt hatte. Es war ein kleiner Hoffnungsschimmer, aber vielleicht konnte sie so zu ihm durchdringen und ihn etwas ins Hier und Jetzt zurückholen. Vorsichtig setzte sie sich auf die Bettkante und sah ihren Schwarm einen Moment an, bevor sie zu sprechen begann: „Hör mal, Kurosaki-kun, ich weiß, wie du dich fühlst. Kiara war dir sehr wichtig und so jemanden zu verlieren, egal ob Mensch oder Tier, kann einen seelisch zerreißen.“ Sie hielt den Blick starr auf den Braunhaarigen gerichtet, der sie aus dem Augenwinkel ansah und etwas neugierig wirkte, weshalb sie weiterredete: „Ich war schon immer ein Vaterkind gewesen, aber das konntest du dir bei meinem Verhältnis zu meiner Mutter ja schon denken, nicht wahr? Er war mein Held und hat mich immer aufgemuntert, wenn ich traurig oder niedergeschlagen war. Besonders, wenn Mama mal wieder nicht lockergelassen hat.“ Zur Freude des Mädchens hatte Aiden ihr nun den Kopf komplett zugewandt und sah sie aus roten, verweinten Augen an.   Der Anblick zerriss ihr fast das Herz, weshalb sie erst einmal schwer schlucken musste, um sich wieder zu fangen, damit sie weitererzählen konnte: „Als mein Papa vor sieben Jahren dann verstorben war, ist für mich die Welt zusammengebrochen. Er war mein Ein und Alles gewesen und von einem Tag auf den anderen war er weg. Ich bin damals in ein tiefes Loch gefallen, aus dem ich fast nicht mehr rausgekommen wäre. In der Schule habe ich mit niemandem mehr geredet, zu Hause habe ich mich nur noch in meinem Zimmer eingeschlossen und Mama und Opa völlig ignoriert. Ich dachte mir damals, dass sie unmöglich verstehen könnten, wie es in mir aussah. Heute weiß ich, dass das komplett falsch und vor allem idiotisch von mir war. Ich war so auf mich fixiert, dass ich gar nicht gemerkt hatte, dass Mama und Opa ebenso gelitten haben wie ich. Ja, ich hatte meinen Vater verloren, aber ich habe damals nicht realisiert, dass Opa seinen Sohn und Mama ihren geliebten Ehemann verloren hatten. Worauf ich eigentlich hinauswill ist: Wenn ich damals offener für die anderen gewesen wäre, dann wäre die Zeit nicht so schlimm für mich gewesen. Sakura kannte diesen Schmerz nicht, hat aber dennoch immer versucht, mich wieder aufzubauen, auch wenn ich sie immer ignoriert habe... Das hat fast unsere Freundschaft zerstört.“ Sie brach ab und wischte sich über die Nase, da ihr von den Erinnerungen auch kurz die Tränen in die Augen gestiegen waren. Etwas unbeholfen hielt Aiden ihr ein Taschentuch hin, welches das Mädchen dankend annahm und sich erst einmal die Nase schnäuzte. Noch einmal schniefte die Brünette, bevor sie wieder zu Aiden schaute und sich leise entschuldigte: „Sorry, eigentlich wollte ich dich ja aufmuntern und jetzt heule ich auch noch. Was ich eigentlich sagen wollte ist, wenn ich mich nicht verkrochen, sondern einfach die Augen aufgemacht hätte, hätte ich gesehen, dass da jemand war, der mir hätte helfen können. Auch wenn wir nicht wirklich sagen können, wie sehr dich der Verlust von Kiara schmerzt, können wir dennoch versuchen, deinen Schmerz etwas zu lindern. Wenn du uns lässt.“   Auf die Erzählung gab Aiden nur ein leises Murren von sich, bevor er das Kinn auf seine Knie bettete und an die Wand schaute. Diese Reaktion ließ Haruka ungewollt in sich zusammensacken. Sie hatte nur helfen wollen und anscheinend hatte sie Aiden stattdessen nur genervt. Mit einem leisen Seufzer erhob sie sich vom Bett und schnäuzte sich noch einmal die Nase, bevor sie in Richtung Tür ging. „Entschuldige, falls ich dich genervt haben sollte“, murmelte sie leise und griff nach der Türklinke, als sie hinter sich das hörte, was ihr ihr Herz förmlich bis zum Hals schlagen ließ: „Du nervst mich nicht. Danke… Haruka.“ Am liebsten hätte Haruka sich umgedreht und Aiden gesagt, dass sie immer für ihn da sein würde, wenn er etwas bräuchte, doch ihr feuerrotes Gesicht und die Tatsache, dass sie kaum einen Ton herausbekam, machten das Schwierig. Mit größter Mühe brachte sie ein „Gern geschehen“ heraus, bevor sie den Raum verließ und mit in den Händen verborgenem Gesicht an der Tür nach unten rutschte. Er hatte ihren Namen gesagt. Er hatte sie wirklich mit dem Vornamen angesprochen. Sie könnte vor Freude quietschen, doch würde er das im Zimmer definitiv hören, weshalb sie schnell aufstand und in Richtung der Treppe hechtete. Es war für so ein schönes Gefühl, ihn ihren Namen aussprechen zu hören, doch wäre es ihr lieber gewesen, es wäre nicht unter solch traurigen Umständen passiert. Was im Moment aber am Wichtigsten war: Sie hatte ihn zum Sprechen gebracht. Selbst Luca hatte das nicht hinbekommen und darauf war Haruka sehr stolz. Sie hatte etwas beitragen können. Wenn sie an das Gespräch zurückdachte und ihre ersten versuche, müsste Aiden dringend mal etwas essen oder wenigstens etwas trinken, weshalb sie sich vornahm, ihm einen Tee zu kochen.   Leise summend stieg die Brünette die Treppe ins Foyer hinab, wo sie auf Miyuki, Mirai und Kako stieß. Für einen Moment hatte Haruka das Gefühl, als würde Miyuki der Hündin aus dem Weg gehen wollen, doch galt ihre Aufmerksamkeit kurz darauf besagter Hündin, welche wedelnd vor ihr zum Stehen kam. Vorsichtig strich sie dem Tier über den Kopf, bevor sie zu ihren Freundinnen schaute, welche sie erwartungsvoll anstarrten. „Ähm… ist was?“, kam es zögerlich von der Brünetten, woraufhin Mirai etwas barsch Antwort gab: „Wie geht es ihm? Du warst doch oben, um nach Aiden zu sehen.“ „Oh… Ja, richtig. Er sitzt immer noch so da, aber nachdem ich mit ihm geredet hatte und gehen wollte, hatte er zumindest »Danke« gesagt.“ „Er hat was gesagt? Also richtig gesagt oder hat er nur mit dem Kopf gewippt“, hakte die Silberhaarige nach, doch seufzte sie erleichtert, als Haruka beteuerte, dass Aiden richtige Worte benutzt hatte. „Immerhin hat das, was Haruka zu ihm gesagt hat, etwas geholfen und das ist doch das Wichtigste“, strahlte Miyuki in die Runde und erhob sich, um sich zu strecken: „Ich mache mir einen Tee. Wollt ihr auch was?“ „Ich wollte gerade welchen machen, dann setze ich für dich auch welchen auf“, gab die Brünette zurück und ging schon zur Küche, als ihr Blick zur Haustür ging, welche sich öffnete und Luca zeigte, der mit einem leichten Winken eintrat: „Buenos noches, mis tres adorables señoras.“ „Sprich so, dass wir dich auch verstehen, Silva“, murrte Haruka und sah den Braunhaarigen an, der an der Sitzgruppe herantrat und dann erst auf Kako schaute, die sich penetrant vor ihn setzte und ihn anbellte: „Oh, mein Fehler. Mis cuatro adorables señoras.“ Zufrieden bellend trottete Kako zu ihrem Frauchen zurück und setzte sich vor diese, um Luca anzuschauen, wie es der Rest ebenfalls tat.   „Habt ihr was herausfinden können, Silva-kun?“, durchbrach Miyuki nach einer Weile die Stille und sah den Jungen erwartungsvoll an, der sich allerdings erst auf einem Sessel niederließ: „Es scheint so, als wäre tatsächlich Tanaka das Opfer. Sie ist seit einer Woche nicht zu Hause gewesen und diese Detektivin ist auch schon darauf aufmerksam geworden.“ „Oh nein… Hat sie Setsuna gesehen?“, erkundigte sich Haruka, doch schüttelte Luca nur den Kopf und erzählte weiter: „Nope. Sie hat ihn nicht gesehen, weil ich selbst gegangen bin. Zu mir hat sie keine Verbindung und kann auch keine zu euch herstellen. Ich war kein Opfer, ich wohne nicht im Wohnheim und ansonsten bin ich recht unauffällig… Ihr wisst, was ich meine!“ Bei dem Wort „unauffällig“ hatten alle drei Mädchen die Augenbrauen gehoben, was dem Jungen doch etwas missfallen war, doch winkte er nur mit der Hand ab und gab im Schnelldurchgang wieder, was er gehört und erfahren hatte. Nach der Erzählung legte Haruka die Stirn in Falten und verschränkte die Arme vor der Brust: „Der Vater hat der Mutter gegenüber das Verschwinden seinen Tochter verschwiegen? Das klingt schon ziemlich suspekt, wenn ihr mich fragt.“ „Aber echt. Er hätte sie eigentlich sofort kontaktieren müssen“, stimmte Miyuki zu und murmelte leise vor sich hin, dass da eine Verschwörung im Gange sein könnte, doch dann berichtete Luca, was Aikos Mutter von Beruf war. Diese Information sorgte bei den Mädchen für noch mehr Kopfzerbrechen, denn nun wussten sie wirklich nicht mehr, wo sie ansetzten sollten.   Nach einer kurzen Diskussion hatten sich alle vier Teenager in Schweigen gehüllt, welches allerdings von Mirai nach kurzer Zeit wieder durchbrochen wurde: „Okay, wir wissen, dass Tanaka da drüben ist, also treten wir in Aktion. Jetzt brauchen wir nur noch etwas, womit Kako uns zu ihr führen kann.“ Erwartungsvoll gingen alle Blicke zu Luca, der allerdings etwas verdutzt dreinschaute und den Kopf neigte: „Was guckt ihr denn so?“ „Du hättest nach etwas Ausschau halten können, was wir nutzen können, Silva-kun“, murrte Haruka und seufzte leise, als ihr im nächsten Moment die Augen übergingen. Mit einem verschmitzten Grinsen hatte Luca den Haarreif mit dem blauen Schmetterling aus seiner Tasche gefischt und auf den Tisch gelegt: „Reicht dir das, Tenno?“ „Ist das der Haarreif, den sie auf dem Ausflug getragen hat?“, erkannte Miyuki den Reif als Aikos Eigentum, was von Luca mit einem leichten Nicken bestätigte und dann ernst wurde: „Ich fühle mich nicht gerade gut, dass ich ihren Haarreif geklaut habe, aber wir haben keine andere Wahl. Ich schlage vor, wir gehen morgen rüber und suchen nach ihr.“ „Klingt nach einem Plan. Ich hoffe nur, dass Aiden-kun sich bis dahin wieder fängt“, murmelte Miyuki und sah in Richtung der Treppe, was ihr ihre Freunde gleichtaten. Zwar waren sie voller Zuversicht, dass sie Aiko würden helfen können, allerdings wurde diese Zuversicht durch die Sorge um ihren Freund stark getrübt. Kapitel 55: LV – Ein anderer Gast --------------------------------- ~~~Sonntag 26. Juni 2016~~~ ~~~Yaso Inaba~~~   Eigentlich war der Sonntag der Tag in der Woche, an dem man als Schüler mal ausschlafen konnte, doch galt dies nicht für einen Jungen mit weißen Haaren, der sich um kurz nach sieben in seinem Bett aufsetzte. Leise murrend fuhr er sich durch die Haare und warf einen Blick auf sein Handydisplay, um nach der Uhrzeit zu sehen, auf welche er einen weiteren, verstimmten Laut von sich gab. Er hätte noch so viel länger schlafen können, doch das lauter Geratter, welches aus einem der Nachbarzimmer kam, machte es ihm unmöglich, sich weiter dem wundervollen Schlaf hinzugeben. Da er ohnehin keine andere Wahl hatte, stieg der Weißhaarige von seinem Futon und streckte sich erst einmal ausgiebig, bevor er zu einer kleinen Wasserschüssel in der Ecke seines Zimmers ging und sich eine Hand voll der klaren Flüssigkeit ins Gesicht warf. Das kühle Nass half ihm, schneller wach zu werden, weshalb er sich einen kleinen Spiegel von seinem Schränkchen griff und einen Blick hineinwarf. Er fühlte sich deutlich wacher als er aussah, denn sein Spiegelbild sah ihm mit müden, rotbraunen Augen entgegen, welche für ihn allerdings nicht ungewöhnlich waren. Er erweckte immer den Eindruck, als würde er jeden Moment einschlafen und leider war das in der Schule schon mehr als einmal vorgekommen, dass er im Unterricht eingenickt war. Einen guten Ruf bekam er dadurch nicht, allerdings legte er darauf auch keinen Wert. Mit einem weiteren Brummen zog er seine Zimmertür auf, wodurch das Rattern noch lauter zu ihm hereinhallte und schlurfte in Richtung Küche, wo er am Tisch auf eine ältere Dame von 70 Jahren traf, welche seelenruhig an ihrem Tee nippte und anscheinend dem Geräusch im Hintergrund lauschte.   Kaum war der Weißhaarige eingetreten, wandte die Frau ihm den Kopf zu und lächelte freundlich: „Guten Morgen, Yuu-chan.“ „Ohayo, Obaa-san“, gab er zurück und ließ sich am Tisch nieder, woraufhin seine Großmutter sofort aufstand und begann, ihm sein Frühstück zu servieren. Immer noch im gefühlten Halbschlaf betrachtete er sein traditionelles, japanisches Frühstück und wäre beim Anblick des großen Tofuwürfels in seiner Misosuppe am liebsten aus der Küche geflüchtet. Er verabscheute dieses Zeug und verstand leider nicht, wie seine Großmutter so verrückt danach sein konnte. Allerdings waren ihm die alten, japanischen Werte in seiner Kindheit äußerst harsch eingebläut worden, weshalb er seinen Frust hinunterschluckte und die Handflächen aneinanderlegte: „Itadakimasu.“ Während er zu essen begann, nahm seine Großmutter wieder neben ihm Platz und goss sich einen weiteren Tee ein, welchen sie sich wohlig seufzend schmecken ließ: „Gibt es etwas schöneres, als an einem sonnigen Sonntagmorgen mit meinem geliebten Enkel zusammen zu frühstücken und meiner Enkelin bei der Arbeit zuzuhören?“ Auf die Frage brummte der Weißhaarige nur kurz, doch reichte das seiner Großmutter, um seinen Einwand zu verstehen: „Weißt du, Yuuto, zu meiner Zeit war diese Geräuschkulisse am Morgen völlig normal.“ „Mhm“, brummte er und schon sich einen Klumpen Reis in den Mund, den er genüsslich kaute und dabei den Blick seiner Großmutter auf sich spürte. Sie wollte etwas von ihm, das war klar, allerdings war sie so höflich, ihn zuerst aufessen zu lassen, was er seiner Oma auch zugutehielt.   Nachdem er aufgegessen hatte, legte er wieder die Hände zusammen und verneigte sich, bevor er seine Stäbchen auf seine Schüssel legte und sich dann an die alte Dame wandte: „Stimmt etwas nicht, Obaa-san?“ „Nein, alles gut. Es ist nur so, dass ich einen dieser komischen, elektronischen Briefe auf dieses Ding bekommen habe und nicht weiß, wie ich ihn öffnen soll“, erläuterte die Frau ihr Problem, welches ihren Enkel beinahe hätte laut auflachen lassen. Vor zwei Jahren hatten er und seine Schwester ihrer Großmutter einen Laptop zum Geburtstag geschenkt, damit die Frau nicht mehr ganz so hinter dem Berg lebte, allerdings stand sie seit dem ersten Tag mit dem Gerät auf dem Kriegsfuß. „Du meinst, dass du eine E-Mail bekommen hast, ja? Gib mal her, ich schau es mir an“, stimmte der Junge zu und wartete, bis die Dame besagtes Gerät aus dem Nachbarzimmer geholt und vor ihm auf dem Tisch platziert hatte. Mit einem Druck auf die Power-Taste fuhr der Laptop hoch und Yuuto konnte die Abneigung seiner Oma an ihrem Gesichtsausdruck deutlich erkennen. Sie verabscheute diesen neumodischen Kram, wusste allerdings auch, dass er in der heutigen Zeit ohne Elektronik fast nicht mehr ging, weshalb sie sich zwar beschwerte, aber bei Bedarf einfach ihre Enkel damit arbeiten ließ.   Während er sich durch das E-Mail-Programm seiner Oma kämpfte, welches vor irgendwelchen Spam-Nachrichten nur so überquoll, ging die Küchentür auf und eine junge Frau Anfang 20 kam hereingeeilt. Wenn es eine Person auf der Welt gab, auf die diese klischeehaften Modelmaße 90-60-90 zutrafen, dann war es Yuutos ältere Schwester Raissa, welche nacheinander die Schubladen aufzog und bei der vierten eine große Schere hochhielt. „Haha, habe ich dich gefunden, du kleiner Schelm. Und dir einen wunderschönen guten Morgen, mein süßer Yuutoto“, säuselte die junge Frau und strich sich eine Strähne ihren strahlendweißen Haaren aus dem Gesicht, bevor sie sich hinter ihren Bruder stellte und ihre blauen Augen über den Bildschirm huschen ließ: „Darfst du wieder Omas Kram erledigen? Wundert mich übrigens, dass du schon wach bist, du kleiner Langschläfer.“ Auf die Aussage machte Yuuto erst einmal einen Rassellaut mit dem Mund nach, bevor einen Stoß Spam-Mails löschte: „Obaa-san meinte, dass sie eine E-Mail bekommen hat und ich versuche, diese in diesem Haufen zu finden und ich bin wach, weil ein gewisser Jemand meinte, bereits am frühesten morgen mit der Nähmaschine das Haus abreißen zu müssen.“ Bei dem Wort »Jemand« warf er seiner älteren Schwester einen bösen Blick zu, welche aber nur kicherte und sich neben ihn setzte, um ihn in den Arm zu nehmen: „Ach, du altes Grummelbärchen. Ich hatte eine neue Idee für einen Entwurf und wollte diesen sofort umsetzen. Leider wurde ich ganz böse von der Schere gefoult, weil bei meiner plötzlich ein Griff abgebrochen ist.“ „Oh, diese böse Schere“, säuselte Yuuto sarkastisch, wofür er eine sanfte Kopfnuss bekam: „Ey, veräppeln kann ich mich selbst. Hast du mittlerweile was gefunden?“ „Jop, eine Mail von einer Freundin von Oma. Geht mich nichts an, aber sie kann es ja lesen. Nanu? Eine Mail vom Anwalt“, wunderte sich der Weißhaarige und klickte auf die E-Mail, um den Inhalt in Erfahrung zu bringen.   Sheena, wie die Großmutter der beiden Weißhaarigen hieß, setzte sich wieder an den Tisch und hob skeptisch eine Augenbraue: „Was will denn ein Anwalt von mir?“ „Hast du deine Steuern hinterzogen, Oma?“, scherzte Raissa und kicherte bei dem empörten Blick ihrer Großmutter, während Yuuto eher trocken blieb: „Dann würde sich eher das Finanzamt melden und nein, Oma macht ihre Steuererklärungen, Onee-chan.“ Mit einem langgezogenen „Spaßbremse“ pikste Raissa ihrem Bruder in die Seite und sah dann wieder auf den Bildschirm, dem sich Yuuto schon die ganze Zeit widmete: „Es geht um eine Erbangelegenheit.“ „Oma hat was geerbt? Wer ist denn gestorben?“, konnte sich Raissa ihren Kommentar nicht verkneifen und sah neugierig zu ihrer Großmutter, welcher etwas an ihren Händen abzählte und dann den Kopf schüttelte: „Also meine engsten Freunde leben alle noch, von daher weiß ich beim besten Willen nicht, wer mir etwas vererben sollte. Steht dazu etwas drin, Yuuto?“ „Mal sehen… Oh, es geht um das Erbe von Mama und Papa“, kam es irgendwann von dem Jungen, welcher leicht die Hände zu Fäusten ballte und sich auf die Unterlippe biss. Raissa nahm ihn schnell in den Arm und las die Mail selbst durch, wobei sie der Inhalt erstaunte: „Ach, das ist die Geschichte, wo dieser miese Immobilienfritze uns um unser Erbe prellen wollte. Scheinbar hat das Gericht zu unseren Gunsten entschieden und deshalb erben wir das Haus von Mama und Papa.“   Die Familie sah sich einen Moment an, bevor Sheena sich langsam erhob und ans Fenster trat, um in den Garten zu schauen: „Ein Haus, hm? Kinder, was wollt ihr in diesem Fall tun?“ „Wie meinst du das, Obaa-san?“, hakte Yuuto nach und sah zu seiner Großmutter, die die Hände hinter dem Rücken verschränkt hatte und leise summte: „Naja, das Haus von Arata liegt in der Stadt und ich glaube, dass die Stadt eher etwas für euch ist als dieses Landkaff hier.“ „Willst du uns rauswerfen, Oma?“, stichelte Raissa etwas und entlockte ihrer Großmutter einen äußerst empörten Laut: „Ich verbitte mir jeden Kommentar in dieser Richtung, junges Fräulein. Ich würde niemals in Erwägung ziehen, auch nur einen von euch vor die Tür zu setzen, allerdings bin ich der Meinung, dass ihr in der Stadt eine bessere Chance auf ein gutes Leben hättet. Zumal ich sehe, dass ihr beiden nicht so begeistert von Inaba seid.“ „Du bist doch diejenige, die sich über die Polizei aufgeregt hat, weil da anscheinend Mörder drin sind. Auch wenn das schon fünf Jahre her ist und Adachi-san gar nicht so übel ist“, murmelte Yuuto leise, als er sich an eine Mordserie im Ort dachte, welche sich vor einigen Jahren ereignet und der Täter sich als Mitglied der Polizei herausgestellt hatte. Den Kommentar hatte Sheena aber anscheinend nicht gehört, denn sie redete munter weiter: „Ich frage euch, weil ich wissen möchte, was ihr tun wollt. Natürlich würde es mich freuen, wenn ihr hier bei mir bleibt, allerdings kann ich euch auch nicht zwingen. Yuutos Vormund bist immerhin du, Raissa.“ Die beiden Geschwister sahen sich einen Moment an, bevor der Junge sich leicht zurücklehnte und den Kopf schief legte: „Wenn wir wirklich in Erwägung ziehen würden, in das Haus von Mama und Papa zu ziehen, würdest du dann mit uns in die Stadt kommen?“ Auf die Frage musste die Dame erst einmal nachdenken, denn tatsächlich hatte sie bereits darüber nachgedacht, was sie an diesem Tag tun würde.   Da Sheena in Gedanken versunken war, wandte sich Yuuto an seine Schwester: „Für deinen Berufswunsch wäre die Stadt wirklich die bessere Anlaufstelle, Onee-chan.“ „Schon, aber was ist denn mit dir und der Schule? Du müsstest dich von all deinen Freunden verabschieden. Ganz zu schweigen davon, dass Oma uns da vermutlich eingehen würde, falls sie mitkäme“, murmelte die Frau und wiegte nachdenklich den Kopf hin und her, zog diesen im nächsten Moment allerdings ein, als ihre Großmutter laut wurde: „Wer geht hier ein? Ich bin keine Topfpflanze, Raissa. Außerdem habe ich bereits einen Plan für den Fall, dass ich in die Stadt ziehe.“ „Hast du?“, kam es synchron von den Geschwistern, was die alte Frau erheitert Glucksen ließ: „Natürlich. Zu dem Haus gehört immerhin das Teehäuschen von Asuna und wenn ich ehrlich bin, würde ich den Umzug sogar bevorzugen. Eure Eltern haben so viel Blut, Schweiß und Tränen in das Haus und den Laden gesteckt, da wäre es eine Beleidigung ihres Vermächtnisses, diese verkommen zu lassen.“ „Also… war deine Frage, ob wir umziehen rein rhetorisch, weil du es ohnehin vorhattest?“, schlussfolgerte Yuuto und musterte seine Oma, die ihm ruhig erklärte, dass sie immer noch auf die Entscheidung ihrer Enkel warten würde, schließlich sei der Laden nur Plan B.   Für einen Moment sahen Yuuto und Raissa sich an, bevor die Ältere in die Hände klatschte: „Also, so wie ich das sehe, wäre ein Umzug in die Stadt für jeden was Gutes. Oma, ich weiß wirklich zu schätzen, was du für uns tust und ich verspreche, dass wir dich im Laden nicht alleine lassen werden.“ „Pah, lern erst einmal, wie man richtig Tee kocht, Raissa. So bekommst du niemals einen Ehemann“, stichelte die Alte zurück und verließ lachend die Küche, während Raissa aussah, als würde sie jeden Moment losschreien: „Diese alte Schachtel. Wo hat die so einen Konter her?“ „Naja, von jemandem musst du es ja haben, oder? Papa war nicht so drauf“, witzelte Yuuto leicht und erntete ein sanftes Nicken seiner Schwester: „Stimmt wohl. Tja, ich denke mal, dass Oma die Sache mit dem Umzug selber regelt, also müssen wir warten. Ich wollte gleich noch in die Einkaufsmeile, um neuen Stoff zu kaufen. Magst du mich begleiten?“ Kurz überlegte der Weißhaarige, ob er zustimmen sollte, bevor er dies mit einem Kopfnicken auch tat: „Klar, warum nicht. Hab eh nichts zu tun. Ausschlafen wird mir ja nicht gegönnt.“ Das letzte hatte er leise gemurmelt, doch hatte Raissa es genau gehört und verwuschelte ihm die Haare: „Dann hopp, du Schlafmütze! Duschen, anziehen und wenn‘s geht mit Tempo!“   Eine halbe Stunde später schlenderte das Geschwisterpaar durch die Einkaufsmeile von Inaba, wobei Yuuto eher teilnahmslos nebenherlief und Raissa ihre Einkaufsliste durchging: „Ich brauche noch den violetten Stoff, roten und blauen Garn. Eine Ersatzschere wäre bestimmt hilfreich.“ Die Art und Weise, wie seine Schwester ihre Einkäufe noch während der Tour stetig über den Haufen warf und am Ende dennoch alles hatte, was sie brauchte, erstaunten ihn jedes Mal aufs Neue. Er selbst war eher der Typ, der zehnmal alles durchging, dann einkaufen ging und nach dem Heimkommen feststellte, dass er dennoch noch was vergessen hatte. Im Moment interessierte ihn allerdings etwas anderes, was er auch zur Sprache brachte: „Sag mal, Onee-chan, warum gehst du eigentlich in die Einkaufsmeile und nicht in den Junes Store? Da dürfte es eine größere Auswahl geben.“ „Mag sein, aber ich bevorzuge den persönlichen Kontakt mit dem Händler, daher ist »Tatsumi Textiles« meine erste Wahl. Ich frage mich, ob Tatsumi-san mir die Stoffe später auch per Post in die Stadt schicken würde“, überlegte die junge Frau laut und tippte sich nachdenklich ans Kinn, was dem Weißhaarigen nur leise „Fragen kostet nichts“ entlockte.   Die Einkaufsmeile war, trotz der Tatsache, dass es Sonntagvormittag war, recht gut besucht, weshalb Yuuto mehr als einmal ein paar seiner Schulkameraden sah, die ihm aber nicht wirklich Beachtung schenkten. Zwar schmerzte es, so von anderen behandelt zu werden, allerdings empfand er es besser so als sich Leuten aufzuzwingen, die einen nicht wollten. Fast so, als ob Raissa seine Gedanken gelesen hätte, ging sie auf das Thema ein: „Mach dir nichts draus, Yuuto. Die Typen wissen nicht, was sie verpassen, wenn sie dich nicht als Freund haben wollen.“ „Danke, Onee-chan, aber vielleicht bin ich einfach nicht der Typ für Freunde“, mutmaßte der Weißhaarige, doch ließ seine Schwester diesen Kommentar gar nicht zu: „Erzähl doch keinen Käse. Ich kann dir sofort zwei sehr gute Beispiele nennen, die bezeugen, was du für ein toller Freund bist.“ Fragend hob der Junge eine Augenbraue und sah die Frau neben sich an, welche breit grinste und bei ihrer Aufzählung erst den Zeige- und dann den Mittelfinger hob: „Yukiko und Riku. Beide wissen, was für ein toller Kerl du bist und du musst nur mehr Leute von diesem Schlag finden.“ „Wäre es dann nicht einfacher, mich einfach auf die Shujin Academy wechseln zu lassen?“, teilte Yuuto seinen neu aufgekommenen Gedanken mit, doch war ihm auch schon klar, warum das nicht passieren würde. Vor knapp zwei Monaten hatte an der Schule, auf welche seine beiden besten Freunde gingen ein Lehrer gestanden, weibliche Schüler missbraucht und männliche Schüler körperlich misshandelt zu haben. Ganz zu schweigen davon, dass dieser Lehrer auch dafür verantwortlich war, dass sich ein Mädchen vom Dach der Schule gestürzt hatte, um sich umzubringen. Es grauste ihm noch immer, wenn er an die Dinge zurückdachte, die seine Freundin Yukiko ihm erzählt hatte und auch, wie seine Oma fast an die Decke gegangen war, als sie das in den Nachrichten gehört hatte. Zum Glück hatte seine Freundin nichts mit diesem Lehrer zu tun gehabt und war deshalb nicht in sein Visier geraten. Sein Freund Riku dagegen hatte dieses Glück leider nicht gehabt und war in seinem ersten High School Jahr in genau dem betroffenen Sportteam gewesen. Während er so darüber nachdachte, hatte er in den letzten Monaten von Riku so gut wie gar nichts gehört. Yukiko meldete sich regelmäßig bei ihm und erkundigte sich nach seinem Wohlbefinden, was ihn doch sehr glücklich machte. Zwar witzelte Raissa immer wieder, dass er eigentlich eine Fernbeziehung mit Yukiko führen würde, doch empfand er für seine rothaarige Freundin eher geschwisterliche Gefühle.   Yuuto war so in seinen Gedanken gewesen, dass er gar nicht mitbekam, wie Raissa bereits zum fünften Mal seinen Namen rief und ihm am Ende hart gegen den Oberarm knuffte: „Yuuto, bist du über dem Laufen eingeschlafen?“ „Was? Nein, bin ich nicht. Ich habe nur gerade über was nachgedacht“, gestand der Junge und schob die linke Hand in seine Hosentasche, während er sich mit der rechten seinen langen roten Schal, welcher er zu jeder Jahreszeit trug, über den Mund zog. Seine Geste wurde neugierig beobachtet, weshalb die junge Frau einen neugierigen Laut von sich gab und ihm sanft in die Seite piekte: „Friss doch nicht immer alles in dich rein. Rede mit mir, wenn dich etwas bedrückt.“ „Ich habe nur gerade daran gedacht, was in der Schule von Yukiko und Riku abgeht und daran, dass Riku sich schon eine Weile nicht mehr gemeldet hat. Ich schreibe ihm gleich mal“, entschied er für sich selbst, als sie bei dem Laden ankamen, in welchem seine Schwester immer die Materialien für ihre modischen Schöpfungen erwarb. In dem Laden saß eine Frau mit grauen, zu einem Dutt gebundenen Haaren in einem grünen Kimono und verabschiedete gerade eine ältere Dame, bevor sie den Blick auf die beiden neuen Kunden richtete: „Raissa-chan, Yuuto-chan, guten Morgen. Was kann ich heute für euch tun.“ „Eine ganze Menge, Tatsumi-san. Hier ist meine Liste, haben Sie alles davon da?“, erkundigte sich die junge Frau und ließ sich sofort von der Besitzerin bedienen und beraten, was sie eventuell an Stoffen austauschen konnte.   Yuuto selbst inspizierte das kleine Geschäft und blieb vor einem Stand mit kleinen Stoffpuppen stehen, welche man perfekt als Schlüsselanhänger tragen konnte. Die ganzen Figuren, welche alle möglichen Arten von niedlichen Tieren wie Hasen, Füchsen und Katzen abbildeten, waren für Mädchen ein absolutes Muss und wie er von der Besitzerin gehört hatte, waren sie auch ein echter Kassenschlager. Zu seinem Erstaunen hatte er damals erfahren, dass der Sohn von Frau Tatsumi, welcher früher einen schlechten Ruf als Rocker hatte, diese Figuren fertigte. Vorsichtig hob er eine der Stofffiguren hoch und drehte sie in den Händen, wobei er sich fragte, ob diese seinen Freunden eventuell gefallen könnten. Yukiko war schon immer ein Katzenmensch gewesen, doch was für tierische Vorlieben Riku hatte, konnte er gar nicht sagen, aber mit einem Hasen konnte man nie etwas falsch machen. Mit den zwei Figuren in der Hand ging er zu der kleinen Kasse, an welcher auch seine Schwester mittlerweile stand und ihren Berg an Einkäufen in mehrere Taschen stopfte: „Hast du alles, was du brauchst, Onee-chan?“ „Nicht ganz, eine größere Tasche wäre nicht schlecht. Was hast du denn da? Oh Gott, wie süß!“, schwärmte die Ältere sofort für die Figuren, welche Yuuto der Besitzerin zum Kassieren gab: „Kanji liebt es, diese kleinen Figuren zu machen und sie sind oftmals schneller weg, als ich Nachschub von ihm bekomme.“ „Jetzt wo Sie es erwähnen: Wo ist Tatsumi-kun eigentlich? Ich habe ihn schon seit einer langen Zeit nicht mehr gesehen“, erkundigte sich Raissa nach dem Sohn, der auch ungefähr in ihrem Alter war. Wie die Frau erklärte, kam Kanji nur noch sporadisch nach Hause, da er im Moment in Kagaminomachi lebte und dort in einem Textilgeschäft arbeitete. Yuuto fand es einfach beeindruckend, dass der junge Mann es neben seinem normalen Leben und der Arbeit noch schaffte, den Laden seiner Mutter mit diesen Figuren zu unterstützen. Oftmals war an Leuten mehr dran, als man es auf den ersten Blick vermuten würde.   Kaum hatte Yuuto seine eigenen Einkäufe in der Hand, drückte Raissa ihm zwei ihrer insgesamt sechs Tüten in die Hand: „Kannst du die schon mal mit nach draußen nehmen? Ich will noch kurz wegen der Lieferung fragen.“ „Okay, ich gehe mir solange was zu trinken holen“, brummte der Junge, welcher es überhaupt nicht toll fand, jetzt als Packesel missbraucht zu werden, doch schluckte er den Kommentar hinunter und verließ mit den zwei Tüten den Laden. Langsam spazierte er die Einkaufsmeile hinunter und genoss die warme Sonne auf seinem Gesicht, bevor er an einer Holzbank halt machte und die Einkäufe darauf abstellte. Schnell zückte er seinen Geldbeutel und trat an den Getränkeautomaten, welcher neben der Holzbank stand, um sich etwas gegen den Durst zu kaufen. Nach kurzem Überlegen hatte er sich für zwei Getränke entschieden und wartete einen Moment, bis die Maschine die Dosen ausgab. Sein eigenes Getränk ließ er sich sofort schmecken, während er das für seine Schwester auf die Bank neben die Taschen stellte. Die kühle Erfrischung tat ihm wirklich gut und er genoss die Ruhe ein wenig, als er hinter sich das leise Läuten eines Glöckchens vernahm. Ungewollt verzog er leicht das Gesicht und blieb starr stehen, doch konnte er ganz deutlich den Blick spüren, der sich gerade in seinen Rücken bohrte. Nach gefühlt einer Minute seufzte er müde auf und warf einen Blick über die Schulter, wo er genau die Person erblickte, die nicht sehen wollte. Hinter Yuuto stand eine junge Frau mit hüftlangen, platinblonden Haaren und bernsteinfarbenen Augen in einem Kimono in verschiedenen Blautönen. Wie die Male zuvor wunderte sich der Junge darüber, dass die Frau barfuß über den Gehweg spazierte, der bei diesen Temperaturen die Fußsohlen regelrecht braten müsste.   Die junge Frau strich sich ihren Kimono glatt und ließ dabei die zwei Glöckchen, welche an ihrer Schärpe befestigt waren, erneut läuten, bevor sie das Wort ergriff: „Ich wünsche dir einen wunderschönen Sonntag, Yuuto-sama.“ „Er war besser, als du noch nicht da warst“, murmelte der Weißhaarige vor sich hin und trank wieder einen Schluck aus seiner Dose, bis er merkte, dass die Blondine immer noch hinter ihm stand: „Kann ich was für dich tun, dass du immer noch hinter mir stehst?“ „Aiden-sama ist wesentlich höflicher als du. Mein Meister erwünscht ein Gespräch mit dir. Könntest du ein paar Minuten deiner Zeit entbehren?“, erkundigte sich Amalia und deutete auf eine blau schimmernde Tür, welche mitten auf dem Gehweg schimmerte. „Nein danke, ich habe kein Interesse an einem Gespräch mit deinem Meister und das kannst du ihm auch gerne ausrichten“, lehnte Yuuto die Anfrage ab, was die Blondine kurz stutzen ließ: „Habe ich dich mit einer meiner letzten Anfragen vielleicht beleidigt, Yuuto-sama? Sollte dies der Fall sein, bitte ich höflichst um Verzeihung.“ Bei ihrer Entschuldigung verneigte sie sich so tief sie konnte, was ihrem Gesprächspartner einen genervten Laut entlockte. Diese Frau hatte ein Talent dafür, ihm ein schlechtes Gewissen einzureden, auch dann, wenn er eigentlich im Recht war. Das hier war bereits das 17. Mal, dass sie ihn wegen dieser Sache ansprach und langsam ging es ihm wirklich auf die Nerven. Auf der anderen Seite tat es ihm auch irgendwie leid, seinen Frust an der Blondine auszulassen, immerhin agierte sie ja nur als Bote und konnte nichts dafür, dass dieser »Meister« die ganze Zeit mit ihm reden wollte. Mit einem letzten Zug leerte er seine Dose und griff dann nach den Einkäufen, bevor er sich an Amalia wandte: „Wenn ich jetzt mit ihm rede, wirst du dann aufhören, mich dauernd danach zu fragen?“ „Du empfindest das Überbringen eines Gesuchs meines Meisters als nervig? Dabei handelt er doch nur in deinem Sinne“, sinnierte die Blondine und sah nachdenklich in den Himmel, während der Weißhaarige den Kopf hängen ließ und leise murmelte: „Es nervt schon ganz schön… Mach bitte einfach die Tür auf, damit ich dieses Gespräch hinter mich bringen kann.“ „Sehr wohl, Yuuto-sama“, verneigte sich die Frau erneut und trat an die leuchtende Tür, durch welche er nach einem kurzen Zögern trat und sich auf das Gespräch mit dem Meister dieses sonderbaren Raumes gefasst machte.   ~~~Velvet Room~~~   Langsam schritt ich über den blauen Teppich auf einen runden Tisch mit einer Couch und einem Stuhl zu, während in meinen Ohren eine sanfte Arie erklang. Ich hatte diesen Ort erst einmal betreten und wenn ich ehrlich bin, hatte mir das auch gereicht. Es lag nicht daran, dass der Ort mir nicht gefallen würde, denn optisch erinnerte dieser skurrile Raum an ein Observatorium und besaß passend dazu ein riesiges Teleskop. Zu gerne hätte ich da mal einen Blick hindurchgeworfen, aber vermutlich würde ich dazu keine Chance bekommen und diesen seltsamen Kerl danach zu fragen kam für mich auch nicht wirklich in Frage. Hier stand ich nun und sah mich erneut diesem kleinen Mann mit seiner riesigen Nase gegenüber, der mich mit einem fast schon wahnsinnigen Blick ansah: „Willkommen im Velvet Room, mein junger Freund. Es freut mich, dass du meiner Einladung endlich gefolgt bist.“ Unsicher, was ich darauf antworten sollte, zog ich mir einfach meinen Schal über den Mund und nickte nur knapp, was den Mann wieder so seltsam Grinsen ließ: „Wie mir scheint, bist du immer noch nicht bereit, dein Schicksal zu akzeptieren.“ „Vielleicht würde ich das, wenn du mir eine richtige Antwort geben würdest“, murmelte ich in meinen Schal und sah auf den Stuhl, den mir Igor freundlich anbot und es wäre unhöflich, stehen zu bleiben, weshalb ich mich dann doch hinsetzte.   Diese Geschichte von wegen, dass ich einen Vertrag mit meinem Schicksal eingegangen wäre und deshalb diesen Raum betreten könne, hatte mir Igor bereits beim letzten Mal erzählt. Da ich allerdings keine anständige Erklärung von ihm bekam oder weitere Details, um was es sich bei meinem Schicksal handele, sah ich keinen Grund, mich weiter damit zu befassen. Schließlich hatte ich in meinem Leben schon genug um die Ohren, als dass ich mich noch mit solchen Hiobsbotschaften herumschlagen musste. Das leise Klingeln von Amalisas Glöckchen ließ mich aufschauen und die Blondine ansehen, die sich hinter die Couch von Igor stellte: „Mein Meister ist hier, um dich auf deinem Weg zu leiten und dich für die dir bestimmte Aufgabe zu wappnen, Yuuto-sama. Du musst keine Angst haben.“ „Ich habe keine Angst“, sprach ich die Wahrheit aus, denn Furcht verspürte ich bei diesem Thema ganz und gar nicht, es nervte mich eher. Oftmals glaubten Leute daran, dass alles im Leben vorherbestimmt sei und alles, was geschah, einen Sinn hätte. Wenn ich so an meine Kindheit dachte, fragte ich mich bis heute, was der Tod meiner Eltern für einen Grund gehabt haben sollte.   Igor musterte mich weiterhin mit seinem irren Grinsen, bevor er leicht mit der Hand gestikulierte: „Auch, wenn du dich selbst noch dagegen sträubst, hast du unbewusst bereits vor unserem ersten Treffen die ersten Schritte getan und heute hat sich der Weg gefestigt.“ Jetzt hatte er doch meine Neugierde geweckt. Was hatte ich bitte getan, um die »ersten Schritte« gegangen zu sein oder um den Weg zu festigen? Meine Tage verliefen grundsätzlich gleich: Aufstehen, Schule, Hausaufgaben, mein Training außerhalb der Schule und Schlafen. Ich besuchte keine Schulclubs oder so etwas, also was könnte ich getan haben? Erst wollte mir partout nichts einfallen, bis ich an die E-Mail und das Gespräch von heute Morgen dachte. Wie von selbst kamen mir die nächsten Worte über die Lippen: „Der Umzug…“ „Die Sterne sind dir wohlgesonnen, Yuuto-sama. Bitte weiche nicht, sondern schreite mutig voran“, philosophierte die Blondine und ich konnte nur erneut an meinem Schal herumspielen. Als ob ein Umzug so viel an meiner Situation ändern würde. Vermutlich würde meine neue Schule genauso werden, wie es die Yasogami High jetzt war. Mit einem leisen Seufzer sah ich zu den beiden Personen und erhob mich dann: „Wenn ich das richtig sehe, wirst du mich vermutlich wieder in diesen Raum bringen, wenn ich nach Iwatodai gezogen bin, korrekt?“ „Oh, ich werde dich keineswegs hierherbringen. Es steht dir frei, den Velvet Room nach deinem eigenen Willen zu betreten und zu verlassen“, gab Igor zurück und grinste mich an, was mir langsam einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Ich wollte Igor eigentlich noch etwas zu Iwatodai fragen, doch begann der Raum plötzlich, sich langsam aufzulösen. „Wie mir scheint, ist unsere Zeit für heute bereits vorbei. Ich sehe unserem nächsten Treffen entgegen. Bis dahin, Lebe wohl“, verabschiedete sich Igor von mir und noch bevor ich etwas sagen konnte, war der Raum verschwunden und mir wurde schwarz vor Augen.   ~~~Yaso Inaba~~~   Erschrocken fuhr Yuuto hoch, als ihm jemand auf die Schulter klopfte und nach ihm rief: „Oi, Yuuto! Hey, schläfst du?“ Hastig fuhr der Weißhaarige herum und sah sich einer jungen Frau mit kurzen, braunen Haaren in einer grünen Trainingsjacke gegenüber, die ihn besorgt musterte und ihm dann eine Hand an die Stirn legte: „Fühlst du dich nicht gut? Du bist ganz blass. Ich kann es nicht gebrauchen, dass mein Starschüler krank wird.“ „N-nein, mir geht es gut. Trotzdem danke für deine Sorge, Satonaka-sensei“, schüttelte der Junge schnell den Kopf und sah an der Brünetten vorbei, die die Arme vor der Brust verschränkte und ihn skeptisch musterte. Der Blick hielt aber nicht lange, denn sie zuckte im nächsten Moment mit den Achseln: „Wenn du meinst, Yuuto. Ich habe dich die letzten Male nicht beim Training gesehen. Ich hoffe doch, du kommst heute Abend.“ „Oh… Ich hatte in den letzten Tagen ein bisschen viel zu tun und irgendwie fehlt mir die Motivation in letzter Zeit“, gestand er leise, bevor er wieder zu der jungen Frau sah: „Ich werde vermutlich überhaupt nicht mehr in das Dojo kommen…“ „Was? Warum das denn? Hat dich einer der anderen Schüler irgendwie gemobbt? Ich dulde so etwas in meinem Dojo nicht! Ich bin zwar nicht so oft da wie andere Dojos, aber ich habe auch meine Regeln!“, steigerte sich die Brünette immer mehr in die Sache rein, weshalb er die Karten auf den Tisch legte und gestand, dass er vermutlich bald umziehen würde. Die Situation schien der Frau gar nicht zu gefallen, denn sie stemmte die Hände an die Hüften und schmollte leicht: „Man, da geht mir echt mein bester Schüler flöten, weil er wegzieht. Schade, aber man kann es nicht ändern. Wo ziehst du denn hin und was ist mit Raissa und deiner Oma?“ „Was soll mit uns sein, Chie? Wir gehen natürlich mit“, erklang die Stimme von Raissa, welche kurz darauf mit ihren vier Tüten zu den beiden Stieß und die Brünette freundlich grüßte. Nach der Erklärung, warum sie denn umzogen, nickte Chie nur verständnisvoll und seufzte dann: „Schade, aber so ist es halt. Ich hoffe, ich finde einen neuen Schüler wie dich. Wann geht es denn los?“ „Wissen wir noch nicht. Meine Oma muss noch was mit dem Anwalt klären, also… vermutlich irgendwann in den nächsten Wochen. Ich habe nie wirklich verstanden, wie du neben deinem Job als Polizistin noch Zeit hast, ein Dojo zu leiten“, gab Raissa zurück und legte nachdenklich den Kopf schief, was die Brünette etwas verlegen auflachen ließ: „Eigentlich ist es nur so ein kleiner Zeitvertreib, ansonsten würde ich bei dem ganzen Papierkram auf der Wache durchdrehen. Dojima-san prangert jeden kleinen Schreibfehler in meinen Berichten an… Naja, solange du noch hier bist, kannst du jederzeit zum Training kommen. Ich muss dann los, treffe mich noch mit Yukiko. Ciao, ihr beiden.“   Winkend und grinsend lief die Brünette davon und ließ die Geschwister alleine, wobei Raissa plötzlich auflachte: „Es ist so skurril, wenn man einfach zwei Leute mit demselben Namen kennt und diese im Kopf miteinander verwechselt.“ „Hör bloß auf, ich bin ja froh, dass Yukiko nicht so drauf ist wie Amagi-san. Zumindest nach dem, was Satonaka-sensei so erzählt“, murmelte Yuuto und erinnerte sich daran, wie Chie ihm mal davon erzählte, dass ihre beste Freundin eine extrem gruselige Art von Humor hatte. Und dabei war Chie der größte Angsthase, den er kannte. Seine Aufmerksamkeit galt allerdings dann wieder seiner Schwester, die ihm einen Arm um die Schulter legte und ans ich zog: „Na komm, wir gehen heim. Ich habe einen neuen Entwurf in Planung, den ich unbedingt weitermachen will. Hilfst du mir?“ „Klar, warum nicht. Hab eh nichts anderes zu tun“, stimmte der Weißhaarige zu und machte sich mit seiner Schwester zusammen auf den Rückweg, wobei er sich noch einmal umdrehte und einen Blick auf die blau schimmernde Tür warf, die ihn förmlich zu rufen schien. Kapitel 56: LVI – Der Schrein im Nebel -------------------------------------- ~~~Sonntag 26. Juni 2016~~~   Angespannt saßen Luca, Setsuna und die Mädchen des Wohnheims im Foyer in der Sitzecke und beratschlagen sich, wie es heute weitergehen sollte. Da Sonntag war, war es die beste Gelegenheit, um in die Shadow-Welt zu gehen und nach Aiko zu suchen. Das Problem an der Sache war Aiden, der sich immer noch in seinem Zimmer verkroch und nicht herauskam, trotz der Tatsache, dass er sich nach dem Gespräch mit Haruka immerhin etwas bemerkbarer machte. Zwar konnten sie auch zu viert gehen, immerhin hatten sie es vor Setsunas Beitritt auch zu viert geschafft, allerdings war das Fehlen von Aiden ein deutlich ausschlaggebenderer Faktor als Setsuna. Miyuki und Haruka beharrten darauf, den Braunhaarigen nicht zu bedrängen und ihm seine Zeit zu lassen, allerdings war Mirai wohl mit ihrer Geduld am Ende. „Wenn der Kerl nicht freiwillig rauskommt, dann hol ich ihn eben!“, knurrte die Silberhaarige und stapfte in Richtung Treppe, wobei sie jeglichen Protest ihrer beiden Freundinnen vehement ignorierte. Zwar sahen sich die Mädchen hilfesuchend nach den Jungs um, doch sahen diese keinen Grund, sich einzumischen, sondern ließen Mirai einfach machen.   Im ersten Stock angekommen klopfte die junge Frau nicht einmal an die Tür, sondern stieß sie einfach auf und betrat das Zimmer. Aiden saß auf der Bettkannte und sah auf seine im Schoß gefalteten Hände, als wäre er tief in Gedanken versunken. Da Mirai keine Lust auf irgendwelche Sentimentalitäten hatte, trat sie vor den Braunhaarigen und verschränkte die Arme vor der Brust: „Wie lange willst du noch hier rumhocken. Wir wollen rüber und nach Tanaka suchen.“ Auf ihren barschen Tonfall zuckte Aiden kurz zusammen und sah zur Seite, um sie nicht ansehen zu müssen. Er konnte sich denken, dass sie alle sauer und besorgt wegen ihm waren, doch in seinem Kopf herrschte einfach ein zu großes Chaos, als dass er sich auf irgendwas wirklich konzentrieren könnte. Anfangs schaute Mirai immer noch böse auf den Jungen herab, doch dann seufzte sie einmal und ging vor Aiden in die Hocke, wo sie eine Hand auf seine legte: „Hör mal… Ich kann mir vorstellen, dass du im Moment mit nichts und niemandem was zu tun haben willst und dass Kiara dir sehr fehlt, aber du musst auch auf das schauen, was um dich herum ist.“ Leicht hob er den Kopf an, um seiner Freundin in die Augen zu schauen, welche sich auf die Unterlippe biss und dann langsam weitersprach: „So grausam das jetzt klingen mag… Für Kiara gibt es keine Rettung mehr und auch wenn du dich hier drin verbarrikadierst, wird sie nicht zurückkommen. Für Tanaka gibt es noch Hoffnung, aber das schaffen wir nicht ohne dich.“   Ihre Worte schienen Aiden zu erreichen, denn er biss sich nun selbst auf die Unterlippe und rang um seine Fassung, wobei er seine Hände ineinander verkrampfte: „Wie… Wie kann ich irgendjemanden retten, wenn ich nicht einmal auf mein eigenes Haustier aufpassen kann?“ „Du hättest nichts für sie tun können, Aiden… So ist leider der Lauf der Natur. Außerdem bist du nicht alleine. Wir sind alle für dich da, egal ob jetzt bei Tanakas Rettung oder um dich aufzubauen. Wir brauchen dich, Aiden, also reiß dich bitte zusammen. Wenn du dich weiter hier drin verrammelst, waren die Mühen der anderen, um dich aufzubauen, völlig umsonst“, redete Mirai weiter auf ihn ein und bereute es, da sie im nächsten Moment die Tränen über Aidens Gesicht rennen sah. „I-ich… Ich weiß, dass ich helfen muss…“, flüsterte Aiden und schluchzte schwer, weshalb Mirai die Arme um ihn schlang und ihn sanft an sich zog: „Hey, es ist okay zu weinen. Das habt ihr Setsuna ja auch klar gemacht, aber ich bitte dich, dass du dich für heute zusammenreißt. Wir sind alle für dich da. Das hat Haruka dir gestern gesagt, oder?“ Er nickte zaghaft und atmete schwer ein und aus, während Mirai von ihm abließ und aufstand: „Jeder Verlust schmerzt, aber du darfst dich in diesem Schmerz nicht komplett verlieren. Bleib stark.“ Damit machte die Silberhaarige auf dem Absatz kehrt und ging zur Tür, wo sie noch einmal innehielt: „Wir warten unten auf dich, okay?“   Nach diesen Worten verließ sie das Zimmer und ließ Aiden alleine, der die Hände öffnete und auf das Halsband von Kiara schaute: „Was würdest du von mir erwarten?“ Stumm schaute er nur auf das Accessoire, bevor er sich erhob und zu dem kleinen Waschbecken neben seiner Tür ging. Einen Moment betrachtete er sich im Spiegel und seine stark geröteten Augen waren für ihn völlig untypisch. Langsam drehte er den Wasserhahn auf und warf sich ein paar Hände voll Wasser ins Gesicht, um etwas klarer im Kopf zu werden. Seine Freunde sorgten sich um ihn und er verschanzte sich in seinem Zimmer. Warum reagierte er so? Leise seufzend schloss er die Augen und stützte sich mit beiden Händen auf dem Waschbecken ab. Zwar hatte er sich in den letzten Monaten mehr auf seine Freunde eingelassen, allerdings war er in einem Moment der Schwäche wieder in seine alte Marotte verfallen. Ein anderer Grund, warum er sich hier verkochen hatte war, dass er Angst hatte, seine Freunde vergrault zu haben. Wie hatte er in seiner Trauer nur so dumm sein können? Seine Freunde waren die ganze Zeit für ihn da gewesen und hatten die ganze Zeit versucht, ihn wieder aufzubauen. Wütend auf sich selbst raufte sich Aiden kurz die Haare und sah dann wieder in den Spiegel, wo ihm sein Spiegelbild mit leicht trüben Augen entgegenschaute. „Ich bin so ein Vollidiot… Verkrieche mich und heule, anstatt auf meine Freunde zu hören, die sich um mich Sorgen. Schluss mit dem Selbstmitleid. Sie brauchen mich, also muss ich mich zusammenreißen“, sprach er zu sich selbst und klippte sich dann Kiaras Halsband um sein Handgelenk: „Pass bitte auf mich auf, Kiara.“ Noch einmal sah er in den Spiegel, wo er kaum realisierte, wie seine Augen für einen Moment gelb aufblitzten, bevor er sein Zimmer verließ und sich auf den Weg zu seinen Freunden machte.   Im Erdgeschoss unterhielten sich die Mädchen mit Setsuna darüber, was man für Aiden tun könnte, während Luca sich im Flur an die Wand neben den Toiletten lehnte. Ein Geräusch zu seiner linken ließ ihn aufsehen und mit einem leichten Grinsen sah er zu Aiden, der die Stufen hinunterkam und im Flur stehen blieb. Die beiden Jungs sahen sich an, als Luca sich von der Wand abdrückte und ihm entgegenkam: „Hey. Wie geht’s dir?“ „Ganz ehrlich? Beschissen. Aber ich darf nicht den Kopf in den Sand stecken. Davon wird es nicht besser. Ich muss noch kurz mit euch allen reden“, gab Aiden Antwort und lächelte leicht, als Luca ihm aufmunternd auf die Schulter klopfte und ihm dann zu der Sitzgruppe folgte, wo sofort alle Blicke zu dem Jungen gingen. Etwas verlegen kratzte sich der Junge am Arm und sah auf seine Füße, bevor er den Kopf hob und sich verneigte: „Bitte verzeiht mir. Ich hätte euch gegenüber nicht so abweisend sein dürfen. Ich… kam mit meinen eigenen Gefühlen nicht klar.“ „Du musst dich nicht entschuldigen, Kurosaki-kun. Wir sind nur froh, dass du wieder aus deinem Zimmer gekommen bist“, stand Haruka von der Couch auf und trat an Aiden heran, der ihr ein dankbares Lächeln schenkte: „Danke, Haruka. Kann mich kurz jemand aufklären, wie der Stand der Dinge ist?“   Setsuna übernahm die Aufgabe mit Vergnügen und erzählte Aiden, was sie über Aiko in Erfahrung gebracht hatten und auch, dass Luca ihnen sogar einen Weg zu dem Mädchen beschafft hatte. Auf die Erklärung nickte der Braunhaarige knapp und sah dann auf seine Freunde, die sich im Kreis um ihn herumgestellt hatten. „Leute, danke für alles. Lasst uns gehen“, gab er den Befehl zum Aufbruch, was sein Team einstimmig nicken ließ. Nach und nach gingen die Teenager aus der Tür raus, während Aiden in seiner Brust ein starkes, warmes Gefühl verspürte. Das waren seine Freunde, auf die er sich verlassen konnte, egal was ihm widerfuhr. Noch einmal atmete er tief durch, bevor er ebenfalls zur Tür ging, wo Haruka auf ihn wartete und ihm winkte: „Komm, Aiden-kun.“   ~~~Shadow-Welt~~~ Nach und nach holte die Gruppe ihre Ausrüstung aus dem Schreingebäude, wobei die beiden Schützinnen ihre Waffen auch sofort schussbereit machten. Setsuna ließ sein Jo-Jo ein paar Mal hinabsausen, nur um es wieder nach oben zu ziehen und geschickt aufzufangen. Mirai hielt Kako an der Leine und wartete geduldig, bis Aiden und Luca bereit waren und sich nun dem Team zuwandten. Auf den fragenden Blick des Anführers holte der Spanier den Haarreif mit dem Schmetterling hervor, welchen er der Hündin vor die Nase hielt: „Na dann, dein Auftritt, Kako. Du musst sie finden.“ Einen Moment sah die Hündin den Jungen an als würde sie ihn verstehen, denn schon im nächsten Moment schnupperte sie an dem Haarreif und dann am Boden. Geduldig sahen die Teenager auf das Tier, welches aufgeregt am Boden herumschnupperte, doch dann mit einem leisen Wimmern die Ohren hängen ließ. „Was ist denn los? Ist ihre Nase kaputt?“, wunderte sich Setsuna und sah zu der Silberhaarigen, die auf den Kommentar etwas angespannt reagierte: „Eine Nase kann nicht kaputt gehen, Setsuna.“ „Komisch… Bei Setsuna hat es ohne Probleme funktioniert, warum jetzt nicht?“, murmelte Haruka und sah sich hilfesuchend um, während Mirai ihre Hündin wieder an dem Reif schnuppern ließ, doch auch eine weitere Suchaktion am Schrein führte zu keinem Ergebnis.   Unsicher sah die junge Frau mit den silbernen Haaren in die Runde und rieb sich den Oberarm: „Ist… es möglich, dass Tanaka nicht hier ist und es eigentlich jemand anderen erwischt hat?“ „Das wäre ein viel zu großer Zufall“, widersprach Setsuna und beharrte vehement darauf, dass es Aiko sein musste, die hier gefangen gehalten wurde. Miyuki und Haruka unterhielten sich leise über eine etwaige Lösung des Problems, während Aiden zu Luca schaute, der die Stirn in Falten gelegt hatte: „Ist dir noch was eingefallen, Luca?“ „Ich denke gerade nach, aber… jetzt wo du mich so fragst, ja. Ich weiß, warum Kako hier nichts wittern kann“, erhob Luca die Stimme und wurde neugierig angestarrt, bevor er weitersprach: „Kako kann nichts riechen, weil Aiko nicht hier am Schrein war. Als ich bei ihrer Mutter war, hat einer ihrer Brüder erwähnt, dass er den Haarreif in der Nähe der Bäckerei gefunden hat. Wenn Kako also hier keine Spur hat, muss Aiko dort irgendwo rüber gewechselt sein.“ „Es gibt noch mehr dieser Portale?“, wunderte sich Setsuna und machte große Augen, doch konnte keiner diese Aussage bestätigen, da sie stets den Zugang am Baum verwendet hatten „Lasst uns gehen. Die Bäckerei ist im Moment unsere einzige Anlaufstelle“, beschloss Luca kurzerhand und lief los, noch bevor einer der anderen reagieren konnte. Im Laufschritt folgte der Rest des Teams, wobei Haruka auffiel, dass irgendwas mit ihrem Klassenkameraden nicht stimmte. Er benahm sich nicht wie sonst.   Die gesuchte Bäckerei befand sich ein Stück in der Stadt, nicht weit von Setsunas Haus entfernt. Bestimmt würde man hier die köstlichsten Backwaren vorfinden, wenn nicht alles in dem grünen Licht schimmern und von roten Pfützen bedeckt wäre. Kaum angekommen hielt Luca der Hündin erneut den Haarreif hin und lange musste das Tier nicht suchen, bis sie laut bellte und Mirai in eine Richtung zog. Um keine Zeit zu verlieren folgten die Schüler im Laufschritt und fanden sich nach kurzer Zeit in vor einem großen, Nebel vergangenen Platz wieder, auf dem ein kleiner Jahrmarkt aufgebaut war. Die Fahrgeschäfte, Essensstände und auch die Spielstände waren allesamt ramponiert bis völlig zerstört. Das Einzige, was der Zerstörung entgangen war, war der riesige, mit Spruchbändern und verrosteten Glocken behangene Schrein, welcher in der Mitte des Platzes stand und anscheinend alle anderen Geschäfte zur Seite gedrängt hatte. „Scheiße, dagegen ist der Naganaki Schrein hier echt ein Witz“, kommentierte Setsuna und legte den Kopf in den Nacken, um die Spitze des Schreins zu sehen, doch war das Gebäude zu hoch und der Nebel machte es unmöglich, weiter nach oben zu sehen.   Der Anblick des Bauwerks jagte Miyuki einen eisigen Schauer über den Rücken, weshalb sie sich an Haruka klammerte: „W-warum sind eure Teile s-so gr-gruselig?“ „Das spielt doch jetzt keine Rolle, oder? Wir gehen da rein und hauen jeden Shadow um, der sich uns in den Weg stellt“, tat Luca seine Meinung kund und marschierte zielstrebig auf den Schrein zu, wobei er von Aiden und Mirai flankiert wurde. Setsuna klatschte sich einmal beide Hände an die Wangen und rannte hinter seinen Senpai her, wodurch er die beiden Mädchen alleine zurückließ. Haruka sah auf die zitternde Miyuki und tätschelte ihr beruhigend den Rücken: „Keine Sorge, wir sind alle bei dir und ich muss sagen, dass ich das Ding von Setsuna gruseliger fand. Also Kopf hoch, du schaffst das.“ „O-okay“, jammerte die Grünhaarige, hielt sich aber beim Gehen immer noch an der Brünetten fest, welche ihr einen wehleidigen Blick schenkte und dann zu ihren Freunden aufschloss.   Mit vereinten Kräften drückten Aiden und Luca das große Eingangstor auf, wodurch sie erst einmal von einer dicken Staubwolke begrüßt wurden. Hinter dem offenen Tor erwartete die Gruppe ein langer, dunkler Gang, welcher sie regelrecht anzulocken schien. Noch einmal sah Aiden zu seinen Freunden und als diese ihm entschlossen zunickten betraten sie alle nacheinander den Schrein. Kaum hatte die letzte Person das Gebäude betreten, schlug das riesige Holztor krachend hinter ihnen zu und hüllte sie in vollkommene Dunkelheit. Die Situation brachte Miyuki dazu, laut aufzuschreien und sich noch fester an Haruka zu klammern, doch verflog im nächsten Moment die Dunkelheit, als nach und nach mehrere in der Luft schwebenden Kerzen zu brennen begannen. Das schummrige Licht und die langen Schatten sorgte bei allen Teammitgliedern für ein ungutes Gefühl, doch nahmen sie ihren Mut zusammen und wagten die ersten Schritte ins Innere des Gebäudes. Immer tiefer führte der erste Gang ins Innere und in unregelmäßigen Abständen ertönte das gespenstische Klimpern eines Windspiels, welches vom Knarzen der alten Holzdielen begleitet wurde. Die Wände des Schreins waren mit unzähligen Emas, Traumfängern und Spruchbändern behangen, während in den Nischen verschiedene groteske Dinge standen. Neben offenbar vergoldeten Katzen befanden sich tote Hasen, abgetrennte Tierbeinen mit Hufen, Gläser mit dutzenden toten Marienkäfern oder Schweineköpfe, deren Mäuler mit undefinierbarem Grünzeug vollgestopft waren, in den Auslagen.   Beim Anblick der ganzen Objekte jammerte Setsuna leise auf: „Die armen Tiere… was zur Hölle ist das alles?“ „Warum ist dieser Ort mit so vielen toten Tieren zugepflastert?“ kommentierte Mirai leicht angewidert und betrachtete die Nischen genauer, während Miyuki die Frage in den Raum warf, ob Aiko gefallen am Quälen von Tieren haben könnte. Die ganze Szene bereitete der Gruppe starkes Unwohlsein und besonders Aiden ballte beim Anblick der gequälten Katzen die Fäuste so stark, dass sich seine Nägel in seine Handfläche bohrten. Haruka bemerkte, wie sehr es an dem Jungen nagte, weshalb sie ihm sanft beide Hände auf die Schultern legte und sanft zum Gehen bewegte: „Wir sollten weitergehen. Achte einfach nicht auf das Zeug, okay?“ Mehr als ein knappes Nicken brachte der Junge nicht zustande und versuchte, seinen Blick starr nach vorne zu halten, um nicht zu stark von der Umgebung beeinflusst zu werden. Luca schloss zu ihm auf und lief neben ihm her, wobei er leise mit den Zähnen knirschte.   Der Pfad führte ein Stück weiter, bis sie an einer Kreuzung landeten, von der der Weg geradeaus nach kurzer Zeit von mehreren Spruchbändern versperrt war. Vorsichtig trat die Gruppe an die Spruchbänder, die nicht so wirkten, als würden sie sich so einfach zerreißen oder zerschneiden lassen. Luca hatte von seiner Aktion in Setsunas Dungeon gelernt und versuchte gar nicht, den Weg mit Gewalt zu öffnen. Vorsichtig trat der Weißblauhaarige dann an die Siegel und deutete auf eine kleine Holzplatte, die an der Tür hing: „Schaut mal, ein Ema. Müssen wir etwa den Wunsch, der darauf geschrieben ist, erfüllen?“ „Würde zu dem Schreinthema passen. Ließ mal, was draufsteht, Setsuna“, murmelte Luca und verschränkte die Arme vor der Brust, während der Kleine mit einem leisen Brummen näher heranging: „Hm… »Ich bin arm und bin unglücklich… Kann mir jemand eine helfende Hand reichen?«“ „Klingt als bräuchte jemand dringend Geld und eine Umarmung. Heißt das, dass wir hier etwas Geld hinlegen müssen?“, überlegte Haruka und sah auf die Siegel, als Miyuki ihren Geldbeutel hervorholte und ein paar Yen-Münzen auf den Boden legte. Einen Moment passierte nichts, doch dann erklang ein lauter Knall wie von einem krachenden Donner.   Erschrocken zuckten die Schüler zusammen, als hinter ihnen plötzlich zwei Shadows auftauchten, welche an einen Baum mit langen Zweigen in einem Kimono erinnerten. Sofort gingen die Teenager in Position und machten sich für den Kampf bereit, auf den die beiden Shadows nicht lange warten ließen. Der erste Baum schwang ein paar Mal den Kopf hin und her und ließ die langen Zweige, die aus seinem Kopf wuchsen, als Peitsche auf Haruka niedergehen. So schnell sie konnte wich die Brünette aus, doch streifte sie das Holz am Bein und verpasste ihr einen tiefen Schnitt. Aiden und Luca sprinteten nach vorne, um die Gegner in den Nahkampf zu zwingen, von denen der zweite Shadow kurz aufleuchtete und dann eine Art verspiegelte Wand vor seinem Partner erscheinen ließ. „Stopp! Greift ihn nicht an!“, schrie Mirai und irritierte Luca damit so sehr, dass dieser den zaubernden Shadow verfehlte und leicht ins Straucheln geriet. Aiden hingegen konnte nicht mehr reagieren und schlug mit seinem Schwert auf den Baum ein, allerdings prallte er an der eben entstandenen Wand und wurde unsanft zu Boden gerissen. Sofort setzte der Shadow nach und versuchte, den Jungen mit seinem Asthieb zu treffen, allerdings traf ihn in dem Moment ein Bolzen in die Seite und ließ ihn zusammenzucken. Sofort spannte Haruka die Armbrust erneut und feuerte einen zweiten Bolzen auf den Shadow ab, allerdings prallte das Geschoss an dem Shadow ab und flog auf die Schützin zurück, welche in letzter Sekunde ausweichen konnte.   Die kleine Zeitspanne nutzte Aiden, um sich wieder auf die Beine zu kämpfen und etwas Abstand zu den Gegnern zu nehmen. Luca biss die Zähne zusammen und dachte nicht daran, nachzulassen, weshalb er mit der Hellebarde auf seinen Gegner einstach und diesen sogar verletzen konnte. „Ist es möglich, dass sie nur manchmal Attacken abwehren können?“, mutmaßte Setsuna und behielt beide Gegner im Blick, was von Mirai bestätigt wurde: „Sie scheinen körperliche Attacken manchmal kontern zu können. Wenn wieder dieser Spiegel auftaucht, werfen sie einen physischen Angriff garantiert zurück.“ „Also greifen wir am besten magisch an!“, riefen Miyuki und Setsuna, welche sofort ihre Persona beschworen und zum Angriff übergingen. Anser beschwor zwei Feuerbälle, welche sie auf beide Shadows abfeuerte und dadurch beide in sich zusammensacken ließ. Antares setzte nach und ließ unter dem Shadow, welche Aiden am nächsten war eine leuchtende Rune erscheinen, welche kurz aufblitzte und den Shadow dann komplett auflöste. „Es hat geklappt! Los, noch einmal, Antares!“, feuerte der Junge seine Persona weiter an, den nächsten Shadow mit demselben Angriff zu attackieren, allerdings geschah nichts, nachdem die Rune verblasst war.   „Hä? Warum funktioniert das nicht?“, jammerte Setsuna und war so irritiert, dass er nicht realisierte, wie der Shadow sich erhob und mit der Holzpeitsche auf den Jüngsten einschlug. Erschrocken riss Setsuna die Arme hoch, doch spürte er keinen Treffer als ein lautes Klatschen ertönte. Mit großen Augen sah der Junge auf Luca, welcher vor ihm stand und den Schlag parierte und den Shadow zurückstieß: „Vergiss es, du Pisser! Aiden!“ Für einen Moment war der Anführer verwirrt, was sein Freund meinen könnte, doch dann nickte er: „Alles klar! Andras!“ Mit einem Schuss erschien die rote Persona mit dem Vogelkopf, welche mit einer Druckwelle einen blauen Wall um den Shadow erzeugte, nur um diese zerbersten zu lassen. Kaum war dies geschehen, ließ Luca Alphard erscheinen, der seinen Gegner unter einem großen Eisbrocken begrub und zu Staub zermalmte. Die letzten Eispartikel lösten sich in der Luft auf und daraufhin herrschte Stille im Gang. Setsuna plumpste auf seinen Hintern und starrte auf die Stelle, wo eben noch die beiden Shadows gestanden hatten: „W-warum konnte ich den zweiten Shadow nicht besiegen?“ „Ganz einfach: Antares setzt die Mudo-Skills ein. Diese können den Gegner sofort töten, machen aber keinen Schaden, allerdings haben sie eine eher geringe Trefferrate. Du solltest nicht unnötig damit um dich schießen und erwarte keinen garantierten Treffer“, belehrte Mirai den Jungen, der leicht die Wangen aufblähte und zu Boden sah: „O-okay… Es tut mir leid.“ „Mach dir nichts draus, Setsuna. Du musst dich erst einmal an diese Welt gewöhnen. Ist bei euch alles in Ordnung?“, tröstete Haruka erst ihren kleinen Freund und sah dann zu Aiden, der in diesem Moment von Miyukis Persona geheilt wurde: „Bin schon am verarzten, Haruka. War meine Aktion mit dem Geld ein Fehler?“ „Ich schätze, wir müssen in diesem Bereich etwas finden, was den Wunsch erfüllt. Lasst uns suchen, ob wir etwas finden“, schlug Luca vor und sah zu Aiden, der nur knapp nickte: „Ja, vielleicht lassen die Shadows etwas fallen, was uns helfen kann.“ Noch einmal sah sich das Team an, ehe sie sich auf den Weg zurück zur Kreuzung machten, um das Gebiet des Dungeons zu erkunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)