Persona 3 -After the Years- von fubukiuchiha ================================================================================ Kapitel 15: XV - Eine Hand ist oft genug ---------------------------------------- ~~~Montag 02. Mai 2016~~~ Im Wohnheim herrschte Aufbruchstimmung, doch war Aiden noch damit beschäftigt, seiner Schwester die Regeln zu erklären: „Okay, gehen wir noch einmal alles durch. Du wirst dich in der Schule benehmen, du bist nicht frech zu jemandem und du redest nur, wenn du gefragt wirst.“ „Hai, Onii-chan“, erwiderte die Kleine, als ihr Bruder fortfuhr: „Ich bringe dich zu deiner Klasse und komme dich auch da wieder abholen. Du wirst nicht alleine über das Schulgelände stromern und dich auch von keinem deiner Klassenkameraden zu irgendwas überreden lassen. Du wartest brav vor der Klasse, bis ich dich holen komme. Hast du mich verstanden?“ „Was ist, wenn ich Pipi muss?“, fragte Kari mit einer Unschuldsmiene, die ihren Bruder kurz aus der Fassung brachte: „Dann darfst du natürlich gehen. Nicht, dass du dir noch in die Hose machst, aber dann wartest du wieder vor deiner Klasse. So, sind dann alle soweit?“ Er sah zu seinen beiden Mitbewohnerinnen, die sich kurz angrinsten und sofort hatte Miyuki einen frechen Kommentar auf Lager, den sie sich nicht verkneifen konnte: „Muss ich mich auch an die Regeln halten, Aiden-kun?“ „Wie alt bist du eigentlich, Miyuki?“, murrte der Braunhaarige, was von der Grünhaarigen mit einem fröhlichen „Fünf!“ beantwortet wurde. Genervt schüttelte der Mann der Runde den Kopf, als seine Schwester auf die Letzte im Bunde zeigte: „Warum kommt Mirai eigentlich nicht mit?“ „Ich gehe nicht zur Schule, ich habe andere Dinge zu tun. Geheime Dinge“, flüsterte die Silberhaarige und hielt sich einen Finger vor den Mund, was die Jüngste große Augen machen ließ, doch dann drängte Aiden zum Aufbruch.   Während des ganzen Weges hielt Aiden seine Schwester an der Hand, denn leider hatte sie die Angewohnheit von einem Moment auf den nächsten zu verschwinden und das wollte er nicht. Der Zug war zum Glück erträglich von der Anzahl der Insassen her, weshalb Kari mit der Aussicht mehr als genug beschäftigt war. Aiden strich sich mit der Hand durch die Haare und lehnte sich an eine Haltestange, während er über die kommenden Tage nachdachte. Zum Glück waren es nur drei Schultage, an denen er Kari mitnehmen musste, denn ab morgen hatten sie, dank der Golden Week, drei Tage frei. Was Aiden jetzt allerdings vor ein Problem stellte war, dass sie nicht in die Schattenwelt konnten, solange Kari da war. Sie würden höchstens in der Nacht gehen können, wenn seine Schwester im Bett lag und schlief, aber da bestand immer die Gefahr, dass sie plötzlich wach werden und nach ihm suchen würde. Es half nichts, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, denn irgendwie mussten sie es schaffen, auch wenn das nächste Problem die Tür und der dazu passende Schlüssel waren. Miyuki schien seine Gedanken zu erahnen und klopfte ihm im Sitzen sanft gegen das Bein, was dem Oberschüler ein leichtes Lächeln auf die Lippen zauberte.   Als der Zug anhielt, setzten die drei ihren Weg fort und stießen am Schultor auf Luca, der seinen besten Freund mit einem leicht angesäuerten Blick ansah: „Du treulose Tomate! Ich mache am Samstag das Spiel meines Lebens und du haust einfach ab! Wie konntest du nur? Das ist Hochverrat!“ „Ich bin doch nicht dein Aufpasser, dass ich dir das Händchen halten muss, oder? Außerdem hatte ich andere Sachen zu erledigen und Glückwunsch zum Sieg“, lenkte der Braunhaarige auf ein anderes Thema, als der Blick des Spaniers auf die kleine Brünette fiel: „Oh, wer ist denn diese kleine Prinzessin?“ „Prinzessin? Hihi, ich heiße Kurosaki Hikari, sehr erfreut“, kicherte die Kleine und machte einen gespielten Knicks, was von Luca mit einer Verbeugung erwidert wurde: „Silva Luca, stets zu Diensten, euer Hoheit. Warte mal... Ach, du bist die kleine Schwester von Aiden. Seit wann ist sie denn hier?“ „Samstag“, kam Miyuki ihrem Mitbewohner zu Hilfe, denn jetzt nickte der Spanier verstehend und verzieh Aiden sein schlimmes Vergehen von vorgestern. Da die Zeit etwas drängte, brachte Aiden Kari schnell in das Gebäude für die Grundschüler, wo er zum Glück sofort einen Lehrer fand, dem er seine Schwester anvertrauen konnte. Noch einmal ließ er sich das Versprechen geben, dass sie sich genau an das halten würde, was er ihr heute Morgen gepredigt hatte, ehe er schnell das Gebäude wechselte und in seine eigene Klasse hechtete. Wenn es eins gab, was er nicht wollte, dann war es eine weitere Standpauke seiner Klassenlehrerin, weil er negativ aufgefallen war, doch zu seinem Glück kam er noch rechtzeitig in die Klasse.   Der Tag verlief ohne große Vorkommnisse, wobei die drei Persona-User sich in der Pause wieder auf dem Dach einfanden, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Das größte Problem der Gruppe war immer noch, dass ihnen der Schlüssel für die Tür fehlte. Leider kamen sie nicht weiter und auch weiteres Nachdenken während des Unterrichts brachte sie ihrem Ziel nicht weiter. Nach der Schule machten sie sich alle auf den Weg zu ihren Klubs, um wenigstens den Kopf etwas frei zu bekommen. Vorher musste Aiden allerdings wieder einen Abstecher zur Grundschule machen, um seine Schwester mitzunehmen. Diese stand, wie versprochen, vor ihrer Klasse und wartete geduldig auf ihn. Zu zweit machten sie sich dann auf den Weg zur Sporthalle, wo Aiden sein Gi anlegte und dann die Halle betrat. Kari musterte ihn neugierig, als er sich beim Eintreten verneigte und tat es ihm gleich, wenn auch nicht ganz so ernsthaft wie ihr Bruder. Masao hob den Blick, als der Braunhaarige eintrat und grinste etwas schief: „Ah, du bist da. Ich dachte schon, du hättest dir wieder Nachsitzen eingehandelt. Oh, wer ist denn die Kleine hier?“ „Meine Schwester, ich hoffe, es ist okay, wenn sie vom Rand aus zusieht“, erklärte der Oberschüler und erhielt ein leichtes Nicken seines Senpai, der das Training eröffnete. Aiden machte seine Übungen, wobei er neben Sakura stand und versuchte, die Grundhaltung richtig hinzubekommen. Ihm war, als hätte er etwas vergessen, was seine rosahaarige Kollegin ihm wieder ins Gedächtnis rief: „Du wolltest doch bei Munemasa-senpai fragen, ob du eine andere Haltung trainieren darfst. Jetzt wäre deine Chance dazu.“ „Stimmt, du hast recht, Nozaki“, lachte der Braunhaarige und ging zum Kapitän des Teams, der mit Adleraugen das Training seiner Kameraden.   Gerade war der Lilahaarige dabei, zwei seiner Kollegen auf die richtige Fußstellung aufmerksam zu machen, als er Aiden neben sich bemerkte: „Stimmt was nicht, Kurosaki? Oder brauchst du einen Rat?“ „Rat trifft es recht gut, Senpai. Ich habe gemerkt, dass mir dieser traditionelle Stil nicht unbedingt liegt“, begann der Braunhaarige zu erklären, was ihm ein verständliches Nicken einbrachte: „Ja, das habe ich gemerkt. Du wirktst extrem steif dabei, wenn ich das so sagen kann. Als hättest du einen Besen verschluckt. Wie genau kann ich dir jetzt helfen?“ „Naja, ich habe gehört, dass man beim Kendo auf mit einer Hand kämpfen darf und dass man es »Jodan-no-Kamae« nennt. Kannst du mir das vielleicht zeigen?“, kam der Oberschüler sofort zum Punkt und wurde etwas skeptisch vom Teamkapitän gemustert: „Ich bin ehrlich gesagt vom Einhandstil nicht überzeugt, weshalb ich meinen Leuten auch nur die traditionelle Haltung zeige.“ Etwas in der Stimme seines Senpai verriet, dass er dieses Thema wohl schon öfter gehabt hatte, aber Aiden war niemand, der schnell aufgab, wenn er etwas versuchen wollte: „J-ja schon, aber nur weil der Stil dir nicht gefällt, muss es bei mir doch nicht genauso sein, oder? Können wir es wenigstens versuchen?“ Eine Weile sahen die beiden sich an, ehe der Lilahaarige aufseufzte und sich den Nacken rieb: „Ich verstehe, was du meinst... Sorry, wenn ich eben etwas barsch geklungen habe. Meine Familie ist... etwas altgesotten in ihrer Denkweise und das habe ich wohl übernommen. Ich sollte meinen Leuten helfen und ihnen nicht meine Meinung aufzwingen.“   Aiden setzte ein freundliches Lächeln auf und nickte kurz: „Ist schon in Ordnung, Senpai, du musst dich nicht entschuldigen. Kannst du mir dann erklären, wie genau das funktioniert?“ „Haha, du bist selten so ehrgeizig, Kurosaki, aber von mir aus. Pass auf, das »Jodan-no-Kamae« alleine ist nicht der Einhandstil, genau genommen teil sich der Jodan nochmal in zwei Unterstile“, erklärte der Ältere und konnte bei dem entgleisten Gesichtsausdruck seines Teamkollegen nur auflachen: „Hast du schon die Lust verloren?“ „Nein, überhaupt nicht, aber ich hätte es mir schon denken können, dass es nicht ganz so einfach ist. Wie genau funktioniert das jetzt?“ „Pass auf, den »Jodan-no-Kamae« kennt man im allgemeinen auch als »Überkopfstil«“, erklärte der Kapitän und wurde nun fragend angesehen, denn das Bild in Aidens Kopf konnte nicht stimmen: „Soll das heißen, dass ich auf dem Kopf stehen muss, um in diesem Stil zu kämpfen?“ „Was? Nein! Oh mein Gott, das mit Überkopf bedeutet, dass du das Schwert über dem Kopf hältst. Wobei das schon lustig aussehen würde“, lachte Masao auf, als er sich das Bild ebenfalls vorstellte, doch dann wurde er wieder ernst: „Warum lache ich hier? Kendo ist nicht zum spaßen, Kurosaki! Nimm das ernst!“ „Hai, Senpai! Entschuldigung...“, murmelte der Braunhaarige und zog den Kopf etwas ein, als sein Senpai sich räusperte: „Sorry, bei dem Thema gehen zu schnell die Pferde mit mir durch. Versuchen wir mal die Haltungen aus. Wie bereits gesagt, besteht das Jodan aus zwei Haltungen, als erstes testen wir mal das »Migi Jodan-no-Kamae«.“   Aiden nickte und ging ein Stück von seinem Mentor weg, um ihn Stellung zu gehen, als er seine Anweisungen bekam: „Also, bei dieser Haltung stehst du gerade zum Gegner, die Beine etwas weiter auseinander. So, die Hand führst du jetzt an die Stirn, sodass du mich unter deiner Hand hindurch sehen kannst. Verstehst du, was ich meine?“ Langsam nahm der Braunhaarige die Haltung ein, die sein Senpai ihm vorgab und versuchte es so gut wie möglich zu machen, doch irgendwie fühlte er sich dabei nicht wohl. Masao achtete auf die Beinstellung und nickte dann: „Sehr gut, die Beine stehen richtig und die linke Hand sitzt. Jetzt hebst du das Schwert über den Kopf und... nein! Ich sehe jetzt schon, dass das hier nichts für dich ist. Du stehst da, als hättest du einen Stock im Hintern.“ Dankbar ging der Braunhaarige wieder in die Grundstellung, schüttelte seinen Arm aus und sah auf den Lilahaarigen, der sich nachdenklich am Kopf kratzte: „Das war ein Reinfall, aber es gibt ja noch andere Möglichkeiten. Als nächstes versuchen wir mal »Hidari Jodan-no-Kamae«.“   „Aha...“, murmelte Aiden und fuhr sich kurz durch die Haare, denn so langsam rauchte ihm bei diesen Fachausdrücken der Kopf, doch das wollte er Masao nicht sagen, weshalb er einfach nur gehorsam nickte. Erneut ging er in Position, um die Haltung richtig zu machen: „Dieses Mal ist es etwas anders. Das linke Bein schiebst du nach vorne und den rechten Fuß und den Oberkörper etwas nach außen drehen. Gut, die linke Hand wieder an die Stirn und das Schwert über den Kopf und ebenfalls etwas nach rechts drehen. So muss das aussehen, wir fühlst du dich dabei?“ „Naja, es geht. Dieses Überkopf ist irgendwie seltsam, aber ich will es mal versuchen“, erklärte Aiden seine Meinung, als sein Senpai vor ihm in die Grundstellung ging und das Schwert auf ihn richtete: „Dann wollen wir es mal versuchen, meinst du nicht? Greif mich an, wenn du bereit bist!“ Die beiden Kendoka sahen sich einen Moment an, ehe der Braunhaarige einen Satz nach vorne machte und mit dem Schwert zuschlug. Leider war Masao in der Lage, den Hieb mit Leichtigkeit zu parieren, ebenso wie die Hiebe, die der Braunhaarige auf seinen Kapitän folgen ließ.   Immer wieder klatschten die Schwerter gegeneinander, bis Aiden bei einem Schritt nach hinten aus dem Tritt kam und fast zu Boden fiel. Erschöpft nahm der Braunhaarige seinen Schutzhelm ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn, während er seine rechte Schulter etwas kreisen ließ, um sie zu entspannen. Leise summend nahm Masao ebenfalls den Helm ab und musterte seinen Kollegen, während er sich kurz über die Lippen leckte: „Das war schon mal ganz passabel, aber es scheint so, als würde dir das oben halten des Schwertes schwer fallen. Deine Schulter verkrampft dabei recht schnell.“ „Kann man dagegen was machen, also gegen das verkrampfen?“, erkundigte sich der Betroffene und sah zu, wie sein Mentor nachdenklich die Unterlippe nach vorne schob: „Naja, vielleicht brauchst du mehr Kalium und Magnesium, aber ich will mich jetzt nicht in deine Ernährung einmischen, Kurosaki. Bein- und Körperhaltung sind in Ordnung, es fehlt lediglich die Haltung des Schwerts. Wir kommen der Sache näher und ich glaube, dass wir mit dem »Hasso-no-Kamae« näher ans Ziel kommen.“ „Ganz ehrlich, Senpai, wie kannst du dir die ganzen Namen merken? Mir raucht jetzt schon der Kopf“, brummte der Persona-User, als Kari von der Seite rief und mit einem Notizblock wedelte: „Keine Sorge, Onii-chan, ich schreibe alles für dich mit! Wie schreibt man Hase no Kamel?“   „Danke, Kari... Wie geht diese nächste Haltung, Senpai?“, murmelte er und sah den Lilahaarigen an, der wieder in Stellung ging: „Selbe Haltung, wie beim »Hidari Jodan-no-Kamae«, allerdings nimmst du den Arm ein bisschen weiter nach hinten und senkst das Schwert ab, sodass das Tsuba auf Höhe deines Mundes ist.“ „Das was?“, kam es irritiert von dem Schüler, der ein paar Mal verdutzt blinzelte, als sein Partner sanft mit dem Finger auf die mit Leder umwickelte Spitze seines Kendoschwertes deutete: „Das ist das Tsuba.“ „Sag doch einfach Schwertspitze dazu...“, brummte Aiden und nahm die besagt Haltung ein, die ihm tatsächlich leicht er fiel als die vorherigen, was Masao auflachen ließ: „Wir sind Kendoka, deshalb nutzen wir auch die entsprechenden Ausdrücke. Gewöhn dich lieber daran, mein Lieber. Bereit?“ „Hai!“, rief der Braunhaarige und setzte erneut zum Angriff an, wobei es ihm dieses mal etwas leichter fiel. Auch wenn er eine deutlich bessere Performance zeigte, blieb das Ergebnis dasselbe, denn er kam nicht durch Masaos Block hindurch und nach einigen Hieben kassierte Aiden selbst einen Schlag auf den Kopf, der trotz des Schutzhelms extrem weh tat.   Erschöpft sank der Braunhaarige in sich zusammen und versuchte zu Atem zu kommen, während Masao das Training für heute für beendet erklärte. Die einzelnen Mitglieder des Klubs stellten sich nebeneinander und verneigten sich respektvoll, bevor bis auf Masao, Aiden, Kari und Sakura alle die Halle verließen. Der Lilahaarige nahm den Oberschüler noch kurz beiseite und verschränkte die Arme vor der Brust: „So ganz haben wir noch nicht die passende Haltung für dich gefunden, aber du hast mich beeindruckt. Du hast Ehrgeiz und das mag ich. Wir kriegen das zusammen hin, Kurosaki!“ „Arigato, Munemasa-senpai! Ich tue mein bestes!“, rief er aus und verneiget sich tief, da er für die Ratschläge äußerst dankbar war, als sich ein warmes Gefühl in seiner Brust ausbreitete. Mit einem Klopfer auf die Schulter machte sich der Lilahaarige auf den Weg zum Büro des zuständigen Lehrers, als er noch einmal die Stimme erhob: „Danke fürs aufräumen, Nozaki!“ Die Rosahaarige packte die einzelnen Übungswaffen und nickte ihrem Senpai kurz zu, ehe sie auch Aiden und Kari zum Abschied winkte.   Um seine Schwester nicht allzu lange warten zu lassen, wusch sich der Braunhaarige im Schnelldurchgang und wechselte die Kleider, bevor er sich mit Kari auf den Weg machte. Fröhlich pfeifend hielt sich die Kleine an der Hand ihres Bruders fest, welcher sie lächelnd ansah: „Na, wie war der erste Tag?“ „Gut, meine Klassenkameraden waren alle sehr nett, es ist nur...“, sie brach ab und sah auf ihre Füße, doch Aiden wusste ganz genau, was sie hatte sagen wollen: „Du willst dich nicht mit ihnen anfreunden, weil du bald wieder weg bist, nicht wahr?“ Mit gesenktem Kopf biss sich die Kleine auf die Unterlippe und nickte dann knapp, denn vor ihrem Bruder konnte und brauchte sie nichts zu verbergen. Aiden ging neben seiner kleinen Schwester in die Hocke und strich ihr sanft über den Kopf, bevor sie ihn fest umarmte. Vorsichtig richtete er sich auf und trug Kari ein Stück, als diese leise murmelte: „Kann ich nicht hier bei dir bleiben, Onii-chan?“ „Ich weiß es nicht. Das ist eine Sache, die Mama und Papa entscheiden müssen. Aber lass uns nicht über so etwas trauriges reden, du bist jetzt für die Woche bei mir und die Zeit nutzen wir für was Schönes“, versuchte der Braunhaarige seine Schwester aufzumuntern, die ihn mit Tränen in den Augen ansah: „Aber das ist so kurz und wenn ich zu Mama und Papa gehe, dann bist du wieder weg und ich vermisse dich.“ Mit einem leisen Seufzer setzte er das Mädchen ab und hockte sich wieder vor sie, wobei er ihr den Kopf tätschelte: „Hey, nicht weinen. Genießen wir die Zeit zusammen und am Samstag ist auch noch das Konzert. Komm, zeig mir dein strahlendes Lächeln.“   Die Kleine versuchte der Bitte ihres Bruders nachzukommen, doch wirkte das Lächeln der Grundschülerin eher gequält als fröhlich, weshalb der Oberschüler seufzte und sich am Hinterkopf kratzte: „Okay... versuchen wir was anderes. Was hältst du davon, wenn wir uns ein schönes Stück Kuchen und einen Kaffee genehmigen?“ „Kuchen, ja! Kaffee ist ekelhaft... aber ich will einen Kakao!“, erwiderte die Kleine und sah ihren Bruder bettelnd an, der nur grinste und ihr die Haare verwuschelte: „Wenn meine Kleine einen Kakao möchte, dann soll sie ihn auch bekommen. Na komm, ich kenne ein echt geniales Café.“ „Hurra, du bist der Beste, Onii-chan!“, rief die Brünette und strahlte ihren Bruder fröhlich an, während sie ihren Weg fortsetzten: „Das ist das Grinsen, das ich sehen wollte. Na los, der Kuchen wartet.“   Mit deutlich besserer Laune erreichten die beiden Geschwister die Paulownia Mall und steuerte das Café an, dass Aiden schon des Öfteren mit Miyuki und Mirai besucht hatte. Er drückte die Tür auf und ließ seine Schwester vorbei, die sofort den Duft aufsog und sich neugierig umsah, bis sie einen leeren Tisch entdeckte und diesen ansteuerte. Mit einem leichten Lächeln folgte der Oberschüler und setzte sich mit Kari an den Tisch, wo die Kleine sofort die Dessertkarte nahm und sich etwas aussuchte: „Kann ich haben, was ich will?“ „Halt es in Grenzen, wir essen später schließlich noch zu Abend, aber ja, such dir was aus. Ich glaube, ich nehme was mit Erdbeeren“, murmelte der Braunhaarige, doch war seine Schwester eher für einen Schokoladenkuchen zu begeistern, weshalb der Schüler eine Bedienung auf sich aufmerksam machte. Die beiden suchten sich noch ein Getränk aus, als die Bedienung an sie herantrat und einen kleinen Block zückte: „Hallo, habt Ihr schon gewählt?“ Aiden nickte und hob den Kopf, um die Bestellung aufzugeben: „Ja, wir hätten gern... Mirai?“ Erstaunt riss er die Augen auf, als er die Bedienung als seine Mitbewohnerin erkannte. Sie trug eine schwarz-weiße Maiduniform und hatte die Haare hinten zu einem lockeren Zopf hochgebunden. Es war ungewohnt, Mirai in solchen Kleidern zu sehen, doch konnte Aiden nicht leugnen, dass seine Bekannte verdammt gut aussah. Mit leicht verzogenem Gesicht musterte die junge Frau ihren Mitbewohner und bemerkte den leichten Rotschimmer auf seinen Wangen, als sie einen frechen Kommentar gegen ihn losließ: „Sorry, aber ich stehe nicht auf der Karte, mein lieber Aiden. Such dir was anderes aus.“ „Leg mir keine Wörter in den Mund! Vor allem, wenn Kari hier ist, um Gottes Willen. Was machst du eigentlich hier?“, wunderte sich der Braunhaarige immer mehr, was ihm nur wieder eine trockene Antwort einbrachte: „Arbeiten, nach was sieht es denn aus?“   Hikari konnte sich ein Kichern über die beiden nicht verkneifen und ließ ihre Beine ein bisschen in der Luft baumeln: „Kann ich einen Kakao und ein Stück Schokoladenkuchen haben?“ „Sicher doch, Kleine. Und was wünscht der Herr, außer meiner Wenigkeit, die nicht auf der Karte steht?“, stichelte die Silberhaarige munter weiter, was ihr ein genervtes Brummen und einen bösen Blick einbrachte: „Warum muss du immer Salz in die Wunde streuen? Ich nehme einmal die Hausmarke, bitte mit etwas Zucker und Milch und dazu ein Stück Erdbeerkuchen.“ Mit einer leichten Verneigung schlenderte Mirai zum Tresen, um die Bestellung zu ordern. Die beiden Geschwister unterhielten sich ein bisschen über die Schüle, als sie ihren Kuchen und die Getränke hingestellt bekamen: „So, einmal Schokoladenkuchen mit Kakao und einmal Erdbeerkuchen mit einem Kaffee. Lasst es euch schmecken!“ „Itadakimasu!“, rief die kleine Brünette aus und genehmigte sich einen großen Bissen von ihrem Kuchen, während ihr Bruder sich an seine Mitbewohnerin wandte: „Seit wann arbeitest du hier?“ „Lass mich überlegen... Seit wir das letzte Mal hier waren und ich euch nicht länger auf der Tasche liegen wollte. Nachdem ihr beide gegangen wart und ich alleine da war, hab ich mein Geschirr weggeräumt. Dann ist der Manager rumgerannt und hat sich beschwert, dass eine Kellnerin ausgefallen sei. Tja, ehe ich mich versah, war ich angestellt und damit hab ich eine gute Beschäftigung, während ihr in der Schule hockt und paukt. Außerdem verdiene ich etwas Geld um euch nicht auf der Tasche zu liegen“, erzählte die Silberhaarige und hielt das Serviertablett vor ihrem Schoß. Dieses Mal war es Aiden, der sich einen frechen Kommentar nicht verkneifen konnte und die Aktion wegen der Karte wollte er Mirai zurückgeben: „Ah, ich verstehe. Übrigens, du siehst echt niedlich aus, in deiner Kellnerinnen-Uniform.“   Er nippte an seinem Kaffee und beobachtete mit einer tiefen Genugtuung, wie seine Mitbewohnerin knallrot anlief und auf dem Absatz kehrt machte, um zu einem anderen Tisch zu eilen, der bestellen wollte. Aiden kicherte fies und nippte weiter an seinem Kaffee, wobei er seine Freundin weiterhin im Auge behielt. Es war schön, dass sie eine Beschäftigung gefunden hatte, der sie nachgehen konnte. Er hatte ja schon befürchtet, sie würde im Wohnheim irgendwann einem Lagerkoller erliegen, aber so hatte es ein gutes Ende genommen. Kari folgte seinem Blick und kaute ihren Kuchen, bevor sie ihren Bruder angrinste: „Magst du Mirai?“ „Hm? Klar mag ich sie... Nicht auf diese Weise!“, lenkte der Oberschüler direkt ein, was seine Schwester etwas schmollen und von ihrem Kakao trinken ließ, ehe sie sich aufmerksam in dem ganzen Raum umsah: „Mhm. Ich muss mal kurz auf die Toilette. Wo ist die?“ Etwas überrascht von dem plötzlichen Themenwechsel deutete der Braunhaarige hinter sich in eine Ecke des Lokals, die seine Schwester jetzt ansteuerte: „Hände waschen nicht vergessen und komm danach sofort wieder her.“   So ganz traute er dem Braten nicht, weshalb er Mirai noch einmal zu sich winkte, die ihn verstimmt musterte: „Was ist denn jetzt noch?“ „Kannst du vielleicht ein Auge auf Kari haben, sie will zur Toilette“, erklärte dich der Braunhaarige, was die Kellnerin aufschauen und grinsen ließ: „Ah ja, das versteht man also heutzutage unter »auf die Toilette gehen«. Sehr interessant.“ Mit einer gehobenen Augenbraue drehte Aiden sich nach hinten und stieß im nächsten Moment einen schrillen Klagelaut aus, als er seine Schwester bei einer jungen Frau entdeckte: „Oh nein! Nicht schon wieder!“ Er hechtete auf Kari zu, wobei er von Mirai neugierig begleitet wurde. Leider kam er zu spät, denn seine Schwester trällerte bereits fröhlich los: „Darf ich dich was fragen? Hast du zufällig einen Freund? Mein großer Bruder sucht eine Freundin und du wärst wirklich perfekt dafür.“ So schnell er konnte griff Aiden die Kleine am Kragen und zog sie zurück: „Haha, kleine Kinder reden so viel lustiges Zeug, wenn der Tag lang ist. Bitte entschuldigen Sie die Störung. Bist du noch zu retten?“   Mit wütender Miene zog er Hikari zu den Toiletten und stemmte die Hände an die Hüfte, während die Kleine sich anscheinend keiner Schuld bewusst war: „Ich weiß gar nicht, warum du dich aufregst. Ich will dir doch nur helfen, Onii-chan.“ „In diesem Fall brauche ich keine Hilfe und wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du das bleiben lassen sollst?“, stöhnte Aiden genervt auf und bekam von Mirai einen Knuff gegen die Schulter: „Oh man, das ist die beste Schicht, die ich je hatte. Mach weiter so, Kari-chan, dafür geht dein Kuchen heute auf mich. Aiden, wir werden noch unseren Spaß haben, nicht wahr?“ Sie grinste frech und schlenderte zu einem der Tische, als Aiden sich wieder an seine Schwester wandte: „Ich habe dich schon so oft gebeten, das sein zu lassen. Warum hört du nicht auf mich?“ „Na, weil du Hilfe brauchst und ich bin doch für dich da“, erwiderte die Kleine und strahlte ihren Bruder an, der sich genervt den Nacken rieb und dann eine Stimme in seinem Hinterkopf vernahm: „Ich bin du. Du bist ich.“ Mit einem wehleidigen Blick sah er auf das Mädchen vor ihm und seufzte, bevor die Kleine von einem Fuß auf den anderen sprang: „Jetzt muss ich aber wirklich auf die Toilette.“   Sie hechtete in den Raum und ließ ihren Bruder stehen, der sich durch die Haare fuhr. Die Tatsache, dass Hikari sich als einer seiner Verbindungen entpuppte, machte es für ihn nicht unbedingt leichter. So sehr er sich auch dagegen wehren wollte, er konnte es nicht mehr ändern und musste es akzeptieren. Er wartete noch eine Weile, bis Kari aus der Toilette kam und ihre nassen Hände schüttelte: „Die Handtücher sind alle... Onii-chan, warum schaust du so komisch?“ „Ach, ist schon in Ordnung. Komm, ich hab noch ein Handtuch dabei“, erwiderte er und tätschelte dem Mädchen den Kopf, bevor sie zu ihrem Tisch zurück gingen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)