Alpträume verscheuchen von Votani (Kagura x Rin) ================================================================================ Kapitel 1: Alpträume verscheuchen --------------------------------- Nachts ist das Haus so still, dass man seine Gedanken besonders laut und deutlich hören kann. An den guten Tagen fällt Kagura todmüde ins Bett und schläft die gesamte Nacht durch. Nur an den schlechten Tagen, an denen die Liebe und Sehnsucht nach Kyo sie förmlich zu zerreißen droht, liegt sie wach im Bett und beobachtet die dunklen Äste der Bäume außerhalb ihres Fensters, eines ihrer vielen Katzenkuscheltiere, von denen sie sich einfach nicht hatte trennen können, fest im Arm haltend. Seufzend legt Kagura das Kuscheltier beiseite, schlägt die Decke fort und setzt sich auf. Obwohl sie inzwischen eingesehen hat, dass Kyo ihre verdrehten Gefühle nie in irgendeiner Art und Weise erwidern wird, so ändert das nichts daran, dass sich ihr Herz gelegentlich schmerzhaft zusammenzieht. In solchen Zeiten erscheint es Kagura fast unmöglich, einfach ruhig im Bett liegen zu bleiben. Ganz besonders, wenn die Traurigkeit sich auch noch in Unzufriedenheit umwandelt und die Energie wie eine elektrische Ladung in ihrem gesamten Körper vibriert. Kagura ballt die Hände zu Fäusten, als sie aus ihrem Zimmer in den noch dunkleren Flur wandert. Unter keinem Türspalt brennt mehr Licht, was bedeutet, dass sie die einzige ist, die nicht schlafen kann. Auf leisen Sohlen schleicht Kagura durch den Flur zur Treppe, doch gerade als ihre Hand das Treppengeländer umfasst, lässt ein Geräusch sie innehalten. Ihr Blick richtet sich auf die geschlossene Tür, an der sie gerade vorbeigegangen ist, da der heisere Aufschrei aus Rins Zimmer stammt. Es ist nicht neu oder ungewohnt, dass Kagura ein bisschen von Rins schlechten Träumen aufschnappt, während die sie nachts schlaflos durch das Haus geistert. Ganz am Anfang, als sie noch Kinder gewesen sind und Rin gerade erst bei ihnen eingezogen ist, hat Kagura sie noch direkt auf diese Albträume angesprochen. Die kindliche Neugierde, die keine Privatsphäre kennt, hat da noch aus ihr gesprochen, doch Kagura hat nie herausgefunden, von was Rin nachts heimgesucht wird. Rin ist die schweigsamste Person, die Kagura kennt, obwohl sie in ihrer Wut auch die giftigste Zunge haben kann. Kaguras Mundwinkel zucken in einem traurigen Lächeln, als sie sich daran erinnert, wie oft Rin ihr vorgeworfen hat, dass sie Kyo ihre Gefühle aufdrängt. Obwohl Rin grob und verletzend sein kann, lügt sie nicht, das hatte Kagura schon immer gewusst, auch wenn sie es sich nicht immer eingestehen will. Ihre Finger lösen sich von dem Treppengeländer, als sie stattdessen vor Rins Tür zum Stehen kommt. Vom ersten Tag an hat Rin ihre Tür stets abgeschlossen, damit niemand einfach hineinplatzen kann. Meistens ist sie aus ihrem Fenster geklettert, um sich mit Haru zu treffen, anstatt die Vordertür zu benutzen. Doch seit sie zusammengebrochen und ein zweites Mal aus dem Krankenhaus entlassen worden ist, findet Kagura ihre Tür immer öfter offen vor. Auch in dieser Nacht ist sie nicht abgeschlossen, wie Kagura feststellt, als sie den Türknauf mit einem hauchzarten Quietschen dreht und die Tür sich öffnet. So ganz hat sie ihre Neugierde nicht abgeschüttelt. Kagura wartet nur, dass ihr eine energische Beleidigung entgegenpeitscht, doch der Raum ist in Stille gehüllt. Nur gelegentlich wird sie von leisen Lauten durchbrochen, einem leisen Schluchzen und einem scharfen Lufteinziehen und einem Rascheln der Bettdecke, als Rin sich hin- und herwälzt. Früher hat sich Kagura gefragt, wovon Rin träumt, weil sie ihre Neugierde stillen wollte, heute möchte sie es wissen, da Rin ihren Schmerz und ihre Ängste auch nach all diesen Jahren nicht abschütteln kann, obwohl sie es doch verdient hat. Kagura nährt sich dem Bett. Das Mondlicht fällt durch die offenen Vorhänge in das Zimmer und gibt die langen, schwarzen Haarsträhnen preis, die auf dem weißen Kissen ausgebreitet liegen. Mit der Bettdecke zum Kinn hochgezogen, wirkt Rin furchtbar jung und zerbrechlich, ganz anders, als das Mädchen, das ihre Familie mit ihr teilt und nie zu der Schwester geworden ist, die sich Kagura eine Zeit lang gewünscht hat. Rin zieht zittrig die Luft ein, das Gesicht zu einer Grimasse verzogen – und da ist wieder das Gefühl, welches Kagura erst vom Schlafen abgehalten hat. Der Knoten in ihrem Magen, das Herz, das sich ihr schmerzhaft in der Brust zusammenzieht. Sie erinnert sich an all die Nächte, an denen sie Rin im Schlaf hat aufschreien hören und an denen Kagura wieder ins Bett gekrochen ist, da ihre Sehnsucht nach Kyo kein Vergleich zu Rins ständigen Albträume ist. Bei dem Gedanken dreht sich Kagura der Magen um. Vorsichtig setzt sie sich auf die Bettkante und streicht Rin ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Isuzu, es ist nur ein Alptraum, hörst du?“ Als sei ihre Berührung ein Blitzschlag, zuckt Rin unter ihrer Hand zusammen. Ihre Arme heben sich, um einen unsichtbaren Feind fortzuschlagen. „Isuzu!“, ruft Kagura lauter und schlingt ihre Arme um Rins Schultern, um sie festzuhalten und sich an sie zu drücken. „Ich bin’s, Kagura“, flüstert sie mit lauter Stimme, als ein weiterer Ruck durch Rins Körper geht und Kagura ihre Stirn gegen Rins Schläfe presst. Rins gesamter Körper spannt sich in ihren Armen an, als sie ruckartig aus dem Schlaf erwacht und nach Luft schnappt. Finger graben sich in Kaguras Schlafanzug und zerren an dem Stoff. „Isuzu, es ist nur ein Alptraum! Es ist alles in Ordnung, du bist sicher“, plappert Kagura, um irgendetwas zu sagen, auch wenn sie nicht weiß, wovon Rin träumt, weil Rin nie etwas mit ihr teilt. Tränen brennen in ihren Augenwinkeln, denn in diesem Moment möchte Kagura nichts mehr, als Rin zu beruhigen. Dabei kann man all die vergangenen Nächte, all die Jahre, die Kagura sie ignoriert und auf sie heruntergesehen hat, nicht wiedergutmachen. Nichts kann das Chaos in Rins Herz so einfach besänftigen, ganz gleich wie sehr sie tun möchte. Ein Schluchzen kriecht aus Kaguras Kehle und sie presst die Augen zusammen. Dabei bekommt sie kaum mit, wie Rins Finger sich langsam, fast in Zeitlupe, aus dem Stoff ihres Ärmels lösen und die Anspannung sich aus ihren Schultern löst. Kagura befindet sich in einer halbliegenden Position, Rin in ihrem Armen haltend und ihre Tränen benetzten Rins Haare, obwohl sie doch hergekommen ist, um Rin zu trösten und zu beruhigen. Stattdessen ist es Rins Hand, die ihren Hinterkopf berührt, so sanft, dass es glatt Kaguras Einbildung sein kann. Selbst als Kaguras Tränen längst versiegt sind und sie inzwischen gänzlich neben Rin im Bett liegt, entzieht sich Rin ihrer Bewegung nicht. Sie dreht lediglich den Kopf zum Fenster hin, als möchte sie hinaus in die Dunkelheit schauen, der Blick seltsam leer und fast friedlich im Mondlicht. Kagura legt den Kopf auf ihrer Schulter ab, dicht an ihre Halsbeuge gepresst und den Arm über ihren Brustkorb geschlungen. Obwohl die Müdigkeit inzwischen mehr und mehr von ihr Besitz ergreift, schlägt ihr das Herz dennoch bis zum Hals. Sie weiß nicht, was geschehen ist oder wie das alles so eskaliert ist, da Kagura eigentlich nur hinunter in die Küche schleichen und sich nach einem Snack hatte umsehen wollen. Außerdem weiß sie nicht, was in Rin vor sich geht oder was sie sagen soll. Kagura weiß nur, dass sie irgendetwas sagen sollte. „Isu—“ „Kagura“, fährt Rin ihr über den Mund und eine Schärfe unterliegt ihrem Ton, die keinen Widerspruch zulässt. Stille kommt wieder auf, bevor Rin erneut das Wort erhebt. „Danke. Die… Träume sind leichter zu ertragen, wenn jemand da ist.“ Kagura nimmt an, dass Rin damit Haru meint, obwohl Kagura nicht versteht, warum sie dann nicht bei ihm ist. Zwar weiß offiziell kaum jemand, dass die beiden zusammen gewesen sind, aber für Kagura, die sich so sehr nach wahrer Liebe sehnt, ist es offensichtlich, wenn Haru mal wieder hier vorbeigekommen ist, um Rin zu sehen. Er liebt sie und sie liebt ihn, aber anstatt in seinen Armen zu liegen, liegt Rin lieber allein hier im Bett. „Wenn es hilft, bin ich gern immer für dich da, Isuzu“, erklärt Kagura energisch und stützt sich mit dem Ellenbogen auf der Matratze ab, um sich aufzustemmen und Rin ansehen zu können. „Wir können Übernachtungen haben“, sagt sie und ist jetzt schon von der Idee begeistert. „Mal in deinem Zimmer, mal in meinem Zimmer und dann—“ „Kagura“, presst Rin erneut hervor und dreht den Kopf in ihre Richtung. „Übertreib es nicht.“ Doch ihre Worte fehlt es an der gewohnten Abneigung. Kagura hebt die Hand, um die Finger vorsichtig über die dunklen Ringe unter Rins Augen streichen zu lassen. Ein Lächeln bahnt sich über ihre Lippen. „Ich weiß, ich weiß…“ Kagura lässt sich wieder sinken und lehnt den Kopf gegen Rins, ehe sie die Augen schließt und fühlt, wie sich Rins Hände an ihren Arm legen, um an ihr festzuhalten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)