Meeressturm von Coronet ================================================================================ Prolog: Die Sieger ------------------ “Guten Morgen meine Damen und Herren, raus aus den Federn! Es wartet ein weiterer wundervoller Tag in den 73. Hungerspielen auf uns! Fast zwei Wochen sind um und wir dürfen die letzten vier Tribute gerade dabei beobachten wie sie einander jagen. Falls Sie sich jetzt wundern was mit den anderen Tributen geschehen ist – es war eine ereignisreiche Nacht! Lassen Sie uns doch noch einmal die Highlights Revue passieren. So viel kann ich Ihnen schon einmal sagen: die Karten wurden neu gemischt, spätestens dann als unsere kleine Giftmischerin aus Distrikt neun mit unserer lieben Patricia Montague Schluss gemacht hat. Das dürfte Distrikt zwei hart treffen, denn damit verbleiben ihnen keine Tribute mehr, sehr schade! Dafür wird Distrikt vier sich freuen, gleich mit zwei Tributen auf den Sieg blicken zu können. Schauen wir uns doch noch einmal an was letzte Nacht alles passiert ist…“   Das allmorgendliche Frühstücksfernsehen plärrt unentwegt vor sich hin. Ein hektischer Caesar Flickerman lacht schrill während er die vergangenen Abendstunden für die Zuschauer zusammen fasst. Die Pflichtübertragung ist so leise wie möglich geschaltet doch trotzdem dringen die Worte durch das ganze Haus, aus dem Wohnzimmer in den Flur, die geschwungene Holztreppe hinauf und schließlich unter der geschlossenen Schlafzimmertür hindurch. In dem Moment als ein furchtbarer Angstschrei erklingt öffne ich die Augen. Mein Nachthemd klebt mir kalt am Rücken und das Laken hat sich im Schlaf eng um meine Beine gewickelt. Reflexartig gräbt meine Hand sich tiefer in das Kopfkissen. Ich keuche und versuche eilig das Laken von mir zu streifen doch meine Hand zittert so sehr, dass ich mich nicht befreien kann. Unwillkürlich treten Tränen in meine Augen. Mit einem erstickten Keuchen sinke ich zurück auf das Bett, das Kopfkissen mit beiden Händen fest über den Kopf gedrückt. Ich will nicht schreien. Doch in meinem Kopf sind sie alle wieder da – die Erinnerungen. Unheilvoll öffnen sich die Tiefen meines Geistes und reißen mich in ihren Strudel. Irgendwie krümme ich mich zusammen obwohl das Laken in meine Haut einschneidet und mir das Kissen den Atem nimmt. „Wollen wir doch mal sehen was dieser strahlende Sonnentag so für uns zu bieten hat“ tönt die blecherne Stimme Flickermans von unten herauf, „denn ich kann es schon fühlen, bald ist das Ende nah, vielleicht sogar heute!“ Mein Herz rast in der Brust. Es gab kein Ende, ich war der lebende Beweis dafür, dass das Ende erst der Anfang war. Dann knackt es einmal und die Übertragung bricht ab. Die Folter zum Morgen war vorbei. Die eintretende Stille wird von dem fernen Zwitschern der Vögel abgelöst. Langsam lichtet sich der Schleier böser Gedanken der mich fest im Griff hatte. Eine verschwitzte Hand zieht das Kissen vom Gesicht und erst jetzt sehe ich richtig mein Zimmer. Über mir erhebt sich der Baldachin meines ausladenden Himmelbetts. Die hellblauen Vorhänge vor dem Fenster sind ein Stück offen und lassen die Sonnenstrahlen ins Zimmer. Immer noch zitternd reiße ich das dünne Laken von meinen Beinen. Wackelig stolpere ich zum Fenster hinüber und öffne es weit. Eine angenehme Sommerbrise streicht mir über die schweißnasse Haut. Tief atme ich ein. Unter meinem Fenster erstreckt sich die Weite von Distrikt vier. Zumindest die schöne Seite ist von hier aus sichtbar. Die ordentlichen Häuser der bessergestellten in den sanften Hügeln bieten einen herrlichen Ausblick im goldenen Licht der Morgensonne. Weit in der Ferne und vom Dunst verborgen liegen die ärmlicheren Slums die sich an die felsigere Seite der Küste drängen. Verheißungsvoll glitzert das Meer in der Ferne. Auf den tiefblauen Wellen schwimmen wie Käfer die Fischerboote. Fast wäre es idyllisch, doch die dunklen Pylone die in der Ferne aus dem Wasser ragen trüben diesen Eindruck. Zwischen ihnen sind Barrieren gespannt die jeden Gedanken an Flucht ersticken. Bevor mich ein neuerlicher Panikanfall überkommen kann lasse ich meinen Blick weiter wandern, in den Garten meines Siegerhauses. Zwischen wilden Blumen und Büschen kniet Isla auf der Erde, ein buntes Tuch um die Haare geschlungen, und erntet einige von den Bohnen die wir vor einiger Zeit gesät haben. Sie ist eine muskulöse Erscheinung wie sie da zwischen den zarten Pflanzen kniet, doch sie kann ungeahnt sanft sein. Dank Jahren der Arbeit auf einem Hochseekutter ist sie rau und abgehärtet, aber ihre gutmütige Art hat sie sich behalten. Als könnte sie meinen Blick spüren dreht sie sich um und winkt mir mit einem Bündel Bohnen in der Hand zu. „Annie, du bist schon wach!“ Sie blinzelt gegen die Sonne während ihr kritischer Blick über mich gleitet. Ich versuche ein Lächeln, doch irgendwie rutscht es mir gleich wieder von den Lippen. „Guten Morgen“, will ich rufen doch es gerät eher zu einem Flüstern. Aber Isla lässt sich nicht beirren und strahlt mich weiter an. „Warte kurz, ich komme rein, dann können wir frühstücken.“ Ich tapse zu dem wuchtigen Holzschrank hinüber in dem ich meine Kleidung aufbewahre. Eilig kleide ich mich an. Je länger ich verweile desto eher gebe ich dem dunklen Raum in meinem Kopf Platz. Schon auf der Treppe nach unten binde ich schnell meine Haare in einen Dutt. Ein wunderbarer Duft dringt aus der Küche. Neugierig folge ich ihm. Isla steht am Ofen und löst gerade vorsichtig einen Leib frischgebackenen Brotes aus der Form. Auf der Theke liegen frisch gepflückte Kräuter und Bohnen. Ein himmlisches Potpourri an Düften beruhigt für den Moment meine Sinne. Stumm mache ich mich daran Teller und Besteck für uns herzurichten während Isla das Brot in dicke Scheiben schneidet. „Heute habe ich ein neues Rezept ausprobiert“, erzählt sie fröhlich, „vielleicht errätst du ja heute die Geheimzutat.“ Sie lacht herzlich, „aber ich glaube das ist gar nicht so einfach zu erraten.“ Ein warmes Gefühl breitet sich in meinem Bauch aus bei dem Klang ihres Lachens. Dies ist wohl einer der Gründe warum ich Isla so gerne um mich herum habe. Wo ihr Mann Trexler eher wortkarg ist, redet und lacht sie viel. Allein ihre Anwesenheit schafft es das ganze Haus mit Leben zu füllen. Jetzt wo die anderen Sieger als Mentoren für die Hungerspiele im Kapitol sind, sind wir die einzigen Verbliebenen im Dorf der Sieger. Allein schon deswegen lebt Isla im Moment so gut wie in meinem Haus. Keiner von uns fühlt sich in der Leere seines gewaltigen Hauses wohl. Isla besucht zwar oft die Waisen im Heim und hilft dort aus, doch zuhause ist sie einsam wenn Trex fort ist. Wir essen die noch warmen Brotscheiben wie immer an dem ausladenden Tisch im Garten während dicke Bienen träge um uns summen. Es ist schwer sich in diesem Garten nicht auch nur ein Stück weit wie im Paradies zu füllen. „Annie, was hältst du davon wenn wir neben den Kräutern noch einige Erdbeeren anpflanzen? Ich glaube der Boden dürfte genau richtig sein. Dann könnten wir Erdbeerkuchen backen.“ Abwesend blicke ich auf die chaotischen Beete. In den letzten drei Jahren hat jeder einzelne Sieger geholfen etwas in diesem Garten anzubauen. Ursprünglich war der Garten nicht mehr als ein Stück ordentlichen Rasens, doch Amber hatte die Idee gehabt ihn umzupflügen um etwas zu pflanzen. Mit Hilfe ihres grünen Daumens war aus der unangenehm perfekten Grasfläche ein wildes Durcheinander an Blumen, Obst und Kräutern erwachsen. Mein Blick stoppt bei bei dem lila Flieder der eine Ecke des Gartens überschattet. Diesen habe ich in meinem ersten Frühling hier gemeinsam mit Finnick gepflanzt. Finnick. Ich spüre einen Stich in meinem Herzen und blicke schnell weg. Eine warme Hand legt sich auf die meine und als ich aufsehe blickt Isla mich aus traurigen Augen an. „Bald sind wir alle wieder vereint. Die ganze Familie.“ Ich nicke während meine Augen feucht werden. „Die Erdbeeren sind eine gute Idee“, entgegne ich kaum hörbar. Erfreut lächelt Isla mich an. „Ich hole nachher welche auf dem Markt! Möchtest du mitkommen und die besten Pflanzen aussuchen?“ Schnell schüttle ich den Kopf. Ich hasse die Stadt, besonders den lärmigen und überfüllten Markt. Und ich hasse wie die Menschen mich ansehen, als könnte ich ansteckend sein. Vermutlich haben sie Angst ich könnte wieder einen Anfall haben, denke ich düster, dabei hat niemand mehr Angst vor diesen Anfällen als ich selbst. Ich ertrage ihre Blicke nicht, das Tuscheln und die Gehässigkeiten. Lieber bleibe ich hier draußen, weit genug weg vom Fernseher. Mein Herz sinkt. Die Hungerspiele. Was haben sie vorhin gesagt? Vielleicht endet es bald. Mein Mund wird trocken. Finnick und die Anderen. Sie sind alle noch fort und leiden. Meine Hand mit der Brotscheibe fängt wieder an zu zittern. Hastig blicke ich wieder in den blühenden Garten. Vor Schreck lasse ich mein Brot fallen, denn dort unter dem Flieder steht ein rothaariges Mädchen, den Blick auf meine Beete gerichtet. Sie scheint meinen Blick auf sich zu spüren, denn plötzlich schaut sie hoch. Ein spöttisches Grinsen auf dem Gesicht winkt sie mir zu. „Schöne Pflanzen hast du da. Scheint so als wenn ihr euch gut um sie kümmert“, sagt sie, während ihre Hand über den Flieder streicht. „Was willst du hier?“, krächze ich, mein Hals plötzlich ganz trocken. Sie lacht glockenhell. „Schätzchen, ich bin hier weil du an mich gedacht hast.“ Mit einem Ruck reißt sie eine Traube Blüten vom Flieder ab. Ich springe auf. Mit einem Scheppern fällt mein Stuhl auf die Terrasse. „Nicht, bitte nicht, lass ihn in Ruhe“, will ich rufen, doch es ist mehr ein Flüstern. Die abgerissenen Blüten immer noch in der Hand lacht sie wieder. „Du bist zu süß Annie. Ich verstehe einfach nicht wie ausgerechnet du die Arena überleben konntest.“ Isla blickt mit zusammengezogenen Brauen in Richtung des Flieders, mischt sich aber nicht ein. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals während ich versuche tapfer das Kinn zu recken um ihr entgegenzutreten. Doch das Gesicht des Mädchens wird plötzlich zornig. Hass flammt in ihren Augen auf als sie die Fliederblüten in ihrer Hand zerquetscht. Ihre roten Haare wehen in einer aufkommenden Briese hoch. Sie sieht aus wie eine Rachegöttin wie sie so dasteht, das flammend rote Haar wild im Wind und die Augen glühend wie Lava. Sie richtet einen Finger auf mich und schreit: „Du hast mich getötet! Du hast mir den Sieg genommen! Du hast mir alles genommen!“ In einem schrecklichen Grinsen fletscht sie die Zähne. „Ich hätte die Siegerin sein sollen. Ich war stark und mutig während du nur – du nur ein Nichts warst!“ „Nein, nein… bitte nein“, schreie ich plötzlich aus voller Lunge, „ich habe das nicht gewollt! Ich habe das nicht gewollt! Lass mich einfach in Ruhe!“ Tränen strömen über meine Wangen. Ich versuche rückwärts zu stolpern, aber stattdessen fallen ich über den umgestürzten Stuhl unsanft auf den Boden. Panisch versuche ich aufzustehen, ohne, dass ein Muskel in meinem Körper mir gehorchen will. Die rothaarige kommt langsam über das Gras auf mich zu. Ich spüre förmlich wie ihr Blick allein mich verbrennt. Hilflos rolle ich mich zusammen, die Arme um meinen Kopf geschlungen. Ich schluchze wieder. Ich will nicht sterben und doch bin ich zu schwach um mich zu wehren. Ich kann sie nicht töten. Nicht noch einmal. „Es tut mir so leid“, stoße ich hervor, „bitte… bitte…. Nicht….“ Ich versuche noch etwas zu sagen, doch die Luft will einfach nicht mehr in meine Lungen. Es fühlt sich an als wäre ich wieder in der gefluteten Arena, in dem Versuch meinen Kopf über Wasser zu halten um nicht zu ertrinken. Verzweifelt liege ich auf dem Boden. Wie aus weiter Ferne höre ich rasselnde Atemgeräusche, nicht sicher ob es von mir stammt. Eine Stimme dringt auf mich ein, doch ich presse meine Hände nur noch fester auf die Ohren. Ich kann es nicht weiter ertragen ihre Vorwürfe zu hören. „Nein, bitte nicht, ich wollte das nieee“, bringe ich mit aller Kraft hervor, „Hilfe… hilfe, ich will nicht sterben! Finnick! Hilf mir!“ Als letztes spüre ich wie raue Hände mich in eine warme Umarmung ziehen, höre wie Worte gemurmelt werden die ich nicht verstehe, dann wird mir schwarz vor Augen.   ***   In den sonnigen Straßen des Kapitols hört man fröhliche Gespräche und das Gelächter spielender Kinder, obwohl die Hitze bereits frühmorgens auf die Stadt drückt. Doch innerhalb des Hochhauses der Hungerspiele ist es dunkel. Getönte Fensterscheiben verdunkeln die Sicht nach draußen – und verbergen vor allem was drinnen vor sich geht. Der zwölf Stockwerk hohe Bau über dem unterirdischen Trainingscenter erhebt sich zwar weithin sichtbar in der Mitte des Kapitols, doch das Leben innerhalb ist abgeschieden von der Außenwelt. An allen Wänden des Raumes hängen übergroße Bildschirme, auf dem überwiegenden Teil wird aus verschiedenen Winkeln die Arena der Hungerspiele gezeigt. Auf den übrigen werden diverse Vitalfunktionen und andere Daten aufgezeichnet. Ein kränklich blaues Licht das von den Bildschirmen ausgeht beherrscht den Raum und lässt die zwei davor sitzenden Mentoren umso ausgezehrter wirken. Für einen Moment löst Finnick seine Augen von der Szenerie der Arena. Geistesabwesend reibt er sich über das Gesicht. Die letzten Tage waren besonders nervenaufreibend gewesen. So sehr, dass er nicht einmal mehr weiß wann er zuletzt geschlafen hat. Mittlerweile sind es die siebten Hungerspiele für ihn als Mentor. Lediglich im ersten Jahr nach seinem Sieg hatte das Kapitol so etwas wie Gnade gekannt und ihn nicht verpflichtet. Doch seitdem saß er jedes Jahr wieder in dem Überwachungsraum, hilflos dabei zusehend wie die Kinder aus den Distrikten für eine sinnlose Sache starben. Wobei, gänzlich hilflos waren die Mentoren nicht, dachte er bitter. Sie durften ihre Tribute für eine Woche ausbilden, um Sponsorengelder betteln und versuchen Allianzen zu schmieden. Doch wenn er eines gelernt hatte, dann, dass die Hungerspiele sich nie vorherbestimmen lassen. Wettkalkulationen im Fernsehen schienen ein vergnüglicher Spaß für die breite Bevölkerung zu sein, doch nicht selten trotze ein Tribut allen Erwartungen. Zuweilen fühlte er sich als würde er Wasser treten, jeder Versuch das Überleben ihrer Schützlinge zu sichern zum Scheitern verdammt. Nur in einem Jahr hat er einen Sieg erlebt und der hat ihn fast alles gekostet. Sein Blickt schweift zu der dunklen Fensterfront. Es ist nur ein schmaler Streifen blau den er über den angrenzenden Prachtbauten erahnen kann, doch immerhin ist dies der einzige Ausblick auf etwas das nicht mit den Hungerspielen zu tun hat. Unausweichlich gleiten seine Gedanken fort von dem stickigen Raum. Fort zum Meer, nach Distrikt vier. In die idyllische kleine Siedlung der Sieger – zu Annie. Heute ist er seit 20 Tagen von zuhause weg. Wie immer wenn er an sie denkt mischen sich Freude und Traurigkeit in seiner Brust. In all der Schrecklichkeit der Spiele ist sie sein heller Lichtblick, die Aussicht darauf wieder an ihrer Seite sein zu können gibt ihm die Kraft weiter machen zu können. Doch jeden Tag den die Spiele länger gehen vermisst er sie mehr – hat er mehr Angst um sie, dass ihre Albträume sie wieder überwältigen könnten. Es ist ein schwacher Trost, dass er Isla an ihrer Seite weiß. Doch solange bis es vorbei ist, ist er es den beiden Tributen aus Distrikt vier schuldig alles für sie zu geben. Es ist das Mindeste was er für sie tun kann. Dieses Jahr haben es beide Tribute wie durch ein Wunder geschafft so lange zu überleben. Fast zwei Wochen sind um und nur noch vier Kandidaten im Ring. Dies ist seiner Empfindung nach eine besondere Form der Hölle. Sollten Riven und Eric sich unabhängig von einander durchgeschlagen haben nur um jetzt im „Finale“ einander gegenüberzustehen? Sein Blick fällt auf die Kameraübertragung von Riven. Das zierliche Mädchen kauert in der Ruine eines verfallenen Hauses, die Hände dicht an ein schwelendes Feuer gestreckt. Dicke Schneeflocken fallen auf die zerbrochenen Balken des Hauses um sie herum. Ein paar tiefe Kratzer bedecken ihre Wange, doch ansonsten scheint sie wohlauf. In ihrem grimmigen Blick liegt der Wille um jeden Preis zu überleben – zugleich mit einer tief verborgenen Reue sich jemals freiwillig gemeldet zu haben. „Brot und Wasser an beide Tribute sind raus“, unterbricht Amber Finnicks Gedanken. Sie sitzt mit einem Tablet hinter Finnick an der anderen Seite des Raums, den Blick konzentriert auf die Bildschirme gerichtet. „Abwurf sollte in den nächsten Minuten erfolgen.“ Befriedigt legt sie das Tablet ab, streckt sich und dreht sich zu ihm herum. „Die feinen Leute sind seit gestern Nacht so richtig in Spendierlaune gekommen. Da weiß man ja nicht mal ob man das noch alles ausgeben kann.“ Finnick seufzt. „Vielleicht sollten wir ihnen noch ein paar Salben oder Gegengifte schicken, nur für den Fall der Fälle.“ Amber zieht nur eine Grimasse. „Damit nachher beide noch die letzten Überlebenden sind?“, sie schüttelt den Kopf. „Ich sage es jetzt noch einmal, auch wenn du es nicht hören willst, aber wir sollten uns endlich auf einen Tribut festlegen. Einer von beiden wird es ohnehin nicht schaffen.“ Ihr Blick ist eindringlich auf Finnick gerichtet, der spürt wie sich etwas in ihm zusammenzieht. Er hasst diese Entscheidungen. Den Gedanken er könnte bestimmen wer es wert ist weiter zu leben. Leicht zornig hält er dagegen: „Es wird immer die falsche Entscheidung sein, egal was passiert.“ Mit einem entnervten Seufzen wendet Amber sich von ihm ab. Sie sagt nichts weiter sondern schüttelt nur wieder den Kopf. Diese Diskussion haben sie beide schon viel zu oft geführt. Doch er kennt sie lange genug um auch die Anspannung in Ihren Schultern zu erkennen, die fest zusammengebissenen Zähne, die Sorgenfalte auf ihrer Stirn. „Es ist nicht meine Entscheidung zu wählen.“ Das Thema scheint damit für sie beendet und sie tippt eilig wieder auf ihrem Tablet herum. „Nein“, denkt Finnick bei sich, „es ist nicht unsere Schuld einen Tribut auswählen zu müssen. Es sind die Spiele und ihre Regeln.“ Dennoch kann er nicht anders als sich schuldig zu fühlen. Es ist nicht so als würde er eine Liste führen, doch jeder Name der verstorbenen Tribute aus den letzten sieben Jahren hat sich ihm eingebrannt. Amylin, Flynn, Ephigenie, Titus, Carla, Matthew, Pon, Sia, Gavin, Ylvi und Sam. Und einer von beiden Tributen auf den Bildschirmen um ihn herum wird in jedem Fall der Zwölfte auf der Liste. Es ist unausweichlich, dass sie sich entscheiden müssen, das weiß auch er tief in seinem Herzen. Mit einem bleiernen Gefühl in der Magengegend bewegt er einige Regler um den gegnerischen Tributen zu folgen. Ein kleines Mädchen von gerade einmal 13 Jahren erscheint auf einem der Bildschirme, ihre schmutzigen blonden Haare nass vom Schneetreiben. Sie kauert in den kahlen Ästen eines großen Baums am Rande der zerstörten Stadt welche die diesjährige Arena bildet. Ihre Hände umklammern ein mehr schlecht als recht selbstgemachtes Blasrohr. Doch der erste Eindruck täuscht wie Finnick weiß, denn in den vergangen Tagen hat sie mit ihren vergifteten Pfeilen eine blutige Spur quer durch die Arena hinter sich gelassen. Auch jetzt scheint sie nur darauf zu warten einen der verbleibenden Tribute in einen Hinterhalt locken zu können. Auf der anderen Hälfte des Bildschirms hingegen folgt die Kamera einem grobschlächtigen Jungen, bis an die Zähne bewaffnet mit Messern und einem Schwert. Er bahnt sich seinen Weg durch die Arena mit schweren Schritten, nicht einmal darauf bedacht leise zu sein. Er hält kurz an um sich zu einem schlammigen Fußabdruck herabzubeugen ehe er mit großen Schritten weiter durch die Ruinen stapft. Was er nicht weiß ist, dass diese kaum noch sichtbaren Spuren von dem Mädchen aus Distrikt elf stammen, welche erst bei Sonnenaufgang an den schleichenden Spuren ihrer Vergiftung gestorben ist. Finnick blickt auf die Übersichtskarte auf seinem Tablet auf dem jeder Tribut als leuchtender Punkt zu sehen ist. Im Moment bewegen sich alle mit einigermaßen Abstand zueinander, doch das wird nicht lange so bleiben. Am nächsten sind sich ihr Tribut Eric und der hünenhafte Junge aus Distrikt fünf. Mit wenigen Klicks lässt sich der Weg des Tributs vorausberechnen, sollte er weiter der zusehends verblassenden Spur folgen. Wie Finnick befürchtet ist die Gefahr groß, dass die Wege von ihm und Eric sich kreuzen werden. Über die Schulter hinweg wirft er Amber einen unauffälligen Blick zu. Sie ist immer noch ihrem Tablet zugewandt, doch er bezweifelt, dass sie noch nichts von den Bewegungen der Tribute mitbekommen hat. Vermutlich ist diese Situation überhaupt erst der Grund für ihre Anspannung. Ein weiterer Blick auf die Uhr sagt ihm, dass es gleich neun Uhr ist. „Ich sollte wohl besser schon einmal die anderen holen gehen zur Morgenbesprechung“, sagt er in die Stille hinein. Ohne den Blick zu heben nickt Amber. „Bringst du mir einen Kaffee mit? Ich befürchte Schlaf bekomme ich erst mal keinen.“ „Klar. Ohne Milch und Zucker, schwarz wie deine Seele?“, fragt er neckisch. Trocken lachend erwidert sie „Du kennst mich zu gut.“   ***   Ich knie tief in der angenehm kühlen Erde meines Gartens. Die Sonne brennt vom Nachtmittagshimmel herab, doch ich merke die Hitze auf meinen Armen und Rücken kaum noch. In dem Beet vor mir liegt bereits eine ordentliche Reihe kleiner Erdbeerpflänzchen in der Erde. Ich steche das Schäufelchen neu in die Erde um ein weiteres Loch auszuheben. Behutsam hole ich ein weiteres Pflänzchen aus der Holzkiste neben mir und lege es in die Mulde. Die Wurzeln breite ich vorsichtig aus, ehe ich Erde darüber gebe. Sacht klopfe ich diese mit der Schaufel fest. Einen Moment halte ich inne um tief Luft zu holen. Es riecht angenehm nach frischer Erde und wachsendem Grün. Meine Brust schmerzt beim Atmen, doch der Schmerz erinnert mich auf eine tragische Art daran, dass ich immer noch am Leben bin. Ich vermeide es auf den Flieder zu schauen, selbst wenn ich weiß, dass Victoria nicht dort steht. Es ist wie Isla gesagt hat, sie ist tot, tot und begraben in Distrikt sieben. Sie kann mich nicht mehr verletzen. Nicht körperlich zumindest. Auf den Knien rücke ich einige Zentimeter weiter das Beet entlang bevor ich ein neues Loch schaufle für das letzte Pflänzchen in der Kiste. Doch bevor ich es in das Loch heben kann stolpert Isla aus dem Haus, wo sie unsere frisch geernteten Bohnen für das Abendessen geschnippelt hat. Sie trägt noch immer ihre Schürze und trocknet sich mit einem Lappen die Hände. Ich schiebe mir den Strohhut in den Nacken um sie besser sehen zu können als sie eilig näher kommt. „Annie“, sagt sie mit sorgenvoller Stimme, „es ist soweit, sie rufen uns alle zusammen auf den Festplatz. Die Friedenswächter kommen schon unten der Hügel herauf. Wir sollten uns besser schnell auf den Weg machen.“ Sie reicht mir eine von Jahren der harten Arbeit schwielige Hand und zieht mich mit einem Ruck auf die Füße. Meine Knie sind bereits weich bevor ich ganz stehe. Die Hungerspiele enden. Das Schäufelchen rutscht aus meiner schweißnassen Hand. Mit einem dumpfen Geräusch schlägt es auf der Erde auf. Ich schaue herab auf das einzelne kleine Erdbeerpflänzchen, doch Isla zieht mich bestimmt mit sich. „Es tut mir so leid Annie, aber wir müssen uns beeilen. Ich will nicht, dass sie uns holen kommen.“ Sorge schwingt in ihrer Stimme mit. Sie legt mir einen Arm um die Schultern und führt mich in die Kühle des Hauses. Die angenehme Wärme lässt nach und plötzlich fühle ich mich eiskalt. Wie betäubt greife ich nach dem feuchten Lappen den Isla mir entgegenstreckt um mir die Erde von den Händen zu wischen. Gedanken rasen durch meinen Kopf, einer schneller als der andere. Wir müssen wieder herunter zum Festplatz um uns das Finale anzusehen. Sie werden mich auf eine Bühne zerren. Ich werde wieder sehen müssen wie jemand stirbt. Und dann wird es vorbei sein. Die anderen werden zurück kommen. Finnick wird wieder hier sein. Der Lappen in meinen Händen zittert als ich ihn auf den Esstisch lege. Isla ergreift meine Hand und drückt sie fest. „Lass uns gehen. Ich bleib auch an deiner Seite. Es wird alles gut.“ Sie zieht mich in eine hastige Umarmung. „Ich werde da sein.“ Über ihre Schulter hinweg sehe ich wie sich ein Schatten in der Küche bewegt. Mit einem schmalen Grinsen im Gesicht lehnt sich Shine an den Türrahmen. Sie sagt nichts, also schließe ich schnell meine Augen und drücke mich fester an Isla. Diese scheint meine Verspannung zu bemerken, denn sie streicht mir beruhigend über den Rücken. „Wer ist es?“, fragt sie mit fester Stimme. „Shine.“ „Dann sage ich ihr lieber, dass sie hier nicht erwünscht ist. Für Geister ist kein Platz in unserem Haus!“ Islas Stimme scheint durch den Raum zu hallen und als ich es wage die Augen wieder zu öffnen ist Shine spurlos verschwunden. Natürlich. Sie ist nicht real. Froh, dass ich mich nicht in Krämpfen am Boden winde drücke ich Isla noch einmal an mich. Ich will nicht hinunter zu den Spielen, doch wenn wir nicht gehen werden ohnehin nur die Friedenswächter kommen um mich zu holen. Es ist das mindeste, dass ich jedes Jahr an den Veranstaltungen rund um die Hungerspiele teilnehmen muss. Das größte Glück ist schon, dass ich nicht als Mentorin in das Kapitol muss. Ich versuche es zu tun wie Mags es mir beigebracht hat: Stück für Stück meine Seele in Lagen dicker Watte zu wickeln, bis ich mich taub fühle. Wie sie das machen kann habe ich nie ganz verstanden, doch es funktioniert gut genug um wenigstens die schlimmsten Panikattacken die mich sonst unvorbereitet treffen zu verhindern. Mags hat mir einst gesagt, dass man sich viel besser schützen kann wenn man weiß was auf einen zukommt oder noch besser, sich schon das Schlimmste vorgestellt hat, denn dann könne einen nichts mehr so sehr verletzen und langsam beginne ich zu glauben, dass es stimmt. Schon zweimal habe ich es geschafft auf der Tribüne das Finale über mich ergehen zu lassen, da werde ich es auch heute schaffen – so versuche ich zumindest es mir einzureden. Vielleicht kann ich es nur mit genug Erfahrung wie Mags schaffen wieder so etwas wie ein normales Leben zu haben. Zumindest ist das der Hoffnungsschimmer in mir drinnen der mir hilft. Etwas anderes ist es allerdings wenn plötzlich Victoria in meinem Garten steht. Doch diesen Gedanken muss ich jetzt weit hinter die Lagen aus Watte zurückdrängen. Nervös wische ich mir noch einmal über die Augen, dann eilen Isla und ich zur Tür, obwohl meine Knie mit Erde bedeckt sind und Isla noch ihre fleckige Kochschürze trägt. Auf dem Weg herab kommt uns auch schon ein Trupp aus vier Friedenswächtern entgegen die uns abholen sollen. Sie tragen ihre beste auf Hochglanz polierte Uniform, selbst die Gewehre blitzen wie an kaum einem anderen Tag. Sie gruppieren sich um uns herum und eskortieren uns so zu dem Festplatz auf dem große Leinwände aufgestellt sind. Die Bühne auf der vor beinahe drei Wochen schon die Ernte stattfand steht unterhalb der größten von ihnen. Bürgermeister Southshore und seine Familie sitzen bereits hübsch aufgereiht dort. Von überall strömen Menschen auf den Platz und drängen sich dicht an dicht. Auf Türmen rund um den Platz sind weitere Friedenswächter postiert die die Menge im Auge haben. Vor unserem kleinen Trupp weichen alle mit gesenktem Blick zurück als wären wir Ausgestoßene. Ich spüre , dass auch Islas Hand in meiner schwitzig wird, doch sie lässt sich nichts anmerken. Hoch erhobenen Hauptes schreitet sie auf die Bühne zu. Doch kurz bevor wir diese erreichen stoppt ein Wächter aus unserer Eskorte uns. An Isla gewandt sagt er barsch: „Sie warten hier unten. Es ist unsere ausdrückliche Anweisung nur die Siegerin herzubringen“, wobei er mir einen verächtlichen Blick zuwirft. Isla greift meine Hand noch fester und richtet noch ein Stück weiter auf. Ihr Blick ist stählern als sie ihm einen Finger auf die polierte Brustplatte setzt. „Ich gehe mit Annie auf diese Bühne. Davon wird mich auch kein Mann in einer Plastikrüstung von abhalten. Wir können jetzt entweder hier eine Szene machen und euch die Parade versauen oder ihr zieht euch jetzt zurück.“ Vielleicht ein wenig nervös lachen die Friedenswächter auf, doch keiner zieht sich zurück. Isla hält ihren Blick jedoch unverwandt auf jenen der sich ihr in den Weg gestellt hat. „Hör zu, ich hab schon draußen auf dem Meer gewaltigen Stürmen getrotzt als ihr alle noch in euren Windeln lagt. Ich habe keine Angst vor euch. Am Ende des Tages seit auch ihr alle nur käufliche kleine Waschlappen die das Fitzelchen Macht auskosten wollen, dass ihnen geschenkt wurde. Zufälligerweise kenne ich Hauptmann Arden recht gut und ich würde behaupten, dass so ein Aufstand überhaupt nicht in seinem Interesse wäre.“ Ihre Augen funkeln als sie dem Friedenswächter noch einmal mit Nachdruck gegen die Brust stupst. Beunruhigt knülle ich den Saum meines Shirts in der freien Hand zusammen während ich mich mit der anderen an Isla klammere. Natürlich will ich nicht alleine auf die Bühne, doch noch weniger will ich mich mit den Friedenswächtern anlegen. Stoisch blicke ich auf das staubige Pflaster zu unseren Füßen. In meinem Gedanken höre ich das Echo von Mags die mir rät mich selbst zu schützen. Mental ziehe ich die Watte um mein Innerstes enger. Ich muss das hier einfach nur durchstehen. Die Erwähnung seines Kommandanten scheint den Mann nachdenklich gemacht zu haben, denn er hält seinen Kameraden zurück als dieser ruckartig ausholt um Isla eine Ohrfeige zu verpassen. „Lass gut sein, sie ist die Schwester von Ardens Frau. Wir lassen sie einfach gehen. Ist sowieso egal ob die Verrückte da oben allein ist oder nicht, sie dreht sowieso durch. Wenn ihr jemand das Händchen tätschelt dann hält sie ja vielleicht noch fünf Minuten länger durch.“ Er lacht mitleidlos. Islas Augen werden schmal, aber sie sagt nichts weiter sondern rempelt ihn lediglich heftig mit der Schulter an ehe sie die Treppe zur Bühne erklimmt. Ich folge ihr mit gesenktem Kopf, das Gelächter der Friedenswächter in den Ohren. Die Beleidigungen sind nichts neues für mich. Mit aller Macht versuche ich sie aus meinen Gedanken zu drängen. Oben auf der Bühne bleibt Isla an meiner Seite stehen als ich mich auf den verbleibenden Stuhl neben dem Bürgermeister sinken lasse. Er würdigt uns keines Blickes, so wie jedes Jahr. Es erscheint unter seiner Würde sich mit denen abzugeben die nicht im Kapitol sind um Ruhm und Ehre für den Distrikt zu erringen. Trotz der angestauten Hitze auf dem Platz ist mir noch immer kalt. Der Saum an meinem Shirt löst sich langsam auf da ich geistesabwesend an den Fäden zupfe. Ich löse den Blick nicht von meinen Fingernägel unter denen immer noch Erde klebt. Würde ich den Blick heben dann sähe ich ohnehin nur eine gesichtslose Masse deren Blick in Schockstarre an den Leinwänden klebte auf denen gerade das Siegel des Kapitols eingeblendet wird, der Hymne nach zu urteilen deren Anfangstöne gerade ertönten. Southshore neben mir erhebt sich und heißt die Bevölkerung hier und auf den übrigen Festplätzen im Distrikt herzlich willkommen, kaum, dass die letzten Töne verklungen sind. Auf seine Worte hin ertönt eine Fanfare und dann erwachen die Bildschirme zum Leben. Es beginnt. Unwillkürlich schießt meine Hand zu dem Amulett unter meinem Shirt, meine letzte Erinnerung an eine längst verlorene Familie, ein Leben genommen von den Spielen. Ich muss stark bleiben.   ***   Alle Mentoren sind zur Mittagszeit in der großen Festhalle über dem Trainingscenter versammelt worden. Eine einzige riesige Leinwand überspannt die Stirnseite des prunkvollen Saals. Unterhalb dessen ist auf einem kleinen Podest eine stilvolle Lounge eingerichtet in der Präsident Snow sowie einige der wohlhabenderen Kapitolbewohner Platz nehmen werden. In Kürze wird das Finale offiziell eröffnet. Finnicks Gedanken sind daheim in Distrikt vier bei Annie. Jetzt in diesem Moment werden sie alle auf dem großen Platz vor dem Rathaus versammelt um dem Finale ebenfalls beizuwohnen. Sein Herz wird schwer als er daran denkt wie viel Angst sie durchstehen muss während sie wieder mit ihrem schlimmsten Albtraum konfrontiert wird. Doch andererseits ist er froh, dass sie in diesem Moment nicht bei ihm ist in diesem Saal voll von altem Geldadel, Politikern und bitteren Siegern. Hier fühlt sich das alles noch viel falscher an als draußen in den Distrikten zuzuschauen. Jahr für Jahr fühlt er sich mehr als stünde er auf der falschen Seite, umgeben vom höchsten Komfort wenn er den Tributen bei ihrem Überlebenskampf zuschaut. Im Moment ist es jedoch noch ruhig und so ist je eine Kamera auf einen der drei verbliebenen Tribute gerichtet die sich allesamt ausruhen, nicht wissend was da kommt. Doch die Anspannung unter den Mentoren ist greifbar. In wenigen Minuten werden die Spielmacher zur Tat schreiten und das Finale in die Wege leiten. Die wenigen Mentoren die noch einen Tribut haben sitzen allesamt eng beieinander, in gedämpfte Beratungen vertieft. Die Sieger aus Distrikt vier belegen eine Sesselgruppe aus schwerem Samt, ihre Tablets vor sich auf einem Eichentisch. Neben Finnick und Amber sind jetzt auch Mags, die Älteste in ihrer Runde, Trexler und Floogs, die beiden unzertrennlichen Freunde, dabei. Auf jedem Tablet-Display ist ein anderer Informationsausschnitt zu sehen, damit sie jederzeit die Übersicht behalten. Die übrigen Mentoren, nun ohne Aufgabe, haben sich über die Halle verteilt, sichtlich unwohl in ihrer Haut. Das Finale ist unbestreitbar die schlimmste Veranstaltung der Hungerspiele. Zum Glück bietet die edle marmorn geflieste Halle genug Raum um einander aus dem Weg zu gehen. Schritte nähern sich dem Tisch um den Finnick und die anderen herumsitzen. Er schaut auf und sieht Johanna Mason näher kommen, ein Glas mit irgendeinem bunten Cocktail vom Buffet in der Hand. „Hey Sugarboy“, flötet sie sarkastisch als sie sich auf die Armlehne seines Sessels sinken lässt, einen Arm um seine Schultern gelegt. „Lange nicht gesehen.“ Mit der freien Hand winkt sie grinsend den übrigen Siegern zu, die ebenfalls respektvoll nicken. „Glückwunsch zum Finale, schätze ich. Das letzte Mal ist ja schließlich auch schon drei Jahre her, wird mal wieder Zeit.“ Sie lacht freudlos und Amber stimmt mit ein. „Hallo Jo“, begrüßt er sie müde. „Mein Beileid für deine Beiden…“ Seine Stimme verklingt da er nicht wirklich weiß was er sagen soll. Ihre beiden Tribute sind schon lange getötet worden. Wie er sie so kennt hat sie ihren Kummer darüber schon tief in sich drinnen vergraben. Dennoch bringt er es nie fertig so salopp darüber zu reden wie sie es meist tut. Wie um seine Vermutung zu bestätigen winkt Johanna nur lässig ab und nippt an ihrem Getränk. „Das hatte ich doch schon im Gefühl als ich sie das erste Mal gesehen hab. Zitternd vor Angst und kaum kraftvoll genug ein Messer zu halten, da hätte ihr Leid eigentlich auch gleich beenden können… zum Glück hab ich mir gar nicht erst Hoffnungen gemacht.“ „Vermutlich wäre das eine größere Gnade gewesen, aber wo wäre da denn der Spaß?“, sagt Amber sarkastisch, ihre Miene düster. Die anderen sehen ob ihrer harschen Worte angemessen betroffen aus. Für einen Moment verharren alle in unangenehmen Schweigen ehe Johanna ergänzt „Bald geht‘s wieder nach Hause, was?“ Finnick meint so etwas wie Vorfreude in ihrer Stimme mitschwingen zu hören. „Wenn es schnell geht vielleicht schon übermorgen“, pflichtet er ihr bei. Doch da Riven immer noch im Spiel ist weiß er nicht ob er sich schon darauf freuen darf. Johanna scheint seinen Unmut zu fühlen, denn sie lehnt sich näher zu ihm herunter. „Ihr habt alle euer bestes getan. Ich hab mir die Aufnahmen angesehen und eure Kleine da ist eine echte Kämpferin. Nicht so eine arme Irre mit Angst vor der Dunkelheit wie die, die ich immer erwische…“ Nachdenklich blickt Mags Johanna an, eine Sorgenfalte auf ihrer runzligen Stirn. „Du solltest nicht so hart mit dir sein. Wir geben alle unser bestes, doch die Voraussetzungen sind nicht immer die gleichen.“ Mitfühlend drückt Finnick Johannas Hand auf seiner Schulter. Sie mag zwar nicht gerne offen darüber sprechen, doch in jedem ihrer Worte schwingt die Verbitterung über ihre Verluste mit. Seit sie Mentorin ist hat noch nicht einer der Tribute aus Distrikt sieben die Spiele gewonnen. Ihre größte Hoffnung war Victoria gewesen, in den 70. Hungerspielen. Ganz mit dem Kampfgeist von Johanna ausgestattet waren die Chancen so gut wie nie gewesen, doch am Ende war es ausgerechnet Annie die sie getötet hatte. „Es ist nicht deine Schuld“, stimmt er Mags zu. Wie gerne würde er ihr ehrlichere Worte anbieten, doch keiner dem sein Leben lieb ist traut sich im Kapitol über die wahren Missstände zu sprechen. Schon gar nicht in aller Öffentlichkeit. Als wäre das sein Stichwort öffnen sich die schweren Flügeltüren in den Saal und Präsident Snow, begleitet von einer Eskorte Friedenswächter schreitet in den Saal. Hinter ihm folgt schnatternd eine Schar aus bunt gekleideten Würdenträgern des Kapitols und ihre Familien. Gegen sie hebt sich der Präsident nur umso mehr von der Masse ab in seinem schlichten weißen Anzug mit der einzelnen Rose am Revers. Ruhig gleitet sein wachsamer Blick über die anwesenden Sieger. Seine Lippen kräuseln sich zu einem schmalen Lächeln, ehe er in seiner Ehrenloge Platz nimmt. Johanna an Finnicks Seite versteift sich bei seinem Eintreten unwillkürlich und wirft einen fast schon unverhohlen hasserfüllten Blick auf Snow. Es ist kein Geheimnis wie sehr sie Snow hasst – vermutlich beruht es auch auf Gegenseitigkeit. Trexler brummt warnend, doch sie ignoriert ihn. Langsam wendet Johanna den Blick ab, ehe sie einen bedeutungsschweren Blick in die Runde wirft. „Ich muss unbedingt nochmal mit euch plaudern bevor wir uns nächstes Jahr erst wiedersehen. Vielleicht habt ihr ja noch ein paar Tipps für mich wie nächstes Jahr erfolgreicher wird. Wir wollen Opa Snow schließlich nicht enttäuschen.“ Das düstere Lächeln auf ihrem Gesicht zeigt allerdings nur allzu deutlich woran sie im Moment wirklich denkt. Finnick vermutet, dass es vor allem einen kopflosen Präsidenten beinhaltet, hält sich aber lieber bedeckt. Schon die Verbindung zu Johanna mit ihrer offen rebellischen Ader ist gefährlich und im Gegensatz zu Johanna, die alle verloren hat die ihr etwas bedeuteten, steht für ihn einfach zu viel auf dem Spiel. Jedes Wort will weise gewählt sein bevor er es am Ende noch bereut. Mags scheint ähnlich zu denken und schenkt Johanna ein freundliches Lächeln. „Natürlich meine Liebe. Nachher bei der Feier werden wir bestimmt noch Zeit genug haben.“ Mit einem Zwinkern prostet Johanna in die Runde und erhebt sich wieder. „Dann will ich euch lieber nicht länger stören.“ Finnick wirft ihr einen kurzen Blick zu. „Und pass besser auf, dass du nicht zu tief ins Glas schaust“, sagt er und deutet mit einem Kopfnicken ans Ende des Raumes, „sonst endest du noch wie Abernathy.“ Tatsächlich liegt dieser bereits ausgestreckt auf einem Sofa, sein Hemd verrutscht und eine ganze Schar an leeren Gläsern zu seinen Füßen. Lallend schimpft er vor sich hin, doch niemand schenkt ihm Beachtung. Im Gegensatz, einige Damen aus dem Kapitol werfen ihm kichernd Blicke zu und scheinen sich vorzüglich über seine mangelnden Manieren zu amüsieren. Jeder weiß, dass Haymitch Abernathy aus Distrikt zwölf ein hoffnungsloser Trunkenbold ist. Johanna zieht eine Augenbraue hoch ehe sie Finnick zum Abschied auf die Schulter klopft. „Mach dir da mal keine Sorgen. So hoffnungslos bin ich dann auch wieder nicht.“ In diesem Moment ertönt eine dröhnende Fanfare. Die Leinwand erwacht zum Leben und das goldene Siegel des Kapitols erscheint. „Es fängt an“, sagt Floogs leise. „Nun dann…“, Johanna drückt Finnicks Schulter unerwartet sanft, „möge das Glück mit euch sein.“ Mit diesen Worten geht sie von dannen. Vorne werden die Kameras auf Präsident Snow gerichtet und wenige Sekunden später erscheint er auf der Leinwand. Wie in jedem Jahr hält er eine kurze Ansprache über die Bedeutung der Hungerspiele, doch die Sieger hören ihm längst nicht mehr zu. Der Inhalt ist jedes Jahr größtenteils der Gleiche. Selbst seine Anhängerschaft scheint ihr Interesse nur noch zu heucheln. Doch Snow scheint es ohnehin nur darum zu gehen die Distrikte noch einmal an ihren Platz in den Spielen zu erinnern. „Also gehen wir es noch einmal durch“, flüstert Floogs, „sobald es losgeht schicken wir Riven das Antidot mit dem Hinweis es zu trinken. Sie weiß noch nichts von dem Gift aus neun und dies könnte das Schlimmste verhindern. Wir wissen nicht wie konzentriert ihr selbst gemischtes Gift wirklich ist, doch dies ist unsere beste Hoffnung. Unsere letzten Anstrengungen nach Erics Tod heute Vormittag haben sich ausgezahlt, wir haben gerade so das Geld für dieses teure Antidot beisammen – und können uns sogar den Eilversand leisten. Was Distrikt fünf angeht… nun da können wir nur hoffen, dass Riven besser mit dem Schwert umgeht als er sollten sie aufeinander treffen.“ Die anderen nicken. Mags ergänzte mit sanfter Stimme: „Wir werden auch noch einmal versuchen neue Gelder zu gewinnen. Vielleicht reicht es ja um Riven in den entscheidenden Momenten noch etwas hilfreiches zukommen zu lassen, eine Blendgranate oder ähnliches. Wir sollten uns auf diejenigen konzentrieren die uns bereits finanziell unterstützt haben.“ Sie wendet sich an Amber, die bereits eine Liste ihrer tüchtigsten Sponsoren geöffnet hat. „Ich denke wenn wir an ihr Mitleid appellieren weil wir erst heute Eric verloren haben könnten wir eine Familie wie die Canvilles dazu bewegen erneut zu spenden. Sie haben zudem auch schon vor drei Jahren für Annie gespendet – mit dem Gedanken, dass sie nach so kurzer Zeit bereits wieder einen Sieger finanziert haben könnten dürften wie sie bei ihrer Ehre packen können.“ Alle nicken zustimmend. „Nichtsdestotrotz sollten wir auch noch einmal allgemein um Unterstützung bitten“, setzt Finnick hinzu, „Rivens Chancen stehen jetzt so gut wie nie zuvor und diese Aussicht sollte einige motivieren können, auch wenn es vermutlich nur kleine Beträge sein werden. Die Tatsache, dass wir sie mit einem Antidot ausgestattet haben sollte zeigen, dass auch andere viel Geld auf sie setzen. Wer sich auskennt wird wissen, dass dies eines der teuersten Geschenke auf der Liste ist. Ich werde diejenigen die noch kurzfristig Wetten abschließen wollen versuchen davon zu überzeugen, dass sie einen Teil des Geldes lieber direkt investieren sollten, um ihre Wette abzusichern.“ Im Hintergrund hören sie die Rede des Präsidenten enden. Sie tauschen einen letzten entschlossenen Blick. „Das Glück wird mit den Gerechten sein“, brummt Trexler mit tiefer Stimme. Sie alle wiederholen ihr ganz eigenes Mantra, einander an den Händen gefasst. Das Licht in der Halle wird gedimmt als die Kameras auf die Arena schalten. Aus der letzten Reihe ertönt ein dumpfes Poltern als Haymitch Abernathy grunzend vom Sofa rutscht. Dann senkt sich eine gespenstische Stille über die Halle. Die drei Tribute auf der Leinwand schrecken alle gleichermaßen zusammen als die Fanfare des Kapitols erklingt. Die Stimme von Seneca Crane erklingt. „Meine lieben Tribute, herzlichen Glückwunsch! Ihr habt es soweit geschafft und steht nun im Finale! Gut gemacht. Doch noch ist es nicht ganz geschafft. Wie ihr sicher wisst seid ihr immer noch zu dritt… Ich würde euch raten zum Füllhorn zurück zu kehren, andernfalls kann es sein, dass eine unangenehme Überraschung auf euch wartet.“ Ein Wechselbad der Gefühle zeigt sich auf den Gesichtern der Tribute. Der Junge aus fünf fängt sich zuerst und sprintet los in Richtung des Startbereichs, doch auch Riven zögert nicht lange. Ihr Schwert in der Hand springt sie auf, als sich auch schon mit einem Klingeln der Fallschirm mit dem Antidot ankündigt. Sichtlich erstaunt fängt sie die silberne Dose auf. „Oh was ist das?“, überschlagen Caesar Flickerman und Claudius Templesmith, die nun wieder als Kommentatoren eingeblendet werden, sich fast, „da scheint es aber jemand eilig mit seinen Geschenken zu haben! Kann das etwa sein – ein Antidot! Das muss doch ein Vermögen gekostet haben! Es scheint ganz so als wenn Riven außergewöhnlich spendable Gönner hat. Was ein gutes Stichwort ist: noch haben sie die Chance für unsere tapferen Tribute zu spenden!“ Eine Telefonnummer wird eingeblendet und schon richten sich die Kameras auf die Mentoren aus den Distrikten vier, fünf und neun. Möglichst charmant versucht Finnick die Zuschauer um den Finger zu wickeln ehe die Aufmerksamkeit sich Richtung Distrikt fünf wendet. Zumindest ist es hilfreich, dass er gut genug aussieht um im Kapitol beliebt zu sein, wenn seine Argumente allein die Sponsoren nicht überzeugen. Tatsächlich dauert es nicht lange bis das erste Klingeln in der Halle das Eintreffen von Spenden ankündigt. Eilig macht er sich daran die Liste der Wetteinsätze auf seinem Tablet nach vielversprechenden Einträgen zu überprüfen, ein Auge immer noch auf der Leinwand. Riven dort schraubt gerade die kleine Ampulle auf und legt den Kopf in den Nacken um sie in einem Zug zu leeren. „Wollen wir hoffen, dass das hilft“, flüstert Amber neben Finnick. Auf ihrem Tablet sortiert sie die neuen Spendeneingänge. „Wie viel bisher“, erkundigt Floogs sich. „Nicht viel, wir können uns gerade einmal ein Brot leisten.“ antwortet sie. Unterdessen schalten die Kameras auf das Mädchen aus neun. Ungelenk rutscht sie die letzten Zentimeter von dem Baum hinunter auf dem sie gewartet hatte. Ihre Augen sind weit mit Furcht und sie rennt los so schnell ihre Füße sie tragen. Kurz darauf sehen auch die Zuschauer was ihr so Angst einjagt als die Erde erzittert und mit einem schrecklichen Splittern aufreißt. Die umstehenden Bäume knicken ab und stürzen in den größer werdenden Krater. Aus der Vogelperspektive sehen sie wie sich überall weitere dieser Löcher öffnen und heißer Dampf entweicht. Der Schnee fängt an zu schmelzen, sodass der Boden sich in eine schlammige Rutschpiste verwandelt. Auch die anderen beiden Tribute merken jetzt was los ist, als sich in ihrem Weg Löcher öffnen. Riven springt waghalsig über eine niedrige Mauer, ehe auch diese in einem Krater hinter ihr versinkt. Keuchend wirft sie sich vorwärts, landet auf allen Vieren und kommt stolpernd wieder auf die Füße. Noch im Laufen schiebt sie das Schwert zurück in seine Scheide an ihrer Hüfte, ehe es sie noch aufspießen kann. Keine Sekunde zu früh, denn neben ihr schießt in diesem Moment eine weitere Fontäne heißer Luft hoch. Kreischend wirft sie sich zur Seite. Sie landet in einem Graben zwischen zwei Häuserruinen, doch unverletzt. Das Mädchen aus neun hat jedoch nicht so viel Glück. Als vor ihr eine Säule heißer Luft entweicht wird sie an ihrer Schulter erwischt. Mit einem Schrei der Finnick bis ins Mark erschüttert stürzt sie zu Boden. Ihre gesamte rechte Seite ist vom heißen Dampf verbrüht. Es dauert nicht lange und große Blasen bilden sich, doch sie lebt noch. Fluchen ertönt aus Richtung der Mentoren von Distrikt neun. Ein paar Spenden trudeln ein als sich ihr Tribut humpelnd aufrafft und mit zusammengebissenen Zähnen weiter stolpert. Der Tribut aus Distrikt fünf erreicht inzwischen als erster das Füllhorn. Außer Atem sinkt er an dem metallenen Horn zusammen, eine Hand in die Seite gepresst. Er ist unverletzt. Als Belohnung trudelt auch schon ein Fallschirm mit einer Wasserflasche ein. Gierig stürzt er diese herunter. Mit einem Grinsen reckt er seine Faust gen Himmel, fast schon siegessicher. Auch bei seinen Mentoren klingeln die Tablets als Spenden eingehen. Finnick blickt fast schon flehend zu Amber während sie Riven dabei zusehen wie sie weiter Haken schlagend durch die Ruinen rennt. Doch diese schüttelt nur den Kopf. Immer noch nicht genug. Riven ist immer noch am weitesten vom Füllhorn entfernt, auch wenn Distrikt neun durch die Verbrennungen behindert wird. Allerdings überrascht das Mädchen sie alle damit mit welcher Verbissenheit sie sich weiter schleppt, ihr kleines Blasrohr mit ihrer blasen-überzogenen Hand umklammert. Weitere Spenden gehen klingelnd ein. Doch schon wird zurück auf Riven geschaltet, der der Boden gerade im wahrsten Sinne des Wortes unter den Füßen zu bröckeln beginnt. Sie gerät auf dem schlammigen Schnee ins Rutschen als die Erde erzittert und stürzt fluchend zu Boden. Unheilvoll knarzend öffnet sich der Abgrund hinter ihr. Verzweifelt greift Riven nach den Wurzeln eines Baums und schafft es tatsächlich sich ein Stück weit vorzuziehen ehe dieser nachgibt. Finnicks Kiefer verspannt sich vor Anspannung als er sie so ums Leben kämpfen sieht, alleine auf ihre Kraft und Glück angewiesen. Mit einem Kampfschrei wirft Riven sich weiter vorwärts. Wie durch ein Wunder schafft sie es sich vom Rand des Kraters fortzuziehen. Sie zieht ein Messer aus ihrer Jacke, dass sie immer wieder in den Boden um sich weiter fortzuziehen. Quälend langsam, so erscheint es ihm, verlässt sie den Krater. Kaum, dass sie wieder auf den Beinen steht stößt heißer Dampf explosionsartig hinter ihr auf. Die Wucht drückt sie zu Boden. Sie wird von kochenden Wassertröpfchen getroffen, wenn auch weniger stark als ihre Gegnerin. Das Gesicht schmerzverzerrt rennt sie weiter. Amber atmet hörbar auf als diese Gefahr vorerst gebannt ist. Das Tablet in ihren Händen zwischenzeitig vor Anspannung vergessen wird sie nun durch das Klingeln einer Spende aufgeschreckt. Sie zuckt zusammen ehe sie damit weiter macht ihre Optionen zu kalkulieren. „Wenn sie vor dem Füllhorn eine kurze Pause einlegt könnten wir ihr vielleicht sogar noch eine Salbe schicken… mit diesen Verbrennungen wird es schwierig werden wenn sie sich gegen Distrikt fünf im Schwertkampf behaupten muss.“ Die Ansicht wechselt jedoch erneut und zeigt jetzt wieder das kleine Mädchen mit ihrem Blasrohr. Einem Schatten gleich huscht sie durch den Ring an gleichförmigen Häuserruinen die das Füllhorn umgeben. Immer wieder duckt sie sich hinter Mauern und Vorsprünge um dann vorzuspringen. Der Junge scheint davon noch nichts mitbekommen zu haben, denn er lehnt weiterhin mit dem Rücken am Füllhorn, eine Hand locker auf seinem Schwertgriff. Seine Gegenspielerin scheint dafür umso vorsichtiger zu sein. Offensichtlich unter Schmerzen versucht sie an einem Stück zerfallender Mauer hochzuklettern um einen besseren Ausblick zu bekommen, doch mit ihrem verbrannten Arm kann sie ihr Gewicht nicht tragen. Doch sie kriecht weiter auf den unachtsamen Jungen zu, was ein Stöhnen seiner Mentoren zur Folge hat. Hastig schreibt Finnick weiter Nachrichten an mögliche Sponsoren in der Hoffnung, dass Riven noch mehr Sympathien gewinnen kann als Distrikt neun. Riven nähert sich nun ebenfalls dem Füllhorn und verlangsamt ihren Sprint. Keuchend lehnt sie an einer Mauer, sichtlich außer Atem. Mit einer ungelenken Hand befreit sie das Schwert aus der Scheide. Es klingelt leise auf Ambers Tablet. Fast möchte Finnick vor Glück weinen als Amber einen weiteren Fallschirm losschickt mit der erhofften Brandsalbe. Es ist ein Risiko da so Rivens mögliche Position verraten werden könnte, doch lieber soll sie eine Chance haben sich vernünftig zu wehren, da eine Konfrontation sowieso unvermeidlich ist. In der Arena schnappt Riven sich zügig die Dose mit Salbe und schleicht einige Häuserblocks weiter, ehe sie sich niederlässt um die Salbe großzügig auf die schlimmsten Stellen zu reiben. Sie befindet sich jetzt unweit von dem anderen Mädchen, welches die Ankunft des Fallschirms jedoch nicht mitbekommen hat. Anders jedoch der stämmige Tribut aus fünf, der von seinem Platz am Füllhorn aufspringt. Das Schwert bereit in der Hand geht er misstrauisch hinter einigen aufgestapelten Kisten in Deckung, die Augen fest auf die Ruinen geheftet. In dem Festsaal hingegen lassen die Mentoren ihre Tablets sinken. Aus Erfahrung wissen sie, dass ab diesem Punkt das Schicksal ihnen jede Entscheidung aus den Händen nimmt. Die Tribute sind auf sich gestellt. Jetzt wird es nicht mehr lange dauern, so oder so. Finnick sitzt an der Kante seines Stuhls, die Augen unentwegt auf die Leinwand gerichtet, die Hände zittrig vor sich verknotet. Amber hingegen ist tief in ihren Sessel gerückt, die Arme vor dem Körper verschränkt. Wachsam beobachten sie wie Riven über die zerbrochenen Fundamente alter Häuser klettert, so leise wie möglich. Bei jedem fallenden Stein halten sie die Luft an in Befürchtung, dass sie entdeckt wird. Riven schafft es sich bis zum Rand der schneebedeckten Lichtung rund um das Füllhorn vorzuarbeiten. Sie erspäht den Jungen, doch ihre Augen huschen weiterhin rastlos über die flache Ebene. Als sie ihre weitere Gegnerin nicht erkennt lässt sich sich zurück sinken und blickt hinter sich. Doch auch dort ist niemand. Einen Moment verharrt sie angespannt. Dann greift sie nach einem kleinen Kiesel und wirft ihn mit aller Kraft zur Seite durch die Ruinen. Mit einem verräterischen Klacken schlittert er durch den schneebedeckten Weg zwischen zwei Häusern und bleibt dann liegen. Ihre List scheint zu funktionieren, denn der Tribut am Füllhorn hebt seinen Kopf. Eilig huscht er vorwärts und geht dann schnell hinter weiteren Vorratskisten in die Knie. Damit schiebt er sich in das Sichtfeld des kleinen Mädchens. Sie sieht ihre Chance und zielt blitzschnell mit dem Blasrohr. Der Pfeil sirrt los. Fluchend duckt sich der Tribut wieder hinter die Kisten, doch zu spät. Der Pfeil hat ihn am Oberarm touchiert. Aus einem schmalen Schnitt in seiner Jacke läuft ein dünner Faden Blut. Der Angriff scheint ihn alle Vorsicht vergessen zu lassen, denn er stürmt los in Richtung des Pfeils. Seine Angreiferin versucht davon zu laufen, doch mit einem halb unterdrückten Schmerzensschrei stürzt sie nach wenigen Schritten zu Boden. Ihre schweren Verbrennungen lähmen sie und der Junge aus fünf kommt mit großen Schritten auf sie zu. Von der anderen Seite kriecht gleichzeitig Riven langsam näher um zu sehen was passiert. Sie erreicht den nächstgelegenen Mauervorsprung auf allen Vieren, genau in dem Moment in dem der Tribut aus fünf mit einem großen Sprung vor der kleinen Giftmischerin landet. Ein letztes Mal versucht sie einen Pfeil auf ihn abzuschießen, eine sinnlose Verzweiflungstat. Doch noch bevor der Pfeil das Blasrohr verlassen kann hat er schon zugeschlagen und das Schwert mitten in ihre Brust gerammt. Das Donnern des Kanonenschusses scheint den gesamten Saal zu erschüttern als ihr schmaler Körper zusammensackt. Aus Richtung der Mentoren von Distrikt neun erklingt ein schockierter Aufschrei, dann bricht jemand in Tränen aus. Die Augen der meisten anderen sind jedoch noch immer starr auf die Kameraübertragung gerichtet. Mit einer traurigen Entschlossenheit richtet Riven sich hinter ihrem Vorsprung auf, das Schwert fest in der Hand. Der Andere erblickt sie und ein grimmiges Lächeln gleitet über sein Gesicht. „Dann sind es also wir zwei.“ Riven nickt. Einen Moment verharren sie regungslos voreinander, dann schlagen die Klingen ihrer Schwerter klirrend aufeinander. Erbarmungslos schlagen sie aufeinander ein, all die Wut und Verzweiflung aus zwei Wochen Überlebenskampf hinter jedem Hieb. Die Sekunden scheinen sich zu Stunden zu dehnen. Bei jedem Hieb fürchtet Finnick, dass er Riven tödlich verwunden wird, doch sie scheint jedem Hieb gerade so entkommen zu können. Sie rollt sich durch den Schneematsch nur um mit einem Schlag auf die des Gegners wieder hochzuspringen, doch er schafft es auszuweichen. Blitzschnell zielt er auf ihren Kopf und sie lässt sich wieder fallen. Stöhnend schlägt sie mit der verbrannten Schulter auf den Boden auf. Doch sie lässt sich keine Pause, sticht stattdessen von unten zu. Tatsächlich schafft sie es ein Stück seiner Jacke aufzureißen. Ihr Gegner lässt sich ein Stück zurückfallen. Mit einem Ausdruck des Schmerzes auf seinem Gesicht greift er sich plötzlich an die Brust und keucht. Er schafft es noch einen Hieb von Riven mit einer Hand zu parieren, doch es ist ersichtlich, dass es ihm nicht gut geht. Das Gift fängt an zu wirken. Diese Erkenntnis scheint auch er gehabt zu haben, denn er wird bleich. Jener winzige Moment der Unaufmerksamkeit reicht aus. Riven sticht das Schwert ohne Zögern mit voller Wucht in seinen Oberkörper. Absoluter Schock zeichnet sich auf seinem Gesicht ab, dann reißt sie das Schwert zurück und sein Körper fällt dumpf zurück in den Schnee. Für einen Moment ist es totenstill. Riven steht in der Arena, ihr Schwert lose in der Hand. Sie starrt herab auf den gefallenen Tribut zu ihren Füßen. Dann zerreißt ein Kanonenschlag die Stille. Langsam richtet Riven ihren Blick Richtung Himmel, als sie realisiert, dass es tatsächlich vorbei ist. Das Schwert entgleitet ihrem Griff. Rasseln holt sie Atem. Tränen strömen über ihr Gesicht, in Großaufnahme auf der Leinwand. Es fühlt sich an als würde Finnick von weit unten auftauchen. Plötzlich wird die Lautstärke aufgedreht so scheint es ihm. Flickerman und Templesmith verkündeten enthusiastisch das Ergebnis. „Unsere Gewinnerin, meine Damen und Herren – Riven Sanders aus Distrikt vier! Was für ein Wahnsinn! Nur drei Jahre nach ihrem letzten Sieg gelingt es Distrikt vier mit einer echten Glanzleistung noch einmal!“ Neben ihm stößt Amber einen Schrei der Freude und Erleichterung aus. Mags sieht einfach nur unendlich traurig aus als ihre Blicke sich kreuzen. Auch Trexler und Floogs sehen mitgenommen aus. Ein schmächtiger Mentor aus Distrikt fünf starrt noch immer fassungslos auf die Übertragung, stumme Tränen auf seinen Wangen. Der Rest applaudiert höflich, aber kurz. Nur Präsident Snow und die übrigen Kapitolbewohner stehen auf um donnernden Applaus zu spenden. Neben dem ungläubigen Gesicht von Riven die aus der Arena abgeholt wird, wird jetzt auch Schnitt in den Saal gezeigt. Zunächst wird Snows selbstzufriedenes Lächeln gezeigt, ehe sich die Kamera auf die Mentoren richtet. Finnick ist das egal. Die Spiele sind vorbei. Dieses Mal fahren sie nur mit einem Sarg zurück, doch die Zukunft ist ungewiss. Nur um den Anstand zu wahren winkt er in die Kameras, bedankt sich überschwänglich bei ihren Sponsoren. Er fühlt sich wie ferngesteuert in diesem Moment. Jetzt zeigen sie im Fernsehen eine Liveaufnahme aus Distrikt vier, direkt vom Hauptplatz. Jubelnde Zuschauer die ihrer Siegerin applaudieren. Der Bürgermeister strahlt breit in die Kameras und da – am Rand neben ihr, kaum zu sehen, sieht er Annie. Ihr Gesicht ist weiß wie Milch, ihre Augen weit aufgerissen. Isla steht an ihrer Seite, die Arme fest um sie geschlungen. Doch es reicht ihm ein Blick um zu erkennen, dass sie in diesem Moment in Gedanken in ihrer ganz eigenen Hölle ist. Es gibt einen hastigen Kameraschwenk zurück auf das Publikum und Finnicks Herz schmerzt, da er weiß, dass Annie in diesem Moment eine Panikattacke durchmacht. Wie sehr wünscht er sich sie in die Arme schließen zu können, doch stattdessen sitzt er hier Kapitol, unendlich weit von ihr weg. Galle steigt in ihm auf. Es sind die Momente wie diese in denen er sich wünscht es alles zerstören zu können, das Kapitol eigenhändig einzureißen. Seine Hände sind unwillkürlich zu Fäusten geballt, wie er merkt als Mags sie mit ihren kühlen Händen umfasst. „Atme, Finnick“, flüstert sie ihm eindringlich zu, „bald sind wir wieder zuhause. Du weißt doch wie stark sie ist.“ Trauer zeichnet sich in ihren Augen ab als sie ihm sanft über die Wange streicht. „Wahrscheinlich sogar stärker als wir alle. Bald kannst du wieder bei ihr sein, aber solange weißt du genauso gut wie ich, dass sie bei Isla in besten Händen ist.“ Verschwommen blickt er sie an, ehe er sich mit dem Handrücken über die Augen wischt. „Danke Mags“, erwidert er heiser. Ein Stück weit löst sich seine Anspannung wieder. Er nimmt wahr, dass die Fernsehübertragung aus der Arena beendet wird. Avoxe in roten Uniformen schwärmen aus, Häppchen auf goldenen Tabletten vor sich hertragend. Es ist wahrlich vorbei und Zeit für die Party. Langsam erhebt auch er sich um die Glückwünsche einiger anderer Sieger entgegenzunehmen. Die Show muss weitergehen schießt es ihm durch den Kopf. Er nimmt einen tiefen Atemzug um sich von allen seinen düsteren Gedanken zu befreien. Präsident Snow wird eine würdige Show erwarten und wenn er eines perfektioniert hat, dann das. Sein bestes Gewinnerlächeln auf den Lippen stürzt er sich in die Menge. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)