Einsamkeit von Niomie ================================================================================ Kapitel 2: Erstes Zusammentreffen --------------------------------- Es brodelte in Feilong als er über die Ankunft von Asamis Männern unterrichtet wurde. Ohne jedes Zeichen von Respekt waren sie in sein Hauptquartier eingedrungen und verlangten nach seiner Anwesenheit. Sie verlangten! Langsam, wie um sich selber zu beruhigen strich der Chinese ein letztes Mal über seinen Cheongsam und betrat dann sein eigenes Büro in dem die Männer gewartet hatten. Für einen Moment stockte sein Schritt. Er hatte nicht wirklich damit gerechnet das der Yakuza ihm zwanzig seiner Schränke schicken würde. Asami hatte besser einen verdammt guten Grund dafür, ansonsten würde er ihn in Grund und Boden stampfen. Elegant ließ sich Feilong auf seinem Stuhl nieder und sah auffordernd zu den Eindringlingen. Schließlich trat einer von ihnen, anscheinend ihr Wortführer vor. „Asami-sama verlangt eure Anwesenheit in Tokio.“ Verärgert zog der Triaden-Führer seine Augenbrauen zusammen. „Er verlangt? Was lässt sie glauben, dass ich dem Folge leisten werde?“ In diesem Moment hasste der Chinese die stoische Miene seines Gegenübers. Zwar war er selber ein Meister darin seine Gefühle hinter einer Maske zu verbergen, doch das der Andere gar nichts durchblicken ließ, verärgerte ihn maßlos. Für einen Moment zog er es in Betracht dem anmaßenden Yakuza die Köpfe seiner Männer zurückzusenden. Bevor die Situation eskalieren konnte, trat ein anderer vor. In der Hand hielt er eine ramponierte Kamera. Entschuldigend verneigte er sich vor dem Triaden-Führer und trat unter dem erbosten Blick ihres Anführers hastig zurück. „Verzeihen sie unser Eindringen, Feilong-sama. Wir handeln auf den direkten Befehl Asami-samas. Dies ist eine Nachricht Kirishima-sans. Er hofft das sie den Ernst dahinter verstehen und sich umgehend auf den Weg nach Tokio machen.“ Die Wut Feilongs verpuffte sofort als er die lädierte Kamera sah. Er erkannte sie sofort. Eine eisige Hand legte sich um sein Herz als er sie vorsichtig in die Hand nahm, um sie näher zu inspizieren. Ein hässlicher Riss zog sich durch die Linse und machte das Gerät unbrauchbar. Mit zitternden Fingern fuhr er durch die tiefe Furche. Was musste nur passiert sein, das Akihito seinen wertvollsten Besitz so zurichtete. Abwesend nickte er den Japanern zu und erhob sich ohne die Kamera loszulassen. „Gehe ich richtig in der Annahme das bereits ein Jet wartet?“ Feilong war müde und hatte Kopfschmerzen. Der überhastete Aufbruch und das eisige Schweigen im Jet hatte nicht gerade zu einer Besserung seiner Laune beigetragen. Es war schon spät gewesen, als er Asamis Männer empfangen hatte. Seine Sorge um Akihito hatte den Chinesen keine Sekunde zur Ruhe kommen lassen. Trotzdem ließ er sich nichts anmerken als die Limousine vor dem Shion anhielt. Ein letztes Mal strich er über den Cheongsam und glättete ihn, bevor er ausstieg. Mit zusammengekniffenen Augen sah Feilong zum Himmel hoch, der sich bereits rosa zu färben begann. Dann gab er sich einen Ruck und folgte seinen Begleitern in den Club. Er war erleichtert das sie von sich aus an der großen Bar des Shion zurückblieben und ihm nicht weiter zu Asamis Büro folgten. Etwas war anders. Es war ungewöhnlich das Shion leer zu sehen, selbst um diese Uhrzeit, doch irgendwie wusste der Chinese das es nicht daran lag dass er sich unwohl fühlte. Es war eine Erkenntnis die er schon ahnte, aber nicht wahr haben wollte. Zum Glück brauchte er niemanden der ihm den Weg zeigte, denn er wurde zunehmend nervöser je näher er seinem Ziel kam. Immer wieder fand er Möglichkeiten um stehen zu bleiben und an seiner Kleidung herumzuzupfen oder seine Haare zu richten. Trotzdem stand er für sein Geschmack viel zu schnell vor der Tür von Asamis Büro und klopfte an. Die tiefe Stimme des Yakuzas ertönte und bat ihn einzutreten. Wie in Trance drückte der Schwarzhaarige die Klinke nach unten und betrat den Raum der im Halbdunkeln lag. Nur am Rande sah er die Spitze einer Zigarette in einer Ecke aufglühen, dann wurde sein Blick von dem Körper auf dem Schreibtisch gefangen genommen. „Akihito?“ Erschrocken von seiner eigenen zittrigen Stimme machte Feilong einen Schritt auf den Fotografen zu. Doch dieser rührte sich nicht. Noch nie war dem Chinesen Asamis Büro so groß vorgekommen wie in diesem Moment. Es schien ewig zu dauern bis er endlich Akihito erreicht hatte und seine Hand auf die nackte Haut legte. Erschrocken von der Kälte die von dem zarten Körper ausging zuckte er zurück. Verzweifelt rüttelte er leicht an der Schulter des Jüngeren. Mit einer erschreckend endgültigen Geste fiel des Kopf Akihitos auf die Seite und kam mit einem deutlich hörbaren Geräusch auf der Tischplatte auf. Alles um Feilong verschwamm, während er sich verzweifelt an dem ehemals so lebendigen Körper klammerte. Ein Geräusch, welches er nicht von sich kannte, drängte sich durch seine Kehle, und ließ ihn qualvoll aufschluchzen. „Akihito!“ Die Erkenntnis, die schon so lange am Rande seiner Gedanken dagewesen war, kam jetzt mit Wucht durch und ließ den Triaden-Führer in die Knie gehen. Haltlos stürzte er auf den Boden, während weitere schluchzende Laute aus ihm kamen. Die Welt um ihn herum schrumpfte. Es schien nur noch ihn und den toten Körper auf dem Tisch zu geben. Längst verheilt geglaubte Wunden rissen wieder auf und ließen ihn vollkommen allein und hilflos zurück. Doch er war nicht allein. Erschrocken zuckte er zusammen als sich eine Hand auf seinen Rücken legte. Mit tränennassen Augen sah er zu dem Yakuza auf, der bisher vollkommen still in der Ecke gesessen hatte. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit hatte er sein Jackett und auch die einengende Weste abgelegt und trug sein Hemd halbaufgeknöpft. Nur das Halfter war wie immer um seine Schultern geschlungen. Mühsam kam Feilong wieder auf die Beine, während er sich an dem Älteren festhielt. „Wer?“ Das war die einzige Frage die von Belang war. Das Warum war in ihrer Welt so fehl am Platz das es ihm noch nicht einmal in den Sinn kam und das wie beantwortete sich beinahe von selbst, wenn man es nur schaffte lange genug den Blick über Akihitos malträtierten Körper schweifen zu lassen. Er der selber schon so viel Leid verursacht hatte, der einen mehr als verdienten Ruf der Kälte und Unnahbarkeit trug, schauderte, wenn er den Fotografen ansah. Allein ein Blick auf die ehemals so schlanken Finger Akihitos ließen Feilong beinahe würden. Unvorstellbar was der Jüngere in den letzten Stunden seines Lebens hatte erdulden müssen. „Ich dachte das du mir vielleicht die Frage beantworten kannst.“ Die Stimme Asamis war vollkommen ruhig, während er Feilong auf seinen Schreibtisch zuschob. Ohne darauf zu achten ob der Chinese in der Lage war jetzt alleine zu stehen, ließ er ihn los und wandte sich dem Körper Akihitos zu. Unendlich sanft fuhren seine Finger unter den Fotografen und hoben ihn so weit an, dass der Chinese das riesige Tattoo sehen konnte. Feilong hätte nicht geglaubt das er sich noch tauber hätte fühlen können. Doch in diesem Moment wo er den Drachen sah, schien alles in ihm zu sterben. Er brauchte mehrere Anläufe um einen Namen über die Lippen zu bringen, von dem er nicht gedacht hätte dies jemals wieder tun zu müssen. „Yan Tsui.“ Unzufrieden beobachtete Asami wie sich der Chinese ein großes Glas von seinem Whiskey einschenkte. Er konnte es zwar nachvollziehen das der Jüngere mehr oder weniger einen Schock erlitten hatte, nachdem er ihm auf diese Art und Weise Akihito präsentiert hatte, doch allmählich begann der sensible Feilong ihn zu nerven. Denn mehr als den Namen seines Halbbruders hatte dieser bisher nicht von sich gegeben. Gereizt trommelten seine Finger auf der Tischplatte, bis der Triaden-Führer sich endlich wieder herum drehte. Kalte goldene Augen lagen auf dem Chinesen, bis dieser sich räusperte. „Ich gehe davon aus das du die in groben Zügen über meine Familie unterrichtet bist.“ Zustimmend nickte der Japaner und Feilong fuhr mit belegter Stimme fort. „Yan Tsui hat nachdem er unseren Vater erschossen hatte, Hongkong verlassen und ist nach Taiwan gegangen. Das letzte Mal als ich was von ihm gehört habe, war als ich aus dem Gefängnis entlassen wurde. Anscheinend hatte er es geschafft von den Triaden dort aufgenommen zu werden.“ Asamis Stimme war kalt wie Eis, während er seinen harten Blick keine Sekunde von dem Chinesen löste. „Und weiter?“ „Er hatte sich der Bamboo Union angeschlossen, war er damals doch schon bei Baishe für den Drogenhandel verantwortlich. Kurz darauf verschwand er dann jedoch von meinem Radar und ich hatte angenommen das ein Rivale ihn beseitigt hat.“ Langsam schritt der Yakuza an Feilong vorbei, der dankbar war diesem lastenden Blick nicht länger ausgesetzt zu sein. Immer wieder sah er zu dem reglosen Akihito. Er wollte es nicht, trotzdem wurde er regelrecht von dem Fotografen angezogen. Mühsam biss Feilong die Zähne zusammen und beobachtete stattdessen wie Asami sich jetzt ebenfalls ein Glas einschenkte. „Anscheinend hast du dich geirrt.“ Diese vollkommen ruhige Stimme. Der Triaden-Führer wusste nicht wirklich was ihn gerade an Asami störte, doch dass dieser so vollkommen ruhig, nahezu entspannt war, ging ihm gewaltig gegen den Strich. Ja, sie waren Geschöpfe der Unterwelt, beide hatten sie schon getötet und das mehr als einmal. Trotzdem hatten sie verdammt nochmal Gefühle. Bisher hatte Feilong immer geglaubt das Akihito es irgendwie in das Herz des eiskalten Yakuzas geschafft hatte. Doch so wie dieser gerade reagierte, sah es nicht danach aus. Feilong wusste nicht wie seine Trauer und Müdigkeit so schnell in Wut umschlagen konnte. Doch von einem Moment zum anderen brodelte es gewaltig in ihm. Ohne lange zu zögern, umfasste er sein Glas fester, holte aus und warf es mit aller Kraft nach dem Yakuza. „Wie kannst du es wagen!“ Asami sah im letzten Moment einen Schatten auf sich zufliegen und zuckte zur Seite. Feilong hatte tatsächlich sehr gut gezielt, wäre er nicht ein winziges Stück ausgewichen, hätte er ihn voll am Kopf erwischt. So streifte es ihn nur und zerschellte dann lautstark an der Wand. Whiskey spritzte durch den Raum, sofort machte sich der alkoholische Geruch in der Luft breit. „Es ist dein Liebhaber der dort liegt!“ Anklagend zeigte der Triaden-Führer auf Akihito. „Selbst von einem Mann wie dir hätte ich zumindest etwas Trauer erwartet, doch so wie du gerade handelst ist es Akihitos absolut unwürdig. Du hattest ein Juwel an deiner Seite, etwas wofür andere töten würden. Doch das einzige was dich interessiert ist, ob ich vor so vielen Jahren einen Fehler gemacht habe! Vielleicht habe ich das, doch woher hätte ich das hier wissen sollen?“ Unberührt von diesem Gefühlsausbruch griff Asami nach seinem eigenen Glas. Den Scherben auf dem Boden schenkte er nicht einen Blick, als er wieder zu seinem Sessel zurückging. Allerdings ließ er den unberechenbaren Chinesen dabei keine Sekunde aus den Augen. „Ich denke doch das ich selber darüber entscheide, wen ich an meiner Trauer teilhaben lasse und wen nicht.“ Kühl sah Asami zu dem zornbebenden Triaden-Führer. „Dir würde ein wenig mehr Beherrschung auch gut tun.“ Nur zu gut wusste der Ältere das er den Chinesen gerade mit seiner letzten Bemerkung zum Überkochen bringen würde. Es gelang ihm sogar noch einen Schluck von seinem Whiskey zu trinken, bevor Feilong ihm das komplette Glas aus der Hand trat. Wieder klirrte es, doch diesmal wurde auch Asami erwischt. Schmerzerfüllt stöhnte er auf, als sich ein Knie in seinen Bauch rammte. Eine Hand packte ihn im Nacken und schleuderte den Yakuza zu Boden, jedoch nicht ohne ihm einen weiteren Tritt zu verpassen. Hastig rollte sich Asami zusammen und versuchte halbherzig den Jüngeren abzuwehren. Es dauerte eine ganze Weile, bis Feilong sich verausgabt hatte. Erst jetzt wo der Nebel der Wut sich lichtete, bemerkte auch er das sich der Ältere sich nicht wirklich zur Wehr setzte. „Fühlst du überhaupt irgendwas?“ Keuchend sank der Chinese neben dem Yakuza zu Boden, der sich nicht gerührt hatte, seit Feilong ihn dorthin geschleudert hatte. Mühsam kam Asami auf die Beine, hielt sich aber die schmerzenden Rippen. Der Jüngere hatte tatsächlich nichts von seiner Schlagkraft eingebüßt. Langsam schleppte er sich eher, als das er ging zu seinem Schreibtisch auf dem noch immer Akihito lag. Zärtlich strich er ein letztes Mal durch die blonden Haare die er so geliebt hatte. Feilong war sich nicht wirklich sicher ob er so etwas wie eine Gefühlregung in den goldenen Augen ausmachen konnte. Die Stimme des Yakuzas war auf jeden Fall genauso ruhig wie schon am Anfang ihres Gesprächs. „Wie ich dir schon einmal sagte, es geht dich nichts an.“ Mit diesen Worten brach Asami den Blickkontakt ab und machte sich daran sein Büro zu verlassen. An der Tür blieb er kurz stehen. „Morgen Nachmittag wird eine Autopsie an Akihito stattfinden, wenn du dabei sein willst, wende dich an Kirishima. Er wird dich mit allen Informationen versorgen.“ Feilong machte sich nicht die Mühe aufzustehen, als er seinen Kopf dem Älteren zuwandte. „Du wirst seinen Tod nicht melden?“ „Nein.“ „Und wie soll es weitergehen? Irgendwann wirst du es offiziell machen müssen. Besonders Akihitos Familie und seine Freunde haben es verdient davon zu erfahren.“ Der Blick des Yakuzas schien vollkommen leer zu sein. Unwillkürlich rann Feilong ein Schauder über den Rücken. „Akihito gehört mir. Ich werde darüber entscheiden, wenn ich es für richtig halte.“ Erst als die Tür deutlich hörbar ins Schloss fiel, wurde dem Chinesen klar das Asami den Raum verlassen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)