Ein Hexer hat es niemals leicht von abgemeldet (Wichtelgeschichte für Porpetina) ================================================================================ Kapitel 1: Ein Abenteuer irgendwo im Nirgendwo ---------------------------------------------- Das Klirren von Schwertern erfüllte die Waldlichtung. Unter dem rotbraunen Leder und dem schwarzen Kettenhemd tropfte der Schweiß wie Eiswasser über Geralts Brust herab, als er zum Gegenangriff überging, nachdem der Bandit ihn mehrmals mit den stählernen Doppelklingen entgegengetreten war. Ein Grinsen lag auf dem hageren Gesicht des Mannes, welches Geralt mit einem Knurren erwiderte. „Mistkerl“, brummte er wortkarg. Von dem Banditen hörte er ein spöttisches Lachen. Das Sonnenlicht glitt über die Doppelklingen, umspielte in goldener Kunst das Edelmetall. „Danke für das Kompliment, Weißer Wolf“, bedankte er sich. Die Stimme klang weich und stark. Er machte eine Verbeugung und blockte den nächsten Angriff ab, indem er die Arme über Kreuz hielt. Davon war Geralt keinesfalls begeistert und schnaubte abfällig. Kein einziges Kompliment ruhte auf seine Zunge, abgesehen vom Geschmack von Blut und Wein. „Hexer können wahrhaftig“, fing er erpicht an und sprang rückwärts einen Salto, „heißblütig sein.“ Um ein Haar hätte Geralt ihn mit einem Seitenhieb erwischt, doch in letzter Sekunde wich der Bandit aus und gab seine Meinung offen kund, als ob sie einen netten Plausch führten. Keine Silbe verließ Geralts Mund. Er plauderte ungern während der Arbeit, außer es kam zum Fluchen und Verhandeln. Mit schnellen Schritten rannte Geralt auf ihn zu, schwang das Silberschwert und warf dem Banditen einen scharfen Blick zu. Der Mann in graugrüner Lederkleidung grinste ihm entgegen. Kaum berührten sich die Klingen, folgte einer hoher Ton, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Zwischen den Männern begann ein Wettkampf der körperlichen Kraft, unter dem die Schwerter zitterten und sangen. Keiner gab nach. Er ist stärker, als er aussieht, stellte Geralt fest. Und klüger. Nachlässige Banditen waren kleine Fische am Angelhaken. Sein Widersacher dagegen hatte List und Geschick, die für ihn zum Problem würden. Über Gras und Erde ging der Kampf in die zweite Runde. Diesmal übte Geralt mehr Druck auf den Banditen aus und streckte den Arm aus. Er verwendete das Aard und eine telekinetische Druckwelle schleuderte den Mann nach hinten. Ein stilles „Oh!“ formten seine Lippen und die grünen Augen schlossen sich. Mit voller Wucht schlug er mit dem Rücken gegen einen Baumstamm. Es knackte und knarzte laut. Der Laubbaum brach in der Mitte ab und die Baumkrone fiel zu Boden. Für ein Moment herrschte Stille. Geralt beobachtete das Geschehen. „Der Kampf geht weiter“, hatte er die Vermutung und blieb in Kampfstellung. „Sieh an! Sieh an! “, lachte der Bandit, als er sich aufrappelte und den Dreck von der Kleidung klopfte. „Kaum rücke ich dir auf die Pelle, wirst du gleich direkt.“ Das interessierte den Hexer nicht im Geringsten, vielmehr wollte er wissen, wieso sie diesen Kampf führten. „Wer bist du und was willst du von mir“?, kam Geralt gleich zur Sache. Jedenfalls hatte er weder Zeit noch Lust, im Wald Wurzeln zu schlagen, und der Weg hierher war ein Grauen gewesen, das ihn an alte Zeiten erinnerte. Der Bandit strich über sein braunes, lockiges Haar und schien über Geralts Frage nachzudenken, kratzte sich am Hinterkopf und schnipste mit den Fingern, als ihm etwas einfiel. Geralt rollte mit den Augen, ahnte schon, dass dies ein fades Gespräch würde. „Stimmt. Stimmt. Der Grund für deine Reise.“ Mit der Antwort war der Hexer nicht zufrieden und zog die Augenbrauen zusammen. „Das ist wohl ein Witz! Du hast mich durch ein Portal entführt“, drückte er seinen Unmut aus. „Und ich hasse Portale.“ Seine Katzenaugen waren wie geschmolzenen Gold, starrten ihn eng an, loderten mit Wut und Hitze, die verrieten, dass er die ungeplante Portalreise nicht so hinnähme. Mit einem Grinsen zuckte der Bandit mit den Schultern, dann schüttelte er den Kopf. „Nein. Nein. Das war keine Entführung“, beteuerte der Mann. „Ich musste dich woanders hinschicken.“ Für Geralt war es dennoch unangenehm. Er hätte Körperteile verlieren können! An so einem Tod hatte er kein Interesse.   Auf einmal spürte Geralt eine Vibration auf der Brust. Es handelte sich um das Hexermedaillon und eine rote Einfärbung umhüllte das Silberstück. Eine Kreatur befand sich in der Nähe. Das hieß, ein weiteres Problem wartete auf den Hexer. Aus der Ferne hörte er Geräusche. Sie schallten aus östlicher und südlicher Richtung. „Der Weiße Wolf lauscht wie ein Luchs“, erfasste der Bandit. „Gut. Sehr gut. Dann ist meine Pflicht erfüllt.“ Einmal klatschte er mit den Händen, so schien er seinen Plan zu beenden, drehte sich um und aus seiner Hand schoss ein blauer Strahl. In der Luft zerbrach die Magie. Die Funken strudelten in kreisförmigen Bewegungen zu einem Portal heran. Heute erblickte Geralt zum zweiten Mal ein Portal und fragte sich, wer der Mann war. Alles, was er über Portale wusste, war schlichtweg: sie waren kein Kinderspiel und tödlicher, als zu Fuß unterwegs zu sein. „Du hast meine Frage nicht beantwortet“, verlangte der Hexer nach einer Antwort. Schweigend blieb der Bandit stehen, grub nachdenklich die Schuhspitze in die Erde, abwägend, ob er dem Hexer Rechenschaft schuldig war. Das Grübeln des Fremden gefiel Geralt nicht, doch kaum mochte er das Wort zuerst ergreifen, schnellte der Mann herum. „Weil heute ein herrlicher Tag ist, Weißer Wolf, gebe ich dir eine Antwort für eine Frage“, schlug er vor und lächelte ihn an. „Mehr geht nicht.“ Bei dem letzten Satz runzelte Geralt die Stirn. Das klang unbestimmt, aber da er keine Zeit hatte, stimmte er dem Angebot zu. Er musste schließlich weiterkommen. „Na gut, Bursche.“ Im Hintergrund säuselte der Wind durch die Baumkronen, die Blätter raschelten und unten tanzten die Gräser. Als normalen Menschen konnte Geralt diesen Banditen nicht bezeichnen. Vielleicht war er ein hochbegabter Zauberer oder ein mächtiges Wesen in menschlicher Gestalt. Den letzten Gedanken verwarf er. Sonst hätte sein Hexermedaillon vorher reagiert. „Du sagtest deine Pflicht…“, begann er den Satz, als der Bandit ihm das Wort abschnitt. „Das war keine Frage. Die Zeit ist auch um“, kündigte er mit milder Stimme an. „Wir sehen uns wieder, Weißer Wolf.“ Höflich verbeugte er sich und rückte dann den Rücken gerade. Tatsächlich war Geralt für einige Sekunden sprachlos. Keine Zweifel, der Bandit hielt ihn zum Narren, spielte sich freundlich auf, obwohl er ihn durch ein Portal überraschte. Aufgebracht schnaubte er. „Dann auf die harte Tour“, raunte der Hexer und lief auf ihn zu. „Komm schon!“ Das Silberschwert schnitt durch die Luft und traf ins Leere. „Was?“, staunte Geralt perplex. Als die Klinge beinah die Schulter des Banditen erreicht hatte, verschwand dieser in nur einem Wimperschlag vor seinen Augen. Schlagartig fiel Geralt ein, dass er ein Stampfen hörte. Bevor er zuschlagen konnte, öffnete sich unter seinen Stiefeln erneut ein Portal. Schon wieder ein Portal. Ich hasse diese Zaubertricks, betonte er seine Abneigung. Lange musste Geralt nicht nach seinem Kontrahenten suchen. Direkt vor dem zweiten Portal stand er, die Arme vor der Brust, die Haltung aufrecht, und schenkte dem Hexer ein Grinsen zum Abschied. Die Mimik erwiderte Geralt nicht. Vielmehr sah er den Banditen mit einem schneidigen Blick an. „Die Zeit. Die Zeit. Da kann man nichts machen.“ Inzwischen steckten die Doppelklingen in Bronzebehältern, ein weiterer Kampf war insofern ausgeschlossen. Drei Sekunden lang tauschten die Männer abschätzende Blick untereinander aus, bis Geralt seine Meinung äußerte und viel Abstand zum Portal einhielt. „Wir sehen uns wieder, Portalmeister.“ Heute gewann er weder den Kampf noch die Erklärung dazu, wieso er in diese Situation gestolpert war, aber beim nächsten Mal würde er besser vorbereitet sein und erfolgreich siegen. „Edle Worte, edler Name“, schmunzelte der Bandit und hielt zwischen den Fingern ein Säckchen. „Und danke für die edle Spende, Weißer Wolf.“ So hüpfte der Bandit in das Portal, hinterließ eine Reihe von Fragen und Schulden. Am Ende verschloss er das Portal.   Inmitten der Waldlichtung stand Geralt da, war umzingelt von blühenden Büschen und stämmigen Laubbäumen, während er das Silberschwert auf seinen Rücken verstaute und die Hexersinne schärfte. Vogelgezwitscher, Insektenbrummen und Blätterrascheln flüsterten in seinen Ohren. Dann spürte er Bewegungen unter den Sohlen, ganz nah wanderte eine Tierherde durch das dichte Unterholz. Zweige knackten, Büsche summten. In Geralts Augen spiegelte sich ein Bild wider, wo Hirsche zwischen den Bäumen rannten und röhrten. Die Tiere flohen aus dem östlichen Teil des Waldes. Dort treibt das Ungeheuer sein Unwesen, dachte er und blickte nach Süden. Von da hörte ebenfalls Geräusche, doch klangen sie ganz und gar nicht bedrohlich, eher wie Rufe. Obendrein nahm er keine weiteren verdächtigen Tätigkeiten wahr, sodass der Bandit wirklich von hier fort sein musste, ebenso wie sein Sack Goldmünzen. Jetzt nach ihm zu suchen, wäre töricht. Außerdem konnte ihm Yennefer mehr helfen, als es Sinn machte, auf eigene Faust zu handeln. Sie wartete auf ihn Zuhause, wo sie mit einem Zauberbruch draußen in der Sonne lag. Zeitweilig schmunzelte er. Der Hexer stieß einen Pfiff aus, welcher durch die Tiefe des Waldes schallte. Diesmal antworteten ihm die Laute aus dem Süden. Das ist Plötze, war sich Geralt sicher. Er und sein Pferd Plötze waren gemeinsam durch das Portal in die Falle gelockt worden, allerdings hatten sich ihre Wege dort getrennt. „Sie ist in der Nähe. Ich muss nur den Geräuschen folgen.“ Gesagt, getan. Sofort sprintete der Hexer los. Mehrmals sprang er über Baumstämme und Felsen, durchquerte einen kleinen Fluss und entkam dem Dickicht, als er am Waldrand stoppte. Vor ihm erstreckte sich eine flache Ebene, wo das Gras im Wind hin und her pendelte und von Blumen umsäumt war. Eine Windmühle mit zwei Scheunen und einer Holzhütte stand verlassen auf dem Feld. Schnellen Schrittes ging er darauf zu und entdeckte die Stute. Zudem schaute er nach oben, hielt die Hand knapp vor den Augen, da die Sonne am klaren Himmel heiß hinab brannte. „Da hat es dich hin verschlagen“, sagte er. Auf dem Dach der zweiten Scheune kaute die Stute genüsslich am Heu herum, das dort teilweise verstreut lag. Plötze genoss das Streicheln des Windes in der Mähne und das Bad in der Sonne, sodass das Fell glänzte. Mit einem freudigen Schnauben begrüßte sie ihren Reiter. „Wir müssen weiter.“ Zum zweiten Mal pfiff er und Plötze hob den Kopf, dabei zuckte sie mit den Ohren. Geralts treue Seele scharrte mit den Vorderhufen, um undichte Stellen zu vermeiden, stieg langsam bergab und traute sich einen Sprung nach unten. Die Scheune war nicht sehr hoch. Entspannt trottete es mit Heu im Maul zu Geralt und blieb stehen, als er sie liebevoll am Hals klopfte. „Das ist meine Plötze“, lobte er sie und stieg in den Sattel. Der Hexer beäugte die Umgebung. Kein Stück Wald kam ihm vertraut vor, nur die Sonne über seinem Kopf.   Soeben erinnerte sich Geralt daran, wie Yennefer ihn in frühen Morgenstunden um ein Gefallen gebeten hatte. Für einen neuen Zauber benötigte sie seltene Kräuter und magische Steine, die in Wäldern wuchsen und in bestimmten Höhlen lagerten. Dafür reiste er weit weg von dem Corvo Bianco-Weingut und fand mit Yennefers Liste alle Zutaten in wenigen Wochen. Zuletzt war er in der Siedlung der Steinschneider. Dort wurde einst hochwertigen Gesteins verarbeitet, welches sich unter den magielosen Zutaten befand. Durch die Nase drang ein raues Schnaufen hinaus. Während der Heimreise begegnete er zwar Räubern und Wölfen, doch aufgrund des Portals aus dem Nichts, welches ihn hergeführt hatte, hatte er keinen blassen Schimmer, wo genau er sich nun befand. Daher blieb ihm keine andere Wahl, als blind durch die Landschaft zu reiten und in einer Siedlung nach dem Weg zu fragen. Er trieb Plötze voran und sie trabte los. Die Fläche war von dem Wald umschlossen, darum kehrte er in das Wildgebiet zurück. Derweil zerbrach Geralt sich den Kopf darüber, was der Bandit mit ihm vorhatte. Falls es sich um einen Hinterhalt handelte, wären entweder er oder die Feinde im Totenreich, anders konnte es nicht enden. Zudem verhielt sich der Fremde nicht wie ein Feind oder wie ein Freund. Es könnte sich um einen mächtigen Zauberer handeln. Ohne Probleme erschuf er Portale, sogar mehr als eines gleichzeitig. Ein Portal, das mitten in der Luft hing, wie es der Bandit vollbracht hatte, war weitaus schwieriger zu erstellen und benötigte mehr Zeit, und daher konnte nur ein sehr überragender Magier dies gewiss meistern. „Yennefer kann mir wahrscheinlich verraten, wer dazu in der Lage ist“, murmelte Geralt und lauschte im Umfeld. Unter dem wolkenlosen Himmel grünte und blühte der Wald auf. Der Duft von Kräutern und Blumen hing in der Luft, schmeckte im Tageslicht warm und würzig, wie eine Sommerbrise. Frieden herrschte im Wald, im Osten war es vermutlich ganz anders.   Aus heiterem Himmel vibrierte das Hexermedaillon wiederholt. Auch Plötze reagierte zappelig. Sie schüttelte den Kopf und schnaubte laut, indem sie die Nüstern blähte. In der Nähe tobte ein Geräusch. Es klang rasant und donnernd. Vögel in den Baumwipfeln trillerten, schlugen mit den Flügeln und flogen davon. Geralt zog an den Zügeln und Plötze stockte auf eine freie Grasfläche. Die Erde fing, wie die Spaltung eines Berges, unerschütterlich zu beben. Aus Erfahrung ahnte Geralt Schlimmes. Er sollte Recht behalten. Nervös wich Plötze einige Schritte nach hinten und bäumte sich auf, als etwas aus dem Boden hervorbrach. Wie damals grollte der Riesentausendfüßler. Aus seinem Panzer ragten zahlreiche krumme Gliedmaßen heraus und er fixierte seine Beute mit bedrohlichen Lauten. „Wenn ein hässliches Krabbelvieh hier ist, ist die ganze hässliche Familie unweit“, seufzte Geralt und stieg von Plötze ab. Bevor die Stute davongaloppierte, schnappte er sich ein Gläschen Insektoidenöl und schmierte es auf sein Silberschwert. Derweil tauchte es unter die Erde und die Kreatur bohrte sich durch die Gänge. Fest umklammerten die beschuhten Hände den Griff des Schwertes. Augen und Ohren waren wachsam und die Füße folgten dem Zittern der Erde. Einmal links, einmal rechts erschien aus der Erde ein Stück Panzer, dann verschwand es in die Tiefe. Der Riesentausendfüßler kreiste den Hexer enger ein. Zum dritten Mal entdeckte er die Buddelstelle des Monsters. Rasch wirkte er dreimal Yrden hintereinander als einen Schutzschild um ihn herum. In Gedanken zählte Geralt rückwärts von fünf auf null. Von oben warf die Sonne ihr helles Licht auf die Erde herab und über Geralts Stirn kullerten Schweißperlen. Durch die Erddecke drangen zugleich drei Riesentausendfüßler und sie griffen mit ihren gewaltigen Kauwerkzeugen nach dem Hexer. Ich wusste, es sind mehr als einer, dachte er. Die Hexer-Zeichen aktivierten sich, sodass die Ungeheuer mit einem schmerzhaften Kreischen davon abgestoßen wurden und zurück unter die Erde fliehen wollten. Jedoch kam der Hexer ihnen zuvor. Anhand ihrer Bewegungen und Reaktionen konnte er die Fluchtwege der Riesentausendfüßler vorhersehen und schnitt mit dem Silberschwert die krummen Glieder und einmal das Kauwerkzeug ab. Dafür brauchte er nur flinke Reflexe und verdammt viel Glück. Zwei von ihnen tauchten zischend unter, aber ein Weibchen drehte um und attackierte ihre Beute, indem sie Säure aus den Drüsen spritzte. Die ersten Tropfen berühren Geralt am linken Arm und Schulter. Um sich weitere Verletzungen zu ersparen, benutzte er Quen, welches ihn wie eine schützende Aura vor dem sauren Angriff abschirmte. Trotzdem schmerzte die Säure auf seine Haut, also riss Geralt eilig den Stoff um den Arm ab und verhinderte weitere Schäden. „Verflucht nochmal“, klagte er mit fester Stimme. „Spuck gefälligst woanders hin, du Mistvieh.“ Der Riesentausendfüßler senkte den Kopf und schnappte nach Geralt, der diesmal mit der Silberklinge durch das Maul des Ungeheuers stach und in letzter Sekunde auswich, bevor es krächzend zu Boden ging, sonst wäre er unten dem Chitinpanzer zerquetscht worden. Der Atem rasselte in Geralts Brust. Blasen bildeten sich auf der Haut und brannten heißer als die Sonne. Von hinten ertönte ein Wiehern, Hufe trabten zu dem Hexer und ein warmes Schnauben fühlte er im Nacken, als Plötze die Wunde mit Sorge betrachtete. „So ist es brav.“ Keine Erderschütterungen folgten nach dem Tod des Riesentausendfüßlers, außerdem benahm sie Plötze besonnen, weshalb Geralt schlussfolgerte, dass die anderen zwei fort waren. Flüchtig stieß er ein Seufzen aus. Für eine Weile hatte er seine Ruhe. Er holte aus der Satteltasche den Heiltrank Schwalbe und nahm einen Schluck, damit die Vitalitätsregeneration schneller voranschritt. Alchemie war für einen Hexer kein Hindernis. Nachdem die Wunden bald verheilten, machte Geralt bei dem Kadaver reichlich Beute: Luftröhre, Giftdrüsen, Gift und Chitinpanzer.   Mit dem Fang bekomme ich ein hübsches Sümmchen, erwartete Geralt. Als er Plötzes Rücken erklomm, ertrug er am linken Arm ein Ziehen und Pochen, das ihn zum Glück nicht beeinträchtige. Gleichwohl passte er auf, dass die Wunde keine Entzündung bekam. Ruhe war gerade die beste Medizin. Mit einem Ruck setzte sich die Stute in Bewegung, obwohl der Hexer keinen Antrieb dazu gegeben hatte. Aufgrund seines Zustandes ließ er Plötze gewähren und vertraute ihr die Führung an. Etwas erregte ihre Aufmerksamkeit. Geralt spitzte die Ohren und hielt die Augen offen. Keine Anzeichen von Todesgefahr konnte er beim Ritt entdecken. Dem Anschein nach schlief der Wald, das satte Grün flüsterte und die Tiere hielten sich im Verborgenen auf. Von vorne wehte ein Windhauch, duftete süß und lieblich, in der Nähe wuchsen womöglich Rosen. Dann erblickte Geralt zwischen den Bäumen eine Ruine. „Hm“, brummte er. „Das stinkt gewaltig nach Ärger.“ Je näher sie dem Ort kamen, desto mehr fiel dem Hexer ins Auge. Die Statue eines Pferds bäumte sich drei Meter auf, ein Ritter mit Speer und Schild ritt auf das Tier. Im Sonnenlicht schimmerte das Gestein im strahlenden Weiß. An einigen Stellen waren Risse und Abnutzungen zu sehen. Wie ein Netz wucherte Moos an der Statue und unten blühten Rosen mit blauen sowie weißen Blüten. Dahinter stand ein Tempel, sofern Geralt richtig vermutete. Eine Treppe mit schmalen Stufen führte bergauf zum Eingang, am Ende befanden sich rechts und links die Statuen von einer Frau im Gewand und einem Mann in Rüstung. Große, breite Säulen trugen das Dach des Tempels und waren mit Planzenmuster und Tierfiguren verziert. Ringsherum bildete eine Mauer aus weißem und grauem Gestein eine Grenze zwischen dem Inneren des Tempels und dem Wald. Genau wie bei der Statue hatte das Gebaute brüchige und zerfallene Flächen. Ich spüre an diesem Ort eine magische Kraft, ging es ihm durch den Kopf. Das gefällt mir nicht. Plötze hielt an und forderte ihren Reiter mit einem Nicken auf, jetzt abzusteigen. Geralt erfüllte ihren Wunsch. Eben stieg er von seinem Pferd ab, da klatschte jemand mit den Händen.   „Deine Anwesenheit, mein Glück“, hieß der Bandit ihn willkommen. „Du hast den richtigen Weg hierher gewählt.“ Dafür zeigte der Hexer keine Begeisterung. Sein Gesicht versteinerte sich und er warf dem Mann einen unfreundlichen Blick zu. „Man sieht sich wohl zweimal im Leben." Der Bandit nickte, schritt gemütlich an Geralt vorbei und strich Plötze über die Stirn. Ohne Kompromisse durfte er das Pferd auch hinter den Ohren kraulen. „Anfangs war ich skeptisch, ob du den Weg von allein hierher findest, aber Gaunter O'Dimm hatte Recht. Dein Schicksal ist besonders“, meinte er und seine Augen funkelten neugierig. Als er den Name Gaunter O'Dimm hörte, schob Geralt die Augenbrauen nach oben. Kein Zweifel, er meinte den Spiegelmeister oder der Mann des Glases, wie das Volk ihn früher benannte. Entweder kannte er den Spiegelmeister zufällig oder der Bandit lockte ihn auf eine falsche Fährte. „Seid ihr Freunde?“, fragte Geralt. Der Angesprochene lachte und grunzte. Zuletzt tätschelte er Plötzes Nüstern und wandte sich dem Hexer zu. Am Glücklichsten sind die Dummen, scherzte Geralt nüchtern. Mir gehen die Witze aus. Im Bruchteil einer Sekunde kehrte die Erinnerung zurück, wie er anhand der Pilze mit der Stute Plötze sprechen konnte. Wortlos schüttelte er den Kopf. „Freunde? Freunde! Das sind wir.“ Letztlich folgte eine Antwort aus dem Grinsen des Mannes. Momentan hielt sich Geralts Freude in Grenzen. Zurzeit hatte er einfach das Unglück im Nacken. Am Himmel kreiste ein Falke, im Wald heulte ein Wolfsrudel. Das Gras raschelte im Lied des Windes, sprach eine Sprache, die niemand verstehen konnte. Ein Blatt fiel von einem Zweig ab und tanzte hinab zu Boden. „Hast du mich zurück nach Toussaint teleportiert? Wenn ja, warum?“. Ihm kam der Verdacht, als die Riesentausendfüssler seinen Weg kreuzten, dass er sich in Toussaint befand. Am meisten begegnete man die gigantisch insektoiden Monster in der Wildnis von Toussaint, dass erfuhr Geralt mehrmals am eigenen Leib. Direkt vor den Füßen hob der Bandit das Blatt auf und pustete es von der Handfläche weg. „Vielleicht, oder vielleicht auch nicht“, reagierte er mit einer absichtslosen Geste. Weit flog das Blatt nicht, es landete im Gras und lag einfach nur dort da, wartend auf die nächste Windprise. Zum zweiten Mal tanzte der Bandit ihm auf die Nase herum. Geralt formte die Augen zu Schlitzen und streckte die Hand aus. Augenblicklich dachte er nach, ihn mit Igni zum Reden zu zwingen, auch wenn der Erfolg gleich null war. „Antworte mir! Und keine Spielchen mehr.“ Er verlor langsam die Geduld. „Was jetzt?“, fügte er bissig hinzu. Aus der Kehle des Bandits entglitt ein Seufzen, dann hob er seine Hände hoch und lächelte den Hexer an. „Ich lehne dankend ab, Weißer Wolf.“ Von Geralt kam ein „Hm“ und er erzeugte mit Igni eine pyrokinetische Feuerwelle. Bevor Geralt blinzelte, schwor er, in den Augen des Mannes ein entflammendes Leuchten erkannt zu haben und danach war er wie von Geisterhand verschwunden. Igni verlief ins Leere. „Ich hasse Portale“, fluchte Geralt.   Der Wald atmete tief durch, Zweige beugten sich dem Willen des Windes und wippten auf und ab. Blätter klatschten und raschelten. In der Luft floss ein Rauschen und in den Ohren hallten die Kampfgesänge zweier Schwerter wider, die aufeinanderstießen. Innerhalb eines Augenblicks zog Geralt sein Schwert, federte herum und erwischte den Banditen mit der Waffe in der Hand. „Schnell, schnell bist du und dein Schwert.“ Silber und Stahl zitterten und klirrten in den Händen. „Halts Maul!“, blaffte er ihn an. Demnach wieherte Plötze los und stampfte mit den Hufen. Beide Männer neigten die Köpfe zu dem Pferd. Mit klagenden Lauten teilte Plötze mit, dass sie gerne in aller Ruhe unter dem Baum grasen mochte. Ehedem die Kämpfer sich wieder an gifteten. Nicht ernst genommen zu werden, schnaubte Plötze und sie raunte leise. „Seid ihr fertig?“, mischte sich jemand ein. Etwas blitzte im Grün des Banditen auf und er entfernte sich von Geralt. Breiter wurde sein Grinsen, packte einer der Doppelklingen weg und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Ja, ja! Das sind wir.“ Skeptisch musterte der Hexer den Banditen. Dennoch gewann der Neuankömmling seine Aufmerksamkeit und er spannte die Schultern an. „Hallo Geralt. Kennst du mich noch?“ Zwei braune Augen, die mit Geheimnissen umhüllt waren, blickten den Hexer an. Folglich steckte Geralt die Silberwaffe zurück. „Der Spiegelmeister und Retter in der Not“, antwortete er sarkastisch und dachte an damals, wo er seine Herausforderung meisterte. Zuerst tauchte dieser Portalmeister auf, dann der Gaunter O'Dimm. Heute war nicht sein Tag. „O'Dimm, O'Dimm, mein Freund. Du bist früher da, als ich erwartet habe.“ Hinterher verbeugte er sich, sein Grinsen wurde frech. „Zeit spielt für mich keine Rolle“, sagte der Spiegelmeister. Mit dem Gespräch zählte Geralt eins und eins zusammen. Offenbar heckten sie einen Plan aus oder spielten ein Spiel, wobei er persönlich das Glückslos zog. Zufällig war Geralt keinesfalls anwesend. Laut räusperte er und verschränkte die Arme vor der Brust. Gaunter O'Dimm widmete sich nun dem Hexer zu. „So treffen wir uns wieder. Und wieder brauchst du meine…Hilfe? Auf dich wartete ein Problem, wie ich sehe.“ Sein Freund zwinkerte. Unwirsch zischte der Hexer und war vor der ganzen Sache nicht erfreut. Lust auf Herausforderungen hatte er kein bisschen. „Kein Bedarf!“, stellte Geralt klar. „Welches Spiel treibt ihr mit mir?“ Diesmal ließ er nicht locker, er konnte auch hartnäckig sein. Je schneller, desto besser. Die Freunde tauschten sich stumme Blicke. Mit einer Geste lug der Bandit seinen Freund ein, die Erklärung selbst zu übernehmen, nach dem er bis jetzt kein Wort darüber verlor. Genau dieses Schweigen brachte Geralt auf die Palme. So ergriff Gaunter O'Dimm das Wort. „Das ist eine lange Geschichte. Wir sollten uns auf Nützlicheres konzentrierten, wie man dich nach Hause bringt, zum Beispiel.“ Damit hatte er Recht. Wahrscheinlich hielt sich Geralt irgendwo in Toussaint auf, oder in einer anderen Welt. Die zweite Wahl klang plausibler und genau das wuchs zu einem Ärgernis heran. Keine Silbe verließ Geralts Zunge, sodass der Spiegelmeister den Kopf schief legte. „Du willst doch nach Hause, oder nicht?“ Der Satz traf ins Schwarze, aber zuvor brannte etwas in seiner Seele. Geralt nickte. „Wir können vorher das Spiel zu Ende spielen und mich in eure Regeln einweihen“, wechselte er das Thema. Somit drehte er den Spieß um. Unweit von rechts kicherte der Bandit, fand die Wortspiele wirklich erheiternd. „Der Weiße Wolf kann kräftig zu beißen. Wie amüsant.“ Vor Freude klatschte er in die Hände. Davon bekam Geralt regelrecht Kopfschmerzen und warf den Mann einen ernsten Blick zu.   „Mein Freund Darwin hast du schon kennengelernt“, betonte der Spiegelmeister und schlug einen Handel vor. „Also gut. Ich werde dir helfen, wenn du mir beim nächsten Mal ein Gefallen tust.“ Flüchtig grübelte Geralt darüber nach. Er hatte es gewusst. Ohne eine Gegenleistung führte er keine Geschäfte durch. Mürrisch zog er die Lippen zu einem schmalen Strich. „Stimmt. Von nichts kommt nichts. Immerhin bist du ein Kaufmann.“ Auf diese Weise lag er goldrichtig und der Mund des Kaufmannes formte sich zu einer Mondsichel. „Exakt. Brauchst du nun meine Hilfe, Hexer?“ Gespannt schaute Darwin zu Geralt, während sein Freund schon ahnte, welche Antwort er bekam. Ihm blieb keine andere Wahl und so stimmte er zu. All das hier musste bestenfalls einen Hacken haben. Schlagartig brennte Geralts linke Gesichtshälfte und er zuckte zusammen. Alte Erinnerungen wurden geweckt. „Das muss ich nicht ein zweites Mal erklären“, sagte Gaunter O'Dimm und brach einem Holzlöffel in zwei Hälften. „Dann kann ich die Wette hiermit abschließen.“ Bei dem Wort Wette traute Geralt seinen Ohren nicht, doch der Spiegelmeister war längst weg. Fest biss er die Zähne zusammen. „Eure Teufels Wette hatte wohl mit meiner Wenigkeit zu tun, stimmt?“, hinterfragte er im tödlich ruhigen Ton. Da er nun den Namen des Banditen kannte, schaute er ihn aufdringlich an. Darwin hob und senkte die Schultern. Infolgedessen erschuf er ein Portal neben sich und ein weiteres links von Geralts Seite. „Die Wette, die Wette. Sie interessierte mich nicht ganz. Ich wollte nur den Zweiten nach mir treffen, der Gaunter O'Dimm in seinem eigenen Spiel besiegte.“ Was genau er damit meinte und andeutete, fiel Geralt im ersten Moment nicht ein, doch dann traf ihn der Blitz. Es stimmte. Vor ihm konnte ein anderer Mann im Norden den Spiegelmeister überlisten. „Dann warst du…?“, vermutete er und beobachtete, wie der Bandit mit einem Bein im Portal stand. Den Zeigefinger legte er an seine Lippen und zwinkerte dem Hexer zu. „Manche Geheimnisse bleiben lieber Geheimnisse. Bis später, Weißer Wolf“, verabschiedete er sich. Am Ende schloss sich das Portal mit einem „Pfob“. Innerlich kochte er vor Wut, dennoch blieb er die Ruhe in Person. Der Nachmittag beanspruchte ihn sehr, wie Darwin und Gaunter O'Dimm es getan hatten. Warum passiert das immer mir?, fragte er sich und ging auf Plötze zu. Das Portal würdigte er keines Blickes. Fragen über Fragen schwirrten in seinen Gedanken herum. Davon hatter er die Nase voll. Hals über Kopf war er aufgesessen und genoss das vertraute Gefühl im Sattel seines Pferdes. „Brechen wir auf, bevor das nächste Unheil auf uns wartet“, meinte er. Sein Blick glitt zum Portal. Wenn man vom Teufel spricht. Plötze warf ihren Kopf auf und ab. Die Zügel zog er nach rechts. Sie gehorchte und setzte sich in Bewegung. „Los, Plötze!“ Wie geheißen galoppierte sie auf das Portal zu. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)