Der Tiger im Käfig von KatieBell ([Yuriy x Mariah]) ================================================================================ Kapitel 24: Freie Wildbahn -------------------------- In Russland lief alles wieder sein normalen Gang. Hiromi und Kai waren glücklich wieder in ihren eigenen vier Wänden zu sein. Ian, Bryan und Sergej zogen wieder zusammen durch die Stadt und genossen das Leben in freien Zügen. Nur Yuriy schottete sich immer mehr von ihnen ab. Die ersten Tage auf der Arbeit war für ihn unerträglich gewesen. Er konnte Kai und Hiromi einfach nicht zusammen sehen. Immer wieder erinnerten die beiden ihn an Mariah. Es war zum Verrückt werden. Einmal kam Hiromi auf ihn zu und sprach ihn offensichtlich auf Mariah an. Er hatte sie einfach im Flur der Firma stehen gelassen und nichts dazu gesagt. Die mitleidigen Blicke im Rücken spürend. Es war eine Woche her, seit sie wieder daheim waren. Yuriy kam nach Feierabend zu Hause in seiner 2-Zimmer Wohnung an und hatte sich direkt auf sein Bett geworfen. Er besaß kein Elan mehr, keine Motivation. Zu Essen würde er sich später irgendeine Tiefkühlpizza auftauen. Er starrte an die Decke und dachte wie so oft über sie nach. Über die gesamte Situation. Er vermisste ihre ganze Art. Er hatte versucht, das alles hinter sich zu lassen. Nachdem sie sich offenbar gegen ihn entschieden hatte. Er schnaufte und sah zur Seite. Sein Koffer hatte er die ganzen Tage nicht einmal angerührt, als er wieder zu Hause war. Er spielte ja sogar mit dem Gedanken, einfach wieder zurück zu fliegen. Aber wie sollte er das Kai erklären? Er gab sich nicht gern die Blöße und so musste er offenlegen, was er für Mariah empfand. Und gerade Kai... der ihn am Anfang einbläuen wollte, dass er die Finger von ihr lassen sollte. Ihm wurde ebenso ab und an richtig übel, wenn er daran dachte, dass Lee sich ihr wieder annähern könnte. Vielleicht würde er sie doch noch überreden zu Kon zurück zu gehen. Jetzt, da er nicht mehr an ihrer Seite war... "Blyat.", fluchte er auf russisch. Er raufte sich auf und zog seinen Koffer zu sich. Er öffnete ihn unwirsch und wollte einfach nur seine Sachen auspacken. Als der Reißverschluss offen war und er schon einige Sachen aus dem Inneren herausholte, fiel ihm einen leicht rosafarbenen Briefumschlag auf. Der Rothaarige nahm ihn an sich und wusste sofort, von wem er war. Wann hatte sie...? Sie musste den Umschlag in seinem Koffer gelegt haben, als er noch tief und fest schlief. Oder sogar noch früher... Wer wusste schon, wann sie den Entschluss gefunden hatte, sich zu verabschieden? Es dauerte eine Weile, bis er ihn öffnete. Beim öffnen fiel ein kleines Bild heraus. Erst gab er dem keine große Bedeutung, doch als er erkannte, das nicht mehr im Umschlag war, hob er es vom Boden auf. Yuriy erkannte die Aussicht, die Wälder, der Wasserfall. Diese gemeinsame Nacht war so ganz anders. Viel sinniger und offener. So ganz anders, als bei ihrem ersten Mal in ihrer Geburtstagsnacht. Wenn er genau darüber nachdachte, hatte sie an diesem letzten Abend ihn völlig in ihr Herz gelassen. Wie aus Affekt drehte er das Bild herum. Er dachte nicht daran, dass sie wirklich etwas noch dazu geschrieben hatte. Aber sie hatte es. »Danke für die schönen Erinnerungen. Wo ai ni - Mariah« Er konnte kein Chinesisch. Aber als er diese drei kleinen Wörter schnell in seinem Handy im Übersetzer eintippte und die russische Übersetzung angezeigt wurde, wurde ihm heiß und kalt zugleich. „Ya lyublyu tebya.“, flüsterte er, "Du dumme Kuh.", zischte er dann und kickte aus Wut seinen Koffer in die nächste Ecke. Er war so... wütend? Sauer? Nein, enttäuscht. Wieso hatte sie das nicht einfach gesagt? Der Russe hätte sicherlich eine Lösung für sie beide gefunden. „Weil sie sich auch nicht die Blöße geben wollte...“, sagte er zu sich selbst. Er wollte es ihr sagen. In der letzten Nacht, aber sie hatte ihn nicht gelassen. Er hatte gedacht, er hätte noch einen halben Tag Zeit gehabt, bevor sie zurück geflogen wären. Sie hatte ihm nur keine Chance dafür gelassen. Was sollte er jetzt noch tun? Sie war Kilometer weit weg von ihm. Einsam und alleine. Vielleicht noch mehr zerbrechlicher, als zuvor. Ein gefundenes Fressen für ihren Bruder und... er wollte sich das einfach nicht ausmalen. * * * „Meister, schauen Sie. Sie ist da jetzt schon Tagelang drin. Sie isst kaum noch etwas, sie...“, hörte sie Kevin genervt sagen und ließ Tao, den Coach der White Tigers, in das Gästezimmer schauen. „Verstehe.“ Sie rührte sich nicht. Sie wollte niemanden sehen. Niemanden hören. Wieso konnten sie sie einfach nicht alle verschwinden?! „Was soll ich denn noch machen?“ „Lasst sie einfach in Ruhe. Manchmal kommt die Einsicht mit der Zeit.“, sagte er weise, mit einem wissenden Blick in den Augen und ging den Flur zurück. Mariah wollte einfach nicht hier raus. Manchmal da dachte sie darüber nach, was passiert wäre, wenn sie mit ihm gegangen wäre. Sie weinte immer, als sie an dem Punkt angelangt war, sich Yuriy vorzustellen. Sie hatte seit seiner Abreise, das Zimmer nicht mehr verlassen. Sie hatte Angst. Sie dachte, wenn sie raus gehen würde, würden die Erinnerungen verblassen, oder sein Geruch würde weiterziehen. Sie hatte sich so hart in ihn verliebt, dass es weh tat, ihn nicht mehr um sich zu haben. Sie vermisste ihn. Selbst seine dummen Sprüche vermisste sie. Yuriy war ihr so ähnlich, in vieler Hinsicht. Ihr Herz schmerzte, wenn sie daran dachte, wie er in dieser einen Nacht mit ihr umgegangen war. Es war nicht nur Verlangen, oder... irgendein Spaß. Er hatte sie in vollen Zügen geliebt. Noch niemals hatte sie so starke Gefühle für jemanden entwickelt, wie für den rothaarigen Russen. Es vergingen ein paar Stunden, als sie abermals Stimmen wahrnahm, die sich dem Zimmer näherten... „Bist du sicher, dass du bereit bist, mit ihr zu reden?“ „Meister. Ich... muss. Sie ist meine Schwester.“ „Das ist sie. Aber sei nicht zu hart mit ihr. Sie ist auch nur ein Mensch.“ Lee nickte und öffnete das Gästezimmer. Er sah sie mitleidig an, als er sie so sah. Sie hatte den Rücken zu ihm gewandt und hatte ihre Beine an den Körper gezogen. „Mariah...“, fing er an. Sie wandte sich abrupt um und ihr Blick war eisig. „Verschwinde.“, sagte sie gefährlich und setzte sich auf, „Du sollst abhauen! Ich will nicht-“ „Ich will nur noch einmal mit dir reden. Ganz in Ruhe.“, versuchte er sein Glück. „Ich hab dir genug Chancen gegeben. Irgendwann reicht es. Ich will mit dir und mit Rei einfach nichts mehr zu tun haben. Ihr seid für mich gestorben! Beide!“ „Aber Mariah... wir sind Familie. Wir haben doch nur noch uns.“ „Ich schwöre dir, wenn du nicht augenblicklich verschwindest, dann... dann...“ Lee seufzte, betrat das Zimmer nun komplett und schloss die Tür hinter sich. „Lee! Ich warne dich...“, zischte sie. „Ich will mich doch nur entschuldigen!“, sagte er energisch, „Ich hab auch mit Rei geredet. Du hattest Recht. Und ich Unrecht.“ „W-was?“ „Ich hab die Erziehung unserer Eltern noch viel eher im Kopf, als du.“, sagte er wieder ruhiger und ging langsam auf sie zu, „Ich dachte, nur das wäre der richtige Weg. Ich wollte nicht sehen, wie unglücklich du eigentlich mit Rei warst. Das tut mir leid und... und auch... die Ohrfeige. Ich, weiß nicht was da in mich gefahren ist. Es tut mir wahnsinnig leid. Ich will dich nicht verlieren. Ich liebe dich doch, kleine Schwester.“ „Lee...“, hauchte sie und setzte sich auf die Bettkante, „Meinst du das ernst?“ „Natürlich.“, sagte er lächelnd. „Was ist mit... Rei?“, fragte sie dann doch argwöhnisch nach. „Er... ich muss gestehen, dass ich ihn ziemlich manipuliert hatte. Er dachte die ganze Zeit über, dass du wolltest, dass du... erobert werden wolltest. Es ist auf meinem Mist gewachsen. Er wird Zeit brauchen, aber er wird es überstehen.“ Mariah lächelte. Sie hatte nicht mehr daran gedacht, dass ausgerechnet Lee, der Erste wäre, der sich um eine Versöhnung bemühte. „Und damit du mir glaubst...“, sagte er und holte etwas aus seiner Weste hervor. Die Rosahaarige erkannte den Vertrag, den sie und Rei damals unterschrieben hatten und machte noch größere Augen, als Lee ihn einfach ein paar Mal durchriss. „Scheiß auf die alten Traditionen. Du sollst dich nicht verpflichtet fühlen, dich zwischen zwei Stühle setzen zu müssen. Ich möchte, dass du die Welt siehst und deine eigenen Entscheidungen triffst. Selbst wenn sie falsch sind. Aus Fehlern lernt man doch, oder?“ In ihren Augen sammelten sich Tränen und sie blieb nicht einfach so tatenlos sitzen. Sie sprang auf und fiel ihrem großen Bruder in die Arme. „Danke...danke...danke.“ Er erwiderte ihre Umarmung, doch drückte sie zugleich ein Stück von sich, um ihr in die Augen zu sehen. „Du hast Liebeskummer...“, stellte er zugleich fest. „Ich... nein... ich...“, druckste sie herum und sah zu Boden. „Wieso muss ausgerechnet meine kleine Schwester, sich in diesen Russen verlieben.“, sagte er und klang dabei nicht einmal böswillig. „Woher...“, kam es überrascht von ihr. „So, wie er sich für dich eingesetzt hat? Denkst du, ich bin blind?“ Darauf sagte sie nichts mehr. Sie hätte wirklich nicht gedacht, dass es so offensichtlich für Lee gewesen war. „Hey...“, hauchte er und legte eine Hand unter ihr Kinn, „Du hast mir gesagt, du brauchst jemanden, der an deiner Seite steht.“, sagte er ruhig, „Wir werden vielleicht nicht die besten Freunde, aber... solange er dich glücklich macht, bin ich es auch.“, sagte er lächelnd. „Aber... er ist weg und... er wird mit Sicherheit nicht wiederkommen.“ „Dann geh zu ihm.“, ermutigte Lee sie. Schon wieder musste sie weinen, sie konnte es einfach nicht aufhalten. Meinte Lee das ernst? Sollte sie einfach... sich in ein Flugzeug setzen und einfach nach Russland zu ihm fliegen? „Wo ist deine Entschlossenheit, Mariah? Lass den Käfig hinter dir und sei der Tiger in der freien Wildbahn.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)