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Der Tiger im Käfig

[Yuriy x Mariah]
von

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Lasten der Vergangenheit

Er hingegen nahm ihre linke Hand in die seine und zog sie zurück zum Bett, auf dem sich beide dann setzten. Ohne dass sie weiter nachfragen musste, gab er sich einfach den Ruck, seine Vergangenheit, seine schmerzliche Vergangenheit, ihr offen zulegen.
 

„Ich... hatte Eltern, aber... wir waren sehr arm. Hatte kaum für eine Mahlzeit am Tag gereicht. Mein Vater hatte immer alles versucht uns durchzubringen. Aber irgendwann, hat sich meine Mutter aus dem Staub gemacht.“, sagte er und schluckte, „Ich weiß nicht, wieso... oder ob das der wirkliche Grund war. Sie war auf einmal nicht mehr da gewesen. Sie hat uns einfach zurückgelassen.“
 

Er bemerkte ihren mitleidigen Blick auf sich und es war schwer es auszublenden. Seine Vergangenheit hatte er immer verdrängt. Er wollte nicht mehr daran erinnert werden und hatte all das eigentlich tief in sich vergraben. Aber sie musste wissen, dass sie damit nicht alleine war. Also musste die Wahrheit raus.
 

„Vater hat weiterhin versucht, mir das beste Leben zu ermöglichen. Aber als er...“, Yuriy machte kurz eine Pause, „...als er seinen Job verlor und keine neue Arbeit fand, da begann erst richtig die Hölle.“, kurz schloss er seine eisblauen Augen und wieder hörte er seinen Namen aus ihrem Mund.
 

„Yuriy, ich...“, doch er unterbrach sie.
 

„Er konnte mit der ganzen Situation nicht umgehen. Er hat angefangen zu trinken. Ich war... sieben oder so. Ein quengeliges Kind, das hunger hatte. Irgendwann hat er die Fassung verloren und hat mich geschlagen. Einmal. Er hatte sich tausendmal entschuldigt, aber er tat es danach immer wieder. Irgendwann ohne Entschuldigung. Hauptsache es erfüllte seinen Zweck, nämlich dass ich ruhig war.“
 

Kurz fühlte er sich in die Vergangenheit zurückgeworfen. Eingesperrt in einem kleinen Raum. Es war dunkel und kalt. Die Feuchtigkeit, die sich schon durch die Wände zog, ließen ihn heute noch erschaudern. Wenn er auch nur einen Laut von sich gegeben hätte, wäre er reingekommen und hätte ihn nur wieder fast bis zur Ohnmacht geprügelt.
 

„Die... Narben. Kommen sie daher?“, fragte sie leise und er antwortete ehrlich.
 

„Die meisten zumindest.“
 

„Es tut mir so leid.“, hörte er ihre zitternde Stimme.
 

Er öffnete seine Augen und sah zu ihr. Ihre gelben Augen glitzerten gefährlich und er sah einzelne Tränen an ihrem Gesicht herunterlaufen.
 

„Es ist lange her.“, sagte er und strich ihr die Tränen von ihrer unverletzten Wange, „Vielleicht war es Glück im Unglück, dass ich zu dem Zeitpunkt Boris begegnet bin. Ihn hab ich irgendwie als Ersatzvater gesehen.“, sagte er und sein Blick wurde abfällig, „Was er definitiv nicht war, aber er hat mir ermöglicht, aus dieser Hölle zu entkommen. Den Rest kennst du sicherlich...“
 

Sie sagte nichts mehr. Er auch nicht. Er hing nun mehr in den glücklichen Erinnerungen fest, bevor alles den Bach runterging. Auch wenn sie nie viel Geld hatten und er einsam als Kind war. Er hatte seine Eltern mal geliebt und war auch glücklich, irgendwie...
 

Plötzlich wurde er umarmt von ihr. Ein bisschen überrascht war er schon, doch er ließ es zu.
 

„Ich kenne meine Eltern eigentlich so gut wie gar nicht. Nur von Erzählungen.“, sagte sie, als sie von ihm abließ, jedoch war sie immer noch näher, als zuvor, „Ich war vier, als sie starben. Bei einem Aufstand hier im Dorf.“, erklärte sie, „Hätten Lee und ich, Meister Tao nicht gehabt, wären wir wahrscheinlich auch, wie die Straßenkinder geendet.“
 

„Tao? Ist das der alte Kerl bei euch oben?“
 

„Ja. Woher-“
 

„Ich... hab dich gesucht und... die Bekanntschaft mit ihm gemacht.“
 

„Du... du hast nach mir gesucht?“, fragte sie leise nach, doch eine Antwort bekam sie nicht von ihm.
 

Er wollte es nicht zugeben, dass er sich tatsächlich Sorgen um sie gemacht hatte. Also sprach er einfach weiter.
 

„Jeder von uns hat ein altes Laster aus der Vergangenheit zu tragen.“, schnappte er das Thema wieder auf und sie ließ ihren Kopf auf seine Schulter fallen, „Mariah...“, sagte er und sah sie an, so dass sie ebenso den Kopf hob, „Keiner hat das Recht, dir körperliche Gewalt anzutun. Weder ein Fremder und schon gar nicht dein Bruder.“
 

„Ich hab ihn provoziert, das hat er nicht mit Absicht gemacht.“
 

„Ich bitte dich!“, stieß er wütend aus, obwohl er es besser wissen müsste, „Gib dir nicht die Schuld dafür. Du hast nichts falsch gemacht. Ich hab mir auch damals die Schuld gegeben. Das ich dafür verantwortlich war, weswegen mein Vater mich andauernd wegen jeder Kleinigkeit verprügelt hat. Aber es stimmt nicht.“
 

Jeder der Gewalt ausübte, tat es um Macht über den Anderen zu erlangen. Was wiederum Angst bei den Opfern auslöste und man sich einfach selbst die Schuld gab. Es war schon immer der einfachste Weg gewesen, all so etwas zu erklären. Er hatte Jahre gebraucht, um das zu verstehen.
 

Mariah stand mit dem Rücken zur Wand. Sie hatte das erste Mal die Aggressionen ihres Bruders ihr gegenüber erlebt. Natürlich versuchte sie das zu erklären und Lee zu verteidigen. Hatte er damals, bei seinem Vater, nicht anders gemacht. Aber er hatte früher niemanden, der ihm das klar machte. Nicht einmal Boris. Er hatte ihm immer nur Honig ums Maul geschmiert und die ganze Sache einfach verdrängt. - Aber er würde nicht zusehen, wie sie den selben Fehler beging.
 

„Das ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst.“, sagte sie dann.
 

„Nein, ist es auch nicht. Aber ich bin hier. Ich...“, hauchte er, „...helfe dir.“, sagte er und sah in ihre leuchtenden, gelben Augen.
 

Es wurde still im Zimmer. Er spürte ihren Atem auf seinem Gesicht und konnte nicht anders, als sich zu ihr zu beugen. Yuriy berührte ihre Lippen und küsste sie sanft, während sie es erwiderte. Sie rutschte näher zu ihm, doch als er seine rechte Hand hob, um diese auf ihre Wange zu legen, zuckte sie kurz zusammen. Er löste sich auf der Stelle von ihr und legte seine Stirn gegen ihre, während er seine Augen schloss.
 

„Sorry. Ich... hab vergessen-“
 

Doch sie ließ ihn nicht aussprechen, nahm sein Gesicht stattdessen in ihre Hände und zog ihn zu sich hinunter, um diesmal zuerst ihre Lippen auf seine zu legen...


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hat ein bisschen gedauert... Home Office ist sooo lästig û____u
Ich werde wahrscheinlich auch für's nächste Kapitel etwas brauchen. Söhnchen ist krank und die Arbeit macht sich auch nicht von selbst. *sfz* Also wundert euch nicht.
Habt eine schöne Woche und zerfließt bitte nicht in der Hitze! :D
Katie :3
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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Mitternachtsblick
2020-07-10T09:38:27+00:00 10.07.2020 11:38
Ach, das war schön. Man merkt, dass sie langsam zusammenwachsen und einander zu vertrauen beginnen. Es ist kein Wunder, dass sie beide, besonders Mariah, recht aufgewühlt sind in diesem Kapitel - Yuriy hatte schon Zeit, die Gewalterfahrungen zumindest überwiegend zu verarbeiten, bei Mariah ist es ja noch ganz frisch. Und es ist immer am bittersten, wenn solche Attacken von Leuten kommen, denen man eigentlich uneingeschränkt vertrauen können sollte. Ich hoffe, sie findet da mit Yuriys Hilfe einen Weg raus, um das verarbeiten zu können.
Antwort von: KatieBell
10.07.2020 13:07
Du hast eigentlich alles genau das ausgesprochen, was ich mit dem Kapitel erreichen wollte. :)

(Jetzt hab ich den Faden verloren, weil ich die anderen Kommentare schon beantwortet habe xD - Shit happens xD)
Von:  Nanashi_Kinshi
2020-07-01T15:10:21+00:00 01.07.2020 17:10
Also ich kann nur sagen das ich es liebe was du da schreibst es liest sich sehr flüssig ich geh immer richtig in den Rollen auf 😀 weiter so ich bin schon ein kleiner fan von deiner Story ^^
Antwort von: KatieBell
01.07.2020 22:00
Hai Nanashi_Kinshi <3
Schön mal wieder jemand neues zu lesen :)

Danke dir für deine netten Worte
und das du dir die Zeit dafür genommen hast!

Hoffe man liest sich bald wieder :3


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