An deiner Seite von Das_Kenni ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Sie warf noch einen Blick in den Spiegel. Goldbraune Augen starrten ihr entgegen und spiegelten die innerliche Unruhe wieder, die ihre Brust zuschnürte. Das Makeup saß perfekt, ebenso die Haare zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt, da war eindeutig ein Profi am Werk gewesen. Niemand würde bestreiten, dass das Gesicht, das sie im Spiegel sah, eines von atemberaubender Schönheit war. Eine zarte Kette schmückte ihr Dekolletee und im Spiegel war noch teilweise ihr Schulterfreies Kleid zu sehen, von dem sie wusste, dass es sehr charmant ihre Kurven umarmte und der hohe Schlitz am linken Bein viele Blicke auf sich ziehen würde. Alles war perfekt aufeinander abgestimmt, von ihren Schuhen bis zu den Fingernägeln hatte man sie herausgeputzt und doch fiel es ihr nach all den Jahren immer noch schwer ihre eigene Schönheit zu erkennen. Um so schwerer würde ihr der nächste Gang fallen. Sie hatte es ihm versprochen und er war überglücklich darüber gewesen, doch das machte es nur bedingt einfacher. Sie wusste, dass sie seine absolute Unterstützung hatte, möge kommen was wolle, doch hatte sie trotzdem Angst sich der Öffentlichkeit zu stellen. Sie kannte die unbarmherzige Macht der Medien nur zu gut und wusste ganz genau, dass sie viel Gegenwind zu erwarten hatte, dass viele Menschen sie nicht akzeptieren würden. Er war Japans bester Schauspieler, die unangefochtene und unantastbare Nummer Eins und sie war… Kyoko. Einfach nur Kyoko. Sie war sehr stolz auf alles, was sie erreicht hatte. Hatte sie ihre Anfänge noch als kleines Idol und Love Me Mitglied Nummer Eins, hatte sie sich über diverse TV-Produktionen auf die große Leinwand vorgearbeitet und spielte auch größere Rollen – ihre letzte als supporting Cast an seiner Seite. Die Dreharbeiten waren schon vor Monaten abgeschlossen gewesen und der Film war in Post-Production gegangen. Heute war endlich die lang ersehnte Premiere und sie liebte den roten Teppich. Alle waren bester Laune und feierten sich selbst und die Produktion, die sie gemeinsam erarbeitet hatten. Er hatte die männliche Hauptrolle, natürlich, und sie spielte die kleine Schwester seines Love Interest, die heimlich auch in ihn verliebt war, aber keine Chance hatte. Sie war nicht der Antagonist der Story, aber machte es dem designierten Liebespaar hin und wieder trotzdem schwer. Ein paar Szenen hatten ihr besonders gut gefallen und sie konnte es kaum erwarten, sie endlich im fertigen Film zu sehen. Vorher würde ihr jedoch ein schwerer Gang bevor stehen, den roten Teppich hinunter zum ersten mal offiziell als Partnerin von Tsuruga Ren. Natürlich hatte es Gerüchte gegeben, die gab es um sein Liebesleben immer wieder. Es war erstaunlich, wie lange sie Japan an der Nase herumgeführt hatten, es war wie ein Katz und Maus Spiel gewesen und irgendwie hatte es ihr auch Spaß gemacht. Angefangen hatte alles vor 6 langen Jahren in seiner Umkleide, als sie dachte, dass die Welt nicht verrückter mehr hätte spielen können. Erst die Liebeserklärung im defekten Aufzug und danach die Frage, die sie nicht für möglich gehalten hatte. Er hatte sie erwachsen genannt, ein kleines 17-jährges Mädchen, das alles getan hatte, um die Möglichkeit auszuschließen, dass er tatsächlich sie lieben konnte. Wie falsch er doch gelegen hatte. „Ich...“ ihre Worte bleiben ihr im Hals stecken, ihr Kopf war wie leer gefegt. JA! Wollte sie schreien, ihre kleinen Engel tanzten Tango und warfen Konfetti, doch ihr Herz schmerzte. Alle dachten immer noch, er hätte etwas mit Kana und fast alle fanden das offensichtlich auch total in Ordnung und das war ja auch absolut verständlich bei einem Kaliber von Frau und Schauspielerin wie Kana, aber ein minderjähriges Idol? Oh Gott, nein. Sie sah in seine erwartungsvollen Augen und das ehrliche, aber unsichere Lächeln auf seinen Lippen – wie konnte ein Mensch nur so unverschämt gut aussehen? Das Leben war unfair. „Ja?“ drängte er und sie war sich in diesem Augenblick plötzlich wirklich nicht mehr sicher, wer von ihnen beiden tatsächlich der Erwachsene war. Das konnte er nicht ernst meinen, oder? Sie holte tief Luft und seufzte laut. „Meine Antwort lautet, dass es nichts gibt, was mir lieber wäre, aber“, setzte sie an und musste nochmal innehalten, als sie sah, wie ihm die Gesichtszüge für einen Kurzen Moment entgleist waren, um augenblicklich mit einer geschauspielerten Maske ersetzt zu werden. „Aber?“ Oh, er klang nicht gut. „Aber ich glaube nicht, dass es im Moment eine gute Idee ist. In der Öffentlichkeit, meine ich“, versuchte sie sich zu erklären, während es ihm sichtlich immer schwerer viel einen angemessenen Gesichtsausdruck aufrecht zu erhalten. „Die Öffentlichkeit glaubt sowieso was sie will.“ „Das ist mir klar, aber du bist Tsuruga Ren und wenn ich jetzt jemand wie Kana wäre, das wäre in Ordnung, aber ich bin nur ich.“ Er seufzte und stützte seinen Kopf in seine Hände, offensichtlich nicht mehr gewillt die geschauspielerte Maske aufrecht zu erhalten. „Mogami-san, Kyoko, du bist nicht nur du. Du kannst stolz auf dich sein. Du bist so viel Wert, du bist mir so viel Wert.“ Ihr schwerst errötetes Gesicht machte ihm offensichtlich Freude, doch musste sie ihren Standpunkt unmissverständlich rüber bringen. „Tsuruga-san, ich habe ein paar Serien-Rollen gespielt bisher und das wars. Ich will mehr erreichen und zwar aus eigener Kraft. Wenn ich mit dir… dann werde ich Rollen bekommen, die ich sonst nicht bekommen würde und das weißt du. Ich will mir nicht nachsagen lassen, dass ich dir meine Karriere zu verdanken habe. Ich will mir das selbst erarbeiten.“ „Das kann ich verstehen. Entschuldige bitte, dass ich trotzdem enttäuscht bin.“ „Mal ganz abgesehen davon, was für eine Knick deine Karriere nimmt, wenn du eine Minderjährige umgarnst.“ „Ach Quatsch.“ „Nichts da „ach Quatsch“, ganz abgesehen von meiner Karriere, will ich nicht für den Untergang deiner Karriere verantwortlich sein.“ Er schien unzufrieden, aber ihre Meinung tatsächlich zu akzeptieren. Mit verschränkten Armen und beleidigt nach unten gezogenen Mundwinkeln sah er fast aus wie ein Kind, das an der Supermarktkasse seinen Lutscher nicht bekommen hat. Kyoko war angenehm überrascht. Natürlich wusste sie Ren war nicht Sho, der hätte trotzdem einfach sein Ding gemacht, es fühlte sich dennoch gut an ernst genommen zu werden. Plötzlich wurde das Kind wieder zum Mann, als hätte er sich daran erinnert, wer er eigentlich war. „Entschuldige, ich lasse mich heute ziemlich gehen.“ Er ging sich mit der Hand verlegen durch die Haare. Wie konnten Haare eigentlich so weich aussehen? Sie musste sich zusammen reißen, aber ihre verdammten Engel wollten einfach keine Ruhe geben. „Ist okay. Also wie geht es jetzt von hier weiter?“ fragte sie. „Mit uns?“ „Ja.“ „Hm...“ er blickte kurz zur Decke, unsicher ob er fortfahren sollte, „Ich werde warten, bis du soweit bist. Egal, wie lange es dauert. Ich möchte, dass du das weißt.“ Wieder errötete sie ganz furchtbar und wieder gefiel es ihm. „Aber lass mich bitte nicht zu lange warten, ok?“ jetzt lachte er, offen, ehrlich und erleichtert. Daran konnte sie sich gewöhnen. „Und noch etwas. Ich darf dich nicht meine Freundin nennen in der Öffentlichkeit, aber ich darf sagen, dass es eine Frau in meinem Leben gibt?“ Sie nickte, noch unsicher wohin er genau wollte, aber dagegen sprach ja nichts? Dann wären die Medien von ihr abgelenkt und würden sich mehr darum kümmern Madame X zu finden. Autsch, ein wenig tat der Gedanke weh. Die Medien und Klatschblätter würden sie nicht mal in Betracht ziehen. „Und wärst du damit einverstanden für mich Kyoko zu sein, wenn wir alleine sind?“ Kyoko brain.exe severe error Während die versuchte ihre Gedanken zu sammeln, klingelte sein Handy. Sichtlich genervt schaute er nach, wer dran war, rollte die Augen und ging dran. „Ja, Yashiro?“ sein massiv überzogen freundliches falsches Lächeln versetzte Kyokos Teufel in Ekstase und sie war sich sicher, dass Yashiro es durch das Telefon hindurch hören musste. „Ich weiß, ich bin auf dem Weg.“ Dann legte er auf und seufzte. Yashiros Unterbrechung hatte Kyoko beruhigt und sie konnte wieder einigermaßen normal denken. Tsuruga Ren, das war ein alias, soviel wusste sie und in den letzten paar Minuten hatte sie mehr von ihm gesehen, als in den letzten Monaten. Vertraute sie ihm? Ja. Wollte sie mehr von der Person hinter „Tsuruga Ren“ sehen? Ja. „Ich muss leider zu meinem nächsten Job, Yashiro wird langsam nervös, weil ich spät dran bin. Es tut mir Leid, ich kann das leider nicht absagen.“ Er überlegte kurz. „Es ist okay, wenn du mir später eine Antwort gibst, solange du nicht wieder tagelang vor mir davon läufst.“ Ein Lächeln, das Kyoko regelrecht dahinschmerlzen ließ und den letzten Rest Komposition kostete, um nicht in einer grinsenden Pfütze auf dem Boden zu enden. „Nein, ich braucht nicht mehr Zeit,“ Sie hielt kurz inne, „oder jemanden, der mich durch halb LME jagt.“ Abrupt stand sie auf und lief auf ihn zu. Den Blick stur von seinen Augen abgewandt, weil sie wusste, dass sie sonst wieder zu einemWattebausch mutieren würde, zog sie an seinem Arm, um ihm zum aufstehen zu bewegen. „Du musst los, ich will nicht, dass du meinetwegen zu spät bist. Ich will deine Arbeit nicht stören und meine so gut machen, wie ich kann.“ Als er stand, begann sie ihn Richtung Türe zu schubsen. „Dann bin ich einverstanden… Ren.“ Ein Augenblick der Stille. Kyoko konnte ihren eigenen ihren Herzschlag hören und war sicher, dass er laut genug war, dass ihr Gegenüber es ebenfalls konnte. Hätte sie sich getraut ihren Blick von ihren zu lösen, sie hätte die glücklichste Version von Tsuruga Ren gesehen, die es gab. Und es kostete ihm mehr Kraft als er zugeben wollte das dämliche Grinsen wieder abzuschrauben. „Los jetzt!“ Ein herzhafter Stoß in Richtung Türe und die Welt hatte ihn wieder. Die Schönheit im Spiegel stützte ihren Kopf auf ihrer eleganten Hand ab. Es hatte ihr so schwer gefallen ihn das erste mal bei seinem Vornahme zu nennen. Wenn die Neugierde nicht da gewesen wäre mehr über diesen Menschen zu erfahren, sie hätte sicherlich nicht zugestimmt in was eine geheime Beziehung über Jahre werden sollte. Rückblickend betrachtet war es definitiv die Richtige Entscheidung vor der Öffentlich erstmal Kouhai und Senpai zu bleiben. Sie war 17, was hatte er sich dabei gedacht? Nicht viel, wie sie später von ihm erfahren sollte, er wollte eigentlich noch warten, war aber frustriert gewesen und hatte Sorge sie an Sho zu verlieren. Das war natürlich Unsinn, weil sie vor ihm flüchtete, konnte sie es ihm aber nicht übel nehmen. Ihre Kommunikation hatte damals noch ziemlich Ausbaubedarf. Ihr Handy klingelte, sie richtete sich wieder auf, überschlug ihre Beine und ließ sich in ihren Stuhl zurück fallen. Jede ihrer Bewegungen zeugte von Eleganz und Selbstbewusstsein. Sie stellte das Telefon auf Lautsprecher und antwortete mit einer überschwänglichen Freude, die nicht so ganz zu ihrer Erscheingng passen wollte. „Moko!! Jetzt da du angerufen hast, kann der Abend nur besser werden.“ Sie konnte Mokos Stirnrunzeln geradezu sehen. „Ich wollte nur sichergehen, dass du okay bist. Es wird alles gut gehen.“ „Seine Fans werden mich hassen.“ Gab sie zu. Ja, sie hatte Angst vor der Ablehnung, immense Angst. „Ja und? Sollen sie doch. Ändert nichts daran, dass du ihn hast und behalten wirst. Die werden sich schon beruhigen.“ Kyoko nickte und gab ein Geräusch von sich, dass man als Zustimmung interpretieren konnte. „Kyoko, ich will dass du heute Abend da raus gehst und allen in Show stiehlst. Ich will dass du die Scheinwerfer überstrahlst, allen die Munition weglächelst und ich will, dass du seine Hand nicht los lässt, okay?“ „… danke Moko.“ „Fang nicht an zu heulen Kyoko, das ruiniert dein Make-up.“ „Ich weiß!“ Sie lachte erleichtert. Moko wusste immer, was sie brauchte, auch wenn sie gerne etwas grob klang. Es klopfte. „Dein Prince Charming sucht dich. Also los, es wird Zeit. Alles Gute, du machst das schon.“ „Danke, Moko.“ Sie legte auf und platzierte ihr Handy sorgfältig in der Clutch, die zu ihrem Kleid gehörte. Warum es dermaßen winzige Taschen für Frauen gab, war Kyoko ein Rätsel, da passte parktisch nichts rein. Als sie aufstand, richtete sie noch einmal sorgfältig ihr Kleid und inspizierte, ob sie irgendwo versehentlich eine Falte hineingesessen hatte, doch der Stoff fiel fließend und einwandfrei zu Boden. Die Absätze ihrer Schuhe waren laut auf dem Holzboden, als sie zur Tür ging. Schon bevor sie öffnete wusste sie, dass er umwerfend aussah. Sie hatte den Anzug gesehen, maßgeschneidert natürlich, in einem sehr dunklen Blau. Sie öffnete die Tür und vor ihr stand die Liebe ihre Lebens. Natürlich hatte sie Recht. Er könnte einen Kartoffelsack tragen und gut aussehen, nur die Fliege störte sie. „Du solltest lieber eine Krawatte tragen, die Fliege sieht komisch aus.“ Kommentierte sie uncharmant. Er lachte herzhaft und schüttelte den Kopf. „Ich wusste, dass du das sagen würdest.“ „Warum hast du es dann nicht gemacht?“ „Ich wollte deine Reaktion sehen?“ Er wollte ihre Anspannung nehmen. Kyoko war sehr, sehr nervös, als sie an diesem Abend in ihrem Zimmer saß. Sie wusste, dass sie nicht schlafen konnte heute, wie denn auch? Es war so viel passiert und sie wollte unbedingt mit jemandem sprechen, aber die einzige Person, der sie sich anvertrauen konnte, war derzeit nicht erreichbar. Sie hatte Moko auf die Mailbox gesprochen und ihr geschrieben, dass sie bitte zurückrufen soll. Das war vor einer Stunde gewesen. Seit dem saß sie ungeduldig auf ihren Bett mit ihrem Telefon in der Hand. Und hatte in der Zwischenzeit noch 20x die Mailbox besprochen. Es vibrierte. Eilig griff sie danach und sah, dass es eine Nachricht war, aber sie kam nicht von Moko. „Tsuruga-san“ sagte ihr Handy. Die Nachricht war kurz: „Gute Nacht, Kyoko.“ Und doch löste sie so viel in ihr aus. Reiß dich zusammen, sagte sie sich, du bist nicht sein Fangirl. Aber was war sie eigentlich? Anscheinend das Mädchen, das er liebte. Waren sie jetzt zusammen? Oder doch nicht? Irgendwie schon, oder? Es kam eine weitere Nachricht. Dieses mal: „Schläfst du schon? Ich wollte dich nicht aufwecken, tut mir Leid.“ Sie antwortete: „Nein, ich schlafe noch nicht. Sollte ich aber bald. Vielen Dank und gute Nacht.“ Gerade als sie ihre Nachricht abgeschickt hatte, klingelte ihr Handy. Es war endlich Moko. „Mou! Was terrorisierst du mich so spät? Ist etwas passiert?“ Sie klang sehr genervt, vielleicht hatte Kyoko fünf mal zu oft auf die mailox gesprochen. „MOKO!!! Na endlich! Ich dachte schon du meldest dich gar nicht mehr!“ „Ich habe auch noch ein Leben außerhalb dich zu babysitten. Was ist los?“ Kyoko schluckte, was Moko natürlich nicht entging: „Was. Ist. Los. Kyoko!“ „Tsuruga-sanhatmirgesagt,erliebtmichundichhabezugestimmt,dassermichprivatbeimeinemVornamennennendarf.“ Es herrschte einen Augenblick Stille in der Leitung. „Kyoko, ich bin gleich da.“ Und damit war die Leitung still. Kyoko sah noch verwundert kurz auf ihr Handy, das ihr das beendete Gespräch anzeigte, bevor sie sich auf ihr Bett fallen ließ. Es dauerte tatsächlich keine 15 Minuten, bis sie Moko zu ihrem Zimmer kommen hörte. Ohne anzuklopfen trat sie ein und betrachtete Kyoko einige Sekunden sehr eingehend, bevor sie offensichtlich fürs erste zufrieden eintrat und die Türe leise wieder hinter sich schloss. „MOKO!“ Kyoko versuchte sich an ihre beste Freundin zu werfen, doch die machte im letzten Augenblick einen eleganten Schritt zur Seite und Kyoko umarmte ihre Wand. „Er hat es also wirklich getan?“ Erwartungsvoll nahm sie unaufgefordert auf Kyokos einzigem Stuhl in ihrem Zimmer platz, während Kyoko sich auf dem Boden an Ort und Stelle nieder ließ. „Was meinst du?“ „Na ja, du sagtest er hat dir seine Liebe gestanden? Wurde aber auch Zeit.“ Sie musterte Kyoko eingehend. „Was meinst du, wurde aber Zeit? Hast du es gewusst?“ Moko verspürte ein sehr eindringliches Bedürfnis ihren Kopf gegen die nächstgelegene Wand zu schlagen, hielt sich aber vorerst noch davon ab. „Natürlich habe ich es gewusst, er war ja wirklich nicht subtil. Ich bin mir ziemlich sicher sein Manager weiß es auch. Aber wie geht es dir? Alles in Ordnung?“ „Yashiro-san weiß auch Bescheid?“ Kyoko klang ernsthaft entsetzt. Wenn sie endlich aufhören würde mit Scheuklappen durch ihr Leben zu laufen, würde sie gewisse Dinge auch mitbekommen. Aber das war wohl genau der Grund, warum Lori die Love Me Section praktisch für Kyoko gegründet hatte. „Ja, bestimmt, aber er wird nichts tun, was eurer Karriere schaden wird. Der ist harmlos. Aber genug von ihm, wie geht es dir? Tsuruga hat dich nicht verletzt, oder? Ich schwöre, wenn er dir weh tut...“ „Nein! Moko! Mir geht es gut! Ich bin nur“, sie sackte ein wenig in sich zusammen, „unsicher, ob es das Richtige ist, was ich tue.“ „Wie meinst du das?“ „Eigentlich hat er mich gefragt, ob ich seine Freundin sein möchte.“ Während Kyoko sprach, schnellten Mokos Augenbrauen nach oben. „Aber ich habe abgelehnt, weil das für unseren Job nicht gut ist, habe aber irgendwie zugestimmt, dass er mich bei meinem Vornamen nennen darf, zumindest wenn wir alleine sind.“ Moko verschränkte ihre Arme vor der Brust und ließ sich Kyokos Worte durch den Kopf gehen, bevor sie antwortete: „Du siehst so aus, als wüsstest du nicht so recht auf was du dich eingelassen hast.“ „Puh… ja, doch, nein? Ich habe keine Angst vor Tsuruga-san, aber ich habe mehr Angst davor, dass ich in die selbe Beziehung rutschte, wie mit Sho damals. Er war berühmt und hatte niemandem erzählt, dass wir zusammen waren. Ich habe nur in seinem Schatten existiert und ihn bewundert.“ „Tsuruga wollte doch direkt alles öffentlich machen? Fuwa hat dich bewusst unterdrückt und ausgenutzt. Ich glaube nicht, dass du dir dahingehend Sorgen machen musst. Außerdem kann man schwerlich von einer Beziehung zwischen euch beiden sprechen, nach dem was du mir erzählt hast.“ Kyokos Handy vibrierte erneut. Das Display zeigte wieder „Tsuruga-san“. Moko sah es von ihrem Sitzplatz aus. „Oh? Gute Nacht Wünsche?“ Sie machte ein angewiedertes Gesicht und eine Geste, als würde sie erbrechen müssen. Kyoko musste sich das Lachen verkneifen. „Schau ruhig nach, Kyoko, es macht mir nichts aus.“ Sie öffnete die Nachricht: „Entschuldige. Ich werde dich so spät nicht mehr stören. Eine gute Nacht und viel Erfolg für morgen.“ „Und was hat er geschrieben?“ Moko war neugierig geworden, als Kyoko nicht die Reaktion gezeigt hatte, mir der die gerechnet hatte. Kyoko war zu ruhig und zu verunsichert. Sie hatte fest mit überschwänglicher Freude gerechnet oder etwas ähnlichem, aber nicht sowas. „Ah, er hat sich entschuldigt und wünscht eine gute Nacht, aber es klingt komisch.“ „Entschuldigt? Wofür?“ Kyoko reichte Moko ihr Handy und zeigte ihr den kurzen Austausch von Nachrichten. „Oh Gott, der arme Kerl.“ „Was?“ „Kyoko, ruf ihn an.“ „WAS?“ „Jetzt.“ „Aber, warum?“ „JETZT!“ Moko hatte schon auf Kyokos Handy den Anruf eingeleitet und drückte ihr das Telefon ans Ohr: „Und entschuldige dich gefälligst, das hat keiner verdient! Selbst er nicht.“ Nach zwei mal klingeln nahm er ab: „Hallo? Kyoko?“ Ihren Vornahmen aus seinem Mund zu hören war für sie noch ein so schwer verdauliches Ereignis, dass sie kaum antworten konnte und Moko verspürte wieder einen gewissen Brechreiz, als sie Kyokos rotes Gesicht sah. „Ha...llo“, brachte sie schließlich heraus und schluckte schwer, bevor sie hinzufügte, „Ren.“ Moko wäre in diesem Moment beinahe von ihrem Stuhl gefallen. Sie nannte ihn auch beim Vornamen? Wirklich? Es herrschte Stille in der Leitung. Kyoko konnte hören, wie er irgendwo platz nahm. Sie nahm an, dass er zu Hause war. „Nicht, dass ich mich nicht freuen würde, wenn du dich meldest, aber warum rufst du an? Ist alles in Ordnung?“ Kyoko runzelte die Stirn. Warum fragten heute Abend alle, ob sie in Ordnung war? „Alles okay, Moko ist hier! Sie sagt, ich soll mich bei dir entschuldigen.“ „Sie ist bei dir? Jetzt gerade?“ „Ja. Sitzt vor mir.“ Wieder kurze Stille. Dann: „Du weiß nicht, wofür du dich entschuldigen sollst, oder?“ „Wegen der Nachrichten von gerade eben.“ „Du weißt nicht genau, wofür du dich entschuldigen sollst. Sag Kotonami-san danke von mir, bitte.“ Kyoko verstand erst Moko nicht, dann Ren nicht mehr, tat aber wie ihr geheißen und richtete Moko ein Dankeschön von ihm aus. Moko schnaube und sagte laut in die ungefähre Richtung des Handys: „Gern geschehen“, wenn auch deutlich ironisch. „Ich dachte, du möchtest nicht, dass ich dir schreibe, nur um dir eine gute Nacht zu wünschen.“ Kyoko fiel fast das Telefon aus der Hand: „Nein! Ganz im Gegenteil! Ich habe mich sehr gefreut.“ „Das freut mich.“ Seine Stimme klang ehrlich erleichtert und sehr sanft. Sie hätte ihm die ganze Nacht dabei zuhören können, wie er ihr das Telefonbuch vorliest. „Dann darf ich das demnächst öfter machen?“ „Ja, natürlich. Sehr gerne! Ich möchte dich nur nicht aufhalten. Du sollst dir wegen mir keine Umstände machen.“ „Das sind keine Umstände, Kyoko.“ „Oh, okay.“ „Es ist spät, du hast Recht. Wir sollten beide besser schlafen gehen.“ „Das stimmt. Gute Nacht.“ „Gute Nacht.“ Nachdem Kyoko aufgelegt hatte, stand Moko auf und marschierte auf ihre Türe zu. „Moko, wo gehst du hin?“ „Nach Hause. Mir ist schlecht. Mit dir scheint ja alles in Ordnung zu sein, oder zumindest nicht mehr Schrauben locker als sonst aus. Wir sehen uns.“ Und so schnell wie sie gekommen war, flog Moko auch schon wieder hinaus. Rens blaue Auge musterten Kyoko in ihrem atemberaubendem Kleid sehr eingehend und er musste sich eingestehen, dass er es ihr lieber wieder ausgezogen hätte, anstelle sie damit über den roten Teppich für „Blutrote Kirschblüte“ flanieren zu sehen. Sie liebte seine blauen Augen. Sie liebte alles an ihm, aber besonders seine echte Augenfarbe. Wenn sie zu Hause waren, bestand sie darauf, dass er seine Kontaktlinsen herausnahm. Und sie hasste Fliegen. Ohne ihn zu fragen, griff sie an das störende Kleidungsstück und entfernte es von seinem Hals. Ohne sich zu kümmern wo es landete, oder was damit passierte, warf sie es einfach hinter sich. Er lachte. „Also, so schlimm ist sie nun wirklich nicht gewesen.“ „Doch“, beharrte sie stur. Er verdrehte theatralisch die Augen, verfiel dann aber sofort wieder in ein liebevolles Lächeln und legte seine Arme vorsichtig um ihre Hüften, um sie in eine sanfte Umarmung zu ziehen. „Kyoko. Meine wunderschöne, beste Kyoko. Ich ziehe auch eine Krawatte für dich an.“ „Vielen Dank.“ Sie hatte ihre Arme um seine Schultern gelegt, spielte liebevoll mit seinen kurzen Haaren im Nacken und konnte nicht widerstehen ihm einen Kuss auf die Lippen zu hauchen. Auch nach 6 Jahren noch hatte sie Schmetterlinge im Bauch und zerfloss in seinen Armen zu Pudding, doch gab sie sich der Verführung gerne hin. Kyoko bemerkte schnell, dass sich nicht viel in Ihrer Beziehung geändert hatte, seit dem Tag im Aufzug und der Umkleide, was wohl vor allem daran lag, dass sie fast nie alleine waren und viel zu tun hatten. Infolgedessen beschränkte sich der Fortschritt in ihrer Beziehung vor allem auf Textnachrichten oder abendliche Telefonate und Kyoko musste zugeben, dass sie ein bisschen enttäuscht war. Er hielt sich wie versprochen an ihre Abmachung und auf Kyokos Wunsch hin hatte er auch von sich aus nicht erwähnt, dass es eine „Andere“ für ihn gab als Kana, sondern wartete, bis er gefragt werden würde. In der Zwischenzeit hatte er seine angebliche Liaison mit Kana fast täglich dementiert, aber wurde auch nach Wochen noch danach gefragt. Es schien fast so, als wären die Medien geradezu traurig und versuchten so lange herum zu bohren, bis sie vielleicht doch noch den Ausgang herauskitzeln konnten, den sie sich wünschten. Nur würde das nicht passieren, denn sein Herz gehörte ihr, einem unscheinbarem kleinen Idol mit zu Hause stümperhaft gebleichten Haaren und einen langweiligem Gesicht. Sie hatte immer noch nicht nachvollziehen können, wieso er sich gerade in sie verguckt hatte, versuchte aber ihre Hoffnungen nicht zu hoch zu halten. Er würde sicher schnell Interesse an ihr verlieren. Es war Drehpause am Set und Kyoko saß im Pausenraum vor ihrem Mittagessen, in dem sie gelangweilt herumstocherte. Ein paar Kolleginnen schauen Fernsehn und zappten durch die Kanäle. Plötzlich kreischte eine von ihnen: „Tsuruga-saaaan!“ Das erregte Kyokos Aufmerksamkeit und sie wandte sich dem Fernseher zu. Es lief eine Art Talkshow, zu der diverse Persönlichkeiten eingeladen waren. Ren war eine davon und hatte gerade auf der großen beigen Couch Platz genommen. Die Moderatorin war eine stylishe Dame mittleren Alters, die beim Anblick von Ren sichtlich nervös war und Kyoko war sich sicher, dass sie unter ihren Schichten von Makeup errötet war. „Willkommen, Tsuruga-san. Wir sind so froh Sie heute bei uns begrüßen zu dürfen.“ Sie gab ihm sehr enthusiastisch die Hand. Es folge das übliche Gelaber, durch das sich Ren sehr professionell durchkämpfte. Nach einer Werbeunterbrechung verkündete die Moderatorin, dass nun die Zuschauerfragen an die Stargäste gestellt werden würden. Einer wurde nach seiner Tochter gefragt, die vor kurzem auf die Welt gekommen war, eine andere nach ihrem neuesten Film. Kyoko konnte sich schon denken, dass Ren wieder nach Kana gefragt werden würde und… sie hatte Recht. „Tsuruga-san, nun zu Ihnen. Ich weiß, dass Sie es bestimmt inzwischen Leid sind, aber es war mit Abstand die Zuschauerfrage, die am häufigsten gestellt worden ist und deswegen müssen wir sie stellen.“ Ren nickte nur höflich, die Antwort bereits auf seiner Zunge zum abspulen bereit. „Wir alle erinnern uns an das verhängnisvolle Foto mit Kana-san. Unsere Zuschauer möchten gerne live wissen, da lief wirklich gar nichts?“ „Es tut mir Leid, aber nein. Kana-san hatte ihre Gründe für dieses Foto, aber es gab nie mehr als eine professionelle Freundschaft zwischen uns.“ Enttäuschung ging durch das Publikum und Kyoko musste sich an abfälliges Lachen verkneifen. Als ob er das nicht schon gefühlte trausend mal gesagt hatte. Vor dem Fernseher fingen ihre Kolleginnen an zu tuscheln: „Ich bin ja so froh, dass da nichts lief. Ich meine, stell dir mal vor? Tsuruga-san vergeben? Ich glaube, das überlebe ich nicht.“ „Auch wenn wir realistisch keine wirkliche Chance haben, da er noch zu haben ist, fühlt es sich trotzdem okay an ihn anzuhimmeln.“ „Ja, wenn er vergeben wäre, wär das irgendwie komisch. Aber wer soll schon an sein Kaliber heranreichen, wenn nicht Kana-san?“ „Nun zur nächsten Frage, Tsuruga-san.“ Die Kolleginnen verstummten, als die Moderatorin weitermachte. Es ging um seinen neusten Film, wie er sich auf seine Rolle vorbereitete hatte, ganz normale Fragen. Zum Ende der Sendung wurde der Moderatorin eine Nachricht zugesteckt: „Meine Damen und Herren. Bald ist unsere Sendezeit schon wieder vorbei, aber während der letzten halben Stunde sind so viele Kommentare eingegangen, dass sich die Regie dazu entschieden hat, noch eine letzte Frage an einen unserer Stargäste zu stellen.“ Mysteriöse Musik begleitete den Scheinwerfer, der zwischen den Gästen wanderte, bis er auf Ren stehen blieb. Seine Mimik bleibt vollkommen unverändert, durch und durch professionell, innerlich verfluchte er jedoch diese letzte Frage. Es würde wieder um sein Privatleben gehen, da war er sich sicher. „Tsuruga-san, es tut mir Leid, aber Sie haben so zahlreiche Fans, die heute zuschauen.“ „Ich bedanke mich vielmals für die große Unterstützung.“ „Also, die Frage lautet: Wenn nicht Kana-san, gibt es dann eine andere Frau in Ihrem Leben?“ Stille. Im Fernsehen. Im Pausenraum. Scheinbar überall. Kyoko lauschte angespannt und versuchte sein Gesicht zu lesen. Würde er es sagen? Er lächelte sanft, sie schluckte schwer. Er würde. „Um ehrlich zu sein: Ja. Es gibt jemanden.“ Auf den Augenblick der Stille brach totales Chaos aus. Das Publikum tobte, die Kolleginnen im Pausenraum ebeso. Die Moderation der Sendung ließ es einige Momente geschehen, bevor sie beschwichtigend eingriff. „Wow! Was für eine Beichte! Dann ist Tsuruga-san also vom Markt, dürften wir das so verstehen?“ „Ja, so ist es.“ „Oh nein!“ Kyoko Kollegin fing an zu weinen. „Hätten wir doch nichts gesagt.“ Während Kyoko versuchte die Röte aus ihrem Gesicht zu kämpfen. „Würden Sie uns auch verraten, zum wen es sich bei Ihrer Auserwählten handelt?“ „Um die Liebe meines Lebens?“ Ren lachte, als er antwortete. Er wusste ganz genau, dass die Moderatorin unzufrieden mit dieser Antwort sein würde, aber er hoffte, dass Kyoko zufällig die Sendung sah oder zumindest später darüber las. Während Kyokos Kolleginnen ein trauriges „awwwwwww!“ von sich gaben und der Fernseher nun vollends die Aufmerksamkeit aller im Raum auf sich gezogen hatte, versuchte Kyoko ihren hochroten Kopf in ihren Händen zu verstecken. Das Herz schlug ihr bis zum Hals und seine Stimme schallte in ihrem Kopf wieder und wiederholte immer wieder die drei Worte „Liebe meines Lebens“. „Oh wow, Tsuruga-san, schwer erwischt? Hat diese Liebe Ihres Lebens denn auch einen Namen, den Sie gerne teilen möchten?“ „Natürlich hat sie einen Namen, aber ich habe ihr versprochen den nicht Preis zu geben und ich werde mein Versprechen halten. Ich hoffe Sie haben Verständnis, dass sie ihre Privatsphäre schützen möchte.“ „Dürfen wir denn raten? Ich bin sicher unsere Zuschauer würden sich sehr freuen.“ „Ich möchte sie eindringlich darum bitten, dies nicht zu tun. Vielen Dank.“ er schenkte der Kamera das strahlendste Gentleman-Lächeln, dass er auftreiben konnte. Am selben Abend saß Kyoko aufgeregt in ihrem Zimmer mit ihrem Handy am Ohr. Nach drei Klingeltönen ging Ren dran. Ausgehend von den Hintergrundgeräuschen saß er im Auto und weil Kyoko nicht wusste ob er alleine war, blieb sie erstmal förmlicher. „Tsuruga-san, bitte entschuldige die Störung.“ „Du weißt, dass du immer anrufen kannst, Kyoko. Ich bin auf dem Weg nach Hause. Das Fotoshooting hat etwas länger gedauert als geplant. Was verschafft mir die Ehre?“ Er wusste ganz genau worum es ging und hatte ein sehr akkurates Bild von einer verlegenen Kyoko im Kopf. „Ich hab diese Show gesehen heute Mittag. Ich hatte Drehpause und ein paar Kollegen haben Fernsehn geschaut.“ „Aha? Wie hat es dir gefallen?“ Sie schluckte, es war ihr etwas peinlich, aber sie hatte sich sehr gefreut. Das wollte sie ihm sagen, doch es viel ihr schwer die Worte herauszubringen. „Ich… danke. Du hättest nicht so übertreiben müssen, aber ich habe mich sehr gefreut.“ „Das ist keine Übertreibung, Kyoko. Ich meinte jedes Wort ernst. Du bist die Liebe meines Lebens und ich werde das gerne jederzeit wiederholen.“ Wie sollte sie darauf antworten? Sich bedanken? Stattdessen rutschte ihr etwas vollkommen anderes heraus: „Ich wünschte du wärst hier.“ Wäre es nicht so spät gewesen und die Straßen leer, Ren hätte mit Sicherheit einen Verkehrsunfall verursacht, so abrupt wie er mitten auf der Straße angehalten hatte. Das Gefühl sie umarmen zu wollen, aber nicht zu können, war praktisch allgegenwärtig für ihn, aber jetzt zerriss es ihn. Er ging bereits den schnellsten Weg zum Ryokan, in dem Kyoko hauste, in seinem Kopf durch, als sie ihm zuvor kam. „Aber Taishou wird dich so spät nicht zu mir lassen ohne Aufsicht.“ „Oh… du hast Recht.“ Sein Herz zerbrach ein wenig. Es wusste, dass sie in diesem Augenblick seine Nähe so sehr ersehnte, wie er ihre und es schmerzte sehr nicht einfach zu ihr zu stürmen. „Und wenn wir uns kurz draußen treffen?“ Es war ein verzweifelter Versuch, auch wenn er wusste, dass sie anlehnen würde. „Bloß nicht! Uns könnte jemand sehen.“ Er wart kurz davor zu sagen, dann sollen sie doch, aber er wollte sie zu nichts zwingen und er respektierte ihren Wunsch anonym zu bleiben. Zumal er nicht garantieren konnte, dass ihm nicht gerade irgendein Reporter folgte. „Du hast Recht, es tut mir Leid. Es ist nur so, mir ist gerade echt zu heulen zu Mute.“ „Ich hoffe der Lippenstift ist kussfest?“ Kyoko sah ihn genervt an: „Sehr romantisch. Natürlich ist er das.“ Er zuckte unschuldig mit den Schultern und musste sich eingestehen, dass er diese Ablenkung dringend gebraucht hatte, ansonsten wäre die pünktliche Erscheinung in einem angemessenen Zustand zur Premiere nicht möglich gewesen. Er wusste, sie war die Eine für ihn. Bevor er nach Japan kam, hatte er einige Mädchen gedated, aber sie war die erste und einzige, die er jemals geliebt hatte. Sie war das mit Abstand kostbarste, was ihm je begegnet war und würde alles in seiner Macht stehende tun, um sie zu beschützen. Für sie war er nach Japan zurück gekehrt und es gab keinen Tag an dem er seine Entscheidung bereut hatte. Der internationale Ruhm, die Gage, der Glamour – alles war in Hollywood auf einem anderen Level als in Japan. Er hatte Erfolg, aber er war einsam und versuchte so oft wie möglich nach Japan zurück zu fliegen. Als sich heraus kristallisierte, dass es so nicht weiter gehen konnte, wollte er sie zu sich holen, aber auch das wollte nicht klappen, weil Kyoko gerade ihre eigene Karriere in Japan ins Rollen gebracht hatte und an vielen, auch langfristigen, Projekten arbeitete. Er musterte die Schönheit in seinen Armen und wünschte, dass er sie niemals loslassen müsste. Lange Jahre hatte er gebraucht ihr Selbstwertgefühl aufzubauen, vorsichtig zusammen zu setzten, was Fuwa so brutal zerstört hatte und war selbst überrascht welch eine Frau aus ihr geworden war und blickte mit Freude in die Zukunft, wie sie sich noch weiter entwickeln würde. „Der Fahrer kommt bald, oder?“ flüsterte sie in sein Ohr, dass ihm die Nackenhaare zu Berge standen. Er nickte nur zustimmen. Sie hatte ihm schon oft erzählt, dass sie sich manchmal fühlte, als würde sie in seinem Armen zerfließen, aber die Wirklichkeit sah genau anders herum aus. Sie hatte ihn um ihren kleinen Finger gewickelt und er genoß jede Berührung von ihr. Nur sie konnte Kuon mit einem einzigen Blick zähmen. Sie küsste ihn nochmal, diesmal länger und inniger. Womit er diese Frau verdient hatte, er wusste es nicht, aber er dankte wer auch immer dafür verantwortlich war. So bescheiden wie sein Leben in den Staaten verlaufen war, war er letztendlich doch froh über alles was Geschehen war, weil es ihn zu ihr zurück gebracht hatte und es waren Momente wie dieser, als ihm dies nur all zu klar war. Sie war mit 23 bereits zur Grand Dame des japanischen Kinos aufgestiegen und konnte sich wie ein Chamäleon mit jeder Rolle verschmelzen. In „Blutrote Kirschblüte“ spielte sie zwar „nur“ eine Nebenrolle, aber er war sich ziemlich sicher, dass die internationale Presse darauf aufmerksamen werden würde. Nicht nur hatte sie die Rolle mit vielen lebhaften Facetten geschmückt, sie hatte die geistig kranke Schwester seines Love Interest so glaubhaft verkörpert, dass alle am Set diverse male echte Angst vor ihr hatten. So sehr er sich gewünscht hatte, dass sie die weibliche Hauptrolle spielen sollte, war sie doch höchst professionell mit ihrer Herausforderung umgegangen und hatte ihrer Figur so viel Komplexität verliehen, dass sie die weibliche Hauptrolle geradezu hatte erblassen lassen. Er konnte es Namura-san wirklich nicht verübeln, als sie nach Abschluss der Dreharbeiten sagte, dass sie nie wieder eine Hauptrolle neben Kyoko spielen wollte. Kyoko war brillant. Seine Kyoko, sie würde bald zu groß für Japan werden. Dann würden sie gemeinsam in die Vereinigten Staaten zurück kehren, da war er sich sicher. Sie selber redete ihre Erfolge zwar immer klein und hatte lauthals gelacht, als er ihr von seinen Plänen erzählte, doch er war sich sicher, dass sie in Zukunft eine viel größere Plattform benötigte als ihr Japan bieten konnte. Es klingelte. Der Fahrer war da. Die letzten 48 Stunden waren ihr vorgekommen wie ein wirrer Traum. Vater hatte sie kurzfristig nach Amerika gerufen, es wäre sehr wichtig. Sie hatte zwar sowieso vor gehabt Ren bald besuchen zu gehen, weil seine Dreharbeiten praktisch beendet waren, doch wenn Vater nach Kyoko rief, dann eilte sie natürlich. Und dass sie Ren früher wieder sehen würde, machte es noch besser. Irgendwie hatte sie es sogar geschafft sich eine freie Woche zu räumen, ohne irgendwelche Termine oder Dreharbeiten zu massiv zu stören. Länger hatte sie aber nicht geschafft, sie arbeitete viel und die Arbeit lief gut. Sie freut sich sehr darüber und war eifrig dabei. Und sie brauchte Ablenkung, weil es ihr so schwer viel, dass Ren in den Staaten war, so weit weg von ihr. Sie sprachen zwar fast täglich per video chat, aber es schmerzte so sehr, dass er einen ganzen Ozean entfernt war und dass sie seine Stimme nicht mal ohne die Verzerrung der Verbindung hören konnte. Also saß sie voller Vorfreude im Flugzeug und bereitete sich auf die bald bevorstehende Landung vor. Den Teil hasste sie am meisten beim Fliegen, da hatte sie immer ein furchtbar mulmiges Gefühl. Doch das Wetter war gut und das Flugzeug landete sanft wieder auf festem Boden. Sie durchlief die üblichen Stationen im Flughafen, gabelte ihre wenigen Gepäckstücke auf und suchte sich ein Taxi, um schnurstracks zu Vater zu fahren. Da stand sie nun vor dem Hochhauskomplex, in dem eine Wohnung teurer war, als alles, was sie dachte in ihrem ganzen Leben erwirtschaften zu können und zögerte kurz, bevor sie eintrat. Im Aufzug nach oben wurde ihr noch einmal mulmig, warum er sie so dringend herbestellt hatte, doch sie schüttelte den Gedanken ab. Sie vertraute ihm, es gab keinen Grund ihm und Mutter nicht zu vertrauen und so schritt sie etwas selbstbewusster zum Eingang. „Kyoko!!“ Mutter machte die Türe auf und umarmte sie fest, bevor sie Kyoko auf armeslänge eingehend musterte. „Was für eine hübsche junge Frau aus dir geworden ist! Du verdrehst den Männern bestimmt reihenweise den Kopf.“ Kyoko errötete: „Nein! Ganz und gar nicht. So einem langweiligen Mädchen wie mir schenkt doch keiner Beachtung.“ „So einen Blödsinn darfst nur nicht einmal denken.“ Mutter war schockiert. Hatte Kyoko in den letzten 2 Jahren in keinen Spiegel mehr geschaut? „Aber wie war dein Flug? Komm doch erstmal rein, Kuu freut sich, dass du so schnell kommen konntest.“ „Danke, der Flug war gut. Keine Turbulenzen, keine Gewitter und einigermaßen pünktlich. Wo ist Vater?“ „Er wartet mit unserem anderen Gast im Wohnzimmer.“ „Anderer Gast?“ Kyoko versuchte sich daran zu erinnern, ob Vater etwas von einem anderen Gast gesagte hatte, war sich aber sicher, dass dem nicht der Fall war. Mutter strahlte. „Ja! Unser Sohn! Du weißt schon, den du spielen solltest, als du zum ersten mal hier warst.“ Kyoko war überrascht, aber unglaublich neugierig die Person zu treffen, die sie einst verkörpert hatte. Da er der Sohn von Mutter und Vater war, konnte er eigentlich nur ein guter Mensch sein, oder? Als sie ins Wohnzimmer trat, fiel jedoch ihre Welt in sich zusammen und ihr blieb im wahrsten Sinne des Wortes der Mund offen stehen. Bevor sie irgendetwas sagen konnte, wandte sie sich Mutter zu und suchte Bestätigung, dass der blonde Mann wirklich die einzige Person neben Vater war, die in diesem Raum existierte und dass ihn auch wirklich alle sehen konnten, dass er echt war. Er war es. Kyoko wurde blass. „C….Corn?“ brachte sie schließlich hervor, „Du bist… ihr seid?“ „Corn? Nein, nein, wie kommst du denn darauf? Kuon.“ Verbesserte Mutter, als sie ihren Sohn liebevoll in den Arm nahm. Kuon schüttelte sie vorsichtig von seinem Arm ab und sah Kyoko mit seinen unwirklich blauen Augen an. „Kyoko, wir müssen reden.“ Ihr wurde schlecht. Wirklich physisch schlecht und es drehte sich ihr alles. Das waren weder Corn noch Kuon, das war eindeutig Ren. Kyoko stützte sich an der Wand ab, als sie antwortete: „Oh ja, das müssen wir.“ Dies war der Tag, an dem Kyoko die ganze Wahrheit erfuhr. Zu sagen, dass sie erschüttert war, wäre eine gnadenlose Untertreibung gewesen, ihre Welt war in sich zusammen gebrochen und sie brauchte ein paar Tage, um sich von dem Schock zu erholen. Und sie brauchte Abstand, weshalb sie sich in einem nahe gelegenen Hotel ein Zimmer nahm. Es war zwar sündhaft teuer, doch Vater bestand darauf es für sie zu bezahlen. Corn hatte sie als Kind kennen gelernt und seinen Namen Kuon nur falsch verstanden. Der war natürlich kein Feenprinz, sondern der Sohn von Mutter und Vater: Kuon Hizuri. Kuon hatte unter der Popularität seiner Eltern gelitten und rebelliert, viele schlimme Dinge getan, bis er letztenendes von Lori nach Japan geholt worden ist, wo er von ganz unten angefangen hat sich als Tsuruga Ren einen neuen, eigenen, Namen zu machen. Und jetzt war er in Hollywood angekommen. Sein letzter Film hatte ihm viel internationale Anerkennung eingebracht. Er war weit gekommen, aber noch nicht so weit wie er erhofft hatte. Trotzdem konnte er nicht länger warten und musste ihr die Wahrheit gestehen. Kyoko lag auf ihrem Hotelbett und starrte an die Decke. Seine Worte hallten immernoch in ihrem Kopf wieder: „Mein Ziel war es, meine Eltern an Popularität zu übertreffen. Davon bin ich noch weit entfernt, aber ich kann so nicht weitermachen. Kyoko, mein Leben ist sinnlos, wenn du keinen Teil darin spielst. Ich vermisse dich so sehr, jeden Tag. Ich will dich nicht durch einen Monitor sehen, ich will dich bei mir haben. Ich halte es nicht mehr aus, dass du auf einem anderen Kontinent wohnst als ich. Du bist wichtiger geworden als mein Ziel… nein, du bis mein Ziel geworden.“ Es war ein unglaublicher Schock gewesen und sie fühlte sich hintergangen, dass er ihr so lange nicht gesagt hatte, wer er wirklich war, auch wenn sie nachvollziehen konnte warum. Auch war sie froh? stolz? dass sie in dieses Geheimnis eingeweiht worden war und irgendwie hatte er sie ja weit genug von sich entfernt gehalten bis dahin. Eine richtige Liebesbeziehung führten sie nicht. Sie nannten sich beim Vornahmen und wussten, dass sie einander liebten. Sie konnten über alles sprechen, jetzt anscheinend wirklich über tatsächlich alles, aber mehr war da nicht. Sie hatte ein paar mal bei ihm übernachtet im Gästezimmer, hatte für sie beide gekocht, aber er hatte nie körperliche Annäherungsversuche gemacht. Sie dachte, er würde sie nicht attraktiv genug finden, aber anscheinend wollte er warten, bis er ihr von seiner wahren Identität erzählen konnte. Summa sumarum hatte sie tatsächlich weniger ein Problem mit der ganzen Geschichte, als sie initial gedachte hatte. Die Personen, die ihr am meisten bedeuteten, waren ein und dieselbe. Also, das hätte wirklich auch schlechter enden können. Sie erinnerte sich daran, dass er sie auf Guam geküsst hatte. Oh, wenn seine Fans das gewusst hätten, sie wären ausgeflippt. Ihr Handy vibrierte. Er hatte ihr eine Nachricht geschrieben, dass es ihm Leid tat so lange ein so großes Geheimnis vor ihr gehabt zu haben, dass er hoffte es ginge ihr gut und sie könnte ihm verzeihen. Könnte sie das? Sie überlegte. Eigentlich hatte sie das schon längst. Sie konnte ihm nicht lange böse sein und freute sich sehr darüber, dass er sie vermisste. Morgen ging ihr Flug zurück nach Japan. Sie setzte sich auf und antwortete ihm, dass er vorbei kommen sollte. Sie wollte das klären, bevor sie nach Hause flog, musste ihm sagen, dass es okay war. Es dauerte keine 15 Minuten, bis es an ihrer Türe klopfte. Etwas nervös war sie schon. Würde da jetzt Kuon stehen? Oder Ren? Sie öffnete. Es war… eigendlich egal. Sie erinnerte sich daran, was er in dieser Talkshow vor Jahren gesagt hatte, als man nach ihrem Namen fragte: die Liebe meines Lebens. Das war er, egal ob Kuon oder Ren. Sie lächelte und bat ihn herein. Ihm fiel ein Stein vom Herzen, als er sie lächeln sah. Sie setzten sich an den kleinen runden Tisch am Fenster in ihrem Zimmer. Ren sah bedrückt zu Boden. „Es ist okay. Natürlich bin ich enttäuscht, dass du deine Identität so lange geheim gehalten hast vor mir, aber ich werde dich dafür nicht verlassen.“ Es klang komisch, weil sie nicht mal richtig „zusammen“ waren, aber Kyoko glaubte sich so am besten erklären zu können. „Es tut mir Leid, ich...“ „Ich weiß,“ fiel sie ihm ins Wort, „ich kann deine Gründe verstehen. Du hast dich ausreichend erklärt.“ Sie sah aus dem Fenster, irgendwo in ganz weite Ferne. Wahrscheinlich bis nach Japan. Als sie sich ihm wieder zuwandte, musste sie sich ein Lachen verkneifen: „Weißt du, deine echte Augenfarbe ist wirklich beeindruckend.“ „Wirklich? Wie du festgestellt hast, habe ich die von meiner Mutter. Ich reiche das Kompliment gerne an sie weiter.“ „Nein, nein, das war für dich gedacht.“ Sie errötete. Das Gespräch war sehr mühsam und sie hoffte, dass sie bald wieder leichter miteinander sprechen konnten. „Danke.“ Ihm ging es offensichtlich nicht anders und Kyoko bemerkte, dass sie diejenige war, die jetzt an diesem Zeitpunkt den weiteren Verlauf ihre Beziehung bestimmen musste. Was genau wollte sie? So weitermachen wie bisher? Freunde bleiben? Oder mehr? Ihr Herz schlug kräftig in ihrer Brust. Sie wollte mehr. „Ren, oder Kuon, was ist dir lieber?“ Er zuckte mit den Schultern: „Um ehrlich zu sein, ich glaube inzwischen, dass ich so sehr Ren wie Kuon bin. Es ist mir gleich.“ „Okay, dann Ren. Wennn es… okay für dich ist, möchte ich einen Neuanfang mit uns starten. Hier und heute.“ Sie war sehr nervös und er hatte so viel Angst was sie genau damit meinte, dass er das Offensichtliche übersah. „Darf ich dich küssen?“ Mit dieser Frage hatte er als letztes gerechnet. Kyoko schaute peinlich berührt aus dem Fenster und knibbelte nervös an ihren Fingern. Ohne ihn anzusehen fuhr sie fort: „In Guam hast du mich geküsst. Es ist nur fair, wenn… wenn ich das auch darf.“ Was antwortet man aus so etwas? Ren wusste es beim besten Willen nicht. Ihm war der Mund offen stehen geblieben, wie ein Fisch auf dem Trockenen und irgendwie fühlte er sich auch so. „O...kay?“ Brachte er schließlich heraus. Natürlich wollte er sie küssen, seit Jahren immer wieder. Es gab wahrscheinlich nichts, was er lieber getan hätte. Der Kuss in Guam war schon Jahre her und er konnte sich immer noch mit erschreckendem Detail daran erinnern, so sehr hatte er sich in seinem Gedächtnis festgebrannt. Kyoko schluckte. Jetzt oder nie. Sie rutschte mit ihrem Stuhl näher zu ihm und sah ihm endlich wieder in diese unglaublichen Augen. Ihr schlug das Herz bis zum Hals und sie hatte das Gefühl, wenn sie es jetzt nicht schnell hinter sich brachte, würde sie in Ohnmacht fallen und ihre Chance vertun. Sie kniff die Augen plötzlich zusammen und drückte ihm ungeschickt einen kurzen Kuss auf den Mund. Es war kurz, es war viel zu viel Kraft dahinter und es war alles andere als romantisch, aber es war genau das, was sie beide gebraucht hatten. Kyoko wollte sich gerade für ihre fürchterlich schlechte Performance entschuldigen, als sie seine Hände in ihrem Nacken spürte und er sie in einen weiteren Kuss zog und diesmal konnten sie es endlich genießen. Als hätten sie Jahre nachzuholen floss jedes bisschen ihrer Liebe füreinander hinein und sie fühlten sich, als würden sie schweben. Die Welt um sie herum war unwichtig und alles was zählte waren sie. Als dieser Kuss, an den sie sich noch sehr lange erinnern würden, endlich endete, sah er sie überglücklich an und wenn sie nicht sowieso schon gesessen hätte, die hätte sich setzten müssen bei dem Anblick. Warum genau hatte sie diesen Menschen nochmal verdient? Richtig, hatte sie nicht, aber das war ihr egal. Sie rutschte von ihrem Stuhl auf seinen Schoß und umarmte ihn fest. Diese Umarmung war seit 3 Jahren überfällig und sie fühlte, dass sie genau hier her gehörte: zu diesem Mann in diese Arme. Der Fahrer staunte nicht schlecht. Er war geschickt worden, um Tsuruga Ren abzuholen und zur Premiere zu fahren, aber niemand hatte ihm gesagt, dass Tsuruga-san in Begleitung kommen würde und dann auch noch Mogami Kyoko. Was war da los? Gut, er war nur der Chauffeur, ihn hatte das alles nicht zu interessieren, aber er war sich sicher, wenn die Argentur etwas davon gewusst hätte, man hätte ihm in eingeweiht. So stand er nun da, neben seiner schwarzen Limousine, und musste wie ein Goldfisch geschaut haben, als Tsuruga-san Kyoko-san hinaus führte. Er konnte sich nicht daran erinnern jemals so viel Glamour auf einmal gesehen zu haben. Alles an den beiden strahlte nur so vor Eleganz, es war regelrecht blendend. Oh. Jetzt verstand er. Er erinnerte sich daran, dass man seit Jahren versuchte seine Freundin ausfindig zu machen. Die Art wie er sie führte und ihr beim einsteigen half, Tsuruga-san mochte als Gentleman bekannt sein, aber hier steckte sehr viel Herz in jeder seiner Bewegungen. Sie musste es sein. Auf dem Weg zur Premiere wunderte sich Kyoko, ob der Chauffeur bereits der ganzen Welt gemeldet hatte, dass sie mit Ren als Paar kam, oder ob die Überraschung noch für den roten Teppich übrig blieb. Der Plan war eigentlich gewesen, dass die Hauptdarsteller und der Direktor direkt nacheinander erschienen und mehr oder weniger gemeinsam unterwegs waren. Sie war für viel später gedacht und würde die ganze Planung zunichte machen. Irgendwie freute sie sich ja darauf. Ren nahm ihre Hand in seine und drückte sanft. Sie wandte sich ihm zu und fand die Unterstützung, die sie brauchte. „Danke“ sagte sie leiste. Sie erinnerte sich an Mokos Worte und nahm sich fest vor, allen eine große Show zu bieten, also Schultern zurück, Brust raus und Film ab. Die Limousine kam zum stoppen. Durch die getönten Scheiben konnte sie nicht viel sehen, doch die Kameras der Paparazzi waren bereits in vollem Gange. Ren stieg zuerst aus, das übliche Blitzlichtgewitter brach über ihn herein. Doch anstelle, wie immer, seinen Anzug kurz zu richten und dann mit einem freundlichen Lächeln den roten Teppich hinunter zu wandern, tat er etwas, was er noch nie getan hatte. Er dreht sich um und bot seine Hand an, die von einer zarten Dame genommen wurde. Die Blitze der Kamera verschmolzen fast zu einem langen grellen Licht, als Kyoko vorsichtig aus dem Auto ausstieg ohne sich dabei auf ihr Kleid zu treten. Sie lächelte und nickte ihm zu, griff seine Hand noch etwas fester und kämpfte sich an den Kameras und dem lauten Geschrei der Reporter vorbei. Namura-san und Direktor Nishigaki waren ein paar Meter weiter vorne und vollkommen vergessen. Kyoko und Ren waren das Glamour-Paar des Abends und zogen uneingeschränkt alle Blicke und Kameras auf sich. Sie strahlte mit den Scheinwerfern um die Wette, stellte sogar Ren in den Schatten. Dies war ihr Abend. Ein paar Meter weiter hatte der Tumult ein klein wenig nachgelassen und man hatte die Chance die Reporter hin und wieder auch zu verstehen, die verzweifelt versuchten irgend ein Statement von einem der Beiden zu bekommen. Die sozialen Medien waren bereits überflutet von Nachrichten und Bildern von ihnen, sowie netten und weniger netten Kommentaren diesbezüglich. „Kyoko! Ihr seid ein Paar, oder?“ Kyoko versuchte zu sehen, wer die Frage gestellt hatte und der Reporter winkte ihr zu. Sie entschied sich, dass er es tun würde und ging in seine ungefähre Richtung. Als ein halbes Dutzend anderer Reporter ihr versuchten ein Mikrophon ins Gesicht zu halten, deutete sie, dass sie mit diesem einen Menschen sprechen wollte und die anderen respektierten ihren Wunsch zumindest ein bisschen. „Wie war nochmal die Frage?“ „Ob du seine Freundin bist? Er sagte so oft, dass es eine gibt, aber nicht wer es ist.“ Siie konnte sich das verliebte Lächeln nicht verkneifen und wenn das nicht schon Bestätigung genug gewesen wäre, nickte sie und sagte: „Ja, das bin ich.“ Der Reporter musste selber lächeln, so ansteckend wirkte die glückliche junge Frau auf ihn. „Herzlichen Glückwunsch! Ihr seht beide toll aus und dieses Kleid ist großartig.“ Dann zog sie sich aus der Masse der Reporter zurück in die Sicherheit von Rens Seite. „Du haust sie alle um heute Abend. Immer noch nervös?“ Sie schüttelte den Kopf: „Nicht hier, aber die sozialen Medien kochen mit Sicherheit gerade, ich glaube ich schaue die nächsten drei Wochen lieber nirgendwo rein.“ „Willst du ihnen so richtig was zu füttern geben?“ Ehe sie Ihm antworten konnte, hatte er sich zu ihr herunter gebeugt und und ihr einen liebevollen Kuss auf die Lippen gedrückt, den sie vor allen Kameras und vermutlich halb Japan live erwiderte. Ein paar Meter weiter kochte Namura-san vor Wut. Sie war die Hauptdarstellerin und ihr hätte dieser Abend gehören sollen. Sie wollte mit Tsuruga-san den roten Teppich entlang laufen, aber jetzt hing Kyoko an seinem Arm und outete sich als seine mysteriöse Freundin. Dann müssten die doch schon ewig zusammen sein und Kyoko war so viel jünger als er. Sie hatte schon beim Dreh alle Augen auf sich gezogen und ihr die Show gestohen, dabei hatte sie endliche eine Hauptrolle neben Tsuruga-san ergattert gehabt. „Haha, na sieh mal einer an. Dann ist sie es also? Sehen schon toll aus, die zwei“, sagte Direktor Nishigaki bewundernd und ignorierte Namuras schlechte Laune einfach weg. Die musste zähneknirschend zustimmen, denn die beiden sahen tatsächlich aus wie aus einem Märchen entsprungen. Tsuruga-san war hoch gebaut und war mit seinem maßgeschneiderten perfekt sitzendem Anzug einfach ein absoluter Blickfang und so ziemlich der Traum jeder Frau. Und Kyoko neben ihm machte eine mindestens genau so gute Figur, von Kopf bis Fuß herausgeputzt, schlank und elegant stand sie mit einer Natürlichkeit an seiner Seite, die Namura an den Nerven zerrte. „Na kommen Sie, Namura-san, wir sollten rein gehen. An den beiden Turteltauben kommt heute sowieso keiner mehr vorbei.“ Direktor Nishigaki machte sich schnurstracks auf den Weg in das Kino. Keiner der Reporter wollte sie noch sprechen und die Sitzordnung müsste wohl kurzfristig auch noch geändert werden. Namura folgte ihm geschlagen, als sie den Kuss sah. Das war geradezu Hollywood-reif. Sie seufzte, setzte ihr tapferstes Lächeln auf und verschwand hinter dem Direktor im Kino. Der Film war absolut großartig. Kyoko durfte neben Ren sitzen, obwohl sie als Nebendarstellerin eigentlich zwei Reihen hinter ihm sitzen sollte und am Ende gab es standing Ovations für den ganzen Cast. Ren hatte die ganze Zeit über ihre Hand gehalten und konnte sich kaum auf den Film konzentrieren, weil die Frau neben ihm ständig seine Blicke auf sich zog. Sie hatte den Abend mit Bravour gemeistert, stand selbstbewusst und wunderschön neben ihm. Endlich wussten alle, dass sie ihm gehörte, das machte ihn stolz. Sie würden von dem selben Chauffeur zurück gebracht, der sie auch abgeholt hatte, nur hatte der diesmal ein wissendes Grinsen auf dem Gesicht und nickte Ren anerkennend zu. Der lachte nur und nickte zurück. „Was war das denn?“ frage Kyoko im Auto anschließend. „Mit dem Chauffeur? Ach, nichts. Er hat mir gratuliert. Wegen dir.“ Er küsste ihre Wange und legte seinen Arm um ihre Schulter. „Du bist die Beste“, flüsterte er ihr ins Ohr, was ihr einen angenehmen Schauer über den Rücken jagte. Zum Glück war die Scheibe zum Fahrer blickdicht. Am nächsten Morgen wurde Kyoko durch das Klingeln ihres Telefons geweckt. Müde griff sie blind zu dem störenden Gerät und schaue nach, wer sich melde. Es war Moko und sie hatte ungefähr tausend ungelesene Nachrichten und verpasste Anrufe. Sie fragte sich, wie viele von Moko waren. „Morgen...“ sie gähnte laut. „Du warst eine Queen! Das war großartig, ich bin stolz auf dich! Nur der Kuss war vielleicht etwas too much, also das musste ich jetzt nicht unbedingt sehen...“ Kyoko lachte müde, was Ren neben ihr aufweckte. Er rollte sich zu ihr herüber und küsste sie auf die Stirn. „Oh, seid ihr noch im Bett?“ Kyoko war nie offiziell bei ihm eingezogen, aber nachdem er nach Japan zurück gekehrt war, verbrachte sie immer mehr Zeit bei ihm und ihre Sachen wanderten Stück für Stück in seine Wohnung. Ihre offizielle Adresse war nach wie vor das Ryokan, auch wenn sie dort nur noch hin und wieder vorbei schaute, um den Besitzern hallo zu sagen und ihre Post abzuholen. Bald würde sie ihre offizielle Adresse ändern. Moko wusste natürlich von allem und Moko wusste natürlich auch, dass Kyoko schon längst nicht mehr im Gästebett schlief. „Ja, sind wir“, antwortete Ren in die generelle Richtung des Telefons. „Oh Gott, sag bloß nicht, ihr seid nackt! Ich lege auf!“ Jetzt brach Kyoko tatsächlich in schallendes Gelächter aus. Moko hatte ins Schwarze getroffen und die Nacht war lang gewesen, länger als die Premiere. Nachdem ganz Japan Kyoko bewundern durfte, hatte er große Freude daran gehabt, ihr eben dieses Kleid wieder auszuziehen und ihre kunstvolle Frisur vollkommen zu ruinieren. Doch an diesem Morgen, mit verschmiertem Make-up, zerzausten Haaren und mit Knutschflecken am Dekolleté sah sie für ihn besser aus denn je. Wieder küsste er sie, konnte nicht genug von ihr bekommen und so ein Tag im Bett nach einer Premiere war doch eigentlich auch keine schlechte Idee. Kyoko hatte aber wohl andere Vorstellungen und befreite sich aus seiner Umarmung. „Ich muss wirklich duschen und hunger habe ich auch. Ich habe seit gestern morgen nichts mehr gegessen, ich mache uns danach Frühstück.“ Sie küsste ihn auf die stoppelige Wange. „Und du kannst dich rasieren gehen.“ Er sah ihr hinterher wie sie im Bad verschwand, bewunderte nochmal ihre eleganten Beine, die schmale Hüfte, den runden Po. Nach Japan zurück zu kehren für sie war definitiv die beste Entscheidung seines Lebens gewesen. Hollywood erobern konnte er später immer noch mit ihr zusammen, aber glücklicher als in diesem Augenblick konnte er nicht sein. Die Sonne ging gerade auf über New York und läutete einen neuen Tag ein. Viele Pendler waren bereits auf den Straßen unterwegs und es herrschte das übliche Treiben des Großstadtlebens. In einem guten Viertel hoch oben in einem Apartmentkomplex schien die Morgensonne durch die Zimmerhohen Fenster und tauchte die Wohnung in angenehm warme Töne. Es war modern aber wohnlich eingerichtet, das einzig Sonderbare waren die Auszeichnungen, die auf einem Regal standen. Japanische, amerikanische und internationale Filmpreise reihten sich aneinander, wie bei anderen Leuten Bücher. „Ich hasse dich!“ rief Kyoko. Ihre Stimmme war verzerrt durch die Badezimmerkacheln, doch sie gab sich alle Mühe ihm ein schlechtes Gewissen zu machen, während sie fix und fertig über der Toilettenschüssel hing. Er streichelte ihr sanft über den Rücken und hielt einen Kommentar zurück. „Das ist alles deine Schuld...“ Er holte tief Luft und nahm sie in die Arme. „Erstens, du hasst mich nicht.“ „Doch.“ „Nein, das tust du nicht.“ Kyoko schmollte, natürlich hatte er recht, aber jetzt gerade in diesem Augenblick hätte sie ihm den Kopf abreißen können. Oder andere Körperteile. „Und zweitens ist das nicht allein meine Schuld. Dafür braucht man zwei.“ Er küsste sie sanft auf die Stirn und flüsterte ihr ins Ohr: „Du machst das großartig, meine beste Kyoko.“ Sie sah an sich herunter. Man konnte noch nichts sehen, aber ihr war sowas von übel. Die ganze Sache war nicht geplant gewesen. Sie hatten aufgepasst, wie immer, aber irgendwie war es doch passiert und sie glaubte fest daran, dass es kein Zufall war. Nein, der kleine Engel, den sie in ihrem Bauch trug, wollte geboren werden, da war sie sich sicher und er würde all sie Liebe und Zuneigung erfahren, die ihr verwehrt geblieben war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)