Memories of you von yamimaru ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Karyu saß am Besprechungstisch im Studio über mehrere Zettel und ein Textbuch gebeugt und kritzelte eifrig in sein Notizheft. Kurz blickte er auf, las etwas im Buch nach und strich einen weiteren Punkt auf dem danebenliegenden Zettel durch.   „Was machst du da eigentlich?“ Girus Frage riss ihn aus seiner Konzentration und, wie er den anderen kannte, brachte es nun nichts, so zu tun, als hätte er ihn nicht gehört.   „Lernen“, nuschelte er also in der Hoffnung, damit seine Neugier befriedigt zu haben und für einige Momente dachte er, tatsächlich erfolgreich gewesen zu sein, bevor sein Gitarristen-Kollege in der Peripherie seines Gesichtsfelds auftauchte. Giru war wirklich wie ein Bluthund, wenn er etwas wissen wollte.   „Sag nicht, du versuchst dich noch immer an Englisch? Ich dachte, das hättest du schon längst wieder aufgegeben.“   „Offensichtlich nicht.“ Er hob den Blick von seinem Geschriebenen und grinste Giru an. „Ich hab zwar das Gefühl, dass ich seit Monaten auf der Stelle trete, weil mir meist auch einfach die Zeit zum Lernen fehlt, aber hey, wenigstens kann man mir nicht nachsagen, dass ich nicht hartnäckig bin.   „Nee, das sicherlich nicht.“ Giru erwiderte sein Grinsen, zog sich einen Stuhl unterm Tisch hervor und setzte sich rittlings darauf. „Dann zeig mal, woran du gerade arbeitest.“ Karyu hob skeptisch eine Augenbraue, immerhin wussten sie beide, dass Giru der englischen Sprache mindestens so wenig mächtig war, wie er selbst noch vor einiger Zeit. Aber wenn der andere es so wollte …   „Hier.“ Er schob die Liste über den Tisch, auf der bereits einige der Stichpunkte durchgestrichen waren. Sein Kollege nahm sie entgegen und Karyu musste sich ein Lachen verkneifen, als Girus Augen immer schmaler wurden, je angestrengter er das Geschriebene zu lesen versuchte.   „Fingertipps, Flowers, Books …“, las er mit dickem Akzent vor und erinnerte Karyu daran, dass er selbst auch dringend an seiner Aussprache arbeiten musste. Neben dem Lernen allgemein scheute er die Sprechübungen immer am meisten. „Snow, Scars, Lipps, Eyes … Okay und was ist das nun genau?“ Offensichtlich ehrlich interessiert wurde er gemustert und eine gewisse Verlegenheit kroch in ihm hoch.   „Na ja“, machte er lang gezogen und fuhr sich durch die ungestylten Haare. „Das sind Stichpunkte, zu denen ich mir einige kurze Sätze auf Englisch überlegen soll.“   „Wie eine Geschichte?“   „Ja, so in der Art.“   „Na, Klasse, da würde mir auf Japanisch schon nichts einfallen, geschweige denn auf Englisch.“   „Siehst du, darum mach ich die Aufgabe und nicht du.“ Karyu grinste und machte Giru eine lange Nase, als der andere Gitarrist nur spielerisch eine beleidigte Schnute zog.   „Dann lies mal was vor, Mister Englisch-Profi.“   „Nee, lass mal.“   „Doch, doch, jetzt will ich was hören. Was hast du zum Beispiel zu … Books geschrieben?“   „Zu Books?“ Karyu zog die Unterlippe zwischen die Zähne und knabberte darauf herum, während sein Finger die Stelle in seinem Notizheft suchte, wo die Zeilen zu dem Stichwort standen. „Hier, du kannst es selbst lesen.“   „Nee, nee, mein Lieber, lies du mal schön vor.“   „Und wenn ich nicht will?“   „Werde ich dich so lange nerven, bis du es doch tust.“   „Hab ich dir schon mal gesagt, dass du mich manchmal auf erschreckende Weise an Hizumi erinnerst?“ Karyu lächelte wehmütig, als ihm der Gedanke in den Sinn kam, dass ihn seine Freunde gnadenlos geneckt hätten, hätte er bereits zu Despa-Zeiten versucht, Englisch zu lernen.   „Mehrmals.“   „Gut, ich wollt‘s nur noch mal gesagt haben.“ Er versuchte, die Melancholie, die ihn packen wollte, von sich zu schieben, und Girus starrsinniges Nachhaken half ihm tatsächlich dabei.   „Also, was ist jetzt? Ich hab Zeit, Du weißt, wie lang Kirito braucht, um sich was fürs Mittagessen auszusuchen.“   Nahezu synchron gaben sie ein leidendes Seufzen von sich und blickten auf die Uhr über der Studiotür. Kirito, Takeo und Kota waren mittlerweile schon seit fast einer Stunde unterwegs und Karyu schätzte, dass er nicht der Einzige war, dem der Magen in den Kniekehlen hing. Verdammt, was musste Kirito auch immer aus jeder noch so kleinen Aufgabe eine Doktorarbeit machen? Wehe er kam deswegen heute nicht pünktlich nach Hause. Sein Magen, der gerade noch vor Hunger geknurrt hatte, machte nun einen Salto und schien sich dabei zu verknoten, denn mit einem Mal wurde ihm unsagbar übel, als ihm wieder einfiel, warum er heute beizeiten gehen musste.   Sein Date mit Zero. Nein, stopp, aus. Das war kein Date. Zero und er würden heute Abend nur Essen gehen, wie Freunde das eben ab und an taten. Das war genau so normal und ebenso wenig etwas Besonderes, als würde er sich mit Hizumi oder Tsukasa treffen. Alles ganz unverbindlich, ohne jeglichen Hintergedanken oder unpassende Hoffnungen. Dumm nur, dass Zero und er sich schon seit Jahren nicht mehr allein zu irgendwas verabredet hatten und die Tatsache, dass sich das in nur wenigen Stunden ändern sollte, Karyu den Angstschweiß auf die Stirn trieb. Gott, was hatte er sich nur dabei gedacht, Zero zu fragen, ob er mit ihm ausgehen würde?   „Erde an Karyu, was ist jetzt?“   „Ehm …“ Er räusperte sich, griff nach der Wasserflasche, die neben seinem rechten Ellenbogen prekär nah am Rand des Tischs stand und nahm einen großen Schluck. „Wenn du unbedingt willst, dann lese ich’s halt vor.“ Er schickte noch ein abgrundtiefes Seufzen hinterher, war Giru, wenn er ehrlich war, allerdings dankbar dafür, dass seine Hartnäckigkeit ihn nun von seinen neu aufgeflammten Ängsten ablenken würde. Also begann er, ohne weitere Proteste, zu lesen. „Books: You love books, so the first thing you left in my flat was Tolkien’s Hobbit, if I remember correctly. It had its place on the nightstand, on the left side of the bed. You once told me you needed something to read to get tired enough to sleep. I, of course, had other ways of tiring you out; after all there are better things to do before falling asleep. Did you even finish the first chapter back then? I don’t think so. There’s still a book on the nightstand, still Tolkien’s Hobbit, but it’s just a replacement, no longer yours. “   „Puh, an deiner Aussprache solltest du aber echt noch feilen.“   „Sagt der Richtige.“   „Im Gegensatz zu dir lern ich das Zeug aber nicht.“ Giru grinste ihn frech an, verschränkte die Arme auf der Rückenlehne des Stuhls und legte das Kinn darauf ab. „Und? Was bedeutet das jetzt?“   „Ja, ja.“ Karyu rollte mit den Augen, bevor er weiterredete: „Eigentlich geht es nur um jemanden, der Bücher liebt, besonders Tolkiens Hobbit und der das abendliche Lesen immer brauchte, um einschlafen zu können“, fasste er kurz und ziemlich ungenau zusammen und nach Girus Gesichtsausdruck zu urteilen, hatte er ihn längst durchschaut.   „Jemand, hu? So, so.“   „Ach, halt die Klappe, Giru.“ Karyu nahm das Blatt wieder an sich und packte seine Sachen zurück in die Umhängetasche, die neben ihm auf einem weiteren Stuhl stand. Jetzt noch zu versuchen, irgendwas in seinen Kopf zu bekommen, war sowieso ein Ding der Unmöglichkeit. Und das nicht nur, weil die Aufmerksamkeit des anderen Gitarristen noch immer auf ihm lag.   „Wie lief eigentlich das Date mit Zero.“   ‚Warum wusste ich, dass die Frage jetzt kommt‘, dachte Karyu wehleidig und wünschte sich weit, weit weg. „Erstens“, begann er aufzuzählen, „ist das kein Date und zweitens treffe ich mich erst heute Abend mit ihm.“   „Aha“, machte Giru übertrieben verstehend, aber bevor er noch etwas dazu hätte sagen können, ging die Tür auf und der Rest ihrer Band betrat den Raum, gefolgt vom würzigen Duft ihres Mittagessens. Curry, wenn Karyu sich nicht täuschte, und wieder einmal fragte er sich, warum Kirito immer so lange brauchte, um sich für ein Essen zu entscheiden, wenn es schlussendlich doch ständig Curry gab, sobald der Leader für ihre Verpflegung zuständig war. Aber das war wieder eine der kuriosen Eigenschaften Kiritos, die man nicht verstehen musste.   ~*~   Karyu hatte nur schnell den Wagen auf dem Parkplatz vor seinem Wohnblock abgestellt, weil er schlichtweg zu faul gewesen war, in die Tiefgarage zu fahren. Der Tag war warm und unerträglich schwül und im Moment konnte er sich nichts Besseres vorstellen, als endlich unter seiner Dusche zu stehen. Er würde sich beeilen müssen, wollte er Zero pünktlich zur gestern noch verabredeten Zeit abholen wollen.   Kaum hatte er das gedacht, flatterte es erneut in seinem Magen und statt sich herzurichten, ließ er sich seufzend auf sein Sofa fallen und vergrub das Gesicht in beiden Händen. Er ertrug die Nervosität kaum, die durch seine Adern jagte, und gleichzeitig schalt er sich einen Dummkopf für diese unpassenden Gefühlsregungen. Es war doch nur ein simples Abendessen mit Zero, seinem Freund, verdammt!   Bevor sich zusätzlich zu dem Chaos in seinem Kopf noch Erinnerungen gesellen konnten, die er in diesem Augenblick absolut nicht gebrauchen konnte, holte er sein Notizheft aus der Tasche und schlug es auf. Ein letzter Stichpunkt fehlte ihm noch, dann wäre er an diesem Tag wenigstens was sein Lernpensum anging produktiv gewesen.   „Eyes“, murmelte er und tippte sich mit dem Bleistift, der zwischen seinen Fingern klemmte, gegen die Unterlippe. „Eyes …“ Die Anstrengung, die es ihm noch immer kostete, in einer anderen Sprache zu denken, hatte den positiven Nebeneffekt, dass außer englischen Worten und Sätzen nichts weiter in seinem Kopf Platz hatte. Langsam begann er zu schreiben, als die ersten, einigermaßen logischen Sätze Gestallt annahmen. Mehrmals strich er ein Wort durch, ersetzte es durch ein anderes und schlug sogar im Wörterbuch nach, wenn ihm das Perfekte nicht einfallen wollte. Doch schlussendlich war er zufrieden mit dem, was er aufs Papier gebracht hatte, und las es leise für sich.   „Eyes: Lately, I have the feeling something is changing between us. I can see it in your eyes, when you think nobody is watching you. They’re sad, longing maybe? Or is it just my imagination, a sliver of hope that you miss me like I yearn for you? ‘Why are you looking at me like that?’ Your voice cuts through my thoughts and I blink nervously before answering. ‘I’m just thinking about asking you out for dinner today. Interested?’ My clumsy reply amuses you. Your laughter brings the sparkle back into your eyes. ‘Free food? Let me think.’ You smile. ‘Sure.’“   Karyu schüttelte grinsend den Kopf, jetzt hatte seine Nervosität also doch noch einen Weg zurück in seine Gedanken gefunden. Seine Psyche war wirklich ein manipulatives Ding, wenn er das so unverblümt feststellen durfte. Aber gut, nachdem nicht einmal englischsprachige Ablenkung den gewünschten Effekt erzielte, sollte er wohl aufhören, das Unvermeidliche hinauszuzögern und unter die Dusche springen. Mit einem Ruck erhob er sich und verließ das Wohnzimmer. Keine zwei Minuten später hörte man das Rauschen des Wassers, während Karyus Notizbuch aufgeschlagen, aber unbeachtet auf dem niedrigen Wohnzimmertisch zurückblieb.   ~*~   1. Fingertips I could paint a picture of you, just from the memory of how your body felt under my fingertips: your soft skin, the dips and curves of your chest. I knew your sensitive spots, and heavens, how I loved to explore every single one of them. I miss caressing you, but more than that I miss to be caressed by you. Even now I shiver when I remember your touch, the rough sensation your calloused fingertips left behind, the scathing heat that followed. Every single night I lay underneath you, squirming and begging for more, is burned into my memory.     2. Books You love books, so the first thing you left in my flat was Tolkien’s Hobbit, if I remember correctly. It had its place on the nightstand, on the left side of the bed. You once told me you needed something to read to get tired enough to sleep. I, of course, had other ways of tiring you out; after all there are better things to do before falling asleep. Did you even finish the first chapter back then? I don’t think so. There’s still a book on the nightstand, still Tolkien’s Hobbit, but it’s just a replacement, no longer yours.   3. Snow Sometimes you were like a cat, grumpy and not really fond of wet weather. Especially in winter, when I forced you out into the snow, shivering in your woolen coat. Not even the thick scarf around your neck was able to keep you warm. Back in our apartment you would curl up on the sofa, a fluffy blanket around your shoulders and a cup of hot cocoa in both hands. I adored seeing you like that, especially when you lifted the blanket and told me in your charming way to get my scrawny ass over there to warm you up.   4. Lips I miss kissing you. Your soft, plush lips, your hot, inviting mouth, the warmth and safety only you could give me. The first time our lips met was like a revelation, an explosion of light and sound in my head, the wonderful feeling of coming home. Finally I felt complete, like somehow we were two fragments of the same piece, fitting perfectly together. But the feeling wasn’t mutual, not at that time. After the first excitement subsided, you just left your taste on my lips, like the sweetest drug. But I wanted to kiss you again and … I did.   5. Scars You have four scars on your back and they’re my fault. I don’t think you ever noticed them, but I loved to touch them. They were like a physical reminder that you were mine. The first night we had sex wasn’t gentle, and I scratched you. You had been hurting my pride and so I wanted to hurt you too. After this first night, I never would have guessed that it would happen again and again, but it did. And in the years that followed, those scars became my mark. A claim saying I owned your heart … so I thought. 6. Flowers On our first Valentine’s Day together I bought you flowers, but you didn’t like them at all. I was devastated until you told me why. You felt sad for the flowers that had to die just to make a nice gift. On the next Valentine’s I gave you a little orchid. It’s dark violet blossoms are still the only color on my windowsill. You didn’t take it with you – I still wonder why. Didn’t you like it either? Or … did you leave it to keep me company? Sometimes I think so … and my world gets a little lighter.   7. Eyes Lately, I have the feeling something is changing between us. I can see it in your eyes, when you think nobody is watching you. They’re sad, longing maybe? Or is it just my imagination, a sliver of hope that you miss me like I yearn for you? “Why are you looking at me like that?” Your voice cuts through my thoughts and I blink nervously before answering. “I’m just thinking about asking you out for dinner today. Interested?” My clumsy reply amuses you. Your laughter brings the sparkle back into your eyes. “Free food? Let me think.” You smile. “Sure.”       ~ The End~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)