Das Leben ist wie ein Garten am Bahndamm von DieLadi ================================================================================ Kapitel 8: Fruchtbarkeit ------------------------ Marti rollte in Richtung Terrasse. Jako war in die Küche gegangen, um zwei Gläser Eistee für sie zu holen. Er schmunzelte vor sich hin und ein klein wenig ziepte es in seinem Bauch. Wie würde Marti wohl reagieren? Es dauerte nur einen Augenblick, da hörte er ihn auch schon: „Jako!“ Er schlenderte trotz aller Aufregung und Ungeduld gewollt lässig zu seinem Schatz hinüber, der mit weit aufgerissenen Augen im Durchgang zur Terrasse stand. „Na“, sagte er, „willst du mir unbedingt den Weg blockieren? Ich wollte eigentlich die Gläser auf dem Tisch abstellen!“ Marti strahlte ihn an und machte Platz, so dass er an ihm vorbeihuschen und seinem Vorhaben nachkommen konnte. Marti schien noch immer fassungslos. „Jako, was ... hast du ...“ Er brachte keinen vernünftigen Satz raus. „Na ja“, sagte Jako leise. „einen richtigen Garten, das geht halt nicht. Das kann ich dir nicht möglich machen. Deshalb hab ich mir gedacht, ich schenk dir einen Garten, der zur dir passt ... ist nur ein Ersatz, ich weiß, aber ich dachte ...“ „Jako!“ Martis Stimme quietschte, als wäre sie bei der letzten Wartung schlecht geölt worden. Jako blickte in Martis Gesicht, und sah, dass in seinen Augen Tränen schimmerten. Das Blau leuchtete, schien so blau wie der Ozean zu sein, und ebenso tief. Marti streckte seine Arme nach ihm aus, er schien ihn zu sich rufen zu wollen, doch anscheinend brachte er kein Wort heraus. Jako ging zu seinem Schatz und kniete sich neben ihn auf den Boden. Dann ließ er sich von Marti liebevoll umarmen und an sich drücken. Er spürte, wie der Körper des Kleineren bebte. Leise Schluchzer waren zu hören. „Das ... schnief ... das ist doch kein schwacher Ersatz ... schluchz ... das ist der schönste Garten, den ... hach ... den ich je gesehen habe. Weil du ihn für mich gemacht hast!“ „Nun, Felix hat ein bisschen geholfen ...“ Weiter kam Jako nicht, weil Marti ihn mit einem Kuss zum Schweigen brachte. Ein Kuss, der es in sich hatte, voller Leidenschaft und Tiefe war. Ein tränenfeuchter, glücklicher Kuss. Marti ließ sich alles in Ruhe von Jako zeigen. Jede einzelne Pflanze. Jedes Kräutchen. Jede Frucht, jedes Grün. Er fand sich schnell zurecht, auch mit den Hängetöpfen und der Kettenkonstruktion. Er ließ Jako ein paar Töpf umplatzieren ... „Die vertragen keine direkte Sonne, die aber schon, weißt du?“ Ja, von solche Dingen verstand er mehr als Jako, keine Frage. Es war wunderschön, Martin so glücklich zu sehen. Er war voll in seinem Element und schien mit sich und seiner Welt rundum zufrieden. Jako fühlte eine tiefe Wärme in seinem Herzen. Ja, das war gut so. Marti glücklich zu machen, das war etwas, was er gerne immer wieder tun wollte. Bis an das Ende seines Lebens. Natürlich, vieles war nicht einfach, manches war umständlich, klar, der Rollstuhl schränkte in gewisser Weise nicht nur Marti, sondern sie beide ein ... Und dennoch. Für nichts auf der Welt würde er das hier hergeben wollen. Lächelnd wandte er sich Marti zu und lauschte dessen Ausführungen über die beste Art, Tomaten zu gießen. Später am Abend saßen sie gemeinsam an dem kleinen Tischchen in ihrem neuen „Garten“ und genossen den immer noch warmen Abend. Sie hatten Pizza bestellt gehabt, die sehr lecker gewesen war und nun hatten sie sich ein Gläschen Wein eingeschenkt und Jako hatte den Arm um Marti gelegt. „Ich hab dich lieb“, sagte Marti. „Und ich bin dir dankbar für all das. Dass du dir soviel Arbeit gemacht hast. Das ist echt süß von dir.“ Jako lächelte. „Das hab ich gern gemacht. Ich hab dich nämlich auch lieb, und ich möchte, dass du glücklich bist.“ „Das bin ich, Jako. Selbst wenn ich mal traurig bin, weil das alles nicht so einfach ist – mit dir bin ich glücklich, und ich möchte mir nichts anderes vorstellen, als bei dir zu sein.“ Er setzte Jako einen verspielten Kuss auf die Wange. Dann zog sich seine Stirn kraus. Er sah nachdenklich aus. „Ich glaube“, sagte er, „das Leben ist wie ein Garten am Bahndamm.“ Jako sah ihn fragend an. „Hä, wie bitte?“ „Na ja, schau doch mal. Du hast deinen kleinen Platz. Wo du hegen und pflegen musst, was du hast, damit es Früchte trägt und blüht. Manchmal ist die Erde steinig, manchmal musst du dich richtig krumm machen, um was zu erreichen. Aber das lohnt sich, denn irgendwann kannst du die Ernte eintragen. Manchmal haben andere ein viel schöneres Stück, wo viel mehr blüht und wächst. Aber dennoch liebst du deine kleines Stück besonders. Manchmal sausen Züge über den Bahndamm dahin, in ferne Gegenden, vielleicht sogar fremde Länder. Dann hast du vielleicht Fernweh, beneidest die Leute, die dort im Zug sitzen und bedauerst, dass du jetzt gerade nicht mithalten und nicht mit ihnen fahren kannst. Das ist doch alles im Leben genau so. Aber dann merkst du wieder einmal, dass dein kleiner Platz für dich das größte ist. Und wie in einem Garten, so auch im Leben an sich: es ist einfach schöner dort, wenn du nicht allein bist, sondern jemanden hast, der mit dir gemeinsam ackert, erntet, feiert, lacht und wenn nötig auch mal flucht, wenn was nicht angeht.“ Er lächelte Jako an und fuhr fort: „Mein Garten, unser Garten liegt zwar nicht am Bahndamm, sondern auf der Terrasse. Aber unser Leben ist genau so. Und ich bin dankbar, dass ich beides, Garten und Leben, mit dir teilen kann.“ Nun war es an Jako, ein paar Tränchen weg zu blinkern. Er schluckte und versuchte dann, ein bisschen Leichtigkeit zurückzugewinnen. „Ist das jetzt Pflanzen- Philosophie?“ Marti grinste. „Klar. Das ist Wurzel- Weltansicht.“ „Ein Grünkohl- Glaubensbekenntnis?“ „Mit Sicherheit. Und eine Italienische-Kräuter-Ideologie.“ „Mmhh...“ Jako überlegte. „Ähm... Rosenkohl-Religiosität?“ „Und Zucchini- Zoroastrismus.“ „Tomaten-Tantra?“ „Moment mal“, sagte Marti. “Tantra hat aber doch ne sexuelle Komponente!“ „Wenn das so ist“, sagte Jako mit tiefer, dunkler Stimme, „dann sollten wir unsere Konversation vielleicht ins Schlafzimmer verlegen?“ „Klingt nach nem Plan“, sagte Marti grinsend. Und das taten sie dann auch. Sicher, auch beim Sex war manches kompliziert. Aber auch da hatten sie ihren Weg gefunden, denn Lust und Erotik spielen sich ohnehin zum größten Teil im Kopfe ab. Und wenn es wahrhaftig so ist, wie es viele alte Fruchtbarkeitskulte annehmen, nämlich dass regelmäßiger und befriedigender Sex für ein gutes Pflanzenwachstum und eine reiche Ernte sorgen, dann kann man frohen Mutes sagen, dass die Pflanzen auf ihrer Terrasse auf lange Sicht nichts zu befürchten hatten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)