Das Leben ist wie ein Garten am Bahndamm von DieLadi ================================================================================ Kapitel 4: Erdwühler -------------------- Als er am nächsten Tag seine Schwiegermama anrief, wurde er freudig begrüßt. „Hallo, Jako, wie geht es dir? Und wie geht es meinem Ältesten?“ Jako saß allein in der Küche, während Marti noch im Bett lag und schlief. Jako wollte die Gelegenheit nutzen, um in Ruhe und ungestört mit Mutter Fischer sprechen zu können. „Uns geht es soweit gut“, sagte er, denn er fand, dass Martis Zusammenbruch vom Vorabend nicht unbedingt in der ganzen Familie breitgetreten werden musste. Marti war stark, er kam im allgemeinen gut zurecht. Und solche Momente wie gestern waren sehr intime Momente zwischen ihm und seinem Mann. Und das sollten sie auch bleiben. „Was verschafft mir die Ehre deines Anrufes?“, fragte Frau Fischer. Sie war sich im klaren darüber, dass es einen Anlass geben musste, denn einfach nur so mal anzurufen, das war nicht das, was ihre Jungs regelmäßig taten. Sie hatten immer den Kopf voll, Uni, Musik, Freunde, Therapie und so weiter, so dass sie kaum mal an die „armen alten Leutchen“ dachten, wie Frau Fischer es gerne nannte. Daher war klar, dass Jako irgendetwas von ihr wollte. „Na ja, ich wollte mal was fragen“, sagte er dann auch schon. „Marti hat mir von dem Garten erzählt. Dem Garten seiner Oma.“ Mutter Fischer kicherte. „Ja“, sagte sie, „er war ein richtiger kleiner Erdwühler.“ „Aha?“ „Ja. Er hatte sein eigenes Beet. Da durfte er anbauen, was er wollte. Das hat er bekommen, da war er zehn. Einmal hatte er einen Salatkopf geerntet und ganze drei Kartoffeln. Und dann ist er zum Metzger um die Ecke und hat sich fünfzig Gramm Gehacktes geholt. Für eine Frikadelle. Du hättest sehen sollen, wie die ihn angeguckt haben!“ Sie lachten beide. „Er hat sich dann daraus eine Mahlzeit zubereitet. Nur für sich allein. Und als er die verspeist hat, blieb kein Krümel übrig und er war stolz wie ein ganzes Rudel Pfauen.“ „Kein Wunder, dass er so gut kochen kann, Mama, wenn er so früh damit angefangen hat.“ „Ja“, sagte Frau Fischer, „nur dass er heute keine Frikadellen mehr macht.“ „Hey“, sagte Jako, „du solltest mal seine Sojafrikadellen probieren, die sind nicht von schlechten Eltern! Aber mal zurück zum Thema. Er hat also nicht nur im Garten gespielt, sondern richtig mit angepackt?“ „Na klar. Die Oma war froh, dass sie ihn hatte. Er hat ihr ne Menge Arbeit abgenommen und hatte auch noch wirklich Freude daran.“ Einen Augenblick schwiegen sie beide. Dann sagte Mutter Fischer, die ein Gespür dafür hatte: „Er ist traurig, nicht wahr?“ Jako biss sich auf die Unterlippe. Dann sagte er zögernd: „Ja, schon. Ein bisschen. Weißt du, es fehlt ihm und er ist sich klar, dass das nicht mehr ohne weiteres gehen wird.“ Mutter Fischer seufzte. Doch Jako fuhr fort: „Aber mach dir keine Sorgen. Das sind nur Momente. Die gehen vorbei. Eigentlich ist er glücklich mit sich und seinem Leben.“ „Ich weiß“, sagte Frau Fischer. „Du bist gut für ihn, mein Junge. Du bist der Mensch, den er braucht. Ohne dich wäre es nicht so.“ „Danke“, sagte Jako leise, denn es tat ihm gut, was die Schwiegermama da gesagt hatte. Er liebte Marti eben, und er wollte alles tun, damit es ihm gut ging. „Ich melde mich mal wieder, ja?“ Mutter Fischer schnaubte. „Ja, schon klar, Weihnachten und Pfingsten auf einen Tag und so weiter ...“ Sie lachten beide und legten dann auf. Jako saß noch eine ganze Weile grübelnd am Küchentisch. Aus Richtung des Schlafzimmers war noch nichts zu hören. Nach einer Weile stand er auf und machte Kaffee. Er deckte den Frühstückstisch, kochte ein paar Eier und stellte schon mal den Toast zurecht. Mit einer Tasse Kaffee setzte er sich wieder auf seinen Platz. In einigen Wochen hätte Marti Geburtstag. Und da Marti zu der Sorte Menschen gehörte, die ihre Mitmenschen damit in den Wahnsinn trieben, dass sie auf die Frage: „Was wünschst du dir eigentlich zum Geburtstag?“ mit einem Schulterzucken und einem „Keine Ahnung, ich brauch nix, ich hab alles“ reagierten, hatte er noch keine Schimmer gehabt, was ein geeignetes Geburtstagsgeschenk für seinen Schatz wäre. Jetzt jedoch nahm da eine Idee vor seinem inneren Auge Gestalt an. Das mit dem Garten, da konnte er Marti nicht helfen. Beete hacken, Unkraut zupfen ... der Zug war nun einmal abgefahren, da half alles Wollen nichts. Wobei Jako selber sich auch beim besten Willen nicht vorstellen konnte, wie man daran Freude haben sollte ... aber nun ja, er und Marti waren sich zwar in vielen Punkten ähnlich, aber es gab eben auch die Unterschiede zwischen ihnen, die die ganze Sache interessant machten, und das war gut so. Nun, wie auch immer, ein eigener Garten im klassischen Sinne, das ging nichts. Aber er konnte etwas anderes tun ... Und er begann, sich das in Ruhe zu überlegen. In zwei Wochen würde Marti übers Wochenende in Salzgitter bei seinen Eltern sein, da eine Familienfeier anstand. Jako war selbstverständlich auch eingeladen, aber er würde nicht mitfahren. Er würde ein Uniprojekt vorschieben. Dafür hätte jeder Verständnis. Und dann würde er ... Er sollte das mit Felix besprechen, der hatte immer tolle Ideen und würde ihm garantiert helfen. Zufrieden klatschte er in die Hände, als er Marti rufen hörte: „Jako?“ Er schlenderte ins Schlafzimmer. Marti sah ihn aus seinen blauen Augen strahlend an. „Guten Morgen, mein Schatz!“ „Morgen, Kleiner. Na, alles klar?“ Marti lächelte. „Ja, alles wieder gut.“ Jako beugte sich zu ihm und küsste ihn zärtlich. Dann sah er zu, wie Marti sich aus dem Bett in seine Rollstuhl stemmte. Er rollte ins Badezimmer, Jako begleitete ihn und half ihm dann beim Duschen und Anziehen. Das waren Dinge, wo Marti eben doch eine helfende Hand brauchte. Aber da diese Hand von Jako kam, machte es ihm nichts aus. Wenig später saßen sie gemeinsam beim Frühstück. Sie redeten, lachten und die dunkle Wolke vom Vorabend hatte sich in Luft aufgelöst. Jako war zufrieden. Wenn sein Schatz glücklich war, war er es auch. Und so genossen sie den Samstag Morgen, den Start in ein schönes, liebevolles Wochenende. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)