Vor langer Zeit.. von Orophin ================================================================================ Kapitel 2: Das kleine grüne Buch --------------------------------   Vor langer Zeit... Kapitel 2 Das kleine grüne Buch     Der kleine Fernseher war ausgeschaltet, also schien Severus Vater nicht zu Hause zu sein. Auf dem wackeligen Wohnzimmertisch, direkt neben dem alten Sofa, stand ein übervoller Aschenbecher. Auf dem Sessel, direkt neben dem Sofa, lagen ein paar Flaschen. Im trüben Lichtkegel der Lampe, die von der Decke hing, konnte Lily die Farbe des Teppich nur erahnen. Was sie wunderte, war, dass hier kein Weihnachtsbaum stand. Weihnachtsschmuck oder ähnliches suchte sie überhaupt vergeblich. Dann kam ihr in den Sinn, dass echte Zauberer vielleicht kein Muggel-Weihnachten feiern würden. Auf leisen Sohlen schlichen die beiden Freunde durch das Wohnzimmer in Richtung Küche. Direkt daneben war die Treppe, die hinauf in Severus Stockwerk führte. Wenige Schritte vor der Treppe deutete er Lily an, an dieser Stelle zu warten. In der Küche brannte Licht und das leise Rascheln von Papier war zu hören.   Der Junge stellte sich, so breit wie er sich eben machen konnte, in den Rahmen der Küchentür und begann mit gedämpfter Stimme ein Gespräch mit der Person, die sich wohl in der Küche befand. Die Arme rücklings verschränkt, deutete er mit seiner Hand - versteckt hinter seinem Rücken - an, dass Lily schnell zur Treppe hinüber laufen sollte. Da sie Severus blind vertraute, befolgte sie seine recht wirschen Gesten und schlüpfte rasch die Stufen zu seinem Zimmer hinauf. Oben angekommen ließ sie sich sofort bäuchlings auf sein gemachtes Bett fallen. Mit strampelnden Fußbewegungen kickte Sie die Gummistiefel quer durch den Raum. Ihre Handschuhe folgten dem Beispiel. Um die Arme aus der triefend nassen Regenjacke zu zerren, warf sie sich von einer Seite auf die andere. Dabei bemerkte sie Severus, der ins Zimmer kam und dann sein möglichstes Tat, die Tür hinter sich leise ins Schloss zu ziehen. Erst danach wandte er sich an sie.   „Lily... was machst du denn hier?" Mit dieser Frage wieder an ihre blöde Schwester erinnert, schmiss Lily die Jacke wütend vom Bett. Die Geste wurde von einem strafenden Blick ihres Freundes kommentiert. „Wolltet ihr heute Abend nicht mit euren Großeltern feiern?", hakte er - dieses Mal jedoch weitaus sanfter - nach. „Ich möchte nicht darüber reden Sev", schmollte der Rotschopf und schenkte dabei ihrer weißen Strumpfhose, die am kleinen Zeh schon eine Laufmasche hatte, ihre volle Aufmerksamkeit.   Mit einem lang gezogenen „Hm" gesellte sich der junge Zauberer zu seiner Freundin auf das Bett und versuchte sich dabei an einem aufmunternden Lächeln. „Wissen deine Eltern, dass du hier bist?" Anstatt ihm nochmals zu erklären, dass sie über dieses Thema nicht sprechen wollte, strich sie über die Rüschen ihres geblümten Rockes. Severus verzog seine Lippen zu einem dünnen Strich. Manchmal konnte er so ungeduldig mit ihr sein.   „Lily? " „Nein Severus. Denn wenn man von zu Hause weg läuft, sollte doch niemand wissen wohin man läuft, oder?"   „Na.. so wie du aussiehst könnte man eher denken, dass du zur Abendmesse gehst." Eigentlich war es gemein, dass sich Severus über ihr Kleid, ihre Frisur und ihre Strumpfhose lustig machte, aber wenn Lily ehrlich war, mochte sie Kleider auch nicht sonderlich gerne. Und die Wollstrumpfhosen juckten immer so... „Ich sagte doch schon, dass ich nicht darüber sprechen möchte, Sev!", gab Lily mürrisch zurück und vergrub dabei sowohl Hände, als auch ihre Füße in seiner Bettdecke. Auch hier, dass musste Lily neidvoll anerkennen, hatte Severus es besser als sie. Sein Bett war groß, dass eines Erwachsenen und nicht so kurz wie ihres.   Ein Ruck ging durch die Matratze, als sich Severus so neben sie fallen ließ, dass sie auf Augenhöhe lagen. Stumm führten sie eine Weile ein erbittertes Blickduell, bis Severus irgendwann seine Augen schloss und schwer ausatmete. Vielleicht hatte der Slytherin sie in Verzauberung und Zaubertränke geschlagen. Hierbei verlor er immer. Kurzerhand fuhr sich Severus nachdenklich mit dem Zeigefinger seiner Linken über den Nasenrücken. Das eine Auge weiterhin zugekniffen, öffnete er das andere und schenkte ihr ein verwegenes Grinsen, als er, so vermutete es Lily, zu einer ihn zufriedenstellenden Erkenntnis gelangt war. „Soll ich dir vielleicht was vorlesen?"   „Ja!", jubilierte die Hexe, ehe ihr einfiel, dass Severus in der Regel eher Schul- und Sachbücher las. „Aber bitte was lustiges und nichts über Tränke oder Flüche, ok?"   „Na da werd' ich schon was finden", erklärte der Junge, sichtlich stolz darüber die Laune seiner Freundin gehoben zu haben und rollte sich vom Bett. Kurz vor dem Schrank an der anderen Seite seines Zimmers, wäre Severus in seiner Eile beinah über seinen Schulkoffer gestolpert. Die junge Hexe musste sich ein Kichern verkneifen. Die Hefte von „Die Abenteuer von Martin Miggs, dem mickrigen Muggel" schob Severus achtlos zur Seite, auf der Suche nach ansprechenderer Lektüre.   „Was hältst du von der Enzyklopädie der Giftpilze?" Belustigt hielt er ihr den dicken Wälzer mit dem dunklen und schon abgegriffenen Einband entgegen.   „Ach Sev!", rief die junge Hexe tadelnd aus, sich auf dem Bett herum fläzend.   „Ja.. ist ja schon gut." In seiner Stimme schwang ganz eindeutig ein schelmisches Grinsen mit. „Also dann hätten wir noch »Runenübersetzung für Fortgeschrittene« oder »Das Traumorakel«...hmm." Er hielt kurz inne als er ein kleineres, grünes Buch aus den Tiefen des Schrankes hervor zog. „Wie fändest du die Märchen von Beedle dem Barden?" „Egal. Lies doch einfach." Äußerlich wollte sie sich ihre Freude über das Märchenbuch nicht anmerken lassen. Sie versuchte sich lässig auf den Rücken zu drehen, die Füße zur Zimmerdecke gestreckt, mit pendelnden Beinen. Der Slytherin wollte gerade über sie hinweg auf die andere Seite des Bettes klettern, das Märchen Buch in seiner Linken, als Lily nach seinem viel zu weiten T-Shirt griff und ihn so ganz nah an sich heran zog. „Meine Mom' hat uns Märchen immer mit verschiedenen Stimmen vorgelesen", erklärte sie kleinlaut, weiterhin die Nähe ihres besten Freundes suchend. Severus bemühte sich redlich, ihre traurigen Gedanken an ihr Zuhause zu vertreiben. Dennoch sehnte Lily sich in diesem Moment sehr nach der liebenden Umarmung ihrer Eltern. Wie immer brauchte der Slytherin etwas länger, um die plötzliche Nähe zu seiner Freundin zu verdauen. Erst als Lily den Griff an seinem Oberkörper lockerte, klarte sich Severus Gesicht erleichtert auf. „Na.. dann sei dein Wunsch mir Befehl", raunte er ihr zu, ganz nah über ihr schwebend. Mit einem Ruck wuchtete er sich über Lily hinweg und legte sich mit dem Rücken aufrecht an das Kopfende des Bettes. Ehe der Rotschopf protestieren konnte, deutete er ihr mit einem kurzen Klopfen auf die Bettdecke an, dass sie sich doch neben ihn legen sollte. Wie so oft überstrapazierte Lily sein freundliches Angebot, indem sie ihren Kopf auf seine Brust legte und so zu ihm aufsah. Zufrieden mit sich, ihrer Entscheidung Petunia zu Gunsten von Severus sitzen zu lassen, ihrer momentanen Situation und der Wahl ihres besten Freundes, schenkte sie ihm ein breites Lächeln, während Severus merkwürdig verkniffen dreinsah. Er sog scharf die Luft ein, wollte sich auch jetzt nichts anmerken lassen und legte die Arme so um Lily, dass er das Buch vor sich halten konnte. Seine Stimme krächzte trocken, als er sich bei ihr erkundigte, welche Geschichte er ihr denn vorlesen solle. „Na.. ich kenn diese Märchen nicht. Da steht nicht zufällig Aschenputtel oder Jack und die Bohnenranke drin, hm?" „Nein", antwortete der junge Zauberer leise und blätterte dabei die ersten Seiten durch. „Beispielsweise ist das Märchen der drei Brüder ein wenig traurig." „Welches Märchen magst du denn am liebsten?" „Na eigentlich alle..." Grübelnd sah er zwischen Lily und dem Inhaltsverzeichnis hin und her. „Aber ich find' die Liebesgeschichten ätzend." Bei dem Wort „Liebesgeschichten" folgten ihre Augen dem Beispiel ihre Lippen und lächelten strahlend. Der Rest des Satzes verpasste ihrer Stimmung sofort wieder einen Dämpfer. Vielleicht hatte Severus gerade Liebeskummer?, fragte sich Lily in Gedanken. Ihre ältere Schwester hatte erst kürzlich Liebeskummer wegen eines Jungen in ihrer Klasse gehabt, hatte ihre Mom' ihr in einem ihrer Briefe berichtet, die sie ihr nach Hogwarts geschickt hatte. Doch ehe die rothaarige Hexe sich überlegt hatte, wie sie sich am besten danach erkundigen konnte, zuckte Severus heftig zusammen. Er hatte die Schritte im Flur schon vor ihr vernommen.       Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)