Kusuri, der Dämonenarzt von Dudisliebling ================================================================================ Kapitel 3: Bruder ----------------- Bruder Seit diesem einen Tag, waren einige Jahre vergangen. Ryochi hatte nun weniger Zeit, weil er angefangen hatte, ein riesiges Feld zu bestellen. Er wollte das es genug zu essen für uns alle gab, denn die Anzahl der Kinder war nicht weniger geworden, auch wenn sich einige schon davon gemacht hatten. Verständlich, denn die Hütte reichte kaum noch aus. Ich schlief seit einem Jahr in einem der anliegenden Bäume und spürte wie dies meinem Rücken schadete, aber was sollte ich tun? Ruhe war mir wichtiger geworden. Oft half ich Ryochi und fand bald heraus, das ich ein gutes Händchen für Pflanzen hatte. Ein gutes Händchen, diese Worte lösten des Öfteren in meinem Leben, ein schmunzeln in mir aus. Doch damals war ich eher sauer auf sie, denn sie hatten fort weg nie mehr so grell geleuchtet, wie an dem Tag als Ryochi sich verletzt hatte. Es lag sicher auch daran, das er dies weniger tat, geschickter und trainierter war. Aber auch daran, das Vater nun öfters bei uns war und mich zu beobachten schien. Ich hatte einfach keine Gelegenheit, um meine Fähigkeiten zu trainieren. Doch ich hatte mir ein anderes Thema gesucht, welches mich sehr interessierte. Ein paar Wochen nach dem Vorfall, fand ich in der Nähe des Baches eine Schriftrolle. Sie war noch recht neu und beinhaltete Bilder von verschiedenen Pflanzen. Ich begann damit, sie im Wald zu suchen und mit den Bildern zu vergleichen. Zudem probierte ich das ein oder andere Kraut und versuchte herauszufinden, was dort geschrieben stand. Niemand in meiner Familie konnte lesen, außer unserer Eltern. Aber diese zu fragen war ein unmögliches Unterfangen. Also versuchte ich diese Gewächse anhand der Dinge aufzuteilen, die mir durch probieren auffielen. Unter probieren verstand ich es, die Kräuter zu essen und auch auf frische Wunden zu legen. Aus irgendeinem Grund, fand ich gefallen am heilen, denn dies schien meine geheime Kraft zu sein, auch wenn sie aktuell nicht mehr auftrat. Ich könnte auch anders heilen. Ebenso wie es die Menschen zum Beispiel taten. Wissen war wichtig und als „kleiner Denker“, wie mich Ryochi immer noch nannte, nahm ich mich dieser Sache an. Da einige Schriftzeichen in der Rolle gleich erschienen, hatte ich bald einige Kategorien zusammengefügt. Einige Kräuter halfen bei Problemen innerhalb des Körpers. Wenn man aus ihnen einen Tee kochte und trank, dann konnte man Bauchschmerzen oder andere Dinge aufheben. Auch wenn Ryochi es verbot, so gab ich den kleineren unserer Geschwister, eine Mischung aus Verschiedenen Kräutern, wenn sie über Schmerzen klagten. Sie schliefen dann einige Zeit und ich beobachtete denjenigen immer ganz genau. Ich hoffte das mir meine geheimen Kräfte helfen würden, wenn etwas schief ginge, aber es klappte alles. Die Schmerzen verschwanden und bald versorgte ich die kleineren Kinder, egal was sie hatten. Somit brauchte ich eine Menge an Kräutern und hatte Ryochi gebeten, einige am Rande seines Feldes anbauen zu dürfen. Er rollte damals zwar mit den Augen, aber er ließ es zu und nun bewunderte er, wie sehr ich mich darum kümmerte. Zum Dank für diese kleine Fläche, half ich ihm mit dem Rest. Heute stand Vater am Rande des Feldes und beobachtete unser Tun. Da es unsere Sache war, würde er nicht helfen. Wir wollten das Feld, er gab uns den Platz. Alles andere ging ihn nichts an. Auch wenn er natürlich davon profitierte, so war es in seinen Augen eben unsere Pflicht. Nur wegen ihm, wandelten wir hier auf Erden, also hatten wir Respekt für ihn aufzubringen. Ich grub gerade einige Kartoffeln heraus und lud sie auf einem Haufen neben mir ab. Wir hatten Glück das keine Mäuse an unsere Pflanzen gingen. Sie schienen unsere Dämonenaura zu spüren und hielten sich fern. Ryochi grub auf der anderen Seite des Feldes neue Kartoffeln ein. So hatten wir ein gutes System entwickelt und immer wieder neue Pflanzen zu züchten. Als ich gerade meine Dreckverschmierte Hand über meine Stirn wandern ließ, um den Schweiß wegzuwischen, trat Vater in mein Sichtfeld. „Kusuri“, sprach er mich an und ich wendete meinen Blick zu ihm hinauf. Sein schwarzes Haar, lag heute offen auf seinen Schultern und seine Augen strahlten Ernsthaftigkeit aus. „Warum wühlst du da so im Dreck?“ Überraschst stockte ich in meiner Haltung, rieb dann meine Hände aneinander, um die Erde etwas wegzubekommen und erhob mich dann. Mittlerweile war ich schon ebenso groß wie Vater, ähnelte ihm sehr, bis auf das hellbraune Haar, welches ich als einziges von Mutter geerbt hatte. Seine Dämonenmale waren etwas dunkler wie meine und weniger geschwungen. Doch jeder würde uns als verwandte erkennen. „Ich helfe Ryochi, damit wir in den nächsten Wochen genug Kartoffeln haben. Morgen sind die Karotten dran", gab ich Auskunft über unser Handeln. Ryochi hatte aufgehört und sah uns zu. Irgendetwas stimmte an dieser Unterhaltung nicht. „Du solltest das nicht tun. Eure Mutter schaffte es stets euch zu ernähren, wenn ich nicht zu gegen war", erklärte er seine Meinung und ich schluckte hart. Als ob dieser Mann wüsste, wie es uns allen erging, wenn er monatelang fort war. „Ich tue es gerne. Also lass uns beitragen um der Familie zu helfen", bat ich und wollte weiter machen. Mein Vater packte jedoch meinen Arm und hob ihn hoch. „Hey!“, schnaubte ich und wollte meinen Arm befreien. Sein Griff war allerdings so stark und fest, das ich mit meinen schwachen Muskeln nichts ausrichten konnte. Ryochi kam einen Schritt zu uns, aber Vater signalisierte ihm stehen zu bleiben. In mir kroch die Angst hinauf, direkt in meine Brust. Was hatte ich denn nur Falsches getan? Immerzu dachte ich, er befürwortete, was wir taten. Das er insgeheim stolz war, das wir an alle und nicht nur an uns selbst dachten. „Deine Hände gehören nicht in den Dreck", giftete Vater mich an und stieß meinen Arm dann von sich. „Kümmere dich um deine Kräuter und lerne. Ich will dich nicht mehr auf dem Feld sehen", befahl er und ich blickte ihm nach. Noch immer schlug mein Herz wie wild. Warum hatte Vater das nur gesagt? Warum sollte ich nicht das tun, wozu ich fähig war, ebenso wie Ryochi, der Familie zu helfen in die wir hineingeboren waren? Ryochi kam zu mir, als Vater zurück in die Hütte gegangen war und alle Kinder diese verlassen mussten. Ich wusste genau was nun passierte und schüttelte mich innerlich. Doch Ryochis Stimmte holte mich in meine aktuelle Lage zurück. „Warum will er nicht, das du hilfst?“, fragte er, mehr sich selbst, als mich und ich zuckte mit den Schultern. „Es ist mir egal, was er sagt. Ich werde weiterhelfen, sonst wirst du ja nie fertig“, versuchte ich zu scherzen und kniete mich auf die Erde, um weiter zu graben. Ryochi sah zu mir hinab und ging in die Hocke. „Du solltest Vaters Befehl nicht missachten. Du kennst doch seine Strafen", bat er mich, zu bedenken, aber mir würde er nicht verbieten, demjenigen zu helfen der sich wirklich mein Leben lang um mich gekümmert hatte. „Die halte ich schon aus. Nun mach weiter. Ich will nicht in der Nacht graben", murmelte ich und brachte meinen großen Bruder zum Seufzen. „Na gut. Wenn du meinst“, gab Ryochi sich geschlagen und ging wieder auf seine Seite des Feldes, um neue Pflanzen einzugraben. In der Nacht wusch ich mich im Bach und genoss das kühle Wasser. Der Tag war warm gewesen, auch wenn sich die Bäume langsam in ein neues Gewand hüllten. Der Dreck glitt durchs Wasser und befreite sich von meiner Haut. Als ich fertig war, trat ich aus dem Bach und zog mich an. Danach sprang ich zu meinem Baum und machte es mir dort, auf meiner Decke gemütlich. Kurz streckte ich noch meine Arme vor mir aus und verschränkte sie dann hinter meinem Kopf. Meine Augen schlossen sich. Aber die nahende Ruhe, war mir nicht vergönnt. „Kusuri“, brummte es unter dem Baum und ich öffnete meine Augen. „Vater?“, fragte ich kurz flüsternd und sah hinab. Dort stand er und verschränkte seine Arme in seinen Ärmeln. Er roch stark nach Mutter und ihrer Zusammenkunft, was mich anekelte. Doch ich sprang hinab und landete vor ihm. „Was kann ich für dich tun, Vater?“ Seine Augen musterte mich, doch er sprach zunächst kein Wort. Dies verwirrte mich. Warum holte er mich vom Baum, auf dem ich gerade schlafen wollte und stand nun vor mir, ohne etwas zu sagen? Ich hielt meinen Blick aufrecht, auch wenn ich innerlich mit den Augen rollte. Nun sag schon endlich etwas, alter Herr! „Ich werde morgen aufbrechen“, verkündete er. Warum er das ausgerechnet mir sagte, fragte ich mich. Denn bis jetzt war er einfach des morgens aufgestanden, hatte sich angekleidet und war mit seinem Koffer, dem Schwert und kleinen Rucksack losgegangen. Danach sahen wir ihn erst wieder, wenn er, durch die dichten Bäume dieses Waldes zurückkam. Vater holte Luft und sprach weiter: „Du wirst mich begleiten.“ Geschockt entglitten mir meine Gesichtszüge und ich dachte meine Ohren spielten mir einen Streich. Er erkannte meine Überraschung und sprach weiter, wollte es mir wohl erklären: „deine Fähigkeiten und die Dinge, die du dir angeeignet hast, schließen darauf, das du der einzige meiner Sprossen bist, der die Fähigkeit besitzt in meine Fußstapfen zu treten. Ich will das du mitkommst, dich bildest und dann an meiner statt für die Familie sorgst, sodass ich hierbleiben kann.“ Ich konnte nicht glauben was er da sagte. Er wollte das ich mitginge, um seine Arbeit zu erlernen? Um Arzt zu werden, so wie er? Dieses Unterfangen hatte nichts damit zu tun, das es mich stolz machte, das er mich für würdig erachtete, aber es würde mich von hier fort treiben. Mir die Möglichkeit geben, das zu machen, wozu ich die Fähigkeit besaß. Ich könnte lernen, alles lernen was ich schon immer wissen wollte und als Arzt wissen müsste. Vielleicht würde sich nach und nach auch meine Fähigkeit wieder zeigen?! Doch dann kam die Ernüchterung über diese Nachricht. Ich musste die Familie verlassen, somit auch Ryochi und könnte ihm nicht mehr helfen. Ebenso waren auch die kleinen wieder anfälliger, wenn ich nicht zu gegen war, um sie zu behandeln. Ich hatte hier doch eine Aufgabe. „Ich kann hier nicht fort, Vater. Wer soll Ryochi helfen?“, entschied ich mich gegen seinen Wunsch. Vielleicht könnte er mich beim nächsten Mal mitnehmen und ich würde einen Nachfolger heranziehen. Einer der Brüder, würde schon fähig genug sein. Mir schlug seine Faust so hart gegen den Schädel, das ich ihn beinahe knacken hörte. Hart schlug ich am Boden auf und spürte einen harten Tritt in meinen Magen. Mir kam mein Mageninhalt hoch und ich spuckte ihn keuchend aus. Hechelnd beugte ich mich auf und wurde an den Haaren hinaufgezogen. Ich kniete vor meinem Vater, welcher meinen Haarknoten in Händen hielt und mich zwang ihn anzusehen. „Du kommst mit. Wenn ich sage du tust es, dann tust du es, ohne zu zögern. Hast du mich verstanden, Kusuri?“, knurrte er mir ins Gesicht und ich konnte mich kaum Regen. Die Schmerzen spürte ich kaum und doch lähmten sie mich einige Minuten lang, bis ich kaum merklich nickte. Vater ließ von mir ab und drehte sich von mir weg. Wieder versteckte er seine Hände in seinen Ärmeln. „Halte dich nach Sonnenaufgang gebreitet“, befahl er und ging in Richtung Hütte. Geschockt und unverständlich saß ich da. Ich müsste mich diesem Mann fügen und mit ihm gehen. Meine Hoffnung viel zu lernen, war nach wie vor da, auch wenn sie nun einen bitteren Beigeschmack bekommen hatte. Nicht nur, das ich nun wusste, das es wohl eine schwere Lehre sein würde, nein, mir war klar, das ich Verrat beging. Verrat an meinem Bruder, der immer für mich da gewesen war. Wie sollte ich mich nun nur verhalten? Die ganze Nacht grübelte ich darüber nach und saß auf meinem Ast. Die Sterne stachen auch mich hinab, als wollten sie mich strafen. Wie würde Ryochi reagieren, wenn ich ihm die Nachricht erzählte? Zum Glück waren wir vor Sonnenaufgang am Feld verabredet. So würde er es von mir erfahren, bevor ich mit Sack und Pack bereit zum Aufbruch war. Dennoch fürchtete ich mich vor dem Moment, wenn ich es ihm sagen würde. Und dieser Moment war nun gekommen. Ich ging zum Feld und erblickte bereits den kräftigen Körper meines älteren Bruders. Mir schlug das Herz wild und bis zum Hals. Was würde er sagen? „Guten Morgen, Kusuri“, begrüßte mich seine Stimme, als ich nur noch wenige Meter entfernt von ihm, zum Stehen kam. Ich schluckte hart und erblickte seine Augen, als sich sein Blick hob und er mich anlächelte. Ich wollte etwas sagen, ihm auf seine Begrüßung antworten, aber ich konnte nicht. Ich spürte die Stärke der Reue, schon jetzt so sehr, das ich am liebsten davon gelaufen wäre. Würde Vater mich finden, wenn ich floh? Bei diesem Gedanken fand ich allerdings ein kleines Körnchen in meinem inneren, welches stark leuchtete. Ich wollte nicht vor der Ausbildung fliehen. Ich wollte lernen und Arzt werden. Nur durch diese Lehre, würde ich etwas schaffen. Anders würde ich für immer hier auf dem Feld stehen und mich um meine Geschwister kümmern. „Ich werde heute mit Vater abreisen“, teilte ich Ryochi mit und seine Augen weiteten sich kurz, bevor er sie schloss und aufstand. „Also verlässt du uns alle, ja?“, fragte Ryochi und kam auf mich zu. Seine Erscheinung machte mir zum ersten Mal Angst. Ich dachte nicht daran das er mich, so wie Vater, mit Gewalt strafte. Doch Ryochi legte seine Hand auf meine Schulter und sah mir tief in die Augen. „Du Verräter“, beschimpfte er mich. Ich hielt die Luft an und konnte erst Sekunden später erfassen, was er da gesagt hatte. Ich wäre kein Verräter! Ich musste mich Vater beugen, sonst hätte er mich vielleicht zu tote geprügelt. Außerdem war dies meine Chance, auf ein Leben außerhalb der Armut dieser Familie. Mit meinem Wissen könnte ich ihnen ebenso helfen und auch Nahrung für alle beschaffen. Ich geriet in Hysterie. „Ich werde zurückkommen und kann dann besser helfen als jetzt!“, wehrte ich mich gegen Ryochi und schob seine Hand von meiner Schulter. Er knurrte kurz und giftete mir zu: „Du wirst sicher nicht wiederkommen, wenn du einmal erfährst, wie schön die Welt dort draußen ist. Wie gut man es haben kann, wenn man nicht so viele Mäuler stopfen muss! Lüg mich nicht an, Kusuri!“ „Aber ich lüge nicht Ryochi! Ich verspreche das ich wiederkommen werde“, begann ich wieder mich zu verteidigen und wollte seine Arme ergreifen. Doch mein großer Bruder wand sich aus meinem tun und drehe sich von mir ab. Er schürzte die Lippen und seufzte. „Du brauchst nicht wieder kommen, kleiner Denker. Geh mit Vater und lebe das Leben, was dir hier verwehrt wäre. Lass uns andere allein zurück. Somit hat es wenigstens einer, in Vaters Ansehen geschafft“, redete Ryochi und sah dann zum Feldrand. Erschrocken wendete ich den Blick in seine Richtung und erkannte Vater dort stehen. Er hatte uns zugesehen, trug bereits seine Taschen und das Schwert an seiner Hüfte. Ich musste nun aufbrechen. Aber ich wollte Ryochi nicht so stehen lassen. „Kusuri, komm“, brummte Vater und hielt mir einen Beutel hin, indem wohl Proviant war. Hin und her gerissen sah ich zwischen Vater und Ryochi herum und war wie erstarrt. Ryochi sah zu mir, hatte die Arme verschränkt und sprach mich erneut an. „Geh, Kusuri.“, flüsterte er und mir brach etwas in meiner Brust. Es schmerze wie eine Verletzung und doch konnte ich es nicht richtig einschätzen. Aber ich fügte mich seinen Worten, hätte ohnehin keine Wahl und so senkte ich den Kopf und ging zu Vater. Ich nahm den Beutel in die Hand und hörte schon das scharren in der Erde hinter mir. Ryochi hatte sich seiner Arbeit gewidmet und ich sah zu dem gebückten Körper, welcher in der Erde grub. „Gehen wir“, sagte Vater und schob mich, mit der Hand am Rücken, in die Richtung in die er immer verschwand. Mein Blick richtete sich immer noch zu Ryochi, doch er wendete seinen Blick nicht mehr zu mir. Ich war für ihn nicht mehr existent. Für die Möglichkeit zu lernen, hatte ich also einen hohen Preis gezahlt. Ich hatte meinen Bruder verloren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)