Der letzte Krieg von BuchTraumFaenger (1. Auf einer Reise) ================================================================================ Kapitel 14: 14. Farbenblind --------------------------- Gebannt beobachtete Po das Szenario. Die Pfauendame legte ihre Flügel unter ihrer dunkel violetten Robe zusammen. Ihr Gefieder war dunkel braun getönt mit silberweißen Strähnen und Flecken auf ihrem Hals. Ihre Haltung war geprägt von Traurigkeit, ihr Gesicht leicht gesenkt, dennoch erweckte sie den Eindruck, dass ihr Stolz nicht gebrochen war. Einer der Ochsen-Wachen deutete mit dem Speer in seinem Huf in den Korridor. Die Pfauenhenne gehorchte und folgte dem ersten Wächter, der ihr vorausging. „Wow! Sie ist wirklich sehr schön“, hauchte Po. Sein Blick wanderte rüber zu Shen. Der Pfau stand da mit schwer definierbarem Ausdruck. Seine Gedanken schienen weit entfernt zu sein und dennoch war sein Verstand so klar wie nie zuvor. Er folgte ihr mit seinen Augen, als ob er keinen Teil ihrer Bewegungen verpassen wollte, bis sie im Korridor verschwunden war, der in das Hauptgebäude der Burg führte. Doch auch danach sagte er kein Wort und Po hatte Sorge, der Pfau hätte seinen Lebensgeist verloren. „Mm… Shen?“ Wie vom Blitz getroffen entstand eine Bewegung im Körper des Lords. Gleichzeitig fand er wieder die Fähigkeit zum Sprechen. Doch seine Gesichtsmuskeln zeigten keine Emotionen. „Sie ist schön, sicher“, sagte er Kriegsherr eisig. „Doch mit einem Fehler.“ Po hob die Augenbrauen. „Einem Fehler?“ „Du musst nicht alles wissen, Panda.“ Das geht nur mich was an. Vor 17 Jahren… Nachdenklich betrachtete sie den Lord, der vor einem großen Regal stand und nach etwas suchte. Es war bereits der zweite Tag nachdem sie den Platz von der Höhle in das neue Quartier gewechselt hatte. Sie rieb ihre Flügel aneinander. Zu bleiben bis er sein Schicksal erfüllt hatte. Wie lange würde das dauern? Sie hatte schon viele Pfaue in ihrem Leben gesehen, doch noch nie jemanden wie ihn. Nicht nur wegen seiner äußeren Erscheinung. Er hatte etwas befremdliches an sich und eine zweigeteilte Persönlichkeit. Er konnte seine Laune in einer Sekunde auf die andere so drastisch ändern wie von Tag auf Nacht. Das beunruhigte sie. Sie konnte nie vorhersehen, was er als nächstes plante. Doch er kannte die Grenzen seiner Umgebung, und dennoch mochte er es mit dem Feuer zu spielen. „Woran denkst du gerade?“ Seine Frage schleuderte sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Er drehte sich zu ihr um. „Irgendetwas Wichtiges?“ Hastig schüttelte sie den Kopf. „Nein, ich habe nur gedacht, über…“ Sie wies mit ihren Flügeln um sich. „Es ist nur alles so fremd.“ Der Lord schnaubte und drehte ihr den Rücken zu. „Das habe ich nicht negativ gemeint!“, fügte sie hastig hinzu. „Ihr habt eine Vision, die sehr große Dimensionen aufweist.“ „Aber du denkst, dass es unmöglich ist, oder?“ Seine Stimme klang gekränkt und strich mit gespannten Muskeln seiner Federn über eine Papierrolle. Sie seufzte. „Ihr scheint sehr zuversichtlich zu sein. Das habe ich so noch nie gekannt.“ Da war Stille zwischen ihnen. Schließlich öffnete sie wieder den Schnabel. „Woher kommt Ihr eigentlich?“ Der weiße Lord warf ihr einen argwöhnischen Seitenblick zu. „Aus Gongmen.“ Dann mied er wieder den Augenkontakt zu ihr. „Gongmen?“ „Kennst du es?“ „Ich weiß nur, dass dort eine Pfauen-Familie lebt, die Feuerwerk herstellt.“ „Sie stellen es nicht nur her - sie haben es erfunden.“ „Heißt das, Ihr seid einer von ihnen?“ „Ja“, antwortete er ein bisschen genervt. Er nahm eine der Buchrollen und ging damit zu einem Tisch. „Könnt Ihr Feuerwerk machen?“, fragte sie weiter. „Seid Ihr erfahren in dieser Herstellkunst?“ Der Pfau zuckte die Achseln. „Die einfachste Arbeit für mich. Aber ich habe Besseres zu tun als nur ein simples Feuerwerk zu machen.“ Er warf das Papier auf den Tisch und setzte sich auf einen Stuhl. „Solch ein Feuerwerk muss sehr schön sein.“ Er verdrehte die Augen. „Nur eine Verschwendung von Talent. Sowas dient nur zur Unterhaltung. Es kann viel mehr als das. Es verleiht mir Macht. Oder hast du etwa noch nie ein Feuerwerk gesehen?“ „Selten. Sehr selten.“ Für eine Weile sprach keiner mehr ein Wort. Shen mittlerweile versuchte sich auf das Papier zu konzentrieren, doch jetzt konnte er es nicht mehr. Seine Gedanken kreisten um das, was sie gerade gesagt hatte. „Vielleicht sollte ich ein paar Substanzen testen“, murmelte er mehr zu sich selbst. „Könntest du mir das Glas mit dem roten Pulver reichen?“ „Rot?“ „Ich kenne keine andere Farbe mit diesem Namen, die so heißt. Es steht im Regal.“ Sie schwieg betroffen. Der Lord sah sie an. „Mm. Gibt es ein Problem?“ „Nein, kein Problem.“ Fieberhaft besah sie sich die Flaschen. Aber es befanden sich keine Namensschilder darauf. Nur Schießpulver oder Explosionswarnungen. „Was ist jetzt?“ „Ich… ich…“ Ihre Flügel zitterten. „Ich kann es nicht finden.“ „Unmöglich! Ich hab es gestern noch darein gestellt.“ Er verließ seinen Sitzplatz und ging zu ihr rüber. Mit einem Handgriff holte er das rote Schießpulver mit seiner befiederten Hand heraus und hielt es ihr vor. „So einfach zu sehen“, sagte er spöttisch. „Bist du blind?“ Beschämt senkte sie den Blick. Doch das konnte ihn nicht zufrieden stellen. „Mmpf, wenn es so schwer für dich ist, brauchst du es nur mit meinen roten Federn zu vergleichen.“ Er schnaubte. „Die einzige normale Farbe, die ich habe.“ Sie schlang ihre Flügel um sich. „Wenigstens könnt Ihr Eure Farbe sehen.“ Mit einer harschen Bewegung wandte sie sich ab, ihr Gesicht immer noch gesenkt. „Sehen?“ Shen verstand ihre Worte nicht. „Was meinst du damit?“ „Nichts!“, zischte sie. Sie schrie vor Angst, als er sie an den Schultern packte, sie herumdrehte und gegen die Wand presste. „Ich mag es nicht, wenn man in Rätseln zu mir spricht!“, drohte er. Seine stechend-scharfen Augen bohrten sich durch ihre, dass ihr vor Furcht die Tränen kamen. Vergeblich versuchte sie freizukommen. Doch ihr Wehren war sinnlos. Er war viel starker als sie. Er packte ihr Kinn und zwang sie ihm direkt in die Augen zu schauen. „Was hast du damit gemeint?” Er konnte ihren schnellen Herzschlag fühlen. Ihre Schnabellippen bebten. Sie hatte Mühe gleichmäßig zu atmen. Er verstärkte seinen Druck. „Ich warte!“ Ein schluchzender Laut entkam ihrer Kehle. „Ich – ich… ich kann es nicht sehen.“ Sie schloss die Augen. Wartete sie auf einen Tadel? „Ich… ich bin farbenblind.“ Sie wagte nicht ihre Augen zu öffnen. Wenigstens hatte sein Druck auf ihrem Kinn nachgelassen. Jetzt hörte sie nur noch ihrem Atem. Sie wünschte, sie wäre jetzt woanders, nur nicht hier. „So, du kannst also keine Farbe sehen?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nichts. Schwarz, grau, weiß… nichts weiter.“ Die Pfauenhenne fühlte wie seine Flügel von ihr abließen. „Ich bin ein Nichts.“ Ohne seinen Druck auf ihr sank sie zu Boden. Dann bedeckte sie ihr Gesicht mit ihren Flügeln. Sie hörte wie er sich von ihr entfernte. Sie sah nicht auf. Sie saß nur auf den Boden gegen die Wand gelehnt. Der Lord kehrte zurück an den Tisch, stützte sich auf der Oberfläche ab und starrte darauf. Schließlich verließ er den Raum und sie bleib allein zurück. Sie wusste nicht wie lange aber irgendwann hörte sie ihn zurückkommen. Unsicher schaute sie in seine Richtung. Er stand wie immer in seiner stolzen Haltung da. Für eine Weile sahen sie sich nur an, bis er mit dem Kopf zur Seite winkte. „Komm mit mir.“ Sie wagte nicht zu zögern. Sie verließ ihren Platz und folgte ihm durch die Korridore. Das Essen roch gut, aber sie verspürte keinen Hunger. Und sie sah ihn auch nicht an. Aus dem Augenwinkel bekam sie nur am Rande mit wie er ein Glas nahm und daraus trank. Dann stelle er es zurück auf den Tisch. Sie bewegte sich nicht. Umso mehr schrak sie zusammen, als er eine Schüssel vor sie hinstellte. Zuerst wollte sie sagen, sie habe keinen Hunger. Doch dann fiel ihr auf, dass es seltsam aussah und es roch auch nicht nach etwas Essbaren. Es war völlig geruchlos. Prüfend beäugte sie den Inhalt genauer. Für sie war es weiß, doch war es wirklich weiß? „Berühr es“, hörte sie ihn sagen. Jetzt wanderten ihre Augen doch zu ihm rüber. Er hatte seine Ellbogen auf den Tisch abgelegt und seine Flügel zusammengefaltet. „Berühr es“, wiederholte er. Sie zögerte, doch dann tat sie es. Es fühlte sich kalt an. Sehr kalt. Sie nahm etwas davon aus der Schüssel und hielt es vor ihre Nase. Sie konnte nichts riechen. War das…? „Schnee ist weiß.“ Sie zuckte zusammen, als seine Worte ihr einen Schauer über den Rücken jagten. „Es ist kalt und glitzert. Und besitzt keinen Geruch.“ Er schob die Schüssel weg und platzierte eine andere vor ihr hin. Der Inhalt war ein bisschen schwerer zu definieren. Diesmal griff sie freiwillig rein. Sie fühlte etwas Hartes und Langes. Sie nahm es heraus. Dann erkannte sie, dass es sich um Grashalme handelte. „Grün ist frisch wie Gras.“ Sie zerrieb es zwischen ihren Fingerfedern. Jetzt war der Duft intensiver. Sie warf ihm einen scheuen Blick zu. Was wollte er damit bezwecken? Wieder wechselte er die Schüsseln aus. Diesmal befand sich darin etwas würfelförmiges. Sie nahm einen tiefen Atemzug. Es roch süß. Sie kannte diese Frucht. Pfirsiche. „Sie sind orange“, meinte der weiße Pfau monoton. „Orange riecht oft so.“ Sie senkte den Blick. „Warum? Warum das alles?“ Er schwieg einen Moment. „Ich dulde keine Fragen.“ Sie sah zu ihm auf. Sein Gesicht war ernst. „Du könntest mir einen Gefallen tun, indem du mich nicht nach dem „Warum“ fragst. Verstanden?“ Sie zog den Kopf ein. Dann nickte sie. „In Ordnung.“ „Hallo? Hallo! Erde an Shen! Bist du noch da?“ Der Lord sprang auf, als der Panda ihn an der Schulter berühre. „Bist du verrückt?!” Entschuldigend zog der Panda den Kopf ein. „Tut mir leid. Aber wenn wir das Gespräch mithören wollen, müssen wir uns beeilen.“ Der Lord räusperte sich. „In Ordnung. Aber berühr mich nie wieder so.“ Po rieb sich die Arme. „Okay.“ Hosted by Animexx e.V. 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