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Der letzte Krieg

1. Auf einer Reise
von

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9. Mundtot

So kalt und still die Atmosphäre in der Kutsche war, und Shens Emotionen wie der Schnee drum herum, umso heiterer war die Stimmung in der Rikscha. Po erzählte Xia ein Abendteuer nach dem anderen von sich und den Furiosen Fünf. Die Zeit verflog. Die Landschaft wurde flacher, letztendlich reisten sie durch Täler bis sie eine Weggabelung erreichten.

Shen befahl hier eine Pause einzulegen und um zu entscheiden welchen Weg sie als nächstes einschlagen sollten.

Während das Schaf und die Widder damit beschäftig waren die Räder von Eis befreiten, breitete Shen eine Karte auf einen flachen schneefreien Stein aus.

Xia und Po gesellten sich zu ihm und studierten den Plan.

„Bis zur Grenze von Nord-West-China werden wir mehr als drei Tage brauchen“, meinte Xia nachdem sie herausgefunden hatte, wo sie sich im Moment befanden. „Wenigstens sind wir nicht so weit vom Ziel entfernt wie von Anbeginn meiner Reise.“ Sie wanderte mit ihrer Fingerfeder über eine bestimmte Linie auf der Landkarte. „Wir sollten am besten diesen Weg folgen…“

Shen stoppte ihre Bewegungen auf dem Papier und schob ihren Finger weg.

„Wir nehmen diesen Weg“, sagte der Lord entschieden und strich über eine blaue Linie.

„Der Xiyi-Fluss?“

„Damit sparen wir jede Menge Zeit und ersparen uns eine Tour durch die hohen Berge.“

„Aber der Xiyi-Fluss ist nicht ungefährlich“, wandte Xia ein.

Shens Fingerfeder krümmte sich auf der Karte und das Mädchen zog eingeschüchtert den Kopf ein. Der Lord hatte wieder den verärgerten Blick, der jeden Angst einjagen konnte.

„Eine Flussfahrt mitten im Winter?“, fragte Po. „Ist der um diese Zeit nicht gefroren?“

Der weiße Pfau rümpfte die Nase.

„Daran sieht man, wie begrenzt dein Wissen ist. Der Xiyi-Fluss friert so gut wie nie ein. Sein Wasser ist wärmer als gewöhnlich und breit genug dazu. Für die Reise werden wir nur ein bis zwei Tage brauchen. Na, bist du damit um eine Erfahrung reicher geworden, Panda?“

Wäre die Situation nicht so ernst, hätte Po vielleicht geschmunzelt, aber er tat es nicht. Auch zu seiner eigenen Sicherheit, da Shen immer noch einen genervten Eindruck machte.

„Vergiss nicht“, fuhr der Pfau mit beleidigter Stimme fort. „Ich bin hier der Anführer. Dass wir hier durch die kalte, lebensfeindliche Einöde reisen geschieht nur aufgrund meiner Einwilligung. Ich würde euch raten, euch nach mir zu richten, oder ihr werdet die Konsequenzen tragen!“

Shens Stimme war wieder lauter geworden, was Po zutiefst überraschte. Irgendetwas machte den Pfau rasend.

„Und wenn ich sage, wir gehen diesen Weg, dann gehen wir auch diesen Weg. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?!“

Stilles Nicken seiner Reisebegleiter und die Anspannung des Herrschers legte sich wieder. Sehr zu Erleichterung der Wahrsagerin.
 

„Wir werden den Fluss nicht mehr vor der Nacht erreichen“, sagte Shen. „Wir werden unser Nachtlager heute hier aufschlagen.“

Die Sonne war fast verschwunden. Das Schaf und die Widder holten die Zelte raus.

„Ich muss mir unbedingt die Beine vertreten“, murmelte Po und machte einen Schritt nach dem anderen durch den Schnee. „Wer hätte je gedacht, dass langes Sitzen so anstrengend sein kann. Nicht zu vergessen die ganzen Schlaglöcher.“

Müde rieb er sich den Hintern.

„Geht mir genauso“, sagte Xia. „Wollen wir ein Stück spazieren gehen?“

„Ein Spaziergang mit einer Prinzessin? Aber gerne.“

Shen beobachtete wie die beiden verschwanden, schenkte ihnen aber keine weitere Beachtung.
 

Gemeinsam spazierten der Panda und die Pfauenhenne an Bäumen des Tals entlang. Die letzten Sonnenstrahlen ließen das Eis um sie herum wie Diamanten glitzern. Mit Faszination betrachtete Xia das Naturschauspiel.

„Es ist wunderschön, nicht wahr?“

„Oh ja“, pflichtete Po ihr bei. „Das ist es.“

„Meine Mutter hat die Winterzeit immer geliebt. Sie sagte, es würde in ihr Erinnerungen wecken.“

„Was für Erinnerungen?“

„Darüber hat sie nie mit mir gesprochen.“

Schweigend beobachteten sie die verschneite Landschaft, die sich im Sonnenlicht rot färbte.

Gedankenverloren griff Po in den Schnee und formte einen Schneeball. Dann warf er ihn gegen einen Baumstamm.

Xia lächelte.

„Mein Bruder hätte ihn abgefangen.“

„Oh, mag er Schneeballschlachten?“

„Nein, aber er besitzt sehr gute Reflexe.“ Eine Traurigkeit überzog ihr Gesicht. „Oder vielleiht er „hatte“.“

Po mochte es nicht sie so traurig zu sehen. „Also ist er demnach ein Soldat?“

„So was ähnliches.“ Sie strich sich eine Träne aus dem Augenwinkel. „Er bekam die beste Kampfschule.“

„Und du? Was für eine Kamptechnik hast du gelernt?“

Sie sah ihn überrascht und scheu an. „Nichts.“

„Nichts? Warum nicht?“

„Ich bin ein Mädchen.”

„Was soll das denn für ein Grund sein?“

Sie seufzte. „Xiang ist der Meinung, Frauen sei es nicht erlaubt zu kämpfen. Sie sind nur dazu da, um hübsch neben ihren Männern zu stehen. Das sei alles wofür wir zu leben haben.“

Sie drehte ihm den Rücken zu und ging ein paar Schritte von ihm weg. Sie wirkte etwas wütend und zugleich beschämt.

Langsam trat Po näher an sie heran. „Also hast du noch nie jemanden versucht zu treten?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Ich nicht, aber mein Bruder.“

„Nur weil er ein Mann ist?“

Sie verengte die Augen. „Korrekt. Er bekam die beste Schule und wurde wie ein Soldat ausgebildet. Während ich hingegen die meiste Zeit mit meiner Mutter verbrachte.“

Po rieb sich über den Kopf. „Ähm, wenn du willst… ich weiß nicht. Soll ich dir ein paar… möchtest du, dass ich dir ein paar Kampf-Tricks zeige?“

„Mir?“

„Natürlich. Nur weil man eine Frau ist, ist das noch lange kein Grund Kung-Fu nicht zu erlernen.“ Er schwang die Arme. „Zuerst brauchst du ein starkes Selbstbewusstsein. Du musst den Mut haben jemanden zu schlagen oder zu treten.“

„Treten? Schlagen?“ Das Mädchen war mehr als unsicher. „Xiang würde mir sowas nie erlauben. Dafür würde er mir eine Ohrfeige verpassen.“

„Ach, papperlapapp. Er ist doch gar nicht da. Hier kann er uns nicht sehen. Komm schon. Ich zeig‘s dir. Versuch mich zu hauen.“

„Dich hauen?“

„Na klar. Nur keine Sorge. Ich weiche deinen Schlägen schon aus.“

Die Pfauenhenne wusste nicht, was sie dazu sagen sollte und sah ihn prüfend in die Augen, um festzustellen, ob der Panda sich nur über sie lustig machen wollte. Doch Pos Haltung zeigte deutlich, dass er es ernst meinte.

„Okay.“

Langsam hob sie ihren Flügel, doch dann hielt sie mittendrin inne. „Ich kann nicht. Ich hab mich noch nie jemanden widersetzt. Vor allem nicht meinem Vater. Nun, wenn er mein Vater wäre. Ähm. Allein schon, wenn meine Mutter etwas gesagt hatte, was er nicht hören wollte, bekam sie immer wieder Schläge von ihm ins Gesicht.“

Po ließ die Arme sinken. Er konnte sich schwer vorstellen, dass ein Vater so brutal mit seiner Familie umgehen würde. Aber würde Shen besser sein? Zumindest hatte er sie noch nie geschlagen.

„Sag“, fragte er vorsichtig. „Könntest du dir denn Shen als deinen Vater vorstellen statt Xiang?“

Sie rieb nervös die Flügel aneinander. „Nun, vorher, ich hab ihn nie kennengelernt, aber jetzt… ich weiß es nicht. Zudem hab ich Angst, dass er meiner Mutter etwas antun könnte… Irgendetwas Schlimmes muss damals passiert sein, was ich nicht verstehen kann. Dabei hat meine Mutter immer beteuert, dass sie ihn geliebt hat.“

„Weiß sie denn, dass er noch lebt?“

Sie senkte den Blick. „Noch nicht.“

Po blieb überrascht der Mund offen.

„Ich hörte auch erst von seinem Überleben nachdem ich meinen Bruder in das kleine einsame Dorf gebracht hatte“, fuhr sie leise fort. „Und ich weiß nicht, was passieren wird, wenn sie es erfährt.“

„Aber das war vor vielen Monaten gewesen“, meinet Po nachdenklich. „Wie kommt es, dass sie es nicht mitbekommen hat?“

Wieder stieß sie einen tiefen Seufzer aus. „Xiang hatte sie von der Außenwelt isoliert.“

Po verstand nicht. „Warum?“

„Nachdem sie von Shens “Tod“ erfahren hatte, war sie nicht mehr dieselbe. Ihre Worte kamen fast nur noch mechanisch. Es war als hätte sie jeglichen Sinn im Leben verloren. Nach einer Weile wurde es Xiang zu viel und sperrte sie in ihr Zimmer ein, bis sie wieder normal sein würde. Das hatte ihr nur noch mehr die Lebensenegie genommen.“ Sie nahm einen tiefen Atemzug und gab ihm einen wehmütigen Blick. „Vielleicht wenn ich und mein Bruder nicht wären, vielleicht wäre sie schon längst gestorben.“

Für ein paar Sekunden sprach keiner von beiden ein Wort, bis Po den Mut zusammen nahm und die Stille unterbrach. „In diesem Fall müssen wir unbedingt beide zusammenbringen. Vielleicht wird am Ende ja doch noch alles gut.“

„Also ich weiß nicht. Was ist, wenn es dann nur noch schlimmer wird?“

„Wir werden es nie herausfinden, wenn wir es nicht versuchen. Ich denke ohnehin, dass sich einige Dingen ändern müssen. Besonders für dich und deine Mutter.“

„Aber was, wenn Xiang…“

„Jetzt vergiss ihn mal für einen Moment, okay? Er hat kein Recht für immer dein Leben auf diese Art und Weise zu bestimmen. Irgendwann hat man auch die Freiheit über sich selbst zu entscheiden. Und der erste Schritt wird sein, mir einen Hieb zu verpassen. Also dann, schlag zu!“

Er nahm Stellung ein und war bereit.

Aber Xia traute sich immer noch nicht. „Du bist ein guter Kerl. Tut mir leid, ich kann nicht.“

Po dachte nach.

„Oh, einen Moment!“ Er hob mit einer „Aha“-Geste den Finger. „Ich habe eine Idee.“



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