Der letzte Krieg von BuchTraumFaenger (1. Auf einer Reise) ================================================================================ Kapitel 8: 8. Durch den Schnee ------------------------------ „Also, Ling. Ich verlasse mich darauf, dass du die Aufsicht übernimmst solange ich weg bin.“ „Ja, Großtante.“ Die Wahrsagerin und ihr Großneffe befanden sich gerade auf dem Weg nach draußen über die Stufen, der zu dem großen Platz führte. Ling folgte seiner Großtante ein bisschen genervt, während sie fortfuhr: „Sorge dafür, dass die Mengs ihr Haus nicht mit der falschen Farbe anstreichen.“ „Ja.“ „Zähl immer die Wachen durch.“ „Ja.“ „Wechsel jede Woche deine Kleidung.“ Das kleine Schaf verdrehte die Augen. „Ja.“ „Und noch eine Kleinigkeit…“ „Ja, ja, ja. JA!“ „Vergiss nicht meine Blumen zu gießen.“ Er stieß einen tiefen Seufzer aus. „Ja-a.“ „Du kommst mit uns mit?“ Sie hatten das Ende der langen Treppe erreicht, wo Po und Xia schon warteten. Überrascht beäugte der Panda die Wahrsagerin. „Warum?“ Sie lächelte ihn an. „Irgendjemand muss doch ein Auge auf euch beide haben.“ „Aha, alles klar.“ Prüfend schaute Po sich auf dem großen Hof um. Sie waren nicht die Einzigen, die sich dort aufhielten. „Ist das alles was wir mitnehmen?“ Vor ihnen stand eine Kutsche mit einem anderen kleinen Schaf auf dem Kutschbock und einer große Ziege am anderen Ende, die sie ziehen sollte. Neben ihnen stand ein riesiger, griesgrämig dreinblickender Widder. Po winkte ihm heiter zu. „Hi! Na? Hunger auf eine kleine Abenteuerreise?“ Der Widder schnaubte ihm kräftig an. Begeistert schien er nicht gerade zu sein. Po lächelte gequält. „Ich sehe, du explodierst schon vor lauter Erwartung, was?“ Er wedelte hastig mit den Armen und wandte sich wieder der alten Ziege zu. „Ähm, nur eine kleine Frage über all das hier.“ „Frag was du willst, Drachenkrieger.“ „Ja, das, ist dies, gehört das Land deiner Familie? Als wir hier ankamen, stand auf einem Schild 'Changkong'. Ist das der Name der Stadt oder nennt man das Gebiet so?“ „Zu deiner ersten Frage“, antwortete sie ruhig. „Das Land ist Teilbesitz meiner Verwandtschaft. Es bestand zuerst aus einem Ort mit vielen kleinen Hütten. Und die Bewohner hatten nicht länger vor ein solches Leben zu führen. Shen stellte sie vor die Wahl in einer Stadt zu leben, wenn sie diese für ihn aufbauen würden. Und sie waren einverstanden. Zusammen mit meinen Verwandten, die ringsherum lebten. Und zu deiner zweiten Frage, 'Changkong' war der Name des kleinen Dorfes und das Plateau, worauf es einst gestanden hatte. Genau an derselben Stelle, wo wir uns jetzt befinden. Doch ich bin mir sicher, dass Shen für die Stadt einen anderen Namen im Sinn hat.“ „Was denn für einen?“ Sie lächelte. „Er grübelt immer noch darüber nach.“ „Oh.“ Po rieb sich die Stirn. „Wie wäre es mit 'Shen City'?“ „Zu einfallslos.“ Erschrocken fuhr der Panda herum. Der Pfau stieg gerade die Treppe zu ihnen hinab. Er trug eine dicke silberne Robe aus Schafwolle. „Der Name muss eine symbolische Bedeutung haben.“ Po nickte verständnisvoll. „Okay. Aber erfindet man nicht zuerst den Namen, und baut dann erst die Stadt?“ Der Pfau hatte das Ende der Treppe erreicht und blickte ihn mit hocherhobenem Haupte an. „Ich bin nicht wie die anderen.“ Po schluckte. „Das sehe ich.“ Ein schneidender Blick und Po wechselte schnell das Thema. „Ähm, nette Kutsche.“ Das konnte Shen nicht gerade heiter stimmen und Po suchte fieberhaft nach einem anderen Gesprächsstoff. Dann deutete er auf das Schaf, welches zuvor auf dem Kutschbock gesessen hatte. „Vom Wolf auf das Schaf gekommen, was? Ein sehr friedlicher Wechsel.“ Shen strafte ihn mit einem erneuten giftigen Blick und Po blieb wieder still. Das Schaf hatte unterdessen die Tür der Kutsche geöffnet und der Lord setzte den ersten Fuß rein. „Wie sollen wir denn da alle reinpassen?“, fragte Po. Zum ersten Mal schenkte der Lord ihm ein Lächeln. „Tja, du wirst solange mit Wulong Vorlieb nehmen müssen.“ „Wer ist Wulong?“ Die Frage des Pandas wurde prompt mit einem lauten Schnauben in seinem Rücken beantwortet. Po drehte sich um und winkte dem Widder zögernd zu. „Hi, Kumpel. Erwartest du etwa, dass wir auf seinen Rücken reiten?“ „Nur keine Sorge, Drachenkrieger“, beruhigte ihn die alte Ziege. „Er wird euch in der Rikscha hinter sich herziehen.“ In der Tat hatte der Widder eine Rikscha im Schlepptau. Po tippte seine Fingerspitzen aneinander. „Das ist sehr nett. Aber er ist sehr sprechfaul.“ „Sie kann dir ja Gesellschaft leisten“, meinte Shen spöttisch und deutete auf Xia. Jetzt war es Po, der zwischen ihm und sie zeigte. „Wir sollen zusammensitzen?“ „Wenn du es lieber vorziehst den ganzen Weg zu Fuß zu gehen.“ „Nein, nein. Ich dachte ja nur, sie würde… mit dir…“ „Entweder so, oder gar nicht!“ Po hob die Tatzen. „Ist ja gut. Also machen wir es uns gemütlich.“ Damit schob er Xia Richtung Rikscha. Der Lord schnaubte. „Du kommst mit mir.“ Die alte Ziege nickte ihm zu. „Ganz wie du wünschst.“ „Und noch etwas.“ Damit beugte sich der weiße Pfau zu ihr runter und flüsterte: „Sag deinem Schwager, er soll die beiden im Auge behalten.“ Er deutete mit dem Kopf rüber zu Wulong. Die Ziege lächelte. „Ich bin mir sicher, dass er das tun wird.“ Nachdem alle Reisenden Platz genommen hatten, setzten sich die Karren in Bewegung. Ling begleitete sie ein Stück bis zum Haupttor. „Keine Sorge!“, rief er ihnen winkten nach. „Ich werde mich um alles kümmern!“ Nachdem sie die ersten Hügel überquert hatten, löste sich Po vom Blick auf die Stadt hinter ihnen und wandte sich seiner Reisegenossin zu. „Was ich noch vergessen habe vorhin zu fragen, hm, sag, bist du in diesem Fall also eine Prinzessin?“ „Ähn, ja, bin ich.“ „Wow, ich hab noch nie neben einer Prinzessin gesessen. Das ist eine große Ehre für mich.“ Das Mädchen lächelte. „Aber für eine Prinzessin bist du ganz okay.“ „Wie darf ich das verstehen?“ „Nun, ich dachte immer, Prinzessinnen wären sehr…. Äh… nun, du verhältst dich so normal, nicht so herablassen. Und das war ein Kompliment.“ Sie bedeckte ihren Schnabel mit ihrem Flügel und lachte. „Da bin ich aber froh.“ Am Ende lachten beide. Quietschend rollten die Räder durch die schneebedeckten Straßen. Die Wahrsagerin hatte die Augen geschlossen und lauschte den zwei Personen in der Rikscha, bis ein sanftes Knurren sie veranlasste ihre Augen wieder zu öffnen. Shens Blick war nach draußen gerichtet, sein Kopf lehnte auf seinem Flügel, der wiederum mit dem Ellbogen sich auf dem Kutschfensterrahmen abstützte. Sein Gesicht wirkte düster und bedrohlich. Der Schnee erinnerte ihn an vergangene Tage… Vor 17 Jahren… Mit einem knarrenden Geräusch öffnete sich die Tür des unfertigen Gebäudes. Die Krallen des Lords kratzten auf den frischen neuen Holzboden. Er befand sich in der entlegensten Ecke der Fabrik. Es handelte sich dabei mehr um einen großen Abstellraum. Der Wolf, der ihn begleitete, schloss mit einer Verneigung die Tür hinter ihm wieder. Es fiel nur spärlich Licht in den Raum. Doch genug für den Pfau, um sich einen Überblick zu verschaffen. Um ihn herum standen einige Kisten und viel Material. Doch er war nicht in das Gebäude gekommen, um nach Baumaterialien zu schauen. Sein Wille führte ihn in eine bestimmte Ecke, wo eine kleine zusammengekauerte in einer Decke eingewickelte Figur saß. „Na, eine gute Nacht gehabt?“ Er grinste boshaft. Mit einem leichten Zittern hob die Pfauenhenne den Kopf. „Es ist kalt.“ „Was hast du anderes erwartet? Eine Luxus-Suite?“ Er lachte. „Tut mir leid für dich, aber ich konnte nicht riskieren, dass du mir wegläufst.“ Sie senkte den Blick. „Noch irgendwelche Wünsche, kleiner Spion?“ „Könnte ich bitte etwas zu essen haben?“ Der weiße Prinz unterbrach sie mit einem Wink seines Flügels. „Meine Soldaten haben selber kaum was. Gefangene bekommen gar nichts.“ „Ein kleiner Krümel würde mir schon reichen.“ „Nicht mal ein Krümel Schießpulver.“ Mit einer höhnischen Geste wandte er sich ab, doch dann hielt er im Gehen inne. „Es sei denn…“ Sie schaute zu ihm auf, überrascht und ängstlich zugleich. Langsam dreht er sich zu ihr um und blickte auf sie herab. „Es sei denn, du würdest mir Gesellschaft leisten.“ Ihre Augen wurden weit. Er lächelte böse. „Nun, was ist?“ Wenige Augenblicke später… Seine Fingerfederspitzen strichen über den Rand der leeren Schüssel vor ihm auf dem Tisch. Er schielte zu ihr rüber. Sie saß ganz dicht neben ihm. Ihre Flügel lagen frei auf der Tischplatte und sie schien nicht zu wissen, ob sie in sein Gesicht sehen sollte oder nicht. Stattdessen starrte sie nur auf ihre Flügel in unsicherer Körperhaltung. Ein Lächeln umspielte seine Schnabelwinkel. Sie verhielt sich wie ein ängstliches Kind. Alle Damen, denen er im Laufe seines Lebens begegnet war, hatten ihm immer nur mit abwertenden Blicken zurückgewiesen. Sie war die Erste, die ihm das Gefühl von Überlegenheit gab. Und er empfand Gefallen an ihrem Verhalten. „Wollen mal sehen was wir haben“, murmelte er und nahm einen Löffel zur Hand. Sie antwortete nicht. Ihre Augen beobachteten nur was seine Flügel taten. Er schöpfte etwas Suppe mit kleinen Klösen in eine Schüssel und schob es zu ihr rüber. Sie betrachtete zuerst die Schüssel, dann ihn. Zögernd nahm sie sie in die befiederten Hände. „Danke.“ Er schenkte ihr ein herablassendes Nicken. „Bilde dir nur nichts darauf ein. Für gewöhnlich verdienen Eindringlinge keine Sonderbehandlung.“ Sie beobachtete ihn, schließlich nickte sie zaghaft, doch sie behielt ihre Unsicherheit. „Esst Ihr nichts?“ Er stützte seine Ellbogen auf der Tischplatte ab und legte sein Kinn auf seine Flügel, was sie nur noch unsicherer werden ließ. „Ich habe selten jemanden beim Essen neben mir.“ Er mochte ihre Erscheinung. Und er genoss sie. Frauen hatten immer einen großen Bogen um ihn gemacht, wenn er in ihre Nähe kam. Sie sollte nicht gehen. Sie sollte in dieser Position bleiben. Sie hustete ein wenig. „Iss ruhig“, forderte er mit sanfter Stimme. „Es ist nicht vergiftet.“ Als ob er ihr mit dem Tod gedroht hätte, nahm sie den ersten vollen Löffel in den Mund. Sie versuchte sich auf das Essen zu konzentrieren. Doch er konnte seinen Blick nicht von ihr abwenden. Er wollte sie beobachten. Die silberweißen Strähnen und Flecken auf ihrem braunen Hals faszinierten ihn und schimmerten im Licht der Lampen. All die anderen Frauen, die er bis jetzt gesehen hatte, besaßen Farben wie grün, lila oder blau. Doch keine von ihnen besaß je eine einzige weiße Feder im Federkleid. Weiß war wie ein Teil von ihm. Ohne zu wissen was er tat, streckte er seinen Flügel nach ihr aus und berührte ihren Hals. Sie schrak zusammen. Mit geschockten Augen wich sie seiner Berührung aus. Der Lord zog seinen Flügel zurück. Der Zauber war vorbei. Seine Entspannung gewichen. Ärgerlich erhob er sich, seine Augen hart auf sie gerichtet. „Meine Farbe täuscht. Da ist keine Schwäche in mir!“ „Nein, es ist nicht deswegen…“ Sie schluckte, als befürchtete sie ihr Leben zu verlieren. „Es ist nur… Ich mag das nicht.“ „Was? Meine Gegenwart?“ „Nein, ich fühl mich nicht wohl, wenn ein Mann mir auf diese Art und Weise zu nahekommt.“ „Ich hab ein Recht darauf!“ „Bitte nicht!“ Sie bedeckte ihr Gesicht, als ob er gerade etwas Schmutziges gesagt hätte. Er knurrte wütend. „Immer dieselben Ausreden!“ Mit einem harten Seitenhieb stieß er sie weg. Sie fiel zur Seite und landete auf dem Boden. Er sprang neben sie und beugte sich zu ihr runter. „Soll ich mich einfärben?! Wäre ich dann gut genug für dich?“ „Gegen Ihre Farbe habe ich nichts.“ Er packte sie brutal am Flügel und starrte ihr vor Wut in die Augen. „Ist Lügen eines deiner Hobbys?“ „Ich lüge nicht! Ich mag es nur nicht angefasst zu werden.“ „Nur wegen meinem Erscheinungsbild?!“ „Nein, ich mag Ihre Farbe.“ Sie spürte, wie sich seine Fingerfedern um ihren Hals legten und zudrückte, wobei er schnaubend ein und ausatmete. Es klang wie ein warnendes Zischen. „Niemand kann meine Farbe leiden! Alle hassen sie! Wieso solltest ausgerechnet du Sympathie für diese Farbe hegen?“ Sie zuckte zusammen, als er seinen Druck um ihren Hals verstärkte. „Wieso?!“ „Wegen dem Schnee!“ Er lockerte ein wenig seinen Griff, um sie atmen zu lassen. „Schnee?“ „Ich mag den Schnee. Es gibt mir das Gefühl der Besinnung und Reinheit. Seit ich ein kleines Kind bin, bin ich immer glücklich, wenn der Schnee fällt.“ Noch immer starrte er sie an. Tränen lagen in ihren Augen. „Aber wenn Ihr mich tötet, so lasst mich wenigstens meinen Frieden im Schnee finden, so wie hier.“ Nur ihre Atemzüge erfüllten den Raum, begleitet von einem sanften Schluchzen. Nach einer Weile ließen seine befiederten Hände vollständig von ihrer Kehle ab. Langsam strich sie mit ihren Fingerfedern über ihre noch nassen Augen. Allmählich merkte er, dass er fast auf ihr lag. Ihr Körper war verkrampft. Langsam entfernte er sich und hielt einen gewissen Abstand zwischen sich und ihr. Mit jeder Sekunde fand er seine Selbstbeherrschung zurück. Seine Augen hingen an ihr. Die Pfauenhenne erhob sich, ihr Schluchzen wurde leiser. Beide Vögel sahen sich an. Nach einer Weile brach Shen den Augenkontakt ab und senkte den Blick. „Sag mir Bescheid, wenn du meist, ich sei zu aufdringlich.“ Er drehte sich um, doch kurz darauf schaute er wieder zu ihr zurück. „Würdest du bleiben in meinem Quartier bis mein anderes Quartier fertiggestellt ist?“ Erneut überkam sie ein leichtes Zittern. Shen verengte die Augen. „Ich werde dich nicht berühren.“ Eine fremde Atmosphäre lag zwischen ihnen in diesem Raum. Schließlich nickte sie. Eine Lüge. Die Wahrsagerin bemerkte wie sich Shens Augen verengten. „Eine Lüge“, hörte sie ihn sagen. „Die Zukunft wird Licht ins Dunkel bringen.“ Er funkelte sie zornig an. „Wo Licht ist, da ist immer Dunkelheit, die nie vergehen wird.“ Sie starrte ihn an. Dann blickte er wieder aus dem Fenster, wo er die weißen schneebedeckten Berge beobachtete. Du hast den Schnee gemocht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)