Ich, er und die Liebe von Maginisha ================================================================================ Kapitel 10: Von französischen Bäumen und verdächtigen Pfannkuchen ----------------------------------------------------------------- Wisst ihr, was die Steigerungsform von Plusquamperfekt ist? Nein? Ich schon. 'Le plus-que-parfait', also der gleiche Quatsch nochmal auf Französisch. Himmel, war das Scheiße. Vor allem mit den dämlichen, reflexiven Verben. In der Verneinung. Argh! Wenigstens hatte mir meine Mutter mal eine nette, kleine Geschichte erzählt, mit der man sich die berühmten „14 Verben der Bewegung und des Verweilens“, die ihre Formen mit 'être' bilden, merken konnte. Für den Rest die ganze Chose dann mit 'avoir' und man konnte nicht mehr so viel verkehrt machen. Natürlich nur, wenn man nicht eine der vielen Ausnahmen vor sich hatte, wo sich ein direktes Objekt auf eines der Bewegungs-Verben bezog. Alles klar? Nein? Bei mir auch nicht.   Ich brütete also über meinen Französisch-Aufgaben und versuchte nicht dran zu denken, dass ich in der übernächsten Stunde mein Referat halten musste. Es war ja nicht so, dass das, was ich zu erzählen hatte, besonders schwer verständlich war. Ich war halt nur nicht so der Typ, der sich vor die ganze Klasse stellte und was vortrug. Mochte ich noch nie. Vielleicht war das der Grund, warum ich in der Fünften und Sechsten immer schön meine Hausaufgaben erledigt hatte. Dort mussten wir nämlich, wenn wir die dreimal vergessen hatten, ein Gedicht lernen und vortragen. Ich musste das einmal machen, das hat mir gereicht. Vor allem, weil ich jetzt immer noch einen Teil von „Brabbel-Berta und das rasende B“ auswendig konnte. Hatte ich erwähnt, dass ich mir so was gut merken kann?   Immerhin hatten wir inzwischen eine einigermaßen nette Französisch-Lehrerin. Die erste war eindeutig unfähig gewesen und irgendwann von einem Referendar abgelöst worden, der erstens super aussah und mich zweitens nicht leiden konnte. Keine Ahnung, warum dieser Alain-Delon-Verschnitt mich immer auf dem Kieker gehabt hatte. Vermutlich wollte er die Mädels aus dem Kurs für sich allein haben. Das war wirklich so Klischee; der gut aussehende Französischlehrer, der sie alle aufseufzen ließ, wenn er sich zur Tafel umdrehte, um seinen absolut perfekten Hintern in der reichlich was zu engen Jeans zu präsentieren. Ich konnte schon gar nicht mehr zählen, wie oft eine meiner Mitschülerinnen ihn wohl irgendwelchen Mist gefragt und immer eine très chamant Antwort darauf bekommen hatte, während er mir, als ich in einer Klassenarbeit mal gefragt hatte, ob er mir mal eben sagen könnte, was Kleiderschrank auf Französisch heißt, geantwortet hatte, dass er mir das natürlich sagen oder sich stattdessen ein Loch ins Knie bohren und heißen Himbeersirup durchgießen könnte. Ich hab an der Stelle nicht so gelacht, wie man sich vielleicht vorstellen kann. Allerdings musste ich zugeben, dass er das Aufholen des versäumten Stoffes einigermaßen durchgezogen hatte, sodass das mit der zweiten Fremdsprache inzwischen nicht ganz so schlecht lief. Frau Bertram, die jetzige Lehrerin, wirkte auf jeden Fall ganz zufrieden, wie sie da so vor uns stand, und uns frohgemut eröffnete:   „Ihr Lieben, bevor wir jetzt schließen, habe ich noch eine Überraschung vorbereitet. Ich möchte mit euch vor den Sommerferien noch ein kleines Theaterstück einüben. Hier ist ein Buch mit drei Stücken zur Auswahl, das ich euch zur Ansicht dalassen möchte. Bitte gebt sie im Kurs herum, damit wir dann nächste Woche entscheiden können, welches Stück wir spielen.“   Ich glaube, mein Kopf entging nur haarscharf einer Kollision mit der Tischkante. Theaterspielen? Auf Französisch? Ach bitte nicht doch. Na vielleicht gab es da ja auch eine Rolle, wo man nicht sprechen musste. Einen Baum oder so. Das würde mir gefallen. Ich lächelte still in mich hinein.   „Warum grinst du so?“, wollte Mia-Marie wissen, während sie ihre Sachen zusammenpackte. „Ich hab mich gefragt, ob ich da wohl auch einen Baum spielen kann.“ „Das kannst du tatsächlich.“   Ich blinzelte verwundert und sah mich um, woher diese Stimme kam. Also ich wusste eigentlich, wem sie gehörte, aber sie hatte noch nie mit mir geredet, glaube ich. Vor mir stand „nur Mia“ und hielt das Buch in Händen, das Frau Bertram ausgegeben hatte. Dazu muss ich wohl kurz erklären, dass die Klassen während des Unterrichts für die zweiten Fremdsprache gemischt wurden, sodass sich alle Exoten, die Französisch gewählt hatten, bei uns im Klassenraum trafen, während der Rest sich in den zwei Latein-Kursen auf die Füße trat. Somit war mir dreimal die Woche die absolute Eifersucht von Jo gewiss, da ich mit „nur Mia“ dieselbe Luft atmen durfte. Sie war übrigens ein Ass in Französisch und sie lächelte mich an. „In einem der Stücke geht es um ein Kind, das sich in einem Wald verirrt hat, in dem die Bäume sprechen können. Wenn wir das auswählen könntest du eine Pappel, eine Birke oder eine Weide spielen. Bei 'sorbier' bin ich mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, das ist eine Vogelbeere.“ „Äh ja“, machte ich. „Eine Vogelbeere. Klingt toll. Ich überleg’s mir.“ „Fein“, sagte „nur Mia“ und schwebte von dannen. Mia-Marie sah mich an. „Du wolltest eigentlich gar nicht reden, oder? Deswegen wolltest du einen Baum spielen.“ „Wie hast du das nur erraten, Chérie?“, fragte ich gespielt erstaunt und grinste sie an. Sie grinste zurück und dann machten wir uns wieder zurück auf den Weg zu unseren angestammten Plätzen.   Während ich meine Deutschsachen auspackte, amüsierte ich mich immer noch über den Gedanken. Eine Vogelbeere. Im Ernst? Dann doch lieber eine richtige Sprechrolle.   „Warum lachst du?“   Ich schwöre, Anton war eigentlich von der Enterprise. Der konnte sich einfach so neben dir materialisieren, ohne dass du ihn kommen sahst.   „Ich soll vielleicht ne Vogelbeere spielen.“   Anton sah mich an, als wartete er auf den Witz an der Sache. Menschlicher Humor schien ihm manchmal fremd zu sein.   „In Französisch. Ein Baum in einem Theaterstück.“   Er nickte nur. „Die Sorbus aucuparia, auch bekannt als Eberesche, ist eine wirklich bemerkenswerte Pflanze. Sie ist nicht, wie der Name vermuten lässt, mit den Eschen verwandt, sondern gehört zur Gattung der Mehlbeeren, einer Unterart der Rosengewächse. Ihre Früchte sind entgegen des landläufigen Glaubens nicht giftig und wurden früher gerne als Mittel gegen Skorbut eingesetzt. Darüber hinaus wird die Eberesche in vielen Kulturen als Abwehr gegen Hexen, Krankheiten oder böse Geister verwendet.“   Hatte ich erwähnt, das Antons zweiter Vorname „Wikipedia“ lautete?   „Mir wäre eine Abwehr gegen Oliver lieber“, knurrte ich und ging vorsichtshalber in Deckung. Der Knilch hatte sich heute anscheinend mit Jo verbündet. Auf jeden Fall standen die beiden im Eingang rum und blockierten ihn so für alle Nachkommenden. Als sie auch noch zu mir hersahen, tat ich beschäftigt. Sicher war sicher.   „Hey, Benedikt, ich hab ganz vergessen, dass du noch Geld von mir bekommst.“   Ich zuckte zusammen. Stand Mia-Marie jetzt ernsthaft vor meinem Tisch mit ihrem Portemonnaie in der Hand? Für alle sichtbar? „Ich, äh, hab noch nicht ausgerechnet, wie viel es war.“   Am Abend zuvor war ich nämlich leicht abgelenkt gewesen. Zum Glück hatte meine Mutter beim Abendessen nicht auf großartigen Gesprächen bestanden, sodass ich mich nach dem Abräumen gleich in mein Zimmer verzogen und Musik gehört hatte, bis ich mich irgendwann kurz vor dem Schlafengehen doch noch dazu hatte durchringen können, schnell ein paar Hausaufgaben hinzuklieren. Frau Bertram würde mich vermutlich darauf aufmerksam machen, dass die drei neuen, grauen Haare in ihrem ansonsten braunen Schopf auf mein Konto gingen, Herr Vogel würde mich strafend ansehen und Herr Boysen, unser Englischlehrer, einfach ein „C-“ unter meine Schmiererei setzen, aber zu mehr war ich gestern einfach nicht mehr in der Lage gewesen.   Jetzt jedoch hatte ich ganz andere Probleme. Namentlich Oliver, der Mia-Maries Auftritt natürlich zum Anlass nahm, wieder irgendwelche Gehässigkeiten von sich zu geben. Als er jedoch laut und deutlich mutmaßte, dass mich Mia-Marie dafür bezahlen würde, damit ich mit ihr ausging, platzte ihr der Kragen. „Ich hab es nicht nötig, irgendwen dafür zu bezahlen“, fauchte sie ihn mit hochrotem Kopf an. „Außerdem hat Benedikt eine Freundin.“   Der Gesichtsausdruck von Jo war es fast wert, so von Mia-Marie geoutet zu werden, aber eben nur fast.   „Mia“, zischte ich und warf ihr einen mörderischen Blick zu. Sie sah mich immer noch wütend an. „Na ist doch wahr, oder nicht? So verliebt wie du hier den ganzen Morgen schon rumtänzelst.“   Ich? Verliebt? Öhm …   „J-ja“, stotterte ich und wurde auch fast gar nicht rot bei der Lüge, die noch dazu doppelt infam war, denn erstens wusste ich ja gar nicht, ob Manuel und ich nun eigentlich „zusammen“ waren, und zweitens war er mit ziemlicher Sicherheit kein Mädchen. Ich wusste das, ich hatte nachgesehen. „Benedikt hat eine Freundin?“   Oh na prima, jetzt hatte die Klatschpresse auch noch davon Wind bekommen. Ich sah schon, wie Mia-Sophie und die anderen ihre Hälse vorstreckten wie Hyänen, die Beute gewittert hatten. Zum Glück kam Herr Vogel in diesem Moment rein und rettete mich mit Hesses tollem Machwerk vor weiteren Fragen über mein Liebesleben.   In der großen Pause flüchtete ich mich gleich zu den Nerds, die an solchen Dingen zum Glück vollkommen uninteressiert waren, und in Erdkunde durfte ich ja mein tolles Referat halten, sodass ich nicht die Verlegenheit kam, mich allzu viel mit irgendjemandem unterhalten zu müssen. Es lief sogar verhältnismäßig gut und Frau Kuntze gab mir für das Ganze eine schwache Zwei, was mich mich mit einem recht zufriedenen Grinsen wieder auf meinen Platz setzen ließ. Das verging mir allerdings, als Jo sich zu mir umdrehte – warum genau saßen wir schon wieder hinter ihm und T ? – und mir zuzischte: „Das mit deiner Freundin war doch ein Witz, oder?“ Ich versuchte cool zu bleiben. „Warum soll das ein Witz sein?“ „Wenn du wirklich eine abgekriegt hast, dann sag mir doch mal, wie sie heißt, woher sie kommt und wie sie aussieht.“ „Alter, das geht dich gar nichts an.“ „Also doch ne Lüge.“   Ich funkelte ihn wütend an. Jetzt hatte ich also die Wahl als Lügner dazustehen oder tatsächlich zu lügen. Oder die volle Wahrheit zu sagen, aber das kam definitiv nicht in Frage.   „Man, du kennst sie nicht, also halt jetzt endlich die Klappe.“ „Ich glaube dir nicht.“ „Dann halt nicht, ist mir auch egal.“   Jo wollte offenbar noch was sagen, aber T mischte sich in die Unterhaltung ein. „Lass gut sein. Ob er ne Freundin hat oder sich nur ausdenkt, kann dir doch vollkommen egal sein.“   Daraufhin drehte Jo sich wieder nach vorne um und ich konnte wunderbar Ts Hinterkopf anstarren. Was sollte das denn jetzt? Glaubte er mir etwa auch nicht? Blöder Wichser. Und in den war ich verliebt gewesen? Gab es ja gar nicht. Was bildete der sich denn eigentlich ein? Dass nur er und sein Gefolge auf dieser Welt das Recht hatten, sich fortzupflanzen?   Ich erinnerte mich noch, wie er mal gesagt hatte, dass man den Anti-Flynn-Effekt auch Corinna-Effekt nennen könnte, weil der immer eintreten würde, wenn sie den Raum betrat. (Wer’s nicht weiß: Der gute Herr Flynn hat die Beobachtung gemacht, dass der IQ in den Industrieländern Jahr für Jahr ansteigt; der Anti-Flynn-Effekt bezeichnet somit die Stagnation dieses Anstiegs beziehungsweise den Rückgang des durchschnittlichen IQs.)   Ich meine, gut, Corinna war tatsächlich dumm wie Brot und das konnte im Gegensatz zu ihr wenigstens schimmeln. Sogar ihre beste Freundin hatte mal mit leicht genervter Stimme erzählt, dass sie bei einem Übernachtungsbesuch allen Ernstes von sich gegeben hatte, dass sie das Licht nicht ausmachen könne, weil ihre Nägel noch nicht trocken seien. Als wenn die nicht auch im Dunkeln trocknen würden. Aber trotzdem war sie ja nun immer noch ein Mensch. Ein ziemlich einfältiger Mensch, der jede Woche in irgendwen anders verknallt war und dieses lang und breit auf ihren Collegeblock malte oder auf Instagramm postete, dessen einziger, privater Lesestoff vermutlich aus der Bravo bestand und der mit ziemlicher Sicherheit davon träumte, später mal Filmstar, Influencer oder Supermodell zu werden, wenn das mit dem Abi nicht klappte, aber deswegen musste man sie ja nun nicht gleich blöd anmachen. Für den Rest der Stunde, beschäftigte ich mich damit, T doof zu finden und ansonsten immer mal auf mein Handy zu schielen, ob Manuel mir auf meine Nachricht von heute morgen geantwortet hatte. Das erste klappte ganz gut, das zweite eher weniger. Man, war es denn wirklich so schwierig, auf ein „Guten Morgen“ was zurückzuschreiben? Anscheinend schon. Am Ende der Stunde gab ich auf, schmiss das Handy in den Ranzen und trollte mich nach draußen.     „Wann kommst du morgen?“, wollte Anton wissen, während wir zurück zum Klassenraum gingen.   Ach ja, die Verabredung wegen meines Computers. Die hatte ich bei all dem auch irgendwie vergessen.   „Ich hab meine Mutter noch nicht gefragt, ob sie mich fahren kann. Aber ich denke so gegen drei?“ „Okay. Denk dran, ich brauch nur den Rechner, den Rest kannst du zu Hause lassen.“ „Geht klar.“ Der Rest des Tages plätscherte so vor sich hin, wobei ich das Gefühl hatte, dass Mia-Sophie und ihr Gefolge mich beim Sport die ganze Zeit beobachteten. Da war es mir ganz recht, das unser Sportlehrer mal wieder zu faul gewesen war und einfach den Aufbau der vorherigen Sportgruppe übernommen hatte, sodass wir schön im Kreis rennen und Zirkeltraining absolvieren konnten. Ich konzentrierte mich so sehr auf die Übungen, damit ich auch ja nicht in Versuchung kam, mich nach T umzusehen, dass ich sogar richtig ins Schwitzen kam, was mein Sportlehrer dummerweise wohlwollend zur Kenntnis nahm. „Seht ihr, Benedikt hat sich heute richtig angestrengt und die Übungen durchgezogen und nicht nur so getan. So will ich das sehen.“   Oh ja, danke. Natürlich war es mein absoluter Wunschtraum, mit hochrotem Kopf und Schweißflecken unter den Armen als gutes Beispiel herangezogen zu werden. Herzlichen Dank auch dafür.   „Dafür bist du heute mal vom Abbauen befreit. Schönes Wochenende.“   Ach echt? Cool! Ich grinste, grüßte nochmal in die Runde und sah zu, dass ich mich vom Acker machte, bevor ich noch einen blöden Spruch kassierte. Manchmal sorgte das Leben eben doch für Gerechtigkeit.   In der Umkleide riss ich mir die Klamotten vom Leib. War ja keiner da und selbst wenn, wäre der Einzige, den ein spärlich bekleideter, männlicher Hintern interessiert hätte, ja schließlich ich selbst gewesen. Für einen Augenblick liebäugelte ich tatsächlich damit, duschen zu gehen, aber da ich kein Handtuch dabei hatte und die Duschen in den Umkleiden meiner Meinung nach sowieso nur der Vollständigkeit halber eingebaut worden waren, beließ ich es dabei, mich kurz an einem der Becken zu waschen und mich mit dem T-Shirt abzutrocknen, bevor ich wieder zurück in die Umkleide ging. Dort jedoch blieb ich wie angewurzelt stehen. Mitten im Raum stand niemand anderer als T und wartete auf mich. Was zum … ?   „Hey“, sagte er und war anhand meines Aufzugs mal so gar nicht peinlich berührt. Ich bemühte mich sehr, es auch nicht zu sein, denn schließlich waren wir ja beide Jungs, nicht wahr? Und er hatte schließlich was an. „Ich wollte dir nur nochmal sagen, dass es mir leidtut. Wegen des blöden Spruchs vorhin.“ „Welchem?“ Ich war immer noch so damit beschäftigt, mir nicht präsent werden zu lassen, dass ich fast nackt war, dass ich im ersten Moment nicht wusste, wovon er sprach. T wirkte plötzlich doch nervös. „Na der von Jo. Er ist momentan einfach ein bisschen …“ „Abgeblitzt?“, fragte ich in gehässigem Tonfall.   Mir war gerade wieder eingefallen, dass er ja „nur Mia“ hatte nach einem Date fragen wollen. War wohl nicht so gut gelaufen und seinen Frust darüber hatte er anscheinend an mir auslassen müssen. Komischerweise schien T das sehr zu amüsieren. Er grinste.   „Ja, könnte man so sagen. Also nimm’s ihm bitte nicht krumm, ja?“ Ich brummte etwas, das man mit viel Wohlwollen als Zustimmung werten konnte. T atmete tief durch und nickte mit dem Kopf in Richtung Tür. „Na ja, also … ich geh mal lieber zurück, bevor die mich vermissen.“ „Klar.“   Er lächelte mich noch einmal kurz an, bevor er sich einfach umdrehte und den Raum verließ. Und ich? Ich starrte ihm nach und wusste nicht, was ich davon jetzt halten sollte. Erst benahm er sich wie ein Arschloch und jetzt kam er sich entschuldigen? Für was, was er gar nicht gemacht hatte? Ich verstand das nicht und erst recht nicht das Magenflattern, das das Zusammentreffen mit ihm bei mir ausgelöst hatte. Der Kerl war einfach nur … argh! Ich wollte ihn nicht. Ich wollte Manuel. Ich hatte Manuel, verdammt. Manuel, der im Übrigen immer noch nicht auf meine Nachricht geantwortet hatte, obwohl sie längst als gelesen markiert worden war. Wir hatten bereits Viertel vor eins, aber ein Blick auf mein Display zeigte mir, dass mein Nachrichteneingang immer noch leer war. Für einen Moment erwog ich, ihm noch einmal zu schreiben. Ihn vielleicht nach einem weiteren Treffen zu fragen. Da ich aber keine Ahnung hatte, wann und wo das stattfinden sollte, ließ ich es dann doch sein. Ich musste mir das erst nochmal in Ruhe überlegen. Und mich anziehen, bevor mich noch jemand hier in Unterwäsche stehen sah. Mein Bedarf an Peinlichkeiten war für heute hinreichend gedeckt. Jetzt war erst mal Wochenende angesagt.     „Hey, Mama, ich bin zu Hause.“ „Ich bin in der Küche, Schatz.“   Tatsächlich stand meine Mutter dort und machte Pfannkuchen. Pfannkuchen! Sie hasste Pfannkuchen. Na gut, hassen war vielleicht ein bisschen übertrieben, aber es gehörte nicht gerade zu ihren Lieblingsgerichten. Zu meinen allerdings schon, was mich wiederum stutzig werden ließ. Das war jetzt schon das dritte diese Woche. (Für gestern hatte sie doch tatsächlich aus dem Hackfleisch für die Spaghettisoße Königsberger Klopse gemacht, was sie sonst auch nur höchst selten tat, da ihr das immer zu aufwendig war. Mich hingegen hatte das nach Manuels Besuch zum Glück vom Kochen befreit.) Normalerweise wäre spätestens heute so was wie Gefüllte Paprikaschoten oder so dran gewesen, die ich nun wieder nicht leiden konnte, aber nein, es gab schon wieder was aus der Sparte „Wie krieg ich Benedikt dazu, was für mich zu machen, auf das er absolut keinen Bock hat.“ Och nee, sie wollte doch wohl nicht etwa schon wieder ein neues Beet anlegen, oder? Dafür durfte ich dann nämlich immer die Knochenarbeit leisten und ich sage euch, Garten umgraben war bei Lehmboden einfach mal nur verflucht anstrengend. „Pfannkuchen, Mama?“ Ich versuchte dabei möglichst misstrauisch und vorwurfsvoll zu klingen. Prompt lief sie um die Nase herum ein bisschen rosa an. Also doch, ich hatte es gewusst.   „Ja, Schatz, ich wollte die restlichen Klopse lieber für Morgen aufbewahren, weil … also … ich bin morgen Abend nicht da, weißt du? Und da brauchst du ja was zu essen, daher hab ich mir gedacht …“   Ihre Stimme erstarb und ich wunderte mich. Meine Mama ging nie aus. Nie. Ich konnte mich zumindest nicht erinnern, dass sie das jemals getan hatte. Maximal mit Diana und mir zusammen zu irgendwelchen Geburtstagen oder so. Zum letzten Muttertag hatte ich ihr mal einen Kino-Gutschein geschenkt, den sie bis jetzt immer noch nicht eingelöst hatte. Also … warum dann jetzt? Und mit wem? „Wo willst du denn hin?“, fragte ich möglichst unbeteiligt, während ich mir Unmengen Zucker und Zimt auf den Pfannkuchen streute, was sie normalerweise zu einem strafenden Blick oder sogar einem Kommentar verleitet hätte, aber heute ging sie einfach so darüber hinweg. Hatte sie es überhaupt bemerkt?   „Ach, wir gehen mit den Kollegen zusammen Essen und dann vielleicht noch was trinken. Es kann also spät werden. Du kannst dich also im Wohnzimmer ausbreiten und Netflix gucken bis zum Umfallen.“   Sie lächelte und ich hätte den Köder fast geschluckt. Das klang wirklich traumhaft. Aber in meinem Kopf maulte ein hartnäckiges, kleines Stimmchen herum, dass an der Geschichte was faul war. Wenn es nur ein Essen mit Kollegen war, warum war ihr das dann so peinlich?   Ich wollte gerade erneut nachhaken, als mir auffiel, dass das die Gelegenheit für ein Treffen mit Manuel war. So ein richtiges, wo wir ein bisschen zusammen abhängen und uns vielleicht besser kennenlernen konnten. Allerdings ging das, bei aller Liebe, nicht mit Königsberger Klopsen. Schon gar nicht zusammen mit aufgewärmten Kartoffeln.   „Legst du noch ne Pizza drauf?“, fragte ich scheinheilig. Mal sehen, wie tief ihr schlechtes Gewissen ging. „Schon wieder?“ Sie runzelte die Stirn. Hatte ich es übertrieben? Aber nein, sie seufzte. „Na meinetwegen. Aber nur eine tiefgekühlte.“ „Okay, gebongt.“ Der popelige Pizza-Service aus dem Dorf war eh nicht der Bringer. Außerdem würden wir vielleicht ja gar nicht so zum Essen kommen. Ich grinste mir eins und schaufelte meinen Pfannkuchen in mich hinein. Gleich nach dem Essen würde ich Manuel schreiben und dieses Mal würde er antworten. Ganz bestimmt.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)