Zum Inhalt der Seite

Ich, er und die Liebe

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Von roten Hosen und fehlender Unterwäsche

„Hi, ich bin Julius“, sagte er und lächelte mich an. Und ich? Ich nahm seine Hand und schüttelte sie.

 

„Benedikt“, sagte ich, obwohl ich das eigentlich gar nicht wollte. Oder doch? In dem Moment war ich noch ein bisschen verwirrt und geschockt, dass man mich anscheinend schon wieder als schwul identifiziert hatte.

 

Julius schien das nicht so zu stören. Er nickte mit dem Kopf in die Richtung, in die T verschwunden war und meinte. „Kennst du den Schnuckel näher?“

 

Ich nickte und schüttelte gleich darauf mit dem Kopf, der immer noch versuchte, das Bild zusammenzusetzen, das sich mir gerade bot und von dem ich mir spätestens seit der Verwendung des Wortes „Schnuckel“ sicher war, dass es schwul war. Es war nicht so, dass ich jetzt zwingend gesagt hätte, dass jemand, der aussah und sich kleidete wie Julius, unbedingt schwul sein musste. Aber da dieser Sachverhalt ja quasi schon festzustehen schien, fügte sich das eine oder andere Detail durchaus ins Bild.
 

Da hätten wir beispielsweise die Tatsache, dass er eine bordeauxfarbene Hose trug.

 

Ja, ja, ich weiß, was ihr jetzt denkt. Dass ich weiß, dass sich dieser Farbton Bordeaux nennt, ist auch ganz schön schwul. Das hängt in diesem Fall aber eher mit meiner Mutter zusammen, die ziemlich was für Inneneinrichtung und so übrig hat. Wir hatten für jede Tischdecke farblich passende Sets, die Vorhänge spiegelten sich in den Sofabezügen und die Dekoration kam ebenfalls aus der gleichen Farbpalette. Ihr versteht. Dieses Faible, das sich übrigens auch auf ihren Kleiderschrank bezog, hatte sie erfolgreich an meine liebreizende Schwester weitervererbt, die da noch pingeliger war als sie.

 

Tja und wenn du eben diese große Schwester morgens um halb sieben, noch bevor sie richtig wach ist, in Überzimmerlaustärke ankackst mit: „Du dämliche Kuh hast schon wieder deinen scheißroten Pullover mit in die Wäsche gepackt“ und die dann in schönster Banshee-Manier zurückkreischt: „Der ist nicht rot, der ist bordeaux!“, dann hast du halt rosa Unterwäsche und verwechselst nie wieder rot mit bordeaux. So einfach ist das.

 

Aber zurück zu Julius. Der stand also da und hatte eine farbige – ha, nehmt das! – Jeans an. Ich meine, es hätte schlimmer sein können. Es hätte eine weiße Jeans sein können. Oder hauteng. Oder ne Lederhose. Ebenfalls hauteng. Von daher war er mit der Hose schon nicht so eindeutig unterwegs, aber da war ja noch mehr. Er trug, obwohl er nicht viel älter sein konnte als ich, einen Mantel und einen Schal. Also keinen Winterschal, sondern so ein eigentlich-ist-es-ein-Halstuch-aber-dafür-viel-zu-lang-Ding. Den hatte er sich irgendwie kunstvoll um den Hals gewürgt und wirkte damit mindestens mal … metrosexuell. Können wir uns darauf einigen? Die Schuhe passten zum Mantellook. Lederschuhe und relativ elegant, sodass ich mir ein bisschen blöd vorkam mit meinen ausgelatschten Tretern. Und dann war da noch sein Gesicht.

 

Ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll. Julius’ Gesicht war … weich. Jetzt nicht, dass er aussah, als wäre er Brotteig. Ganz und gar nicht. Aber er wirkte nett. Freundlich, mit seinen dunkelblonden Locken, den blitzenden blauen Augen, die einen Stich ins Grünliche hatten, und dem Lächeln, das mich immer noch warm beschien. Einen Ohrring hatte er auch, wie ich feststellte. Einen kleinen, goldenen Ring und nur in einem Ohr. War da nicht irgendwas mit einem Code gewesen? Links ist cool und rechts ist schwul? Oder war das andersrum? Ich hatte es vergessen.

 

Das alles zusammen genommen mit dem Umstand, dass er T gerade einen „Schnuckel“ genannt und sich darüber beschwert hatte, das Typen wir er leider nie für Schwule zur Verfügung standen, ließ mich dann doch annehmen, dass ich trotz so überhaupt nicht existentem Gaydar wohl gerade einem „Leidensgenossen“ gegenüberstand. Nur dass er eindeutig nicht litt.
 

„Ich freue mich auf jeden Fall, dich kennenzulernen“, strahlte er mich an. Dann wurde er plötzlich ernster. „Oh man, tut mir leid. Ich überfahre dich gerade ziemlich, oder?“

 

Ich nickte. Er lächelte wieder.

 

„Tja, weißt du, ich hab dich hier stehen sehen mit der Gitarre und ich dachte mir: 'Was macht der da bloß?' Aber dann kam da dieser Typ raus, den du mit diesen riesengroßen Herzchen in den Augen angesehen hast, dass mir so ziemlich klar war, was da gerade abging. Und als du dann so verloren da gestanden hast, wollte ich einfach … ich wollte dich damit nicht allein lassen.“

 

Julius unterbrach sich. Er grinste, wenngleich dieses Mal auch ein wenig schief. „Sorry, ich rede immer noch zu viel, oder? Passiert mir manchmal. Ist ’ne Berufskrankeit, fürchte ich.“

„Wieso, was bist du denn?“

„Kaufmann.“ Er lachte schon wieder. „Also noch nicht. Ich arbeite dran. Ist ’ne etwas längere Geschichte. Wenn du willst, erzähle ich sie dir, aber vielleicht lieber irgendwo, wo es wärmer ist. Hast du Lust auf einen Kaffee?“

 

Ich blinzelte ihn an. Hatte der mich gerade gefragt, ob ich mit ihm einen Kaffee trinken gehe? Mich? Nachdem er gerade T live und in Action gesehen hatte, bat er wirklich mich, mit ihm einen Kaffee trinken zu gehen? Aber noch während ich begann, komische Höhenflüge zu bekommen, fiel mir wieder ein, was er vorher gesagt hatte. Dass ich ihm leidgetan hatte und er mich nicht alleine lassen wollte. Das war ja furchtbar nett von ihm, aber Almosen brauchte ich nun wirklich keine.

 

Ich sah auf die Uhr, die an einem kleinen Turm vor der Bank prangte. „Tut mir leid, ich muss los. Mein Bus.“ Das war nicht mal unbedingt gelogen. Der fuhr in 25 Minuten und so schnell konnte man ja keine Kaffee trinken, nicht wahr?

 

Julius nahm es gelassen. „Okay, schade. Ich hätte mich gefreut. Aber wenn du mal … ich weiß nicht … reden willst oder, kannst du ja mal im Monopoly vorbeikommen. Ich arbeite da Dienstag und Donnerstag abends und an den Wochenenden.“
 

„Ja, vielleicht“, gab ich unverbindlich zurück. Ich wusste gerade einfach nicht, was ich davon halten sollte, dass er mich so mir nichts, dir nichts ansprach und mich zum Kaffee einlud, nur um mit mir zu quatschen.

 

„Also dann, Benedikt. Ich hoffe, man sieht sich mal wieder.“

 

Er lächelte noch einmal, drehte sich dann um und ging in die genau entgegengesetzte Richtung davon wie T zuvor. Und ich stand dumm in der Gegend rum und wusste gleich gar nicht, wo ich jetzt hingehen sollte. Plötzlich wünschte ich mir, ich hätte Julius’ Einladung angenommen. Ich stellte es mir nett vor, mit ihm in einem Café zu sitzen – vielleicht nicht mit Kaffee, heiße Schokolade war da eher meins – und einfach mal ein bisschen zu reden. Vielleicht hätte mich das von meinem Problem mit T abgelenkt. Aber jetzt war es zu spät und er war weg.

 

Ich seufzte und warf mir meinen Rucksack über die Schulter. Im Grunde genommen war der Tag doch gar nicht so schlecht gewesen. Ich hatte die Schule gut überstanden, mein Referat fertig, mich – vielleicht – nicht total vor T blamiert und hatte noch dazu eine Einladung von einem eigentlich ganz hübschen, schwulen Kerl bekommen, der mich gerne mal wiedersehen wollte, und würde nicht den Bus verpassen. Alles in allem hätte ich es schlechter treffen können, fand ich. Jetzt musste nur noch der Rest des Tages einigermaßen glimpflich über die Bühne gehen, dann kam er definitiv auf die Haben-Seite.

 

 

Als ich bei uns aus dem Bus stieg, wusste ich sofort: Das war die Strafe für meinen Optimismus. Nicht nur, dass zu dieser Uhrzeit der einzige Bus, den man nehmen konnte, unser Dorf nur so ganz am Rande touchierte und ich somit Glück hatte, dass man mich auf der Bundesstraße nicht einfach während der Fahrt aus dem Fenster geworfen hatte, und nicht nur, dass ich ja quasi am anderen Ende des Ortes wohnte und somit einen mindestens fünfzehnminütigen Fußmarsch vor mir hatte, nein, es goss obendrein auch noch wie aus Kübeln. Und natürlich hatte ich keinen Schirm, weil Jungs in meinem Alter nunmal keinen Schirm haben. Das wäre ja schwul. Haha!

 

All das half jetzt jedoch nichts, ich musste durch dieses mobile Schwimmbecken auf Rädern nach Hause laufen. Ich zog also den Kopf ein, hielt meinen Rucksack an mich gepresst und rannte durch die verlassenen Straßen, um wenigstens noch halbwegs trocken zu Hause anzukommen. Es blieb bei dem Versuch. Das Einzige, was mich dabei noch aufrechterhielt, war der Gedanke, dass ich durch dieses Opfer immerhin Manuel erfolgreich aus dem Weg gegangen war. Zumindest dachte ich das, bis ich kurz vor unserem Haus den Kopf hob und die Gestalt sah, die an unserem Gartenzaun lehnte.

 

Scheiße, was? Das war doch nicht sein Ernst. Etwa einen halben Meter vor ihm blieb ich stehen und glotzte ihn an, als wäre er gerade vom Mond gefallen. Dadurch, dass er unter einem Baum stand, der bei uns an der Grundstücksgrenze wuchs – eine Zierkirsche, auf die meine Mama ziemlich stolz war – sah er nicht ganz so durchgeweicht aus wie ich, aber nass war er trotzdem. Nicht mal seine Zigarette brannte noch, er hatte nur noch die vom Regen gelöschte Hälfte davon im Mund. Als er mich kommen sah, nahm er sie raus und warf sie auf unsere Auffahrt.

 

„Hi“, grüßte er mich. „Lange nicht gesehen.“

 

Ja, weil meine Mama mir das verboten hat. Aber das konnte ich ihm ja wohl kaum erzählen. Der Gedanken ließ mich jedoch automatisch zum Haus gucken, woraufhin er sich vom Zaun löste und mit einem Grinsen auf mich zukam.
 

„Deine Mutter ist nicht da“, sagte er. „Ist mit dem Auto weggefahren.“
 

Okay, das hieß dann wohl, dass sie Einkaufen war. Das tat sie mittwochs oft, weil sie da nachmittags freihatte. Trotzdem konnte ich hier nicht mit Manuel stehenbleiben. Wir hatten ja immerhin auch noch Nachbarn und irgendeiner von denen würde meiner Mutter bestimmt davon erzählen, dass ihr Sohn hier auf der Auffahrt mit einem von den Schwererziehbaren quatschte. Hatte sich da nicht gerade eine Gardine bewegt? Wahrscheinlich nur Einbildung, aber da war auch noch der Regen, der weiterhin in Strömen vom Himmel rauschte.

 

Ich holte Luft, um Manuel zu sagen, dass ich jetzt reingehen und Hausaufgaben machen würde oder etwas in der Art. Ich hatte es wirklich vor. Doch bevor ich dazu kam, war er noch das letzte Stück auf mich zugekommen und stand jetzt direkt vor mir. An seinen Wimpern hingen Regentropfen und seine Lippen waren leicht blau angelaufen. Zitterte er etwa?

 

„Wie lange stehst du schon hier?“, fragte ich leise.

Er zuckte mit den Schultern. „Ne Weile. Ich hab auf dich gewartet.“

 

In meinem Magen kribbelte es, als er das sagte. Hieß das etwa, er riskierte hier tatsächlich eine Lungenentzündung, nur weil er mich sehen wollte? Das war ziemlich bescheuert, aber auch irgendwie süß. (Ja süß. Ich bin schwul, verdammt, ich darf das süß finden. Also geht mir nicht auf den Sack.) Ich seufzte.

 

„Na los, komm mit rein.“

 

Ohne mich nach ihm umzusehen, ging ich den Weg zur Haustür und schloss auf. Er folgte mir wie ein Schatten, durch den Essbereich, den Flur bis in mein Zimmer. Als er drinnen war, schloss ich die Tür hinter uns. Ein Blick nach unten verriet mir, dass er seine Schuhe einfach anbehalten hatte und das obwohl ich selbst meine nassen Sachen im Flur ausgezogen hatte. Mir war das schlichtweg entgangen, weil ich die ganze Zeit dem Gedankenkarusell in meinem Kopf zugehört hatte, in dem die ständig gleichen Fragen umeinanderkreisten, was ich denn hier nur tat und wie das zu dem Plan, Manuel aus dem Weg zu gehen, passen sollte.

 

Ich hub gerade an, um etwas zu sagen, als er auf mich zukam, die Distanz zwischen uns komplett überbrückte und mir die Möglichkeit etwas von mir zu geben ganz einfach verwehrte, indem er mich küsste. Es war nicht viel mehr als ein kurzes Streifen unserer Lippen, aber der Stromstoß, der dabei durch meinen Körper jagte, war nicht von schlechten Eltern.

 

Ich schluckte.

 

„Du … du bist ganz nass.“

 

Meine Stimme war nur noch ein Flüstern. Er grinste.
 

„Dann sollte ich mich vielleicht ausziehen.“

 

Und bevor ich ihn daran hindern konnte, tat er das. Er streifte die Jacke ab und ließ sie einfach fallen, dicht gefolgt von seinem Sweatshirt, unter dem er nicht etwa noch irgendwas drunter trug. Somit stand er jetzt mit nacktem Oberkörper vor mir und ich musste gleich noch einmal schlucken.
 

Der Hammer! Er war jetzt nicht unbedingt muskulös, aber … athletisch. Und definitiv besser in Form als ich. Ich wusste plötzlich, warum man das Gebilde, das ich mir da gerade ansah, Waschbrettbauch nannte. Darauf konnte man wirklich Wäsche waschen. Ich wollte darauf Wäsche waschen. Dazu noch diese schrägen Bauchmuskel, die sich einem sich verjüngenden Dreieck gleich immer weiter nach unten zogen und in dem viel zu tiefhängenden Bund seiner ausgeblichenen, schwarzen Jeans verschwanden. Und nirgendwo war auch nur ein Zipfel Unterwäsche zu erkennen. Das war wie ein leuchtender, blinkender Pfeil, auf dem „hier geht’s lang“ stand. Ich wollte diesem Pfeil folgen.

 

Als ich meine Augen endlich wieder davon losreißen konnte, sah ich das selbstgefällige Grinsen auf seinem Gesicht
 

„Was gefunden, das dir gefällt?“

„Ich … äh … sollte das da mal aufhängen. Zum Trocknen.“

 

Ich schnappte mir seine Sachen vom Boden und hielt sie wie ein Schutzschild vor mich. Mir war bewusst, dass meine Klamotten auch immer noch nass waren – zumindest die Jeans – aber erstens hatte ich gerade das Gefühl, innerlich zu verkochen, also würde meine Hose vermutlich auch so ziemlich gut trocknen, und zweitens würde, wenn ich sie auszog, ziemlich offensichtlich werden, wie gut mir der Anblick des halbnackten Manuel gefallen hatte. Das konnte ich nicht riskieren.

 

Mit erheblichem Kraftaufwand schaffte ich es, an ihm vorbei zur Heizung zu gehen. Dort stopfte ich Jacke und Sweatshirt irgendwie fest, sodass sie nicht mehr herunterfallen konnten. Ich atmete einmal tief durch und drehte mich herum, nur um sofort wieder direkt vor Manuel zu stehen, der mir offenbar gefolgt war. Er stützte sich rechts und links von mir auf dem Fensterbrett ab und nagelte mich damit regelrecht fest.
 

„Läufst du schon wieder weg, Bambi?“

„N-nein?“

„Gut.“

 

Die Hand, die er daraufhin ohne Ansatz unter meinen Pullover schob, war kalt und klamm. Ich zuckte zusammen und sog scharf die Luft ein.

 

„Du hast kalte Hände.“

„Dann tu halt was, um mich aufzuwärmen.“

 

Die Art und Weise, wie er das sagte, zusammen mit der Tatsache, dass er seinen Unterleib mit einem gewissen Druck gegen meinen presste, ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, wie er das meinte. Um es mal auf Höhlenmenschisch aufzudrücken: Du, ich, Bett, Bunga-Bunga. Mein Körper sprach ziemlich gut Höhlenmenschisch. Mein Kopf allerdings zickte ein bisschen rum und bestand darauf, dass wir doch ein Plan hatten, der beinhaltete, nichts mit Manuel anzufangen. Mein Körper zeigte ihm den Stinkefinger und küsste Manuel einfach.

 

Nein ehrlich, ich weiß wirklich nicht, wie es dazu kam. Offenbar hatte ich einen Augenblick lang nicht aufgepasst und schon hing ich wieder an seinen Lippen und das dieses Mal definitiv nicht sprichwörtlich. Er schmeckte nach Zigaretten, aber nur ein bisschen. Der Rest war definitiv Minze. Kaugummi, schlussfolgerte ich und versuchte, ihn zu einem Zungenkuss zu bekommen, indem ich meinen Mund öffnete und mit meiner Zungenspitze ganz kurz gegen seine Lippen tippte. Er begann zu grinsen.
 

„Also das musst du definitiv nochmal üben, Bambi. Du küsst wie ein Mädchen.“

„Ich hab halt nicht so viel Übung“, nuschelte ich.

„Komm her, ich zeig’s dir“, flüsterte er zurück und das tat er dann auch.

 

Himmel, konnte der Kerl küssen. Wäre ich nicht vorher schon hart gewesen, jetzt wäre es definitiv passiert. Er nahm mein Gesicht zwischen beide Hände und ging mit einer Entschiedenheit vor, die ihresgleichen suchte. Dabei war er nicht etwa grob, allenfalls ein wenig ungestüm, aber er dominierte den Kuss auf eine Weise, die mich schwindeln ließ. Seine Lippen nahmen meine in Besitz, neckten und verführten sie. In einem Moment sanft und anschmiegsam, im nächsten fest und verlangend. Er leckte über meine Unterlippe, knabberte und saugte daran, ließ seine Zungenspitze über meine Mundwinkel wandern, nur um gleich darauf tief in mich einzutauchen und sich dann wieder zurückzuziehen, bevor er das Spiel erneut begann und mich damit vollkommen wahnsinnig machte. Ich wusste einfach nie, was als Nächstes passieren würde.

Um irgendwie Halt zu bekommen bei dieser rasanten Achterbahnfahrt, legte ich meine Arme um ihn, meine Hände auf seinem Rücken, seiner nackten Haut. Er gab eine wohligen Laut von sich und kam noch ein Stück näher, als meine Hände langsam tiefer wanderten. Als sie schließlich auf seinem Hintern zu liegen kamen, und ich ihn an mich drückte, brach er keuchend den Kuss.

 

„Oh, Bambi, du machst mich so an,“, flüsterte er und sandte damit gleich noch eine Welle Blut aus meinem restlichen Körper an Stellen, wo es mehr Spaß haben konnte. Seine Lippen wanderten meinen Hals hinab, seine Hände fanden wieder ihren Weg unter meinen Pullover. Eine vorwitzige Fingerspitze glitt tastend unter den Bund meiner Jeans. Sofort musste ich an den Blowjob denken. Ob er wohl wieder …? Eigentlich war ich ja dran, aber … oh fuck!

 

„Oh fuck!“ Ich riss die Augen auf und drückte ihn entschieden von mir. „Meine Mutter!“

Tatsächlich hatte ich gerade gehört, wie die Haustür aufgeschlossen wurde. Das Klackern von Schritten hallten auf den Fliesen und mischten sich mit dem Rascheln der Einkaufstüten.

 

„Scheiße!“, fluchte ich ein wenig zu laut und sah Manuel panisch an. Der schien zumindest zum Teil zu begreifen, was hier gerade abging. In Windeseile war er in sein Sweatshirt geschlüpft. Das war schon mal besser, aber noch nicht gut.
 

„Meine Mutter rastet aus, wenn sie dich hier sieht“, erklärte ich und sah mich um. Sollte ich Manuel jetzt im Schrank verstecken? Oder unter dem Bett? Hinter der Tür? Mein Blick fiel auf das Fenster!

 

Plötzlich war ich dankbar dafür, im Erdgeschoss zu wohnen. Und dafür, dass Manuel seine Schuhe anbehalten hatte. Ich fegte den Kram, der das Fensterbrett zumüllte, zu Boden und öffnete den rechten Flügel so weit, dass Manuel hindurchklettern konnte. Er stellte keine Fragen, sondern schwang sich sofort auf das Sims. Oben ging er in die Hocke und sah mich herausfordernd an.

 

„Und wann setzen wir das hier fort?“, fragte er. Seine Lippen waren rot und in wenig geschwollen. Ohne zu überlegen, lehnte ich mich vor und küsste ihn noch einmal.

„Morgen. Morgen Nachmittag muss meine Mutter arbeiten, da stört uns keiner.“

Er grinste. „Cleveres Bambi. Selbe Zeit?“

Ich nickte, er zwinkerte mir zu und dann war er auch schon verschwunden.

 

Eilig schloss ich das Fenster, bevor noch mehr des hartnäckigen Regens hineinpladdern konnte, verteilte wieder etwas von dem Gedöns vom Fußboden auf dem Fensterbrett und schnappte mir ein Buch. Damit warf ich mich aufs Bett, klappte es auf und hielt es mir vors Gesicht. Ich las nie so, aber wenn meine Lippen genauso aussahen wie Manuels, musste ich verhindern, meiner Mutter so unter die Augen zu kommen. Wenigstens hatte sich mein Ständer inzwischen wieder verabschiedet, denn den hätte ich so unmöglich verstecken können.

 

Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis meine Zimmertür aufging. Ich senkte das Buch nur ein Stück weit und schaute meine Mutter über den Rand hinweg an.
 

„Hallo Mama. Warst du einkaufen?“

„Ja, wie immer.“ Sie lachte. „Ich wollte dich fragen, was du essen willst.“

„Was hast du denn zur Auswahl?“

„Spaghetti Bolognese oder Pizza.“

„Pizza!“, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen. „Hast du Hawaii mitgebracht?“

„Natürlich. Wie könnte ich es wagen, was anderes zu kaufen?“

„Du bist die Beste, Mama.“

 

Sie lächelte, auch wenn das dieses Mal etwas zögernder kam. Nanu, hatte sie etwas doch was bemerkt? Manuel war ihr doch wohl hoffentlich nicht noch im Vorgarten in die Arme gelaufen. Aber nein, dann wäre das Theater größer gewesen. Meine Mutter regte sich ja schon auf, wenn jemand auf der Straße vor unserem Haus parkte. Ein Fremder im Garten hätte somit vermutlich einen Polizeieinsatz zur Folge gehabt. Es musste also etwas anderes sein, doch bevor ich danach fragen konnte, hatte sie sich schon wieder umgedreht.

 

„Essen in einer halben Stunde“, rief sie noch aus dem Flur.

„Geht klar, Mama.“

 

Während meine Mutter also in die Küche ging, um die Einkäufe auszuräumen, drehte ich mich auf den Bauch und ließ den Kopf in die Kissen sinken. Oh man, das war ja gerade nochmal gut gegangen. Jetzt würde ich nur noch abwarten müssen, bis sich mein Puls wieder beruhigt hatte und dann wäre alles wieder in … Meine Gedanken kamen schlitternd zum Stehen, als mich die Erkenntnis mit der Wucht einer fallenden Kokosnuss traf. Ich hatte mich verabredet. Für Morgen. Mit Manuel. Verdammt!

 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  SuperCraig
2020-09-08T00:49:14+00:00 08.09.2020 02:49
Ja, viel zu optimistisch. Viel zu optimistisch. War klar - und einen Schirm, wäre ja echt schwul. *prust*

Hach, ich weiß nicht, ich mag Manuel irgendwie nicht. Kann mir nicht helfen. Er, keine Ahnung - hat er was Verschlagenes an sich? Nein. Ist es, weil er schwer erziehbar ist? Auch nicht. Hm.... Sagen wir, er mag gut aussehen (ohne Bärtchen), aber er wirkt halt so... Ja keine Ahnung. Hach, kann das nicht erklären. *macht mit der Hand eine abwehrende Bewegung* Ich befürchte halt, dass er so ein klassischer Bad Boy ist, der sich einen auf seine düstere Vergangenheit runterholt und dann abhaut oder abhauen musd.

Julius wiederum wirkt ganz nett. Der liest sich schon eher niedlich, wobei bordeaux - das mit der Wäsche war übrigens äußerst amüsant. Hatte so einen ähnlichen Fall vor kurzem, nur dass ich unbeteiligter Wäscheaufhänger war und... sagen wir, Unterhemden können in rosa sehr nett aussehen, vor allem, wenn man sie nicht tragen muss. Pardon, bordeaux. Und Handtücher auch!

Irgendwie finde ich es süß, dass Benedikt Mama sagt. So viele sagen Mom oder Mutter oder Mum. Dabei hat Mama sowas liebevoll zärtliches an sich. Macht ihn knuffig.

Ich hoffe mal, dass sich Manuel nicht als totale Pleite entpuppt, sonst muss ich ihm eventuell eine reinhauen, Waschbrettbauch hin oder her.

Nette Aktion mit der Flucht durchs Fenster. 😂

Hach, wieso sträube ich mich immer so gegen Slice of Life und finde es bei anderen so toll?

LG
SuperCraig
Antwort von:  Maginisha
08.09.2020 09:19
Hey nochmal!

Okay, Manuels Rolle in der Geschichte hast du also schon erkannt. ^_~ Wobei ich hoffe, dass auch du ihn noch ein wenig mehr ins Herz schließen wirst, denn obwohl er diesen Part bekommen hat, wird hoffentlich später noch deutlich, dass in dem Fall eben doch auch noch ein ziemlich junger Mensch dahinter steckt, der sich vielleicht auch selbst eine Rolle ausgesucht hat, von der er meint, sie erfüllen zu müssen.

Zu Julius sage ich mal nicht so viel, den wirst du später noch kennenlernen. :) Aber Benedikt ist halt "normal". Manchmal schon reif, an anderer Stelle wieder Kind. Manchmal schlau und manchmal so gar nicht überlegend, was er da tut. Und er ist eben erst 16 und wohnt och zu Hause. Nix mit cooler Penthousewohnung, sondern eben Hausaufgaben, Rasen mähen und spätestens um Mitternacht wieder zu Hause sein. Isso.

Mit dem Slice of Life bist du übrigens nicht allein. Ich lese das eigentlich auch nicht so gern und hab es bisher auch noch nie so geschrieben. Aber da ich Abwechslung mag und immer mal was Neues ausprobiere, musste eben auch das mal dran glauben, von mir verwurstet zu werden. :D

Und jetzt sehe ich gerade, dass das nächste Kapitel wieder Adult ist. Ich geh mich dann mal verstecken. ;)

Zauberhafte Grüße
Mag


Zurück