bittere Vergangenheit, enge Freundschaft, grosse Liebe von NiFuu (Neufassung) ================================================================================ Kapitel 4: Verhängnisvolles Training ------------------------------------ Zum ersten Mal in seinem Leben, verschlief Kai am Morgen und der einzige Grund, weshalb nicht bereits die neugierigen Augen, des sämtlichen Teams, in sein Zimmer schielten, war Rays Verhandlungen vom Vorabend zu verdanken – er würde es nie erfahren, doch Kai dankte ihm, aus den Tiefen seines Herzens. Auf schwachen Knien, trotz der Extraportion Schlaf, schleppte er sich ins Bad und ein Blick in den Spiegel liess ihn wünschen, er hätte sich der Abdeckcreme seiner Streifen, damals nicht entledigt. Seine Haut war nicht nur blass, sondern zusätzlich, von einer ungesunden Gräue überschattet. Kurzum stellte er sich unter die kalte Dusche, entgegen seines Bedürfnisses nach dem Gegenteil, und als er danach erneut in den Spiegel sah, hoffte er inständig, dass die Röte solange anhalten würde, bis sie das Frühstück hinter sich gebracht hatten. Noch zwei Tage – zwei lächerliche Tage – und dann könnte er, nach der Landung zurück in Japan, augenblicklich einen Arzt aufsuchen. Auf leisen Sohlen schlich er etwas später zur Eingangstür, öffnete sie geräuschlos und schloss sie gut hörbar wieder, ehe er in die Küche ging, wo ihn Ray lächelnd begrüsste und ihm die Zeitung reichte. «Du solltest dir auch mal eine Pause gönnen, für gewöhnlich hast du nach deiner Morgenrunde mehr Farbe.», zwinkerte der Schwarzhaarige und stand auf, um sich Tee nachzuschenken. Nacheinander trudelten Kenny, Max und Tyson ein, während sich letztere über das konzertverdächtige Schnarchen des anderen beklagten, bis der Brillenträger ihnen mitteilte, dass sie beide unzumutbare Zimmergenossen waren, weshalb sie sich ja auch eines teilten. Damit brach eine weitere Diskussion vom Zaun, unter Einbezug sämtlicher Anwesenden, abzüglich des Leaders. Erst als sich Dizzi schliesslich spontan einschaltete und, anhand früherer Daten, die Dezibel Messungen, ihrer erdbebenfördernden Klänge, präsentierte, hatte sich die Debatte erledigt – nahtlos ging das Thema in die Nachmittagsplanung über. Kai versteckte sich mit geschlossenen Augen hinter seiner Zeitung und mobilisierte all seine Kräfte, nur nebensächlich dem Geplänkel lauschend, bis er sich schliesslich erhob und den Beginn des Trainings verkündete. Das folgende, performe Gestöhne und Geseufzte, hielt sich dabei gering, im Vergleich zu anderen Morgen. Mit gedrosseltem Tempo, führte er das Team zu einem kleinen Übungsplatz, kurz vor dem Stadtinneren, den er mit seinem Katzenfreund neulich entdeckt hatte und wusste, dass sich keine drei Gassen weiter, eine grosse Apotheke befand. Kaum, dass sie die, von Häuserwänden umschatteten Arenas erreichten, vergrub er seine zitternden Hände, von sich selbst genervt, in den Hosentaschen. Er wusste beim besten Willen nicht, wann er das letzte Mal so angeschlagen gewesen war und sollte Tala, über drei Ecken, davon erfahren, er würde sich ab seinem Zustand ins Koma lachen. Kai würde es ihm bestimmt nicht erzählen, der Rothaarige besass auch so genug Zündmaterial gegen ihn, doch bei seinem derzeitigen Glück, würde einer der Blade Breakers ihm aus Versehen eine Nachricht, mit Fotodokumentation im Anhang, schicken. Nichts desto trotz wäre die ganze Angelegenheit mit den Blitzkrieg Boys um einiges einfacher und vermutlich wäre es gar nicht erst so weit gekommen. Ivan besass unglaubliche Sprachkenntnisse und Spencer erstaunliche Diagnose Fähigkeiten – zudem hätte er den Vorfall gar nicht erst, aus Sorgen um Überreaktion, verheimlichen müssen. «Max gegen Tyson, Ray gegen Kenny.», verkündete Kai laut, als der Energieüberschuss seiner Kameraden auszuarten drohte, «Aber vorher noch auf ein Wort Kenny.» Fragend deutete der auf sich und Kai nickte. Ausser Hörweite der anderen, bat er den Brillenträger um eine genaue Vorgehensweise und bei sämtlichen Anweisungen, brummte der Braunhaarige aufmerksam. Als Kai zurück, das Signal zum Start gab, war sein Fokus vollkommen auf die ruhigeren Zwei im Team gerichtet, während die anderen, in der Arena hinter ihm, sich selbst den Startschuss gegeben hatten. Wie erwartet legte sich Rays Stirn in Falten, kaum dass Kennys Blade, nach Erreichen der Bowl, in den Angriff über ging – immer und immer wieder. Abwechselnd, wanderten die gelben Augen von seinem Gegner zu Kai, dessen Mimik nichts verriet. Misstrauisch wich der Chinese den Angriffen aus, die keine Gefahr für seinen Driger darstellten. Kenny war kein besonders guter Blader, im Vergleich zum Rest des Teams und nicht nur Ray unterschätzte ihn deswegen gerne. Sie sahen ihn nicht als reelle Bedrohung an und genau deshalb, war er für solche Übungen prädestiniert. Gerade weil Ray wusste, dass ihr Genie Kais Anweisungen folgte, zögerte er, den anderen anzugreifen und damit waren sie direkt bei der heutigen Lektion gelandet. Driger war wendig wie ein Gepard und schnell wie ein Falke im Sturzflug und es dürfte kaum einen Gegner geben, der dem auch nur annähern gleichkam. Umso schlechter stand es um seine Verteidigung, im Gegensatz zu Draciel, der selbst dem Zusammenprall mit einem Lastwagen standhalten würde, doch daran arbeiteten sie. Viel schlimmer war Rays Unfähigkeit, spontane Entscheidungen zu treffen. Immer musste er erst die Lage analysieren, um einer eventuellen Falle vorzubeugen – wie auch jetzt. Dabei vergeudete er wichtige Zeit und gab seinem Gegenspieler wiederum die Gelegenheit, seine Moves zu studieren. «Ich wusste es.», zog Kai, mit selbstgefälligem Unterton, Rays Blick auf sich und Kenny nutzte, wie abgesprochen den Moment, um seinen Blade auf den seines Gegners hüpfen zu lassen. Sein neu eingebautes Schwerkraftmodul setzte augenblicklich ein, ein helles Surren durchschnitt die Luft und als Funken, wie kleine Glühwürmchen, sich um ihn sammelten, schoss Rays Aufmerksamkeit zum Geschehen zurück.   «Was zum-», realisierte der Chinese die Situation eine Sekunde verspätet und seine Nase kräuselte sich verärgert, «Driger, LOS!»In einer blitzschnellen Bewegung, wurde der violette Kreisel abgeworfen und mit einem überpowerten Angriff ins Abseits befördert. Rays Mundwinkel zuckten zufrieden in die Höhe, nur kurz, bis er zusah, wie Driger, statt seinem Ruf Folge zu leisten, noch einige Umdrehungen machte, ehe er ausgedreht und regungslos liegen blieb. Mit einem irritierten Blinzeln, hüpfte er in die Arena und besah sich seinen Blade nachdenklich, nachdem er ihn aufgehoben hatte. «Du verstehst was ich dir sagen will?», fragte Kai nach einem Moment und Ray nickte mit zusammengezogenen Augenbrauen, den Blick nicht von seinem Blade nehmend. «Ich vergeude immer noch zu viel Zeit, die Motive meines Gegners zu studieren.» «Genau. Es bietet ihm die Möglichkeit Driger auszupowern und damit legst du deine Siegeschancen auf Messers Schneide. Was noch?» Seufzend fuhr sich der Chinese durch die Haare. «Wenn ich mich dann entscheide zu handeln, ist es zu impulsiv.» Kai nickte zustimmend. «Du kannst die Taktik eines Gegners nie vorausahnen: Selbst, wenn du glaubst ihn zu kennen, besteht immer die Möglichkeit, dass er einen neuen Trick gelernt hat. Lass deinen Kontrollzwang hinter dir und versuche spontaner zu agieren. Sobald du dich an möglichen Szenarien festgebissen hast, zeigt sich dein Temperament, bei einer Überraschung, zu deinem Nachteil.» «Ich werde daran arbeiten.» «Ja, und zwar damit.», deutete Kai zu den Bierdosen, die unachtsam liegen gelassen wurden, «Stellt sie auf und während du Slalom übst, wird Kenny dir spontane Anweisungen geben. Lass deiner Kreativität freien Lauf.», richtete er den letzten Satz an den Braunhaarigen, der grinsend salutierte. Kaum, dass sie ihm den Rücken zugedreht hatten, hielt Kai inne und atmete einige Male konzentriert durch. Das bisschen Rumstehen forderte mehr von ihm, als er es gewohnt war und wenn es so weiter ging, wäre er gezwungen, das Ganze vorzeitig zu beenden – immer noch besser, als vor versammelter Mannschaft zusammenzuklappen. Die Augen geschlossen, holte er tief Luft durch die Nase, stiess sie wieder durch den Mund aus und drehte sich schliesslich zu den verbliebenen zwei Duellanten um. Was er vorfand, hätte er erwarten müssen: Max und Tysons Training hatte sich, dank seiner Unachtsamkeit, in ein Katz und Maus Spiel verwandelt. Laut grölend übten sie sich in völlig sinnlosen Manövern, liessen ihre Kreisel gegenpolige Muster zeichnen und endete darin, dass Dragoon versuchte, Draciel vom Fleck zu bewegen. Kopfschüttelnd fasste sich Kai an die feuchte Stirn und senkte den Kopf, um sein Lachen zu verbergen. Die Ernstlosigkeit, gegenüber seines Trainings, nervte ihn zwar, doch ihre pure Freude an dem Sport an sich, war für jemanden, der das Bladen, während des Grossteils seines Lebens, als Äquivalent zum Krieg betrachtet hatte, unglaublich erfrischend. Dass er heute Spass an dem hatte, was er machte und sogar Weisheiten aus jenem, düsteren Abschnitt weitergeben konnte, war allein diesen Idioten zu verdanken. Sie alle frönten ihrem Hobby mit solcher Leidenschaft und Hingabe, dass er gar keine andere Wahl gehabt hatte, als sich von der geballten, positiven Ladung anstecken zu lassen – egal wie oft er ihnen, ab mangelnder Disziplin, den Hals umdrehen wollte. An einem anderen Tag, hätte er ihnen nichtsdestotrotz die Leviten gelesen, doch heute war es ihm ohnehin hauptsächlich um Ray gegangen und so genoss er den dynamischen Anblick für eine Weile im Stillen, während ihn die Zwei, total in ihrem Blödsinn gefangen, nicht einmal bemerkten. Vermutlich hätte es dafür eine Bombe benötigt – oder sein Räuspern. Ertappt zuckten sie zusammen und verlegen lachend, griff sich Max in den Nacken, die andere Hand in die Seite stützend. «Oh, hei Kai.» «Wie wäre es, wenn ihr euch jetzt der Siegerfindung widmet?», fragte der mit gezückter Augenbraue und Tyson krempelte sich angespornt und breitgrinsend die Ärmel zurück. «Na dann zieh dich mal warm an Maxi, der Wetterbericht meldet einen Sturm! Los Dragoon!» «Oh bitte, der Move ist so alt wie dein Bit-Beast.», lachte der Blonde, «You sea, wir sind hier von meinem Element umgeben – Draciel Aqua Shield!» Das Aufkommen des Sturms wurde von der Flut stark verlangsamt, doch dass motivierte den Japaner nur umso mehr, zu beweisen, dass er diesen Angriff jederzeit ausführen konnte. Dabei entging ihm die Gelegenheit für eine perfekte Falle – Draciel wäre in dem Zustand zu träge gewesen, einem Schlag in die Flanke zu entkommen und mit einem leicht erhöhten Winkel, hätte Tyson ihn direkt aus der Bowl befördert. Max hätte nie damit gerechnet, denn genau wie er, kannte er den Dickschädel zu gut und Kai fragte sich langsam ernsthaft, wieso er sich überhaupt die Mühe machte. Der Kerl war einfach immun, gegen taktische Anweisungen aller Art. Wäre er nicht so verdammt k.o., er hätte Dranzer spontan mit ins Rennen geschickt, den toten Winkel genutzt und anschliessend den Moment abgepasst, indem der Drachen zum höchsten Punkt aufgestiegen war, um ihn raus zu kicken, da Tyson daraus eher seine Lektion lernen würde, als wenn Kai sich lediglich seiner Worte bediente. Natürlich wäre danach erst mal ein übersteuerter Protest in drei Akten, wegen seiner regelwidrigen Einmischung, gefolgt, doch das wär’s wert gewesen. Der einzige Segen war, dass der Japaner sich bei offiziellen Kämpfen besser anstellte – nicht, dass das seine Nerven irgendwie schonen würde… doch statt sich weiter aufzuregen, sparte Kai sich die Energie und verfolgte den Kampf kommentarlos.  Er war einfach zu müde. Tyson hatte, ein Mal mehr, seinen Willen durchgesetzt und die Fluten verbanden sich mit dem Sturm zu einer monströsen Säule. Die Kraft des Windes zog Kais Schal enger um seinen Hals, zwangen ihn einen Schritt zurück und er hob die Hand, um wenigstens sein Gesicht von den abgeworfenen Wassertropen zu schirmen. In dem Moment stiess Dragoon mit einem lauten Aufschrei aus der Mitte empor, gefolgt von Draciel und ging nahtlos in einen Sturzflug über, begleitet von den begeisterten Zurufen seines Meisters – sie synchronisierten perfekt, gerade so, als wären sie ein Herz und eine Seele und die Faszination, bei dem Anblick, ergriff Kai jedes Mal aufs Neue. Jede Bewegung war kraftvoll und voller Elan, spiegelten Tysons Charakter in seinen schönsten Facetten, wie er mit funkelnden Augen und einem sorglosen Grinsen, seinem Blade Anweisungen gab. So sehr Kai es sonst liebte, den Hitzkopf auf die Palme zu bringen, so waren es doch diese Momente, die ihn mehr als alles andere, in den Bann gezogen hatten. Personen, die Tyson zum ersten Mal begegneten, schimpften ihn einen Idioten und Kai wäre der Letzte, der ihnen da wiedersprechen würde, schliesslich täte er wahrlich gut daran, gelegentlich die Klappe zu halten, doch in ihrem verfrühten Urteil, übersahen sie sein unglaublich loyales und ehrliches Wesen. Er mochte auf den ersten Blick leichtsinnig und blauäugig wirken, doch entgegen oberflächlichen Meinungen, sah er in jedem das gute und war bereit, sich auch einmal die Hände schmutzig zu machen, um für einen anderen einzutreten. Es waren Charakterzüge, die man erst nach einer Weile erkannte, genauso wie die kleinen Macken, die ihn umso liebeswerter machten: Wie er immer nur dann heimlich seinen Blade durchputzte, wenn Kenny sich darüber beschwerte, dass die grösste Arbeit darin bestand, ihn auseinander zu kriegen oder, wie er alle Monate erneut versuchte, Ray bei seiner Meditation Gesellschaft zu leisten und dabei einschlief. Wie er versuchte Max Dinge zu erklären, die er selbst nicht verstand, aber irgendwo aufgeschnappt hatte und wie er jedes Mal, wenn er glaubte, Kai wütend gemacht zu haben, ihm sein Essen aufs Zimmer brachte. Das Kai heute hier stand, als Mitglied eines Teams, dass sich mit Sekundenleim an sein Herz geklebt hatte, war das grösste Glück, dass ihm je zu Teil wurde und wenn er all die Jahre in der Abtei durchleben musste, um hier sein Zuhause zu finden, dann war es das ohne jeden Zweifel wert gewe- ein grüner Schweif liess ihn abrupt aus seinen Gedanken fahren – knapp an seiner linken Gesichtshälfte vorbei zischend. Erschrocken taumelte Kai zurück und sein anschwellender Puls brachte mit einem Schlag den Schwindel zurück. «Ups?», zog Tyson entschuldigend den Kopf ein, «Sorry – war keine Absicht.», tätschelte er Kais Schulter beim Vorbeieilen, ehe er vom Podest sprang und zu der Position rannte, wo Draciel gelandet war. Nachdem er ihn aufgehoben hatte, wischte er ihn kurz an seiner Jacke ab, ehe er ihn, mit spitzbübischem Grinsen, zu seinem Besitzer warf. «Tja Max, der Punkt geht an mich: Heute machst du den Abwasch!» «Wie wär’s, wenn ihr ihn einfach mal wie abgemacht, zusammen erledigt?», trat Kenny seufzend an sie heran, dicht gefolgt von Ray. Max war sofort Feuer und Flamme für den Vorschlag und versuchte vergebens, einen Arm um Tysons Schulter geschlungen, ihn ebenfalls davon zu überzeugen. «Kai?» Fragend wandte dieser seinen Blick von dem Komiker-Duo ab zu Kenny, der sich seiner Aufmerksamkeit gewiss, weitersprach, «Ich würde gerne noch einige Daten von euch erfassen, könntest du dafür gegen Tyson antreten und Max gegen Ray?» Na toll… Was hatte er eigentlich angestellt, um solch ein Karma verdient zu haben? «Klar.», erwiderte er automatisch, seinen inneren Zwiespalt überspielend. Was hätte er auch anderes erwidern sollen? Die Datenanalysen ihres Chefs waren ein bedeutender Teil ihres Erfolgs und er hatte ihm noch nie eine Bitte diesbezüglich abgeschlagen – würde er jetzt damit anfangen, wären die Fragezeichen grösser, als wenn er plötzlich einen Schlagersong anstimmen würde… Mehr schlecht als recht, brachte Kai Dranzer an dem Starter an und versuchte wenigsten den Zeigefinger seiner Hand genug zu beugen, um die Reisleine betätigen zu können. Allein diese winzige Bewegung, liess ihn ungewollt zusammenzucken und er biss sich auf die Zunge, um den zu entfliehen drohenden Laut, zurück zu halten. «Okay – ich bin so weit.», vermeldete Kenny mit gehobenem Daumen, nachdem er Dizzi hochgefahren hatte und gab, nach einem prüfenden Blick, das Zeichen. Dranzer flog, trotz bester Bemühungen, gebremst in die Arena, doch Kai bekam davon kaum etwas mit. Die kurze, aber kräftige Startbewegung hatte ausgereicht, um den Schmerz explosionsartig durch seinen ganzen Körper zu jagen und wie ein Feuer, breitete es sich rasant bis in die letzte Zelle aus. Diesmal konnte er den Laut nicht unterdrücken und mehrere Male versuchte er die Schwärze vor seinen Augen wegzublinzeln, bis sich die Landschaft um ihn in einem surrealistischen Gemälde abformte. Die schwankende Welt liess ihn zurückstolpern und er fasste sich an den Kopf – Schweissperlen benetzten seine Fingerkuppen. «Kai?», drang, wie durch Nebel, eine gedämpfte Stimme zu ihm durch, ohne dass er mit Sicherheit bestimmen konnte, wem sie gehörte. Kalt… Ihm war eiskalt. Seine Knie gaben nach und hart schlug er auf dem Beton auf, gerade noch rechtzeitig die Arme hebend, um sich vor dem Sturz, in die Arena, zu bewahren. «Kai!» Die Zähe zusammengepresst, versuchte er sich aufzuraffen, versuchte mit zitternden Bewegungen, die fremden Hände wegzudrücken und ein erneutes Zucken ging durch ihn, sowie er genervt nach ihnen griff – mit der Rechten. «Oh Gott! Er ist glühend heiss!» «Tyson, ist das Blut an deinem Arm?» «Was? Woher…», die dröhnende Stimme nahe seines Ohres erstarb, ehe im nächsten Moment Kais Hand gepackt wurde und es war diese barsche Bewegung, die den letzten Stromschlag durch seinen Körper jagte, der ihn in die drohende Ohnmacht beförderte.   *** Kai erinnerte sich vage daran, zweimal kurzzeitig wachgeworden zu sein: Das erste Mal ab lautem Gebrüll – das helle Licht hatte ihm in den Augen geschmerzt und er war schnell wieder weggedämmert. Beim zweiten Mal war es dunkel gewesen, deshalb wusste er, als er schliesslich zum dritten Mal sein Bewusstsein wiederfand, dass mindestens ein Tag vergangen sein musste. Ein regelmässiges Piepsen drang an seine Ohren und seine Vermutung bestätigte sich, als er die Augen öffnete – er war in einem Krankenhaus. «Oh, tu es réveillé! Veuillez patienter, je vais voir le médecin tout suite.», teilte ihm eine Schwester mit, ehe sie eilig den Raum verliess – wie er mit seinem bescheidenem Französisch nur vermuten konnte, um den Doktor zu holen. Seufzend zwang er sich auf. Ein kurzer Blick verriet, dass er sich in einem Zweierzimmer befand, indem das andere Bett glücklicherweise leer stand. Seine Hand war in saubere Bandagen eingewickelt und als er sie zu bewegen versuchte, reagierten immerhin die Fingerspitzen, ohne stromartige Schläge durch ihn zu jagen, aber das war zu erwarten gewesen. Dank der Versuchsreihen der Abtei, schlug sein Körper besser auf Medikationen an als durchschnittliche. Kurz studierte er den Katheter, dann seine Kleidung, die säuberlich zusammengefaltet auf einem Stuhl lag und gerade wollte er sich die Kanüle entfernen, da ging die Tür auf und beim Anblick, des in weiss gekleideten, hageren Mannes, liess er unauffällig davon ab. «Ah Mister Hiwatari, schön sie schonwieder in der Horizontalen erblicken zu dürfen – wenn sie sich auch noch schonen sollten.», lächelte der Mann, als wäre er einer Zahnpasta Werbung entsprungen, mit starkem Akzent, «Ich bin ihr zuständiger Arzt, Dr. Prof. Hemingway.», zog er sich einen Stuhl heran, «Sie haben ihre Freunde ganz schön in Panik versetzt! Wir mussten schlussendlich die Sicherheitskräfte rufen, weil sie einfach nicht von ihrer Seite weichen wollten – aber das nur nebenbei. Wie fühlen sie sich?» «Gut.», entgegnete Kai knapp. «Nun, dass ist zwar schön zu hören, aber wenig informativ. Lassen sie uns mal ihre Werte überprüfen.», warf er einen Blick auf den Monitor, ehe er die Brille aufsetzte und durch die Akte blätterte, «Sie sprechen äusserst gut auf das Antibiotika an – wirklich erstaunlich, wie schnell sich ihre Blutwerte normalisiert haben. Sowas ist mir in all den Jahren noch nie unter die Augen gekommen! Sie sind wohl eine wahre Kämpfernatur.», zwinkerte Hemingway ihm zu und ab der Geste, wusste Kai plötzlich einen besseren Platz für die Kanüle in seinem Arm. Er war nie ein Fan von Plappermäulern gewesen, doch die selbstverliebte Aura, die den Doktor umgab, machte es nahezu unerträglich. «Trotzdem muss ich ein ernsten Wörtchen mit ihnen reden.» Oh, ihm kämen da auch einige ernste Angelegenheiten in den Sinn… «Ihr Verhalten war im höchsten Masse fahrlässig und die erste Hilfe war zwar ein guter Ansatz, aber unsauber – es befand sich noch Sand in der stümperhaft zusammengenähten Wunde. Welchen Quacksalber haben sie bitteschön damit betraut?» «Mich selbst.», konnte Kai es sich nicht verkneifen und die kurzzeitig entgleisenden Züge, waren Lohn genug. «Sie? Das- meine Güte! Sie müssen doch gewusst haben, dass solch eine Wunde, nach einer sofortigen, professionellen Behandlung verlangt! Wären sie sofort hierhergekommen, hätten sich die Bakterien nie einnisten können! Wissen sie, was sowas anrichten kann? Mit einer Blutvergiftung ist nicht zu spassen Mister Hiwatari – nicht mehr lange und sie hätten einen septischen Schock erlitten und dann wären ihre Überlebenschancen, die eines Münzwurfs gewesen!» «Wann kann ich gehen?», überging er die Standpauke, die ein ähnliches Interesse in ihm weckte, wie Rays Haarpflegeprodukte. Verständnislos wurde Kai angeschaut und provozieren hob der Russe eine Augenbraue. Der Doktor-Professor-sowieso schüttelte nur theatralisch den Kopf. «Bei so viel Ignoranz fehlen mir die Worte.», verwarf er die Arme. …Er würde dem Idioten bald sein volles Unverständnis einbläuen! «Meine Frage Doktor? Wie sie wissen, habe ich ungeduldige Freunde.» «Was sie nicht von dieser Dummheit bewahrt hat!», verdeutlichte er erneut mit einem vielsagenden Blick über den Brillenrand, «Aber bitte, man soll nicht behaupten, ich ginge nicht auf meine Patienten ein: Wir werden sie noch einen Tag zur Beobachtung hierbehalten und ihnen weiterhin das Antibiotikum verabreichen. Je nach Blutwert, können wir sie morgen dann guten Gewissens entlassen.» «War das dann alles?» Ein erneuter Blick des Unverständnisses traf ihn und kurz befürchtete Kai eine neue, äusserst unnötige, Ausführung seiner unverantwortlichen Handlungsweise. «Nein.», seufzte der Arzt im Stil einer alleinerziehenden Mutter von zehn Kindern, «Die Schwester wird später wieder nach ihnen sehen. Abendessen ist in fünf Stunden, bitte teilen sie ihr bis dahin, ihr gewünschtes Menu mit – die Karte liegt auf ihrem Nachtisch. Sollten sie irgendein Anliegen haben, können sie die Schwester mit dem Knopf dort rufen.», deutete er an den roten Punkt, der über Kai pendelte, ehe er sich endlich erhob, «Ich wünsche ihnen eine gute Erholung und sehen sie bitte davon ab, sich unnötig zu Bewegen – sie müssen sich schonen.», strafte er Kai mit einem mahnenden Blick, ehe sein schleimiges Lächeln zurückfand, sowie er sich mit dem Versprechen, morgen nochmals persönlich vorbeizuschauen, verabschiedete – elender Idiot. Als ob Kai das nötig hätte. Der einzige Grund, weshalb es überhaupt soweit gekommen war, waren die verbliebenen Unreinheiten gewesen und jetzt, wo sämtliche Störfaktoren entfernt worden waren, würde sein Körper den Rest ohne Probleme selbst in den Griff bekommen. Er wartete genau zehn Minuten, da entfernte er die Kanüle, begab sich in seine Klamotten und verliess den chemisch stinkenden Ort des Grauens, ohne auch nur einmal angehalten zu werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)