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Das Schlachthaus in der Minton Street

von

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Chapter 1 - 2

Staub wurde bei jeder seiner Bewegungen aufgewirbelt und löste einen Hustenreiz aus, den er nur schwer zu unterdrücken vermochte. Als er endlich den Boden unter dem Fuß erspürte, ließ er sich leise von der Oberfläche des Objektes heruntergleiten, seine Schultasche dabei hinter sich herziehend. Allmählich gewöhnten seine Augen sich ein wenig an die Dunkelheit, sodass er zu erkennen vermochte, dass es wirklich ein Tisch war, der da unter dem zerbrochenen Fenster stand.

Ein Tisch, unter dem er sich einigermaßen gut würde verstecken können.

Zusammengekauert hockte Eddie da, den Blick starr gradeaus gerichtet, seine Tasche fest umklammernd. Noch immer hatte er das Bedürfnis zu Husten, und seine Augen begannen zu tränen weil er dem nicht nachkam, aber er musste es durchhalten. So lange, bis er sich sicher war, dass Dan, Jay und Neil nicht mehr in seiner Nähe waren…

Wie aufs Stichwort erklang eine Stimme, kaum zu verstehen durch das Rauschen des Regens, aber doch eindeutig Jay zuzuordnen: „Hier isser nich! Ist ne Sackgasse!“

Irgendjemand antwortete etwas, doch das war unmöglich zu verstehen, und so verharrte Eddie stumm in seinem Versteck, wobei sein Oberkörper einige Male heftig zuckte, um deutlich zu machen doch er doch bitte endlich husten sollte.

Nichts war draußen zu hören, nichts außer dem Rauschen des Regens.

Eddie hatte keine Ahnung, wie lange er so dasaß, es war, als existiere in seinem Verstand momentan keinerlei Zeitempfinden. Vielleicht waren es Minuten, die er dort hockte und auf irgendein Geräusch von draußen lauschte, vielleicht bloß Sekunden. Seine Augen brannten, sein Körper verkrampfte sich mittlerweile in beinahe anfallartiger Intensität, als als er schließlich der Meinung war, dass er es riskieren konnte sich vorsichtig zu bewegen und sich weiter nach vorne beugte schien er jegliche Kontrolle über seinen Körper zu verlieren.

Der Hustenanfall, der ihn überkam, war derart heftig dass er mit dem Hinterkopf gegen die Tischplatte knallte und ihm Tränen übers Gesicht liefen. Im Gegensatz zu der zuvor herrschenden Stille, die lediglich vom Prasseln des Regens durchbrochen worden war, schien dieser Husten die Lautstärke und schweren Geschützen zu haben, und Eddie war vollkommen klar; sollten seine drei Verfolger noch irgendwo in Hörweite sein, so würden sie nicht aufgeben, bis sie sein Versteck gefunden und ihn herausgezerrt hätten.

Blind tastete Eddie in seiner Tasche herum, spürte das Plastik seiner Trinkflasche und zog diese heraus. Er hatte keine Ahnung, wie viel Flüssigkeit sich noch darin befand, konnte bloß hoffen dass es ausreichen würde um seinen Hustenreiz zu bekämpfen…

Während der kühle Apfelsaft seine Kehle herunterrann lauschte er noch angestrengter als zuvor auf Geräusche, die das Näherkommen seiner Verfolger ankündigten. Doch da war nichts, keine Stimmen, keine platschenden Schritte auf dem Asphalt, nichts.

Ganz offensichtlich hatte keiner der drei ihn gehört.

Der Hustenreiz verebbte, ebenso wie der Inhalt seiner Trinkflasche. Ein wenig benommen ließ Eddie die Flasche sinken, starrte in die Dunkelheit des Raumes, mit verschwommenem Blick aufgrund der Tränen und des Staubes auf seiner Brille. Das wenige Licht, das von draußen hereinfiel, reichte nicht aus um mehr erkennen zu lassen als dunkle Silhouetten, die sich von dem nicht ganz so dunklen Hintergrund abhoben.

Alles in diesem Raum wirkte unförmig, klobig, nicht wirklich zuzuordnen.

„Das hier ist ja auch ein Keller“, schoss es Eddie durch den Kopf, während er in der Tasche seiner Jacke herumsuchte, wobei ein dumpfer Schmerz durch seinen linken Arm schoss. Das Fenster. Das Glas. Er hatte sich geschnitten… Als er mit der rechten Hand seinen Arm berührte spürte er, dass der Stoff seines Pullovers und der Jacke an seinem Arm klebten, beides feucht von einer warmen Flüssigkeit.

Blut.

Er wusste nicht, wie tief der Schnitt war, den er sich zugezogen hatte; es schmerzte nicht sonderlich stark, zumindest nicht solange er den Arm nicht bewegte… dennoch wäre es wohl klug, die Wunde so schnell wie möglich zu versorgen. Nach Hause zu gehen, und…

Bei dem Gedanken daran machte Eddies Herz einen nervösen Sprung. Dafür gab es zweierlei Gründe: Der erste war, dass er kein großes Interesse daran hatte, seiner Mutter zu erklären woher er diese Verletzung hatte. Sie würde ihn fragen, was passiert war, und sie würde merken, wenn Eddie sie anlog, wenn er ihr nicht von Neil und Jay und Dan erzählte, die ihm auf dem Heimweg aufgelauert und ihn aufgefordert hatten, ihnen sein gesamtes Geld zu übergeben. Sie würde nicht locker lassen bis er ihr ihre Namen gegeben hatte, und dann würde sie sich um die Sache kümmern, und für einige Zeit würde es das besser machen, doch nach dieser Zeit würden die drei es ihm noch heftiger heimzahlen. Das wusste er. Das hatte er bereits einige Male erlebt.

Zum anderen behagte ihm schlichtweg der Gedanke nicht, wieder nach dort draußen zu gehen. Vielleicht waren die drei weg, aber vielleicht warteten sie auch irgendwo darauf, dass er zurückkam, zumindest einer von ihnen. Möglicherweise an der Straßenecke zu dieser Sackgasse, und in diesem Fall hätte Eddie keinerlei Chance, irgendwie zu entkommen. Er könnte versuchen, sich zu wehren, doch selbst wenn es nur einer war, so wusste er dass dieser Versuch reichlich aussichtslos wäre.

Nein. Er konnte nicht wieder nach dort draußen.

Noch nicht.

Seinen schmerzenden Arm so gut es eben ging ignorierend tastete Eddie in der Tasche seiner Jacke herum, bekam die Hülle seines Smartphones zu fassen und zog es daran hervor.

Das Ding konnte nicht viel, besaß keine Taschenlampenfunktion wie die neueren Modelle es taten, doch würde das Display zumindest ein wenig Licht spenden…

Das rötliche Leuchten seines Sperrbildschirms war kaum effektiver als es wohl ein verglimmendes Streichholz gewesen wäre, aber es war besser als nichts, und so folgte Eddie dem schwachen Lichtschimmer durch den Raum, weiterhin darauf bedacht, keinerlei unnötige Geräusche zu verursachen.

Das erste, was ihm auffiel, war, wie unglaublich verstaubt alles hier war. Natürlich hatte er das bereits an der stickigen Luft und seinem daraus resultierenden Hustenreiz gemerkt, der ihn auch jetzt erneut zu überkommen drohte, doch die Dicke der Staubschicht auf den Möbeln, die scheinbar wahllos hier unten abgestellt worden waren, beeindruckte ihn dennoch.

Es musste eine Ewigkeit her sein, seit das letzte Mal jemand hier gewesen war. Jahre. Jahrzehnte.

Dicke Spinnweben schienen in absolut jeder Ecke zu hängen; zwischen Stuhlbeinen, von den Lehnen zu Tischen, in den Fächern von instabil anmutenden Regalen. Auch sie waren von dicken Staubkörnern überzogen, wahrscheinlich hatte sich schon seit Langem kein Insekt mehr darin verfangen.

Mit einer Mischung aus Neugierde, Faszination und Unbehagen betrachtete Eddie eines der Netze, welches nur wenige Zentimeter vor ihm von der Platte eines Möbelstückes, das wie ein uralter Schreibtisch aussah, zu einem von der Decke hängenden Lampenschirm gespannt worden war. Die Fäden waren derart dick, dass Eddie nicht umhin konnte sich ein Tier von den Maßen einer Tarantel auszumalen, das noch immer irgendwo hier in der Dunkelheit lauerte und wartete, dass ihm endlich Beute in seine Falle tappte. Eine Fliege, ein Käfer… oder vielleicht auch… etwas größeres…

„Ja, und genau das passiert, wenn man zu viele Horrorfilme guckt!“, murmelte Eddie. Seine Stimme klang nervöser, als er es sich in diesem Augenblick gewünscht hätte, und das ärgerte und verunsicherte ihn gleichermaßen. Sicher, er hatte sich in Bezug auf soziale Situationen nie für sonderlich mutig gehalten. Im Gegenteil, er war nervös, sobald er mit oder vor anderen Menschen reden musste, die er nicht gut kannte, und wenn ihm jemand drohte, fiel ihm stets nichts Besseres ein als wegzulaufen.

Doch bei Dingen, vor denen sich viele Menschen fürchteten - Dunkelheit, Spinnen, unheimliche Umgebungen - hatte er sich bisher immer für recht abgeklärt gehalten.

Dieser Keller hier, der nur durch das dämmrige Licht von draußen und dem Schein seines Handydisplays notdürftig beleuchtet war, löste in ihm eine Art von Unbehagen aus, die er so bisher noch nie zuvor empfunden hatte. Wenn er genauer darüber nachdachte, dann war es nicht einmal wirklich Angst; er hatte nicht das Bedürfnis, auf der Stelle die Flucht zu ergreifen. Eine Entscheidung, bei der sich jeder Zuschauer eines Horrorfilms wahrscheinlich die Hand vor die Stirn geschlagen und sich gefragt hätte, wie dämlich man eigentlich sein konnte.

Aber trotz seiner spontanen Assoziation des Spinnennetzes mit einem Wesen, das auch vor dem Verzehr eines Menschen nicht Halt machen würde, war es nicht so, dass Eddie an so etwas glaubte.

Nein, es war keine Angst, die er empfand. Es war eher… eine scheinbar grundlose, unbestimmte Anspannung.

Mit einem leisen Seufzen wandte Eddie sich vom Anblick des Spinnennetzes ab, wandte sich nach links und ließ den Lichtkegel über weitere Tischplatten, Stühle und mit leeren Einmachgläsern gefüllte Regale wandern. Mehr Staub, mehr Spinnweben. Nun musste er doch wieder husten.

Auf einem der Regalbretter, hinter einem dickbäuchigen Glas, lag eine tote Maus. Ihre schwarzen Augen starrten Blicklos ins Nichts, und an einigen Stellen ihres Körpers hatten sich bereits Maden daran gemacht, das Fleisch des Tieres zu verzehren.

Angeekelt wandte Eddie sich ab.

Im nächsten Regal befanden sich keine Einmachgläser, stattdessen waren sie gefüllt mit Büchern, von denen die meisten aussahen als seien sie einer ungesunden Menge an Wasser ausgesetzt gewesen. Gewellte, verfärbte Seiten drückten deformierte Buchumschläge nach oben, und aus nicht wenigen von ihnen wucherten Kulturen von Pilzen, für die der feuchte Untergrund wohl einen optimalen Nährboden darstellte. Es hatte etwas faszinierendes an sich, dieser Anblick, wie ein Realität gewordenes Fragment aus Alice im Wunderland. Lediglich der modrige, schwere Geruch störte das fantastische Bild.

Mit einer schnellen Bewegung entsperrte Eddie sein Handy, machte einen Schritt zurück und öffnete dabei die Kamera App. Das Licht hier unten mochte bescheiden sein, doch zumindest über ein Blitzlicht verfügte sein Smartphone, und diese pilzbefallenen Bücher würden ein großartiges Motiv für skurril-morbide Zeichnungen abgeben. Zumindest etwas gutes schien die Flucht vor den drei Schulschlägern somit gehabt zu haben.

Der Kamerablitz war derart hell, dass Eddie reflexartig die Augen zusammenkniff. Dementsprechend verwackelt war das erste Motiv, wie er gleich darauf sah, sodass er sich beim nächsten Versuch dazu Zwang nicht beim Aufblitzen zusammenzuzucken als würde das grelle Licht ihm schaden wie einem Vampir.

Das Klicken des Auslösers vermischte sich mit dem Prasseln des Regens, das mittlerweile ein wenig leiser geworden zu sein schien, während Eddie nach und nach die einzelnen Teile des Regals fokussierte und auf seiner Speicherkarte verewigte. Bei denen, die sich näher am Fenster befanden und somit besser beleuchtet waren, verzichtete er dabei auf die Verwendung des Blitzes, verlieh die spärliche Beleuchtung dem fantasiewelten-ähnlichen Anblick doch einen ganz eigenen Charme.

Als er schließlich das Handy wieder sinken ließ und die Kamera-App schloss, hatte der Schmerz in seinem rechten Arm wieder an Intensität gewonnen. Der Schnitt pochte in einem gleichmäßigen Rhythmus, und fühlte sich seltsam heiß an, beinahe glühend. Erneut strich Eddie über die Wunde, wobei er sich zuvor seine staubverschmierte Hand an seiner Hose abwischte; eine Handlung, die wahrscheinlich nicht von allzu großen Erfolg gekrönt war. Das Blut, das den Stoff von Pullover und Jacke verklebt hatte, war mittlerweile geronnen und bildete eine Kruste, die sich beim Tasten in der Dunkelheit wohl dicker anfühlte als sie in Wirklichkeit war. Dennoch verspürte Eddie ein flaues Gefühl in seinem Magen, und der Gedanke daran, die Verletzung möglichst schnell versorgen zu müssen, drang wieder an die Oberfläche.

Doch war er noch immer nicht überzeugt davon dass es sicher wäre, dieses spontan gefundene Versteck hier zu verlassen, und wenn dem nicht so war so würde diese Schnittverletzung noch seine geringste Sorge sein.

Nach einem kurzen Blick nach unten, mit dem er sich versicherte, dass dort keinerlei Spinnweben, tote Tiere oder sonstiges unerfreuliches Zeug zu finden war, ließ Eddie sich zu Boden sinken, neben seine Schultasche, zog die Beine an und öffnete die Fotogalerie seines Handys.

Die erste Aufnahme, die er erblickte, war derart verwackelt dass lediglich zu erahnen war, was sie eigentlich darstellen sollte, und das traf auf einige der aufgenommenen Fotos zu. Das war nicht weiter verwunderlich, bedachte man die schlechten Lichtverhältnisse und dazu noch die geringe Auflösung der Kamera. Dennoch waren ein paar der Aufnahmen durchaus gelungen, gaben die beinahe surreale Szenerie detailgetreu wieder, und Eddie war sich sicher, dass sich daraus einige interessante Zeichnungen ergeben würden.

Ungefähr die Hälfte der Bilder, die er sich bisher angesehen hatte, hatte er gelöscht - so konnte er die Zeit, die er hier saß und darauf wartete dass er sich sicher genug fühlte wieder nach draußen zu klettern zumindest halbwegs sinnvoll verbringen - und grade war er bei denen angelangt, die er mit Hilfe des Blitzlichtes aufgenommen hatte, als seine Aufmerksamkeit von einem einzigen Aspekt des soeben geöffneten Fotos auf sich gezogen wurde.

Während er die Aufnahmen gemacht hatte, hatte Eddie lediglich darauf geachtet dass sie halbwegs erkennbar waren, aber keinesfalls auf Details der vor ihm befindlichen Motive. Beim Durchschauen der Galerie dann war ihm aufgefallen, dass es sich bei den von Pilzen befallenen Büchern beinahe ausnahmslos um dicke Wälzer handelte, auf deren Buchrücken aufdrucke zu lesen waren wie „Amerikas Weg in die Unabhängigkeit“ oder „Leben und Tod Abraham Lincolns“. Lektüre, die den Eindruck vermittelte, dass, wer immer hier gewohnt hatte großes Interesse an der Geschichte Amerikas, aber dafür scheinbar an nichts anderem besaß. Auf diesem Bild jedoch, welches nun auf dem Handydisplay geöffnet war, war ein Gegenstand zu erkennen, der aus all den anderen Büchern hervorstach.

Zum einen war dieses Buch bei Weitem nicht so umfangreich wie all die historischen Werke, die die Regale füllten. Es war kaum mehr als ein Heft, erinnerte Eddie an seine eigenen Skizzenbücher die er immer bei sich hatte, für den Fall dass ihm eine spontane Idee kommen sollte die es festzuhalten galt bevor er sie wieder vergaß.

Der mangelnde Umfang war der eine Grund, weshalb dieses Büchlein sich vom restlichen literarischen Inventar abhob.

Der andere Grund war der Umschlag. Auf dem Foto sah er rissig aus, und ein wenig fleckig, doch keine Spur von Wasser war darauf zu erkennen, Einband und Seiten wellten sich nicht, und keinerlei Pilze hatten das Papier für ihr Wachstum in Anspruch genommen.

Es sah aus, als sei dieses Büchlein nach all den anderen hier hergelegt worden… oder zumindest war es dem Wasserschaden entgangen.

Den meisten Leuten wäre dieses Detail wohl überhaupt nicht aufgefallen, und falls doch, so hätten sie dem keine weitere Beachtung geschenkt. Sie hätten einfach mit dem Durchsehen der Galerie weitergemacht, und sich dann in absehbarer Zeit endlich wieder auf den Weg nach draußen und nach Hause gemacht, um keinesfalls länger in diesem staubigen Loch eines Kellers zu verweilen, und vor allem um nie wieder dorthin zurückzukommen.

Allerdings, die meisten Leute hätten in einer solchen Situation wohl auch andere Dinge im Sinn gehabt, als in der Dunkelheit eines wahrscheinlich verlassenen, vor allem jedoch unbekannten Gebäudes Fotos zu machen. Sie hätten vielleicht ein paar Minuten auf dem Boden sitzend abgewartet, oder sich allerhöchstens ein wenig umgesehen, bevor sie diesen Ort dann schließlich wieder verlassen hätten ohne jemals wieder großartige Gedanken an ihn zu verschwenden.

Eddie jedoch war bereits ab der Sekunde, in der er durch das Fenster geklettert war, fasziniert von diesem Raum gewesen. Seine Gedanken, als er unter dem Tisch gesessen hatte und bemüht gewesen war, seinen Hustenreiz zu unterdrücken, hatten zwar vorrangig um seine Verfolger gekreist, unterbewusst jedoch war ihm dort bereits klar gewesen, dass er sich hier genauer würde umsehen müssen.

Geschuldet war diese Tatsache wohl einer Mischung aus Neugierde, Faszination sowie diesem Drang, in allen Situationen irgendetwas Spannendes zu entdecken, etwas, das man verwenden, in Geschichten oder Bildern verarbeitet konnte, etwas, das einem vielleicht die Möglichkeit offenbarte, selbst ein kleines Abenteuer zu erleben.

Und so war es auch eben diese Mischung, die Eddie dazu brachte aufzustehen und erneut zu dem Regal voller Bücher zu gehen, im Schein des Handydisplays nach dem kleinen Heftchen suchend, das so gar nicht zu den von Pilzen überwucherten, historischen Werken zu passen schien.

Es dauerte nicht lange, bis er es entdeckt hatte.

Es befand sich beinahe exakt auf seiner Augenhöhe, auf einem besonders in Mitleidenschaft gezogenen Exemplars, dessen Titel auf dem Buchrücken nicht einmal mehr zu entziffern war.

Ohne weiter darüber nachzudenken griff Eddie nach dem Büchlein, strich über den dünnen Einband der sich anfühlte wie rissiges Leder, und zog es vorbei an den aus dem Buch darunter nach oben wuchernden Pilzen aus dem Regal.

Die Staubschicht, die den Einband oben bedeckte, wies eine ebenso beeindruckende Dicke auf wie die restlichen Gegenstände in diesem Raum.

Ein wenig angewidert ließ Eddie sich wieder neben seine Schultasche sinken, legte das Buch auf den Boden und wischte mit seiner Hand über seine Hose.

Zuhause würde er sich umziehen müssen, und am Besten auch sofort duschen. Doch für den Moment war das zweitrangig, denn alles, was ihn hier und jetzt interessierte, war der Inhalt dieses kleinen Büchleins.

Hätte ihm jemand die Frage gestellt, was er Bitteschön so aufregendes in diesem uralten Heft zu finden hoffte, so wäre er unfähig gewesen, diese Frage zu beantworten. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was er erwartete.

Da war lediglich dieser Teil von ihm, der Teil der so viele Stunden Bücher und Filme verschlang und sich Geschichten ausdachte, der Teil der jedes Mal wenn er das Haus verließ hoffte dass er heute endlich ein Abenteuer erlebte - ein Abenteuer das nicht darin bestand, vor den Schulschlägern davon zu laufen, sondern darin, irgendein Geheimnis zu lüften, einen Schatz zu finden, irgendetwas. Manchmal, wenn er schlecht gelaunt oder traurig war, war Eddie der Meinung dass dieser Teil von ihm geistig einfach irgendwo zwischen seinem fünften und zehnten Lebensjahr hängengeblieben war. Dass er nichts weiter war als kindisch und albern, und dass er endlich aufhören sollte über derart unrealistische Dinge nachzudenken.

Doch war es eben dieser Teil, der nun dafür sorgte, dass er voller Neugierde den staubigen Einband des Buches aufklappte, dabei hoffend, beinahe betend, dass er irgendetwas finden würde was dieser Neugierde gerecht wurde.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Drachenprinz
2020-03-22T21:28:46+00:00 22.03.2020 22:28
Urgh, so ein starkes Husten zu unterdrücken, ist echt ein unangenehmes Gefühl. x_x Irgendwie tut Eddie mir da gerade krass leid. :'D

Mann, den Gedankengang, warum er das alles seiner Mutter nicht erzählen will, kann ich aber auch echt gut nachvollziehen. :c Boah, solche Typen wie Neil, Dan und Jay regen mich echt auf. Wie kann man so viel Spaß daran haben, anderen das Leben schwer zu machen? o_O Und dann ist er da auch noch ganz alleine in diesem Gebäude und hat sich den Arm aufgeschnitten. Alter, ich will nicht mit ihm tauschen, das ist schon irgendwie ein ziemlicher Albtraum!

... Okay, nach dieser Beschreibung, wie dick die Staubschichten und Spinnenweben da überall sind, ist das erst recht mein Albtraum. :'DD Ich hab sogar, zumindest was das mit den Spinnweben angeht, schon öfter geträumt, ich wäre in meinem alten Zimmer und es würde da so aussehen und überall wären Weberknechte - HORROR! XD

"scheinbar grundlose, unbestimmte Anspannung" Hör mal, Eddie!! Grundlos? Hallo, in dieser Situation fände ich es eher seltsam, überhaupt nicht angespannt zu sein. x'D Aber naja, das mit den Spinnen wäre wohl auch das, was mir da - abgesehen vom Gedanken an die Verfolger - am meisten Angst machen würde, weil ich einfach echt ein Problem mit Spinnen und vielen Insekten hab. Ansonsten würde ich mich an einem abgelegenen Ort, der was von einem Horrorfilm hat, wahrscheinlich auch nicht ZWINGEND so unbehaglich fühlen wie viele andere. Aber kommt auf den Ort an. Kellerräume find ich ja eigentlich sogar sehr cool und weiß selber nicht warum. xD

"ein Realität gewordenes Fragment aus Alice im Wunderland", diese Formulierung find ich echt schön und atmosphärisch. :D Ich wäre da wohl auch fasziniert, auch wenn die Vorstellung auch irgendwo ziemlich eklig ist. xD Aber dass er erst mal daran denkt, ein Foto davon zu machen, weil er das so inspirierend findet... this is so me. X'D Jetzt versteh ich, dass ich bei dem Test Eddie raus hatte!!

Okay, je mehr ich hier über Eddies Gedanken und Wahrnehmung lese, desto mehr denke ich mir "Yo, könnte ich sein". XD Das ist wirklich genau das, wie auch ich in dieser Situation empfinden würde, wirklich abgesehen davon, dass meine Spinnenangst mich da ablenken würde! Und mir wären solche Details wie das mit den Büchern wahrscheinlich auch aufgefallen. Gut, jetzt macht es wirklich Sinn, dass ich Eddie bin. Vorher hatte ich irgendwie echt nicht auf dem Schirm, wie ähnlich er mir anscheinend ist. xD Aber sehr cool!

Uuuund jetzt bin ich fertig mit dem Kapitel und bin wirklich sehr gespannt, was da in dem Buch drin ist. °-° Mega atmosphärisch beschrieben alles, ich konnte das alles extrem gut nachfühlen! Freue mich auf jeden Fall, mehr von dieser Geschichte zu lesen. c:


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