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The Diary of Mrs Moriarty

von

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Verlorene Liebe

„Wir befinden uns im Krieg, meine Teuerste. Und um das alles durchzustehen, musst du tatsächlich zu einer Soldatin werden. Denn in diesem Krieg, wird keiner von uns Ruhm oder Ehre ernten. Von der Liebe wird auch nur eine flüchtige Erinnerung übrigbleiben. Und eine verloren Liebe, ist mit keinem Schmerz der Welt zu vergleichen…“
 

„Hereinspaziert, hereinspaziert! Ich heiße dich noch mal recht herzlich im Regenbogenschwingen-Palast willkommen. Auf eine gute Zusammenarbeit!“ Clayton schüttelte feierlich Miceylas Hand, während sich einige Schauspieler um sie beide versammelt hatten und freundlich lächelten.

„Ich bedanke mich für diese warmherzige Begrüßung. Es ist mir eine Ehre, mit euch allen zusammenzuarbeiten und die kunterbunte Welt der Schauspielerei kennenlernen zu dürfen“, dankte sie mit stolzem Lächeln und blickte neugierig die ganzen ihr unbekannten Gesichter an.

„Dann werde ich dich mal mit unserer Stammtruppe vertraut machen. Manchmal heuern wir noch Gastschauspieler oder Sänger an, die bei uns auftreten. Aber alle hier gerade anwesenden, sind fester Bestandteil meines Teams. Ich weiß ganz genau, dass ich mich auf jeden einzelnen von ihnen blind verlassen kann. Jeder von ihnen hat eine ganz individuelle Herkunftsgeschichte und besitzt langjährige Erfahrung in den verschiedensten Bereichen. Hier spielt Abstammung keine bedeutende Rolle. Wer sein Herz am rechten Fleck hat und mit Talent glänzen kann, wird bei uns mit offenen Armen empfangen. So, ich stelle dich nun mal jedem der Reihe nach vor. Die Schwestern Cataleya und Violet sind bezaubernde Tänzerinnen und beherrschen eine unnachahmliche Akrobatik. Die kleine Ivy schlüpft meistens in die Rolle eines Kindes. Olivias Spezialgebiet ist der Operngesang und sie hat einige atemraubende Zaubertricks auf Lager. Erin und Jaral sorgen dafür, dass die Bühnenbilder perfekt in Szene gesetzt werden. Hacor ist größtenteils für die Organisation und Verwaltung des Theaters zuständig und vergewissert sich, dass jede Vorstellung reibungslos vonstattengeht. Tirell und Yarik sind ehemalige Söldner und übernehmen Rollen, die mit einem größeren Gefahrenrisiko verbunden sind. Außerdem packen sie dort mit an, wo Kraft benötigt wird. Mit unserer Aktrice Saphira bist du ja bereits bestens vertraut. Die Drehbücher für jedes der einzelnen Stücke, schreibe ich persönlich. Wie du merkst, besitzt hier jeder einen Künstlernamen und wird auch nur mit solchem angesprochen. Ich könnte dir noch zu jedem von ihnen eine kurze Anekdote erzählen, aber die erfährst du auch, wenn du näher mit deinen neuen Kollegen ins Gespräch kommst. Nun denn, betritt die Bühne und scheue dich nicht davor, die Schattenseite des Lebens zu repräsentieren. Wir sind nicht bloß einfache Schauspieler, wir sind die Spiegelbilder aller düsteren Seelen der Menschen und mimen deren Ängste, Träume, Begierden und Sorgen. `Behalte stets den Überblick im Spiel, du gewinnst dabei sehr viel. Schaue immer nur nach vorn und nie zurück, dies beschert dir wesentlich mehr Glück. Sammle zu jeder Zeit nützliches Wissen, Überlegenheit wirst du dadurch niemals missen. Blicke deinem Feind direkt ins Gesicht und lache, ehe du ihn überfällst mit Rache.` Präge dir unseren Leitsatz gut ein, mein Vöglein“, sprach Clayton betonend und Miceyla erkannte dabei, dass sich hinter seinen gesprochenen Worten, noch eine weitaus tiefere Bedeutung verbarg. Es erschien ihr, als hätte er sich eine eigene Hoffnung erschaffen, um den stechenden Schmerz in seinem Herzen zu lindern. Doch es bescherte ihr ein stilles Lächeln, dass ebenfalls in dieser Theatergruppe, welche aus den ungewöhnlichsten Menschen bestand, der Zusammenhalt ganz groß geschrieben wurde. Nach ihrer beschaulichen Willkommensfeier, verließ Miceyla nachdenklich das Theater und vermied die menschenüberfüllten Straßen. Seitdem William erfahren hatte, dass Claytons Erzfeind, der Premierminister Harley Granville zu sein schien, verliefen seine Nachforschungen vorübergehend in eine ganz andere Richtung. Albert nutzte unter anderem seine Verbindung zu Mycroft, der in direktem Kontakt mit jenem bedeutsamen Mann stand. Doch bislang konnten keine vermeidlich kriminellen Machenschaften, von ihm aufgedeckt werden. Daher trat Sir Granville, als herausragende Persönlichkeit vor die Öffentlichkeit, welche mit verantwortungsbewusster Gewissheit, seinem wichtigen Amt nachging. Aber Miceyla beunruhigte der Gedanke, dass in dem Zeugen Clayton, die Wahrheit über Harley Granville schlummern musste. Was geschah wohl, wenn sie oder William diese erfuhren? Welchen Nutzen würden sie daraus ziehen? Es überkam sie die nicht zu unterdrückende Angst, dass sie und ihre Kameraden sich bei dem kleinsten Fehler, die gesamte Regierung zum Feind machten. War es denn wirklich notwendig einen Krieg anzuzetteln, nur um damit Frieden zu schaffen? Erneut plagten sie Zweifel, ob der Kampf für Gerechtigkeit nicht bloß als Vertuschung diente, um anderen die eigenen Ideale mit Gewalt aufzuzwingen. Ehe Miceyla sich wieder auf den Heimweg machte, wollte sie noch eine Kostprobe ihres neuen Manuskriptes, bei ihrem Verlag abgeben gehen. Auch ihre Einnahmen durch ihr erstes herausgebrachtes Buch konnten sich sehen lassen. `Mit ein wenig Unterstützung kann jeder Traum in Erfüllung gehen…`, dachte sie optimistisch und verließ gut gelaunt die kleine Buchhandlung mit dem freundlichen Verleger. Während sie leichtfüßig ihres Weges ging, riss sie ein zaghaftes Miauen aus ihren Träumen. Kurz darauf entdeckte Miceyla drei kleine Katzenkinder, die unter einer hervorstehenden Bordsteinkante Zuflucht gesucht hatten. Mit sorgenvollem Gesicht kniete Miceyla sich zu ihnen hinab.

„Oh weh, ihr Ärmsten… Euch liebenswerten Tierchen, wird viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Ich scheine euch aber auch alle magisch anzuziehen. Was mache ich denn nun? Ich kann jetzt nicht einfach meinen Blick abwenden und weiterlaufen…“, seufzte sie mitleidvoll. `Will hat mir ausdrücklich verständlich gemacht, dass wir nicht jedes hilfsbedürftige Tier bei uns aufnehmen können. Wenn ich mit weiteren Katzen zu Hause ankomme, wird es wohl oder übel Ärger geben… Jedoch… Ich bekäme ein schlechtes Gewissen, würde ich sie nun hier zurücklassen. Bis ich für die drei ein neues Zuhause gefunden habe, verstecke ich die Kleinen und sorge für ihr Wohlergehen`, beschloss Miceyla und setzte die jungen, hungernden Kätzchen in ihre Tasche, welche genug Platz bot. Die Katzen ließen sie ohne Gegenwehr gewähren. Als sie beim Anwesen eintraf, huschte sie unauffällig die Treppe hinauf und lief geradewegs in ihr Ankleidezimmer. Luna und Lucy, die sofort ihre neueingetroffenen Artgenossen rochen, folgten ihr neugierig.

„Ha, ha. Ich komme aber auch wirklich immer auf die verrücktesten Ideen…“, meinte sie lachend und warf einen Blick auf ihre beiden Verfolgerinnen.

„Miceyla, komme bitte zu uns hinunter. Es gibt etwas Wichtiges zu besprechen!“ Sie erstarrte bei Louis‘ energischer Stimme und blickte panisch umher.

„Husch, husch! Ab mit euch in den Kleiderschrank! Keiner darf von meiner erneuten Rettungsaktion Wind bekommen!“ Hastig und dennoch sanft, versteckte Miceyla ihre drei Findlinge in dem Schrank, woraufhin Luna und Lucy an der Schranktür zu kratzen begannen.

„Bitte haltet inne! Ihr wollt mich doch nicht verpetzen“, ermahnte sie die zwei schmunzelnd.

„Sag mal bist du schwerhörig? Von mir bekommst du sicher keine Extraeinladung!“, befahl Louis gereizt, dessen Stimme sich nun unmittelbar vor der Zimmertür befand. Doch er war nicht alleine…

„Aber, aber, wer verliert denn da gleich so schnell die Geduld? Miceyla ist gerade erst nach Hause gekommen, lass ihr ein wenig Zeit“, besänftigte Albert ihn. Sie wollte schleunigst das Ankleidezimmer verlassen, da stieß sie mit William zusammen, der verwundert die Augenbrauen hochzog.

„Alles in Ordnung, meine Liebe? Normalerweise triffst du immer als eine der Ersten bei unseren Besprechungen ein. Ich weiß schließlich, dass deine Neugierde kaum zu stillen ist“, erkundigte er sich lächelnd und las innerhalb eines Wimpernschlages von ihren Augen ab, dass sie etwas zu verbergen hatte. `Schachmatt, ha, ha… Jetzt muss ich wohl meine Kapitulation eingestehen`, dachte Miceyla und fragte sich, ob es jemals möglich wäre, vor seinem scharfen Verstand etwas geheim halten zu können. Als ein gedämpftes Maunzen aus dem Kleiderschrank zu hören war, formten sich die Lippen der drei Brüder, zeitgleich zu einem breiten Grinsen.

„Jetzt komme mir nicht mit der Ausrede, dass diese Laute nur von unseren beiden Katzendamen kommen. Dann lass mich mal dein kleines Geheimnis lüften…“, meinte William mit einem neckenden Klaps auf ihre Schulter und lief zielstrebig zum Kleiderschrank. Etwas entmutigt sah Miceyla dabei zu, wie er diesen öffnete, woraufhin die drei quirligen Kätzchen sofort miauend ins Freie sprangen.

„Hach… Da bist du heute mal wieder durch die abgelegensten Gassen gelaufen. Ich teile ja deine Sympathie für Katzen, doch wenn du nun alle streunenden Tiere von ganz London ins Anwesen schleppst, entsteht dadurch ein merkliches Problem“, kommentierte Louis den Anblick der herumtollenden Katzenkindern mit gemischten Gefühlen.

„Es ist schwer, seine Gutherzigkeit im Zaun zu halten, nicht wahr? Und es gibt nichts unangenehmeres als Schuldgefühle“, fügte Albert hinzu und lächelte verständnisvoll.

„Ich habe es ja begriffen… Dann bringe ich die Katzen eben dorthin zurück, wo ich sie gefunden habe und überlasse sie ihrem Schicksal. Denn auf die Schnelle, werde ich wohl kaum einen neuen lieben Besitzer finden, der die Bereitschaft besitzt, verlauste Straßenkatzen aufzunehmen…“, gab Miceyla missmutig nach.

„Nicht doch, davon kann überhaupt gar keine Rede sein…“, widersprach William ihr nachdenklich.

„Und welche Lösung schlagt ihr dann vor? In dieser Stadt haben es sogar Waisenkinder schwer, einen Heimplatz zu finden. Wer schenkt da schon hungernden Tieren Beachtung…“, verfluchte Miceyla die grenzenlose Ignoranz der Menschen.

„Ich hätte da einen Einfall, der möglicherweise unser aller Interesse wecken könnte. Denn in Problemen entdecken wir stets verborgene Lösungen, die uns mehr als andere zum Erfolg führen. Wieso gründest du nicht eine Pension für Katzen? Also sozusagen ein Waisenhaus für Tiere, in dem sie aufgenommen werden und an neue, zuverlässige Besitzer vermittelt werden. Ein Unternehmen, welches deinen Namen trägt. Um das Startkapital und die finanziellen Angelegenheiten, kümmere ich mich selbstverständlich. Es wäre von großer Bedeutung, wenn in unserer Familie jemand eine wohltätige Aufgabe übernehmen würde. Da früher oder später die Ersten, meiner Scheinfirma auf die Schliche kommen werden. Du kennst gewiss die besagten Kandidaten dafür… Folglich stünde die Aufrichtigkeit der Moriartys auf der Kippe. Und dies wollen wir noch ein Weilchen hinauszögern. Du wirst damit als tüchtige junge Dame, sowohl bei deinen Konkurrentinnen, als auch bei den Herren in aller Munde sein und agierst als ein Vorbild, bei denen sich die faulen Adeligen, eine Scheibe abschneiden können. Siehe da meine liebe Eisblume, wir erschaffen uns in verzweifelten Situationen, neue Wege zum glücklichen Ziel. Zudem denke ich auch, dass es an der Zeit ist, dir eine verantwortungsvolle Aufgabe zu überlassen, bei der du dich ganz unabhängig von unseren geplanten Einsätzen entfalten kannst“, schlug Albert mit bestärkender Überzeugungskraft vor.

„Ich bin sprachlos… Gegen deine Argumente gibt es nichts einzuwenden. Und wieder einmal, würden wir einen solch nützlichen Vorschlag alle befürworten. Ein Haus für Katzen also… Das wird in London sicherlich einen positiven Eindruck hinterlassen. Großartig, lasst uns noch den nötigen Papierkram erledigen und Alberts grandioser Idee steht nichts mehr im Wege!“, gab Miceyla begeistert ihr Einverständnis und blickte daraufhin zu den verspielten Kätzchen, die dabei waren, mit den zwei etwas größeren Katzendamen Freundschaft zu schließen.

„Wunderbar gesprochen, mein Liebling. Pragmatisch und unkompliziert. Die Sprache, welche wir vier fließend sprechen. Nun können wir uns meinem Anliegen widmen und dieses kurz ausdiskutieren. Es wird nicht viel Zeit in Anspruch nehmen“, erwiderte William zufrieden und lief als Erster hinaus. Albert folgte ihm, nur Louis blieb noch einen Moment lang neben Miceyla stehen und blickte sie mit einem schelmischen Grinsen an.

„Na, sollen wir die drei kleinen Rabauken, derweil in Morans Zimmer unterbringen? Seine verschreckte Reaktion wäre bestimmt höchst unterhaltsam.“ Miceyla musste sich nach seiner sarkastischen Bemerkung, ein lautes Lachen verkneifen.

„Ha, ha! Ich rate dir, von diesem Einfall lieber abzusehen. Es sei denn du bist versessen darauf, in unserem Anwesen eine Tragödie heraufzubeschwören.“

„He, he, keine Bange. Das Wohlergehen der Kätzchen hat Vorrang. Ich werde Miss Moneypenny damit beauftragen, die drei in einem separaten Raum unterzubringen und zu versorgen“, versicherte Louis ihr pflichtbewusst und gesellte sich mit Miceyla zu seinen Brüdern in das Wohnzimmer.

„Gut, heute müssen wir einmal ohne die Anwesenheit von Moran und Fred auskommen, da die zwei sich zurzeit noch auf `Streifzug` befinden und erst spät in der Nacht zurückkommen werden. Zudem haben beide in den kommenden Tagen, bereits genug `Aufräumarbeiten` zu erledigen. Bei unserer nächsten Mission, tasten wir uns mal etwas an die gehobenere Liga der Infiltration und Spionage heran. Nicht das all die bisherigen Aufträge rein spartanisch gewesen wären. Doch sollten wir allmählich durchleuchten, welche Machthaber in Londons Regiment eigentlich zum Wohle des Volkes agieren oder nur eigennützige Interessen verfolgen. Die Werdegänge der oberen Befehlshaber im Parlament und beim Militär beherrschen wir im Schlaf. Dennoch muss langsam mal aussortiert werden, wer von ihnen den aufrichtigen Willen und die Selbstlosigkeit besitzt, das Vereinigte Königreich in eine gerechte Zukunft zu lenken. Es darf keine Person mit einem breit gefächerten Handlungsspielraum, bei unseren Plänen dazwischenfunken. Clayton gab uns nun erste Hinweise, aber anstatt einen direkten Attentat zu verüben wie er es anstrebt, der zu einer kritischen Spaltung in der Bevölkerung führen würde oder sogar einen Bürgeraufstand hervorrufen könnte, setzen wir unsere ganz individuellen Methoden ein. Eine geplante Exekution, lassen wir als letzte Option offen. Zu allererst sammeln wir so viele aussagekräftige Informationen, wie es uns nur möglich ist. Albert konnte in Erfahrung bringen, dass Harley Granville einen Verwaltungsassistenten besitzt, der sozusagen als seine rechte Hand agiert. Für diesen Mann

ist der Premierminister wie ein offenes Buch. Und um der Komplikation aus dem Weg zu gehen, eine Persönlichkeit mit unzähligen Bediensteten zu beschatten, wählen wir die bequemere Variante und infiltrieren das Anwesen des Assistenten, welches nur von einer Handvoll durchschnittlicher Angestellter instandgehalten wird, die wir mit Leichtigkeit ablenken können. Wir halten uns für dieses Unterfangen, einen Tag in der ersten Maiwoche frei. Heute ist der fünfundzwanzigste April, daher gehen wir die Sache ganz entspannt an und widmen uns parallel den nächsten Projekten. Und es reicht, wenn zwei von uns jenen Spionageakt übernehmen. Miceyla meine Liebe, du und ich werden die Auskundschaftung seines Anwesens in Angriff nehmen. Hm… Du schaust so überrascht wie ich es erwartet hatte. Freut es dich nicht, mit mir alleine einen spannenden Auftrag auszuführen oder macht es dich sogar nervös? Ich kann dir doch nicht ständig, den ruppigen Moran als Missionspartner zumuten“, offenbarte William die genaueren Details, seiner geplanten Spionage und blickte sie schmunzelnd an.

„Oh! Nein, nein! Ich meine…natürlich freue ich mich darüber! Sofern man sich über eine riskante Infiltrierung freuen kann, ha, ha. Ich bin auch neugierig, die Hintergrundgeschichte von Harley Granville zu erfahren. Deshalb werde ich dir tatkräftig zur Seite stehen!“, erwiderte Miceyla rasch und verlegen bemerkte sie, dass sie seinem innigen Blickkontakt, nicht lange standhalten konnte. `Was wäre eigentlich wenn…Albert und ich mal für längere Zeit alleine blieben? Sei es auf einer Mission oder hier im Anwesen? Bislang kam es nie dazu. Allerdings… Vielleicht versucht Will genau das zu vermeiden. Dennoch weiß ich ganz genau, dass dies nicht auf ewig so bleiben kann und wird. Wir sind ein Team, das einen ernsthaften Plan verfolgt. Daher muss jeder mit jedem professionell zusammenarbeiten können. Trotzdem… Das mulmige Gefühl in meiner Brust, will einfach nicht verschwinden…`, überkam Miceyla plötzlich dieser unangenehme Gedanke und sie warf instinktiv einen Blick zu Albert, der neben ihr auf dem Sofa saß, gegenüber von William und Louis. Völlig unerwartet bemerkte sie, wie seine grünen Augen sie ebenfalls tiefgründig anblickten. Errötet senkte Miceyla hastig den Blick. `H-hatte er etwa gerade dieselbe Vorstellung wie ich gehabt?!`, überlegte sie aufgewühlt und spürte Williams brennenden Blick auf sich ruhen.
 

Der nächste Tag begann mit warmem Sonnenschein und einem klaren Himmel. Miceyla hatte Fred darum gebeten, dass wenn er Zeit hätte, sie einmal zu Claytons Mädchenwaisenhaus zu führen, da er wusste wo sich dieses befand. Und wie sie es von dem freundlichen Jungen gewohnt war, erklärte er sich sofort bereit dazu.

„Es ist schon erstaunlich wie Clayton es schafft, zeitgleich ein Theater und ein Waisenhaus zu führen. Er muss doch bestimmt geheime Helfer haben, die ihm den Rücken stärken. Das alles alleine zu bewerkstelligen, finde ich nämlich etwas utopisch“, sprach Miceyla ihre Gedanken laut aus, während sie nach einer kurzen Kutschfahrt, mit Fred nun zu Fuß unterwegs war.

„Naja… Dieser Mann besitzt einen ähnlich stark ausgeprägten Willen wie William, um seine Ziele durchzusetzen. Mich beschäftigt eher etwas ganz anderes... Kurz gesagt, was passiert wenn die führende Person umkommt, welche sich das alles erarbeitet hat? Fällt dann alles in sich zusammen, weil niemand existiert, der dessen Träume auf die gleiche Weise fortführen könnte? Jeder Mensch ist unersetzbar…“, sprach Fred mit trüben Augen. Miceyla lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. `Leider hat er recht… Ein äußerst unangenehmer Gedanke, aber er entspricht der bitteren Realität. Was sind wohl die finsteren Konsequenzen für all jene Kinder, wenn ihr Retter versterben sollte…? Wer besucht noch ein Theater, dessen beliebtester Akteur nicht mehr auftritt…? Und…was passiert mit den ganzen genialen Plänen, falls William als Erster von uns…` Kopfschüttelnd zwang Miceyla sich dazu, diesen schauerlichen Gedanken zu unterbrechen.

„Oh! Wir sind ja schon da!“ Abrupt blieb sie mit Fred stehen, als sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein gepflegtes Gebäude sah, das nach einer kleinen, eingezäunten Schule aussah. Im Vorgarten befanden sich großflächige Blumenbeete mit Arten, welche eigentlich nur selten in London vorzufinden waren. Und in der Mitte befand sich sage und schreibe, ein ansehnlicher Springbrunnen, mit einer plätschernden Fontäne.

„Meine Güte! Das ist kein Waisenhaus, das ist ein richtiger Palast! Clayton hat wirklich alles drangesetzt, um kleine Mädchenträume wahr werden zu lassen“, staunte Miceyla bewundernd.

„Das stimmt. Dieses Haus ist das Produkt, welches durch seine Güte gegenüber den misshandelten Kindern entstanden ist. Ich würde dich ja sehr gerne mit hinein begleiten, denn ich habe Kinder ebenfalls sehr gern, doch kannst du dir bestimmt denken, weshalb ich davon besser absehe…“, meinte Fred und lächelte sie zaghaft an.

„Ja, ich verstehe schon. Als ein Junge würdest du von allen schräg angeschaut werden. Ob Clayton wohl der einzige Mann ist, der dieses Waisenhaus betreten darf? Ich finde jedoch, dass es für die Mädchen wichtig ist zu lernen, dass auf dieser Welt noch andere liebevolle männliche Wesen existieren. Und vor allem müssen sie lernen, sich beim stärkeren Geschlecht durchzusetzen. Diese Fertigkeit ist für jede Frau unabdingbar, um ein freies und unbestimmtes Leben zu führen. Uns Frauen fehlt es leider noch immer an den nötigen Rechten… Verzeih, das ich meine Meinung so unbekümmert ausgesprochen habe“, meinte sie ein wenig bedrückt.

„Du brauchst dich deswegen nicht zu entschuldigen. Deine offene Ehrlichkeit ist beachtenswert. Ich wünsche dir viel Spaß, bei deinem Aufenthalt in dem Waisenhaus. Vielleicht entdeckst du ja auch noch etwas Interessantes.“ Mit diesen letzten Worten verabschiedete Fred sich und ließ sie alleine zurück. `Dann wollen wir mal! Ich platze bereits vor Neugierde!` Gespannt darauf, was Miceyla nun erwarten würde, passierte sie das Eingangstor, auf dem oberhalb eine kupferfarbene Magnolienblüte abgebildet war. Einige der Mädchen nutzten das schöne Wetter und spielten lachend im Freien. Hübsche Kleider trugen sie und sahen alle sowohl körperlich als auch geistig kerngesund aus. Jedoch gab es auch Ausnahmen. Denn anhand der Gesichtsausdrücke und Statur konnte sie mühelos ablesen, welche der Mädchen schon länger an diesem Ort lebten und welche erst vor kurzem von ihrem Armutsleben befreit worden waren. Zwei der Jüngeren blickten Miceyla neugierig mit kugelrunden Augen an, während sie von drei älteren Mädchen misstrauisch angestarrt wurde. Sie lächelte den Kindern nur freundlich zu, ohne sie mit ihrer Stimme zu verschrecken, da sie genau wusste, dass jedes von ihnen traumatische Erlebnisse durchgestanden hatte. Miceyla betrat das Gebäude und blickte sich prüfend um. `Ich frage mich ob hier noch mehr Erwachsene, außer Clayton und Irene Aufsicht haben. Denn mit ihrer Arbeit im Theater und diversen Missionen, sind die zwei doch bereits völlig ausgelastet. Fragen über Fragen… Aber ich werde Antworten erhalten, vorher lasse ich nicht locker!` Mit hellwachen Sinnen, lief sie durch einen geräumigen Speisesaal und gelangte in einen großen Wohnbereich, der gleichzeitig wie ein Spielzimmer aussah. Und aneinander gereihte Tische und Stühle vor einer Tafel verrieten ihr, dass in diesem Raum die Kinder sogar unterrichtet wurden. Ein kleines Mädchen, das ungefähr erst drei Jahre alt war, spielte auf dem Teppichboden mit mehreren Stoffpuppen. Freudestrahlend blickte sie zu Miceyla auf und hüpfte vergnügt in ihre Richtung.

„Hallo meine Kleine. Du scheinst mir aber einen unerschrockenen Frohsinn zu besitzen. Aus dir wird bestimmt einmal eine tapfere junge Dame, die nicht so schnell klein beigibt. Kannst du schon sprechen? Wie heißt du denn?“, fragte Miceyla munter und ging vor dem kleinen Mädchen in die Hocke. `Das hier auch Kinder in einem solch zarten Alter wohnen, finde ich zwar lobenswert, doch bricht es mir auch gleichzeitig das Herz, wenn ich daran denke, dass ein Kind wie sie ganz ohne Eltern aufwachsen muss. Genauso schwer erging es William und Louis. Jedoch, nicht einmal Geschwister an seiner Seite zu haben, macht den eigenen Lebensweg noch mal um einiges härter…`, dachte sie trübsinnig und blickte dabei in die unschuldigen, hellgrünen Augen des Mädchens.

„Clara!“ Ihre zarte Stimme riss sie aus ihren Gedanken und bevor sie etwas erwiderte, lächelte sie einfach nur warmherzig.

„Nanu? Ich dachte schon mein Gehör spielt mir einen Streich. Unsere kleine Clara spricht tatsächlich das erste Mal, mit einem ihr fremden Menschen. Ich vermute, dass sie in dir ihre verlorene Mutter sieht. In ihrem Alter ist das völlig natürlich. Dies nennt sich Liebe auf den ersten Blick! Aber jetzt mag ich dich endlich ordnungsgemäß begrüßen, ehe mir noch meine gesitteten Manieren abhandenkommen. Also mein Vöglein, fühle dich in diesem bescheidenen Waisenhaus wie zu Hause. Und vergib mir, dass ich dich nicht persönlich hierher eingeladen habe. Doch wie ich sehe, beschreitest du deinen Schicksalspfad ganz unaufgefordert…“ Miceyla zuckte bei jener beschwingten Stimme zusammen und erhob sich reflexartig.

„Huch?! Clayton, du bist ja hier! Ich sollte mich eher für mein unangekündigtes Hereinplatzen entschuldigen. Und…du meinst wirklich, dass Clara mich als Mutter sehen könnte? Ich...eine Mutter…“ Die letzten Worte murmelte sie nur noch nachdenklich vor sich hin und konnte dabei ihren Blick nicht von dem kleinen Mädchen abwenden, deren Aufmerksamkeit weiterhin voll und ganz ihr gewidmet war.

„Meine Hauptarbeit im Theater beginnt erst am Nachmittag. Die meiste Zeit des Vormittags verbringe ich hier und unterrichte die Mädchen. Ich übernehme die naturwissenschaftlichen Fächer, Irene die künstlerischen und musischen und unser ältestes Mädchen, beschäftigt sich intensiv mit der Literatur. Wissen ist nun mal Macht und davon möchte ich den Mädchen, soviel wie möglich mit auf den Weg geben“, verriet er ihr mit einem unnachahmlichen Lächeln.

„Wie wundervoll. Du schenkst den Kindern unsichtbare Reichtümer, die man mit keinem Geld der Welt bezahlen könnte“, freute Miceyla sich für das neuerrungene Glück der Waisenkinder. `Doch um ihnen das alles zu ermöglichen, kommt auch Clayton nicht drumherum, sich die Hände schmutzig zu machen… Es bleibst scheinbar unausweichlich. Wer das wahre Böse bezwingen will, muss selbst zum Verbrecher mutieren. Und das Rätsel bleibt ungelöst, wem am Ende die Gerechtigkeit zusteht. Aber wenn ich mir hier die zufriedenen Gesichter der Mädchen betrachte, erhält der Begriff Gerechtigkeit eine ganz neue Bedeutung. Und einmal mehr findet meine Zuversicht Bestärkung, dass Williams Ideale jeden auf den rechten Pfad führen werden. Dennoch prallt er nach wie vor damit gegen die von Sherlock, der Gut und Böse ganz klar voneinander unterscheidet. Beide sind gewissermaßen mit ihren Grundeinstellungen im Recht und vertreten ihre eigene Meinung`, dachte sie und war sich unschlüssig darüber, welche Sichtweise man vernünftigerweise mehr Zustimmung schenken sollte.

„Meine Güte… Du verwirrst nur deine eigene Wahrnehmung, mit deinen ganzen Grübeleien. Wir alle befinden uns in einem ewigen Kreislauf, welcher durch keine existierende irdische Kraft zu durchbrechen ist. Verdorbenheit und Rechtschaffenheit sind dabei zwei ineinander verhakte Zahnräder, die niemals voneinander ablassen werden. Ich überlasse jedem seine individuelle Weltanschauung, auch deinem Geliebten, mit seinem überdimensionalen Akt einer erzwungenen Revolution… Ach, lass uns schleunigst von diesem tristen Thema wegkommen. Was bin ich doch das ständige Gejammer leid! Kinder, kommt mal alle her! Zeit für eine spannende Geschichte! Miceyla mag sie sicherlich ebenfalls mitanhören“, rief Clayton seine Schützlinge zusammen und präsentierte dabei wieder die Gabe seines plötzlichen Stimmungswandels. Miceyla fixierte ihn eindringlich mit ihren schimmernd grünen Augen, ohne dabei nach außen zu tragen, was sie gerade fühlte. `Unfassbar… Nach William und Sherlock ist er die dritte mir bekannte Person, welche es schafft die Gedanken anderer zu entschlüsseln. Oder in die Herzen der Menschen zu blicken, wie er es nennt… Eine solch scharfe Auffassungsgabe, ist immer wieder aufs Neue beängstigend. Aber ist es nicht genau das, was auch ich immerzu versuche? Und ist diese Fähigkeit für einen selbst, vielleicht ein ganz natürlicher Prozess des Beobachtens und Schlussfolgerns, bei dem man keinerlei Besonderheiten feststellt…?` Während Miceyla so tief in ihren Überlegungen vertieft war, hatte sich eine ganze Schar Mädchen um sie herum auf dem Teppich versammelt und blickten Clayton erwartungsvoll an.

„Was für eine aufregende Geschichte erzählst du uns heute? Ist es eine deiner Abenteuer und Eroberungen? Oder erfahren wir nun endlich, wie die Tragödie der mutigen Soldatin endet und ob ihr Traum in Erfüllung geht, eine wahre Heldin zu werden?“, fragte ein etwa zwölf Jahre altes Mädchen laut und faltete dabei bettelnd die Hände ineinander.

„Oh ja bitte! Erzähle uns die Geschichte der tapferen Kriegerin weiter! Eines Tages werde ich genauso stark wie sie sein und uns alle beschützen!“

„Nein! Sie ist schon mein großes Vorbild! Du traust dich doch gar nicht richtig zu kämpfen! Ich hingegen schon!“ Miceyla hätte über ihren kindlichen Streit belustigt sein sollen, jedoch wurde sie hellhörig, als eine Erzählung erwähnt wurde, die von einer Soldatin handeln soll. Und ganz nebenbei war sie über die Maße überrascht, dass die jungen Mädchen wie sie selbst, Interesse an einem solch ungewöhnlichen Themengebiet zeigten.

„Die Geschichte von der ihr da sprecht… Ihr meint doch nicht etwa…“, begann Miceyla wie hypnotisiert. Clayton grinste plötzlich breit, als er ihren beinahe fassungslosen Gesichtsausdruck sah, bei dem man meinte, sie hätte ein unrealistisches Trugbild gesehen.

„Oho… Ihr habt einen guten Geschmack, meine Lieben. Aber ihr wisst, dass nicht ich es war, der anfing euch jene Abenteuergeschichte vorzulesen. Drum sollte `sie` euch diese auch zu Ende erzählen. Das seht ihr sicher genauso, nicht wahr? Bei ihrer liebreizenden Erzählstimme, kann man sich alles so lebendig vorstellen, dass man eine richtige Gänsehaut bekommt und die Geschichte in den eigenen Träumen durchlebt. Das haben wir natürlich auch der großartigen Autorin zu verdanken, die solch ein Wunderwerk erschaffen hat. Wer weiß, vielleicht steckt ja tatsächlich eine waschechte Soldatin dahinter…? Nun mag ich euch alle aber nicht noch länger auf die Folter spannen. Amelia Liebes, deine Wenigkeit wird hier gebraucht!“, rief Clayton lächelnd und die Mädchen warfen sich gegenseitig begeisterte Blicke zu. Einige Minuten verstrichen, die Miceyla wie eine gefühlte Ewigkeit vorkamen. Und sie wusste nicht, weshalb sich auf einmal ein merkwürdiges Gefühl in ihr ausbreitete, daher wartete sie nur schweigsam das nächste Geschehen ab.

„Clay, du hast mich gerufen? Ich dachte, ich soll den Kindern erst vor dem Schlafengehen weiter vorlesen. Aber wenn du jetzt extra alle hier versammelt hast, kann ich auch…“ Eine junge blondhaarige Frau, kam geruhsam eine Treppe von oberhalb hinabgestiegen. Als sie Miceyla entdeckte, fiel ihr vor Schreck ein Buch aus den Händen und es polterte noch einige Stufen hinunter. Miceyla erkannte im Bruchteil einer Sekunde, dass es sich um ihr eigenes Buch handelte. Allerdings richtete sie rasch wieder den Blick auf die junge Frau, welche nach wie vor versteinert auf der Stelle verharrte. In ihren rehbraunen Augen verbarg sich großer Kummer, der dennoch gleichzeitig mit einer unerschütterlichen Standhaftigkeit rang. Sie besaß eine zerbrechlich aussehende Statur und trug ein enganliegendes weißgelbes Kleid, das ihr bis unter das Kinn zugeschnürt war. Ihre langen dunkelblonden Haare, hatte sie zu einem seitlichen Zopf geflochten. Das Mädchen schaffte es wieder, sich ein wenig zu rühren und hob eilig das fallengelassene Buch auf. Anschließend fiel ihr Blick erneut ehrfürchtig auf Miceyla, die gerade glaubte, zurück in die Vergangenheit zu reisen. Der Geruch von Kornfeldern und modrigem Holz durchströmte ihre Nase. Bilder schossen ihr durch den Kopf, wie sie zusammen mit einer Gruppe von Kindern, unter dem Sternenhimmel am Lagerfeuer saß. Doch diese flüchtigen Erinnerungen, gingen alsbald wieder in den Flammen der Verdammnis unter. Die versammelten Mädchen verstummten plötzlich und blickten sich verwirrt während der bedrückenden Atmosphäre an. Ausschließlich Claytons Lippen waren zu einem verschwörerischen Grinsen geformt.

„Einst trennten sich ihre Wege. Sie glaubten sich für immer verloren zu haben. Leben erlischt und wird wiedergeboren. Starke Herzen durchbrechen jedes noch so mächtige Schicksal. Miceyla, hier steht sie nun, deine größte heimliche Bewunderin…“ Sie hörte ihm kaum richtig zu und wollte sich vergewissern, ob die junge Frau wirklich jenes kleine Mädchen war, mit dem sie die damalige Tragödie in ihrer Kindheit durchlebt hatte. Miceylas Hals fühlte sich schrecklich trocken an und sie musste mehrmals schlucken, ehe sie einen Ton rausbekam.

„Bist…bist du tatsächlich Amelia…? Ich meine die Amelia, welche einer kleinen Gruppe von Waisenkindern angehörte? Aber damals… Der furchtbare Brand… Die Flammen umhüllten dich… Du kannst das unmöglich überlebt haben… Und würdest du dich überhaupt noch an mich erinnern? Du warst gerade einmal fünf Jahre alt. Wenn etwas solch

Unglaubwürdiges wahr sein kann, steht für mich die komplette Welt Kopf…“, sprach Miceyla verkrampft und vernahm wie ihr Unterbewusstsein sie eindringlich davon zu überzeugen versuchte, dass es sich wahrhaftig um jene Amelia handelte, die sie einst gekannt hatte. Die junge Frau entspannte sich nun etwas mehr und lief die letzten Treppenstufen hinunter.

„Nun, unsere Welt birgt so manches Wunder, das wir nicht begreifen können. Vielleicht sollten wir die Dinge einfach mal nehmen wie sie sind und nicht ständig alles verbissen ergründen. Manchmal kommen die Antworten von ganz alleine auf einen zu. Geht dir nicht die Schönheit des Träumens verloren, jetzt wo du zwischen detektivischen Spürsinn und verbrecherischen Taktiken wandelst? Die Heldin darf ihr Schwert niemals loslassen, denn sonst wird sie von beiden Fronten zerdrückt und in einen tiefen Abgrund ohne jegliche Hoffnung gestoßen… Tut mir leid, doch es ist eine meiner unliebsamen Angewohnheiten, gleich zu Beginn das Negative in den Vordergrund zu stellen. Ich hoffe du wirst mir dies nicht verübeln. Aber die Miceyla, die ich einst kennenlernte hat ein gutmütiges Herz, das vergeben kann. Und nun…frage ich dich noch einmal, wirst du mir jetzt vorlesen, deine eigene Geschichte?“, fragte Amelia mit bittersüßem Lächeln und hielt ihr das Buch entgegen. Miceyla konnte nicht verhindern, dass ihr Tränen langsam über die Wangen rollten.

„Amelia… Ich kann es zwar noch immer nicht ganz glauben, aber das Schicksal, nein, dein Wille zu überleben hat dich gerettet. Natürlich, es ist für mich höchste Zeit, mein Versprechen von damals einzulösen…“ Nach ihren Schluchzenden Worten, liefen die beiden jungen Frauen sich entgegen und fielen sich in die Arme, unendlich dankbar darüber, dass es auf wundersame Weise zu einer Wiederbegegnung gekommen war. Auch Amelia konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten. Nach einer Weile ließ Miceyla von ihr ab und musterte sie einmal lächelnd aus nächster Nähe.

„Lass dich mal richtig ansehen! Wenn mich nichts täuscht, bist du jetzt eine achtzehn Jahre alte Lady. Deine Haare sind recht dunkel geworden, sie sind ja beinahe hellbraun. In meinen Vorstellungen sehe ich noch immer, das kleine zuckersüße Mädchen vor mir stehen. Du hast dich sehr verändert, doch anhand deiner unverwechselbaren, strahlend braunen Augen, habe ich dich auf Anhieb wiedererkannt. Na, nun hast du aber einiges zu erzählen. Ich mag alles erfahren, wie es dir von jenem Tag an ergangen ist und wie du es geschafft hast, den lodernden Flammen zu entkommen. Vorausgesetzt du möchtest keine alten Wunden aufreißen… Jedoch denke ich, dass wir uns beide gerade abermals, mit unserer schmerzlichen Vergangenheit konfrontiert haben. Aber die Gewissheit, dass wir die einzigen Überlebenden Kinder der Himmelszelt-Helden sind, lässt mich an ein unzertrennliches Band zwischen uns beiden glauben. Und es sieht ganz danach aus, als ob uns das Verbrecherleben magisch anziehen würde. Oder viel eher die Menschen, welche in unmittelbaren Zusammenhang dazu stehen…“; meinte sie sanft während ihrer Wiedervereinigung. Die jüngeren Mädchen, beobachteten bei andächtiger Stille die rührende Szene und manche von ihnen waren so sehr davon berührt, dass sie auch Tränen vergossen.

„Also… Mein Überleben habe ich höchstwahrscheinlich meinem damaligen, zierlichen Körper zu verdanken. Denn ich bin nach dem Sturz nicht richtig bewusstlos geworden und verkroch mich unter einem großen leeren Sack, der mich komplett bedeckte. Als das Feuer irgendwann gelöscht wurde, versorgte mich einer der Dorfbewohner, welcher mich voll Schutt und Asche fand. Doch stellte sich bald für mich heraus, dass es kein Mitleid war, welches ihn zu meiner Rettung bewogen hatte… Zuvor muss ich dir noch verraten, dass mein ganzer Körper schlimme Verbrennungen davontrug. Ich bin somit bis an mein Lebensende entstellt… Von Glück kann ich sagen, dass wenigstens mein Gesicht verschont geblieben ist. Wie dem auch sei… Dieser Dorfbewohner mit seinem aufgesetzt fürsorglichen Verhalten, gab mir zu Essen und zu Trinken. Solange, bis ich wieder bei Kräften war. Einige Monate später packte er mich plötzlich und verkaufte mich hemmungslos an einen der Grafen von Harefield. Offiziell sollte ich dort zu einem gehorsamen Dienstmädchen erzogen werden. Aber in Wirklichkeit, wurde ich wie eine Sklavin schonungslos gezüchtigt und musste widerwillig jede mir aufgetragene Aufgabe, ohne Wiederworte ausführen. Es dauerte nicht lange und aus mir wurde eine willenlose Marionette, welche die Wahl zwischen striktem Gehorsam und groben Peitschenhieben hatte… Meine Kindheit war somit in Stein gemeißelt und ich wünschte mir während jener abscheulichen Zeit, dass ich bei dem Brand besser ums Leben gekommen wäre, damit mir das unendlich andauernde Leid erspart geblieben wäre. Doch ich schwor mir ehrgeizig zu bleiben und träumte davon, eines Morgens in einer friedlichen Umgebung aufzuwachen. Und tatsächlich kam vor vier Jahren dieser schicksalhafte Tag, der mich von meinem tristen Dahinvegetieren erlösen sollte. Der Graf hatte in London, mit einigen anderen Gesellen der Obrigkeit, Geschäftliches zu erledigen und nahm mich als seine Dienerin mit. Ich kann noch immer nicht in Worte fassen, was ich damals in jenem Moment fühlte, als ich Clayton das erste Mal begegnete… Mag es auch Zufall gewesen sein, dennoch spürte er sofort, in was für einer ausweglosen Notlage ich mich befand. Und so geschah es, ich brannte mit ihm durch und endlich war es mir vergönnt, mein Leben richtig beginnen zu dürfen. Ich brauche auch nicht zu verschweigen, dass Clay sich für mich rächte und den grausamen Grafen ermordete. Auf diese Weise ändern sich Schicksale und ich kann dir nicht verübeln, dass du ebenfalls einen edelmütigen Mann gefunden hast, der den Mut besitzt, die Regeln unseres fesselnden Klassensystems zu brechen und dem du all deine Liebe und Bewunderung geschenkt hast. Wir wissen beide von wem ich gerade spreche… Für mich ist Clayton dieser Held…“, erzählte Amelia ergriffen ihre dramatische Geschichte, die sich glücklicherweise zum Guten gewendet hatte und blickte im Anschluss schüchtern zu Clayton, der mit geschlossenen Augen und einem mitfühlenden Lächeln ihren bewegenden Worten lauschte. Die Gruppe der noch immer auf dem Teppich sitzenden Mädchen, hatte nun ihre Erzählstunde der etwas anderen Art erhalten, aber keines von ihnen schien es zu bereuen. Miceyla schmerzte das Herz nach ihrer bitteren Geschichte und trotzdem erleichterte es sie, Amelia nun als eine gesunde junge Dame, vor sich stehen zu sehen. `Unser Wiedersehen verdanke ich nur ihrem aufopfernden Retter…`, dachte sie feststellend, dabei schwenkte sie langsam ihrem Blick zu Clayton und schritt mit noch immer feuchten Augen, zielstrebig auf ihn zu. Unmittelbar vor ihm kam sie zum Stillstand und blickte ihn aufrichtig an.

„Clayton… Es mag stimmen, wir Menschen sind alle eigennützige Räuber, die Leben auslöschen nur um jene zu beschützen, die ihnen am Herzen liegen. Ich muss dir im Namen der ganzen Mädchen, welche du gerettet hast, Amelia miteingeschlossen, meinen innigsten Dank aussprechen. Du verdienst noch wesentlich mehr Anerkennung. Wer willkürlich mordet, muss gezwungenermaßen den daraus resultierenden Konsequenzen gegenübertreten. Doch du lässt dich ebenso wenig wie William davon einschüchtern und zeigst keine Reue. Aber es sind unsere Herzen, welche die größten Wunden davontragen. Wunden, die sich bis zu unserem Tod nie mehr schließen lassen. Das tropfende Blut unserer zermürbten Seelen, sind die Tränen all der erbrachten Opfer, die notwendiger Weise dazu dienen, eine gerechte Welt zu erschaffen. Ich habe Angst davor, von schändlichen Taten gebrauch zu machen. Und dennoch machen mich meine Worte und Einstellungen höchstwahrscheinlich bereits zu einer Verbrecherin. Nun… Noch ehe auch an meinen Händen Blut kleben wird, werde ich dafür sorgen, dass ihr alle euer gutes Herz bewahrt und ein wenig liebevoller mit euch selber umgeht. Denn wie ich immer sage, uns allen gebührt Liebe gleichermaßen. Viele Gefechte warten noch auf uns und es liegt nicht in meiner Macht, über deren Ausgang zu entscheiden. Nichtsdestotrotz erachte ich es als richtig, dir in diesem Moment zu danken, dass du Amelia und mich wieder zusammengeführt hast. Ich danke dir, Clayton…“, sprach Miceyla mit leicht gebeugtem Kopf und nahm seine linke Hand, um ihre Dankbarkeit ihm gegenüber noch stärker zum Ausdruck zu bringen. `Und ich bete darum, dass wir in der Zukunft, nicht doch als ernsthafte Feinde aufeinanderstoßen werden. Jedoch bezweifle ich leider, dass die harmonische Idylle ewig anhalten wird. Aber am meisten fürchte ich mich immer noch davor was passiert, wenn Sherlock die Wahrheit über Will herausgefunden hat…` Sie konnte nicht vermeiden, dass diese Tatsache der Dreh und Angelpunkt ihrer Gedanken war. In Claytons Gesichtsausdruck befand sich das pure Erstaunen, nach ihrem aufrichtigen Geständnis. Doch rasch fand er wieder zu seiner alten, selbstbewussten Fassung zurück.

„Hört, hört, welch lobpreisende Rede! Dürfte ich mir deine gefühlvolle Ansprache, für eines meiner Stücke ausborgen? Ha, ha, das war nur ein kleiner Scherz. Und wieder einmal bekommst du zu spüren, wie sehr Gefühle einen überwältigen können. Aber ich gönne euch beiden das Glück, eine alte Freundschaft wiedererweckt zu haben. Es beschwichtigt das Gemüt, eine Leidensgenossin an seiner Seite zu wissen, nicht wahr Amelia? Und Miceyla… Mag ich auch in deinen Augen heldenhafte Taten vollbringen, so bin ich doch nur ein düsterer Schatten, der erst dann vom Licht ausgelöscht werden kann, wenn dessen selbstsüchtige Ziele seine Vollendung gefunden haben. Die Liebe hat mein Herz pechschwarz werden lassen. Eine Liebe, die meinen schwachen Händen entglitten ist… Darum zaubere ich jeder unglücklichen Seele ein Lächeln ins Gesicht, um meine eigene innere Dunkelheit zu verschleiern. Doch dir mein Vöglein rate ich, für die Liebe zu kämpfen. Jedes Opfer ist dafür recht. Und wenn dein Liebster, dir mit diesem hingebungsvollen Kämpferwillen entgegenkommt, kannst du dir sicher sein, dass die Mühen es wert sind, die Bande eurer Herzen bis zum Tod aufrecht zu erhalten. Ach herrje, rede ich da gerade davon, dass in der Liebe so etwas wie Zuversicht existiert? Manchmal glaube ich meinen eigenen Unsinn kaum, den ich von mir gebe… Hm… Dein wissbegieriges Funkeln in deinen Augen, finde ich schon ein wenig sonderbar… Du gehörst zu der Sorte Frau, welche die Zuneigung von Männern ganz unbewusst für sich gewinnt. Ha, ha, diese kleine Bemerkung konnte ich mir gerade einfach nicht verkneifen!... Nun gut. Mein Instinkt sagt mir, dass du darauf brennst, nun meine eigene Hintergrundgeschichte zu erfahren, die hinter meinen hartnäckigen Beweggründen steckt. Ich habe prinzipiell nichts dagegen einzuwenden. Wenn du dich dazu berufen fühlst, die Schicksale der Menschen als unsterbliche Erinnerungen zu dokumentieren, mögest du diesen leidvollen Weg des Zuhörers auch mit Gewissheit nachgehen. Doch gib Acht, die Finsternis der Erzähler, überträgt sich ganz leicht auf dich selbst… Und deine persönliche Geschichte, wird letztendlich ein wahres Glanzstück. Drum biete ich dir an, dass wir uns am Donnerstag nach der letzten Vorstellung, beim Hinterausgang des Theaters treffen. Ich werde dich dort erwarten…“, gab er ihr überraschend die Chance, sich näher mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen zu dürfen und lächelte sie dennoch verschwiegen an. Miceyla machte große Augen, da sie damit nicht gerechnet hätte, dass Clayton von sich aus mehr von seiner mysteriösen Person preisgeben würde. Schließlich gehörte sie mehr oder weniger zu dessen Feind. `Ich muss aufpassen, dass es mir nicht zum Verhängnis wird, wenn ich als Erste die Wahrheit rund um ihn und Harley Granville erfahre. Sollten bei der falschen Person Informationen durchsickern, gibt das nur wieder für alle erhebliche Probleme… Langsam verhalte ich mich schon wie Sherlock, der seine Nase auch immer in diverse Angelegenheiten stecken muss. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ich lasse mir von niemandem eine Falle stellen, die ich nicht eigenständig umgehen könnte. Da William mit seinen schlüssigen Methoden zügig voranschreitet, muss ich nach wie vor einiges dafür tun, um mithalten zu können. Und außerdem ist es unabdingbar, einen gescheiten Überblick zu bewahren, auf was für einen Standpunkt sich die jeweiligen Kontrahenten gerade befinden, damit nicht alles unvorhersehbar aus dem Ruder läuft. Denn mein Wunsch ist nach wie vor, so viele Leben wie nur möglich zu retten…` Ihre Gedanken fanden ein jähes Ende, als eine hohe Standuhr laut zwölf Uhr mittags schlug. Und als hätten die Mädchen nur auf dieses Zeichen gewartet, erhoben sie sich allesamt schwungvoll und stürmten in den Speisesaal.

„Ach schau an! Die Zeit fliegt wieder nur so von dannen! Mittagessen Kinder! Ich danke dir für deinen reizenden Besuch, Miceyla. Wir sehen uns dann…“, verabschiedete Clayton sich kurz und bündig, woraufhin er mit einem Augenzwinkern an ihr vorbeilief. Amelia lief geschwind auf sie zu und man erkannte anhand ihrer trübseligen Miene, dass sie nicht so rasch wieder Abschied nehmen wollte.

„Miceyla… Hättest du etwas dagegen, wenn auch wir beide uns noch einmal am Donnerstag treffen würden? Wie wäre es nachmittags im Park? Wenn du doch an diesem Tag ohnehin in der Innenstadt bist. Es gäbe da nämlich einiges, was ich gerne unter vier Augen mit dir bereden möchte. Denn jetzt, wo wir beide erwachsen sind, haben die Umstände ein ernsthafteres Ausmaß gewonnen. Unsere neuen Verbündeten spielen keine nichtigen Jungenstreiche mehr. Wir befinden uns im Zentrum einer sündenhaften Rebellion. Und ich weiß, dass es unser beider Anliegen ist, den verursachenden Schaden unserer jeweiligen Partei, möglichst gering zu halten. Mag mein Herz auch an Clayton hängen, so bleibt es mir dennoch nicht verwehrt, über meine Rechte frei entscheiden zu dürfen. Aber mich beschleicht das ungute Gefühl, dass du einen Pakt geschlossen hast, der dich in deiner Handlungsfreiheit erheblich mehr einschränkt… Die Bande der Liebe hinterlässt bei uns allen ihre Spuren. Und vergiss nicht, egal was für ein Krieg sich auch um uns zusammenbrauen mag, ich werde immer deine Freundin bleiben. Aber behalte Irene im Blick, sie ist sich für keine Gräueltat zu schade und wird auf dich vorausblickend keine Rücksicht nehmen. Besonders das Vertrauensverhältnis zwischen Sherlock und dir ist ihr ein Dorn im Auge…“, fasste Amelia mit wohlüberlegten Worten, ihre zwiespältige Lage zusammen, welche sie beide auf schicksalhafte Weise miteinander verband und packte dabei Miceylas Hände.

„Amelia, auch dir muss ich danken, für deine Offen- und Ehrlichkeit die du mir entgegenbringst. Du bist wahrlich zu einer reifen und klugen jungen Frau herangewachsen. Unsere Herzen kennen beide wahren Schmerz und sind daher gewappnet, sollte eine erneute Leidwelle über uns herfallen. Mache dir keine Sorgen, meiner Skepsis anderen Menschen gegenüber ist es zu verdanken, dass ich stets Vorsicht wallten lasse, ehe ich größeres Vertrauen fasse. Ein wunderbarer Vorschlag, uns im Park zu treffen. Nun halte ich dich aber nicht länger auf. Schließlich warten all die lieben Mädchen darauf, dass du ihnen beim Mittagessen Gesellschaft leistest. Ich mache mich dann auch mal wieder auf den Weg“, tat sie mit freundlichem Lächeln ihren Aufbruch kund und drückte Amelia noch einmal liebevoll an sich.
 

„Was hältst du von diesem stattlichen Gebäude? Es gibt sogar einen eingezäunten Hinterhof. Die Außenfassade kann sich ebenfalls sehen lassen. Beinahe so stattlich ist übrigens auch der Verkaufspreis, ha, ha. Aber da kann man gewiss noch etwas verhandeln. Was meinst du, sollen wir mal einen Blick in die inneren Räumlichkeiten werfen, damit du dir einen besseren Eindruck verschaffen kannst?“ Miceyla war gerade mit Albert auf Besichtigungstour, um ein geeignetes Domizil für die ganzen heimlosen Katzen zu finden, das als Pension dienen sollte. Gründlich betrachtete sie das erste leerstehende Haus, welches er ihr vorschlug und zum Verkauf bereitstand. Es war ihr äußerst wichtig, gleich zu Beginn die richtige Wahl zu treffen. Was sie aber schon jetzt zufrieden stellte war, dass die Umgebung einen guten Eindruck zu machen schien. Ein ordentlich gepflegtes Wohnviertel, in dem größtenteils Menschen der Mittelschicht lebten und arbeiteten, bot die besten Voraussetzungen, um ein eigenes Unternehmen zu gründen. `Allerdings… Noch viel wichtiger als die äußere Fassade ist das Personal, welches mit mir zusammenarbeiten muss. Ich werde wohl kaum alles alleine auf die Beine stellen können und die Brüder haben bereits genug zu tun. Sollten wir also neue Mitarbeiter einstellen, werden diese dann ebenfalls auf die Probe gestellt und mit eingeweiht…? Wobei ich dies mehr als nur übertrieben fände, bei einem rein unabhängigen Geschäft.` Ihre Gedanken überschlugen sich mal wieder und sie blickte viel zu weit in die Zukunft.

„Der Eingangsbereich ist auch wirklich sehenswert. Hier sieht es meines Erachtens nach sehr einladend aus. Perfekt um Kunden zu empfangen. Oder was meinst du? Den Rat eines Fachmanns nehme ich gerne an“, sprach sie heiter während ihrer Besichtigungstour und blickte Albert lächelnd an. Dieser erwiderte einfach nur eine Weile ihr Lächeln. Beinahe so lang, dass es sie verlegen machte.

„Genau richtig würde ich sagen, meine liebe Eisblume. Umso wohler sich Kunden fühlen, desto offener sind sie für tiefere Gespräche. Und genau darin liegt der Knackpunkt. Die Leute werden mit dir nicht bloß einen Handel abschließen, sondern kann es auch gut sein, dass sie dir von ihren Sorgen, Bitten und Neuigkeiten erzählen, die sie in der Stadt aufgeschnappt haben. Ganz unwillkürlich, ohne jegliche Hintergedanken. Menschen gehen ein und aus und hinterlassen mehr als nur schlichte Eindrücke, welche deinem scharfen Blick nicht entgehen werden. Und wer weiß, ob sich dadurch nicht der ein oder andere Auftrag ergibt, der auch das Interesse von Will und mir weckt“, verriet Albert ihr vorausschauend, die geheime Funktion ihrer neuen Aufgabe.

„Huch… Das hört sich ja fast danach an, als würde ich sozusagen wie William als Mentor fungieren und mich der Probleme meiner zukünftigen Kunden annehmen. Aber ich verstehe schon, was du mit deinen Worten auszudrücken versuchst. Nun fühlt sich die ganze Sache noch ein wenig wichtiger an. Und ich kann mit gutem Gewissen behaupten, dass ich unserer Gesellschaft etwas Gutes tue. Ich erschaffe mir einen Ort, an dem ich Abstand hätte von unseren…rechtswidrigen Machenschaften… So ist es doch, oder? Daher kam bestimmt dein Vorschlag. Es missfällt dir noch immer, mich in euren düsteren Pfad der Verbrecher zu involvieren. Du magst meinen Gerechtigkeitssinn behüten und so gut es nur geht verhindern, dass Will eine kaltblütige Seite in mir weckt, die sich aufgrund meines früheren Leidensweges in mir versteckt hält. Bitte…sieh mich nicht so überrascht an… Dies bestätigt das Ganze nur noch. Menschen die morden reden sich ein, sie gehörten dadurch zu den Stärkeren. Doch dieser Irrtum raubt ihnen jegliches Mitgefühl. Wer schwach ist, geht den bequemeren Weg und beseitigt mit Gewalt all das, was ihn in seinem Leben stört. Der Starke aber, akzeptiert die Sichtweisen seiner Mitmenschen, bleibt den eigenen aufrichtigen Werten treu und bewahrt bei Auseinandersetzungen ein gesundes Maß an Zurückhaltung. Egal wie weit hergeholt das auch klingen mag, keiner ist dazu bemächtigt, Leid, Mord und Ungerechtigkeiten vollständig aus unserer Welt zu verbannen. Dennoch soll dies nicht heißen, dass ich mich eurem Kampf nicht anschließe und zur Waffe greife. Ich kann nur immer wieder deutlich machen, was für wundervolle Menschen ihr seid, Albert. Einen tieferen Sinn hättet ihr meinem Leben gar nicht schenken können. Und als Gegenleistung gehört all meine Entschlossenheit und mein unbeugsamer Wille euch und der Umsetzung jener beispiellosen Pläne. Darum schiebe mich bitte nicht ab, sondern gehe Hand in Hand mit mir den Weg eines Soldaten, so wie ich es mir von meinem großen Bruder erhoffe…“, bat Miceyla ihn mit einem liebevollen Nachdruck in der Stimme. Albert blickte für einen Moment wehmütig zu Boden, ehe er ihr anerkennend seine Hand zärtlich auf ihre Schulter legte.

„Ich denke nicht einmal im Traum daran, dich abschieben zu wollen. Und dennoch verlangt meine Intuition von mir, dich nicht allzu sehr in gefahrvolle Aufgaben miteinzubeziehen. Letztendlich bringt das keinen von uns weiter, dies ist mir klar. Denn keiner von uns, wird seine Hände jemals wieder in Unschuld waschen können. Auch ich wünsche mir, dass wir beide Seite an Seite für eine gerechte Welt kämpfen. Solange uns dabei nicht die Würde und der Respekt unseren Feinden gegenüber verloren geht. Und du wirst rasch merken, da du Wills Herz zum erweichen gebracht hast, wird er alles daransetzen, um dich in Schutz zu nehmen… Na komm, wir sind noch nicht fertig mit der Besichtigungstour. `Magst du ein Land verändern, gewinne die Herzen der Menschen für dich, anstatt mit ihren Gefühlen zu spielen.` Ist dies nicht dein neuer Leitsatz? In uns allen wohnt der Kummer inne. Wie wir ihn aber bewältigen, hängt von unserer eigenen Einstellung ab“, redete Albert Miceyla so sanftmütig ins Gewissen, dass es wahrhaft ihr Herz berührte. `So ist es… Und mit jedem schmerzvollen Erlebnis, erhalten wir eine wertvolle Erinnerung, die uns ein Leben lang prägt. Darum lass uns weiterkämpfen, auf das wir eines Tages das wahre, wohlverdiente Glück erreichen.` Als die zwei nach ihrer Besichtigung mit der Kutsche zum Moriarty-Anwesen fuhren, tat Miceyla ihre Wahl für das zukünftige Katzenheim kund. Albert gab sich mit ihrer Entscheidung einverstanden und sie überlies es seinem Verhandlungsgeschick, den Preis etwas herunterzuhandeln. Zu Hause eingetroffen, wartete William im Wohnzimmer mit einer Überraschung auf sie, die perfekt an ihre gerade abgeschlossene Besichtigung anknüpfte.

„Mein Liebling, Bruderherz, ihr kommt genau zur rechten Zeit. Darf ich euch drei sehr engagierte junge Menschen vorstellen…“ Mit der rechten Hand deutete er höflich auf zwei Frauen und einen Mann, dessen Gesichter ihr unbekannt waren und sie freundlich in einer

Reihe stehend anlächelten. `Sag bloß diese Leute sind aufgrund der Stellenausschreibung hier, die Will in der Zeitung hat veröffentlichen lassen?! Er übertrifft sich mit seinem raschen agieren mal wieder selbst. Das es genug Menschen der Arbeiterklasse gibt, die für ein Adelshaus mit gutem Ruf arbeiten wollen, versteht sich von selbst. Es werden sich etliche Bewerber bei Will gemeldet haben. Das gerade ausschließlich diese drei Personen hier stehen kann nur bedeuten, dass er bereits seine kontrollierende Auswahl getroffen hat…`, dachte Miceyla voller Erstaunen und grüßte die Gäste anstandsgemäß, um einen positiven ersten Eindruck zu hinterlassen. Denn von Adeligen die eine offenherzige Güte besaßen, konnte man nur Gutes in der Öffentlichkeit erzählen.

„Wie du dir sicher denken kannst, sind dies deine möglichen, zukünftigen Angestellten, welche dir in deiner Katzenpension, bei diversen Arbeiten zur Hand gehen werden. Stellen Sie sich doch noch einmal alle nacheinander Miceyla vor. Schließlich ist sie diejenige, die das neue Arbeitsverhältnis mit Ihnen besiegeln muss“, bat William an die drei gewandt und gab ihr nickend zu verstehen, dass er sich nun im Hintergrund halten würde. Louis trat ebenfalls herein und servierte jedem mit vornehmer Körperhaltung eine Tasse heißen Tee. Miceyla musste sich ein Schmunzeln verkneifen, als sie die unbehaglichen Gesichter der Bewerber erblickte und wurde direkt daran erinnert, wie furchtbar nervös sie sich selbst damals gefühlt hatte, als sie zum allerersten Mal ein Adelshaus betrat und in eine ihr ungewohnte Welt eintauchte. Mittlerweile war ihr das alles aber so vertraut, dass es sich für sie anfühlte, als würde sie bereits seit vielen Jahren, in solch einem noblen Umfeld leben. `Wie anpassungsfähig ein Mensch doch sein kann ist schon erstaunlich. Ich bin gespannt, ob sich die Gesellschaft einer Großstadt und gar eines ganzen Landes, ebenfalls so einfach formen lässt… Warten wir es ab, die Zeit heiligt die Mittel…` Kurz driftete Miceyla mit ihren Gedanken ab, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Gäste richtete, welche gegenüber von ihr und den Brüdern auf dem Sofa Platz genommen hatten.

„Guten Tag, Mrs Moriarty. Wenn Sie mir gestatten, stelle ich mich kurz als erstes vor. Ich heiße Olivia Averill und bin siebenundzwanzig Jahre alt. Ursprünglich komme ich nicht aus London, da ich mir das teure Leben in der Stadt nicht leisten kann. Dennoch bin ich eitel genug, dass ich einer Unterkunft im Armenviertel abgeneigt wäre. Ich kam nur zur Arbeit in die Innenstadt, wo ich in einem kleinen Geschäft aushalf, das handgemachte Vorhänge herstellte. Der Laden besaß einen guten Ruf und lockte sogar Kunden höherer Kreise an, aufgrund der tadellosen Qualität. Doch eines Tages war einer unserer vermögenden Kunden, grundlos unzufrieden mit seiner Ware und verklagte das Geschäft schamlos. Daraufhin musste es wegen der privilegierten Handlungsfreiheit des Mannes sofort schließen. Keiner der Mitarbeiter, mich eingeschlossen, besaß die Macht um Einspruch dagegen zu erheben. So schnell kann es gehen… In der heutigen Zeit ist es nicht gerade unwahrscheinlich, alles von heute auf morgen zu verlieren. Und plötzlich schaut man blöd aus der Wäsche, weil man weder Arbeit und zu Essen, noch ein Dach über dem Kopf hat. Warum ich mich gerade für eine Anstellung bei einer Adelsfamilie beworben habe? Nun… Ich finde es bemerkenswert, dass Sie als junge Frau ein eigenes Unternehmen gründen wollen, obwohl Sie es überhaupt nicht nötig hätten, selbst zu arbeiten. Das ist sehr ungewöhnlich beim Adel, Lady Moriarty. Sie müssen wahrlich ein Herz für Tiere und Menschen besitzen, wie keine zweite Dame Ihres Standes. Dieser Tatsache ist es zu verdanken, dass meine Neugierde geweckt wurde. Was auf mich zukommen wird…da werde ich mich einfach überraschen lassen. Und ich kenne mich zwar nicht sonderlich gut mit Katzen aus, kann aber bei Vermittlungen und Aufnahmen behilflich sein. Was mein Tätigkeitsfeld betrifft bin ich ziemlich flexibel“, erzählte die junge Frau von den Gründen für ihre Entscheidung.

„Vielen Dank, Miss Averill. Ich entnehme Ihren Worten, dass Sie mit viel Motivation und Gewissenhaftigkeit Ihre Arbeit verrichten. Und ich verspreche Ihnen, dass Sie bei uns lernen werden, den Adel aus einer ganz neuen Perspektive zu betrachten. Vielleicht gibt es sogar jemand, der Ihre stillen Klagerufe gehört hat und es dem Mann, der für die Schließung des Geschäfts verantwortlich war, heimzahlen wird…“, sprach Miceyla mit geheimnisvollen Lächeln und warf einen Blick zu William, der ihr verschwiegenes Lächeln erwiderte und kurz mit ihr innigen Blickkontakt austauschte.

„Ähm…also… Ich mache dann mal weiter… Ich bin Derek Gardner, dreiunddreißig Jahre alt und bin Spezialist im Bereich der Tierheilkunde. Hauptsächlich machte ich private Hausbesuche bei Klienten der oberen Schicht und versorgte dort deren erkrankte Haustiere. Sie müssen wissen, dass ein Rassehund oder der edle Schimmel im Stall, für einen adeligen Herren oftmals als sein wertvollster Besitz angesehen wird und solch einem kostbaren Tier sogar einen höheren Stellenwert zuschreibt, als Frau und Kindern. Sicherlich können Sie bereits erraten, was mir wiederfahren war… Ich versorgte ein Pferd, dass unter starken Koliken litt. Der Besitzer nutzte das Tier häufig, um auf die Jagd zu reiten. Einen Tag nach meiner Versorgung verstarb das Pferd. Wutentbrannt beschuldigte der naive Herr natürlich sofort mich und mein medizinisches Versagen, Jedoch konnte ich in Erfahrung bringen, dass der Mann dem Tier eine viel zu hohe Dosis, der ihm zu verabreichenden Medizin gab, als ich es zuvor empfohlen hatte. Aber wie es nun mal bei den adeligen Herrschaften so üblich ist, siegte Stolz und Eitelkeit über der Selbsteinsicht. Vor Gericht wurde ich vor eine schwere Wahl gestellt. Entweder ich zahle den zehnfachen Kaufpreis des verstorbenen Pferdes, an den Besitzer zurück oder mir wird die Lizenz entzogen, weiter meiner tiermedizinischen Arbeit nachzugehen… Doch in meiner Verzweiflung, erhielt ich wie durch ein schieres Wunder einen anonymen Brief, dass besagte Summe schon an den Mann ausgezahlt wurde. Bisher konnte ich noch nicht überprüfen, ob dies der Wahrheit entspricht. Allerdings sind plötzlich die drängenden Forderungen des Mannes verstummt. Und da jenes Schreiben nur von einem wohltätigen Edelmann stammen konnte, bin ich gewillt dem Adel noch eine Chance zu geben und werde mich dennoch vom ständigen herumreisen zu meinen Patienten verabschieden und festen Fuß fassen, was meinen Arbeitsplatz betrifft. Und hier bin ich nun. Meine Dienste könnten voll und ganz Ihnen gehören, Mrs Moriarty“, erzählte der Tierarzt von seiner schicksalhaften Rettung, die ihn davor bewahrte, nicht zu Unrecht seine Arbeit zu verlieren. `Schon wieder eine Geschichte, die mit der Verwerflichkeit des Adels in Verbindung steht… Würde mich nicht wundern, gleich noch eine ähnliche dritte Erzählung zu hören`, dachte Miceyla wenig überrascht darüber und warf einen dankbaren Blick erst zu Albert, dann zu William. Beide schenkten ihr ein warmherziges Lächeln.

„Danke Mr Gardner. Sie verrichten eine äußerst wichtige Tätigkeit. Denn Tiere verspüren ebenso wie wir Menschen Schmerzen“, dankte sie ihm respektvoll.

„Gut, gut. Ist ja wirklich alles recht abenteuerlich, was ihr jungen Leute so alles erlebt. Ich bin dann wohl die dritte im Bunde und mit meinen fünfundvierzig Jahren zwar nicht mehr die Jüngste, aber eingerostet bin ich deshalb noch lange nicht. Fast mein ganzes bisheriges Leben, habe ich auf einem großen Hof mit vielen Tieren verbracht. Von Hühnern bis hin zu Pferden war dort alles dabei. Ha, ha, keine Sorge, ich schlachte keine armen Tiere, falls Sie dies nun denken mögen. Mein Anliegen ist schlicht und ergreifend folgendes. Ich möchte Abstand von dem ganzen Trubel gewinnen und meinem Leben auf dem Bauernhof, für ein paar Jahre den Rücken kehren. Jünger werde ich nun mal auch nicht mehr und etwas Abwechslung täte meiner alteingesessenen Seele sehr gut. Also Mrs Moriarty, wie sie hören, könnten sie von meiner Lebenserfahrung nur profitieren. Übrigens bin ich verheiratet und habe vier Kinder. Harte Arbeit liegt mir daher im Blut und Sie müssen mich nicht schonen, ha, ha! Jetzt habe ich zu Beginn, doch glatt vergessen meinen Namen zu erwähnen! Molly Collins dürfen Sie mich rufen. Etwas Aufregendes, habe ich ansonsten nicht zu meiner bescheidenen Person zu berichten. Ich hoffe, deshalb bin ich bei Ihnen nicht gleich unten durch, ha, ha. Ach und mit dem Adel habe ich persönlich keine Probleme. Menschen sind wir alle und teurer Schnickschnack macht auf Dauer nicht glücklich, wenn man nicht auch mal nackt durch einen See schwimmen kann, von Herzen dabei lacht und das eigene Leben schätzt!“, stellte die Letzte in der Runde sich wesentlich selbstbewusster vor, als die beiden Jüngeren zuvor, welche schon einiges durchstehen mussten und strahlte eine überschwängliche Lebensfreude aus. `Ha, ha, mit meiner Vermutung, dass drei Schicksalsschläge vor mir sitzen, bin ich wohl zu vorschnell gewesen. Eine ganz gewöhnliche Dame ist also auch dabei. Aber ich begreife schon jetzt, was Will mit dieser Konstellation, die keinesfalls zufällig zustande gekommen ist, vorhat. Die Älteste wird die beiden niedergeschlagenen Jüngeren wieder aufbauen und ihnen neuen Mut schenken, um Vertrauen in die Menschen zu fassen. Eine Hand wäscht die andere. Will, du bist so genial wie eh und je.` Miceyla lächelte die drei grundverschiedenen Persönlichkeiten vor sich herzlich an und legte dabei ihre rechte Hand aufs Herz.

„Ich bedanke mich für Ihre Mühen, dass Sie heute hier erschienen sind. Auch für mich wird es eine neue Erfahrung, ein eigenes Unternehmen in London zu gründen. Aber mit verlässlichen Kameraden die einen aufmuntern und mit denen man gemeinsam lachen kann, ist jede Herausforderung bewältigbar. Darum bitte ich Sie drei, mir bei dieser aufregenden Reise behilflich zu sein. Auf gute Zusammenarbeit und willkommen bei den Moriartys!“
 

Der große Stadtpark in London, trotzte nur so vor lebendigen Treiben. Familien machten auf den grünen Wiesen unter den Bäumen ein Picknick. Die Kinder tollten nach Herzenslust umher und steckten sich gepflückte Blumen in die Haare. Paare saßen auf den Bänken nahe dem kleinen See und fütterten gemeinsam die Schwäne. Im kristallklaren Wasser, spiegelten sich die wenigen schneeweißen Wolken am hellblauen Himmel. Herabfallende Blütenblätter der Bäume, schwammen langsam über die schimmernde Wasseroberfläche. Das lebhafte Plaudern der Leute vermischte sich mit fröhlichem Vogelgezwitscher und dem friedlichen Plätschern der Springbrunnenfontänen. Es war der perfekteste Frühlingstag, den man sich nur wünschen konnte und bescherte einem den zarten Vorgeschmack, auf einen in nicht mehr allzu großen Entfernung wartenden Sommer. Und dennoch fröstelte es Miceyla, als sie durch den Park schritt. Während die Menschen um sie herum ihr Leben genossen, schufteten anderer Orts Leute pausenlos für einen mickrigen Lohn, um ihnen ein komfortables Dasein zu ermöglichen. Und nicht nur das ging ihr durch den Kopf. Heute war der Tag, an dem sie Claytons schleierhafte Vergangenheit erfahren würde. Es hätte keinerlei Sinn gehabt, ein Treffen mit ihm vor William geheim zu halten, daher hatte sie es ihm sofort mitgeteilt. Und ohne viel Diskussion erhielt die dessen Erlaubnis, was sie nicht groß wunderte, da es im Interesser aller war, die Schattenseite von Harley Granville ans Licht zu bringen. Ein wenig stolz fühlte Miceyla sich schon, noch vor William und Sherlock dahinter zu kommen. Aber sie musste der Gefahr aus dem Weg gehen, dass ihr dies nicht zur Bürde wurde. Ihre Lippen formten sich sogleich zu einem Lächeln, als sie Amelia abseits des turbulenten Geschehens, auf einer Parkbank entdeckte. Beinahe regungslos wartete sie dort und beobachtete die umherfliegenden Vögel hoch oben in den Baumkronen. Noch immer erschien es Miceyla wie ein Traum, dass Amelia wirklich noch am Leben war und sie sich beide nun zu jeder Zeit sehen konnten.

„Es ist sehr schön hier, nicht wahr? Ich kam oft zum schreiben hierher, hauptsächlich im Winter, wenn hier keine Menschenseele zugegen war. Sonst fand ich nirgendwo meine Ruhe. Ha, ha, so verrückte Dinge tue ich. Du wirst lachen, wenn ich dir von Mrs Green erzähle, mit der ich mich jahrelang herumschlagen musste. Zum Glück wurde ich von ihr erlöst, ha, ha. Ich freue mich dich wiederzusehen, Amelia“, begrüßte sie ihre wiedergefundene Freundin frohgestimmt und setzte sich lächelnd neben sie auf die Bank.

„Miceyla… Hallo. Schon eigenartig… Ich las deine Geschichte und erschuf in meinen Vorstellungen ein Ebenbild, deiner unterdrückten kämpferischen Persönlichkeit, die du mit einer willensstarken Soldatin assoziierst. Aber jetzt, wo ich dich in der Wirklichkeit vor Augen habe, glaube ich daran, dass du sogar imstande sein wirst, die Kräfte deiner Fantasie zu übertreffen. Schmerz und Leid haben dich unheimlich stark werden lassen. Kluge Menschen erkennen dies mit ihrem sechsten Sinn… Doch es ist eine sehr zerbrechliche Stärke, die mir Sorgen bereitet. Ich mag dich heute Nachmittag nicht allzu lange aufhalten. Denn du wirst heute Abend eine langwierige Erzählung vor dir haben, die nicht so leicht zu verdauen ist. Ich weiß davon, Irene ebenfalls…“ Amelia blickte sich unauffällig um und hielt dabei nach heimlichen Zuhörern Ausschau.

„Weißt du Amelia, ich verrichtete tagtäglich ohne Nörgeleien meine Arbeit, lächelte den ganzen mürrischen Gesichtern in meinem Umfeld zu und glaubte dabei immer an meine Träume, die stets kurz davor waren, von Einsam- und Hoffnungslosigkeit verschlungen zu werden. Doch der Hass auf unsere egoistische Welt, mit all ihren darauf lebenden herzlosen Menschen, blieb zu jeder Zeit tief in mir verborgen bestehen. Er wurde in meiner frühen Kindheit geweckt und wuchs mit den Jahren, sodass ich ihn nur noch mit endloser Trauer unterdrücken konnte. Und dann durfte auch ich einen schicksalhaften Tag erleben, an dem ich Menschen traf, welche jener ungerechten Welt den Kampf angesagt hatten. Der eine nutzt seine unantastbare Kombinationsgabe, um Verbrechen aufzudecken. Der andere wiederum bedient sich rechtswidriger Mittel, um den mittellosen Leuten einen neuen Lichtblick in ihrem Leben zu schenken. Mich zog es zu den Moriarty-Brüdern, da ich ihren Drahtseilakt zwischen Gut und Böse von Anfang an bewunderte. Ich verstehe deine Sorgen. Menschen liebzugewinnen, die ein Ziel anstreben, das mit aller Wahrscheinlichkeit nur mit dem Opfer des eigenen Lebens erreichbar ist, birgt eine große Gefahr… Man verrennt sich in einer Besessenheit, welche plötzlich alle anderen Güter in den Schatten stellt. Aber ich bin nicht blind vor Liebe, ich sehe glasklar. Und dennoch fürchte ich den Tag, an dem ich etwas Wertvolles in dieser Welt zurücklassen muss, falls mich das jüngste Gericht erwartet… Ha, ha, da hörst du es, mein unfehlbarer Pessimismus schlägt mal wieder erbarmungslos um sich. Spekulieren allein hilft nichts. Auf welchem Wege Williams Pläne umgesetzt werden, ist noch ungewiss. Vielleicht kommt auch alles ganz anders. London ist nicht der Mittelpunkt der Welt. Wer weiß schon, welche Umstrukturierungen in anderen Ländern im Gange sind, die uns bald erreichen könnten. Das dies zu weiteren Konflikten führen würde steht außer Frage. Doch wie wird es für Clayton ausgehen…? Sollte er tatsächlich einen Attentat auf…du weißt schon wen…geplant haben, ist solch eine Tat ebenfalls ein Selbstmordakt. Tut mir leid, dass ich die Wahrheit so ungezügelt ausspreche, aber ich finde sein egoistisches Verhalten, den ganzen zuvor geretteten Mädchen gegenüber einfach nur rücksichtslos. Und vor allem auch dir selbst gegenüber. Ignoriert er denn völlig deine Gefühle? Mir ist nicht verborgen geblieben, dass dein Herz mit starken Empfindungen für ihn zu kämpfen hat. Mich macht das unsagbar wütend! Als Strafe würde ich deinen ach so ehrenvollen Retter am liebsten in einem Verließ einsperren, bis er zur Vernunft kommt! Ich bereue es fast, ihm so aufgelöst gedankt zu haben…“, sprach Miceyla bewegt und konnte nicht vermeiden, dass ihr gelassener Tonfall etwas aufbrausender wurde. Amelia neben ihr presste die Lippen aufeinander und starrte auf ihre leicht zitternden Hände hinab, welche auf ihrem Schoß ruhten.

„Es…es mag vielleicht ein wenig verwirrend klingen, doch deine Worte sind für mich Wohltat und Schmerz zugleich. Ach… Miceyla… Ich ertrage es einfach nicht länger. Ja, ich liebe Clayton… So sehr, dass ich ihm bis ans Ende der Welt folgen und für ihn sterben würde. Warum reißt mir denn keiner mein klägliches Herz aus meiner Brust, damit ich dieses vereinnahmende Gefühl der Liebe, nicht mehr erdulden muss. Denn meine Sehnsüchte haben keinerlei Hoffnung, jemals Anklang zu finden. Meine Gefühle erreichen Clays eingefrorenes Herz nicht und er würde sie ohnehin niemals erwidern. All seine Liebe schenkte er bereits vor langer Zeit einem Mädchen. Wer einst auf solch intensive Weise geliebt hat, nimmt die Erinnerung daran mit ins Grab, unfähig sich vorher noch einmal einer anderen Person öffnen zu können. Ich sollte mich selbst dafür hassen, dass ich so etwas wie Eifersucht für jene junge Frau empfinde, die schon längst in den Himmel gerufen wurde. Es ist schwer sich damit abzufinden, dass eine Liebe zwischen und beiden, in diesem Leben niemals möglich sein wird. Man kann wohl nicht bei allem Glück haben. Eigentlich müsste ich schon dafür dankbar sein, mich gerade hier an diesem friedlichen Ort, mit dir unterhalten zu dürfen. Du und ich wissen beide, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist. Übrigens behaupten viele im Theater, Clayton und Irene wären ein heimliches Paar, was ein großer Irrtum ist. Seine Sturheit besitzt eine solche Beharrlichkeit, dass er nie und nimmermehr für eine Frau Gefühle entwickelt, aus Furch seinen eigenen Schwur untreu zu werden. Ja so ist es, selbst die tapfersten Männer wissen was Angst bedeutet. Aus der Geschichte zwischen dir und William, werde ich mich raushalten. Mir gefallen seine ganzen radikalen Verbrechen nicht. Zwar kann auch ich die meisten egoistischen Adeligen nicht leiden, aber… Egal… Wie gesagt, ich mische mich da nicht ein. Nur würde mich noch interessieren, welche Rolle du dem Detektiv Sherlock Holmes, bei dem hitzigen Rennen für Rum und Ehre zuschreibst. Im Theater neulich da… Nein, vergiss mein neugieriges Nachfragen. Im Moment ist es zu früh, sowohl für dich als auch für mich. Denn gewisse Entscheidungen dürfen darauf warten, getroffen zu werden. Und dann sind da ja auch noch die Brüder von William, die es dir sicher nicht gerade leicht machen, mit ihm Zeit alleine zu verbringen. Hi, hi… Unser Gejammer ist wahrlich auf höchstem Niveau. Du wirst deinen vor dir liegenden Weg schon meistern, schließlich liegt dir die Abenteuerlust im Blut. Jedoch ist Normalität für uns beide gleichermaßen zu eintönig. So ganz nebenbei… Es macht mich unheimlich glücklich, dich von nun an öfters im Theater

singen hören zu dürfen. Deine zauberhafte Stimme ist Balsam für die Seele…“, erzählte Amelia offenherzig und lächelte zaghaft, was ihre feinen Gesichtszüge noch mehr hervorhob.

„Es freut mich zu hören, dass ich dazu beitragen kann, dass du fröhlicher sein kannst. Und danke, dass du meine Entscheidung akzeptierst, mich Williams Revolte angeschlossen zu haben. Liebe…ist kein Gefühl das einem immerzu Glück beschert. Es trägt auch oftmals dazu bei, dass man sich unglücklich fühlt. In wen wir uns verlieben, entscheidet meist unser Herz. Du kannst nicht viel dagegen unternehmen, außer diesen bittersüßen Schmerz unerwiderter Gefühle anzunehmen. Sieh es als eine lehrreiche Erfahrung, die dir zeigen will, dass die für dich bestimmte Person, noch irgendwo auf dich wartet. Liebe entsteht von ganz allein und kann sich so urplötzlich, wie der Nebel in der Morgensonne wieder auflösen. Behüte dein Herz, doch halte es nicht wie Clayton verschlossen. Wenn zwei füreinander bestimmte Menschen sich finden und die ihnen entgegengebrachten Gefühle empfangen, entsteht ein Wunder, dass sich mit keiner Wissenschaft dieser Welt erklären lässt. In diesem Sinne, lass und dankbar bleiben und lächelnd in die Zukunft blicken, mag sie auch noch so ungewiss sein. Ich würde ja nur zu gern die Zeit anhalten, um länger mit dir plaudern zu können, doch es wartet noch eine Verabredung auf mich, bei der ich mehr oder weniger gezwungen bin, sie wahrzunehmen…“, sprach Miceyla aufmunternd und warf seufzend einen Blick auf ihre Taschenuhr. Neugierig betrachtete Amelia das golden schimmernde Ziffernblatt.

„Deine Uhr ist wirklich ein Hingucker. Ich habe bisher keine schönere gesehen. Woher hast du sie? Ein Geschenk von deinem William?“, fragte sie lächelnd nach. Verträumt schüttelte Miceyla den Kopf.

„Nein, Albert schenkte sie mir, sein älterer Bruder.“

„Albert… Verstehe. Dann solltest du diese Uhr wie deinen wertvollsten Schatz behüten. Denn ich wette mit dir, dass er diese Taschenuhr als Symbol für eure gemeinsam Verbrachte Zeit ansieht. Wo wir gerade von der Zeit reden, ich denke du brichst jetzt besser zu eurem vereinbarten Treffpunkt auf. Sonst kommt Clayton noch auf dumme Gedanken und überlegt sich wieder irgendeinen irrwitzigen Streich, um ein wenig auf deinen Nerven herumzutanzen. So etwas macht er für sein Leben gern, wenn andere nicht ihren Pflichten nachgehen. Clay besitzt eine ziemlich eigentümliche Art, seine Strenge zum Ausdruck zu bringen. Hach… He…! Schau mich nicht so neckend an! Ja, ja, ich liebe nun mal jede Seite an ihm… Bis bald, Miceyla. Und möge dir der Mut hold sein. Du wirst haufenweise davon brauchen…“ Verlegen erhob Amelia sich und blickte sie aber noch einmal mit einem gefassten Gesichtsausdruck an, woraufhin ein Lächeln zum Abschied folgte. Auch Miceyla verließ ihren Platz auf der Parkbank aufbruchsbereit.

„Der Mut wird uns beide leiten. Wir haben es bis hierher geschafft, daher gibt es für uns keinen Grund, dass vor uns liegende Unbekannte zu fürchten. Auf ein baldiges Wiedersehen, Amelia.“
 

Miceyla hörte den jubelnden Applaus der letzten Vorstellung, gedämpft von innen zu ihr in den Außenbereich herüberschallen. Die Sonne verschwand allmählich am Horizont und färbte den Himmel über den Dächern beinahe blutrot. Nervös drehte sie im hinteren Bereich des Theaters mehrere Runden, da sie zu angespannt war um stillstehen zu können. Sie bekam nach einer langen Zeit des Wartens den Eindruck, Clayton wäre anderweitig beschäftigt, doch da öffnete sich auf einmal knarzend das hintere Tor und er trat tänzelnd zu ihr hinaus.

„Guten Abend, mein Vöglein. Freut mich zu sehen, dass du es heute geschafft hast, dem Käfig der Moriartys zu entfliehen. Hoppala! Hab ich dich etwa erschreckt? Ha, ha! Verzeih das Warten, aber die Damen haben mich mal wieder mit Geschenken und Blumen überhäuft. Da musste ich mich natürlich anständig revanchieren. Schande über mein Haupt, dass ich unsere Verabredung hinten drangestellt habe! Nichtdestotrotz, hier stehe ich nun, bereit dir deine Offenbarung zu schenken, die du schon voller Inbrunst herbeisehnst.“ Miceyla versuchte ihre Erschrockenheit zu vertuschen und musterte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Ebenfalls einen guten Abend, werter Matador Muscari. Ihr tragt ja noch immer Euer auffälliges Kostüm von Eurem Auftritt. Gedenkt Ihr nicht Euch noch vorher umzuziehen, ehe Ihr Euch in ein konservatives London hinauswagt? Ist bloß ein gut gemeinter Rat meinerseits, um Euch vor Unannehmlichkeiten zu bewahren“, kommentierte Miceyla scherzhaft seine übertrieben auffällige Maskerade und musste kichern. Auch Clayton lachte erstmal nach ihrem ironischen Einwand.

„Zu gütig Herzchen, dass du dich um meinen guten Ruf sorgst. Doch ist dies mein Zeichen der Entschädigung, für deine lange Wartezeit. Nachdem ich mich von den Damen losgerissen hab, stürmte ich gleich von der Bühne hierher. Hörst du nicht, wie sehr ich außer Atem bin? Wohlan, da ich heute wieder den Alleinunterhalter spielen darf, wähle ich mal einen gemütlichen Ort, für unsere Plauderrunde aus. Folge mir unauffällig. Ich zeige dir wie ich hause, wenn ich die Nacht nicht im Waisenhaus oder im Theater verbringe…“, sprach Clayton geheimnisvoll und übernahm schnurstracks die Führung. Miceyla tat wie ihr geheißen und wollte ihm vertrauen. Nach einem beachtlich zurückgelegten Fußmarsch, erreichten sie einen unbewohnten Bezirk der Stadt, in dem man nur stillgelegte Fabrikhallen und Lager für diverse Rohstoffe vorfand. Etwas verwirrt behielt sie die Frage für sich, ob er tatsächlich in dieser beklagenswerten Gegend lebte. Denn dann würde sie nur wieder, an ihrem neugewonnenen Vertrauen ihm gegenüber zweifeln.

„Da wären wir! Herzlich willkommen in meinem beschaulichen Heim! Ha, ha, ha! Köstlich dein überraschtes Gesicht! Hast du etwa erwartet, dass ich dich zu einem vornehmen Anwesen führe? Sei jetzt nicht enttäuscht. Ich würde diesen Ort für kein teures Grundstück eintauschen. Hier…bin ich mit Herz und Seele zu Hause“, stellte Clayton ihr mit nostalgischem Blick, seine ungewöhnliche Behausung vor. Miceyla befand sich auf einer großen Weidefläche, auf dessen Mitte ein hoher Turm emporragte, der beinahe wie eine kleine mittelalterliche Burg aussah. Um ihn herum standen einige dunkelgrüne Tannen, die ihm einen märchenhaften Touch gaben. Bei dem hohen Gebilde vor sich, bekam sie sogleich ein Déjà-vu und dachte an jenes unangenehme Scharmützel in Lambeth zurück. Sie versuchte den Gedanken daran rasch wieder zu verdrängen.

„Ähm… Nun ja… Um ehrlich zu sein, erahnte ich bereits etwas Ähnliches in der Richtung. Du magst nach außen hin vielleicht wie ein umgänglicher Geselle wirken, doch in deinem Innern bist du ein Mensch, der das Alleinsein genießt. Und was soll ich sagen, du besitzt wahrhaft ein Faible für höher gelegene Orte, ha, ha. Bin gespannt wie der Turm von innen aussieht“, meinte sie lachend und folgte ihm weiter bis zur Eingangstür.

„Das darfst du ja jetzt erfahren. Bitte tritt ein, in mein eigenes kleines Reich, in dem man den Sternen ein ganzes Stück näher ist…“ Clayton ließ ihr mit höflichem Lächeln den Vortritt und betätigte hinter ihr einen Schalter, woraufhin im gesamten Turm Lampen zu leuchten

begannen, die ein angenehmes Licht verströmten.

„Du kannst bis zur obersten Etage hinauflaufen. Die Aussicht dort oben ist fantastisch, wirst sehen!“, spornte er sie mit kindlicher Begeisterung an. Miceyla lächelte daraufhin nur leicht unbehaglich und folgte der steilen Wendeltreppe bis ganz nach oben. Dort betrat sie etwas zögerlich einen großflächigen Raum, der fast wie ein gewöhnlicher Dachboden aussah. Doch sie machte große Augen bei dem, was es dort alles zu entdecken gab. Beinahe rundherum befanden sich deckenhohe Regale, vollgestellt mit diversen Büchern. Auf Tischen standen unzählige verschieden große Apparaturen, an denen Kabel, Drähte und Schalter befestigt waren. Ihr Blick wanderte weiter und blieb an einem bewunderungswürdigen Teleskop haften, das seinen Platz auf einem idyllischen Balkon hatte.

„Clayton, ich bin sprachlos, dieses Zimmer ist wie geschaffen für einen Physiker. Die Ausstattung ist perfekt darauf abgestimmt. Es erinnert mich etwas an eine Sternenwarte. Und im Gegensatz zu einem gewissen Chaoten, besitzt du ein äußerst penibles Ordnungssystem, für deine ganzen kostbaren Utensilien, ha, ha“, scherzte sie und blickte sich weiter interessiert um.

„Na das versteht sich doch von selbst! Das sind alles unersetzbare Unikate, die gehegt und gepflegt werden müssen. Ach ja, vorwarnend sollte ich dir noch besser sagen, lieber nicht den Generator dort drüben in Gang zu setzen. Ich weiß selbst noch nicht genau was dann passiert, ha, ha. Aber bevor wir uns dem Ernst des Lebens widmen, lass uns noch vorher die prachtvolle Aussicht genießen. Der klare Himmel kommt an diesem Abend wie gerufen. Ab geht’s nach draußen an die frische Luft!“ Heiter lud Clayton sie dazu ein, sich zu ihm auf den Balkon zu gesellen. Mit entsetzter Miene wich sie etwas zurück.

„W-was?! Dir ist hoffentlich klar, dass ich hohe Orte verabscheue. Machst du das extra um mich zu ärgern? Ich habe nicht vergessen, wie das in Lambeth geendet hat!“, verweigerte Miceyla beharrlich, auch nur einen Fuß hinaus zu setzen. Nach einem langen Seufzer lachte er, um sie ein wenig zu beruhigen.

„Liebes, ich würde niemals von dir verlangen, mir den kleinen Schubser von damals zu verzeihen. Das war grausam von mir. Doch mittlerweile ist dies doch längst Schnee von gestern, oder? Schau her, wie hoch das Geländer hier ist, da kann überhaupt nichts passieren. Außerdem möchte ich, dass du nach oben blickst, anstatt nach unten. Komm schon, fünf kurze Minuten, dann gehen wir wieder hinein. Du wirst es nicht bereuen, versprochen!“, versuchte er gelassen, ihr die Angst zu nehmen und schien damit Erfolg zu haben. Denn Miceyla ließ sich doch von ihm überreden und gestand sich ein, dass ihre kindischen Ängste übertrieben waren und ihr bloß wieder im Weg standen, um ihren wahren Mut entfalten zu können. Mit leicht schlotternden Knie, lief sie langsam zu ihm auf den Balkon hinaus und atmete einmal tief durch, um zu vermeiden das ihr plötzlich schwindelig wurde. Er hielt ihr seine unterstützende Hand entgegen, jedoch lehnte Miceyla sie mit einem verkrampften Lächeln ab.

„Na also! Mein Lob, du hast deine Furcht überwunden. Und nun bitte ich dich, mal einen Blick durch das Teleskop zu werfen. Lass dich einfach mal überraschen, was du dann sehen wirst…“, bat Clayton erwartungsvoll. Sie nickte bereitwillig und blendete das Außengelände rund um den Turm aus, welches im fahlen Licht der hereinbrechenden Nacht, ohnehin nur bruchstückhaft zu erkennen war. Unmittelbar vor dem Teleskop stehend, beugte sie sich etwas hinab und legte eine Hand darauf, damit sie durch die untere Linse hindurchlugen konnte. Clayton half ihr, das Teleskop in eine passende Position zu bringen, die auf ihre Körpergröße abgestimmt war. Es brauchte einen Moment, bis sie scharf sehen konnte. Doch als sie ein klares Sichtfeld hatte, machte ihr Herz vor Begeisterung einen Sprung.

„Die…die Sterne…sie sind zum Greifen nah! Was für ein bezaubernder Anblick! Ich bekam noch nie die Gelegenheit, durch ein Teleskop zu blicken. Du hast vollkommen Recht gehabt, ich hätte ein einmaliges Erlebnis verpasst, wäre ich weiterhin so ein Sturkopf geblieben.“ Miceyla hielt inne, um in aller Ruhe, die unendlichen Weiten des Himmelszeltes erforschen zu können.

„Es ist atemberaubend, nicht wahr? Jede sternklare Nacht ist kostbar für die Sternenkunde, da unser altbekanntes schlechtes Wetter meist dazwischenfunkt. Sieh genau hin und du wirst die Milchstraße erkennen und sogar die für diese Jahreszeit typischen Sternzeichen. Ferne Wunder, die wir zu entschlüsseln versuchen. Wer sich mit der Konstellation der Sterne auskennt, hat auf der gesamten Welt eine recht verlässliche Orientierung. Nicht nur für Seemannsmänner ist dies von essenzieller Bedeutung. Ich hoffe, dass ich dir mit diesem kurzen Ausblick auf die Sterne, eine kleine Freude bereiten konnte. Es ging mir nicht nur darum, dir eine meiner großen Leidenschaften aufzuschwatzen. Wir alle brauchen hin und wieder einmal eine kleine Ablenkung, welche uns die Sorgen und Probleme der irdischen Welt für eine Weile vergessen lässt. Da hörst du es, von Zeit zu Zeit bin auch ich mal sentimental. Was meinst du, sollen wir uns nun auf eine Reise, in die finsteren Abgründe meiner Vergangenheit begeben? Dann darfst du jetzt wieder hineingehen und es dir auf einem der Sessel bequem machen.“ Seine fröhliche Miene verdüsterte sich. Er schien sich gedanklich schon auf seine Erzählung vorzubereiten. Nickend begab Miceyla sich in sein Zimmer.

„Danke, dass ich kurz die traumhaft schönen Sterne, durch dein Teleskop betrachten durfte.“ Für eine Weile herrschte Schweigen und Clayton holte ein altes Buch aus einem der Regale heraus, in dem sich gepresste Blütenblätter von unterschiedlichen Blumen und Sträuchern befanden, die akkurat beschriftet worden waren. Er hielt ihr das Buch hin und gab ihr mit einer wortlosen Geste zu verstehen, dass sie darin blättern durfte. Vorsichtig schlug Miceyla die erste Seite auf und las einen kurzen dort stehenden Kommentar des Autors.

„`Das Leben braucht nicht viel um zu gedeihen. Gib ihm etwas Luft, Wasser und Licht, nun schau zu wie es von alleine wächst. Ebenso wie die Natur, befinden auch wir uns in einem ständigen Wandel. Doch die Natur ist weitaus klüger als der Mensch, welcher diesen Wandel krampfhaft zu verändern versucht. Es ist wichtig loszulassen. Verwelkt eine Blume, finden wir an einem anderen Ort eine neue. Und wenn wir das Unergründliche erforschen und festhalten, geht es niemals verloren, solange wir den Glauben daran in unserem Herzen tragen. Lydia Granville.`“

„Worin liegt der Sinn, für seine Überzeugungen zu kämpfen, wenn man von jedem nur abgewiesen wird? Ist es fair, dass bestimmte Personen gesonderte Rechte zugeteilt bekommen? Der Meisterverbrecher und ich töten, um das schmutzige Mistvieh aus der Welt zu schaffen. Die einzige Gemeinsamkeit, welche uns beide verbindet. Eure Liebe ist nicht gerade eine mit roten Rosen bestückte Romanze. Begehrt dein Herz ihn wirklich so sehr, dass du bereit bist für seine dir eingetrichterten Ideale, alles was du besitzt zu opfern? Du glaubst auf deinem bisherigen Lebensweg Leid erfahren zu haben. Jedoch mein Vöglein, dass wahre Leid steht dir erst noch bevor. Ich weiß, dass jegliche vorwarnende Bemerkungen von mir überflüssig sind, doch sehe ich bereits kommen, dass die Familie Moriarty bald in blutroten Nebel gehüllt sein wird. Meine eigene ist längst in die ewigen Jagdgründe eingegangen. Noch ist es meine Pflicht eine letzte Aufgabe zu erfüllen, ehe ich dahin folgen kann“, sprach er ungewöhnlich ernst, ohne auf den Kommentar des Buches einzugehen.

„Nun, wir sind sehr sture Wesen, die wenn sie einmal einen festen Entschluss gefasst haben, nicht mehr so leicht umzustimmen sind. Lieber für eine begrenzte Zeit, die glücklichen Momente mit den Menschen genießen die man liebt, als ein sinnloses Leben in Einsamkeit zu fristen. Gleichgültig ob es um die Umstände gut oder schlecht bestellt ist, das Leben bleibt ein aufregendes Abenteuer, bei dem es immer wieder Neues zu entdecken gibt“, teilte Miceyla ihm lächelnd ihre unanfechtbare Einstellung mit. Auch Clayton zeigt kurz ein flüchtiges Lächeln und schob einen Sessel zurecht, sodass sie sich parallel gegenübersaßen und lehnte sich lässig darin an.

„Hm… Uns ist wohl beiden kein langes Leben vergönnt… Dann beginnen wir mal mit unserer Zeitreise. Wir wandern sieben Jahre zurück, nach Pembroke, meiner Meinung nach einer der schönsten Orte im Süden Englands, der sich in Hafennähe befindet. Wo soll ich anfangen? Oh, wie wäre es mit jenem Frühlingstag, der beinahe genauso heiter wie der heutige war? Ach was blühten die Blumen doch damals in den prächtigsten Farben! Wäre ich künstlerisch begabt, so hätte ich alles in einem fantastischen Gemälde festgehalten! Der hohe Farn, wie er sachte meine Haut streift. Die angenehm frische Brise, wie sie mein Gesicht umschmeichelt…“, begann Clayton enthusiastisch und brach allerdings abrupt ab, als er sah wie Miceyla skeptisch die Augen zusammenkniff und begann laut zu lachen.

„Ha, ha, ha! Ist ja schon gut! Kein Grund gleich grummelig zu werden. Lassen wir das mit den überflüssigen Ausschmückungen und fangen noch mal vernünftig an. Schließlich kann selbst die friedvollste Umgebung, nicht vom vergossenen Blut ablenken… Ich lebte damals mit meinen Eltern Harry und Kate, zusammen in einem kleinen Anwesen. Geschwister besaß ich keine. Nicht weit von unserem Grundstück entfernt, befand sich die Residenz der Granvilles, gegen die unser mickriges Anwesen, wie eine lausige Waldhütte wirkte. Jene hochangesehene Familie, besaß schon immer wichtige Verbindungen im gesamten Land und war politisch sehr engagiert. Wir, die Familie Fairburn, waren an die Granvilles durch einen Vertrag gebunden, an dessen Vorschriften wir uns verpflichtend halten mussten, damit unser Adelsgeschlecht am Leben gehalten werden konnte. Denn Erfolg war auch schon immer beim Adel ziemlich ungleichmäßig verteilt. Wer nicht bereit ist sich dem Mächtigeren unterzuordnen, verliert schnell jegliche Alternativen, um sich über Wasser zu halten und dafür zu sorgen, dass der eigene Adelstitel nicht aus der Welt verschwindet. Aber ich denke du bist mittlerweile gut genug, mit dem strengen Regelwerk des Adels vertraut und ich kann mir weitere Erklärungen diesbezüglich sparen. Die erste Ehefrau des damaligen Oberhauptes der Grafenfamilie Granville, Brendon Granville, verstarb sehr früh. Doch es dauerte nicht lange, da fand er eine neue Gattin, die ein uneheliches Kind mit in die Familie brachte. Der Name des Mädchens lautete Lydia. Aus Liebe zu der Frau namens Fiona, akzeptierte er das Kind. Aber damit Lydia sich als ein vollwertiges Mitglied der Granvilles bezeichnen durfte, musste sie mit dem Sohn des Oberhauptes, Harley Granville vermählt werden. Das man ein jungfräuliches Mädchen, mit einem zwölf Jahre älteren Mann verheiraten wollte, der überhaupt nicht an ihrem Glück interessiert war, ging mir sofort gehörig gegen den Strich. Und so kosteten wir die letzte Zeit aus, in der wir uns ungehindert treffen konnten, ohne das unsere Familien etwas dagegen hatten…“
 

Leise summend lief Lydia über eine Wiese, dessen hohes Gras ihr beinahe bis zu den Knien reichte. Ihr Ziel war ein kleiner Hügel, auf dem rote Mohnblumen im sachten Wind tanzten. Schmunzelnd blickte sie an sich hinab.

„Mein Kleid ist wieder mal mit Flecken übersäht. Da wird man wie immer endlos mit mir schimpfen, ha, ha“, sprach sie lachend und setzte unbekümmert über diese Nichtigkeit ihren Weg fort. Heiter ließ sie sich an dem höchsten Punkt des Hügels nieder, auf dem ein einzelner Magnolienbaum wuchs, der in voller Blüte stand. Lydia lächelte beim Anblick der vor ihr liegenden, häuserlosen Landschaft und schlug ein Buch auf, in dem sie sorgfältig begann Skizzen anzufertigen. Sie war so sehr in das Zeichnen vertieft, dass ihr der Atem stockte, als plötzlich rosafarbene Blütenblätter auf sie herabregneten und einige von ihnen, die Seite mit der gerade von ihr angefangenen Zeichnung bedeckten. Nachdem Lydia sich von ihrem Schreck erholt hatte, klappte sie schmunzelnd ihr Buch zu und ließ es gemeinsam mit dem Stift von ihrem Schoß fallen. Anschließend sprang sie ruckartig in die Höhe und wirbelte herum.

„Clayton, du alter Lausebengel! Na warte, Rache ist süß!“, rief Lydia belustigt und schnappte sich einen großen Haufen, der am Boden liegenden Magnolienblüten. Kurz darauf jagte sie dem flüchtenden Clayton hinterher und warf die Blütenblätter nach ihm. Lachend hielt er sich schützend die Hand vor sein Gesicht.

„Ha, ha! Hey, das ist nicht fair! Du weißt doch, dass ich… Ha-hatschiii!“ Niesend rieb er sich seine juckenden Augen, welch sich mehr und mehr röteten.

„Herrjemine, Clay. Es kommt mir so vor, als würde deine Allergie von Frühling zu Frühling schlimmer werden. Für mich käme es einem Todesurteil gleich, gegen die Schönheit der Natur allergisch zu sein. Zeit das wir einen Arzt finden, der wenigstens deine Symptome etwas lindern kann. Sonst musst du irgendwann die Sommermonate im Keller verbringen und ich bekomme dich nur noch im Winter hier draußen zu Gesicht“, sprach sie liebevoll und stupste ihm spielerisch mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. Blinzelnd blickte er Lydia an und musste erst mal schweigend lächeln. Wann immer er sie sah, entspannte sich sein gesamter Gemütszustand und er hätte das Irrsinnigste geglaubt, dass man ihm erzählte. Ihre langen Haare schimmerten in der Sonne in einem hellen Rotbraun und ihre grünbraunen Augen strahlten solch eine warmherzige Güte aus, dass es ihn verlegen machte, wenn er sie zu lange anblickte.

„Ich finde den Winter herrlich, da stört mich dieses ganze aufdringliche Gestrüpp wenigstens nicht, ha, ha! He…! Hey, bleib mir mit dem Gras vom Leib! Ich nehme alles zurück, was ich gesagt habe! Ha, ha, Hilfe!“, neckte Clayton sie spielerisch und ergriff erneut die Flucht, als sie Anstalten machte, dass zuvor ausgerupfte Gras ihm mitten ins Gesicht zu werfen.

„Du wagst es tatsächlich schon wieder, das Wort `Gestrüpp` in den Mund zu nehmen?! Hiergeblieben, dein letztes Stündlein hat geschlagen, ha, ha!“, rief sie herausfordernd und musste laut über ihr Herumgealbere lachen. Eine Weile rannten beide auf dem Hügel umher, bis sie nicht mehr anders konnten, als sich erschöpft in dem weichen Gras niederzulassen. Dort schnappte Clayton sich ihr Skizzenbuch.

„Mensch Lydia, deine Zeichnungen verschlagen mir glatt die Sprache. Vielleicht solltest du doch den Rat deines Vaters folgen und dich intensiver der Malerei widmen, anstatt dich mit Pflanzen und deren Heilwirkungen auseinanderzusetzen. Ich meine ja nur… Denn stell dir vor, mit deinem Talent hättest du das einmalige Potenzial, um in London als Hofmalerin für die Königin engagiert zu werden. Aber einen Platz an der Universität zu bekommen, ist hingegen etwas unrealistischer. Leider wird dies für eine Frau deines Adelsstandes, als unangemessen angesehen. Ich wünschte wir lebten in einer Welt, in der wir all unsere Träume erfüllen könnten…“ Seufzend blätterte Clayton in ihrem Buch und genoss dabei Lydias Wärme, während sie neben ihm saß und sich mit ihrem Kopf gegen seine Schulter lehnte.

„Ach Clay, erinnere mich bitte nicht an dieses Elend. Ganz gleich für welchen Weg ich mich auch entscheide, letztendlich lande ich in einer Sackgasse. Für mich ist die Heirat nun mal vorrangig vorgeschrieben. Ich kann meine Mutter nicht noch weitere Enttäuschungen zumuten. Seitdem mein leiblicher Vater von uns gegangen ist, verlor sie jegliche Lebensfreude. Doch als sie den Grafen Brendon Granville kennenlernte, begann sie wieder zu lächeln. Ich habe ihn als meinen neuen Vater akzeptiert, was einige Jahre in Anspruch genommen hat. Ihm ist die Familientradition sehr wichtig, jedoch ist er ein Mensch der nicht wegsieht, wenn andere Hunger leiden. Und dies beweist, dass er ein barmherziges Wesen besitzt. Auch mit Harley… werde ich schon irgendwie klarkommen. Sein schier unendliches Engagement, macht seine großspurigen Charakterzüge wieder wett. Für unser Land wird er schon bald eine bedeutsame Rolle spielen. Als die Frau an seiner Seite, darf ich ihm daher keine Schande bereiten und muss ihm bei seinem Werdegang unterstützen.“, erwiderte Lydia ein wenig monoton, sodass man ihre gerade gesprochenen Worte kaum ernstnehmen konnte. Zähneknirschend klappte Clayton das Buch zu und drehte sich zu ihr herum, damit er sie direkt anblicken konnte.

„Hörst du dir selbst eigentlich mal zu? Mir wird jedenfalls übel, wenn ich mir das anhöre. Meine liebe Lydia, du bist drauf und dran dich selbst aufzugeben. Das der Graf ein gerechter Mann ist, da kann ich dir noch zustimmen. Dank seiner ausgeglichenen Hierarchie, geht es meiner Familie sehr gut. Aber kannst du wirklich damit leben einen Mann zu heiraten, den du überhaupt gar nicht liebst? An dir hat er auch nicht das kleinste Interesse. Allein bei dem Gedanken, dass er dich grob anpackt, würde ich ihm am liebsten das nächste Küchenmesser in sein Herz rammen. Du wirst bis an dein Lebensende todunglücklich sein. Ach, wie gern würde ich mit dir fortlaufen… Doch wenn ich alles verliere, kann auch ich dir kein glückliches Leben mehr ermöglichen. Nur…was nicht ist, lässt sich ja eventuell noch ändern…“, beklagte Clayton ihre deprimierende Lage und ließ sich nach hinten in das dichte Gras fallen. Lydia legte sich neben ihn und nahm zärtlich seine Hand.

„Clay mein Guter, sieh bitte nicht alles so negativ. Auch ich male mir in meiner Fantasie aus, was für ein abwechslungsreiches Leben wir führen könnten… In Freiheit… Ein schlichtes und einfaches Leben mit keinerlei Verpflichtungen. Solch ein naiver Traum wird leider niemals in Erfüllung gehen. Bitter aber wahr. Und denke immer daran, dass auch du noch einiges erreichen willst. Du magst doch schließlich die Familie Fairburn stolz machen, oder? Außerdem bin ich ein Jahr älter als du, daher sei schön fleißig! Es ist deine große Chance, in Oxford studieren zu dürfen. Weltfremde junge Männer, haben nun mal keine erfolgreiche Zukunft vor sich. Und sei nicht traurig, wenn wir uns länger nicht sehen. Veränderungen machen uns stärker. Ich habe es geschafft, meine Heirat um einige Monate hinauszuzögern. Doch nun stößt meine Ausrede, ich sei noch nicht bereit dazu, auf taube Ohren. Vielleicht entdeckst du dich selbst auch neu und schenkst, so wie du es mir ebenfalls rätst, deinen Begabungen etwas mehr Beachtung. Denn jeder hier im näheren Umkreis weiß doch, wie sehr du die Schauspielerei liebst. Ich kann mich noch an jedes Stück erinnern, das du an unseren ganzen Feiern aufgeführt hast. Keiner kann die Menschen so gut zum lachen bringen, als auch zu Tränen rühren wie du. Und wer kennt schon jeden einzelnen Text von Shakespeare auswendig und kann ihn fehlerfrei aufsagen. Stell dir nur mal vor, wie du deine eigene Bühne betrittst, als der sagenumwobene `Matador Muscari`!“, verkündete Lydia

betonend und blickte ihn strahlend an.

„Matador Muscari? Was für ein furchtbarer Name, ha, ha. Du hast einfach noch wildere Fantasien als ich. Was auch immer die Zukunft für uns in petto haben mag, wir werden wieder zueinander finden und hier unter dem Magnolienbaum beieinander liegen…“, erwiderte Clayton träumerisch und beide schmiegten lächelnd ihre Köpfe aneinander.
 

Mit entmutigter Miene schlurfte Clayton nach Hause und war zu lustlos, um irgendeine sinnvolle Tätigkeit ausführen zu können. Das Lydia in weniger als zwei Wochen, einen griesgrämischen Möchtegern Wohltäter heiratete und er nichts dagegen tun konnte, trieb ihn in die pure Verzweiflung. Und gleichzeitig machte es ihn so unsagbar wütend, dass er sich mit der gesamten Welt anlegen würde, um ihre Heirat zu verhindern. Grübelnd lag er auf seinem Bett und starrte an die Decke. Ein lautes Klopfen an der der Tür unterbrach sein Dahinvegetieren.

„Clayton, ich komme jetzt rein…“ Es trat ein Mann in sein Zimmer, an dessen freundlichen hellblauen Augen man erkennen konnte, dass er viel wert auf eine umsichtige und disziplinierte Lebenseinstellung legte. Rasch setzte Clayton sich in seinem Bett auf.

„Vater… Verzeih das ich nicht auf dein Klopfen reagiert habe. Ich bin heute etwas durch den Wind…“, entschuldigte er sich mit einer trübseligen Tonlage.

„Hach… Mein Junge, du bist nicht nur heute durch den Wind, sondern bereits schon seit einigen Wochen. Um genauer zu sein, seitdem ein Datum für Lydias Hochzeit gefallen ist. Du hast heute wieder die Tochter der Granvilles getroffen, stimmts?“, fragte sein Vater geruhsam und konnte das Gefühlschaos seines Sohnes, nur zu gut nachempfinden. Da Clayton keine geeigneten Worte fand, um ihm vernünftig darauf zu antworten, schwieg er nur, ohne ihm direkt in das Gesicht zu sehen.

„Zwischen euch beiden hat sich bereits sehr früh, eine wunderbare Freundschaft entwickelt. Doch ich kann dir nur ans Herz legen, eure unterschiedlichen Lebenssituationen, aus einer realistischen Perspektive zu betrachten. Dramen lassen sich vermeiden, wenn man eine anständige Vernunft besitzt. Schließlich bist du doch weitaus klüger, als deine ganzen Helden aus Shakespeares Werken, oder? Deine Mutter und ich mussten im Leben auch auf einiges verzichten. Aber sehen wir für dich, wie unglückliche Menschen aus?“, fuhr er belehrend fort.

„Was nützt mir Klugheit, wenn ich nur von Narren umgeben bin, bei denen gut durchdachtes Handeln völlig überflüssig ist? Verzicht…hinterlässt bloß Lücken im Herzen, welche durch nichts auf der Welt mehr ersetzt werden können… Wiederum mag ich mich auch nicht wie irgendein dahergelaufener Tölpel verhalten. Ich werde schon merken, wann ich an der Reihe bin, um meinen Zug zu machen“, entgegnete Clayton nüchtern. Lächelnd trat sein Vater zu ihm ans Bett und legte eine längliche Schatulle aus Kiefernholz neben ihm ab.

„Weise gesprochen, mein Sohn. Nicht mehr lange und du wirst ausreichend Ablenkung erhalten. Mit deinem Studium wirst du genug ausgelastet sein. Und mit Stolz kann ich bereits jetzt vorausblickend sagen, dass du dich an der Universität als einer der Besten, wenn nicht sogar der Beste in der Fakultät für Physik bezeichnen kannst. Und das du als einer der Ersten deinen Abschluss machen wirst, versteht sich von selbst. Es ist nicht meine Absicht, deine Begabungen in den Himmel zu loben, mir ist einfach nur wichtig, dass du deine verdienten Chancen erhältst, um all das aus dir rauszuholen was in dir steckt. Wenn du es geschickt anstellst, erreichst du mehr als meine Wenigkeit im Leben. Daher Kopf hoch, mein Junge! Wer eine starke Psyche besitzt, braucht unangenehme Gefühle nicht zu fürchten“, sprach er

überschwänglich und klopfte Clayton dreimal kräftig auf den Rücken.

„Gefühle… Übrigens, was ist eigentlich in der hölzernen Kiste? Ist es etwa das was ich denke…?“, fragte er murmelnd und blickte forschend auf die Schatulle seines Vaters.

„Öffne sie und du wirst es erfahren.“ Das lies Clayton sich nicht zweimal sagen und nahm vorsichtig den Deckel ab.

„Das…das ist doch dein alter Degen…“, platzte es sogleich erstaunt aus ihm und er betrachtete ehrfürchtig die funkelnd silberne Klinge.

„Genau, mein Sohn. Mit diesem Degen verbinde ich so einige Erinnerungen. Sowohl gute als auch schlechte. Ich möchte ihn dir anvertrauen und hätte gerne, dass du ihn mit nach Oxford nimmst. Er wird dich an meiner Statt beschützen und dir Glück bringen. Und du kannst es auch gerne, als verspätetes Geschenk zu deinem siebzehnten Geburtstag betrachten, ha, ha. Zudem habe ich dir jede noch so schwere Fechttechnik beigebracht. Deine Präzession macht selbst mich sprachlos. Es gibt nichts mehr, was du noch lernen könntest. Wenn du mit diesem Degen trainierst, wirst du mich bestimmt eines Tages übertreffen, davon bin ich fest überzeugt“, sprach sein Vater leicht rührselig und blickte Clayton wehmütig an.

„Ich glaube nicht, dass ein Schüler seinen Meister jemals übertreffen kann. Doch ich danke dir, dass du mir deinen wertvollsten Besitz anvertraust und werde gut darauf aufpassen. Nun bin ich motiviert weiterzukämpfen. Die Fechtkunst war schon immer deine große Leidenschaft. Auch wenn du tagtäglich nur über Physik redest, ha, ha“, sprach Clayton warmherzig und lächelte ihn dankbar an.

„Ich bin froh, dass zwischen uns ein so gutes Vertrauensverhältnis herrscht. Nun gut, jetzt solltest du dich schon mal vorbereiten. Schließlich sind wir heute zum Abendessen bei den Granvilles eingeladen. Du kennst die anstandsgemäße Routine. Mit anderen Worten bitte ich dich, ein ausgiebiges Bad zu nehmen und deinen elegantesten Anzug anzuziehen. Na komm mein Junge, mach nicht schon wieder ein solch bekümmertes Gesicht. Du wirst dieses wichtige Anliegen ja wohl nicht vergessen haben“, predigte sein Vater mit einer liebevollen Strenge.

„Nicht vergessen, eher verdrängt… Die wievielte Verlobungsfeier ist das jetzt? Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie mir die ganzen gekünstelten Bräuche des Adels zum Hals raushängen… Du denkst da genauso, aber schweigst im Gegensatz zu mir. Doch ich mag meinen Geburtsort nicht mit schlechtem Gewissen verlassen. Daher werde ich mich der Schikane noch ein Weilchen länger fügen und mich der strikten Hierarchie beugen“, gab Clayton wiederwillig nach und verschloss dabei die Schachtel mit dem langen Degen.

„So ist es richtig, mein Sohn. In der Ruhe liegt die Kraft. Wild um sich schlagende Rebellen, ziehen in unserem Land den Kürzeren. Bewahre stets einen kühlen Kopf und du wirst irgendwann die Menschen, mit deinen im Stillen ausgedachten Plänen überrumpeln…“
 

Clayton fuhr mit seiner rechten Hand über das vergoldete Geländer, während er die breite Treppe im Anwesen der Granvilles emporstieg. Unruhig zupfte er sich seine Fliege zurecht und strich noch einmal über seine nach hinten gekämmten Haare. Er wusste nicht wo seine plötzliche Nervosität herkam. Denn eigentlich gab es dafür keinen triftigen Grund. Ein abendliches dinieren beider Familien, war seit Jahren für ihn Gang und Gebe. `Hoffentlich ist dies keine unheilvolle Vorwarnung, dass am heutigen Abend etwas Unvorhergesehenes passieren wird…`, dachte er mit einem unbehaglichen Gefühl im Magen und ließ sich von einem Butler die Tür zum Speisesaal öffnen. Er hatte es nicht eilig gehabt, daher trudelte er als Letzter ein. Seine Eltern waren vorgegangen und saßen bereits nebeneinander an der langen Tafeln. Clayton war froh, dass es sich um ein Treffen in kleinem Rahmen handelte. Lydias Mutter und der Graf Brendon Granville, führten mit seinen Eltern ein oberflächliches Gespräch. Als sein Blick auf Harley fiel, der genüsslich an seinem Weinglas nippte, begannen seine Hände argwöhnisch zu zucken.

„Clayton, mein junger Freund! Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, du könntest die vortreffliche Vorspeise des heutigen Mahls verpassen. Aber du bist noch rechtzeitig eingetroffen. Setz dich her und trinke ein Gläschen mit mir. Oder verträgt ein Jüngelchen wie du etwa keinen Alkohol?“, sprach Harley mit herausfordernder Stimmlage und grinste ihn schelmisch an. Clayton musste sich arg am Riemen reißen, dass ihm kein scharfer Kommentar entglitt und nahm schräg gegenüber von dessen Tischseite Platz, damit er beim Essen nicht in seine appetitverderbende Visage blicken musste. Denn immer wenn er den jungen Mann ansah hatte er den Eindruck, eine düstere Version von sich selbst zu erblicken. Harleys ordentlich gekämmten hellbraunen Haare und seine wohlgeformten dunkelblauen Augen mit langen Wimpern, ließen ihn viel jünger wirken als er eigentlich war. In der Grafschaft Pembroke, galt er bei den Frauen als der attraktivste Mann. Und dies war nicht nur bei den adeligen Frauen der Fall. Was oft zum Ärgernis für ihn wurde, wenn Verehrerinnen die zum niederen Pöbel gehörten ihm auflauerten. `Lydia! Jetzt hab ich mich von diesem Wichtigtuer so sehr ablenken lassen, dass mir völlig entgangen ist das sie noch gar nicht anwesend ist…` Genau in dem Moment als er sich besorgt umzublicken begann, öffnete sich die Tür und Lydia trat herein. Sie trug ein schwer aussehendes Kleid, dass man ihr um die Taille viel zu fest zugeschnürt haben musste. Denn ihre langsamen Bewegungen ließen sie sehr steif aussehen. Selbst ein Blinder hätte erkannt, dass sie sich gerade mehr als nur unwohl fühlte. Ihre Haare waren mit etlichen diamantenbesetzten Klammern hochgesteckt worden. Der Rotstich ihrer Haarpracht konkurrierte mit der kräftigen Farbe ihres Kleides. Und ihr Gesicht war so hell gepudert, dass sie noch blasser aussah als sonst. Ihr gesamtes äußeres Erscheinungsbild glich eher einer dreißigjährigen Grafengattin, als eines achtzehnjährigen Mädchens. Und trotzdem raubte es Clayton den Atem, sie in dieser Pracht zu sehen. Der Gedanke, dass Lydia gerade optisch perfekt zu Harley passte, versetzte ihm einen schmerzvollen Stich ins Herz. Reflexartig erhob er sich von seinem Stuhl und lief ihr entgegen.

„Lydia… Geht es dir gut? Verzeih, das ist eine törichte Frage… Es ist offensichtlich, wie unwohl du dich fühlst… Ach, ich rede wirres Zeug. Du siehst bezaubernd aus… Ich bekomme kaum noch einen vernünftigen Satz heraus…“, stammelte er hastig und ein hitziges Gefühl überkam ihn.

„Hi, hi… Clay, einmal tief Luft holen! Du siehst mich heute doch nicht zum ersten Mal, in meiner Abendgarderobe. Und zudem macht mich dein Anblick noch viel verlegener… Du bist mit Abstand der vornehmste Gentleman, den ich je gesehen habe…“, sprach sie schmeichelnd und blickte ein wenig schüchtern in seine saphirblauen Augen. Ein lautes Räuspern ließ beide gleichzeitig zusammenzucken.

„Lydia, Clayton, bleibt doch nicht wie angewurzelt stehen. Seht nur, ihr blockiert die Tür. Das Essen wird in wenigen Augenblicken gebracht. Setzt euch, wir wollen uns heute alle gemeinsam unterhalten. In Zukunft werden wir nicht mehr so häufig hier zusammenkommen“, forderte Brendon die zwei mit gütigem Lächeln auf. Sofort folgten sie seiner Aufforderung und nahmen an der großen Tafel Platz. Clayton warf noch rasch einen flüchtigen Blick zu Lydia, die nun zwischen ihrer Mutter und Harley saß.

„Ach schaut nur, ist es nicht entzückend? Immer wenn Clayton sich so fein herausgeputzt hat, sieht es danach aus, als sei er Haleys jüngerer Bruder“, meinte Lydias Mutter fanatisch mit erröteten Wangen.

„Äußerlichkeiten sind nichtsagend und völlig überbewertet. Die Entfernung unserer beiden Charaktere, ist in etwa vergleichbar mit der Entfernung der Erde, zu jeglichen Planeten unseres Sonnensystems. Multipliziert die ganzen Entfernungen miteinander und ihr erhaltet eine grobe Vorstellung davon, wie weit ich und Harley auseinanderliegen“, kam ohne zu zögern ein etwas schroffer Kommentar, um auf die Bemerkung von Lydias Mutter einigermaßen elegant zu kontern. Doch mit seiner umständlichen Formulierung, konnte kaum einer etwas anfangen. Lydia hielt sich eine Serviette vor den Mund, um ihr Lachen zu verbergen. Harley schnalzte verärgert mit der Zunge und funkelte ihn kurz argwöhnisch an. Claytons Mutter gab ihm einen unangenehmen Klaps auf den Hinterkopf.

„Clayton! Was fällt dir ein so herabwürdigend vor den werten Granvilles zu sprechen? Wo sind deine gesitteten Manieren? Ich verlange von dir, dass du dich für den restlichen Abend anständig benimmst!“, blaffte diese ungehemmt und neigte vor dem Grafen und Harley entschuldigend den Kopf. Clayton wich den Blicken der ihm gegenübersitzenden Granvilles aus, die darauf warteten, dass er seine Worte wieder zurücknahm. Er dachte nur etwas resigniert daran, dass seine Mutter in Gesellschaft der vermögenderen Familie eine dominante Person spielte, doch in Wahrheit hatte sie vor ihnen pure Angst. Für ihn bedeutet es die reinste Qual, sich vor anderen verstellen zu müssen, nur aufgrund des Eigenschutzes und um den anderen gerecht zu werden. Für wen zählte schon noch die wahre Persönlichkeit?

„Ach ihr Lieben, hebt eure Häupter und lasst uns zusammen feierlich anstoßen. Für mich gehört ihr alle zur Familie“, sprach Brendon versöhnend und hob sein Glas in die Höhe. Just in dem Moment öffnete sich die Tür im Speisesaal und ein nach Atem ringender Dienstbote platzte herein.

„Verzeihen Sie mir bitte die Störung, doch ich muss dem Grafen eine dringende Botschaft überbringen…“, bemühte dieser sich um einen höflichen Tonfall und eilte an die Seite von Brendons Sitzplatz. Der Bote flüsterte ihm etwas zu und drückte ihm einen Briefumschlag in die Hand. Während Brendon las, wurde er auf einmal ganz bleich im Gesicht und blickte nach einer kurzen Schweigeminute mit bitterernster Miene in die Runde.

„Ich fürchte, dass ich unsere heutige Zusammenkunft an dieser Stelle beenden muss. Mich ereilte soeben der verzweifelte Hilferuf eines sehr guten Freundes, den ich unter keinen Umständen ignorieren kann. Ich werde unverzüglich nach London aufbrechen. Lydia, Harley, bitte vergebt mir… Sage dem Kutscher es ist höchste Eile geboten, er soll die schnellste Strecke zum Bahnhof nehmen!“, verkündete der Graf pflichtbewusst und erhob sich noch ehe er zu Ende gesprochen hatte. Sein Essen ließ er unberührt zurück.

„A-aber Liebling…so warte doch…!“, rief Lydias Mutter ihrem Gatten bestürzt hinterher. `Das nenne ich mal selbstlose Hilfsbereitschaft. Die Lage des Freundes muss sehr ernst sein. Den plötzlichen Aufruhr mal beiseitegeschoben… Was wird jetzt aus dem heutigen Abend…? Soll ich mit meinen Eltern wieder nach Hause gehen?`, fragte Clayton sich unschlüssig darüber und tauschte Blicke mit Lydia aus, die genauso ratlos zu sein schien. Harley sah sich als Erster dazu verpflichtet, das Wort zu erheben.

„Nun Ladys und Gentleman. Diesen kleinen Vorfall hatte keiner von uns voraussehen können. Wäre doch schade drum, wenn jetzt schlechte Stimmung aufkäme. Überlassen wir die Angelegenheit meinem Vater. Harry, hättest du nicht Lust, mit mir zusammen in den Salon zu gehen und ein wenig mit Kartenspielen die Zeit zu vertreiben? Unser restliches Abendmahl inklusive des Desserts, können wir auch dort einnehmen. Die Damen können sich ja derweil anderweitig beschäftigen“, schlug Harley tiefenentspannt vor. `Und ich bin mal wieder für dich Luft, was?`, dachte Clayton verächtlich und wollte dennoch nicht tolerieren, sich von ihm zu kränken zu lassen.

„Selbstverständlich, mit dem größten Vergnügen!“, willigte Harry sofort ein. Mit hasserfülltem Blick sah Clayton dabei zu, wie Harley mit seinem Vater den Speisesaal verließ.

„Wie sieht es aus Kate, magst du mich in den Wintergarten begleiten und ein kleines Schwätzchen halten, um auf andere Gedanken zu kommen?“, fragte Fiona an Claytons Mutter gewandt.

„Eine fabelhafte Idee! Lydia mein Schatz, möchtest du auch mitkommen?“, erkundigte diese sich sogleich bei ihrer Tochter.

„Vielen Dank, aber mir ist nicht nach plaudern zumute…“, erwiderte sie kopfschüttelnd.

„Wie du meinst. Clayton, habe bitte solange ein Auge auf meine Tochter.“ Nach dieser letzten Bitte, verließen die beiden Mütter nun ebenfalls den Speisesaal.

„Komm… Mir ist hier nicht wohl, bei den ganzen beobachtenden Blicken der Dienerschaft…“, flüsterte Lydia ihm zu und zog ihn an der Hand hinaus. Verblüfft von ihrem unruhigen Verhalten, ließ er sich von ihr die Treppe hinauf zum zweiten Stockwerk des Anwesens führen, wo sich die Schlafgemächer der Granvilles befanden. Nur das schwache Kerzenlicht der Kronleuchter, erhellte den schier unendlich langen Flur, in dem eine gespenstische Stille herrschte. Mit dem Rücken zu ihm blieb sie dort stehen und riss sich ihre protzige Kette vom Hals, dessen schimmernde Perlen, sich geräuschlos quer über dem Teppich verteilten. Mit pochendem Herzen sah Clayton dabei zu, wie sie sich mit Tränen in den Augen zu ihm herumdrehte.

„Lydia…“, hauchte er mitleidvoll.

„Clay… Ich bin diese ganze Maskerade leid. Tagtäglich das brave und gehorsame Mädchen zu spielen, bringt mich um den Verstand. Am liebsten würde ich meinen ganzen Frust, in die undankbare Welt hinausschreien. Ich verabscheue Harley so sehr, wie ich noch nie einen Mann in meinem Leben verabscheut habe. Du hast doch nur darauf gewartet, dass ich dies sage, stimmts? Mir wird speiübel, wenn ich daran denke ihn heiraten zu müssen. Und es ekelt mich an, mit ihm bald jede Nacht ein Bett zu teilen… Clay… Ich will das du der Erste bist der mich berührt… Das ist unser letzter gemeinsamer Abend. In der nächsten Woche wirst du nach Oxford ziehen. Wenigstens ein einziges Mal möchte ich erfahren, wie sich Liebe anfühlt, die auf Gegenseitigkeit beruht. Ich liebe dich Clay… Nicht mehr lange und meine Gefühle werden zu Eis gefrieren. Bitte…bitte ignoriere nicht meinen allerletzten Wunsch, auch wenn es schmerzt, dass unser Glück nur von kurzer Dauer sein wird…“, bat Lydia verbittert und schmiegte sich eng an ihn. Zärtlich legte Clayton seine Arme um sie und drückte sie mit kummervollem Blick an sich.

„Meine liebste Lydia… Du weißt doch längst, dass mein Herz einzig und allein dir gehört… Ich kann dir gar nicht oft genug sagen, wie sehr ich dich liebe. Aber es sind Gefühle, die mit großem Kummer verbunden sind. Denn die Gewissheit, dass du niemals vollwertig zu mir gehören wirst, zerfrisst förmlich meine Seele. Sollte auch nur der kleinste Funken Hoffnung existieren, um unser besiegeltes Schicksal ändern zu können, so will ich dafür kämpfen. Doch lass uns in dieser Nacht, alle Gewissensbisse für eine Weile vergessen. Ich habe genug von Vorschriften und Regeln. Wir wünschen uns beide dasselbe, also warten wir nicht länger und sorgen dafür, dass unsere kurzweilige Liebe ihre Erfüllung findet, ehe wir sie für immer verlieren…“ Nach seinen entschlossenen Worten dauerte es nicht lange und ihre Lippen trafen aufeinander. Clayton und Lydia kosteten einen Kuss aus, der voller Ungeduld und Sehnsucht war. Von jenem Augenblick an, vergaßen sie plötzlich wie auf magische Weise ihr freudloses Umfeld und dachten nur noch an den jeweils anderen. Für ihn gab es auf Erden keinen anderen Menschen, nach dessen Nähe er sich so sehr sehnte, wie nach der von Lydia. Er wollte ihr wenigstens einen kurzen glücklichen Moment schenken, damit sie das Gefühl von wahrer Liebe kennenlernte, bevor sie bis ans Lebensende, in einer unglücklichen Ehe gefangen sein würde. Die Gefahr bei ihrem Regelbruch, der schwere Folgen für sie beide hätte, falls es jemand mitbekäme, blendete er fahrlässiger Weise vollkommen aus…
 

„Ich bedanke mich für das interessante Gespräch, Harry. Ich finde es ist an der Zeit, dass ich nun nach meiner lieben Verlobten sehe. Sie muss sich bestimmt schon furchtbar langweilen. Und schauen wir mal, was ihr Sohn gerade treibt. Denn er hat doch stets allerlei Schabernack im Kopf… Ich werde dich und deine Frau, gleich noch unten verabschieden“, beendete Harley wohlwollend sein Gespräch mit Claytons Vater und lief entspannt zur Tür des Salons.

„Es war mir eine Freude. Das sollten wir bei Gelegenheit wiederholen. Ich gehe dann mal Kate suchen“, meinte dieser daraufhin lächelnd und blickte Brendons Sohn jedoch ein wenig misstrauisch nach. Ohne Eile lief Harley die Treppenstufen zum zweiten Stockwerk empor und kniff seine Augen voller Missgunst zusammen.

„Clay… Ich würde am liebsten noch bis zum Morgen mit dir hier liegen bleiben. Aber du solltest jetzt besser gehen. Wir sind nicht alleine im Anwesen…“, sprach Lydia leicht besorgt, während sie an Clayton geschmiegt in ihrem Himmelbett lag.

„Nanu? Vorhin warst du noch Feuer und Flamme, bereit dazu jedes Gesetz zu brechen. Und auf einmal überkommt dich die Furcht, man könnte uns hier zusammen entdecken? Meine Liebste, nur Mut! Lass mich noch einen Moment deine Wärme genießen, dann werde ich…“ Er verstummte, als er plötzlich Schritte von draußen näherkommen hörte. Sie waren so deutlich zu hören, dass die Person ihre Anwesenheit anscheinend nicht zu verschleiern versuchte. Erschrocken fuhr Lydia hoch.

„Ich habe es ja geahnt! Clay, zieh dir rasch etwas an und versteck dich! Es gilt ein gewaltiges Unglück zu verhindern!“, sprach sie panisch und rang vor Angst nach Atem. Auch ohne den Druck ihrer mahnenden Worte, sprang Clayton ruckartig vom Bett und zog sich in Windeseile seine Hose und sein Hemd an. Da ihm die Zeit fehlte, ließ er das Jackett unterm Bett verschwinden. Verzweifelt blickte er sich nach einer geeigneten Versteckmöglichkeit um. Jedoch hätte man ihn ohne Probleme überall finden können. Die einzige Fluchtmöglichkeit welche ihm blieb, war der Balkon…
 

Harley drückte langsam die Türklinke hinunter und durchforstete mit umherschweifendem Blick den Raum.

„Lydia Liebes, schläfst du schon?“, fragte er mit einem energischen Unterton in seiner Stimme, bei der sie anfangen musste nervös zu zittern.

„Ja-ja Harley… Ich bin wirklich sehr müde. Bitte las mich schlafen…“, stammelte Lydia heiser. Wenig von ihrer Aussage überzeugt, marschierte er auf ihr Bett zu und riss ihr brutal die Decke vom Leib, woraufhin sie entsetzt aufschrie und instinktiv ihren splitternackten Körper zu bedecken versuchte.

„Wieso schläfst du nackt? Ich denke du frierst nachts immer so schrecklich?“, hakte er skeptisch nach und blickte sie voller Bosheit an.

„Ich…ich…“ Lydia wagte es nicht ihn anzulügen und eine lausige Ausrede zu erfinden, die er mittels seines scharfen Verstandes, mühelos aufdecken würde. Wütend ließ er die Bettdecke los, welche sie sogleich wieder verängstigt über sich zog. Als wüsste Harley genau wo er suchen musste, bückte er sich und griff mit einer Hand unter das Bett. Kurz darauf hielt er Claytons schwarzes Jackett in Händen und sein düsterer Gesichtsausdruck wurde immer furchteinflößender.

„Oho… Was haben wir denn hier Feines? Da will mich wohl jemand für dumm verkaufen! Die Beute entkommt dem Jäger nicht…“ Verächtlich warf Harley das Jackett zurück auf den Boden und schritt zielstrebig auf den Balkon zu. Lydia setzte sich schockiert im Bett auf und betete im Stillen, dass ein Wunder geschehen möge. Er riss lieblos die Flügeltür des Balkons auf und ertappte Clayton dabei, wie er unbeholfen sich darum bemühte, zu dem darunterliegenden Balkon hinabzuklettern.

„Clay mein tapferer Hecht, was soll dieses dilettantische Verhalten? Das kannst du doch sicher um einiges besser. Komm, ich zeige dir wie es richtig geht…“ Mit gespielter Sympathie, zerschlug er eine auf dem Balkontisch stehende Blumenvase und rammte eine der Scherben mitten in Claytons linke Hand, mit der er sich noch am oberen Balkongeländer festhielt.

„Aaaargh!“ Mit schmerzverzehrtem Gesicht ließ er los und stürzte unsanft auf den unteren Balkon hinab, der glücklicherweise nicht allzu weit vom oberen entfernt war. Der packende Schmerz in seiner Hand lähmte ihn weitaus mehr, als der dumpfe Sturzaufprall. Voller Zorn blickte er hinauf zu Harley.

„Du Monster! Ist das jetzt wirklich nötig gewesen? Du kannst nicht nach Belieben über die Rechte von Lydia und mir entscheiden! Lass uns in Ruhe! Noch lebt sie in einer Freiheit, die du ihr schon bald rauben wirst!“, zischte Clayton hasserfüllt zu ihm hinauf.

„Wer ist hier das Monster? Du hast gerade ohne über die Folgen nachzudenken, meine Verlobte besudelt! Lydia ist nun ein beschmutztes, wertloses Weib, das nicht mehr würdig ist meine Braut zu werden. Da du so versessen darauf gewesen bist, ihr die Unschuld zu rauben, wirst du als Gegenleistung wohl mit deinem Leben bezahlen müssen. Jedoch… Ich fände es wesentlich unterhaltsamer, vorher noch das andere Lumpenpack der Sippe Fairburn zu piesacken… Na, was hältst du davon? Wo wir doch gerade alle hier so schön versammelt sind…“, sprach er erbarmungslos und seine Mundwinkel formten sich zu einem unheilvollen Grinsen. Clayton hatte für einen kurzen Moment das Gefühl, sein Herz würde aufhören zu schlagen, so entsetzt war er über seine Anspielungen.

„H-hör auf mit diesem Unsinn! Rede nicht so abfällig von Lydia! Ihre Seele ist tausendmal reiner als deine! Und lass bloß die Finger von meinen Eltern, sie haben dir nie etwas getan! Außerdem sind wir hier nicht alleine. Lydias Mutter und all die Bediensteten befinden sich auch noch im Anwesen. Also würde ich es mir gut überlegen, einen tobsüchtigen Aufstand zu starten!“, schrie er von Schmerz und Angst gepackt. Dennoch verlieh ihm sein Hass, dem Sohn der Granvilles gegenüber, einen ungeheuren Mut.

„Eine Frau hat in diesem Haus nichts zu sagen. Und die Diener sind mir alle treu ergeben… Also Clay, dann zeig mir mal, was deine jugendliche Entschlossenheit so draufhat. Ich gehe nun deine werten Eltern `verabschieden`…“ Mit diesen kaltherzigen Worten, verschwand Harley aus seinem Sichtfeld und lief wieder hinein.

„B-bitte beruhige dich Harley… T-tu das nicht…“, flehte Lydia hilflos. Ohne ihr auch nur einen Funken Beachtung zu schenken, eilte er zügig aus dem Zimmer. Mit vor Panik weit aufgerissenen Augen, unterdrückte Clayton einen weiteren Schmerzensschrei, als er sich die Scherbe aus der stark blutenden Hand zog und diese daraufhin an sich drückte. `I-ich muss diesen Teufel aufhalten und meine Eltern warnen, bevor es zu spät ist!` Während er sich darum bemühte, einen klaren Gedanken zu fassen, schlug er mit einem Hocker die Glasscheibe, der von außen geschlossenen Balkontür ein und stürmte ins Innere. Endlich hatte es für ihn einen Nutzen, dass er sich so gut in dem riesigen Anwesen auskannte. Trotzdem rannte er kopflos durch die Zimmer auf den Flur hinaus, um schnellstmöglich die Treppe zu erreichen. Keuchend hechtete er so flink wie noch nie in seinem Leben, zum Erdgeschoss hinunter. Um ein Haar wäre Clayton gestolpert, als er einen schrillen Schrei vernahm. `M-mutter…!`, erkannte er sofort, von wem der unheilverheißende Ruf kam. Zu seinem Übel hatte es Harley noch vor ihm geschafft, seine Eltern zu erreichen und begann nun ein Gefecht, um die Wut über seine und Lydias Dummheit an ihnen auszulassen.

„Harley! Derjenige der gerade die eigentliche Schandtat verübt, dass bist du! Und…! Um Himmels willen! Was hast du meiner Mutter da, für ein übelriechendes Zeug ins Gesicht geschüttet?!“, rief Clayton voller Bestürzung und kniete neben seine am Boden kauernde Mutter, die sich wimmernd ihre Hände vor die Augen hielt.

„Nun… Mal abgesehen von einem kaum auszuhaltenden Schmerz, den sie gerade durchlebt, wird sie ihren geliebten Sohn nie mehr bewundern können. Ihre Welt ist von nun an in ein tiefes Schwarz gehüllt. Wie sich das wohl anfühlen mag…?“, sprach ein überheblicher Harley, dessen Schadenfreude Clayton augenblicklich zur Weißglut brachte. Er wollte sich zornig auf den gnadenlosen Widerling stürzen. Doch als er sah, dass dieser zwei Degen in Händen hielt, besann er sich eines Besseren. Harley war auch überhaupt nicht auf ihn fixiert, sondern auf seinen Vater, der mit ausdruckloser Miene herbeischritt.

„Harry mein Guter, du bist spät dran! Sieh nur, was in der Zwischenzeit mit deiner lieben Frau geschehen ist. Na, willst du nicht etwas Dampf ablassen? Wie wäre es mit einem kleinen Duell, wie in alten Zeiten?“, forderte Harley Claytons Vater siegessicher heraus und warf ihm noch ehe er eine Antwort bekam, einen der zwei Degen zu. Harry fing die scharfe Waffe gekonnt an dem Griff auf. Sein nun mürrischer Gesichtsausdruck verriet, wie sehr ihn Harleys terrorisierendes Verhalten entsetzte. Dennoch blieb er besonnen und ließ seine Wut nicht die Oberhand gewinnen.

„Ich habe dich und dein wahres Wesen, bereits sehr früh durchschaut. Mein Fehler war es, dass ich nicht bereits eher eingriff, um eine solche Tragödie zu verhindern… Dir liegt die Welt zu Füßen und trotzdem dürstet es dich nach noch mehr Macht. Du zerstörst gerade das Leben der Kinder. Aus Selbstsucht, hast du meine Frau und meinen Sohn schwer verletzt. Verzeihen kann und werde ich dir deine Taten niemals…“, sprach Harry entrüstet und warf dabei einen Blick, zuerst auf die sich am Boden krümmende Kate und anschließend auf Claytons blutende Wunde in der Hand. Kurz darauf schoss er pfeilschnell mit dem Degen fest umklammert, auf einen ruhig dastehenden Harley zu. Clayton hielt wie gebannt den Atem an, als er dabei zusah, wie sich ihre Klingen kreuzten. Es versetzte ihn in Ehrfurcht, dass tatsächlich jemand existierte, der seinem Vater beim Fechten die Stirn bieten konnte. Beide kämpften ohne Zurückhaltung. Harley schaffte es Harry am Brustkorb zu treffen und eine blutige Schnittwunde zu hinterlassen, während dieser seinen Gegner, nur einmal kurz an dessen linken Oberarm, mit der Degenspitze streifte.

„Aufhören! Wenn ihr so weiter macht…dann…dann…wird er dich umbringen, Vater! Harley kämpft im Gegensatz zu dir mit purer Mordlust! Er besitzt kein Ehrgefühl wie du. Bitte…stoppt diesen unausgewogenen Kampf!“ Claytons flehende Worte gingen im Eifer des Gefechts vollkommen unter und er wurde von beiden Kämpfern nicht mehr wahrgenommen.

„Harley! Lass die Familie Fairburn in Frieden! Das ist ein Befehl! Sonst…“ Die ganze angespannte Situation, bekam noch mal eine zusätzliche radikale Wendung, als Lydia von jetzt auf gleich im Erdgeschoss erschien. Sie trug ein langes weiß-rosafarbenes Nachthemd und ihre offenen Haare, umrahmten ohne jegliche Klammern ihr bildschönes Gesicht. Mit einem fragwürdigen Blick, betrachtete Clayton ein kleines silbernes Fläschchen, welches sie in ihrer rechten Hand hielt. Auch die Aufmerksamkeit von Harley und Harry, richtete sich kurz auf die dazwischenfunkende Lydia, jedoch ohne dabei ihren Kampf zu unterbrechen.

„Du willst mir etwas befehlen? Lächerlich! Und sonst was? Mit einem verunreinigten Weibsstück wie dir, rede ich nicht mehr! Scherr dich zum Teufel!“, blaffte Harley unbeeindruckt von ihrem dickköpfigen Auftreten.

„Na schön… Dann wird es dir auch völlig gleichgültig sein, wenn ich mich hier und jetzt vor deinen Augen umbringe. Ich hatte ohnehin vorgehabt, mir noch vor unserer Hochzeitsnacht das Leben zu nehmen. Denn als würde ich es ertragen, mit einem Abschaum wie dir vermählt zu werden… Es tut mir nur unendlich leid für die wenigen Menschen, die mir etwas bedeuten und mein Opfer beklagen werden…“, sprach Lydia mit felsenfester Stimme, die weder einen Funken Angst noch Reue in sich trug. Das beklemmende Gefühl puren Unbehagens, bekam in Claytons Brust ein immer größeres Ausmaß. Sein Verstand wagte kaum zu begreifen, was für ein rigoroses Vorhaben ihr da gerade vorschwebte.

„L-Lydia… Sag mir bitte nicht…in diesem Gefäß ist…“, hob er heiser an und traute sich kaum noch, unüberlegte Bewegungen zu machen.

„Clayton… Oh mein geliebter Clay… Bitte vergib mir… Ich weiß nicht nur welche Pflanzen und Kräuter eine heilende Wirkung besitzen, sondern auch…welche töten können…“, beichtete Lydia und zwang sich zu einem verbitterten Lächeln. Der fesselnde Schock umklammerte wie ein eiskalter Griff Claytons Herz. Er wollte ihre Worte nicht wahrhaben und starrte wie hypnotisiert auf das Fläschchen mit der Todestinktur. Viel zu bestürzt war er, um etwas darauf zu erwidern, als hätte er die Fähigkeit zu sprechen verlernt.

„Tu dir keinen Zwang an. Umso besser, wenn der Abfall schnellstmöglich beseitigt wird. Damit tust du uns beiden einen großen Gefallen“, schnaubte Harley verächtlich und attackierte Harry noch heftiger, da dieser begann unaufmerksam zu werden und sich besorgt nach Lydia umdrehte.

„Ach mein liebes Mädchen, tu das bitte nicht! Mir deinem Opfer würdest du nicht viel mehr erreichen, als die Flucht vor deinem düsteren Schicksal. Bleibe stark, wir halten zu dir! Auf finstere Zeiten folgt auch wieder ein Lichtschimmer. Bitte verliere nicht den Mut!“, versuchte Harry sie taktvoll, von ihrem Akt der puren Verzweiflung abzuhalten.

„Ich will aber nicht länger die starke Adelstochter spielen. Die bin ich außerdem nie gewesen. Aus dieser Finsternis gibt es kein Entrinnen mehr für uns alle… Schimpft mich ruhig einen schwachen Feigling, allerdings sehe ich im Tod die einzige Erlösung. Clay, du bleibst natürlich auf ewig mein Retter. Doch müssen wir beide voneinander ablassen, damit wir nicht beide ins Verderben gezogen werden. Ich spüre, dass du im Leben noch eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hast. Daher versprich mir bitte, dass du dafür weiterleben wirst. Die Liebe…bleibt in unseren Herzen unsterblich und wird uns eines Tages wieder vereinen. Lebe wohl…mein Liebster…“ Stille Tränen begleiteten ihre schwermütige Abschiedsrede und sie ließ ihren Worten erschreckenderweise Taten folgen, indem sie die kleine Flasche mit zusammengekniffenen Augen an ihren Mund ansetzte.

„Lydiaaaa! Neiiiin!“, schrie Clayton ohrenbetäubend und rannte im halsbrecherischen Tempo auf sie zu. Aber noch ehe er sie erreichen konnte, hatte sie die Flüssigkeit in einem Zug ausgetrunken und runtergeschluckt. Mit zitternden Händen packte er Lydia an beiden Schultern.

„B-bitte sage mir, dass du uns alle nur täuschen wolltest und es in Wahrheit gar kein richtiges Gift war! Bitte Lydia! Mich einfach so im Stich zu lassen… Wie soll ich es ertragen, wenn du nicht mehr… Ihm blieben die Worte im Hals stecken, während er sich von jeglichen Hoffnungen verabschiedete und in ihre trüben Augen blickte. Dabei erkannte Clayton, sie meinte es zweifellos todernst.

„Clay… Danke…danke das ich die wahre Liebe kennenlernen durfte. Ich bin glücklich, selbst in diesem Moment. Weine nicht allzu lange um mich. Die Trauer ist eines der schmerzvollsten Gefühle für die Seele. Besiege all den Hass, ergreife deinen Degen und kämpfe für die Gerechtigkeit. Erschaffe eine Welt, in der wir hätten glücklich werden können… Du warst für mich schon immer, wie die schönste und reinste Blume. Eine Blume, welche selbst den kältesten Winter übersteht und sich furchtlos jedem Krieg stellt… Das Leben ist kurz und verabschieden müssen wir uns früher oder später alle voneinander… Ich…ich kriege keine Luft mehr… Clay…ich…liebe dich…“ Hustend tastete sich Lydia an ihren Hals und ihre Beine begannen kraftlos zu zittern, bis sie schließlich nicht mehr aufrecht stehen konnte und gemeinsam mit Clayton zu Boden sackte.

„L-Lydia…! Bitte sprich mit mir! So darf es nicht enden! Das lasse ich nicht zu! W-wenn du stirbst…stirbt all meine Lebensfreude mit dir…“, schluchzte er und nahm sie fest in seine Arme. Ihre Augen schlossen sich nun für immer und mit einem zarten Lächeln auf den Lippen, rollten ihr noch ein paar Tränen über die Wangen. Dieses herzzerreißende Elend beklagend, fing Clayton unaufhaltsam an zu weinen und glaubte, die gesamte Welt würde in sich zusammenbrechen. Solch einen erschütternden Schmerz des Verlustes, hatte er noch nie zuvor verspürt. Harry biss sich auf die Lippen, um seine eigenen Tränen zu unterdrücken. Selbst Harley kam nicht drumherum, die theatralische Szene etwas länger mitzuverfolgen. Diese Unachtsamkeit nutzte Claytons Vater rasch aus und schlug ihm mit einem kraftvollen Hieb den Degen aus der Hand. Anschließend verpasste er ihm einen solch heftigen Faustschlag in den Magen, dass er völlig perplex nach hinten taumelte. Da er seinen Gegner nun für eine kurze Weile ausgeschaltet hatte, wandte er sich von dem jungen Mann ab und sah zuerst nach seiner noch immer teilnahmslos am Boden kauernden Frau. Da seine beruhigenden Worte sie nicht zu erreichen vermochten, gab er vorerst auf und lief im gemächlichen Schritttempo auf Clayton und die in seinen Armen liegende Lydia zu.

„Mein Sohn… Ihr Entschluss stand bereits lange fest, du hast es selbst gehört. Keiner von uns hätte sie umstimmen oder es verhindern können. Das eigene Schicksal zu akzeptieren, verlangt oftmals sehr viel Kraft von einem ab. Sie bewies viel Mut, um sich dagegen zur Wehr zu setzen. Doch das ein solch wundervoller Mensch so früh von uns geht, ist eine wahre Tragödie. Ihre Lebensumstände und die gesamte Familiensituation, trugen sicherlich dazu bei das…“ Harry verstummte, als Clayton plötzlich mit rotgeweinten Augen ganz still wurde und sein trauernder Gesichtsausdruck, einem gefährlich rachedurstigem wich. Seine Trauer und Wut vermischten sich zu einer völlig neuartigen Emotion, die ihn unaufhaltsam machte und beinahe blendete. Noch ehe sein Vater wusste wie ihm geschah, ließ er von Lydia ab und entriss ihm seinen Degen. Daraufhin fixierte er mit Augen, die nur so voller Hass strotzten Harley, der sich mittlerweile wieder aufgerappelt hatte, jedoch noch immer unbewaffnet war. Harry begriff augenblicklich, was sein Sohn vorhatte und sah sich verzweifelt dazu gezwungen, ein weiteres Unglück zu verhindern.

„Clayton, nicht! Wenn du dir jetzt selbst die Hände schmutzig machst, bist du nicht viel besser als er! Was habe ich dir denn immer beigebracht? Bewahre deinen Stolz und deine Würde! Wer einmal tötet…wird es wieder und wieder tun…“ Als hätte Clayton die warnenden Worte seines Vaters überhaupt nicht gehört, preschte er blindlinks auf Harley zu, mit dem Degen vorne weg.

„Stirb, Harley!“, zischte er so aggressiv wie eine wilde Bestie. Doch aufgrund seines noch immer andauernden Schmerzes in der Hand und der Erschöpfung von der Kletterpartie, konnte er nicht wirklich schnell rennen. So geschah es, dass sein Vater den allmählich wieder kampfbereiten Harley, noch vor ihm erreichte und sich zwischen beide stellte, um auf diese Weise seinen Sohn abrupt stoppen zu können. In seiner blinden Tobsucht war es Clayton nicht möglich, sich zügig genug auf solch eine unerwartete Kehrwende der Situation einzustellen und stürmte weiter geradeaus. Erst viel zu spät bemerkte er, wie fatal sein unüberlegtes Handeln eigentlich war. Der Degen, mit dem er Harley niederstrecken wollte, durchbohrte nun seinen eigenen Vater, der ihn aus Gutmütigkeit vor seiner Bluttat bewahren wollte. In jenem Moment holte Clayton die Realität wieder ein und am ganzen Leib zitternd, lösten sich seine Hände von dem Degen, der beinahe bis zum Griff in seiner Brust steckte und dessen fordere Klinge blutgetränkt hinten an seinem Rücken herausragte. Der Schmerz betäubte Harry so sehr, dass er bloß sein Gesicht verzerrte, ohne auch nur einmal aufzuschreien. Und dennoch schaffte er es seinen Sohn anzulächeln. Ungläubig dreinblickend, wusste Clayton weder ein noch aus.

„Das…das kann nicht sein… Was habe ich da gerade getan…? Bitte sage mir, dass sich dies alles nur in einem schrecklichen Alptraum abspielt. Erst verliere ich Lydia und nun…töte ich meinen eigenen Vater… Warum nur… Warum hast du dich zwischen uns gestellt? Harley muss für seine Sünden bezahlen! Daran führt kein Weg vorbei!“, hinterfragte er die aufopfernde Einmischung seines Vaters und erneut kamen ihm die Tränen.

„Clay…ton…du…darfst dir nicht…die Hände schmutzig machen…und einen Menschen töten. Wenn der Hass…dein Mitgefühl vernichtet…bist du verloren… Trage deine Waffe stets mit Stolz… Die Quelle wahren Glücks ist…“ Harry schaffte es nicht mehr seinen letzten Satz zu beenden, da er seine letzten Atemzüge tat und entkräftet nach vorne zu Boden stürzte.

Clayton erstarrte regungslos und zeigte vorerst keine Reaktion, da er mit der bitteren Tatsache kämpfte, zeitgleich zwei geliebte Menschen verloren zu haben. Harley spielte noch immer den stillen Beobachter und hielt sich im Hintergrund. Nun hätte Clayton eigentlich erwartet, dass er ihn gnadenlos mit Spott und Hohn bombardieren würde, weil er seinen eigenen Vater ermordet hatte. Doch seltsamerweise, kam kein einziger unangenehmer Kommentar von ihm. Stünde er nicht vollkommen neben der Spur, so wäre er mehr als nur verblüfft darüber gewesen. Stattdessen erhaschte er kurz einen Blick, auf Harleys rätselhaft nachdenkliche Miene, dessen wahre Bedeutung er nicht zu deuten wusste. Auch wenn Clayton es kaum über sich brachte, noch länger neben seinem toten Vater zu verweilen, da er für seinen Tod selbst verantwortlich war, kniete er sich neben ihn und zog ihm vorsichtig den Degen, aus seinem mit glänzend roten Blut bedeckten Körper heraus. Im Stillen verabschiedete er sich von dem Menschen, der für ihn immer ein bester Freund und unersetzbarer Lehrmeister gewesen war. Erst jetzt bemerkte er Lydias Mutter nahe des `Schlachtfeldes`, die so kreidebleich aussah, als würde ihr jeden Moment wieder das Abendessen hochkommen. Mit zitternden Beinen und sich die Hand vor den Mund haltend, lief sie schluchzend zu ihrer leblosen Tochter und warf sich leise murmeln zu ihr auf den Boden. Nach einer Weile des Trauerns, küsste Fiona ihr Mädchen liebevoll auf die Stirn und streichelte ihr dabei über das Haar. Dann wandte sie sich ruckartig ab und eilte zu Kate, der sie aufhalf, um sich gemeinsam mit der nun blinden Frau in Sicherheit zu bringen. Einen letzten hasserfüllten Blick warf sie auf Clayton und Harry, dann verschwanden die beiden Mütter. Jetzt wo sie zwei alleine waren, wurde die Atmosphäre beinahe unangenehm ruhig und Clayton war es gleichgültig, was nun mit ihm geschehen würde.

„Beende es, na los. Töte mich auch noch… Worauf wartest du? Das wolltest du doch von Anfang an… Die Familie Fairburn auslöschen…“, forderte er monoton und hoffnungslos, nach einer längeren Zeit des Schweigens. Harley betrachtete für einen Augenblick die beiden Leichen, dann richtete er seine komplette Aufmerksamkeit, auf den geistesabwesenden Clayton.

„Für heute Nacht ist der Kampf vorbei. Es wurde genug Blut vergossen. Natürlich wäre es für mich eine Leichtigkeit, dich nun ebenfalls zu beseitigen. Aber was hätte ich davon? Ich werde dir dein Leben lassen, dir unbedeutenden Wicht. Und ich muss zugeben, dass es eine Schande wäre, einem jungen Burschen wie dich, der einen recht soliden Verstand besitzt, seiner Zukunft zu berauben. Na, überraschen dich meine Worte? Allerdings ist meine Gnade, an ein paar bescheidene Bedingungen gekoppelt…“, entschied Harley ihn am Leben zu lassen und wirkte trotz der Anstrengung des hitzigen Fechtduells völlig entspannt. Clayton funkelte ihn verächtlich an.

„Schon klar, mein Leben ist für dich so wenig wert, dass es dir die Mühe nicht wert ist, mich aus dem Weg zu räumen. Würdest du nur mal meinem Vater und Lydia etwas mehr Respekt zollen… Sie waren die aufrichtigsten Menschen, die ich je gekannt habe. Ich begreife dein grausames Handeln einfach nicht. Du hast heute nicht nur meine Familie zerstört, sondern auch deine eigene. Das ein Regelbruch allein dafür verantwortlich sein soll, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Lass mich nur laufen, von heute an bist du mein Todesfeind… Und wenn der Graf nach Hause zurückkehrt und von deiner Gräueltat erfährt, wird er sogar eigenständig mit dir abrechnen. Auch dem hohen Adel drohen schwere Konsequenzen bei… Willst du etwa mich für den heutigen Vorfall verantwortlich machen? Da du dir nicht selbst die Hände schmutzig gemacht hast und ich nun ein Mörder bin? Graf Brendon wird die Wahrheit aufdecken, er ist ein kluger Mann, der die Dinge hinterfragt“, entgegnete Clayton, den die ganze Wut und Trauer allmählich sehr ermüdete. Harley zeigte

kurz ein düsteres Lächeln und trat ein paar Schritte auf ihn zu.

„Mein Vater wird dieses Anwesen nie mehr betreten. Wir haben ihn beide beim Abendessen, zum allerletzten Mal gesehen…“, verriet er mit einem gespenstischen Tonfall, bei dem ein jeder sofort eine Gänsehaut bekam. Clayton starrte ihn abermals entsetzt an, als er begriff, was er damit auszudrücken versuchte.

„Großer Gott… Heißt das etwa… Der Brief, er stammte von dir! Du bist noch viel verdorbener als ein Teufel. Selbst die Hölle reichte nicht aus, um für deine Sünden zu büßen… Aber deine grenzenlose Gewalt, kann mich nicht mehr in die Knie zwingen. Dann sprich es aus, was sind deine Bedingungen? Ich kann sie mir schon denken…“, forderte er ihn furchtlos dazu auf zu verhandeln.

„Dir wird dein Adelstitel genommen und du verlierst jegliche Rechte, welche dir bislang zustanden. Du wirst nun als normaler Bürger dein Leben fortführen und musst selbstständig zusehen, wie du deinen Lebensunterhalt verdienst. Das Erbe der Fairburns steht dir somit nicht länger zur Verfügung. Aber deinen Studienplatz in Oxford lasse ich dir, die bezahlten Studiengebühren miteinbegriffen. Bildung ist der Schlüssel zum Erfolg. Dein Wissen wird zu deinem einzigen Mittel werden, um dich gegen den machtvollen Adel durchzusetzen. Zeige mir, wie weit man es damit bringen kann. Zusätzlich ist es deine Pflicht, über den heutigen Abend Stillschweigen zu bewahren, auch ich werde kein Wort über dich verlieren. Die beiden Frauen, würden sich sowieso auch nicht trauen den Mund aufzumachen und als Zeugen schenkte man euch allen ohnehin kein Gehör. Wohlan, nun trennen sich unsere Wege, Clayton Fairburn. Bis zu jenem Tag, an dem wir uns erneut gegenübertreten werden. Ob du es bis dahin durchhältst, hängt von deinem Willen ab“, beschloss Harley besiegelnd und wartete darauf, ein bestätigendes Einverständnis zu hören. Clayton wandte ihm kurz den Rücken zu und senkte den Blick, ehe er sich wieder voller Entschlossenheit zu ihm umdrehte und ein letztes Mal direkt in dessen Augen sah.

„Dann wäre das nun mit meiner Einwilligung beschlossene Sache. Ich komme auch gut ohne die Rechte eines Adeligen zurecht, wirst schon sehen. Die getrennten Wege werden uns eines Tages wieder zusammenführen und dann werde ich stärker sein. So stark, dass ich es mit dir aufnehmen kann, egal wie mächtig du geworden bist. Ich sterbe nicht eher, bevor du ebenfalls aus dieser Welt geschieden bist. Bis dahin interessiert mich der Name Granville einen feuchten Dreck!“ Nach Claytons abschließenden Worten, verließ Harley mit einem zufriedenen Lächeln den schaurigen Schauplatz des Gefechts und flüsterte noch leise etwas, dass man nur bruchstückhaft hören konnte.

„Ich kann jenen Tag kaum erwarten…“ Mehr schnappte Clayton nicht mehr auf. Es war ihm sowieso gleichgültig, was ein Mann, der in seinen Augen bereits gestorben war, noch zu sagen hatte. Um sich richtig von seiner Liebsten zu verabschieden, kniete er sich neben Lydia und nahm ihr einen ihrer saphireblauen Ohrringe ab, dessen Blau seiner Augenfarbe zum Verwechseln ähnlichsah. Diese Schmuckstücke waren ein Geschenk von ihm an sie gewesen, der einzige Schmuck, den sie stets wertgeschätzt hatte.

„Meine liebliche Blume, heute ist dein letztes Blütenblatt gefallen. Du magst verwelkt sein, doch in meinem Herzen, bleibst du auf ewig eine wunderschöne junge Knospe, der es im Leben niemals vergönnt war, richtig zu erblühen. So wird ihre wahre Schönheit, für die Welt wohl immer ein Geheimnis bleiben… Löse dich von deiner Unvollkommenheit, befreie dich aus deiner Gefangenheit. Durchbreche dein schmerzvolles Leid und trage endlich das Kleid der wahren Gerechtigkeit…“, sprach Clayton liebevoll und schmiegte mit geschlossenen Augen, ihre eiskalte Hand an seine Wange.
 

Plötzlich herrschte bedachtes Schweigen in der obersten Kammer des Turmes, als Clayton seine tragische Erzählung beendete. Miceyla blinzelte sich ihren traumverhangenen Blick aus den Augen. Sie hatte so aufmerksam zugehört, dass es sich für sie so anfühlte, als wäre sie gerade tatsächlich in seine Vergangenheit gereist. Etliche schmerzvolle Gefühle stachen ihr mitten ins Herz. Sie wagte es nicht ihn anzublicken und sich vorzustellen, wie er sich gerade fühlen musste, nachdem er all die alptraumhaften Erinnerungen zurück ins Diesseits geholt hatte. Wortlos erhob er sich von seinem Sessel, da er es anscheinend nicht länger ertragen konnte, still sitzen zu bleiben und stellte sich vor die Balkontür. Nun traute sie sich einen Blick auf ihn zu erhaschen und betrachtete ihn, wie er wehmütig den klaren Sternenhimmel betrachtete. `Vielleicht ist es ein Fehler, sich im vornerein vorzustellen, was für einen prägenden Lebensweg ein Mensch bereits hinter sich hat, ehe man nicht die wahre Geschichte aus dessen eigenen Mund hört. Er verlor seine Geliebte und tötete versehentlich am selben Abend seinen Vater… Und das alles geschah nur wegen Harley Granville. Trotzdem stört mich etwas an der ganzen Sache… Warum ließ er Clayton am Leben? Sah oder sieht er in ihm denn gar keine Bedrohung? Schließlich sind es mittlerweile mehrere Personen, welche die Wahrheit kennen. Eine Bedingung wurde bereits gebrochen. Oder hält Harley sich einfach nur für so unantastbar, dass er glaubt, von Clayton ginge überhaupt gar keine Gefahr aus? Eventuell ist es sogar von ihm gewollt das Clay… Nein, ich sollte besser noch keine voreiligen Schlüsse ziehen. Sobald Sherlock und William dies erfahren, werden auch sie sich beide in Nullkommanichts, ihren eigenen Reim daraus machen. Clayton besaß eine glückliche Familie und diese zu verlieren, stellt mehr als nur einen schmerzvollen Verlust für ihn dar. Eine solch tiefe Lücke im Herzen, bleibt bis zum Lebensende bestehen. Das komplette Gegenteil von Alberts selbst eingeleiteten Schicksal, für den es eine Erleichterung darstellte, seine egoistischen Adelseltern los zu sein. Und wie es Claytons Mutter nun gehen mag... ` Miceyla war so sehr in Gedanken vertieft, dass ihr völlig entging, wie Clayton sich mit beiden Händen auf den Armlehnen ihres Sessels abstützte und sich etwas zu ihr herabbeugte, sodass er sie dazu zwang, nicht seinem eindringlichen Blick auszuweichen. Ein wenig erschrocken sah sie in seine tiefblauen Augen, die aus einem einzigen Fluss trostloser Emotionen bestanden. Dennoch schaffte sie es seinem Blick standzuhalten, da sich in ihren eigenen Augen, beinahe ebenbürtiges Leid widerspiegelte.

„Na, wie fühlst du dich jetzt? Du wirst irgendwann ersticken, wenn du dir ständig die Tragödien anderer aufbürdest. Dein Herz fühlt nun mal etwas intensiver… Bist du nach meiner Geschichte immer noch so erpicht darauf, es mit den gnadenlosesten Menschen aufzunehmen, an der Seite der Moriartys? Harley ist zu einem der mächtigsten Männer unseres Landes aufgestiegen. Es wird dich immer weiter in eine finstere Welt voller Schatten ziehen, aus der es nie mehr ein Entrinnen für dich gibt. Mag William mit seinen idealistischen Vorstellungen, auch noch so hell für dich strahlen, für einen Mörder existiert kein Glanz und Gloria. Wir befinden uns im Krieg, meine Teuerste. Und um das alles durchzustehen, musst du tatsächlich zu einer Soldatin werden. Denn in diesem Krieg, wird keiner von uns Ruhm oder Ehre ernten. Von der Liebe wird auch nur eine flüchtige Erinnerung übrigbleiben. Und eine verloren Liebe, ist mit keinem Schmerz der Welt zu vergleichen… Denke ab und zu mal darüber nach, was man von dir eigentlich abverlangt. Du bist niemandem zu irgendetwas verpflichtet. Blinder Gehorsam ist der größte Feind der Freiheit. Das sollte dir langsam bewusst werden. Schließlich willst du doch genau dafür kämpfen, oder liege ich damit falsch? Aber bis zum bitteren Ende, haben wir noch einen harten und mühsamen Weg vor uns. Solange tanzen wir noch alle gemeinsam auf der Bühne und spielen ein unantastbares Schauspiel. Zugegebenermaßen sehe ich die Dinge heute etwas klarer als früher. Ich weiß mittlerweile, dass Harley trotz seiner grenzenlosen Arroganz kein Mensch ist, der einfach nach Belieben oder vor Zorn eigene Familienmitglieder und dessen Angehörige ermordet, ohne das ein triftiger Grund dahintersteckt. Aber ganz egal was damals seine Beweggründe waren, er wird sterben, soviel ist sicher“, warnte er sie beharrlich und gewann wieder etwas mehr Abstand zu ihr.

„Ganz gleich wie jemand sein Leben gestalten will, die Entscheidung liegt einzig und allein bei einem selbst. Kein Kampf ist umsonst und es muss nicht immer einen ehrenvollen Grund zum Kämpfen geben. Die wahre Ehre trägt jeder in seinem Herzen. Aber gleich von einem Krieg zu sprechen, finde ich dennoch ein kleinwenig übertrieben… Vielleicht mag ich eine masochistische Veranlagung besitzen, doch ich bin nun mal einfach an Trauer und Leid gewöhnt. Daher bin ich etwas zäher und verarbeite schwierige Situationen auf meine ganz eigene Weise. Und ich wiederhole es gerne auch noch einmal, ich unterwerfe mich niemandem. Mein Wille bleibt erhalten, egal welchen Weg ich einschlage“, erwiderte Miceyla mit einem standhaften Lächeln. Clayton lächelte nun ebenfalls wieder etwas unbefangener.

„Ha, ha! Du bist schon ein sonderbares Mädchen, wenn ich das mal so sagen darf. Ach, lasse dich einfach nur nicht von deinem Weg abbringen, mein Vöglein. Solange es sich für dich richtig anfühlt. Ich bin schon ein kleines bisschen neidisch auf eure Liebe… Aufgrund der herausfordernden Umstände, formt sich eine ganz außergewöhnlich feste Bindung, die euch wie ein unzertrennbares Band verbindet. Genieße es…“, meinte er heiter und streckte sich genüsslich. `Denn die Umstände könnten jeder Zeit eine radikale Wendung nehmen. Ob nun Feindschaft oder Rivalität, William und ich werden noch öfters aufeinanderstoßen, ohne das es sich vermeiden lässt. Da ich allerdings die groben Grundstrukturen seines Plans kenne…möglicherweise…kann ich ja seinen eigenen Plan gegen ihn verwenden, um ein paar gewisse Herrschaften zum Umdenken anzuregen. Denn schließlich gibt es da auch noch Sherlock Holmes, den dritten im Bunde…`, fügte er verschwiegen in Gedanken hinzu. Miceyla erhob sich nun ebenfalls, um nach dem langen Sitzen und Zuhören wieder richtig wach zu werden.

„Ich muss dir noch einmal danken, für dein mir entgegengebrachtes Vertrauen. Heute durfte ich dich besser kennenlernen und habe endlich mal den wahren Clayton sprechen hören, der sich hinter dem Schauspieler Matador Muscari verbirgt. Mag dein wahres Ich auch wesentlich ernster und von schmerzvollen Erinnerungen zermürbt sein, so gefällt mir diese Seite von dir trotzdem sehr gut. Verwundbarkeit muss nicht immer eine Schwäche sein. Wir schaffen es diese in Stärke umzuwandeln, nicht wahr? Ich werde weise mit dem neuerrungenen Wissen über Harley Granville umgehen, das verspreche ich. Doch wer letztendlich jene Informationen in vollen Zügen ausnutzen wird, ganz ohne mein Zutun, wissen wir beide nur zu gut… Und ich hätte da noch eine mir wichtige Bitte an dich, bevor wir wieder auseinandergehen… Es geht um Amelia. Ich weiß, dass du mit allen Frauen sehr rücksichtsvoll umgehst. Aber bitte achte bei ihr ganz besonders darauf, was du sagst und tust. Die falschen Worte und Taten können ein liebendes Herz sehr verletzen…“ Überrascht von ihrem plötzlichen Anliegen, legte er etwas den Kopf schräg und blickte sie forschend an. Doch rasch kehrte sein selbstbewusstes Lächeln zurück.

„Nur keine Bange, Herzchen. Ich bin mir Amelias Gefühle sehr wohl bewusst und habe größtes Verständnis, für ihre Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit. Aber das was sie sich wünscht, werde ich ihr niemals bieten können. Ich bin nicht derjenige, der dafür bestimmt ist sie glücklich zu machen. Amelia wird ihren Seelenverwandten schon noch finden. Da sind wir uns beide sicher einig, nicht? Oh, schau mal auf die Uhr, wie spät es bereits ist! Wenn du nicht zügig heimkommst, kriege ich garantiert von deinem William, ordentlich eins auf den Deckel, ha, ha! Also wie siehts aus, kommt deine Eskorte dich abholen?“, fragte Clayton nachdem er die Uhrzeit überprüft hatte und zwinkerte ihr beschwingt zu.

„Nicht das ich wüsste“, antwortete Miceyla ihm knapp.

„Aha, da verlangt man von mir auch noch, dass ich den zuvorkommenden Gentleman spiele und dafür sorge, dass du heil nach Hause kommst, ha, ha. Nichts ist mir lieber als das! Folge mir, ich zeige dir wo hier ganz in der Nähe Kutschen abfahren“, erklärte er sich freundlich dazu bereit, ihr zu jener späten Stunde Geleitschutz zu gewähren und löschte aufbruchsbereit alle Lichter im Raum. Miceyla nickte dankbar und verließ gemeinsam mit ihm seinen geheimnisumwobenen Turm. Wie sich schnell herausstellte, mussten sie doch noch ein längeres Stück zu Fuß zurücklegen, jedoch kamen sie tatsächlich, wie er es versprochen hatte, an eine Straße wo einige Kutschen abfahrbereit standen.

„So meine Liebe, Zeit Abschied zu nehmen. Aber wir werden uns ja spätestens nächstes Wochenende im Theater sehen. Nur ist es bei der Arbeit schwieriger, Ruhe für ein ausgiebigeres Gespräch zu finden. Jedoch läuft man sich garantiert auch mal bei unserer `anderen` Arbeit über den Weg… Gut mein Vöglein, ich wünsche dir eine angenehme Heimreise und bestelle William und seiner Bande herzliche Grüße von mir“, verabschiedete Clayton sich mit seiner altbekannten zwanglosen Art und wartete noch, bis der Kutscher ihr die Tür öffnete.

„Mach’s gut Clay. Ich habe sehr viel aus dem heutigen Tag mitnehmen können. Lassen wir uns davon überraschen, was das Schicksal in Zukunft noch alles für uns bereithält. Gute Nacht…“ Nach ihren letzten Abschiedsworten, nahm sie aufgewühlt und ermüdet zugleich in der Kutsche Platz. Sie seufzte laut, als diese losfuhr und schloss für einen Moment die Augen. `Hach… Ich fürchte, dass ich heute Nacht nicht schlafen werde, nach Claytons bewegender Geschichte…` Erschrocken riss Miceyla wieder die Augen auf. Wegen ihrer Grübeleien und der schläfrig machenden Dunkelheit, war sie nachlässig geworden. Denn sie bemerkte erst jetzt, dass sich noch eine weitere Person in der Kutsche befand und direkt rechts neben ihr saß. Ihr Herz begann zu rasen und sie blieb regungslos sitzen.

„Eine wunderbar sternklare Nacht haben wir heute, finden Sie nicht auch, Mrs Moriarty? Wenn der schützende Nebel sich lichtet, gibt es selbst für den wachsamsten Verbrecher keine Versteckmöglichkeit mehr. Ich hoffe es ist Ihnen genehm, wenn wir zwei beide uns mal unter vier Augen unterhalten.“ Sofort erkannte Miceyla jene tiefe und autoritär klingende Stimme. `Mycroft…!`
 

Liebes Tagebuch, 30.4.1880

für die meisten Menschen ist es unheimlich schwer, mit der schmerzvollen Vergangenheit Frieden schließen zu können. Und stattdessen halten sie stur an ihren Rachegelüsten fest, um auf Teufel komm raus Genugtuung zu erhalten. Aber ist es denn nicht eine Verschwendung der eigenen Lebensqualität, seine gesamte Energie in etwas zu stecken, das wie ich immer sage, die Natur von ganz allein regelt? Schließlich sterben all die Menschen, gegen die man einen Groll hegt, ohnehin irgendwann. Claytons Vater muss ein sehr weiser und lebenserfahrener Mann gewesen sein. Ich hätte ihn nur zu gern kennengelernt. Es ist immer eine einmalige Bereicherung, sich mit einer solch klugen Persönlichkeit unterhalten zu können. Clayton wird so manche Charaktereigenschaft von ihm geerbt haben. Jedoch ist es bedauerlich, dass er seit jenem Vorfall, nicht mehr nach den Wertvorstellungen seines Vaters weiterleben konnte. Allerdings hat sich natürlich nicht alles in Claytons Leben zum Schlechten gewendet. Im Gegenteil, er ist für viele Menschen zu einem großen Vorbild geworden. Und das Blut eines Adeligen, welches durch seine Adern fließt, wird ihm auf ewig erhalten bleiben. Aber ob William sein weiteres Vorgehen tatsächlich ändert, da eine undurchschaubare Person namens Harley Granville, an oberster Spitze des Regiments steht, kann ich noch nicht mit Gewissheit sagen. Uns allen und auch Sherlock, kommen sicherlich noch weitere Störenfriede in die Quere, bei denen wir alle Hände voll zu tun haben werden. Für mich gibt es in der nächsten Zeit ebenfalls genug ablenkende Beschäftigungen. Und ich bin unendlich stolz, im Theater arbeiten und eine eigene Pension für heimlose Katzen gründen zu dürfen. Und das ich eine verstorben geglaubte Freundin zurückgewonnen habe, zähle ich nun zu den wundersamsten und unvergesslichsten Ereignissen in meinem Leben. Ein Geschenk der gnädigen Seite des Schicksals, welches Amelia und mich zu ganz besonderen Weggefährtinnen macht. Und ja… Nicht zuletzt beschäftigt mich jene unumgängliche Konfrontation mit Sherlocks älterem Bruder Mycroft, der selbst ganz oben bei der Regierung mitmischt. Seltsamerweise hat sich das Ganze, zu einem recht ungewöhnlichen Gespräch entwickelt… Nichtsdestotrotz ist es äußerst wichtig, dass ich mir immer wieder aufs Neue Mut zuspreche und die Tatsache akzeptiere, dass es kein Zurück mehr gibt. Ich bin eine Moriarty und trage somit selbst eine bedeutsame Verantwortung. Dies heißt, dass ich eigenständig lernen muss, schwierige Entscheidungen zu treffen und ich mittels des harmonischen Bandes, das zwischen William und mir besteht, die jeweiligen Schritte im Voraus plane, wie er es tut. Gelingt uns eine solch beispiellose Kooperation, könnten wir dadurch unbesiegbar werden…
 

Verlorene Liebe
 

Eisige Kälte durchströmt mein Herz,

es ist kein Vergleich zu jedem bisherigen Schmerz.

Was gäbe ich um einen Funken Frieden,

Zeit das die Sorgen ausblieben.
 

Die Welt um mich herum ist in dichtem Nebel gehüllt,

Dunkelheit ist es, die einen tiefen Abgrund vor mir füllt.

Düstere Augen starren mich an,

die Hoffnung kehrt zurück, doch wann?
 

Euer Hass hat mich genug verletzt,

seht zu das ihr euch gegenseitig schätzt.

Die Liebe ist wie ein flüchtiger Traum,

an eine Rettung glaube ich kaum.
 

Vielleicht wird das Schicksal mir zur Hilfe eilen,

denn in der Einsamkeit mag ich nicht länger verweilen.

Du hältst mich warm in stiller Nacht

Und fliegst mit mir zu den Sternen ganz sacht.



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