LOST von Sas-_- (Project: Whiteout) ================================================================================ Prolog: Die Verlorenen Wälder ----------------------------- ~~~ Gehen lernt man durch Stolpern   ~ Bulgarisches Sprichwort ~   ~~~   Es war ein warmer Tag im Juni, ein Tag, von dem man sich Ruhe und Entspannung versprach, aber ganz sicher nicht erwartete, am Ende in einer völlig anderen Welt aufzuwachen – und das war nicht als sarkastische Metapher gemeint! Viele Geschichten fangen so an: Es war ein ganz normaler Tag, bis … Aber es war wirklich ein ganz normaler Tag, bis …! Nun gut, eines nach dem anderen … Wer bin ich überhaupt? Jemand wie ihr – berufstätig und froh, Urlaub zu haben. Ich bin zu diesem Zeitpunkt 28, optisch fragt man mich in Apotheken, ob ich ein Bonbon möchte. Ich sage immer ja – es gibt keinen guten Grund, nein zu sagen. Ich bin Bibliothekar aus Leidenschaft, aber auch, weil ich mein Gehalt sehr mag. Wenn ich nach acht, manchmal auch zehn Stunden kein Bibliothekar bin, dann bin ich Zocker, Hobby-Autor, vielleicht ein Zeichner und Tagträumer. Und dann noch die langweiligen Sachen, wie Putzkraft im eigenen Haus, Koch und Bäcker; wobei mir die beiden letzteren „Berufe“ ganz gut gefallen. Jetzt wisst ihr ungefähr, wer ich bin. Wo waren wir stehen geblieben? Richtig, es war ein ganz normaler Tag im Juni, als mein Lebensgefährte Jan und ich uns dazu entschlossen hatten, den Sherwood Forest zu besuchen. Wir bereisten gerade England und das Erkunden der Länder, die wir besuchten, war ein absolutes Muss. Urlaube, an denen man faul am Strand herumliegt und jemanden dafür bezahlt, dass er einen auf der Liege wendet oder Drinks serviert, war überhaupt nicht das, was wir unter Urlaub verstanden. Wir wollten die Länder, die wir bereisten erfahren (in der Regel mit einem Mietwagen) und erkunden und uns so viel wie nur irgend möglich ansehen. Also hieß es an diesem Tag: „Auf in den Sherwood Forest!“ Auf den Wald freute ich mich schon länger – ich liebte Wälder schon seit kleinauf. Sie haben etwas Mystisches und Geheimnisvolles an sich, das mich zum Erforschen und Erkunden anregte, aber auch dazu, mir die irrwitzigsten Szenarios vorzustellen. Zum Beispiel Fabelwesen oder Geschichten über die Wälder selbst … Wälder taugten mir auch deshalb, weil die Lichtstimmung so einmalig sein kann und der Geruch erst … Es riecht so durch und durch erfrischend und lebendig dort, ich liebte es einfach. Gekleidet waren wir beide sommerlich, auch wenn es in Wäldern bekanntlich immer etwas kühler ist. An so einem Tag kam uns das aber doch recht gelegen, nur für festes Schuhwerk hatten wir uns entschieden. Keiner von uns beiden hatte große Lust, ständig Steinchen und Grünzeugs aus den Sandalen zu pulen. Ich trug im Sommer am liebsten meine schwarze, kurze Hose, die mir, dank meiner geringen Größe von fünf Fuß, bis über die Knie reichte. Ich mochte die Hose so, weil sie sehr große Seitentaschen hatte, in denen ich Geldbeutel, Handy und Schlüssel bequem verstauen konnte. Viel Geld trug ich nicht bei mir, aber da wir noch einkaufen und Essengehen wollten, waren es so um die 170 Pfund. Immer dabei waren unsere Kameras; alles wurde festgehalten und wir waren immer auf der Jagd nach besonders schönen Motiven. Fotografieren war ein großes Hobby von uns beiden, das uns, wie vieles andere auch, verband. Jan besaß zwei Spiegelreflexkameras, ich begnügte mich mit meinem Handy, welches eine gute Linse hatte, sowie meiner Polaroidkamera. Meine Augen waren nicht sonderlich gut, das waren sie noch nie. Ich schätze, eine teure Kamera wäre an mir verschwendet und als Hobby genügte mir meine aktuelle Ausstattung. Meine Polaroid war ein teurer Spaß. Die Filme waren kostspielig und ich überlegte genau, ob ein Motiv es mir wert war. Die bitteren Momente, als ich mit der Kamera angefangen hatte … So viele bescheidene Bilder, weil ich nicht wusste, dass es zu dunkel war oder zu weit weg oder was auch immer … Für meine Kamera besaß ich eine spezielle Kameratasche. Sie sah aus wie ein normaler Rucksack, war aber dafür gemacht, dass ich schnell an die Kamera herankam. Unterbringen konnte ich nur noch das Fotoalbum, Filme und Batterien – für mehr war der Rucksack nicht geeignet. Er war ein Geschenk von Jan zu meinem 28sten Geburtstag und ist seitdem mein treuer Begleiter. Sogar die Polaroid war ein Geschenk von ihm, zu Weihnachten.   So standen wir also da, gerüstet für einen schönen sommerlichen Tag im Wald. Entspannt liefen wir los und unterhielten uns darüber, dass es keinen besseren Zeitpunkt hätte geben können, um perfekte Bilder zu schießen. Wir genossen die Ruhe und den Frieden, den wir beide von unseren Jobs hin und wieder brauchten. Der Wind flüsterte im dichten Geäst der mächtigen Eichen, die uns umsäumten und uns wortwörtlich in den Schatten stellten. Daran konnte man sich einfach nie satt sehen. Die Bäume waren viele hundert Jahre alt und so groß, dass man mehrere Leute brauchte, um nur einen davon zu umarmen. Das Sonnenlicht brach durch das Blätterdach und bildete lauter kleine Farbtupfer auf dem Waldboden, wie ein Teppich. Es war, als läge ein Weichzeichner über allem. Alles lag in einem diffusen Schimmer. Meine Handykamera hatte Probleme mit den unterschiedlichen Lichtverhältnissen und meine Polaroid schleppte ich umsonst mit. Jan und ich blieben alle naselang stehen. Die Bäume waren beeindruckend groß und mächtig, sie flößten einem Respekt ein; wir machten ständig Bilder und vergaßen, wie immer, völlig die Zeit. Um jeden Busch gab es etwas zu entdecken. Die Fauna stand der reichen Flora in nichts nach – Vögel, Eichhörnchen und Insekten trollten sich durchs Unterholz. Wie so oft mühten Jan und ich uns damit ab, Schmetterlinge auf Blüten zu fotografieren. Man bekam stets den Eindruck, dass sie genau wussten, dass man versuchte sie zu fotografieren; immer flogen sie fort, wenn die Kamera gerade scharf stellte! Ich war gerade mit so einem Schmetterling beschäftigt. Es gelangen mir auch ein paar Bilder, die ich natürlich meinem Lebensgefährten gerne zeigen wollte. Nur, war der nicht mehr bei mir. Verdutzt stand ich da. Weil meine Augen, wie bereits erwähnt, alles andere als gut waren, traute ich ihnen auch nicht; langsam sah ich mich bedächtig um. Nach Jan rufen brauchte ich nicht – er war ein schlecht erzogener Hund, er hörte mich nie oder reagierte nicht darauf. Ich blickte mich suchend um und machte ein paar unsichere Schritte nach vorn. Normalerweise war Jan nie weit. Er ließ mich nie alleine. Er sagte mir immer Bescheid, wenn er weiter weggehen wollte, um sich was Bestimmtes näher anzusehen. Er musste einfach da sein! Ich lauschte. Weil ich blind war, wie eine Fledermaus, verließ ich mich oft lieber auf meine Ohren, also hörte ich immer gut zu. Ich hörte das Rascheln der Blätter in den Bäumen, ich hörte, wie der Wind flüsternd über die Gräser strich, ich hörte das Zwitschern der Vögel, über das Jan und ich uns manchmal lustig machten – ich hörte etwas in einem Gebüsch knistern! Das musste er sein! Ich schulterte meinen Rucksack und stapfte los. Ich spürte dabei dieses merkwürdige Kribbeln in den Knien, das ich manchmal hatte, wenn etwas Erschreckendes passiert war oder mir ein schlimmer Gedanken durch den Kopf schoss. Den Weg zu verlassen war keine gute Idee gewesen, aber um fair zu sein – ich hatte mich nur wenige Meter davon entfernt. Jeder andere hätte das auch gemacht! Es konnte ja niemand ahnen, dass ich mich auf so kurze Distanz verlaufen würde! Ich war mir so sicher, Jan gehört zu haben … Ich lief um das große Gebüsch herum und wollte mich schon meiner wohligen Erleichterung hingeben, als ich feststellen musste, dass er nicht dort war. Ein Eichhörnchen flitzte vor meiner Nase einen Baum hinauf und ich stand verdutzt da. Kein Jan. Sauber. Also wieder zurück. Ich sollte meinen Standort nicht allzu weit verlassen, aber andererseits … Was, wenn ihm irgendwas passiert war?! Wenn er sich verletzt hatte oder den Kopf gestoßen? Was, wenn er meine Hilfe brauchte? Ich beschloss, doch nach ihm zu rufen. Anfangs nicht so laut. Ich schrie nicht gerne, auch nicht auf der Arbeit – und ja, als Bibliothekar muss man im Jugendbereich öfter schreien, als man meinen möchte. Als nach meinen ersten, kläglichen Rufen sich nichts regte, außer, dass der eine oder andere Vogel in meiner Nähe verdutzt verstummte, überwand ich mich dazu, lauter zu rufen. Lauter und immer lauter. Aber niemand reagierte darauf. Vorhin waren hier noch so viele andere Touristen, Wanderer und Instagram-Dödel unterwegs gewesen und jetzt, wo man einen von diesen Pappnasen brauchen könnte, war natürlich niemand mehr vor Ort! Typisch! Um jedes Unglück durfte man sich schön selbst kümmern, wie immer! Da auf mein ohrenbetäubendes Geschrei keine Reaktion folgte, entschied ich, in Aktion zu treten. Jan konnte nicht weit gekommen sein. Wenn er sich etwas getan hatte, dann gefälligst nicht weit weg von mir! Von wo bin ich eigentlich hergekommen?, dachte ich verwirrt. So schlecht waren meine Augen nun auch wieder nicht … Trotzdem war es mir einfach nicht möglich festzustellen, von wo ich gekommen war. Neben der großen Sorge um meinen Partner hatte ich langsam auch große Sorge um mich selbst und meinen verwirrten Verstand. War ich so durcheinander, dass ich mich schon nach drei Metern verlief? Kann eigentlich nicht sein … Ich lief um Bäume herum, um Büsche, betrachtete Blumen, kleine Lichtungen und das Unterholz um mich, aber nichts kam mir bekannt vor. Verrückt! Ich zog mein Handy aus der Tasche und öffnete die Bildergalerie. Anhand der Fotos sollte ich meiner Orientierung auf die Sprünge helfen können. Ich klickte die Bilder durch; viele Nahaufnahmen, die mir nichts nutzten. Dann einige Aufnahmen von Bäumen, das war noch nicht so lange her. Mit dem Handy vor der Nase lief ich zu diesem und jenem Baum und betrachtete ihn eingehend, nur um festzustellen, dass ich diesen Baum nicht fotografiert hatte. Außerdem kostete der Zirkus Energie. Mein Handy war ganz gut, aber gerade die Akkulaufzeit war alles andere als berauschend. Völlig verunsichert stand ich da, mein Herz klopfte laut in meiner Brust, das Blut rauschte mir in den Ohren. Ich fühlte mich gar nicht gut, ich hatte mich total verlaufen und ständig kreisten meine Gedanken darum, was nur aus Jan geworden sein könnte. Ein Horrorszenario nach dem anderen schoss mir durch den Kopf. Leider stellte ich mir alles immer sehr bildlich vor … Ich war mir selbst nicht so wichtig. Es ging mir um meinen Partner, der wie vom Erdboden verschluckt war, und jetzt hatte ich Edelpflaume es auch noch geschafft, mich zu verirren – super, ich hab mir echt einen Stern verdient! Mir war tatsächlich nach Weinen zumute, aber meine Tränen unterdrückte ich verbissen. Mit Tränen hat noch Niemand etwas erreicht. Loszuflennen würde mir nichts nutzen. Ich warf mein Handy aus dem Flugmodus. Anstatt weiter Panik zu schieben konzentrierte ich mich auf eine neue Idee. Das half mir auch dabei, nicht weiter in Angst und Selbstmitleid zu versinken. Ich würde Jan anrufen. Sein eigenes Handy war zwar nicht immer sonderlich laut eingestellt, aber ich stand so unter Strom, dass ich es bestimmt hören würde. Ich fluchte ausgiebig, denn wenn mein Handy aus seinem Dornröschenschlaf geweckt wurde, brauchte es immer Ewigkeiten bis es einsatzbereit war. Dabei verlor es auch immer gut 10 bis 20 Prozent Akku. Aus irgendeinem Grund schüttelte ich mein Handy immer, wenn es so lange brauchte, als wollte ich dem Ding Tempo einprügeln. Endlich! Es tat etwas! Ich ging in die Kontakte und wählte Jan an. Oder sagen wir lieber, ich wollte das sehr gerne tun, aber ich hatte kein Netz. Mein Anbieter war sehr günstig. Ich hatte einen Uraltvertrag mit nur einem Gigabite; mehr brauchte ich nicht, aber ich hatte sehr häufig sehr schlechten Empfang. Das … war super schlecht und mir wurde in dem Moment auch super schlecht. Ich atmete ziemlich schwer und schnell, beließ das Handy allerdings mit dem nicht vorhandenen Internet verbunden. Vielleicht hatte ich irgendwo wieder Empfang, vielleicht schaffte Jan es, mich anzurufen. Ich musste aus dem Wald raus und Hilfe holen! Oder Jan wartete draußen auf mich … Wir hatten keinen Treffpunkt vereinbart, wir hatten uns ja auch noch nie verloren … Ich muss aus dem Wald raus!, entschied ich verbissen. Ich sah von meinem Handy auf, das ich während meines Gedankenganges angestarrt hatte und musste zu allem Überfluss feststellen, dass die Sonne sich dem Untergang neigte. Nicht-auch-das-noch! Ich war sowieso schon nicht gut im Sehen, aber wenn es in einem Wald auch noch dunkel wurde, dann konnte man mich wirklich total vergessen! Damit stieg auch das Risiko, dass ich mich selbst verletzte! Gut, gut … Wie war das mit dem Moos an Bäumen? Wie doof, dass dieser eine Baum komplett eingemoost war, damit ließ sich keine Richtung bestimmen. Ich wusste ja eh nicht mehr, aus welcher Richtung wir in den Wald hinein sind; zu wissen, wo hier welche Himmelsrichtung war, brachte mir eigentlich nichts, aber ich wüsste sie gerne. Nur so. Damit ich überhaupt noch was wusste, außer, dass ich ein totaler Schussel war. Ich entschied mich dazu, immer geradeaus zu gehen. Ich tat mein Bestes, stets in dieselbe Richtung zu laufen. Außerdem musste ich ja dann auch irgendwann auf einen Wanderweg treffen. Wenn ich erst mal so einen gefunden habe, dann ist das Schlimmste ja schon vorbei!, dachte ich, etwas guter Dinge. Ich marschierte durch das dichte Unterholz, stieg über heruntergefallene Äste, kletterte über umgefallene Baumstämme, duckte mich unter herabhängenden Ästen, bei denen ich das Gefühl hatte, als wollten sie nach mir greifen, und kämpfte mich an dornigen Gebüschen vorbei. Es wurde dunkler und dunkler. Ich versuchte, nicht über meine Situation nachzudenken. Ich versuchte sogar, nicht über Jan nachzudenken, weil mich das nur lähmen und mir nicht weiterhelfen würde. Ich nahm an Tempo zu. Ich muss mich beeilen! Es wurde richtig zwielichtig im Wald und leichter Dunst stieg vom Boden auf. War das dahinten ein Reh, das davonhuschte? In der Ferne verschwanden die Baumstämme, verschluckt von der Finsternis. Die Dunkelheit begann um sich zu greifen und mit ihr meine Verzweiflung. Manchmal kann man seine Gefühle einfach nicht kontrollieren, das war einer dieser Momente. Mir liefen doch Tränen die Wangen hinunter, daran konnte ich nichts ändern; es ärgerte mich, denn so sah ich durch meine Brille noch weniger als eh schon. Ich weinte also doch. Ich tat mir furchtbar leid und noch viel mehr tat mir Jan leid, den ich verzweifelt suchte. Ihn zu finden war mir sogar sehr viel lieber als der Ausgang des Waldes. Seinen Namen jammernd lief ich weiter, stolperte über Äste und riss mir mein T-Shirt an den Ärmeln kaputt, aber das kümmerte mich überhaupt nicht. Nach einiger Zeit fiel mir etwas auf, etwas, das in diesem Wald eigentlich nicht sein sollte – Licht. Schummeriges, unheimliches Licht. Ich wischte mir mit den Händen übers Gesicht und konzentrierte mich darauf. Das war immerhin etwas, mit dem ich mich kurzzeitig beschäftigen konnte. Ich lief auf eine dieser Lichtquellen zu, alte Zweige brachen laut unter meinen Füßen. Ich machte schon die ganze Zeit einen Lärm für Zehn. Ich sah … einen Pilz. Einen sehr imposanten Pilz. Sein Schirm war so groß wie ein kleiner Beistelltisch – eine beachtliche Größe für diese Pflanze, Tier … was auch immer. Ich stand da und musterte das sonderbare Gewächs. Der Schirm gab einen kühlen, blauen Schimmer von sich, als stecke eine Lampe in seinem Innern. Er erinnerte mich an etwas … an einen Traum, den ich vor über zehn Jahren hatte. In diesem Traum hatte ich sogar in einem riesigen, leuchtenden Pilz gewohnt. Ein Traum … Ein Traum?! Ich kniff mir schnell meine Nase zu und versuchte, durch sie zu atmen. Ein alter Klartraumtrick, denn wenn ich träumte, konnte ich dennoch durch die Nase atmen. Aber es klappte nicht. Hm. Nun gut, ich versuchte noch etwas Anderes, um absolut sicherzugehen, dass ich in der traurigen Realität feststeckte. Ich sprang mit Kraft in die Luft. Wenn ich träumte konnte ich fliegen, das fiel mir da immer ganz besonders leicht. Aber ich plumpste zurück auf den Boden, wie im echten Leben. Ich kramte mein Handy aus der Tasche, um es anzumachen. Ich wollte etwas lesen oder Zahlen sehen, denn meistens sehen die in Träumen sehr merkwürdig aus. Aber mein Handy ließ sich nicht mehr einschalten und als ich es versuchte, hieß es nur, dass der Akku zu schwach dazu sei. Blödes, nutzloses Drecksteil! Ich sah wieder zu dem Pilz. Hinter dem Pilz saß etwas, ein Wesen, das ich schon mal gesehen hatte und kannte, aber … es konnte nicht real sein! Es war keine schöne Gestalt. Es war klein und humanoid, hatte einen pinkfarbenen Körper, einen großen Kopf mit großen, boshaften Augen, die schwarz umrandet waren und aus dem breiten Maul hing eine pechschwarze Zunge. Der Körper war schmächtig, die Extremitäten spindeldürr. Wir starrten einander an. Ich entsetzt, das Wesen mich mit unverhohlener Gehässigkeit. Es kicherte laut und verschwand keckernd im Unterholz. Dieser merkwürdige, kleine Kobold … Das kann unmöglich wahr sein! Es muss einfach ein Traum sein!, dachte ich schockiert. Ich griff mir erneut an die Nase und versuchte, noch einmal durch sie zu atmen. „Was tust du denn da?“ Im Nachhinein betrachtet muss es sehr komisch ausgesehen haben, wie ich vor Schreck heftig zusammengezuckt war und einige Schritte zurückstolperte. Panisch sah ich mich um. Hinter mir war eine junge Frau aufgetaucht. Sie blickte mich mit ihren großen, grasgrünen Augen neugierig und verwundert gleichermaßen an. Ihre Haare waren zu einer etwas merkwürdig anmutenden Frisur zurechtgemacht worden. Sie waren fuchsrot und auf der, von mir aus gesehen, rechten Seite zu einem Pferdeschwanz gebunden. In den Haaren waren kleine, silberfarbene Herzchen. Wer machte sich denn Herzchen in die Haare?! Sie trug eine hellbraune Jacke und eng anliegende, taubenblaue Jeans. Sie kommt mir irgendwie vertraut vor, ging es mir durch den Kopf, aber … Ich konnte nicht so genau sagen, warum … Die Frau runzelte die Stirn und sah mich irritiert an. „Warum siehst du mich so merkwürdig an?“ Etwas bellte und ich zuckte erneut heftig zusammen. Mein Blick fiel auf das Tier, das neben der Frau saß. Es sah auf den ersten Blick aus wie ein kleiner, gelber Hund. Auf den zweiten unterschied es sich doch recht deutlich von einem Carnis lupus; einer der deutlichsten Merkmale war wohl die Tatsache, dass es förmlich unter Strom zu stehen schien. Der „Hund“ sah einem Corgi von der Statur her nicht unähnlich. Nur dass dieser kleine, olivgrüne Augen besaß und einen Kragen aus zitronengelbem Fell. Sein Stummelschwanz erinnerte in seiner Form an einen kleinen Blitz und war ebenfalls gelb. Ein Kobold, ein elektrischer Hund und ein Wald mit leuchtenden Pilzen. Ich fragte mich mit zitternden Knien, was wohl als nächstes kommen würde … „Geht es dir gut?“, fragte mich die Dame und ihr „Hund“ bellte laut, geradezu nachdrücklich, als fragte er das auch. Ich holte tief Luft, ich wollte … Was auch immer ich wollte, vor lauter Weinen kam ich ohnehin nicht dazu, es zu formulieren. Ich setzte mich auf den Waldboden und vergrub mein Gesicht in den Armen. Ich hasste es zu weinen, seit jeher war das für mich ein Zeichen von Kontrollverlust. Seine Gefühle nicht im Griff zu haben war für mich nicht akzeptabel, aber ich bin eben auch nur ein Mensch. Ich spürte, wie das Tier an mir schnupperte und winselte; ich hörte, wie die Frau ebenfalls in die Knie ging und mich an der Schulter berührte und sanft drückte. „Oh je, was ist denn nur passiert?“, frage sie leise und mitfühlend. Das … war eine verdammt gute Frage! Was ist denn nur passiert?!     ~~~   Nachwort: Mensch, ich bin nicht sehr gut darin, Prologe zu schreiben :D Tut mir leid, es ist wirklich sehr lang geworden >.< Ich habe mir die größte Mühe gegeben, ich selbst zu sein, egal, wie peinlich das für mich hier wird. Ich denke einfach, dass ich so reagieren würde. Total verzweifelt und aufgelöst. Ich arbeite auch schon bald am ersten Kapitel, denn dafür hat mir meine Gottheit bereits die Vorgaben zukommen lassen :] Ich freue mich sehr darauf und Ihr Euch hoffentlich auch^^ Über Kommentare bezüglich des Schreibstils und mich als Charakter würde ich mich sehr freuen, da Self-Insert für mich in ernsthafter Form doch gänzlich neu ist und das hier ein sogenannter „First Try“ ist. Ich danke Euch fürs Lesen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)