Umwege einer Liebe von Iwa-chaaan ================================================================================ Kapitel 38: Knistern -------------------- Samstag, 02.06. / Sonntag, 03.06. Leicht angetrunken und gut gelaunt ließ sich Toru auf einem Hocker an der Bar nieder und schaute zur Tanzfläche, wo sich die Masse dem Takt unterwarf und tanzte. Mal allein, mal zu zweit, mal in einer ganzen Gruppe. Die Bässe ließen seinen Körper vibrieren und die Musik seinen Fuß wippen, während er sich bei dem Barkeeper einen neuen Drink bestellte. Es war schon einige Zeit her, dass er in einem Club gewesen war und er sollte das auf jeden Fall öfters tun. Es tat gut, sich alles von der Seele zu tanzen, loszulassen und es einfach zu genießen. Das hatte etwas Befreiendes. Kana, Kaoris zweiter Kumpel, ließ sich sichtlich erschöpft neben ihm auf dem Platz fallen und grinste ihn frech an. „Machst schon schlapp?“ „Nein, nur eine Pause und du?“, konterte er fein lächelnd und ließ den Blick über ihn gleiten. Kana war genauso lang wie Iwa und er selbst – sein bester Kumpel hatte am Ende der Oberschule noch einen Wachstumsschub gehabt, sehr zu dessen Freude – und unter dem hautengen Top konnte man definierte Muskel erahnen. Auch seine Oberarme und Beine machten einen trainierten Eindruck. Auf jeden Fall hielt er sich anständig fit, doch es war kein Bodybuilding. Dafür waren die Muskeln nicht aufgepumpt genug – zum Glück. Die halblangen schwarzen Haare waren vorhin noch nach hinten gegelt, jetzt hingen sie ihm etwas wirr über der Stirn, was ihn wilder als noch vor ein paar Stunden wirken ließ. Die grauen Augen glitzerten je nach Farbstrahler in einer anderen Farbe und musterten ihn ebenfalls neugierig. Toru spürte ein leichtes Kribbeln, als er es bemerkte und wandte den Blick mit einem leichten Herzklopfen ab. Yukie hatte ihm vorhin beim Tanzen erzählt, dass Kana schwul und Single war und er hatte diese freche Andeutung durchaus verstanden, aber … Warum eigentlich nicht? Austesten, wie er drauf war, konnte er ja machen. Neben ihm wurde ein Glas abgestellt und Oikawa bezahlte seinen Drink, als sich Kana danach einen bestellte. Höflich wartete er noch mit dem Trinken, um mit ihm anstoßen zu können. Er war ein freier Mann und er machte zumindest einen interessanten Eindruck. Aber … Konnte er das überhaupt noch? Flirten? „Ich bin auf der Suche nach einem Tanzpartner. Allein macht das auf die Dauer nicht so viel Spaß“, erwiderte Kana und schaute sich in dem Club um. „Ist dem so, ja? Und schon jemanden entdeckt?“ „Ja, ich glaube, hier gibt es jemanden, der bestimmt ein gutes Tänzchen abgeben würde.“ „Na dann viel Erfolg“, entgegnete er mit einem Lächeln und bemerkte ein freches Funkeln in seinen Augen. Offenbar hatte er das mit dem Flirten doch noch besser drauf, als er gedacht hatte. Das letzte Mal, dass er das gemacht hatte, musste schon über ein Jahr her gewesen sein, als er sich einen Typen für eine Nacht geangelt hatte. Dieses Mal hatte er aber keine Lust auf etwas Einmaliges. Er wollte nicht nur den Spaß, sondern jemanden an seiner Seite. Als Kana ebenfalls seinen Drink bekommen hatte, hielt er ihn hin und Oikawa stieß mit ihm an. Sie tranken und gaben sich einen Moment der Stimmung hin, ehe sein Sitznachbar das Gespräch wieder aufnahm: „Und du bist auch mit Kaori befreundet, ja?“ „Ja. Ich bin der beste Freund ihres Partners.“ „Ah, von dem Süßen, ja?“ Süß? Er verschluckte sich halb an seinem Drink und hustete ein paar Mal, bis Kana ihm zwei Mal auf dem Rücken schlug. „Also süß umschreibt ihn eher mäßig, oder?“, spielte er den Ball zurück und stellte sein Glas vorsichtshalber ab. „Stimmt schon, aber er ist einfach nicht so ganz mein Typ. Da nenne ich jeden süß. Wie würdest du ihn denn beschreiben?“ Heiß wäre ihm beinahe herausgerutscht, aber er wollte sich das hier noch nicht kaputtmachen und ihm trotzdem zu verstehen geben, dass er Männern angetan war. Und was beschrieb Iwa in einem Wort, abgesehen von heiß? „Beschützend“, sagte er schließlich und als er Kanas Gesichtsausdruck sah, fügte er hinzu: „Er passt auf seine Freunde auf, dass es ihnen gut geht und hilft, wo er kann.“ „Verstehe.“ Kana nickte und trank noch einen Schluck, sodass sein Drink nur noch zu einem Viertel im Glas war und drehte den Kopf wieder zu ihm. Oikawa spürte die leichte positive Aufregung, als er den Blick auf sich spürte und beschloss, etwas herausfordernder zu werden. „Und? Genug Pause gemacht? Oder machst du etwa doch schlapp?“ „Ganz im Gegenteil. Ich fühle mich so fit wie nie“, raunte er ihm mit dunkler Stimme ins Ohr und Toru schloss für einen kurzen Moment die Augen und genoss es, wie sich seine Nackenhärchen aufstellten. Er nahm ebenfalls noch einen Schluck von seinem Drink, als er meinte: „Übertreibungen lassen einen unglaubwürdig erscheinen.“ „Ich werde es dir beweisen!“ Sofort griff er sich seine Hand und zog ihn zur Tanzfläche. Mit einem Lächeln folgte er ihm, hatte auf diese Reaktion gehofft und wurde zwischen den Tanzenden vor die Bühne gezogen, wo der DJ auflegte. Es gab nur wenig Platz, aber es reichte, um sich eng aneinander bewegen zu können. Toru genoss die „zufälligen“ Berührungen ab und zu und ließ sich von der Musik treiben, spielte das Spiel mit, welches sie gemeinsam angefangen hatten und blendete den Rest aus. Es tat unglaublich gut, sich nach so langer Zeit mal wieder so gehen lassen zu können und sich befreit von sämtlichen Gedanken nur zu tanzen und Spaß zu haben. Sich einfach fallen lassen zu können. Nach einiger Zeit wurde die Tanzfläche etwas leerer und sie hatten mehr Platz zum Tanzen. Ohne Vorwarnung griff Kana ihn um die Taille, schnappte sich eine Hand und führte ihn wie ein Profi über die Tanzfläche. Die Musik stimmte dafür zwar nicht, aber der Takt war der Richtige. Offenbar schien er professioneller Tänzer zu sein, so geschickt, wie er ihn von einer Seite zur anderen führte und Toru kuschelte sich leicht an ihn, sog dieses Gefühl in sich auf, begehrt zu werden und gab die Kontrolle für diesen Augenblick an ihn ab. Es war irgendwie komisch, in einem Club so zu tanzen, aber in seinen Armen war ihm das so ziemlich egal. Auch die Blicke der anderen, die er am Rande wahrnahm, interessierten ihn nicht. Viel wichtiger war, dass der Mann ihn jetzt nicht losließ. So musste sich Mai bei den Tanzkursen auch gefühlt haben, oder? Fest in den Armen Shinichis konnte sie nichts anderes tun, als sich an ihn zu kuscheln und sich führen zu lassen. Er konnte so gut verstehen, warum sie schwach geworden war. Als er spürte, wie Kanas Hand sich langsam den Weg nach unten suchte, schaute er ihm in die Augen und beugte sich dann zu seinem Ohr. „Ich bin keiner für eine Nacht.“ „Das hoffe ich doch! Es wäre ein Jammer, wenn du das wärst.“ Überrascht blickte er ihn wieder an und bemerkte das zufriedene Lächeln auf dem Gesicht. Die Hand blieb auf seinem unteren Rücken und plötzlich wurde er einmal um sich selbst gedreht, aber sein Tanzpartner achtete darauf, dass es nicht zu schnell passierte, damit ihm der Alkohol nicht hochkam. Als er erneut in Kanas Armen war, überbrückte er spontan die letzten Zentimeter zwischen ihren Gesichtern und küsste ihn vorsichtig. Kana ließ sich sofort darauf ein und schien sich seinem Tempo anzupassen. Der donnernde Bass verlor seine Macht, die Musik wurde zur Hintergrundmelodie und die Schwere seines Herzens löste sich auf. Es gab nur diesen Augenblick in diesen starken Armen, die ihn festhielten und die zarten Lippen, die sich beinahe wie die einer Frau anfühlten. Reflexartig legte er eine Hand an Kanas Wange, streichelte sie zärtlich und löste sich nur widerwillig von ihm, als ihm die Luft ausging. „Wow … Das nenne ich mal eine Belohnung. So gut kann ich also tanzen, ja?“, fragte er grinsend und Toru rollte mit den Augen, lächelte aber. „Lass uns rausgehen und noch ein bisschen quatschen … Hier drin ist es dafür viel zu laut!“, schlug Kana vor und er nickte zustimmend. Er nahm seine Hand und die Eindrücke, die er für den Kuss ausgeblendet hatte, krachten nun wieder über ihn, als wäre er von einem Tsunami getroffen worden. Dankbar hielt er sich an der Hand fest, damit ihn all die Geräusche, Lichter und Gerüche nicht unter sich begruben. Kana schlängelte sich zu ihrer Sitzecke durch und der Setter folgte ihm und versuchte die auf ihn einprasselnden Eindrücke wieder etwas zu sortieren. Fast alle saßen erneut in der Ecke und schauten sie an, wie sie Hand in Hand dastanden und so wie sie grinsten, hatten sie den Kuss auch beobachtet. War ja klar! Noch bevor Kana etwas sagen konnte, drehte sich Iwa um und zeigte mit den Fingern: Drei, Zwei, Eins! „Happy Birthday!!!“, riefen sie und waren überraschend gut zu hören, weil der Song gerade wechselte. Ach ja, sie waren ja hier gewesen, weil Kaori zwanzig wurde … Das hatte er ausgeblendet in den letzten Minuten. Konnten sie dann überhaupt einfach gehen? Um den Kuss von Iwa mit seiner Freundin nicht sehen zu müssen, wandte er den Blick zu Kana, der ihn lächelnd erwiderte und ihn beruhigte: „Keine Sorge! Wir gratulieren kurz und dann gehen wir raus. Sie wird uns das nicht übel nehmen!“ Er nickte kurz und Iwa half Kaori aus der Sitzecke herauszukommen, damit jeder ihr auch gratulieren konnte. Bevor aber irgendjemand zu ihr gehen konnte, zog Kana ihn mit sich und ließ in nur kurz los, um sie zu umarmen und alles Gute zu wünschen. Etwas unsicher umarmte er sie danach. „Herzlichen Glücklich und alles, alles Gute für dich!“ „Danke dir!“ Sie lächelte ihn an und das Misstrauen war aus ihren Augen verschwunden. Wie es aussah, hatte sie es ihm abgekauft, dass sie nicht eifersüchtig sein musste und hatte kein Problem mehr mit ihm. So sah sie wirklich ganz süß aus mit ihren dunklen, großen Augen und dem strahlenden Lächeln. „Oikawa und ich wollen langsam los. Ist doch in Ordnung für dich, oder?“ „Na klar, das hab ich mir schon gedacht. Viel Spaß euch Beiden, aber immer schön brav bleiben, ja?“ Sie streckte ihnen die Zunge heraus und Kana lachte laut auf, was wegen der Musik aber kaum zu hören war. Er legte seine Hand auf ihren Kopf und sagte ihr noch etwas, dann nahm er Torus Hand und führte ihn in Richtung Ausgang. Oikawa winkte allen am Tisch, entdeckte unverschämt frechen Gesten von Kuro, Bokuto und Hayato, auf die er nicht mehr reagierte und schnaubte kurz leise. Als ob er so leicht zu haben wäre! Außerdem hatte er noch nicht so viel getrunken wie auf der Hausparty, also war alles im grünen Bereich! „Ah, endlich frische Luft!“ Kana blieb stehen und atmete tief durch. Er tat es ihm gleich und freute sich ebenfalls, aus dem stickigen Club heraus zu sein. Da es Anfang Juni war, fror er auch nicht ohne Jacke, da es bestimmt noch 20°C hatte und schaute zu Kana, der die Augen geschlossen hatte und friedlich lächelnd dastand. Ob er ihn noch einmal küssen sollte? Nein, so einfach würde er es ihm nicht machen. Sonst dachte er nachher doch noch, dass er leicht zu haben wäre. „Spazieren gehen?“, wollte er wissen und öffnete die Augen. „Sehr gern“, stimmte Toru zu und kuschelte sich etwas an ihn, als Kana ihm einen Arm um die Hüfte legte. Es fühlte sich gut an und im Gegensatz zu Hodaka lag da etwas in der Luft, was sein Herz etwas schneller schlagen ließ. Was nichts daran änderte, dass er froh war, ihn zu kennen, aber das hier könnte mehr werden. „Woher wusstest du eben eigentlich meinen Namen? Ich hab mich doch gar nicht vorgestellt. Und du im Übrigen auch nicht“, stellte der Setter belustigt fest und Kana grinste ihn an. „Ich hab deinen rosahaarigen Kumpel gefragt, wie du heißt und er hat es mir verraten. Ich bin übrigens Kana Tanaka. Freut mich sehr.“ „Toru Oikawa. Ebenfalls sehr erfreut.“ Sie schlenderten die Hauptstraße entlang, die am Tage immer überfüllt war und jetzt menschenleer vor ihnen lag. Die Schaufenster waren beleuchtet, aber es gab niemanden, der hereinschaute. Alles wirkte jetzt noch so viel größer und mächtiger, wo niemand sonst hier war. Es fühlte sich seltsam an, dass hier sonst keine Menschen unterwegs waren, wo er es nur im überfüllten Zustand kannte. „Du bist professioneller Tänzer, oder?“, nahm er das Gespräch wieder auf und Kana nickte. „Ja, ich bin Turniertänzer. Und du? Neben der Uni Volleyballspieler, nehme ich an?“ Das freche Grinsen auf seinen Lippen ließ Torus Herz schneller schlagen und bestätigte seine Annahme, dass hier etwas zwischen ihnen war. „Richtig. Ich bin Zuspieler.“ „Ah, der Dreh- und Angelpunkt eines jeden Angriffs. Du entscheidest also, welcher deiner Angreifer die besten Chancen hat zu punkten.“ „Stimmt. Du kennst dich gut aus, was?“ „Terushima hat mir einiges über Volleyball erzählt, als er früher gespielt hat. Da ich ein Nachbar von Kaori und den anderen beiden Mädels bin und wir uns gut verstehen, habe ich ihn auch schon kennengelernt. Selbst gespielt habe ich aber nie. Für mich gibt es nur das Tanzen.“ Es war ein beruhigendes Gefühl für Toru, dass er anscheinend immer die Leute kennenlernte, die für einen Sport brannten, wie er selbst das auch tat. Das war ihm schon bei Hodaka aufgefallen und er stellte wieder einmal fest, wie attraktiv solche Männer auf ihn wirkten. Und Kana im Besonderen. Da schlummerte noch etwas in ihm, wo er das Bedürfnis hatte, es zu wecken und zu erleben. Auch wenn er keine Ahnung hatte, was das sein sollte. „Für mich gibt es nur Volleyball. Ich hab schon in der Grundschule damit angefangen. Dabei hat sich meine Mutter immer gewünscht, dass ich Klavierspielen lerne. Aber das hat sie zum Glück nach kurzer Zeit aufgegeben.“ Seine Mutter hatte ein eigenes Klavier, das bei ihnen zu Hause stand und als er klein war, hatte sie ihm oft etwas vorgespielt. Es war ihr Ausgleich zur Arbeit, hatte sie einmal gesagt, doch je älter er wurde, desto weniger spielte sie darauf. Dabei liebte er es, ihr zuzuhören und seiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Oikawa bog in eine andere Straße ab und Kana ließ sich von ihm durch die Gegend führen, während er ihm lauschte. „Meine Mutter ist ein durch und durch unmusikalischer Mensch. Dafür kann sie mit Zahlen umgehen, wie kaum jemand anderes. Ist also kein Wunder, dass sie Mathelehrerin geworden ist. Aber mein Vater ist Studiomusiker. Früher war er auch mal in einer Band, aber als ich geboren wurde, hat er das aufgegeben, damit er nicht ewig unterwegs sein musste.“ „Musiker und Mathelehrerin? Das klingt spannend“, vermutete Toru grinsend und Kana lachte sein dunkles Lachen, dass dem Setter eine Gänsehaut bescherte. „Ja, das ist es auch. Aber es funktioniert, auf seine ganz eigene Art und Weise“, stimmte er zu. Es war schon fast schade, als Oikawa nach ein paar weiteren Minuten in die Straße einbog, in der die WG lag. Hatten sie sich doch die ganze halbe Stunde des Weges festgequatscht und die Zeit war wie im Flug vergangen. „Das ist ja die Hauptsache! Jetzt haben wir uns so gut unterhalten, dass wir schon bei mir angekommen sind.“ Vor einem Haus blieb Toru stehen und Kana musterte ihn kurz und schien abzuwägen, was er sagen wollte, als er schließlich entgegnete: „Na und? Dann setzen wir uns hier noch etwas auf die Stufen und quatschen weiter.“ „Klar, warum nicht?“ Oikawa lächelte und freute sich, dass Kana nicht einfach gehen wollte und seine Gesellschaft zu genießen schien, also nahmen sie auf den unteren Stufen Platz, die zum Hauseingang führten und unterhielten sich noch weiter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)