Umwege einer Liebe von Iwa-chaaan ================================================================================ Kapitel 2: Wer ist Kaori? ------------------------- Montag, 16.04./ Dienstag, 17.04. Wie elektrisiert beobachtete Toru seinen besten Freund dabei, wie er sich um sein schmerzendes Knie kümmerte. Schon seit er das erste Mal Probleme damit hatte, machte er sich Sorgen um ihn, dass er das Gelenk zu stark belasten könnte. Doch um im Volleyball besser zu werden und den Traum als Mitglied des Nationalteams noch zu verwirklichen, konnte er darauf nur bedingt Rücksicht nehmen. Immer wenn es sich schmerzhaft zu Wort meldete, schimpfte Iwa ihn aus und versorgte es dann doch. Es irritierte Oikawa, dass es dieses Mal keine Standpauke gab. Normalerweise konnte er in solchen Situationen kaum an sich halten und war kurz davor, ihn zu schlagen. Und jetzt? Nichts. Einfach nichts. Nur die langen, schlanken Finger, die sich so weich anfühlten und die Salbe zärtlich einmassierten. Im Gegensatz zu der gängigen Vorstellung, die viele von seinem besten Freund hatten, achtete Iwaizumi sehr darauf, dass seine Hände nicht rau waren, weil er das Gefühl nicht mochte. Täglich cremte er sie morgens und abends ein und hatte so – trotz des jahrelangen Volleyballspielens – unglaublich weiche Haut. Auch sonst achtete er auf sein Äußeres, wenn auch nicht so strikt wie er selbst. Seine Nackenhärchen stellten sich bei den Berührungen seines besten Freundes auf und er unterdrückte ein wohliges Seufzen. Mittlerweile hatte er seine Gefühle im Griff, aber in solchen Augenblicken wünschte er sich, dass er die Kraft hatte, Iwaizumi die Wahrheit zu sagen. Dass er bereits seit drei Jahren in ihn verliebt war. Dass er die Nähe zu ihm immer so genoss. Dass sein Lachen sein Herz erwärmte. Dass seine Fürsorge ihm mehr bedeutete, als die seiner Eltern, die sich schon seit langem nicht mehr um ihn kümmerten, weil sie nur an die Karriere dachten. Doch die Angst, dass er mit dem Geständnis ihre Freundschaft zerstörte, war viel zu groß und so schloss er diese ganz besonderen Momente tief in seinem Herzen ein, damit er sich – wann immer er wollte – daran erinnern konnte. Vorsichtig wurde ihm ein Verband um das Knie gewickelt und schweigend schauten sie weiter gemeinsam fern. Sie schwiegen die meiste Zeit, lachten über die Witze und griffen zu den Chips und der Cola. Es war eine angenehme Stimmung und Oikawa ließ die Beine auf seinem Schoß liegen, da Iwaizumi sie auch nicht wegschob. Mitte des zweiten Films schlief Iwa neben ihm ein und sackte mit dem Oberkörper zur Seite. Da er noch immer quer auf dem Sofa lag, lag sein bester Kumpel nun halb auf ihm und sein Herz begann zu rasen. Auch wenn sie beste Freunde waren, kamen sie sich selten so nah wie jetzt. Zwar hatte der Braunhaarige einen sehr tiefen Schlaf, aber dennoch traute er sich nie, ihn in solchen Momente zu berühren – durch seine Haare zu streichen oder die Wange zu streicheln. Die Chance, dass er ausgerechnet in dem Moment – wie in einem typischen Shonen-Ai Manga – aufwachte, war ihm viel zu hoch. Etwas umständlich angelte Toru die Decke hinter Iwa hervor, die auf der Lehne lag und deckte sie beide zu. Dann schaltete er den Fernseher aus, da auch er müde war und schloss die Augen. Er versuchte sich darauf zu konzentrieren, einzuschlafen, aber der Geruch des ehemaligen Asses zog ihn in seinen Bann, betörte ihn und nach ein paar Minuten bewegte er sich doch ein wenig, sodass sein Kumpel mehr neben als auf ihm lag, was wesentlich bequemer für ihn war. Noch immer schlafend legte dieser einen Arm auf seinen Bauch und Oikawa sog scharf die Luft ein. Er musste schlafen. Jetzt. Bevor sein Kopfkino weiter arbeitete. Genervt stöhnte er auf, als ein Klingeln ertönte. Eine frustrierte Stimme dicht neben seinem Ohr meldete sich zu Wort und schimpfte unverständliche Laute, bis er die Worte verstand. „Mach den scheiß Handywecker aus, Shittykawa!“, knurrte es und Oikawa riss überrascht die Augen auf. Nur wenige Zentimeter neben seinem Kopf schauten ihn grüne, sehr genervte Augen an und noch ehe er einen klaren Gedanken in seiner Müdigkeit fassen konnte, sagte er: „Du liegst aber auf meiner Hosentasche, in der das Handy ist.“ Die grünen Augen weiteten sich einen kurzen Augenblick, dann stemmte sich Iwaizumi müde hoch, strich sich über das Gesicht und gähnte herzhaft. Mit zittrigen Händen – er war auf die Nähe seines besten Freundes nicht eingestellt gewesen – fischte er sein Smartphone aus der Hosentasche und schaltete den Alarm aus. Es war acht Uhr und wenn er nicht zu spät zur Vorlesung kommen wollte, musste er sich jetzt fertig machen. „Shit! Ich wollte vorher noch in die Bibliothek!“, fluchte Iwa neben ihm, als er ebenfalls auf sein Handy schaute. Auf seinem Gesicht lag so ein komischer Ausdruck, den Oikawa nicht so recht einzuordnen wusste. Was war los mit ihm? Da er sich selbst noch nicht bewegt hatte, nahm sein Kumpel vorsichtig seine Beine hoch und stand auf, um sie dann wieder abzulegen. Es war schon süß, wie fürsorglich er sein konnte, wenn er Schmerzen hatte. „Da du keine Anstalten machst, aufzustehen, geh ich zuerst ins Bad“, entschied er und rauschte schon aus dem Zimmer heraus. Seufzend blieb Toru auf dem Sofa und verschränkte seine Arme hinter dem Kopf. Dann kam er halt zu spät zur Vorlesung. In diesem Semester wäre es das erste Mal, also nicht weiter dramatisch. „Wir haben das Frühstück schon mal vorbereitet! Bis später zum Training!“, rief Hanamaki aus dem Flur und Matsukawa grüßte kurz, dann schlossen sie auch schon die Wohnungstür hinter sich. Wann auch immer die Zwei letzte Nacht nach Hause gekommen waren. Mitbekommen hatte er es nicht, denn er hatte so gut wie schon lange nicht mehr geschlafen. Niemand hatte bemerkt, dass er etwas spät gewesen war oder es einfach ignoriert und von da an war alles wie immer gewesen. Nach den Vorlesungen war direkt das Training und wie angedroht, war Iwa nirgends zu sehen. Also hatte er seine Drohung tatsächlich wahr gemacht und ließ ihn hier allein mit dem zuckersüßen Tobio und all den anderen. „Iwaizumi wird heute nicht beim Training erscheinen, aber morgen wieder dabei sein“, informierte der Trainer die restlichen Spieler und Matsukawa und Hanamaki schauten ihn verwirrt an. „Hausarbeit“, erwiderte er mit einem breiten Lächeln, für das sein bester Freund ihm sofort eins auf den Hinterkopf gegeben hätte, weil es so falsch aussah. Die anderen beiden ehemaligen Aoba Johsai Spieler hoben nur eine Augenbraue, sagten aber nichts weiter dazu. Sie kannten ihn eben nicht so gut Iwa. „Verdammt, dabei wollte ich heute wieder Blocks mit Tsukki und ihm üben“, brummte Kuro in der Nähe und noch ehe jemand etwas sagen konnte, bot sich schon Bokuto lautstark an. Da ihm Iwaizumi mehrere eindeutige Nachrichten im Laufe des Tages geschickt hatte, dass er es beim Training nicht übertreiben sollte und er es erfahren würde, wenn er es doch tat, ließ er es zur Abwechslung etwas ruhiger angehen. Auch wenn er sich daran gewöhnen könnte, dass Iwa ihm jeden Abend das Knie massierte. Zu aller Überraschung machte er gemeinsam mit Hanamaki und Matsukawa nach dem regulären Training Schluss, während Hinata, Kageyama, Bokuto, Akaashi, Kuro und Tsukki noch weiter trainierten. Normalerweise wäre er sofort dabei gewesen, aber Iwaizumis penetrant super genervte Stimme hallte in seinem Kopf, also verabschiedete er sich und verließ mit den Beiden das Training. Mit einem Seitenblick bemerkte er auf dem Heimweg, dass seine Freunde die Arme um die Hüfte gelegt hatten und er bewunderte sie dafür, dass sie so offen mit ihrer Beziehung umgingen. Zwar waren die Tokyoter offener als die Provinz, aus der sie kamen, aber dennoch gab es die ein oder andere unangenehme Situation. Mal ganz davon abgesehen, dass Matsukawa sich getraut hatte, Hanamaki die Wahrheit zu sagen. Ihm zu sagen, was er für ihn empfand, ohne dass er wusste, wie sein Kumpel darauf reagierte. So mutig war er selbst nicht und würde es wahrscheinlich auch nie sein. Sie betraten – sich über das Training unterhaltend – die Wohnung und hörten ein Lachen aus einem der Räume. Überrascht sahen sich die Jungs an, da auch noch eine Frauenstimme zu hören war. Etwas in Oikawa verkrampfte sich und er wusste ganz genau, was es war. Sein Herz. Sie schlenderten zum Wohnzimmer und auf dem Sofa saß Iwaizumi – mit einem Grinsen, wie es Toru noch nie bei seinem besten Freund gesehen hatte – und eine junge Frau, die sich beim Lachen die Hand vor den Mund hielt. „Das ist nicht dein Ernst!“ „Doch, na klar“, erwiderte Iwa grinsend und schaute zu ihnen rüber. „Ah hey, wie war das Training? Wie ich sehe, haben die Drohungen Wirkung gezeigt. Was macht das Knie?“ Warum hatte er noch nie so einen strahlenden Ausdruck bei seinem besten Freund gesehen? So ein ehrliches Grinsen, das seine Augen förmlich leuchten ließ? Es fühlte sich an, als würde sein Herz herausgerissen werden. So eine Scheiße. Wie oft hatte er sich auf so eine Situation gedanklich vorbereitet? Immerhin war ihm klar, dass auch Hajime irgendwann nach einem Partner Ausschau halten würde, aber instinktiv war er immer davon ausgegangen, dass auch er nach einem Mann suchen würde. Wie naiv er doch war. Wie dumm und töricht. Aber das erschütterndste war, dass Iwaizumi sein falsches Lächeln nicht durchschaute, dass er aufsetzte, als er sagte: „Ja, bevor du noch den Haushalt verweigerst und ich dann alles allein machen muss. Das Training war gut und das Knie ist schmerzfrei.“ Matsu schaute ihn komisch von der Seite an, ob seiner zickigen Antwort, aber das war egal, denn Iwa reagierte nicht darauf. Warum meckerte er nicht? Nannte ihn Assikawa oder Shittykawa, weil er sich wie ein Idiot benahm? War er so verliebt, dass er es einfach nicht merkte? Kannten sie sich schon länger? Warum sah er es nicht? Wie sehr er gerade litt? Er spürte es doch sonst immer sofort! „Brav. Ich sollte das öfters versuchen. Das ist im Übrigen Kaori Suzumeda. Sie studiert ebenfalls Medizin. Kaori? Das sind Toru Oikawa, mein Sandkastenfreund, Takahiro Hanamaki und Issei Matsukawa, Volleyballkumpels. Wir haben zu Viert drei Jahre an der Aoba Johsai Oberschule Volleyball gespielt.“ „Freut mich sehr, euch kennenzulernen! Ich habe auch einige Zeit Volleyball gespielt und war in der Oberschule ein Jahr lang die Managerin des Fukurodani Teams.“ „Du spielst auch wieder, oder? Ich habe dich doch beim Training der Frauen gesehen, wenn ich nicht irre“, murmelte Hanamaki und sie nickte lächelnd. „Ja genau. Irgendwie hat es mich dann doch wieder in den Fingern gejuckt, nachdem ich mir ein Spiel angeschaut und mit Hajime darüber unterhalten hatte.“ „Entschuldigt mich, aber der Tag war lang. Ich geh ins Bett. Schlaft gut und bis morgen.“ Oikawa nickte allen zu und schlenderte dann in sein Zimmer, hörte noch, wie Kaori ebenfalls aufstand und sich verabschiedete. Er lauschte an der Tür und hielt die Luft unbewusst an, als Iwa sich anbot, sie noch nach Hause zu bringen, doch zum Glück lehnte die Kuh ab, da der Weg ja nicht weit sei. Mattsun und Makki verschwanden nach einer knappen Verabschiedung ebenfalls in ihren Zimmern und Oikawa öffnete seine Tür einen Spalt breit. Es war kindisch – absolut dumm –, aber er kam nicht umhin, sie zu beobachten. Wenn sie sich jetzt küssen würden … Nein, er durfte nicht einmal daran denken! Erschrocken hielt Toru erneut die Luft an, als sie sich vor der Wohnungstür umarmten und noch etwas miteinander sprachen, was er leider nicht hören konnte. Kein Kuss! Bitte, bitte kein Kuss! Das würde er nicht verkraften. Das jetzt war doch schon schlimm genug! Zu seinem Glück blieb es bei einer Umarmung und das Ass schloss gut gelaunt die Wohnungstür. Er drehte sich in seine Richtung und streckte sich, als er in der Küche verschwand. Oikawa schloss die Tür wieder und ließ sich auf sein Bett fallen. Der Abend zuvor war noch so schön gewesen und jetzt das!? Waren sie ein Paar? Würden sie eines werden? Gab es keine Chance für ihn? Die Fragen zermürbten ihn und hielten ihn dreiviertel der Nacht wach, bis sein Körper sich die Erholung nahm, die er brauchte und er in einen unruhigen Schlaf verfiel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)