Things That Should Not Be von Yuugii (Kunikida/Dazai) ================================================================================ Kapitel 9: Kapitel 9 -------------------- Kunikida öffnete die Hintertür und sah paranoid hin und her, setzte dann das Headset auf, das Atsushi ihm reichte. „Immer macht dieser Kerl Ärger“, grummelte er, als er in das Gebäude eintrat. Vorsichtig schloss er die Tür hinter sich zu. Planlos stand Atsushi neben ihn, der nicht so recht wusste, wo genau sie nun hin mussten. Plötzlich meldete sich Ranpo. „Seid ihr drin?“, hörte er Ranpos Stimme in seinem Ohr. Er nickte. Natürlich konnte der Schwarzhaarige das nicht sehen und so zuckte er zusammen, als Kunikida antwortete und nach weiteren Anweisungen bat. Kyouka hätte sicher gewusst, was zu tun gewesen wäre. Manchmal fragte sich Atsushi, ob er für diesen Job überhaupt gemacht war. Dann schüttelte er den Gedanken wieder ab. Dazai hatte ihn vorgeschlagen und ihm eine zweite Chance ermöglicht. Er durfte nicht so negativ denken und musste sich bemühen, sich als Ermittler und als vollwertiges Mitglied der Agentur zu beweisen. Die Anweisung war leicht verständlich und der Plan ebenso banal wie lebensgefährlich. Reingehen, Dazai rausholen und abhauen. Sie fuhren mit dem Fahrstuhl in die oberste Etage. Als sie oben ankamen, ließ Kunikida eine Waffe erscheinen und übernahm die Vorhut. Mit dem Revolver vor seiner Brust trat er in den Flur. Niemand da. Die Lichter waren ausgeschaltet und die Wände nicht einmal tapeziert. Das Gebäude wirkte von draußen ziemlich neu, vermutlich waren noch nicht alle Geschosse fertig renoviert. Einige Wohnungen hatten noch keine Türen, sodass man in die leeren Räume blicken konnte. „Ranpo-san, bitte kommen!“, murmelte Atsushi und wartete auf eine Reaktion. Man hörte ein lautes Knuspern, dann antwortete Ranpo erst. „Was gibt es?“, fragte er und man hörte, dass er irgendetwas kaute. Wie konnte er jetzt naschen? „Wo müssen wir lang?“ „Ihr seid im richtigen Geschoss, Dazai ist ungefähr 300 Meter von euch entfernt. Müsste die letzte Wohnung im Flur sein“, erklärte er und legte auf, warf einen weiteren Blick auf den Bildschirm. Dazai bewegte sich nicht. Er überlegte fieberhaft, was Dazai gerade tat. Hatte man ihn gefesselt? Das würde für eine Entführung sprechen. Oder saß er vielleicht nur an einer Stelle? Lag er in einem Bett und schlief? Das würde bedeuten, dass er freiwillig hier war und sie unbefugt ein Privatgrundstück betreten hatten, was wiederum Hausfriedensbruch mit sich brachte. Aber Fukuzawa hatte sämtliche Mittel erlaubt, um herauszufinden, was Dazai zu verbergen versuchte. Seine Süßigkeiten waren somit sicher... oder? Kunikida blieb vor der letzten Wohnung stehen. Im Gegensatz zu allen anderen Wohnungen hatte diese hier eine Tür, weshalb er darauf schloss, dass irgendjemand sich hier drin befand. Es gab keine Bewachungskameras und niemand war im Flur. Die Stille nagte an seinem Verstand und ließ ihn glauben, dass irgendetwas passieren musste. Vielleicht sprang ihm gleich ein Geist entgegen oder ein verrückter Massenmörder? Bei dem Gedanken wurde ihm ganz bange. Ganz ruhig, Kunikida. Das ist ja kein Horrorfilm. Es wird wohl kaum jemand mit einer Kettensäge hinter dieser Tür auf dich warten, versuchte er sich zu beruhigen und lächelte gequält. Aber warum ausgerechnet eine Stahltür? Wer oder was sollte hier drin festgehalten werden? Oder eher: ausgeschlossen? Er versuchte die Tür zu öffnen, doch dieses Mal ließen ihn seine Fähigkeiten im Stich. Dazai hätte die Tür sicher in Nullkommanichts geöffnet. Ob das nun gut oder schlecht war, vermochte Kunikida nicht mit Sicherheit sagen. Ein rechtschaffener Mann knackte nun mal keine Schlösser oder verschaffte sich überhaupt unerlaubt Zutritt in fremde Gebäude. „Ranpo-san? Wir stehen vor einer verschlossenen Stahltür“, funkte Atsushi durch. „Tja, könnte Kunikida mit seiner Fähigkeit ein Schweißgerät erschaffen, hättet ihr ein Problem weniger. In anderen Worten: sucht euch einen anderen Weg! Duh!“ ——————————— Er schlug die Augen auf und ächzte. Seine Umgebung blieb verdunkelt. Ah. Er war also gefesselt und man hatte ihm die Augen verbunden. Er zischte abfällig. Was für Amateure! Sie hatten ihm lediglich die Augen mit einem Tuch – das vermutete er zumindest – verbunden. Nicht einmal die Mühe hatten sie sich gemacht, seinen Mund zu verkleben, damit er nicht um Hilfe schreien konnte, sollte er aufwachen. Der dumpfe Schmerz in seinem Hinterkopf war gerade nebensächlich. Er ärgerte sich um diese stümperhafte Entführung, hätte er es gewollt, hätte er dem Angriff locker ausweichen können und der Schlag, mit dem man ihn ausgeknockt hatte, brachte nicht einmal Nebenwirkungen wie Übelkeit mit sich. Enttäuschend! Eine reine Tortur! Eine Blamage für diese Möchtegerngangster, die dumm genug waren, in Moris Gebiets einzumarschieren und den großen Macker zu markieren. Hatten diese Kerle überhaupt den leisesten Schimmer, wie mächtig und grausam ihr Gegenspieler war? Verärgert rümpfte Dazai die Nase. Seine Hände waren an die Stuhllehnen gefesselt, während seine Beine an den Stuhlbeinen befestigt waren. Es war nicht das erste Mal, dass er sich in so einer Situation befand und jeder andere normale Mensch wäre jetzt sicher in Panik verfallen, so aber nicht Dazai, der eher gelangweilt analysierte, was geschehen war. Diese Kerle hätten ihn doch zumindest einen Stoffsack über den Kopf ziehen sollen. „Hey, Leute! Ich muss pinkeln!“, jammerte er dann und lachte auf. „Wie zum...?“, hörte er eine Stimme von hinten. Eine Tür wurde geöffnet. Unglaublich! Diese Kerle hatten ihn in einen separaten Raum gesperrt? Man zog ihm die Augenbinde runter und er blinzelte mehrmals, als das helle Licht ihn blendete und er seine Umgebung endlich wahrnehmen konnte. Ein normales Apartment mit Aussicht auf die Stadt. Er blinzelte lieb und lächelte so süß wie er konnte. „Ah~! Wie schön, dass mein Hilferuf erhört wurde!“, sagte er, doch ehe er weitersprechen konnte, packte ihn der Mann und zerdrückte seine Wangen. „Das ist absolut unmöglich, dass du nach dem Schlag wieder wach bist! Was bist du?!“, schimpfte er und drehte Dazais Kopf hin und her, begutachtete das mit Blut verklebte und immer noch offene Loch an seinem Hinterkopf. Kein Mensch, so viel steht fest, beantwortete Dazai diese Frage in Gedanken und ließ zu, dass der fremde Mann ihn weiterhin untersuchte. Grob wandte man seinen Kopf hin und her, dann starrte der Kerl in sein Gesicht und sah Dazai in die Augen. „Wie romantisch~“, witzelte Dazai und kicherte. Verärgert ließ der Kerl ihn los. Dazai warf einen prüfenden Blick zu ihm. Ein Seidenhemd, das im Licht glänzte, eine goldene Kette und gebräunte Haut. Er bezweifelte, dass dieser Mann Japaner war. Vermutlich irgendjemand, der illegal eingewandert war. Hieß das, dass die Mitglieder von Henkō allesamt aus dem Ausland stammten? Die Haare waren kurz rasiert und er konnte Muster erkennen, die man in die kurzen Haare hinein rasiert hatte. Ah, da steht’ s... direkt auf seinem Hinterkopf. Das Zeichen Henkō. Wie dumm kann man sein? Und die legen sich mit Mori-san an? Ich bin enttäuscht! Jeder echte Yakuza tätowiert sich das Logo seiner Gruppe und trägt es für immer mit sich. Die meinen es wohl nicht wirklich ernst, grummelte er und versuchte über die Schulter hinweg zu sehen, um zu erkennen, wo der Kerl hingelaufen war. Mehrere Männer kamen hinein. Allesamt wirkten erschrocken darüber, dass ihr Opfer bereits wach war. „Schön, jetzt wo wir alle versammelt sind, sollten wir uns einander vorstellen, meint ihr nicht auch?“ „Du bist Dazai Osamu, ein Mitglied der Port Mafia. Es gibt keinerlei Anlass für uns, dir zu sagen, wer wir sind“, knurrte der Mann, der bis eben Dazai so grob betatscht hatte. „Ich gehöre aber gar nicht zur Port Mafia“, sagte Dazai zwinkernd und lächelte. Getuschel erfüllte den Raum. Ungläubig blickten sie den Brünetten an. Noch ehe irgendjemand etwas sagen konnte, hörte man, wie ein Glas im anderen Raum zu Bruch ging. Man hörte die dumpfen Schritte eines Mannes, der näher kam. Er blieb direkt hinter Dazai stehen und legte fast behutsam seine Hände auf die schmalen Schultern ihres Opfers. Dazai sah neugierig hoch, lächelte immer noch und versuchte in das Gesicht des Fremden zu sehen. Eine große Narbe zierte sein Gesicht. Eine Brandwunde. Die Narbe war so tief, dass sie sein sonst markantes Gesicht verformte. Seine leicht gebräunte Haut und seine schmalen Augen ließ Dazai vermuten, dass er aus Vietnam oder den Philippinen stammte. Er brauchte mehr Informationen, um dies mit Genauigkeit zu sagen. „Ah, du bist also der Boss, ja~? ♥“, sagte Dazai mit heller Stimmlage und lächelte. Der Kerl drückte etwas fester zu – eine Geste, die ihn ermahnen sollte und jeder normale Mensch auch als Drohung wahrgenommen hätte – aber Dazai ließ sich nicht beirren und sprach weiter. „Deine Leute haben gar keine Manieren! Sie wollen mir ihre Namen nicht nennen! Das ist doch total fies! Ist das nicht schon Mobbing?“ „Für jemanden, der aus der Port Mafia ist, hast du ein ganz schön loses Mundwerk. Falls es dir nicht aufgefallen ist, bist du eine Geisel und wir werden dich gegen eine hübsche Summe Lösegeld tauschen“, sagte der Mann, sah nun auf Dazai herab und grinste frech. Jetzt sah Dazai, dass er eine Sonnenbrille trug. Und das in einem Gebäude. Mitten in der Nacht. Schrecklicher Modegeschmack! Fast so schlimm wie ein gewisser Zwerg, den er aus der Port Mafia kannte. Aber noch nicht ganz auf dem selben Level. Er haderte damit, ob er ihm dies direkt ins Gesicht sagen sollte, entschied sich dann aber dagegen, da er dieses Missverständnis aus der Welt schaffen musste. „Aber ich gehöre nicht zur Port Mafia“, erklärte Dazai und blinzelte verwirrt. „Sicher, deshalb hast du auch die Nummer des obersten Boss auf deinem Smartphone gespeichert. Er hat dir sogar eine Warnung geschrieben, weil er schon eine Ahnung hatte, dass wir es auf dich abgesehen haben. Ich hätte ja ein bisschen mehr Vorsicht von einem hochrangigen Mitglied der Mafia erwartet, aber ich schätze, das sagt so einiges über diese Lackaffen aus“, sagte er und lachte dann amüsiert über seinen Spruch, streichelte Dazai beinahe liebevoll über den Kopf und lief um diesen herum. „Gefällt mir gar nicht, dass du an mein Smartphone gehst. Da sind private Fotos und Nachrichten gespeichert!“, grummelte Dazai und seufzte theatralisch. „Aber recht hast du schon. Seit ich nicht mehr da bin, haben sie echt nachgelassen. Ein wahres Trauerspiel“, stimmte Dazai nickend zu. Der Mann sah ihn verblüfft an und zog eine Augenbraue hoch. „Du willst das also durchziehen? So zu tun, als hättest du mit der Port Mafia nichts am Hut?“ „Ich tue nicht nur so, es ist so~ ♥“ „Hör mal, wenn ich es befehle, lasse ich meine Jungs auf dich los und lass so lange auf dich einprügeln, bis du die Wahrheit sagst. Ist es das, was du willst?“ „Ne, ich mag Schmerzen nicht so. Aber ich lüge nicht. Ich gehöre zur Armed Detective Agency und Kunikida-kun wird echt böse sein, dass ihr seinen Terminplan durcheinander bringt. Der ist immer so streng“, erklärte Dazai grinsend. „Soll ich also in dieser Detektei anrufen und dort um das Lösegeld bitten? Ist es das, was du sagen willst?“ „Bloß nicht! Kunikida-kun dreht mir den Hals um, wenn wieder eine Beschwerde reinkommt! Das letzte Mal musste ich deswegen länger arbeiten! Unglaublich, oder?!“ „Du plapperst aber viel“, bemerkte der Mann. „Oh, ich hatte drei Gläser Whiskey und hab großen Redebedarf“, meinte Dazai grinsend. Absolute Amateure. Lächerlich. Bereits jetzt hatte er mehr Informationen zusammengetragen, als er anfangs für möglich gehalten hatte. Wie viel würde er noch herausfinden können? Und würde es ausreichen, um die Sicherheit der Detektei zu gewährleisten? „Du hast einen meiner Männer umgebracht“, begann der Boss, wies mit einer Handbewegung seine Untergebenen dazu an, den Raum zu verlassen und zog einen Stuhl zu sich, den er mit der Stuhllehne voraus direkt vor Dazai positionierte, nur um sich dann auf diesen zu setzen und seine Arme auf der Lehne zu verschränken und Dazai tief in die Augen zu sehen. Man hörte noch, wie die Tür geschlossen wurde. Dazais Miene erhellte sich. Keine Spur von Angst. „Wenn du nicht zur Port Mafia gehörst, wie du gesagt hast, warum hast du dann den Informanten getötet? Deine Aussagen sind wirr und werfen nur noch mehr Fragen auf“, begann er und zog eine Augenbraue in die Höhe. Dazai lächelte, bemühte sich darum, weiterhin die Fassade des fröhlichen Exzentrikers zu bewahren. „Oh, das war eine persönliche Angelegenheit und hat mit alldem hier rein gar nichts zu tun~“, säuselte Dazai, hörte im nächsten Moment ein ohrenbetäubendes Klingen, während der Geschmack von Blut sich in seiner Mundhöhle ausbreitete. Eine Ohrfeige. Eigentlich hatte er ja mit einem Faustschlag gerechnet. Was für ein Waschlappen. Ohne das Gesicht zu verziehen, spukte er das Blut auf den Boden und drehte seinen Kopf wieder nach vorne, sah seinen Gegenüber immer noch lächelnd an, zog seine Aussage nicht zurück. „Lass mich das ganze mal zusammenfassen: du arbeitest nicht für die Port Mafia.“ „Richtig!“ „Aber du erledigst Botengänge für sie, triffst dich mit Informanten und versorgst sie mit Informationen über den Untergrund von Yokohama, verrätst dem Boss, wo und wann Gelder fließen werden und illegale Geschäfte abgeschlossen werden. Und du beschafft ihnen Insider Informationen über die Konkurrenz.“ „Der Kandidat hat 100 Punkte!“ „Du weißt schon, dass das, was du tust, der Port Mafia hilft, an Wachstum und Macht zu gewinnen...“ Er zog verwirrt die Augenbraue hoch. „Weiß ich. Warum?“ „In anderen Worten: du arbeitest für die Port Mafia.“ „Falsch! Ich bin bei der Armed Detective Agency angestellt. Ich stehe sogar auf der offiziellen Website als Mitglied gelistet“, sagte Dazai und strahlte über beide Ohren hinweg, war selbst erstaunlich stolz auf diese Tatsache. Gut, das Foto, das er ausgewählt hatte, war vielleicht nicht unbedingt das beste, da man ihn aufgrund der falschen Brille – mitsamt falscher Plastiknase, aufgeklebten Augenbrauen und Schnurrbart – nicht wirklich erkennen konnte. Der knallbunte Fischerhut in Stroh- und Flechtoptik tat sein übriges, von dem bunt gesprenkelten Poncho mal ganz abgesehen, war seine Tarnung zwar in erster Linie „albern“ (so hatte es Kunikida ausgedrückt), aber vor allem effektiv. Immerhin hatte ihn aufgrund des Fotos noch niemand wieder erkannt. Und Dazai Osamu machte häufig bescheuerte Fotos, die die anderen Mitglieder zum Lachen (in Kunikidas Fall eher zum Weinen) brachte. Der Mann ließ den Kopf hängen und stöhnte. Dann zog er sein eigenes Smartphone hervor und überprüfte die Angaben seiner Geisel. Ein noch lauteres Stöhnen entwich seiner Kehle. Ungläubig starrte er Dazai an, dessen Augen immer noch voller Elan strahlten. „Tolles Foto, nicht wahr?! Trifft meine Schokoladenseite, oder?“ „Ich gehe jetzt einfach davon aus, dass du ein Doppelspion bist und entweder für die Port Mafia arbeitest und dem Bastard Mori Infos über die Detektei überbringst oder aber die Port Mafia bespitzelst und für die Regierung arbeitest.“ „Beides falsch. Ich arbeite für die Detektei! Ich gebe ja zu, dass ich die meiste Zeit schlafe oder Musik höre, aber ich bin ganz sicher nicht auf der Seite der Port Mafia. Und für die Regierung arbeiten?! Pffff~“ Dazai blies die Backen auf und seufzte theatralisch. „Das wäre ja total anstrengend! So viel Arbeitseifer habe ich echt nicht. Dann müsste ich ja jeden Morgen früh aufstehen“, fügte er sich selbst zustimmend nickend hinzu. „Müsstest du das nicht sowieso?“, entgegnete der Mann und sah Dazai entgeistert an. „Komisch, so etwas ähnliches sagt Kunikida-kun auch immer! Von wegen, ich solle doch innerhalb der Öffnungszeiten des Büros auftauchen... Aber morgens früh aufstehen? Neee, ich schlafe lieber bis 10 Uhr oder länger“, sagte er breit grinsend, wirkte auch noch stolz auf diese Aussage. „Wenn du tatsächlich für die Detektei arbeitest, tut mir dein Boss und dein Kollege leid.“ „Wieso?“ Keine Antwort. „Ah~ Mister Entführer, ich weiß ja deinen Namen gar nicht! Ich glaube, wie können gute Freunde werden. ♥“ Der Boss erhob sich, rieb sich den Hinterkopf und verließ den Raum. Dazai gab einen empörten Laut von sich, dann kam der Boss zurück und klebte ihm den Mund mit einfachen Paketkleber zu. Zwei weitere Männer kamen in den Raum. „Wir haben Mori angerufen und ihm gesagt, dass wir Dazai Osamu haben“, entgegnete einer. „Und?“ „Er sagte, das sei nicht sein Problem... dann hat er einfach aufgelegt.“ Dazai klimperte liebreizend und vielsagend mit den Wimpern. „Auf der offiziellen Website der Detektei steht eine Telefon Nummer, ruft dort an und sagt ihnen, dass wir ihren geschätzten Kollegen als Geisel genommen haben.“ „Verstanden.“ ——————————— „Boss“, flüsterte einer der Männer. Die Anspannung war ihm anzusehen. „Und? Gehen sie auf unsere Forderungen ein?“ „Nun, es war nur der Anrufbeantworter dran“, murmelte er und senkte betroffen den Blick. „Dann versucht es so lange, bis jemand abhebt.“ „Darüber haben wir auch nachgedacht, aber...“ Er wählte die Nummer erneut und schaltete den Lautsprecher ein, um so die folgenden Nachricht gut hörbar wiederzugeben. Sie sind mit dem Büro der Armed Detective Agency verbunden. Sie rufen außerhalb unserer Sprechzeiten an. Gerne sind für Sie von Montag bis Donnerstag von 9 Uhr bis 17 Uhr für Sie da. Am Freitag von 9 Uhr bis 12:30 Uhr. Daraufhin eine kurze Pause. Dann hörte man die Stimme eines aufgebrachten Mannes. Dazai, wenn du das bist: von mir aus kannst du bleiben, wo der Pfeffer wächst! Ich habe genug von deinen kindischen Streichen und wehe dir, du machst Ärger! Wenn du dich umbringen willst, kannst du das gerne tun, aber denk daran, deinen Organspendeausweis mitzunehmen, damit du wenigstens zu etwas taugst! „Boss, ich glaube nicht, dass sie ihn zurückhaben wollen“, sagte er dann und sie sahen einander verwirrt an, dann sahen sie abwechselnd zu ihrer Geisel, die immer noch vielsagend mit den Wimpern klimperte, aber durch den Kleber nichts sagen könnte. ——————————— Kunikida observierte den Flur, mehrmals ging er den Flur auf und ab, während Atsushi ihn hilflos zusah und sich fragte, was sein Kollege vor hatte. Er fand einfach keine Antwort. Seine Hände zitterten und waren schweißnass. Dazai ging es gut. Ganz sicher. Warum also konnte er das Gefühl der Sorge nicht einfach abschütteln? Dazai war sein Mentor und wusste genau, was zu tun war. Das war immer so gewesen. Atsushi schluckte bei dem Gedanken, denn es war nur wenige Tage her, wo er das wahre Gesicht des sonst immer lachenden und gut gelaunten Dazai Osamu gesehen hatte. Dazai ging es nicht gut. Dazai ging es nie gut. Irgendetwas lastete auf seinem Herzen und ließ seine Seele bersten. Atsushi wusste, wie es sich anfühlte, in ein tiefes Loch ohne Hoffnung zu fallen und wie grausam die eigene Stimme sein konnte. Ob Dazai sich mit Absicht hatte gefangen nehmen lassen? Andererseits hatte Ranpo erwähnt, dass die Möglichkeit bestand, dass Dazai freiwillig hier war. Er warf einen missmutigen Blick auf die Stahltür. Warum dann diese Tür? Wer oder was sollte draußen gehalten werden? Kunikida schlich den Gang entlang, blieb neben ihm stehen und drückte dann sein Ohr an die Wand. Mehrmals klopfte er an dem Gemäuer, suchte nach einer Aushöhlung. Es handelt sich um keine tragende Wand und es scheinen auch keine Wasser oder Stromleitungen entlang zu gehen, überlegte er und sah dann nach oben, begutachtete die Wand vor sich erneut. Das Stockwerk war noch nicht vollständig fertig und demnach müsste es möglich sein, von einer Wohnung zur nächsten zu kommen. Atsushi folgte ihm schweigend, als er in die nächste Wohnung ging, die direkt neben der verschlossenen Stahltür war. Vorsichtig klopfte er gegen die Wand. Laut genug, um einen dumpfen Widerhall vernehmen zu können, aber zu leise, um in das andere Apartment überzugehen. Er atmete tief ein, dann griff er nach seinem Notizbuch, schrieb rasch etwas nieder. Atsushi warf einen neugierigen Blick auf ihn. „Doppo Poet – ND-SV006“, sagte er, riss ein Blatt seines Notizbuches heraus und plötzlich wurde das leerstehende Apartment in einem warmen, grünen Licht getaucht, während sich in Kunikidas Hand ein technisches Gerät manifestierte, von dem Atsushi glaubte, dass es sich um eine Kamera handeln musste. Mehrmals blinzelte er. Eine Wärmekamera? „Ist das eine Wärmekamera?“, fragte er und sah seinen Kollegen unwissend an. Dieser schnaubte verärgert und schob seine Brille elegant mit dem Mittelfinger hoch, ehe er wortlos das Gerät anschaltete und man ein leises, gleichbleibendes Piepen vernehmen konnte. „Wärmebildkameras können nicht durch Wände blicken, das ist ein breit verbreiteter Hollywood Mythos“, murmelte er und richtete das kleine Gerät nun auf die Wand. Atsushi legte den Kopf schief. „Du darfst nicht alles glauben, was du im Fernsehen siehst oder in Büchern liest. Das hier ist eine ND-SV006, ein Taschenscanner für die Ortung von Personen durch Wände hindurch. Man nutzt diese Geräte häufig bei Geiselnahmen oder Verschüttungen. Zum Glück sind die Wände hier relativ dünn und noch nicht isoliert“, begann er und zeigte auf den Bildschirm der kleinen Kamera, die in Atsushis Augen nicht anders als eine herkömmliche Digitalkamera aussah. „Hier“, begann Kunikida und tippte nun auf den Bildschirm, um Atsushis Aufmerksamkeit auf den richtigen Punkt zu fokussieren. „Eine Gruppe Personen, zwei befinden sich in einem separaten Raum. Vier weitere direkt vor uns.“ Kunikida gab eine Nachricht an Ranpo durch. „Hast du auch einen GSM Sender in Dazais Smartphone gespeist?“ Man hörte Ranpo böse auflachen. Na klar, war seine Antwort. „Soll ich ihn aktivieren?“, fragte Ranpo nach. Kunikida brauchte einen Moment, um nachzudenken und einen klaren Kopf zu bekommen. Was, wenn sie sich irrten und es Dazai gut ging? Was, wenn sie sich unnötigerweise in sein Privatleben einmischten und etwas zum Vorschein brachten, was Dazai für sich behalten wollte? Bei dem Gedanken, seine Nase zu tief in die Angelegenheiten seines Partners zu stecken und dies niemals wieder gutmachen zu können, drehte sich sein Magen um. Dazai war eine Nervensäge. Ein Taugenichts. Immer, wenn er seinen Namen hörte, bekam er eigenartige Stressschmerzen in der Bauchgegend, sodass es ihm schwerfiel, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Dazai sorgte immer für Unruhe und Chaos. Aber Dazai war ein wertvolles Mitglied ihrer Detektei und somit ein Teil ihrer verschrobenen Familie, die verrückter nicht hätte sein können. Aber verdammt nochmal! Wenn Dazai in Gefahr war, musste er ihm helfen! Immerhin hatte Fukuzawa diesen streunenden Vagabunden ihm aufgehalst und somit waren Dazais Fehler und Versagen auch seine Verantwortung. Es blieb ihm also nichts weiter übrig, als diesen Schritt zu gehen, wenn er sicher sein wollte, dass Dazai in Sicherheit war. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, gab er Ranpo die Erlaubnis den GSM Sender in Dazais SIM-Karte zu aktivieren, die es ihnen ermöglichte, eine Übertragung der Geräusche und Gespräche aus dem Umfeld des GSM-Senders zu ermitteln und somit unerkannt alles mithören zu können, was gesagt oder getan wurde. Der Sender aktivierte sich heimlich. Der Besitzer des Smartphones bekam nichts davon mit. Kunikida lief es eiskalt den Rücken runter. Rechtlich gesehen war dies nicht erlaubt. Das Abhören und jegliche Form der Schnüffelei, sowie die Computerüberwachung, waren Maßnahmen, zu denen nur Spezialeinheiten der Regierung, die für Recht und Ordnung zuständig waren, befähigt waren. Somit war das, was sie hier gerade taten, in höchster Form illegal. Doch Fukuzawa hatte ihnen sämtliche Mittel erlaubt, also taten sie hier ihre Pflicht. Warum also fühlte er sich dermaßen schlecht dabei? ——————————— Der Mann riss ihm den Kleber vom Mund und warf seiner Geisel einen mörderischen Blick zu. „Weder deine Kollegen von der Armed Detective Agency wollen dich wieder haben, noch interessiert es den Boss der Port Mafia, dass du in Gefahr schwebst“, begann er, wurde aber jäh von Dazai unterbrochen. „Ich schwebe in Gefahr?! Seit wann?“, fragte er nach und erntete für diese Aussage eine Kopfnuss, die er mit einem weiteren unverschämten Kommentar quittiere: „Du bist fast genauso schlimm wie Kunikida-kun! Der schlägt mich auch immer!“ „Bist du etwa ein Spion einer dritten Macht? Eventuell jemand aus der Regierung? Vielleicht verrätst du mir ja mehr über dich, wenn ich dich ein bisschen kitzele“, sagte er und packte Dazai grob am Hals, drückte fest zu, schnitt ihm die Luft ab. Doch Dazai zeigte keinerlei Reaktion. Weder rang er panisch nach Luft, sonst ließ er sich auch nur den leisesten Hauch von Angst ansehen. Stattdessen lächelte er nur provokant und schloss dann die Augen. Da Dazai nicht die erwünschte Reaktion zeigte, ließ der Boss ihn wieder los. „Ich kenne deinen Namen ja immer noch nicht“, keuchte Dazai und sah zu dem Mann hoch. „Galos–“ Wieder wurde er unterbrochen. „Also doch aus den Philippinen!“ Ein fester Tritt in seine Magengegend. Dazai flog mitsamt des Stuhls einige Meter nach hinten. Er grinste nur amüsiert. Galos. Narbe. Was für ein einfallsloser Name! Ausländer, die nach Japan kamen und die Macht der Port Mafia infrage stellten? Dachten sie wirklich, dass sie mit einer Geiselnahme genug Geld zusammen kriegen würden, um Waffen und Ausrüstung zu kaufen? Dazai überlegte. Wäre er immer noch ein Teil der Port Mafia, wäre dies viel einfacher. Es kostete ihn weitaus mehr Überwindung, seine Gedanken zu sortieren. Jede Idee, jeder Plan, der ihm in den Sinn kam, führte in die Finsternis. Das waren nicht die Mittel der Detektei.Zu seiner Zeit wäre eine solche Gruppierung wie Henkō schon längst Geschichte gewesen. Gnadenlos hätte er sie ausgemerzt und alles an Informationen aus ihnen gequetscht, bevor sie überhaupt zu einem Widersacher werden konnte. „Ah, du musst schon fester zuschlagen, wenn ich etwas merken soll~“, scherzte Dazai und zwinkerte. Galos richtete ihn wieder auf und legte seine Hand unter sein Kinn, um somit Dazai in die Augen sehen zu können. „Sag mir, zu wem du gehörst. Wer schickt dich? Wenn du nicht zur Port Mafia gehörst – was erhoffst du dir von einer Zusammenarbeit mit diesen Bastarden?“ „Ich dachte, du wolltest die Informationen aus mir heraus kitzeln? Ich merke noch gar nichts.“ Galos zückte ein Taschenmesser hervor und setzte es an Dazais Adamsapfel an, doch auch dies brachte seine Geisel nicht ins Schwitzen. „Galos, du bist echt ein Anfänger. Du bist viel zu nachsichtig!“ „Ach, was sollte ich deiner Meinung nach tun?“ „Zunächst einmal könntest du damit anfangen, mir meine Fingernägel zu ziehen. Und dann brichst du mir einen Finger nach dem anderen“, ratterte Dazai hellauf begeister herunter. Galos sah ihn erstaunt an. Eine Mischung aus Ekel und Abscheu lag in seinem Blick. So und nicht anders sollte man mich sehen, ermahnte die niederträchtige Stimme in seinem Kopf ihn und plötzlich fiel es ihm so einfach. „Aber du könntest mich auch gefügig machen“, kicherte er dann und warf Galos einen verführerischen Blick zu, leckte sich lasziv über die Lippen. „Mich unter Drogen setzen, mich vergewaltigen und dann meine Genitalien verstümmeln“, flüsterte er ihm entgegen, sein Blick fixierte das Messer in Galos Händen, dann sprach er weiter, „Schau, das Messer hast du doch schon in der Hand, also warum Zurückhaltung zeigen? Mich würde niemand vermissen, also ramme mir das Messer in den Bauch und lass mich ausbluten, wie ein Schwein, das auf den Tod wartet~“ „Du bist krank. Was stimmt nur nicht mit dir?“, fragte Galos erschrocken und verstaute nun das Messer zurück in seiner Hosentasche. „Das sollte ich dich und deine kleine Bande fragen... wenn ihr etwas verändern wollt, dann sicher nicht indem ihr euch Hals über Kopf mit der Port Mafia anlegt. Ihr seid absolut naiv, wenn ihr glaubt, dass ihr einen Hauch einer Chance gegen sie habt.“ „Dann sag mir, was ich tun soll, du Wahnsinniger.“ „Sucht euch treue Verbündete im Untergrund. Es gibt einige Verbrechersyndikate, die die Port Mafia herausfordern wollen, sammelt Informationen und infiltriert eure Feinde, zerstört sie langsam aber sicher von innen heraus, streut Misstrauen in die oberen Reihen und blockiert ihre Handelswege“, erklärte Dazai ruhig, während sein Blick eiskalt war und keinerlei Gefühlsregung wahrzunehmen war. ——————————— „Gut, ich habe die Frequenz eingeschaltet! Ihr solltet jetzt mithören können“, meinte Ranpo und im nächsten Moment konnte Kunikida die Stimme eines Fremden hören. War Dazai bei diesem Mann? Wieso fühlte er sich bei diesem Gedanken so schrecklich unwohl? ——————————— „Du bist wahnsinnig... intelligent, Dazai Osamu. Du solltest bei mir einsteigen“, erklärte Galos und zog erneut das Messer hervor, löste dieses Mal die Seile, die Dazai an den Stuhl fesselten, griff dann nach Dazais Händen und zog ihn vorsichtig auf die Beine. „Ich bin zwar wütend, dass du meinen Informanten getötet hast, aber durch sein Opfer ist mir ein wahrer Diamant in die Arme gelaufen“, sagte er mit einem breiten, begeisterten Grinsen und ergriff Dazais Hände, streichelte seine Handrücken und kam ihm näher. „Und hübsch bist du auch“, hauchte er und drückte Dazai gegen die Wand, presste seinen Unterkörper gegen Dazais Unterleib, sodass dieser die Luft scharf einsog. Diese Nähe machte ihn krank. Vorsichtig legte er seine Arme um Galos, ließ zu, dass dieser ihn einen gierigen Kuss aufdrückte und über seine Lippen leckte, während er grob über seine Seiten streichelte. Er schmeckte eine Mischung aus Blut, Speichel und Zigaretten – es kostete ihn alles an Überwindung, sich nicht auf der Stelle zu übergeben. Doch er spielte mit und schaffte es, dass eine Hand unbemerkt in Galos Tasche wanderte... „Oh, ich habe weitaus mehr zu bieten, als ein hübsches Gesicht“, flüsterte Dazai, kam Galos Ohr näher und hauchte ihm drei Worte ins Ohr: „Unterschätze mich nicht.“ Plötzlich hatte Dazai Galos Messer in der Hand, drückte den großen Philippiner von sich und holte zum Schlag aus, trat ihm mit voller Wucht in den Bauch. Auge für Auge. Zahn für Zahn. Oder in diesem Fall, ein Kick für einen Kick. Dazais Augen waren wir tot, absolut leblos. Galos klagte und richtete sich auf. Die Stimme in seinem Kopf sprach lauter. Töte ihn. Lass ihn nicht gehen. Nicht nur, dass dieser Kerl dumm genug war, sich mit der Port Mafia anzulegen, so hatte er seine Geisel losgelöst und sich von süßen Worten bezaubern lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)