Missing Scenes von FreeWolf (Sidestory zu "Ich packe meinen Koffer") ================================================================================ Kapitel 2: 2004 (I) ------------------- Die automatischen Türen schlossen sich mit einem leisen Geräusch. Die vier jungen Männer unterhielten sich leise auf Russisch; Gesprächsfetzen drangen zu ihr, doch sie waren zu undeutlich um sie zu identifizieren. Die vier jungen Männer waren zu unterschiedlichem Grad einbandagiert. Sie wirkten vor allem eines: erschöpft. Die kleine Gruppe schien sich eng um den Captain des Teams, Yuriy, herum zu scharen, als könne er gleich umfallen. Misaki berührte der Anblick der blassen, müden Gesichter, die alle ein wenig dem Rothaarigen zugewandt waren als müssten sie besonders auf ihn achten. Yuriy wirkte noch etwas wackelig auf den Beinen, blasser noch als die anderen. Misaki hatte in der Nähe des Eingangs darauf gewartet, dass Kai das Krankenhaus verließ – er hatte am Telefon darauf bestanden, dass sie ihn nicht in seinem Zimmer abholte. Daitenji-san hatte ihr allerdings verraten, wann er entlassen wurde. Das hatte ihr Sohn ihr nämlich auch nicht sagen wollen. Manchmal war er so stur und bockig wie sein Großvater; doch Misaki hatte genug Erfahrung mit dieser speziellen Art von Sturkopf, die typisch für einen Hiwatari war. Misaki machte einen halben Schritt und hielt inne als die Unterhaltung der kleinen Gruppe erstarb, während die vier sie musterten als sie näherkam. Misaki fühlte sich einen Moment lang stark an den Moment vor dem Verhandlungssaal nach der BioVolt-Verhandlung erinnert, als die Augen der vier ihr folgten. Doch der Jüngste, der sich beim letzten Mal eng an Yuriy gedrängt hatte, war nicht dabei, und im Gegensatz zu damals waren sie nicht vom fahlen Neonlicht eines Verwaltungsgebäudes beleuchtet, sondern standen im strahlenden Sonnenschein. Wenn auch eindeutig blass um die Nasen und körperlich angeschlagen, wirkten sie gesünder als damals, lebendiger. Kai blickte ihr entgegen, die rotbraunen Augen, die er von ihr hatte, überrascht geweitet. Er tat mit einem Seitenblick auf Yuriy einen halben Schritt nach vorne, während sie die letzten Meter überwandt und ihn in eine feste Umarmung zog. Er versteifte sich im ersten Moment. Misaki wusste nicht, ob sie ausversehen auf einen Bluterguss oder eine verbundene Wunde drückte oder ob ihn ihre Geste überraschte, da sie sein Bedürfnis, eine gewisse Distanz zu wahren, normalerweise respektierte. Es dauerte zwei Herzschläge, die sich anfühlten wie zwei Ewigkeiten, ehe sie Kais Arme spürte, die sich vorsichtig um sie schlossen. Sie verharrte zwei weitere Herzschläge, die nun umso schneller vergingen, ehe sie die Umarmung löste. Ihre Hände blieben auf seinen Schultern ruhen. Sie atmete einmal durch, fühlte die Sorge, die beständig gewachsen war, während sie die Matches im Fernsehen verfolgte, von ihr abfallen wie ein schweres Gewicht. Sie lächelte ihren Sohn an, der die Geste zögerlich erwiderte. „Ich bin stolz auf dich“, erklärte Misaki zärtlich, leise auf Japanisch. „Aber warum bist du nicht nach Hause gekommen? Ich habe mir verdammt nochmal Sorgen gemacht“ Kai öffnete den Mund, schloss ihn wieder und öffnete ihn erneut, doch gab er kein Wort der Erklärung von sich. Er senkte den Blick. Aus den Augenwinkeln sah sie die anderen drei Blicke wechseln, die sie nicht lesen konnte. Misaki atmete tief durch, zuckte mit den Schultern und ließ nun von ihrem Sohn ab. Sie wandte sich stattdessen den drei Russen zu, die sie aufmerksam und etwas skeptisch beobachteten. Sie lächelte, wie sie es vor dem Spiegel geübt hatte. „Ich habe von Daitenji-san gehört, dass ihr drei meinen Sohn daran gehindert habt, unvernünftig zu sein“, erklärte sie auf Russisch. Sie merkte, wie Kai neben ihr sich merklich unangenehm berührt wand. Misaki reichte Yuriy, der neben Kai stand, die Hand. Dieser hob überrascht eine Augenbraue, erwiderte jedoch ihren Händedruck. Sie blickte ihm fest in die Augen. „Ich danke euch dafür“, erklärte sie. Kai verdrehte die Augen, verschränkte die Arme vor der Brust. „Jetzt reicht’s aber“, murmelte er peinlich berührt, und Misaki lachte leise. Der Silberhaarige hinter Kai – Boris, wenn sie sich recht erinnerte – lachte spöttisch. „Ja Kai, hör auf deine Mutter“, trietzte er, während der große Blonde nur den Kopf schüttelte. „Zatknis‘, Borya“, knurrte der Angesprochene, während der Rotschopf zum ersten Mal hinter seinen distanzierten Gesichtsausdruck blicken ließ und leise lachte. Das Geräusch schien die anderen beiden zu erschrecken, denn sie blickten überrascht zu Yuriy. Kai hingegen schmunzelte verhalten. Misaki lächelte warm, während sie das Team betrachtete, dem Kai beigetreten war. Sie erinnerte sich noch gut an das erste Mal, als sie das Team vor sich gesehen hatte. Sie hatten alls dünn und blass und traurig gewirkt. Sie waren alle um einiges gewachsen und wirkten drahtig. Besonders Yuriy schien schlicht in die Höhe geschossen zu sein und wirkte nun einfach lang. Sie waren noch immer blass, aber wirkten nicht mehr so traurig wie damals. Ganz im Gegenteil. Yuriy schien ihren Blick zu bemerken und musterte sie kühl, ehe er zu Kai blickte. Dieser zuckte mit den Schultern, und eine Konversation in Blicken begann, an der niemand außer ihnen teilnahm. Der Rothaarige hob eine Augenbraue, woraufhin Kai die Augen verdrehte und den Kopf schüttelte. Dann war es an Yuriy, die Augen zu verdrehen, woraufhin Kai nochmals den Kopf schüttelte. Misaki sah den beiden zu, find Boris‘ Blick ein, ehe sie sich räusperte. Kai seufzte schließlich ergeben, steckte die Hände in die Hosentaschen und trat einen halben Schritt von der kleinen Gruppe weg. „Wir sehen uns morgen“, brummte er, und Yuriy grinste, wohl zufrieden mit dem Ausgang ihres stummen Austausches. „Pünktlich“, betonte er und es schien ein Witz zu sein, den nur sie verstanden, denn Sergej und Boris lachten. Misaki schmunzelte und verabschiedete sich förmlich mit einer Verbeutung, ehe sie gemeinsam mit Kai den Weg in Richtung der Gästeparkplätze einschlug. „Was passiert morgen?“, fragte sie beiläufig als sie das Auto erreichten und einstiegen. Kai gab einen unwilligen Laut von sich. „Yura, Borya und Seryoga wollen sich Tokyo ansehen“, er seufzte entnervt. „Ich dachte echt nicht sie seien die Typen für sight seeing“ Misaki lachte amüsiert, während sie Fahrbahn wechselte. „Ihr habt viel geleistet. Ich denke, ihr habt euch ein wenig Urlaub verdient“, sie schmunzelte, während ihr Sohn neben ihr auf dem Beifahrersitz die Arme verschränkte und unwillig brummte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)