Kirschblüten im Sommerregen von Last_Tear ================================================================================ Kapitel 1: Blütenschauer ------------------------ Ein Tag wie jeder andere und doch war heute etwas anders als sonst. Zuerst war es nur ein Gefühl gewesen, aber als Koichi in dem Café angekommen war, in welchem er arbeitete, wusste er genau, was es war. Einer ihrer Stammgäste saß bereits an seinem Ecktisch, mit einer großen Tasse Kaffee vor sich, Sonnenbrille auf der Nase und seinem Handy in der Hand - aber für gewöhnlich kam Ryoga nie tagsüber vorbei. Und vor allem nicht vormittags. Irgendetwas musste passiert sein und Koichi war mehr als nur gewillt herauszufinden, was es war. Mit einem Lächeln auf den Lippen war er dann allerdings erstmal in den Angestelltenbereich verschwunden, dass er sich umziehen, eintragen und seine Kollegen begrüßen konnte, danach hatte er einen ihrer Schokoladenmuffins auf einen kleinen Teller gepackt und diesen summend vor Ryoga abgestellt. „Hier mein Hübscher, du siehst aus als ob du etwas Schokolade brauchen könntest.“ Damit hatte er ihm bereits zugezwinkert und sich zum gehen gewandt, als eine leise Stimme ihn zurück hielt und seufzen ließ. „Nimm den lieber wieder mit, ich glaub wenn ich was essen muss, übergebe ich mich und das will ich dir nicht antun.“ Für gewöhnlich klang der Kerl nicht ganz so heiser und fertig und mit einem leisen Laut zuckte Koichi mit den Schultern, bevor er sich auf den freien Stuhl gegenüber des Andern sinken ließ. „Hey…Ich kenne keinen, dem von einem Schokomuffin je schlecht geworden ist. Ich lass ihn einfach hier, ok? Du kannst ihn notfalls auch noch mitnehmen.“ Er hatte nicht damit gerechnet, dass Ryoga die Sonnenbrille abnahm und zuckte im ersten Moment doch etwas zurück, als er dessen rote Augen und die dazu passenden Augenringe wahr nahm. Ups. „Bemüh dich nicht, Koichan, ok? Es ist lieb von dir, aber ich bin zu müde um auch nur zu versuchen irgendetwas runter zu würgen, das kein Kaffee ist. Ich war die halbe Nacht wach und muss später noch zur Bandprobe. Da will ich echt nichts riskieren.“ Koichi hob seufzend eine Augenbraue, bevor er den Kopf schief legte und dann mit den Schultern zuckte. „Gerade weil du noch Bandprobe hast, solltest du etwas essen. Ich weiß nicht, welche Probleme dich quälen, aber nichts ist es wert, dass du dich selbst zugrunde richtest. Vor allem wenn es Dinge sind, die du nicht ändern kannst.“ Damit hatte er dem Sänger zugezwinkert und war dann wieder aufgestanden um zurück hinter den Tresen zu verschwinden, sich durchaus bewusst, dass die Blicke des Anderen an ihm klebten. Jedoch sah er es nicht ein, sich umzudrehen, er hatte alles gesagt, wie sich Ryoga entscheiden würde, hing nicht von ihm ab und summend machte er sich daran die Bestellung einer jungen Frau zuzubereiten, welche gerade das Café betreten gehabt hatte und während er mit ihr Smalltalk hielt, konnte er nur hoffen, dass Ryoga nicht auf dumme Gedanken kam. Dauerten Bandproben nicht locker mehrere Stunden? Und man brauchte doch auch zum Singen Kraft oder nicht? Die nächsten Stunden jedoch sollte er nicht dazu kommen, weiter darüber nachzugrübeln, weil er zu beschäftigt damit war, Bestellungen abzuarbeiten und als er schließlich doch wieder Zeit hatte, aufzusehen, war der Tisch an welchem Ryoga gesessen gehabt hatte, leer. Mit einem Schmunzeln bemerkte Koichi allerdings dass auch der kleine Teller auf welchem der Muffin davor Platz gefunden hatte, nur noch Krümel aufwies und mit einem Lächeln räumte er das Geschirr in ihre kleine Spülmaschine. Hoffentlich würde Ryogas Tag besser werden. Ansonsten würde er ihm morgen nochmal auf den Zahn fühlen, immerhin mochte er ihn. Er war einer ihrer wenigen Stammkunden der keine anzüglichen Bemerkungen in seine Richtung machte oder ihn fragte ob seine Haare eine Perücke waren, nur weil er sie rosa gefärbt gehabt hatte. Aber als Bandmember war man da wohl aufgeschlossener. Der Rest seiner Schicht verlief völlig normal und als er nachmittags schließlich Feierabend hatte, war er doch froh, diese Woche seine Schicht getauscht zu haben. Die weitere Woche verlief jeden Tag gleich - sobald Koichi auf Arbeit ankam, saß Ryoga bereits an seinem Tisch und trank Kaffee, jeden Tag mit Sonnenbrille und in sein Handy starrend. Die einzelnen Tage unterschieden sich nur darin, was er dem Sänger brachte. Mal ein Stück frischen Kuchen, mal einen Donut oder eben einen Muffin. Samstag wurde diese Prozedur jedoch dadurch unterbrochen dass Ryoga einen zweiten Kaffee bestellte - etwas, dass er sonst noch nie getan hatte und Koichi leicht aus dem Konzept brachte. Vielleicht war das auch der Grund, wieso er sich erneut an den Tisch des Sängers setzte, vielleicht lag es auch daran, dass ihre anderen Kunden momentan gut versorgt waren mit Getränken und Speisen. „Sag mal~ hast du irgendetwas spannendes vor, dass du dafür mehr Kaffee brauchst?“ Grinsend ließ Koichi den Kopf zur Seite kippen, bevor er mit seinen frisch manikürten Fingernägeln auf die Tischplatte tippte und Ryoga ein unschuldiges Lächeln schenkte. Dieser zuckte unbeeindruckt mit den Schultern, ließ Koichi jedoch erschaudern als er dessen Hand in seine nahm und begann dessen Nägel aufmerksam zu mustern. Im ersten Reflex hätte Koichi beinahe schon die Hand weg gezogen - dann erinnerte er sich daran, dass Ryoga ihn noch nie für sein Aussehen verurteilt hatte und hielt still. Immerhin war er extrem stolz auf das Design - es war das erste Mal, dass er sich selbst die Fingernägel manikürt hatte und es hatte wahnsinnig viel Arbeit in Anspruch genommen. Blöd, wenn man Perfektionist war. Aber dass der Sänger da einen näheren Blick drauf werfen würde, hätte er trotzdem nicht gedacht. Immerhin waren es nur alberne Cartooncharaktere, mit etwas Glitzer darüber als Finish… „Ich hab ein Konzert heute Abend. Willst du kommen?“ Damit hatte Ryoga seine Hand los gelassen und schenkte ihm zum ersten Mal seit er ihn diese Woche gesehen hatte ein schwaches Lächeln, dass es schaffte, Koichis Herz zum Schmelzen zu bringen. „Wenn du mir ein Ticket zurück legst, können wir darüber reden.“ Damit hatte er Ryoga zugezwinkert und bereits wieder aufstehen wollen, als dieser erneut seine Hand nahm um ihm einen sanften Kuss darauf zu geben und Koichi erstarrte komplett in der Bewegung. Was sollte das denn jetzt werden? „Natürlich. Ich sag Bescheid, dass sie ein Ticket für die Rosa Schönheit zurück legen sollen.“ Als Koichi das nächste Mal wagte zu blinzeln, war Ryoga bereits halb aus der Tür und er spürte deutlich, wie ihm warm und seine Wangen rot wurden. Verdammt, er brauchte definitiv endlich mal wieder ein Date und sei es nur zum Druckabbau. Er konnte sich doch nicht einfach so von einem Sänger aus dem Konzept bringen lassen! Egal wie unverschämt gut der auch aussehen und wie nett er ihn behandeln mochte. Trotzdem dauerte es ein paar Sekunden bis er es geschafft hatte sein heftig schlagendes Herz wieder unter Kontrolle zu bekommen und zurück an die Arbeit zu gehen. Die restliche Schicht jedoch kreisten seine Gedanken um Ryoga - und was er anziehen sollte. Immerhin ging er nie aus dem Haus, noch seltener auf Konzerte. Auch wenn man es bei seinem bunten Aussehen nicht glauben mochte, aber er war gerne für sich nach der Arbeit. Nur dieses Mal freute er sich darauf, später noch wegzugehen. Mal sehen, was für Überraschungen der Abend für ihn bereit halten würde. Vor dem Livehouse angekommen, war sich Koichi allerdings nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, überhaupt das Haus nochmal zu verlassen. Er hatte sich nie näher mit Ryogas Band befasst, er wusste den Namen und die Namen der einzelnen Member, aber da hörte es auch schon auf. Und irgendwie fühlte es sich falsch an, mit so wenig Wissen hier zu stehen und die Menschenmenge voller Fans zu betrachten, welche ihm auf Nachfrage hin sicherlich alles über jedes einzelne Bandmitglied hätten erzählen können. Fuck. Vielleicht sollte er besser gehen, andererseits würde Ryoga sicher wahnsinnig enttäuscht sein, wenn er jetzt abhaute und irgendwie fand er sich dann doch vor dem Ticketschalter wieder - überaus erstaunt, dass Ryoga sich seinen Namen gemerkt gehabt hatte. Keine zehn Minuten später hielt er das Ticket in den Händen und wurde vom Staff in die Reihe dirigiert, während sein Herz nur erneut angefangen gehabt hatte, schneller zu schlagen. Er hatte absolut keine Ahnung, wo er stehen würde, war sich allerdings mehr als sicher, dass Ryoga ihn nicht nach hinten verbannt hatte. Na das würde noch lustig werden und definitiv peinlich. Er kannte die Lieder doch gar nicht! Als er angesprochen wurde, zuckte Koichi leicht zusammen, bevor er dem Mädchen neben sich ein Lächeln schenkte. Er hatte sie gar nicht kommen hören, aber gut, er war auch ziemlich in Gedanken versunken gewesen. Lange dauerte es nicht, bis sie in ein Gespräch vertieft waren, nachdem er ihr nur hatte versichern müssen, dass er kein Mädchen war und dass er sich selbst geschminkt hatte. Es war eine zweifelhafte Ehre, trotz seinem eng anliegenden, bauchfreien Top als Mädchen gesehen zu werden, aber andererseits wollte er sich daran auch nicht aufhängen, wusste er doch selbst, dass er ziemlich weiblich aussehen konnte, vor allem wenn er wollte. Nun, heute war das wohl reiner Zufall. Aber so konnte er wenigstens seine Nerven beruhigen. Die restliche Zeit vor dem Einlass verging so relativ schnell, dass Koichi erneut zusammen zuckte, als er plötzlich seine Nummer hörte und er war doch erleichtert, dass der Platz nicht direkt in der ersten Reihe war. Wenn er richtig gezählt hatte, war es die vierte Reihe und es dauerte nicht lange, bis sich seine neu gewonnene Freundin grinsend neben ihm niederließ. „Hab ganz vergessen dich zu fragen, wer dein Lieblingsmember ist?“ Vielleicht hätte er sich doch unsichtbar machen sollen. „Ryoga.“ Der Name war ihm über die Lippen gekommen, bevor er richtig darüber hatte nachdenken können, aber solange niemand heraus fand, dass das auch der einzige Kerl war mit dem er mehr verknüpfen konnte als nur ein hübsches Gesicht war wohl alles gut. „Ah.“ Seine Begleitung seufzte leise, bevor sie mit den Schultern zuckte. „Ich steh ja mehr auf Kifumi, aber ich will dich hier nicht allein lassen, wenn das wirklich dein erstes Konzert ist. Vielleicht kommst du dann nächstes Mal mit auf die andere Seite.“ Damit hatte sie ihm bereits zugezwinkert und er hätte sie beinahe umarmt. Wer hätte gedacht, dass es so nette Fans geben konnte? Die Panik, welche ihn vorhin überfallen gehabt hatte, war längst verschwunden und grinsend nickte Koichi. „Klar, machen wir. Aber dafür musst du mir deinen Namen verraten. Und wenn du magst können wir auch Mailadressen tauschen?“ Während sie summend in ihrer Tasche nach ihrem Handy suchte, ließ er den Blick schweifen - er wusste nicht mal, wie er die Größe der Halle einschätzen sollte! Aber klar war, dass hier verdammt viele Fans zusammen gekommen waren und das freute ihn wieder für Ryoga - vielleicht würde dieser nächste Woche dann nicht mehr so traurig schauen wenn er ihm seinen Kaffee servierte. „Nenn mich Machiko, ja?“ Damit hatte sie ihm ihr Handy bereits vorgehalten und schmunzelnd hatte er ihre Mailadresse in sein eigenes Handy eingetragen, ihr eine kurze Nachricht geschickt um zu bestätigen, dass er sich nicht vertippt hatte und dann sein Handy wieder auf lautlos geschalten und eingesteckt. Jetzt konnte es ja los gehen. Womit Koichi jedoch nicht gerechnet gehabt hatte, war die Energie, die Born mit sich brachten, als sie die Bühne betraten. Ryoga war ohne Make-up schon hübsch, aber ihn jetzt komplett aufgestylt und geschminkt zu sehen war dann doch nochmal ein Unterschied und er hatte für einige Sekunden sicherlich nur auf die Bühne gestarrt, bevor er begonnen hatte, sich zu bewegen. Die ersten drei Lieder hatten ihn die Furi komplett verwirrt, aber nachdem er einige Fans in ihrer Nähe und die Band aufmerksam beobachtet hatte, wurde es besser. Und er stellte fest, dass er schon ewig nicht mehr so viel Spaß gehabt hatte. Das Konzert war sogar noch schneller vorbei, als gedacht und Koichi ertappte sich dabei, wie er schließlich mit den anderen Fans nach einem Encore rief. Er konnte nicht anders, er wollte nicht, dass es vorbei war. Auch wenn er sich irgendwie ziemlich K.O. fühlte, er hätte den ganzen Abend so weiter machen können und als die Band schließlich umgezogen zurück auf die Bühne kam, fand sein Blick den von Ryoga und für einige Sekunden sahen sie sich einfach nur an, bevor sich ein Grinsen auf die Lippen des Sängers legte und er gemütlich in Richtung Bühnenrand schlenderte. Fast hätte Koichi damit gerechnet, dass er sich in die Fans fallen lassen würde - aber nein. Trotzdem klebte sein Blick wie hypnotisiert an Ryoga und als dieser sich mit einem mehr als sexy Hüftschwung an Kifumi schmiegte, hätte er beinahe gefiept. Zum Glück konnte er das gerade noch so unterdrücken, denn das wäre peinlich geworden. Wobei er das Gefühl hatte, dass Ryoga es darauf anlegte, ihn in Verlegenheit zu bringen, so wie dieser sich an K heran schmiegte, kaum dass er Kifumi hatte gehen lassen. Ohje. An die Lieder vom Encore erinnerte er sich gar nicht mehr, dafür waren seine Beine weich wie Gummi, kaum dass die Band die Bühne verlassen und der Vorhang gefallen war. Fuck. Ihm schwirrte der Kopf und er war doch ganz dankbar, dass Machiko immer noch da war, auch wenn sie ihn anstrahlte, als hätte sie im Lotto gewonnen. „Ich hab Kifumis Plek gefangen - du bist ein super Glücksbringer, Koichi!“ Er lachte leise verlegen auf und verschwieg, dass er gar nicht mitbekommen gehabt hatte, dass die Band noch Sachen geworfen hatte, dafür war er gedanklich schon viel zu weit weg. Wie konnte sich der liebe Kerl den er vom Café kannte in diese Person verwandeln, die er auf der Bühne gesehen gehabt hatte? Klar war ihm bewusst gewesen, dass Musiker nicht nur eine Persönlichkeit hatten, aber eine 180 Grad Drehung war irgendwie gewöhnungsbedürftig. Da war er froh, dass Machiko mit ihm zusammen die Halle verließ, auch wenn er ausblendete, was sie sagte, es war beruhigend zu wissen, dass überhaupt jemand bei ihm war, der das auch alles erlebt hatte. Wenngleich es für sie wohl schon Normalität sein könnte, nachdem sie ja zugegeben hatte, öfter auf Born Konzerte zu gehen. Draußen an der frischen Luft hatte er sich erstmal eine Zigarette angezündet, ließ den Kopf in den Nacken sinken und atmete tief durch. Fuck, fühlte er sich zittrig. „Also…Ich muss dann los. Sonst komm ich zu spät zur Arbeit, ich schreib dir, ja?“ Schmunzelnd nickte er Machiko zu und hatte sich direkt eine neue Zigarette angezündet. „Pass auf dich auf.“ „Klar - du auch.“ Lachend wandte sie sich ab, dass sie in Richtung Bahnstation gehen konnte und er fragte sich, ob er sie nicht besser hätte begleiten sollen. Andererseits waren auch noch andere Fans anwesend, die den gleichen Weg hatten und sie wirkte nicht so als wäre sie komplett hilflos. Aus seinen Gedanken gerissen wurde er erst, als er erneut angesprochen wurde und er starrte den Staffmember komplett irritiert an. Wie kam der denn jetzt auf ihn? Aber er war viel zu neugierig, weswegen er dem Staff auch zurück in die Halle folgte. Es dämmerte ihm erst, als sie sich Backstage befanden, dass er das wohl Ryoga zu verdanken hatte und wie um das zu bestätigen, kam ihnen der Sänger halbnackt entgegen. „Hey~ Danke genau den hab ich gesucht.“ Der Staff nickte und verschwand und Koichi kam gerade noch so dazu, ihm nachzusehen, bevor er auch schon an den Sänger gezogen wurde und überrascht aufkeuchte. Ryoga war nass, warm. Und erstaunlich auf Körperkontakt bedacht. „Freut mich dass du gekommen bist, Koichi. Hab vergessen dir zu sagen, dass wir die nächsten zwei Wochen auf Tour sind und bevor du mir einsam wirst, dachte ich, ich stell dir noch die Band vor und du kannst dir solange überlegen ob du zu noch einem Konzert kommen willst.“ Ryoga lachte leise auf und Koichi nickte völlig überfordert - wow. Dafür dass Ryoga sonst wenig und vor allem langsamer sprach war der jetzt aber echt aufgedreht. Musste wohl davon kommen, wenn man Stunden auf einer Bühne verbrachte und eine große Menschenmenge anheizen musste. „Na komm, die anderen müssten eigentlich fertig sein mit Duschen. Aber wir haben noch etwas Zeit, der Staff ist eh noch am abbauen.“ Widerstandslos ließ er sich von Ryoga mitziehen, stolperte mehr oder weniger und war doch ganz froh, dass er ausnahmsweise normale Schuhe angezogen gehabt hatte, anstatt seinen geliebten Plateauboots die er sonst so gern in der Freizeit trug. Ansonsten hätte er doch noch den Boden kennen gelernt. „Heeeeyyy Jungs! Wollte euch doch noch wen vorstellen, sagt hallooo zu Koichi!“ Damit wurde er bereits in den Umkleideraum geschoben und erstarrte erstmal, während ihn vier geschockte Bandmitglieder ansahen. Ups? Zumindest Ray und Tomo waren bereits umgezogen, Kifumi stand noch in Shorts da. Und K hatte sich gerade nach einem frischen Shirt gebückt und Koichi musste schlucken. Sein Blick sprang zwischen den vier hin und her und für einige Sekunden verfluchte er Ryoga direkt. Hatte der überhaupt eine Ahnung, was er ihm damit antat? „Eh? Wo hast du den denn her?“ Koichis Augenbrauen schossen in die Höhe bei diesem Kommentar und hätte Ryoga ihn nicht lachend mit sich aufs Sofa gezogen, hätte er Kifumi wohl die Meinung gegeigt. Was sollte das denn heißen bitte?! „Hör auf zu grummeln, Fumi. Ich hab ihn eingeladen weil ich seinen tollen Kaffee vermissen werde und als Dankeschön. Also pst!“ Damit hatte der Sänger bereits eine leere Wasserflasche geworfen, welcher Kifumi murrend auswich und ihm als Ausgleich die Zunge heraus streckte. Was für eine Chaotenbande. „Mach dir nichts draus, die sind sonst recht umgänglich, hab ihnen heut nur verschwiegen, dass wir noch nen Ehrengast haben.“ „Ah…“ Koichi nickte langsam während er versuchte, woanders hinzusehen. Nur nicht auf den halbnackten Sänger neben sich starren. Ryoga schien es nämlich nicht einzusehen, sich etwas anzuziehen, was schlecht war. Zum einen für sein heftig schlagendes Herz, zum anderen für seine Gesichtsfarbe. Die biss sich momentan nämlich sicherlich super mit seiner Haarfarbe. Fünf Minuten später war die restliche Band wenigstens umgezogen und Tomo hatte ihm ein Bier in die Hand gedrückt. Das half zumindest seinen Nerven - bis sie vom Staff aufgescheucht wurden. Offenbar war alles eingepackt und er folgte der Band summend zum Bus. Vielleicht hätte er das Bier nicht halb auf Ex kippen sollen, aber ansonsten hätte er kein Wort heraus gebracht und es nicht geschafft, sich mit Kifumi zumindest ein bisschen über Bässe zu unterhalten. Vor dem Tourbus jedoch fühlte er sich komplett verloren. K, Ray, Tomo und Kifumi hatten sich nur kurz verabschiedet, bevor sie mit ihren Sachen eingestiegen waren, aber Ryoga hatte sich unter dem strengen Blick eines Staffmitglieds noch eine Zigarette angezündet und zum ersten Mal, seit er ihn kannte, fehlten Koichi die Worte. Der Sänger mochte abgeschminkt und umgezogen sein, aber er hätte diesen Look jederzeit bevorzugt. Nur hatte er keine Ahnung warum er jetzt so wahnsinnig durcheinander war. Weil Ryoga offen zugegeben hatte, dass er sie als Freunde sah? Wider Erwarten war die Zigarette zu schnell aufgeraucht und Koichi musste schlucken, als Ryoga den Zigarettenstummel zu Boden fallen ließ um ihn auszutreten. Also würde er wirklich auf Tour gehen. Er hatte das nie direkt mitbekommen, es war immer nur ein beiläufiger Kommentar gewesen wenn Ryoga bei ihm im Café gewesen war, aber hier jetzt fühlte sich das alles um einiges realer an. Und ihm wurde bewusst, dass er ihn vermissen würde. Dass er zum ersten Mal seit sie sich kannten die nächsten zwei Wochen damit verbringen würde, über die Konzerte nachzugrübeln, die Ryoga jede Nacht geben würde, die Fans und und und… „Ich liebe deine Stimme.“ Offenbar hatte sein Hirn beschlossen, ihn endgültig im Stich zu lassen und Koichi verfluchte sich innerlich. War das wirklich, was er ihm als Letztes hatte sagen wollen?! Klar würden sie sich wieder sehen, ohne Probleme, so eine Tour war schließlich nicht lebensgefährlich, aber trotzdem. Er war ein Vollidiot. Und als Ryoga ihn grinsend an sich zog um ihn verlangend küssen zu können, war er so perplex, dass er den Kuss auch noch erwiderte. Als sie sich wieder voneinander lösten, konnte er Ryoga nur noch anstarren, welcher ihm amüsiert zuzwinkerte. „Damit du mich nicht vergisst und nicht so schnell einsam wirst.“ Er bekam kaum noch mit, wie ihm eine Visitenkarte in die Hosentasche geschoben wurde, als Ryoga ihn ein zweites Mal küsste und dann summend in den Bus verschwand. Koichi konnte dem Tourbus nur nachsehen, wie dieser langsam verschwand, während er sich vorsichtig über die Lippen strich. Wusste Ryoga, dass er selbst schwul war? Oder war das nur ein Anfall von Leidenschaft gewesen? Zu viel Adrenalin nach dem Konzert? Fragen über Fragen die ihm wohl nur einer wieder würde beantworten können - Ryoga. Kapitel 2: Blütenregen ---------------------- Drei Tage später fand sich Koichi am Bahnhof von Osaka wieder und strich sich seufzend eine rosa Haarsträhne aus der Stirn. Er hatte nicht hier her kommen wollen. Wirklich nicht. Aber verdammt noch mal er wollte eine Antwort was die Sache mit dem Kuss sollte! Und nein, er schaffte es nicht, zu warten. Dieses Mal war er zumindest auf das Konzert besser vorbereitet und während er seine Sonnenbrille richtete, nahm er sich vor, Ryoga nicht so leicht davon kommen zu lassen. Bandmitglied oder nicht. Er war weder ein Fangirl, noch ein Spielzeug, wenn das nur eine Masche war, wollte er damit nichts zu tun haben. Zwar konnte er Ryoga keine Vorschriften machen, wie dieser sein Leben verbrachte, aber wenn dann wollte er einen Partner der ihm treu war. Der nicht jede Nacht mit irgendwem anders flirtete oder ins Bett stieg. Vielleicht einer der Gründe, wieso er so lange schon allein war - er hatte einfach Angst davor, verletzt zu werden. Auf dem Weg zur Halle hatte er in einem kleinen Ramenrestaurant einen Zwischenstopp eingelegt, um etwas zu essen und danach überlegt Ryoga zu schreiben. Einerseits wollte er ihn überraschen, so war die Chance auch durchaus größer, dass er ihm nicht sofort entkommen konnte, andererseits war das heute der letzte Tag in Osaka für die Band und damit würde er so oder so kaum Zeit haben. Es war zum verrückt werden. Wenigstens war in Hallennähe sogar ein Seven/Eleven in dem er sich Melonsoda geholt und dann schmollend damit auf den Boden gesetzt hatte. Dass der dämliche Sänger es aber auch geschafft hatte, ihn in ein Gefühlschaos zu stürzen, war alles andere als nett. So früh wie er dran war, ließen sich nicht mal andere Fans sehen und seufzend ließ er den Kopf mehr in den Nacken sinken, bevor er sich müde durch die Haare fuhr. Seitdem Ryoga ihn geküsst hatte, hatte er Schwierigkeiten gehabt, einzuschlafen. Der Sänger kam vielleicht ungefähr ein Jahr bereits regelmäßig ins Café, aber bisher hatte dieser nie irgendwelche Anzeichen gezeigt, überhaupt an Männern interessiert zu sein. Verflucht, er wusste ja nicht mal den richtigen Namen dieses Idioten. Und warum machte er sich bitte überhaupt so viele Gedanken? Er war nur Barista, das hier war doch gar nicht seine Welt. Also für Spaß und Freizeit und so sicherlich, aber doch nicht für mehr. Man. Er hasste sich selbst dafür sich so verrückt zu machen, aber was konnte er denn sonst tun? Ein Blick auf sein Handy zeigte ihm, dass er das alles falsch getimt hatte und seufzend vergrub er das Gesicht in den Händen. Fuck. War er echt so müde, dass er jetzt schon vier Stunden vor dem Einlass hier war? Durfte nicht wahr sein. „Hey, Schönheit. Wartest du auf jemanden?“ Für einen Moment war er sich nicht sicher, ob er gemeint war, dann hatte er jedoch aufgesehen und war erstmal zurück gezuckt als ein schwarzhaariger Kerl schon halb über ihm kniete. Wo war der denn her gekommen und wieso hatte er ihn nicht gehört? „Ey was gehts dich denn an? Kommst du Leuten immer so nahe die nur ihre Ruhe haben wollen?!“ Ja gut, vielleicht war er ein kleines bisschen gereizt. Aber er hasste es, von fremden Menschen angesprochen zu werden und dann auch noch aus dem Nichts! Reichte, wenn ihm die Hostboys in Shinjuku nachriefen weil sie ihn für ein Mädchen hielten. Zu seinem großen Erstaunen jedoch hatte der andere Kerl angefangen zu lachen und sich ihm gegenüber auf den Boden gehockt. „Ganz ruhig, Pinkie! Ich hab dir nur ne Frage gestellt, kein Grund mir das Gesicht abzubeißen!“ Damit hatte der Schwarzhaarige sich eine Zigarette aus der Tasche gezogen und angezündet und Koichi hob beide Augenbrauen. „Bist du auch hier fürs Konzert?“ „Nein, ich warte auf meinen Freund.“ Irgendetwas an dieser Aussage ließ ihn die Stirn runzeln, aber er zog es vor, nicht weiter zu fragen. Der Kerl war eindeutig komisch. „Hey, lass uns nochmal anfangen, ja? Nenn mich Tsuzuku.“ „Koichi.“ Einige Sekunden lang herrschte Schweigen zwischen ihnen, dann stand Tsuzuku wieder auf um sich zu strecken und Koichi fuhr sich müde durch die Haare. Vielleicht hätte er sich lieber Kaffee kaufen sollen. Aber konnte er an sich ja auch noch nachholen. Theoretisch. Er hätte echt mal besser die Zeiten nochmal überprüft, bevor er sich so verrückt gemacht gehabt hatte, den richtigen Bus nach Osaka zu erwischen! Wenigstens hatte er da schlafen können, aber dass er sich gerädert fühlte, würde sich so schnell wohl nicht ändern. Dafür schuldete ihm Ryoga definitiv was und wenn es ein Bier war! „Sag mal, wie kommst dass ich dich noch nie gesehen hab, hm? Wer hat dich angeschleppt? Ich wette es war Ryoga, huh?“ Statt zu antworten, sah er nur ertappt zu seinem Gegenüber auf, aber das schien Tsuzuku zu reichen, welcher lachend ein beinahe schon triumphales „Ich habs gewusst!“ Von sich gab und ihn dann unschuldig angrinste. „Sorry, Kleiner. Aber Ryoga schleppt gerne mal fremde Kerle an, nimms nicht persönlich, ja? Niedlich bist du ja.“ Bitte was? Koichi spürte wie sich ihm der Magen umdrehte bei diesen Worten und er wäre zu gerne aufgesprungen und hätte sein Gegenüber zur Rede gestellt, wenn nicht eine ihm nur zu bekannte Gestalt ums Eck gekommen wäre und ihm damit einen Strich durch die Rechnung machte. „Wenn man vom Teufel spricht…Hey, Ryo.“ So vertraut wie Tsuzuku sich dem Anderen näherte war es offensichtlich dass er ihn besser kannte und in Koichi krampfte sich alles zusammen. Waren die beiden ein Paar? Aber wieso hätte Ryoga ihn dann küssen sollen? Oder hatte er Recht gehabt und er bedeutete ihm nichts? Und die wichtigste Frage überhaupt - warum interessierte ihn das denn so sehr? War es nur weil Ryoga der erste Mann seit Jahren war der ihn von sich aus geküsst gehabt hatte? Oder machte der Schlafmangel ihn irre? Zumindest umarmten die Zwei sich nur. „Was machst du überhaupt schon hier draußen? Dachte Soundcheck läuft noch?“ Der Sänger zuckte müde mit den Schultern, fuhr sich durch die Haare und Koichi runzelte die Stirn. Soundcheck? Davon hatte er ja gar nichts mitbekommen. Erklärte aber, wieso Ryoga schon hier war und der Rest der Band ja offensichtlich auch. „Ach uns hats nen Verstärker zerstört. Ray kümmert sich da drum, K spielt moralische Unterstützung und Tomo versucht zu verhindern dass der Technik Staff graue Haare bekommt. Kifumi telefoniert mit den Musikläden in der Nähe ob sie eventuell einen passenden Verstärker auf Lager hätten und na ja. Da dachte ich, ich hol uns Kaffee und ein paar Bentos.“ Mittlerweile hatte sich auch Koichi erhoben und überlegte, ob er einfach gehen sollte. Immerhin die Zwei schienen sich gut zu verstehen, er wollte keinem Gespräch lauschen, das nicht für ihn bestimmt war und überhaupt…Kaffee klang gut. Jedoch kam er nicht mal dazu, sich umzudrehen, weil Ryoga da auch schon halb an ihm klebte und ihn eng umarmte. Wie unerwartet. „Sorry…Hätte nicht gedacht, dass du überhaupt kommst und war mir nicht sicher ob ich mir dich nur einbilde.“ Ryoga lachte leise und Koichi hob beide Augenbrauen. War der Sänger jetzt schon betrunken? Oder nahm der auf Tour irgendwelche Drogen? Im nächsten Moment schlang sich noch ein Arm um ihn und Koichi verzog das Gesicht. Das wurde ihm langsam zu viel Körpernähe. „Klingt als hättest du den Kaffee wirklich dringend nötig.“ Ryoga brummte als Antwort, ließ aber zum Glück wieder los und Koichi atmete auf. So gern er den Sänger auch hatte, Körperkontakt war ihm nach wie vor unangenehm in der Öffentlichkeit. Dass Tsuzuku die Gelegenheit nutzte, um die Arme um sie beide zu legen, ließ ihn seufzen, aber er schwieg, ging jedoch sofort auf Abstand, kaum dass sie den Seven/Eleven wieder betreten hatten und verschwand direkt in Richtung des Kaffeeregals. Er konnte Tsuzuku nicht einschätzen und vielleicht wäre es besser die Zeit vor dem Konzert allein zu verbringen. Allerdings schien er kein Glück zu haben, weil die Beiden ihm gefolgt waren und als sie wenig später auf dem Weg zur Kasse waren, war er sich mehr als sicher, dass es ein Fehler gewesen war, nach Osaka zu fahren. Vor dem Laden bestätigte sich dieser Gedanke erneut, als Kifumi sie abfing und er konnte nur noch tief seufzen. Das Gefühl, in eine Welt geraten zu sein die nichts für ihn war, wurde übermächtig, als er beobachtete wie Tsuzuku auch Kifumi umarmte und er öffnete stumm seinen Kaffee um einen großen Schluck zu trinken und verzog das Gesicht. Igitt. Hatte er wirklich eine Dose schwarzen Kaffees erwischt? „Hier.“ Koichi sah fragend auf, als ihm eine regenbogenfarbene Dose vor die Nase gehalten wurde und er starrte Ryoga mit großen Augen an, bevor es langsam Klick machte. Oh. „Aber…Das ist dein Kaffee. Ich kann doch nicht…“ „Schon gut, wir tauschen einfach, ja?“ Ryoga zwinkerte ihm zu und Koichi betete innerlich, dass der Erdboden ihn verschlucken möge. „Aber ich hab schon davon getrunken und…“ Bevor er weiter protestieren konnte, wurde ihm die Dose aus der Hand genommen, Ryoga hielt Blickkontakt, während er einen großen Schluck trank und Koichi erschauderte. Ja, er hatte eindeutig ein Problem. Allerdings wollte er auch nicht unhöflich sein, weswegen er die Dose öffnete, die Ryoga ihm in die Hand gedrückt gehabt hatte und ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er einen Schluck getrunken hatte. Besser. Eindeutig besser. „Eigentlich darf ich dich nicht mit in die Halle nehmen, aber ich will dich auch nicht hier allein draußen lassen, während wir essen…“ Koichi legte fragend den Kopf schief, Ryoga zuckte mit den Schultern. Im nächsten Moment wurde ihm die Tüte mit den verschiedenen Bentos in die Hand gedrückt und er hob eine Augenbraue. „Also sagen wir einfach du hast unser Essen getragen und verhältst dich unauffällig, ja?“ Ein fragender Blick zu Kifumi und Tsuzuku zeigte nur, dass die Zwei in ein Gespräch vertieft waren und da wollte er auch nicht stören. Also folgte er Ryoga seufzend in das Gebäude und durch die verwinkelten Gänge, bis sie im Aufenthaltsraum der Band angekommen waren. Verdammt fühlte er sich hier fehl am Platz! Zumindest bis Tomo ihn grinsend fragte, wieso er sich so lang Zeit gelassen und ob er Angst vor ihnen gehabt hatte. „Pft…Vor euch nicht aber bei Ryoga kann man nie wissen.“ Grinsend streckte er dem Sänger die Zunge heraus und dieser verschluckte sich beinahe an seinem Kaffee. „Ja…Ich hab dich auch vermisst, Koichi.“ Das Essen mit der Band und Tsuzuku verlief relativ ruhig, auch wenn es Koichi etwas seltsam vor kam, dass Tsuzuku auf Kifumis Schoß saß und sich füttern ließ. Waren die Zwei zusammen? Hatte Tsuzuku wirklich den Bassisten gemeint? Wie er die Beiden so beobachtete, entging ihm völlig, dass Ryoga aufgehört hatte zu essen und sein Bento mit einem gequälten Ausdruck in den Augen zur Seite geschoben hatte. Erst als der Sänger aufstand und sich entschuldigte, sah Koichi verwirrt auf - was hatte er denn jetzt verpasst? Und wollte er es wirklich wissen? Andererseits war das wohl kein normales Verhalten und der Rest der Band schien das zu ignorieren…Gerade als er aufgestanden war, traf ihn ein fragender Blick von K und er zuckte schwach mit den Schultern, murmelte etwas von „Klo“ und verließ den Raum, während er tief durchatmete. Jetzt blieb nur noch eine Frage zu klären - wohin war der Sänger geflüchtet? Lange dauerte es nicht, Ryoga zu finden, aber es gab hier auch keine andere Möglichkeit zu rauchen, als direkt hinter der Halle. Und nachdem er selbst immer rauchte, wenn er gestresst war…“Ryoga?“ Koichi biss sich auf die Unterlippe, als er sich dem Sänger näherte, er hätte schwören können, dass dessen Schultern zitterten, aber er wollte auch keine voreiligen Schlüsse ziehen. Es war doch noch alles gut gewesen beim essen. „Geh weg.“ Koichi zuckte heftig zusammen, als er so angefaucht wurde, bevor er sich leise seufzend durch die Haare fuhr. „Nein. Ich bin nicht extra von Tokio nach Osaka gefahren und hab Tsuzuku ertragen, nur dass du mir sagen kannst ich soll wieder verschwinden! Ich weiß nicht, was mit dir los ist, Ryoga, aber verdammt noch mal, du schuldest mir eh noch ne Erklärung wieso du mich in Tokio geküsst hast, dann kannst du auch gleich anfangen mir zu sagen, was jetzt mit dir los ist. Ich warte. Und im Gegensatz zu dir hab ich keinen Terminplan auf den ich achten muss.“ Murrend verschränkte er die Arme vor der Brust, dann hatte er sich selbst eine neu gekaufte Packung Zigaretten aus der Hosentasche gezogen, um sich einen Glimmstängel anzuzünden und Ryogas Hinterkopf düster anzustarren. Ja, er war schüchtern, zurück haltend und er hasste Konflikte, aber das hier wurde ihm einfach alles zu viel. Zumindest schien es auch zu wirken, denn Ryoga drehte sich um, aber als er den Ausdruck in dessen Augen sah, hätte Koichi am Liebsten die Zeit zurück gedreht. Da war so viel Einsamkeit und Traurigkeit, dass es ihm ins Herz schnitt und er verschluckte sich beinahe am Rauch seiner Zigarette. „Ryoga…“ „Ich hasse ihn.“ Keine Erklärung, kein Kontext, nur dieser eine Satz. Und im Moment machte es sogar Sinn. Sie rauchten wortlos weiter, Koichi unsicher, was er sagen sollte und Ryoga zu müde um sich zu erklären. Bevor der Sänger jedoch zurück gehen konnte, hatte Koichi ihn am Arm zurück gehalten und ihm ein schwaches Lächeln geschenkt. „Wenn du reden willst…Ich hör dir zu, ok?“ Immerhin, das war auch ein Teil seines Jobs. Auch wenn man es nicht glauben mochte und es nicht so häufig passierte wie in einer Bar. Aber auch Barista waren froh, wenn sie mit ihren Kunden reden konnten und in einem zeichnete er sich immer aus - Kunden zufrieden zu stellen. Und technisch gesehen war Ryoga immer noch das. Auch wenn sie praktisch wohl längst darüber hinaus gekommen waren. Der Sänger schenkte ihm ein schwaches Lächeln bevor er seine Zigarette im Aschenbecher ausdrückte, dann schüttelte er den Kopf. „Schon gut. Mach dir keine Sorgen um mich, ja? Das ist nichts. Ich muss nur lernen dass es Leute gibt, denen es scheißegal ist, was ich fühle.“ Koichi ließ seine Zigarette ebenfalls im Aschenbecher sterben, dann atmete er tief durch. „Ok. Dann beantworte mir wenigstens wieso du mich geküsst hast.“ Kurz zögerte Ryoga, dann zog er Koichi erneut eng an sich heran und dieser hatte das Gefühl, dass sein Herz einen Schlag aussetzte. „Weil du viel zu gut für mich bist und ich wenigstens ein Mal wissen wollte, wie es sich anfühlt, geliebt zu werden.“ Kapitel 3: Blütensturm ---------------------- Ein Schlag ins Gesicht hätte nicht effektiver sein können und hätte Ryoga ihn nicht festgehalten, wäre Koichi einige Schritte zurück gestolpert. Hatte er das richtig gehört? „Du hättest wenigstens fragen…!“ Weiter kam Koichi gar nicht, weil er am Kragen geschnappt und erneut geküsst wurde und im ersten Moment war er versucht, Ryoga von sich zu schieben, ihm zu sagen, dass er ein Bastard war und dass er ihn mal kreuzweiße am Arsch lecken konnte. Allerdings musste er leider zugeben dass der Sänger wahnsinnig gut küssen konnte und die Einsamkeit gewann schließlich doch die Oberhand, bis er es war, der sich mit einem leisen Laut an seinem Gegenüber festklammerte. Was tat er hier nur? Dass war nicht seine Art. Aber warum musste es sich so gut anfühlen? Als Ryoga sich von ihm löste, dauerte es einige Sekunden, bis Koichi bewusst wurde, was er getan hatte, dann stolperte er einige Schritte zurück, fassungslos sein Gegenüber anstarrend. Wenigstens wirkte Ryoga genau so irritiert wie er selbst und nachdem sie beide erst wieder zu Atem kommen mussten, blieb es bei einem stummen Blickduell. Er hatte es doch gewusst, er hätte niemals nach Osaka fahren sollen. „Ryo…“ Dieser schüttelte den Kopf und Koichi musste schlucken. Das war so gar nicht gut. Wie sollte er aus dieser Situation je wieder heraus kommen? „Können wir einfach so tun als wäre das alles nicht passiert? Bitte…“ Tränen begannen sich in Koichis Augen zu sammeln, ungeachtet des flehenden Tonfalls seines Gegenübers, aber er nickte. Es tat grauenvoll weh, aber was hatte er auch erwartet? Ryoga hatte doch bereits zugegeben, dass er einsam und verletzt war. Wieso sollte er es da mit ihm auch ernst meinen? „Es tut mir Leid.“ Wie gerne er Ryoga gepackt und geschüttelt hätte. Das alles hier war ein furchtbarer Alptraum - wieso konnte er nicht einfach aufwachen? Stumm waren sie in den Aufenthaltsraum zurück gekehrt, wobei Koichi den Blick auf den Boden gerichtet hatte. Sollte er überhaupt noch fürs Konzert bleiben? Hatte das Sinn? Würde er es ertragen können, Ryoga auf der Bühne zu sehen, nach dem, was dieser ihm gesagt hatte? Er versank so sehr ins Grübeln, dass er einen Satz zur Seite machte, als Tomo ihn anstieß. „Huh? Was? Entschuldige, ich war in Gedanken…“ Der Drummer schenkte ihm ein schwaches Lächeln und Koichi zwang sich, tief durchzuatmen. „Alles gut. Unser Staff ist nur auf dem Weg mit dem Ersatzverstärker und wir sollten dann schauen, dass wir den Soundcheck beenden. Ich will dich nicht rauswerfen, aber…“ Koichi fuhr sich durch die Haare, bevor er nickte und dem Anderen eine Hand auf die Schulter legte. „Ich versteh schon. Ich gehör nicht offiziell zur Band, geschweige denn zum Staff und soll schauen, dass ich verschwinde bis Einlass ist, huh?“ Tomo grinste schief und Koichi verspürte einen Stich im Brustkorb. Wieso war er so blöd gewesen und hatte gehofft, sich in dieser Welt zurecht finden zu können, geschweige denn, dass er ein Teil von ihr werden konnte? Er liebte Musik. Aber sie ihn ganz offenbar nicht. „Dann hoffe ich, dass ihr dieses Mal keine weiteren Probleme bekommt. Viel Glück.“ Er hatte sich noch von den anderen Bandmitglieder verabschiedet, wobei Ryoga es vermied ihm in die Augen zu sehen. Danach hatte er die Halle verlassen, wunderte sich gar nicht darüber, dass Tsuzuku keinerlei Anstalten machte, ebenfalls aufzustehen und kaum, dass er wieder an der frischen Luft war, hatte er sich eine Zigarette angezündet, war in eine Seitengasse abgebogen und dort zu Boden gesunken. Die Tränen kamen schneller, als er sie zurück drängen konnte und irgendwann hatte er die aufgerauchte Zigarette auf dem Boden ausgedrückt, das Gesicht in den Händen vergraben und nur noch geweint. Koichi wusste nicht, wie lange er da gesessen und geweint hatte, aber irgendwann waren keine Tränen mehr übrig und er fühlte sich einfach nur noch erschöpft. Eins stand fest - hier bleiben würde er nicht. Wie sollte er Ryoga auf der Bühne beobachten in dem Wissen, dass dieser auch nicht mehr in ihm sah als einen liebenswürdigen Idioten mit dem man tun und lassen konnte, was man wollte? Er hatte immer noch dessen Worte im Ohr, aber wie sollte er ihm so glauben? Er hatte ihn geküsst, weil er sich geliebt fühlen wollte? Was für ein Schwachsinn. Das sollte er dem nächsten Fan erzählen, der ihm schöne Augen machte. Schniefend wischte er sich über die Augen und hatte sich langsam wieder auf die Beine gekämpft. Ob er auch einen früheren Bus nach Tokio zurück nehmen konnte? Wozu hatte er sich nochmal frei genommen gehabt? Das war so dämlich. Alternativ würde er einfach mit dem Zug fahren. Hauptsache hier weg. Am Bahnhof angekommen hatte er zwar noch etwas gezögert, aber sich schweren Herzens dann doch entschieden, mit dem Zug zurück zu fahren. Es war schneller. Allerdings kam er nicht dazu, sich ein Ticket zu kaufen, weil er angesprochen wurde und beinahe seinen Geldbeutel hätte fallen lassen. „Machiko?“ Er hätte wohl damit rechnen müssen, sie hier zu treffen. Er war schneller umarmt worden als er hatte schauen können und hatte die Umarmung schwach erwidert - irgendwie sollte er wohl sauer sein, dass sie ihn aufhielt. Aber andererseits konnte sie ja nichts dafür und nachdem sie keine Ahnung hatte, was passiert war und er den Teufel tun und ihr von seiner Knutscherei mit Ryoga erzählen würde, sollte er ihr wohl eher dankbar sein, dass sie ihn von den düsteren Gedanken in seinem Kopf ablenkte. „Ich hätte nicht erwartet, dich hier zu treffen, aber umso besser! Du schuldest mir noch Begleitschutz!“ Damit hatte sie sich lachend bei ihm eingehakt und ihn bereits wieder in Richtung Halle geführt und er brachte es einfach nicht über sich, ihr zu sagen, dass er zurück nach Tokio wollte ohne sich das Konzert an tun zu müssen. „Was machst du eigentlich schon so früh hier? Ich hab mir ja extra heute und morgen frei genommen…“ Es tat gut, nicht allein sein zu müssen. Das wurde Koichi bewusst, als sie genau den gleichen Weg wieder zurück gingen, nur dass er dieses Mal gar nicht in Gedanken versinken konnte. „Kannst du mir eigentlich mit meinem Make-up helfen? Du sahst so gut aus das letzte Mal und nachdem du heute auch noch nicht geschminkt bist…“ Machiko schenkte ihm ein unschuldiges Lächeln und Koichi verdrehte die Augen - ohje. „Nur wenn du Make-up dabei hast…“ „Natürlich!“ Zumindest schien er einen Menschen heute glücklich machen zu können. Zwar nicht sich selbst aber hey, er wäre auch ein Idiot wenn er das einzige Fangirl vergraulen würde, das freiwillig mit ihm sprach. Dass er nicht vor hatte, sich weiter mit der Band zu befassen, würde sein kleines Geheimnis bleiben. Eines konnte Koichi jedoch nicht leugnen, egal wie sehr er es versuchte - Born hatten eine unglaubliche Energie Live. Dank Machikos Kontakten war es nicht schwer gewesen, sein Ticket mit einem anderen Fan zu tauschen und nachdem er zugegeben hatte, dass das erst sein zweites Konzert war, hatte er viel mehr Verständnis erhalten, dass er in Machikos Nähe bleiben wollte, als erwartet. Ob die Mädchen auch so nett gewesen wären, wenn sie gewusst hätten, dass er Ryoga näher gekommen war? Wohl kaum. Nach dem dritten Lied konnte er allerdings gar nicht mehr grübeln, dafür genoß er es zu sehr. Die Musik hatte ihn so sehr in ihren Bann gezogen, dass ihm erst bewusst wurde, wer neben ihm stand, als die Band von der Bühne gegangen war und die Encorerufe eingesetzt hatten. Tsuzuku. Was hatte der denn hier zu suchen? Sollte der nicht irgendwo in der ersten Reihe stehen und Kifumi ansabbern? Andererseits wäre es wohl schwer für den Bassisten, sich zu konzentrieren wenn der seinen Liebsten direkt vor sich hatte, aber irgendetwas störte Koichi an der Tatsache dass Tsuzuku direkt neben ihm stand und ihn breit angrinste, als hätte er im Lotto gewonnen. Es ergab keinen Sinn, sie kannten sich kaum. Er hatte überlegt, etwas zu sagen, aber leider hatte die Band genau diesen Zeitpunkt gewählt, auf die Bühne zurück zu kehren und das Fangeschrei wurde für einige Sekunden ohrenbetäubend, bevor es verstummte und Koichi richtete seine Konzentration wieder komplett auf die Bühne und auch wenn er es nicht wollte, sein Blick suchte automatisch nach Ryoga. Dieses Mal jedoch wich der Sänger ihm komplett aus und auch wenn er damit wohl hätte rechnen sollen, die Enttäuschung, welche sich daraufhin in ihm breit machte, machte es schwer, die restlichen Lieder noch zu genießen und als die Band das zweite Mal von der Bühne ging, nutzte er die Gelegenheit um nach draußen zu verschwinden. Vielleicht war es nicht fair, Machiko gegenüber, aber er musste einfach hier raus. Und einige Sekunden allein sein um wieder atmen zu können. Dass er sich so sehr in Ryoga getäuscht haben sollte war unvorstellbar aber andererseits…Was hatte er erwartet gehabt? Dass dieser ihm seine unsterbliche Liebe erklärte? Wie lächerlich. An den Schmerzen änderte die Realität allerdings leider nichts und zitternd ließ sich Koichi vor der Halle zu Boden sinken, dass er sich eine Zigarette anzünden konnte. Zumindest war das der Plan gewesen, aber nachdem sein Feuerzeug streikte, ließ er müde den Kopf in den Nacken kippen. War ja klar gewesen. Scheißdreck. Als ein Feuerzeug sich in sein Blickfeld schob, nahm er dieses ohne nachzudenken an und bedankte sich leise, bevor er es zurück gab. Allerdings bereute er es in dem Moment als er den Blick hob und sich Tsuzuku gegenüber sah. Genau der Person, die er jetzt wirklich nicht hatte sehen wollen. „Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen. Wieso bist du denn so gerannt, hm? Willst du dich nicht noch von Ryoga verabschieden?“ Einige Sekunden lang starrte Koichi sein Gegenüber ungläubig an, während er stumm rauchte, dann wurde ihm wieder bewusst, dass Tsuzuku keine Ahnung hatte, was vorgefallen war. Der war nicht dabei gewesen, als Ryoga ihm so eiskalt das Herz gebrochen hatte. Aber er würde ihn sicherlich nicht aufklären. Und vor allem nicht hier wo so viele Fans in der Nähe waren die mithören konnten. Also schüttelte er den Kopf und zuckte leicht, als ihm durch die Haare gewuschelt wurde. „Langweilig.“ Damit hatte sich Tsuzuku ebenfalls eine Zigarette angezündet und blies den Rauch schmunzelnd in den Himmel, während Koichi darüber nachdachte, wie sauer Kifumi auf ihn sein würde, wenn er dessen Freund die Nase brach. Vermutlich sehr sauer. Andererseits - was interessierte ihn das überhaupt noch? Er hatte mit der Band nichts mehr zu tun und würde es auch nie haben. Doch bevor er seinen Plan in die Tat umsetzen konnte, hatte Machiko ihn gefunden und Koichi erstarrte mitten in der Bewegung was furchtbar dämlich aussehen musste, da er gerade im Begriff gewesen war, aufzustehen. „Man Koichi…So schlecht war das Live doch auch nicht, dass du mich einfach stehen lassen musstest!“ Wie kam er da denn jetzt am Besten wieder raus? Machiko verschränkte schmollend die Arme vor der Brust und seufzend hatte Koichi die aufgerauchte Zigarette ausgedrückt, grinste sie entschuldigend an. „Tut mir Leid. Ich verspreche, es kommt nie wieder vor.“ Das war nicht mal gelogen, nachdem er nicht vor hatte, weitere Konzerte zu besuchen, aber das behielt er lieber für sich. Am Ende würde sie es noch persönlich nehmen, man wusste nie. Ein Schnauben verließ ihre Lippen, bevor sie die Augen verdrehte und tief aufseufzte. „Ok. Aber du zahlst unser Abendessen. Und sagst mir wer dein Freund ist.“ Damit hatte sich sich bereits Tsuzuku zugewandt und Koichi fragte sich zum wiederholten Male wie er nur in so eine Situation hatte geraten können. Oh hätte er doch niemals Ryogas Angebot angenommen, ihn auf einem Konzert zu besuchen, dann wäre das ganze Chaos nie passiert. „Ah…Tsuzuku.“, murmelte er schließlich leise, während dieser jetzt bis über beide Ohren grinste. Koichi lief es eiskalt über den Rücken. Nein er konnte den Kerl nicht einschätzen und es machte ihn wahnsinnig nervös. „Freut mich. Ich wusste gar nicht, dass Koichi mit so hübschen Mädchen befreundet ist.“ Täuschte er sich oder wurde Machiko wirklich rot? Am Liebsten hätte er sich die Hand an die Stirn geklatscht - wer fiel denn auf so einen Spruch noch herein? Das war ja peinlich. Durfte er hier weg? Würde es auffallen, wenn er einfach gehen würde? Andererseits war die Gefahr groß, dass Ryoga hier irgendwo herum lief und sei es nur um in den Tourbus zu gelangen. Also sollte er wohl doch besser hier bleiben. Gedanklich begann er trotzdem abzudriften, schreckte erst hoch, als ihm eine Hand auf die Schulter geschlagen wurde und er verzog das Gesicht. „Ne, Koichi?“ „Huh…“ Er blinzelte irritiert, sah von einem zum anderen und legte schließlich den Kopf fragend schief. „Tut mir leid, ich hab nicht aufgepasst.“ Ohje. „Ach schon gut. Hab nur Machiko gesagt, wie sehr ich mich aufs Tour Final in Tokio freue. Du kommst doch sicherlich auch, oder?“ Koichi spürte, wie seine Kehle trocken wurde, als ihm der erwartungsvolle Blick in Machikos Augen auffiel und er funkelte Tsuzuku böse an. Dieser Bastard. Tsuzuku mochte keine Ahnung haben, was er ihm damit gerade angetan hatte, aber das nächste Mal, wenn er den Kerl sehen würde, würde er ihm definitiv eine rein hauen. „Natürlich.“ „Perfekt.“ Damit hatte Tsuzuku bereits sein Handy gezückt und bevor er noch hatte fragen können, was das werden sollte, hatte Machiko ihr Handy ebenfalls aus der Tasche gezogen und ihm bedeutet, das Gleiche zu tun. Als sie endlich auf dem Weg zum Bahnhof waren, fühlte es sich an, als ob sein Handy ihm ein Loch in die Tasche brennen würde und Koichi erschauderte. Sie hatten doch nur Linekontaktdaten ausgetauscht. Wieso hatte er das Gefühl, einen verhängnisvollen Fehler begangen zu haben? Kapitel 4: Blütentaifun ----------------------- Mit einem leisen Murren verräumte Koichi die frisch gespülten Tassen und verzog leicht das Gesicht als ihm eine davon entglitt und zu Boden fiel um dort in gefühlt tausend Scherben zu zerbrechen. Verdammt. Er war so wahnsinnig müde. Seufzend hatte er sich Besen und Kehrblech geschnappt um das Chaos zu beseitigen, während seine Kollegin ihm einen mitfühlenden Blick schenkte und dann wieder in den Verkaufsraum verschwand. Seit er aus Osaka zurück war, schlief er schlecht. Entweder konnte er ewig nicht einschlafen, oder er schreckte aus Alpträumen hoch. Ryogas Worten verfolgten ihn immer noch, ganz egal wie oft er sich sagte, dass es nichts zu bedeuten hatte. Tatsache war, dass es Jahre her war, dass ihn jemand mit so viel Gefühl geküsst hatte. Und dann sollte er das alles einfach vergessen? Unmöglich. Selbst wenn er sich eine Woche lang jeden Tag betrinken würde, wäre es nicht genug um seine Erinnerung auszulöschen. Allerdings würde es ausreichen um seine Arbeit zu verlieren und so hatte er sich bisher von jeder Versuchung fern gehalten. Ryoga war es nicht wert um alles zu zerstören was er sich aus eigener Kraft aufgebaut gehabt hatte, ganz egal wie verletzt er war. Durfte doch alles nicht wahr sein! Er konnte im Moment nicht mal Musik hören weil es ihn an Ryoga erinnerte und sein Versprechen, dass er zum Tour Final kommen würde. Warum hatte er vor Machiko auch nicht Nein sagen können? Sie wusste doch, dass er arbeiten musste. All das nur weil er sich keine Blöße hatte geben wollen? Es war zum verrückt werden. Andererseits, wie sollte man in so einer Situation auch bei klarem Verstand bleiben? Er hatte sich geschworen, nie wieder auf ein hübsches Gesicht herein zu fallen und dann das. Wie froh Koichi war, als seine Schicht endlich beendet war, konnte er gar nicht sagen, langsam war es schwer geworden, die Augen offen zu halten. Zu seinem Glück hatte es die letzte Stunde über begonnen zu regnen und mit einem tiefen Seufzen fuhr sich Koichi durch die Haare. Super. Und er hatte natürlich keinen Regenschirm dabei, seine Kollegen waren alle mit dem Auto da und bereits weg…Dann musste er wohl laufen. Denn ein Taxi war einfach zu teuer. Grauenvoll. Konnte der Tag noch besser werden? Der einzige Vorteil den er hatte, war dass niemand sehen konnte, dass er weinte, während er mit gesenktem Kopf den Weg zur nächsten Bahnstation einschlug. Vielleicht würde er sich morgen einfach krank melden, denn gerade war ihm sehr stark danach sich zu betrinken, bis er nichts mehr spüren konnte. Allerdings schien das Schicksal andere Pläne mit ihm zu haben. So in Gedanken versunken wurde ihm erst bewusst, dass er in jemanden gerannt war, als der Regen aufhörte, auf ihn hinunter zu prasseln, ohne dass er sich irgendwo untergestellt gehabt hatte. Oh. Fast hätte er sich entschuldigt, als er jedoch aufsah, sah er sich Tsuzuku gegenüber und die Worte erstarben auf seiner Zunge. Der hatte ihm gerade noch gefehlt und einige Sekunden lang starrten sie einander wortlos an, bevor Koichi den Kopf schüttelte und versuchte sich an seinem Gegenüber vorbei zu drängen. Nein er war zu müde für so einen Mist. Leider hatte er keinen Erfolg mit seiner Flucht, nachdem er am Oberarm festgehalten wurde. „Koichi…Ich kann verstehen, dass ich der letzte Mensch auf Erden bin mit dem du gerade reden willst, aber bitte…Wie hoch ist die Chance dass wir uns je wieder sehen? Lass uns über das reden was in Osaka passiert ist. Bitte. Es gibt Dinge die du über Ryoga wissen solltest…“ Im ersten Moment hatte Koichi schreien wollen. Dann war ihm wieder bewusst geworden, dass sie in der Öffentlichkeit waren und er wollte definitiv keine Szene machen, weswegen er resignierte. „Ok. Können wir uns aber bitte wenigstens irgendwohin setzen? Ich war die ganze Schicht über auf den Beinen…“ Als Tsuzuku nickte, hakte er sich schicksalsergeben bei diesem ein und ließ sich weiter die Straße entlang führen. So müde wie Koichi war, kam es ihm nicht mal seltsam vor, dass sie recht schnell an Tsuzukus Auto angekommen waren und er ließ sich gähnend auf den Beifahrersitz sinken. Kaum dass er dem Anderen seine Adresse genannt gehabt hatte, war er auch schon eingeschlafen. Als Koichi die Augen wieder öffnete, dauerte es etwas, bis er es schaffte sich zu orientieren und noch einige Minuten länger, bis ihm bewusst wurde, dass er offenbar entführt worden war. Zumindest war er nicht in seiner Wohnung, dafür immer noch in Tsuzukus Auto. Die Umgebung wirkte zu ländlich um noch in Tokio zu liegen und der Regen hatte aufgehört. Träumte er das hier vielleicht doch noch? Verrückt genug wäre es auf jeden Fall. Leise gähnend hatte er sich schließlich abgeschnallt, ordentlich gestreckt und war dann aus dem Auto gestiegen um den Blick schweifen zu lassen. Wow. Er wusste immer noch nicht, wo sie waren, aber es war wunderschön hier. Das Licht der Sterne und des Mondes reichte erstaunlichweiße aus, dass er recht schnell eine Gestalt auf der Motorhaube ausmachen konnte und als er sich ihr näherte, erkannte er Tsuzuku und hob eine Augenbraue. Na auf die Erklärung war er wirklich gespannt. „Na aufgewacht, Kleiner? Hast ja nen echt tiefen Schlaf.“ Koichi schnaubte leise und verschränke die Arme vor der Brust. Der Kerl hatte echt Nerven. „Und du scheinst echt kein Gewissen zu haben, huh? Entführst du immer ahnungslose Kerle die zu dir ins Auto steigen?“ Tsuzuku schwieg und für einige Sekunden sahen sie sich gegenseitig an, bevor der Schwarzhaarige neben sich klopfte und nach kurzem Zögern war Koichi dann auch auf die Motorhaube geklettert. Sehr zu seiner Verwunderung war das um einiges bequemer als gedacht und seufzend lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Windschutzscheibe und starrte in den Himmel. Hatte er die Sterne je so klar sehen können? Er erinnerte sich kaum und es hatte etwas seltsam beruhigendes an sich, solange er nicht daran dachte dass er mit einem Fremden irgendwo im Nirgendwo saß und sonst etwas passieren könnte. „Wie viel weißt du über Ryoga?“ So aus den Gedanken gerissen nahm Koichi erstmal seufzend die ihm hingehaltene Zigarette an und fischte sich sein Feuerzeug aus der Hosentasche um sie anzuzünden und einen tiefen Zug davon zu nehmen. Ob er je heraus finden würde, wo sie sich befanden? Vermutlich nicht. „Keine Ahnung was das werden soll, aber wenn es dich beruhigt - alles was ich wirklich über ihn weiß ist sein Name, wie er seinen Kaffee trinkt und dass er Sänger einer Band ist. Und offensichtlich ein genau so großes Arschloch wie mein Exfreund.“ Koichi zuckte schwach mit den Schultern, bevor er noch einen Zug von seiner Zigarette nahm und die Augen schloss. „Ich bin kein Fan, wenn du das denkst. Nur der Kerl der ihm seinen Lieblingskaffee zubereitet. Ich weiß nicht, was er sich davon erhofft hat, mich auf ein Konzert einzuladen. Geschweige denn, wieso er wollte dass ich in Osaka dabei bin. Und ich habe erst Recht keine Ahnung, wo wir sind oder wieso du mich entführt hast. Ich bin nicht mehr als nur ein verdammter Barista der einfach nur glücklich werden will im Leben. Ist das zu viel verlangt?“ Ein leises Lachen kam von Tsuzuku, woraufhin Koichi diesem einen bösen Blick schenkte. Arsch. „Weißt du…Ich bin Schuld daran, dass Ryoga dich in Osaka geküsst hat. Er ist nach wie vor in mich verliebt und ich weiß nicht mehr was ich tun soll.“ Allein aus Reflex heraus wäre Koichi beinahe von der Motorhaube gesprungen, konnte sich aber gerade noch darauf besinnen, besser sitzen zu bleiben. Nur die Zigarette fiel ihm aus den Fingern und fluchend schlug er danach - zum Glück war seine Jeans dick genug gewesen um nicht mehr als ein kleines Brandloch aufzuweisen und grummelnd steckte er sich den Zeigefinger in den Mund um daran zu lutschen. Super. Hose kaputt, Fingerkuppe angebrannt, der Tag wurde echt immer besser. Oder die Nacht. Gehörte ja an sich auch noch dazu, war aber dann auch schon wieder vollkommen egal. „Verarschen kann ich mich allein.“, murrte er schließlich in Tsuzukus Richtung, welcher ihm einen mitleidigen Blick schenkte. Echt eine verdammte Scheiße hier. Taten Zigaretten immer so weh wenn man sich an ihnen verbrannte?! „Glaubst du ich mach mir den Aufwand um dich hier raus zu bringen damit ich dir irgendeinen Schwachsinn erzählen kann, den ich mir während der Fahrt ausgedacht habe?“ Das amüsierte Funkeln in Tsuzukus Augen ließ Koichi inne halten und schlussendlich zuckte er mit den Schultern. „Keine Ahnung.“ „Ich weiß ja nicht, was in deinem Leben bisher schief gelaufen ist, Pinkie. Aber glaub mir, ich mach mir nicht den Aufwand mit jedem nach Chiba zu fahren um zu reden. Das mit Ryoga ist absolut scheiße gelaufen und ich sage nicht dass ich mich nicht wie ein Arschloch verhalten habe oder es immer noch tue. Ich will nur dass du meine Seite der Geschichte verstehst und vielleicht beim Tour Final dann nicht mehr drüber nachdenkst, Ryoga zu erschlagen.“ Ein leises Schnauben verließ Koichis Lippen aber Tsuzuku ließ sich nicht beirren. „Ich habs nicht mit Beziehungen musst du wissen. Nie gehabt. Ich kann das nicht, einen festen Partner ständig um mich herum, da werd ich irre. Aber ich mag Sex…Und das ist das Problem. Ich hab mit Ryoga geflirtet, seit dem Moment, an dem Kifumi uns vor gestellt hat. Ich wollte ihn einfach haben, weißt du? Dass er mich liebt hat er mir erst gesagt nachdem wir miteinander im Bett waren und ich hab ihn rausgeworfen. Zugegeben, nicht die beste Reaktion.“ Tsuzuku lachte trocken auf und fuhr sich müde durch die Haare, während Koichi sein Gegenüber mit großen Augen anstarrte. „Leider hat Ryoga das irgendwie als Anreiz gesehen, mich dazu zu bringen irgendwann doch eine Beziehung mit ihm einzugehen und seitdem…rennt er mir nach. Und…ich hab das ausgenutzt die letzten Monate. Er ist echt gut im Bett, wenig Tabus, wahnsinnig flexibel…Das mit Kifumi war nur ne Notlösung für die Tour, dass Ryoga nicht wieder versucht mich anzuspringen. Wir sind nicht wirklich fest zusammen, aber es wäre besser wenn Ryoga das glaubt…Es tut mir Leid, dass du da mit reingeraten bist. Dass er dich in Osaka geküsst hat, liegt nur daran, dass…“ „Stop.“ Tsuzuku sah überrascht auf, als Koichi sich vorsichtig aufrichtete und dabei den Kopf schüttelte. „Spar dir den Rest. Ich will das alles nicht hören.“ Also war seine erste Einschätzung über den Kerl doch ganz gut gewesen. Auch wenn er sich im Moment nicht zwischen Vollidiot und Bastard entscheiden konnte. Bei einem war sich Koichi jedoch sicher - hätte er noch mehr davon gehört, hätte er angefangen zu schreien und nicht mehr aufgehört. „Du fragst dich echt, wieso er nicht von dir los kommt, wenn du doch immer mal wieder spontan entscheidest mit ihm in die Kiste zu springen? Ernsthaft? Und dann gehst du auch noch davon aus, dass du weißt, was Ryoga denkt?“ „Koichi…“ „Du bist das Letzte, Tsuzuku. Und Kifumi auch, dafür dass er bei so etwas mit macht. Hat einer von euch je darüber nachgedacht, was ihr ihm antut?!“ Jetzt ergab auch dieser traurige Blick des Sängers endlich Sinn, genau wie dessen Aussage und Koichis Herz zog sich schmerzhaft in seiner Brust zusammen. Wo war er da nur hinein geraten? Die Rückfahrt über hatte Schweigen zwischen ihnen geherrscht und als Tsuzuku ihn zuhause abgesetzt gehabt hatte, hatte dieser ihn noch angefleht gehabt, über alles nachzudenken und ihn nicht vorschnell zu verurteilen. Koichi hingegen hatte sich kaum die Schuhe von den Füßen gestreift gehabt, bevor er todmüde ins Bett gefallen und sofort eingeschlafen war. Das war zu viel Stress auf ein Mal gewesen. Koichi erwachte zu dem himmlischen Geruch von frisch gekochtem Kaffee und blinzelte erstmal völlig irritiert. Es dauerte, bis er es schaffte die Augen zu öffnen und im ersten Moment war er heftig zusammen gezuckt, als er eine andere Person wahr nehmen konnte, welche lächelnd vor seinem Bett saß. Dann wurde ihm bewusst, dass es Sena war und er fühlte sich mit einem Schlag hellwach. „Na, Schlafmütze?“ Der Andere grinste ihn unschuldig an, während Koichi noch zu verarbeiten versuchte, was sein Bruder in seiner Wohnung zu suchen hatte und viel wichtiger, wieso er Kaffee gekocht hatte. Andererseits war Kaffee nie schlecht und mit einem leisen Laut streckte er eine Hand nach der Tasse aus und nahm einen großen Schluck. Mit Milch und Zucker - perfekt. Andererseits wieso sollte Sena ihn auch mit schwarzem Kaffee quälen? „Bevor du fragst, ich bin vor drei Stunden aus Paris zurück gekommen und dein Chef hat angerufen, ich hab ihm gesagt du fühlst dich nicht gut und soll dir ausrichten dass du dich erst zurück trauen darfst wenn es dir besser geht.“ Damit wurde ihm zugezwinkert und Koichi nickte verwirrt. Es war eindeutig zu früh für Sena. Nicht dass er ihm nicht dankbar war, aber er hatte nach dem Aufwachen gern erstmal mindestens dreißig Minuten seine Ruhe… „Und damit du mich nicht erschlägst weil ich hier bin…“ Koichi machte große Augen als ihm ein Teller Pfannkuchen überreicht wurde, komplett mit Erdbeeren, Erdbeersauce und Sahne dekoriert und hätte er sich nicht so geplättet gefühlt, wäre er seinem Bruder wohl spätestens jetzt um den Hals gefallen. So entkam ihm jedoch nur ein ersticktes „Danke.“ Während er gegen die Tränen ankämpfen musste, welche sich plötzlich in seinen Augen sammeln wollten. Offenbar war Senas Begabung zu spüren wann es ihm beschissen ging doch ganz nützlich. Nach Kaffee und Frühstück fühlte er sich zumindest wieder halbwegs wie ein Mensch und nachdem Sena ihn unter die Dusche gescheucht hatte, war sich Koichi sogar sicher dass er eigentlich arbeiten gehen konnte. Hätte er nicht einen Blick auf sein Handy geworfen und dort mehrere Nachrichten seiner Kollegen gefunden die ihn baten sich erst richtig auszukurieren, bevor er zurück kam. Ein Tag Pause würde sicherlich nicht schaden können. „Verrätst du mir jetzt, was du bei mir machst, wenn du eigentlich zuhause sein solltest und an Boogie kleben?“ Koichi gähnte leise, während er sich richtig auf seinem Sofa ausstreckte und Sena aufmerksam musterte, der es sich im Sessel vor dem Wohnzimmerfenster bequem gemacht hatte. „Uhm…“ Sena wich seinem Blick aus und ein leises Seufzen entkam Koichi. Oh nicht schon wieder. „Habt ihr euch wieder gestritten?“ Ein Nicken. Er hasste es, wenn er Recht hatte. „Wieder wegen deinen Kollegen?“ Ein zweites Nicken. Klasse. Er hätte auf mehr Pfannkuchen bestehen sollen. „Sena…“ „Ich hab ein neues Angebot bekommen von meinem Agenten. Aber das ist…uhm…nicht jugendfrei.“ Koichi hob beide Augenbrauen, während sein Bruder sich hart auf die Unterlippe biss. „Boogie hat Angst, dass ich in irgendetwas illegales abrutsche, wenn ich das Shooting annehme und ich hab ihm an den Kopf geworfen, dass er nur nicht will dass jemand außer ihm mich nackt sieht…Das ist dann etwas eskaliert und das Letzte was er gesagt hat, war dass es ihm egal wäre wenn ich ein Mal nackt durch komplett Tokio renne, aber dass er einfach kein gutes Gefühl hat. Ich hab aus Paris mehrmals versucht anzurufen aber ist nicht ans Handy…Und jetzt hab ich Angst, dass es wieder eskaliert, wenn wir uns sehen.“ Sena zuckte hilflos mit den Schultern und Koichi verdrehte die Augen. Da hatte er gedacht dass er Probleme haben würde, aber dagegen wirkte sein Konflikt mit Ryoga wahnsinnig lächerlich. „Hey…“ Langsam war er aufgestanden, dass er sich auf Senas Schoß werfen und diesen umarmen konnte. „Ihr schafft das schon. Und ich komm gern mit um zu verhindern, dass ihr euch an die Kehle geht. Wann wäre das Shooting denn?“ Ein tiefes Seufzen verließ Senas Lippen, während er die Arme enger um Koichi schlang und das Gesicht an dessen Schulter vergrub. „Nächste Woche. Ich muss bis heute Abend zusagen oder nicht.“ Koichi nickte gedankenverloren während er die Finger durch Senas Haare gleiten ließ und zumindest versuchte ein aufmunterndes Lächeln auf seine Lippen zu zaubern. „Zeig mir das Angebot mal, dann les ich drüber und sag dir was ich davon halte. Und wenns mir auch seltsam vor kommt, sagst du ab, ja?“ Sena gab einen zustimmenden Laut von sich und Koichi drückte seinen Bruder vorsichtig noch ein Stück enger an sich heran. Was für eine verzwickte Situation. Eigentlich war er ja mit seinem Problem mit Ryoga schon glücklich gewesen, aber nachdem er gestern so viel erfahren hatte über das er sowieso nochmal nachdenken musste, war es vielleicht gar nicht schlecht, da eine kleine Auszeit zu nehmen. Wie war das? Mit Abstand sah man sicherlich klarer? „Hey, Sena…Ich hab da noch etwas wobei ich deine Hilfe brauche.“ Wäre ja gelacht, wenn er nicht zumindest die Beziehung von einem von ihnen retten konnte. Nicht dass das mit Ryoga und ihm überhaupt eine Bezeichnung verdiente, aber verdammt, er vermisste diesen Idioten wie er sich eingestehen musste. Und egal wie oft Sena und Boogie sich stritten, irgendwie fanden sie ja doch wieder zusammen. Genau das war es, was er auch wollte. Jemand der ihn so sehr liebte, dass er ihm auch mal widersprach. Aber eines nach dem Anderen. Außerdem wollte er noch Ryogas Seite der Geschichte hören, Tsuzuku konnte viel erzählen wenn der Tag lang war. Aber wissen was wirklich Sache war tat eben nur Ryoga. Und dem würde er gehörig auf den Zahn fühlen, sobald sein Bruder wieder glücklich war. Kapitel 5: Blütengewitter ------------------------- Koichi hätte sich nie träumen lassen, seinen Bruder jemals wieder verlegen zu erleben - nicht nachdem er mit sechzehn ohne anzuklopfen in dessen Zimmer gestürmt war und prompt vergessen hatte, was es gewesen war dass er gewollte hatte, als er Sena vor dem Spiegel gefunden gehabt hatte, nur mit Tanga, Strapsen und Spitzenstrümpfen bekleidet. An dem Tag hatte er drei Dinge gelernt. Sena war schwul. Sena kannte Flüche, von denen ihm immer noch die Ohren klingelten wenn er darüber nachdachte. Und Senas Zimmer zu betreten ohne anzuklopfen konnte schwere Konsequenzen mit sich ziehen. Dieses Mal jedoch war nicht er Schuld daran, dass Sena so verlegen war. Das war Boogies Schuld, welcher Sena halb angesprungen hatte, kaum dass sie durch die Tür gekommen waren. Danach hatten die Zwei für fünf Minuten aneinander geklebt in der engsten Umarmung die er je hatte mit erleben müssen und dass Boogie dann auch noch einen Strauß mit zwölf, roten Rosen hervorgezaubert hatte, hatte dazu geführt dass Sena zuerst angefangen hatte zu weinen und jetzt eingekuschelt auf Boogies Schoß saß. Koichi tippte mit den Fingernägeln immer mal wieder auf die Platte des Küchentisches welcher zwischen ihnen stand, während er versuchte sich auf den Vertrag zu konzentrieren, welchen Sena vorgelegt bekommen gehabt hatte. Irgendetwas daran störte ihn, aber er konnte nicht sagen, was es war. Es mochte an der unklaren Formulierung liegen oder daran, dass er kein Anwalt war und sich mit Verträgen an sich nicht auskannte, aber es lief ihm eiskalt über den Rücken. „Sena…“ Dieser sah langsam auf und Koichi schüttelte stumm den Kopf. „Bitte lass es.“ Ein tiefes Seufzen entkam Senas Lippen aber er kam nicht dazu zu protestieren, weil Boogie ihm sanft in den Hals biss und Koichi wandte den Blick ab - er hatte vergessen dass die Zwei kein Problem damit hatten, auch vor Zuschauern einander näher zu kommen. Genau was er brauchen konnte. Nicht. „Was ist überhaupt so wichtig an dem Shooting, hm? Du warst davor auch nicht wild drauf dich komplett auszuziehen.“ Sena verdrehte die Augen, bevor er sich grummelnd durch die Haare fuhr und dann aufstand um sich eine Dose Grüntee aus dem Kühlschrank zu holen, diese zu öffnen und einen großen Schluck zu nehmen. „Das wäre die letzte Rate gewesen.“ So leise wie die Stimme seines Bruders geworden war, war sich Koichi im ersten Moment direkt sicher, sich verhört zu haben. „Die letzte Rate wofür?“ Sena murrte etwas und Boogie hob beide Augenbrauen. „Ich…Ach…fuck.“ Sena schloss die Augen und Koichi war sich beinahe sicher dass sie gleich irgendeine sehr dumme Entschuldigung hören würden. Wäre bei Sena schließlich auch nichts Neues. „Ich hab in zwei Wochen einen Termin mit unserem Makler. Mein nächstes Shooting durch die Agentur wäre erst nächsten Monat, dann wäre es zu spät. Außerdem wäre ich dafür wieder mindestens eine Woche im Ausland…“ Koichi runzelte die Stirn, wie gut dass er nicht verstehen musste, worüber Sena gerade redete. Boogie hingegen schien genau zu wissen, was sein Liebster meinte, denn er war mittlerweile aufgestanden und hatte Sena in seine Arme gezogen. „Du wolltest wirklich die letzte Rate für unser Haus allein zahlen, hm? Mein kleiner Sturkopf.“ Oh. Sena zuckte hilflos mit den Schultern und wandte den Blick ab um noch einen großen Schluck Tee zu trinken, bevor er sich richtig an seinen Freund kuschelte. „Es wäre die perfekte Überraschung zum Jahrestag gewesen.“ Es hatte selten Momente in Koichis Leben gegeben, in denen er sich gewünscht hatte, einfach verschwinden zu können, aber dieser gehörte definitiv dazu. Es mochte romantisch sein, ja. Aber gleichzeitig erinnerte es ihn an das, was er haben wollte aber wohl nie bekommen würde. Eine stabile, liebevolle Beziehung mit einem Partner der ihn unterstützte und liebte, ganz egal was für blöde Entscheidungen er im Leben so traf. Nur wo sollte er so jemanden finden? So in Gedanken versunken, zuckte Koichi erstmal heftig zusammen, als ihm in die Wange gepiepst wurde und er drehte unwillig den Kopf zur Seite. „Und was ist mit dir, hm? Sena hat dich nicht nur mitgenommen, dass du dir seinen Vertrag durchlesen kannst, Koichi. Irgendetwas ist doch passiert.“ Er hasste es. Eigentlich sollte er sich freuen, dass Boogie sich auch um ihn sorgte, dass sie sich soweit verstanden, dass Koichi sie als Freunde sah. Aber jetzt hätte er sich gewünscht, dass sein Gegenüber ihn nicht so einfach lesen könnte, wie ein offenes Buch. Reichte es denn nicht, dass Sena das hervorragend konnte? Ein schweres Seufzen verließ Koichis Lippen, bevor er das Gesicht in den Händen vergrub und mit den Schultern zuckte. Er hatte doch nicht erwartet, dass es so einfach sein würde, Sena ein Shooting auszureden! Sein Bruder konnte stur sein wie eine ganze Herde an Eseln. Aber natürlich hatte dieser jetzt nachgeben müssen. Und er konnte sich nichtmal rausreden oder einfach so verschwinden. Sena würde ihn vorher noch packen und schütteln…“Ich hasse Menschen.“ Boogie verdrehte die Augen und er wusste ja selbst, dass das nicht das Beste war, was er hatte sagen können. Aber wo sollte er bei diesem ganzen Chaos denn anfangen? „Das sagt Sena auch immer und dann fliegt er zum nächsten Shooting und alles ist wieder gut. Gibts Ärger auf Arbeit?“ Koichi schüttelte mit einem schwachen Lächeln den Kopf, wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Warum mochte er die Zwei nochmal so gern? „Arbeit ist Klasse…Aber ich hab ein Sängerproblem.“ Der irritierte Blick, welchen er dafür erntete, ließ ihn leise auflachen und schlussendlich hatte er begonnen zu erzählen. Wie er Ryoga kennen gelernt gehabt hatte, vom Konzert und dem seltsamen Verhalten, welches Ryoga schon in Tokyo in den Tag gelegt gehabt hatte, von ihrem Kuss und wie es in Osaka zur Katastrophe gekommen war. Als er geendet hatte, ließ er den Kopf auf die Tischplatte sinken und schloss die Augen. „Total bescheuert, nicht? Da hab ich mal Glück und find nen Kerl der mich nicht gleich als Mädchen abstempelt und dann ist der so ein großer Idiot, dass es besser wäre, wenn ich nie auf dieses Konzert gegangen wäre…“ War doch alles für den Arsch. „Oh, Koichi. Die dummen Entscheidungen liegen bei euch wohl in der Familie.“ Damit hatte Boogie ihm auch schon einen Arm um die Schultern gelegt und ihn kurz an sich gedrückt, allerdings zuckte dieser zurück als ein zweistimmiges „HEY!“ Ertönte und Koichi tauschte einen Blick mit seinem Bruder, bevor sie beide lachen mussten und Koichi sich langsam die restlichen Tränen weggewischt hatte. „Und ab jetzt nur noch konstruktive Vorschläge, bitte! Ich mag den Idioten immerhin. Irgendwie. Ich muss mich nur noch entscheiden, ob es das wert ist, ihn zu behalten oder ob ich ihn einfach zusammen schlagen und dann vergessen soll!“ Koichi hätte schwören können, dass Senas Augen zu leuchten begannen bei der Vorstellung den Mann zu verprügeln, welcher seinem Bruder weh getan hatte, aber geholfen wäre ihnen allen damit nicht. Eigentlich schade, aber er wollte einem aufgebrachten Management auch nicht erklären müssen, wieso Ryoga seine Tour abbrechen musste. Wobei es sicherlich praktisch wäre, wenn er Konzertverbot für Born bekommen würde, dann würde er sich das Tourfinal nicht antun. Gut, Machiko wäre sicherlich wahnsinnig enttäuscht, aber wieso interessierte es ihn, was sie von ihm dachte? Sie war nur eine Konzertbekanntschaft. Und doch eine der wenigen Personen in seinem Leben mi denen er sich gern unterhielt, außerdem fand sie seine Schminkkünste toll und es war harte Arbeit gewesen so gut zu werden. Eine kleine Stimme in seinem Hinterkopf versuchte ihm außerdem einzureden, dass er nur auf Ryoga und Tsuzuku sauer war. Er konnte Machiko nicht einfach so die Freundschaft kündigen, nachdem sie so nett zu ihm gewesen war. Sie hatte ihn immerhin ihrem Freundeskreis vorgestellt, anderen Fans, dass er sich nicht so allein und verloren fühlen musste. Es wäre grausam ihr so weh zu tun. „Koichi? Wäre es für dich ok, wenn wir aufs nächste Konzert gehen und uns den Kerl mal näher ansehen?“ Kurz zögerte er, dann hatte Koichi genickt und sich müde durch die Haare gefahren. „Solang ich nicht mit muss, könnt ihr tun und lassen was ihr wollt.“ Dass Boogie und Sena daraufhin grinsend Blicke austauschten, ließ ihn schwer seufzen, aber was wollten die Zwei schon anrichten? Er hatte eh nichts mehr zu verlieren. Der restliche Tag verlief überraschend bedeutungslos, aber es mochte auch daran gelegen haben, dass Sena immer noch angespannt und gestresst war nach dem Rückflug aus Paris und dementsprechend nicht in Stimmung auch nur irgendetwas zu tun, das nicht überlebenswichtig war und so hatte sich Koichi erstaunlich schnell mit seinem Bruder und Boogie auf dem Sofa im Wohnzimmer wieder gefunden, wo sie sich in eins von Senas neuen Spielen vertieft hatten. Das war noch etwas, dass sie gemeinsam hatten, aber Koichi hatte seit Monaten keine Zeit mehr gehabt um seine Konsole anzuschalten. Umso mehr genoß er die Ablenkung jetzt, welche verhinderte, dass er an irgendetwas denken musste, was mit Ryoga oder Tsuzuku oder Kifumi zu tun hatte. Vielleicht konnte er sich ja morgen wieder auf der Arbeit blicken lassen, ohne dass sein Chef ihn direkt wieder zurück nach hause schicken würde. Als Koichi irgendwann den Controller sinken ließ, war es bereits dunkel draußen und sein knurrender Magen erinnerte ihn deutlich daran, dass er seit Stunden nichts mehr gegessen hatte. Wie wahnsinnig peinlich. Sena warf ihm einen amüsierten Blick zu, während er den Controller ebenfalls sinken ließ und sich dann ordentlich streckte. „Boogie, was gibts eigentlich zum Abendessen?“ Angesprochener gab ein Murren von sich, hatte dann aber ein Einsehen gehabt, das Spiel gespeichert und die Augen verdreht. „Nachdem ich heute fest eingeplant hatte mit dir essen zu gehen, müssen wir entweder einkaufen oder bestellen.“ Boogie zuckte mit den Schultern, hob dann jedoch abwehrend die Hände als er von zwei Seiten ein einstimmiges „Bestellen!“ Zu hören bekam. Koichi hätte schwören können, dass er noch so etwas wie „Verwöhnte Biester!“ ausmachen konnte, während Boogie in die Küche verschwand und er drehte sich schief grinsend zu seinem Bruder.“Er hat dich wirklich vermisst, hm?“ Sena gähnte leise, dann hatte er zustimmend genickt und die Augen für einige Momente geschlossen. „Wahnsinnig. Aber keine Angst, den Rest klären wir später, wenn wir dich nach hause gebracht haben. Du kommst die Nacht allein klar?“ Für diese dämliche Frage hätte Koichi seinem Bruder beinahe ein Sofakissen an den Kopf geworfen. Andererseits wusste er, dass Sena sich Sorgen machte, weswegen das Kissen liegen geblieben und er aufgestanden war um Sena zu umarmen. „Natürlich. Notfalls schreib ich dir, ok?“ Dass er nicht vor hatte, sich bei Sena zu melden, egal wie schlimm die Nacht werden würde, musste er ihm ja nicht auf die Nase binden. Immerhin wusste Koichi genau, wie der restliche Abend verlaufen würde. Sena würde nach dem Abendessen noch am Tisch einschlafen, dann würde Boogie ihn ins Schlafzimmer tragen, umziehen und während sein Bruder fröhlich vor sich hin schnarchte, würde Boogie ihn nach hause fahren. Und er wollte Sena wirklich nicht um seinen wohl verdienten Schlaf bringen. Koichi hatte zwar keine Ahnung wie heftig so ein Jetlag aus Frankreich werden konnte, aber er hatte auch nie gefragt. Alles was er wusste, war dass es anstrengend war als Model zu arbeiten und nicht nur innerhalb Japans Aufträge anzunehmen. Das war etwas, wofür er seinen Bruder bewunderte, denn Sena schien daran unglaublich großen Spaß zu haben. Allerdings war es Sena schon immer leichter gefallen, von sich aus auf Menschen zu zu gehen. Bevor Koichi jedoch noch weiter in Gedanken versinken konnte, war Boogie zurück gekommen und hatte ihm einen Flyer in die Hand gedrückt und er hatte sich mit Sena darin vertieft. Die Entscheidung für ihr Abendessen war schnell gefallen und nachdem Boogie bestellt hatte, hatte Sena sich entschuldigt um schnell duschen zu gehen. Beinahe hätte Koichi ja erwartet, dass dessen Freund ihm folgen würde, aber als hätte er seine Gedanken gelesen, schüttelte Boogie nur amüsiert den Kopf. „Wir wollen dich nicht fürs Leben verstören. Aber was hältst du von einem Bier in der Zwischenzeit?“ Koichi erinnerte sich verschwommen daran, wie Boogie ihm die Treppe zu seiner Wohnung nach oben geholfen gehabt, ihm die Tür aufgeschlossen und sich dann amüsiert verabschiedet hatte. Direkt danach musste er wohl durch den Flur gestolpert und in sein Bett gefallen sein. Immerhin ging er sonst nie mit Schuhen ins Bett. Während er murrend versuchte, diese los zu werden, fragte er sich, was ihn geweckt hatte. Es dauerte einige Minuten und mehrere Versuche sich von seinen Schuhen zu befreien, bevor ihm sein Handy auf dem Nachttisch auffiel, welches fröhlich vor sich hin vibrierte und beinahe schon davor war sich auf den Boden zu stürzen. Wer verdammt konnte das denn jetzt sein? War es nicht mitten in der Nacht? Nachdem er die Schuhe in Richtung Zimmertür geworfen hatte, hatte sich Koichi erst noch von Jeans und Oberteil befreit, bevor er unter die Decke gekrabbelt war. Ihm war kalt und er fühlte sich wahnsinnig schwindelig. Fast wäre er wieder eingeschlafen, dann jedoch hatte er beschlossen, Mitleid zu haben, mit der Person welche so verzweifelt versuchte ihn zu erreichen. Es musste ja immerhin wichtig sein. Ohne noch einen weiteren Blick aufs Display zu werfen, hatte er sein Handy entsperrt, den Lineanruf entgegen genommen und sich im nächsten Moment gewünscht, er wäre wieder eingeschlafen. „Koichi…Endlich. Es tut mir so wahnsinnig Leid, dich zu stören, aber ich kann das nicht so zwischen uns stehen lassen.“ So wie Ryoga klang, war er noch viel betrunkener als er selbst und wenn Koichi das leise Schluchzen richtig deutete, weinte der Sänger sogar. Und es schnitt ihm ins Herz. So sehr er das nicht wollte, es tat weh. „Ich hab mir Tsuzukus Handy geklaut…rufst du mich bitte zurück wenn ich dir meine ID gebe?“ Er hatte Nein sagen wollen. Auflegen. Ryoga eine Standpauke halten, aber so verzweifelt wie der Sänger klang, brachte er es nicht über sich. „Ok.“ Mit einem leisen „Danke, Koichi“ wurde das Telefonat damit auch schon beendet und keine zehn Sekunden später traf eine Nachricht ein. Koichi fuhr sich müde durch die Haare, er war nicht in der Lage um sich jetzt mit Ryoga auszusprechen, nicht wenn sie Beide getrunken hatten und längst schlafen sollten, aber irgendetwas sagte ihm, dass Ryoga so schnell nicht schlafen würde, solange er niemanden hatte mit dem er reden konnte und er war zu müde um nachzufragen was mit den restlichen Membern der Band war oder wieso Tsuzuku mit auf Tour gekommen war. Wollte diese Ryoga etwa erneut um den Fingern wickeln und ihn noch mehr verletzen? Ein leises Murren entkam ihm allein bei dem Gedanken daran und schließlich hatte Koichi mit zitternden Fingern die ID eingegeben und eine Anfrage an diese geschickt. Vermutlich sollte er das nicht tun, aber er konnte nicht mehr klar denken, außerdem tat es wider Erwarten gut, Ryogas Stimme zu hören. Dementsprechend hatte Koichi es sich etwas mehr im Bett bequem gemacht und auf Anruf gedrückt, kaum dass die Anfrage angenommen worden war. Ryoga meldete sich sofort und für einige Sekunden herrschte Stille zwischen ihnen, bevor ein geschluchztes „Koichi. Bitte rede mit mir.“ Durch die Leitung kam. „Ryoga.“ Beinahe hätte Koichi hilflos mit den Schultern gezuckt, bevor ihm eingefallen war, dass sein Gegenüber das nicht sehen konnte. War vielleicht auch besser so. „Was ist denn passiert?“ Es war schwer, sich auf Worte zu konzentrieren, während sein Kopf versuchte ihm einzureden, dass Schlaf die bessere Alternative war, aber Ryoga schien ihn verstanden zu haben. Immerhin entkam diesem ein erneutes Schluchzen, gefolgt von einem heiseren Lachen. „Ich hab Tsuzuku abgewiesen.“ Für einen Moment war Koichi sprachlos, dann hatte er sein Handy angestarrt wie einen Geist. Das musste ein Traum sein. Von allem was Tsuzuku ihm erzählt hatte, hatte es geklungen, als ob Ryoga sich jederzeit bereitwillig in den Staub zu dessen Füßen geworfen hatte. „Hab ihm gesagt, dass ich es nicht mehr ertrage, wie er mich behandelt. Dann hat er mir ins Gesicht gelacht und gesagt, dass ich selbst daran Schuld bin, weil ich mich verliebt habe. Weißt du, was das Schlimmste ist?“ Koichi schwieg, aber Ryoga schien das als Zeichen der Zustimmung zu sehen. „Er ist direkt danach mit Kifumi essen gegangen. Arm in Arm. Als wäre ich nie mehr für ihn gewesen als ein lästiges Insekt.“ Ab dem Punkt begann Ryoga wieder zu weinen und Koichi suchte nach den passenden Worten für eine Antwort. Was für ein verdammtes Arschloch Tsuzuku war. Er hätte ihm das letzte Mal eine reinhauen sollen. Jedoch begann der Nebel in seinem Kopf sich langsam zu lichten und Koichi fuhr sich gähnend durch die Haare. Wieso redete er überhaupt mit Ryoga? War er nicht sauer auf ihn gewesen? „Ryo, woher hast du eigentlich Tsuzukus Handy wenn der einfach abgehauen ist?“ Ein bösartiges Kichern ließ ihn skeptisch auf das kleine mobile Gerät in seiner Hand starren. Entweder er hatte Halluzinationen oder Ryoga war wirklich hinüber. Immerhin, er hatte noch nie einen Mann so kichern gehört. „Ich hab dir das Beste nicht gesagt. Tsuzuku schläft bei mir im Zimmer. Eigentlich sollte er das Einzelzimmer bekommen, aber er meinte, er will Gesellschaft. Und hat sein Handy liegen lassen, als er mit Kifumi vorhin abgehauen ist. Hat wohl vergessen, dass ich seinen Sperrcode in und auswendig kenne, nachdem ich oft genug Mails für ihn beantworten musste.“ Wenigstens schien Ryoga aufgehört haben zu weinen, aber die Bitterkeit, welche jetzt in dessen Stimme lag, ließ Koichi skeptisch eine Augenbraue heben. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Es klang zum einen so verrückt, aber andererseits hatte Ryoga keinen Grund ihn anzulügen. Oder? „Und woher wusstest du, dass er meine Line ID hat?“ Dieses Mal kam die Antwort zögerlicher, fast als wäre Ryoga die Antwort peinlich. „Er hat es mir gesagt. Eigentlich war das so ziemlich der Grund, wieso alles so eskaliert ist.“ Ein Rascheln entstand am anderen Ende der Leitung und Koichi hatte sich gezwungen, sich aufzusetzen. Langsam wurde das alles spannend und er wollte um jeden Preis verhindern, dass er einschlafen würde, bevor er wusste, was das alles mit ihm zu tun hatte. Dann würde er sich morgen eben auch noch einen freien Tag machen. Sein Chef hatte schließlich gesagt, dass er sich ausruhen sollte. Zwar war von einem Kater nicht die Rede gewesen, aber er hatte den Alkohol gebraucht. „Ryoga?“ Koichi legte den Kopf schief, nachdem es immer noch raschelte, zuckte jedoch zurück als Ryogas Stimme plötzlich lauter und klarer zu hören war. „Entschuldige. Tsuzuku kam nach dem Live zu mir und meinte, dass er etwas hat, von dem er weiß, dass ich es unbedingt haben möchte und dass er sich gnädig zeigen könnte, es mir zu überlassen, falls ich mich von ihm ficken lasse. Ich hab nachgefragt, was es ist und dann meinte er dass es deine Kontaktdaten sind. Und wie verzweifelt ich sein muss um dran zu kommen, nachdem du dich nie bei mir gemeldet hast. Ich hab rot gesehen…Keine Ahnung warum…“ Ryoga lachte leise, während Koichi regungslos auf die gegenüberliegende Wand starrte. Wie konnte jemand so manipulativ sein wie Tsuzuku? „Ich hätte dich nicht anrufen sollen, oder? Ich hab ihm irgendwie genau in die Hände gespielt.“ Koichi schüttelte heftig den Kopf, wünschte sich im nächsten Moment jedoch, es nicht getan zu haben, da eine Welle der Übelkeit durch seinen Körper schoss und er sich die freie Hand auf den Mund pressen musste um sich nicht sofort zu übergeben. Er brauchte ein paar Momente um tief zu atmen, bis er den Kopf an sein Bettende sinken ließ und die Augen schloss. „Nein, schon gut. Ich bin froh, dass du mich angerufen hast.“ Sehr zu seinem Erstaunen merkte er, dass er das sogar ernst meinte als er es ausgesprochen gehabt hatte und Koichi runzelte die Stirn. „Aber Ryoga, wir sollten uns aussprechen, wenn wir beide nüchtern und ausgeschlafen sind. Können wir das morgen fortsetzen?“ So ungern er den Sänger auch abwürgte, die Übelkeit kam zurück und dieses Mal war sich Koichi sicher, dass er sich übergeben musste und es nicht aufhalten konnte. Ryoga hatte sich erstaunlich verständnisvoll gezeigt und Koichi hatte nur kurz seufzend auf sein Handydisplay gesehen, als der Anruf beendet worden war, bevor er sich aus dem Bett gequält hatte um ins Bad zu verschwinden und zitternd vor der Toilette auf die Knie zu sinken. In was für eine beschissene Situation war er da nur hinein geraten?! Kapitel 6: Blütentornado ------------------------ Das laute Trommeln des Regens gegen seine Fensterscheibe musste ihn geweckt haben, denn als Ryoga sich verschlafen umsah, wurde ihm bewusst, dass es immer noch dunkel war. Lange konnte er nicht geschlafen haben. Hatte er überhaupt geschlafen oder war er ohnmächtig geworden, nachdem Koichi aufgelegt hatte? Bei dem Gedanken an Koichi saß er aufrecht im Bett, fluchte jedoch leise als ihn sofort eine Schwindelattacke überfiel, welche ihn zurück sinken und noch mehr fluchen ließ. Die dazugehörige Übelkeit ließ ebenfalls nicht lange auf sich warten und für einige Momente war er damit beschäftigt zu atmen und zu versuchen sich nicht zu übergeben. Dann kam nach und nach die Erinnerung an ihr Telefonat zurück und ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, welches jedoch sehr schnell durch Tränen ersetzt wurde. Ausgerechnet Koichi. Was hatte er nur getan? Da hatte er Tsuzuku als Arschloch bezeichnet, aber er selbst war auch nicht viel besser. Betrunken bei dem Mann anzurufen, welchen er vor den Kopf gestoßen hatte, musste auch die Meisterleistung seiner bisherigen Karriere sein und ein leises Schluchzen entkam Ryoga, bevor er sich die Hand auf den Mund presste um nicht zu schreien. Er hätte so viele Leute anrufen können, Freunde, er hätte seine Bandkollegen anschreiben können, aber er hatte sich die Mühe gemacht, Tsuzukus Handy zu durch suchen. Er war ein grauenvoller Mensch. Ohne zu wissen, was er von Koichi wollte, hatte er diesen mit seinen Problemen belästigt und jetzt fühlte er sich absolut beschissen. Der Regen schien mittlerweile noch stärker geworden zu sein und ein schweres Seufzen entkam Ryogas Lippen. Wieso ließ sein Körper ihn nicht ein Mal Ruhe finden? Dabei brauchte er Schlaf, seine Stimme litt mit jedem Konzert mehr und er würde seine Medizin bald wieder auffüllen müssen. Schlussendlich hatte er sich vorsichtig aus dem Bett gequält und es sofort bereut, kaum dass er drei Schritte in Richtung Badezimmer gemacht hatte. Alles drehte sich um ihn und sein Gleichgewichtssinn schien sich verabschiedet zu haben aber irgendwie schaffte er es ins Bad und erst als er die Tür ins Schloss geworfen hatte, wurde ihm bewusst, dass das Bett neben ihm nach wie vor leer gewesen war. Es sollte ihn nicht kümmern, aber zu wissen, dass Tsuzuku die Nacht mit Kifumi verbrachte, ließ ihn vor der Toilette zu Boden sinken und nachdem er sich beinahe die Seele aus dem Leib gekotzt hatte, fühlte er sich nur noch leer. Wie hatte er auch je erwarten können, dass jemand es mal ernst mit ihm meinte? Seine bisherigen Freundinnen hatten ihn jedes Mal verlassen wenn der Tourstress so groß gewesen war, dass er keine Zeit mehr gehabt hatte um sich jeden Tag mit ihnen zu treffen, sein letzter Exfreund hatte sich von ihm getrennt, weil er zu müde und zu erschöpft für Sex gewesen war nach Tour. Vielleicht war dass der Grund, wieso er sich so sehr an Tsuzuku geklammert gehabt hatte. Ein schwaches Lachen entkam Ryogas Lippen bevor er sich auf die Beine gekämpft hatte, dass er sich ordentlich den Mund ausspülen und Zähne putzen konnte. Er schwankte nicht mehr ganz so schlimm, dafür zitterte er jetzt am ganzen Körper und kurz bleckte er die Zähne um sein Spiegelbild dunkel anzufunkeln. Wenn er so oder so nicht schlafen konnte, wieso musste er sich denn trotzdem so zittrig fühlen, als wäre er immer noch am Rand eines Nervenzusammenbruchs? Vielleicht war es keine gute Idee gewesen, das Hotel zu verlassen. Vor allem nicht in dem Zustand, in welchem er sich befand, aber nachdem er es geschafft hatte, sich anzuziehen war ihm nur noch danach gewesen zu verschwinden. Sie hatten morgen sowieso den Tag frei und ob er sich im Bett unruhig von einer Seite auf die andere Seite drehte oder ob er spazieren ging machte auch keinen großen Unterschied mehr. Im Bett wäre es zumindest weniger nass gewesen. Ryoga verzog kurz die Lippen, bevor er mit den Schultern zuckte und einen Blick in den Himmel warf. Vermutlich würde es die ganze Nacht lang regnen. Hieß, menschenleere Straßen, niemand der ihn aufhalten konnte. Und ihn würde niemand suchen kommen. Seine Band würde davon ausgehen, dass er schlief. Tsuzuku hatte ihm gesagt, dass es ihm egal war, was mit ihm passierte. Theoretisch würde er also problemlos verschwinden können, ohne dass irgendwer davon etwas merkte. Morgen würden sie ihn dann suchen kommen. Die Fans würden verzweifeln. Und Koichi? Ryoga stoppte mitten im Schritt als er gerade dabei gewesen war, eine Brücke zu betreten. Richtig. Koichi. Obwohl er ihn behandelt hatte wie den letzten Dreck, hatte er mit ihm telefoniert, ihm zugehört und ihn sich ausweinen lassen. Und er hatte ihm eine Chance gegeben, sich zu erklären, ihm die Möglichkeit gegeben, das alles rational zu überdenken. Wobei sich Ryoga verdammt sicher war, dass er momentan alles andere als überlegt handelte und mit einem leisen Laut war er schließlich neben dem Brückengeländer auf die Knie gesunken und hatte den Kopf in den Händen vergraben. Er sollte nicht hier sein, allein im Regen, durchnässt bis auf die Haut, unausgeschlafen und komplett übermüdet aber es war niemand hier, der ihm hätte Gesellschaft leisten können. Keiner seiner Freunde welche ihn hätten anschreien können, keine Bandkollegen, keine Fans, keine Expartner. Nicht mal Tsuzuku. Es war, als hätte sich ein grauer Schleier über alles gelegt, jegliche Geräusche gedämpft, die Farben welche nicht durch den Regen verwaschen waren, mit sich genommen und ihn aus der Wirklichkeit in eine andere Welt gebracht. Er war komplett auf sich gestellt. Allein, mit einer instabilen Psyche, welche ihm Lügen einflüsterte und niemandem, der das Gefühl der Einsamkeit in seinem Innern vertreiben konnte. Ohne dass es ihm bewusst war, waren die Tränen zurück gekommen und Ryoga ließ den Kopf in den Nacken sinken um erneut in den Himmel zu starren. Jetzt saß er hier, auf der Straße, im schönsten Gewitter und ihm wurde bewusst, dass er alles dafür geben würde, Koichis Lächeln zu sehen. Oder dessen strahlende Augen, wann immer ihre Blicke sich begegnet waren. Er hatte den einzigen Menschen verletzt, der von sich aus nett zu ihm gewesen war, ohne etwas dafür zu erwarten, außer respektvoll behandelt zu werden. Nicht mal das hatte er hinbekommen. Vielleicht sollte er über eine Auszeit nachzudenken. Nach dem letzten Konzert. Immerhin brauchte er seine Fans. Je länger er auf dem Boden saß und in den Regen starrte, umso absurder kam Ryoga die Situation vor in welcher er sich befand und ein leises Lachen entkam ihm, während er langsam den Kopf schüttelte. Seine Beine fühlten sich an, als wären sie nicht mehr länger ein Teil seines Körpers und seine Hände zitterten vor Kälte. Jeder der ihn so zu Gesicht bekam, würde ihn für verrückt erklären. Vielleicht war er das ja aber auch. Denn langsam war Ryoga sich sicher, wieso sein Weg ihn zu dieser Brücke geführt hatte. Sie war nicht weit weg vom Hotel, aber niemand hätte ihn sehen oder aufhalten können, wenn er gesprungen wäre und für einige Sekunden wurden die Gedanken, wie einfach es wäre alles zu beenden, übermächtig und er presste sich eine Hand auf den Mund um das gequälte Wimmern zu dämpfen, welches ihm entkommen war. Wegrennen war etwas, dass er beherrschte. Das tat er seit Jahren. Aus zerbrochenen Beziehungen hatte er sich immer in die Musik geflüchtet, wenn die Musik zu viel wurde, hatte er sich jemand neues gesucht, der ihn ertragen konnte, es war ein Teufelskreis. Das alles hatte er schließlich auch noch mit Alkohol kombiniert und es war mit den Jahren immer schlimmer geworden. Koichi war anders gewesen, von Anfang an. Jemand der zwar Musik hörte, aber sich nicht aktiv mit Bands beschäftigte, der kein Interesse an One-Night-Stands hatte, geschweige denn an Musikern. Und anstatt es zu genießen, dass jemand sich für ihn interessierte und sein Bühnen-Ich ignorierte, hatte er zuerst versucht ihn zu verführen und war dann vor ihm davon gerannt weil er Angst bekommen hatte, sich erneut zu verlieben. Er war so ein verdammter Idiot. Dass der Regen stärker geworden war, wurde Ryoga erst bewusst als ein lauter Donner ihn hoch schrecken ließ und er blinzelte verschlafen, versuchte sich zu orientieren. Nach und nach wurde ihm wieder bewusst, was er getan hatte, wo er sich befand und vor allem wieso. Seine Kleidung klebte mittlerweile an seinem Körper, seine Haare hingen ihm ins Gesicht und er war einfach nur müde. Allerdings wollte er nicht abwarten ob das Unwetter ein Einsehen haben würde, weswegen er versuchte sich schwerfällig auf die Beine zu kämpfen. Im nächsten Moment fand er sich mit dem Gesicht voran auf dem nassen Asphalt und ein Schluchzen verließ seine Lippen. So wie seine Wange brannte, hatte er sich offenbar die Haut aufgeschürft. Vielleicht sollte er doch einfach hier liegen bleiben und in einer Pfütze ertrinken. Es hatten sich immerhin genug auf dem Asphalt gesammelt. Das wäre zwar kein schöner Tod, aber es würde ihm eine Menge Probleme ersparen. Er würde sich weder Tsuzuku stellen müssen, noch dem Staff, geschweige denn Koichi. Aber ob es so viel besser war, als sich von einer Brücke zu stürzen? Wie gut, dass Koichi ihn so nicht sehen konnte, denn Ryoga war sich nicht sicher, ob dieser ihn nicht packen, schütteln und anschreien würde, bis er nicht mehr wusste wo oben oder unten war. Andererseits hatte dieser Gedanke etwas unheimlich tröstendes an sich und mit einem lauten Fluch, schaffte er es schlussendlich wenigstens sich auf alle viere zu kämpfen auch wenn er dafür am ganzen Körper zitterte. Seine Beine schienen keine Lust mehr zu haben, ihn zu tragen, aber er wollte nicht hier bleiben. Nicht, nachdem der Donner immer bedrohliche klang und die Regentropfen welche auf seine Haut trafen, mittlerweile grauenvoll weh taten. Sie schienen sich in seine kalte Haut brennen zu wollen und als er vorsichtig begann sich zu bewegen, hatte er geschrien. Sein ganzer Körper schien nur noch aus Schmerzen zu bestehen und Ryoga schluchzte erneut. Es tat weh. Jeder Meter, den er sich krabbelnd fortbewegte, war ein Meter zu viel und als er endlich am Hotel angekommen war, wusste er nicht, wie spät es war. Mit Mühe und Not hatte er es geschafft, sich an einer Laterne hochzuziehen, bevor er das Hotel schwankend betreten hatte und er brauchte mehrere Anläufe um den Fahrstuhlknopf zu drücken, weil seine Finger taub waren und er am ganzen Körper zitterte. Wenigstens konnte er die Tür problemlos mit der Schlüsselkarte entsperren. Ein Blick zum Bett zeigte ihm, dass Tsuzuku immer noch nicht da war und Ryoga verzog das Gesicht zu einer Grimasse, bevor er ins Bad geschwankt war um heißes Wasser in die Wanne laufen zu lassen. Im Endeffekt hatte er sich mit den Klamotten in die Badewanne sinken lassen, weil er es nicht schaffte sich auszuziehen und mit einem Lächeln hatte er die Augen geschlossen und einen tiefen Atemzug genommen. Vielleicht würde er es schaffen sich auszuziehen, wenn er seinen Körper wieder spüren konnte. Als Ryoga die Augen wieder öffnete, hatte er sie im ersten Moment sofort wieder zusammen gekniffen, immerhin war es verflucht hell im Zimmer. Dass ihm jemand sanft über die Wange streichelte, bemerkte er kurz danach und mit einem leisen Laut hatte er sich den Streicheleinheiten und dem warmen Körper neben sich entgegen gedrängt. So konnte jeder Morgen anfangen. Zumindest in der Theorie. In der Praxis wurde Ryoga langsam bewusst, dass er allein ins Bett gegangen war, oder besser, er hatte sich ins heiße Wasser in der Badewanne gelegt gehabt. Was tat er denn dann jetzt bitte im Bett? Mühsam hatte er sich gezwungen, die Augen zu öffnen und erstarrte. Tsuzuku lag mit ihm im Bett und so wie sich das anfühlte, waren sie Beide nackt. Zusammen unter einer Decke. Die Hand an seiner Wange hielt still, dann wurde sie zurück gezogen und auf Tsuzukus Lippen legte sich ein sanftes Lächeln. „Guten Morgen, mein Hübscher.“ Alles was Ryoga von sich geben konnte, war ein gequältes „Was?“ Dann begann er zu husten und schlug sich gerade noch rechtzeitig die Hand vor den Mund. Sein Rachen fühlte sich an, als hätte er ihn mit Sandpapier bearbeitet die Nacht davor und irgendwie hatte er es geschafft, sich von Tsuzuku zu lösen und im Bad zu verschwinden, wo er sich mit zitternden Fingern am Waschbecken festhielt. Dieses Mal musste er sich wenigstens nicht übergeben, aber es war schon schmerzhaft genug, den Schleim welchen er hoch gehustet hatte, auszuspucken. Außerdem war etwas Blut dabei wie Ryoga mit schreckensweiten Augen feststellen musste und er fluchte leise, bereute es im nächsten Moment jedoch sofort wieder, weil der Schmerz so übermächtig war, dass er ihm die Tränen in die Augen trieb. So vorsichtig wie möglich hatte er sich den Mund ausgespült, ein paar Schlucke aus dem Wasserhahn getrunken und war dann zitternd auf die Knie gesunken. Sein kompletter Hals tat grauenvoll weh als ob er mit Rasierklingen gegurgelt hätte, sein Körper schmerzte noch mehr als in der Nacht und er wollte nichts anderes tun als weiter schlafen. Wäre Tsuzuku nicht ins Bad gekommen, wäre er jedoch so sitzen geblieben. Ryoga ließ sich widerstandslos an den anderen Sänger ziehen, welcher ihn schließlich kopfschüttelnd hoch gehoben und zurück ins Bett getragen hatte. Wenigstens etwas. Nur mit einem Ohr bekam Ryoga noch mit, dass Tsuzuku telefonierte, das Wort Arzt fiel mehrfach und dann war er auch schon wieder eingeschlafen. Lange war ihm die Ruhe nicht vergönnt, da er sich dieses Mal direkt wach gehustet hatte und er krümmte sich auf dem Laken zusammen. Ob der Schmerz vergehen würde, wenn er sich den Kehlkopf heraus riss? Mühsam hatte er sich aufgesetzt, nachdem er sicher war, dass er sich nicht gleich wieder übergeben musste und hatte sich müde umgesehen. Das Zimmer war leer, Tsuzuku war verschwunden, was vielleicht auch besser so war und vorsichtig war Ryoga aus dem Bett gerutscht um zu seiner Reisetasche zu gelangen. Nachdem er Shorts, eine Jogginghose und ein Shirt über gezogen hatte, fühlte er sich doch wieder um einiges besser. Wenn man von den Halsschmerzen absah und mit einem lautlosen Seufzen hatte er seine Reservewasserflasche aus der Tasche gezogen. Er schaffte es, die halbe Flasche auszutrinken, bevor er erneut begann zu husten und die Augen schloss. Trinken tat unglaublich weh, husten ebenfalls. Er fühlte sich viel zu schlapp um seinen Inhalator aus der Tasche zu holen, aber irgendwo auf dem Nachttisch mussten seine Tabletten liegen. Eigentlich. Ryoga runzelte die Stirn, während er sich verwirrt umsah. Keine Tabletten. Dann wurde ihm bewusst, dass er die letzte Tablette genommen hatte, bevor sie trinken gegangen waren und er verfluchte sich. Wenigstens wusste er jetzt wieder, warum er nicht so viel hatte trinken wollen. Andererseits würde er sicherlich einen Staffmember zur nächsten Apotheke schicken können. Theoretisch. Sofern er sprechen konnte, ansonsten hatte er wohl schlechte Karten. Schließlich hatte er sich nach seinem Handy umgesehen, aber als er dieses gerade in die Hand nehmen wollte, klopfte es an der Tür und Ryoga hob eine Augenbraue. Sein Versuch ein „Herein.“ Hervor zu bringen, ging in einem weiteren Hustenanfall unter und er ließ sich müde aufs Bett sinken um das Gesicht in den Händen zu vergraben. Dass er gestern Nacht einen wahnsinnig großen Fehler begangen hatte, wurde Ryoga so richtig bewusst, als Tsuzuku zusammen mit einem Arzt das Zimmer betrat. Scheiße. Was hatte er seiner Stimme nur angetan? Die Untersuchung ging schneller vorbei als gedacht, aber das Ergebnis war nicht gut und Ryoga starrte auf die Zettel in seiner Hand, welche ihm der Arzt übergeben hatte, bevor er gegangen war. Fünf verschiedene Rezepte. Ein Hustenlöser, ein Hustenstiller, etwas für seine Immunabwehr. Dazu noch Antibiotika und fiebersenkende Schmerzmittel. Und als hätte das nicht gereicht, klingelten ihm immer noch die Ohren von der Warnung des Arztes, dass er in dem Zustand absolut nicht singen sollte und er seine Gesundheit riskieren würde, sollte er es trotzdem tun. Er hätte beinahe lachen müssen, sich aber zurück halten können. Sie waren auf Tour, wie konnte er jetzt daran denken, aufzuhören oder besser gesagt abzubrechen? Andererseits brachte er kaum ein Wort heraus ohne husten zu müssen und er schloss müde die Augen. Das hier war allein seine Entscheidung, das war ihm auch gesagt worden, aber hatte er wirklich eine Wahl? Es waren nur noch zwei Auftritte. Das Konzert morgen würde er so oder so absagen müssen und das Tour Finale in Tokyo konnte nach geholt werden. Theoretisch. Wenn er sich erholt hatte. In Ryogas Kopf drehte sich alles und er griff nach seinem Handy, starrte benommen auf das kleine, mobile Gerät. Koichi würde ihm raten, abzusagen. Die Fans würden enttäuscht sein, aber verständnisvoll. Und Tsuzuku? Ryogas Finger zuckten leicht, als sie sich um sein Handy schlossen und dieses fest drückten. Was interessierte ihn denn Tsuzukus Meinung? Sicher, dieser war so nett gewesen ihm einen Arzt zu rufen, aber da hörte es auch schon wieder auf. Kopfschüttelnd erhob sich Ryoga langsam, das Handy fest in einer Hand, die Rezepte in der anderen Hand, war an der Tür in seine Hausschuhe geschlüpft und hatte sich auf den Weg gemacht zum Zimmer ihres Managers. Sie würden reden müssen. Dringend. Und danach würde er vielleicht Koichi schreiben um sich von den grauenvollen Halsschmerzen abzulenken. Das Gespräch mit ihrem Tourmanager war zum Glück besser verlaufen als erwartet. Zuallererst hatte er eine Maske bekommen, diese sofort aufgesetzt und sich entschuldigt, dass er daran nicht gedacht gehabt hatte. Dann waren zwei ihrer Roadies zur nächsten Apotheke geschickt worden um ihm seine Medikamente zu holen und im Endeffekt hatte man ihm keine Wahl gelassen. Der Manager schien die Warnung des Arztes ernster genommen zu haben als er selbst und er hatte sogar eine kurze Strafpredigt gehalten bekommen, wie er in dem Zustand auch nur daran denken konnte, aufzutreten. Tot umfallen wollte er allerdings wirklich nicht, deswegen war die restliche Band auch in Kenntnis gesetzt worden und er hatte sich bei jedem einzeln entschuldigt, soweit seine Stimme das zugelassen hatte. Sie waren alle wahnsinnig verständnisvoll gewesen, nur Kifumi hatte ihn skeptisch beäugt aber das war ihm auch egal gewesen. Tsuzuku hatte sich angeboten, seine Sachen zu packen, Tomo hatte mit ihrem Manager zusammen die Aufgabe übernommen, die Livehäuser anzurufen und ihre Auftritte abzusagen, ihr Manager würde sich anschließend noch darum kümmern, die Informationen an die Fans zu bringen. Heute Nacht würden sie sich auf den Weg nachhause machen. Ryoga schloss müde die Augen, griff eher blind zu seiner Wasserflasche und nahm einen großen Schluck. Die Roadies würden ihm auch medizinischen Tee mit bringen der zusätzlich seine Stimmbänder beruhigen sollte. Das Zeug schmeckte zwar nicht, aber es war wirklich hilfreich. Bis dahin sollte er sich ausruhen, was grob zusammen gefasst hieß, dass er im Bett bleiben und schlafen sollte, sofern es ging. Schlafen klappte dank den Hustenanfällen absolut nicht, aber er lag zumindest im Bett. Dass er immer wieder sein Handy in der Hand drehte und überlegte, Koichi zu schreiben, sich aber nicht traute, musste niemand erfahren. Vor allem war Ryoga unsicher, was er schreiben sollte. Ob Koichi sich überhaupt freuen würde, wenn er sich bei ihm meldete? Zwar hatten sie gestern telefoniert, aber musste ja nichts bedeuten. Trotzdem konnte er das Handy nicht los lassen, was aber vielleicht auch daran liegen mochte, dass eine Stimme tief in ihm nicht aufhören wollte zu schreien. Nach einer weiteren halben Stunde ohne Schlaf, resignierte er schließlich. Nachdem die Nachricht getippt war, fühlte er sich halbwegs besser, hatte allerdings sofort wieder nach der Wasserflasche gegriffen um einem weiteren Hustenanfall vorzubeugen und betete innerlich, dass Koichi ihm antworten würde. Auch wenn sie sich nicht würden aussprechen können wenn er zurück war, er brauchte die Gewissheit, dass Koichi es sich nicht anders überlegt hatte und während Ryoga doch langsam begann einzuschlafen, hätte er schwören können, Koichis Stimme zu hören, welche ihm ein leises Schlaflied sang. Zwei Stunden später, schlug Ryoga die Augen auf, weil er sich erneut wach gehustet hatte und er gab einen gequälten Laut von sich. Wo bitte befand er sich? Bewegte sich sein Bett? War er überhaupt richtig wach oder hatte er Halluzinationen bekommen durch sein hohes Fieber? Vorsichtig hatte er eine Hand ausgestreckt um nach der Wasserflasche neben dem Bett zu greifen und zuckte zusammen als seine Finger stattdessen etwas kaltes, glattes berührten. Mühsam drehte Ryoga den Kopf zur Seite und nach mehrmaligem Blinzeln bemerkte er, dass es ein Fenster war, welches er berührte. Einige Minuten vergingen und langsam aber sicher wurde Ryoga bewusst, dass er sich im Tourbus befinden musste. Es gab keine andere Möglichkeit. Das bedeutete allerdings wohl auch, dass sie endlich auf dem Weg nachhause waren und mit einem erschöpften Seufzen schloss Ryoga die Augen wieder. Er fühlte sich immer noch erschlagen. Sein Hals schmerzte, wenigstens konnte er ohne Probleme atmen. Nur wie sollte er an etwas zu trinken kommen? Er konnte weder zaubern, noch eine Flasche Wasser aus seinen Gedanken materialisieren. Eigentlich schade, aber sie lebten ja in keiner Fantasiewelt. Mit einem lautlosen Murren hatte er begonnen, seine Taschen abzuklopfen, vergeblich. Sein Handy war auch nicht in Reichweite. Je länger er sich jedoch zwang, die Augen offen zu halten, desto mehr begann er Dinge zu erkennen und schließlich hatte sich Ryoga vorsichtig gestreckt, dass er seine Handtasche vom Fußende packen und zu sich ziehen konnte. Mit zitternden Fingern hatte er die Tasche durchwühlt und als er endlich sein Handy in der Hand hielt, hätte er beinahe geweint vor Freude. Es konnte allerdings auch daran liegen, dass der Sperrbildschirm ihm neue Linenachrichten anzeigte und er sicher war, dass diese von Koichi stammten. Woher diese Gewissheit kam, konnte er jedoch unmöglich sagen. Zuallererst jedoch machte er sich daran, eine Nachricht in den bandinternen Gruppenchat zu schicken, dann musste er das Handy sinken lassen, weil ihn ein neuerlicher Hustenkrampf überfiel. Als er sich halbwegs beruhigt hatte, wurde der Vorhang zu seiner Koje auch schon zur Seite gezogen und Tomo sah ihn besorgt an, bevor er ihm eine Wasserflasche reichte. Ryoga bedankte sich mit einem knappen Nicken, bemerkte nur aus dem Augenwinkel heraus, dass Tomo eine medizinische Maske trug und musste beinahe schmunzeln. Lieber hatte er sich dann jedoch dem Wasser gewidmet und sich von Tomo seine Medikamente geben und erklären lassen. Das war so viel, dass er beinahe nicht sicher war, ob er es schaffen würde, all das tatsächlich zu schlucken, aber er war erleichtert, als Tomo erklärt hatte, dass er nicht alles zusammen nehmen musste. Den Tee durfte er sowieso nur abends trinken, weil dieser genau so hustenstillend war, wie die Tabletten. Der Hustenlöser musste morgens eingenommen werden und die Antibiotika, zum Essen. Die fiebersenkenden Schmerzmittel nach Bedarf. Und die Tabletten für seine Immunabwehr konnte er einnehmen, wann immer er wollte. Das war dann doch eine große Erleichterung und nachdem Ryoga es geschafft hatte, eine der Schmerztabletten hinunter zu würgen, hatte es nicht lange gedauert, bis er erneut eingeschlafen war. Dieses Mal mit seinem Handy in der Hand weil der Schlaf ihn überrascht hatte, als er gerade seine neuen Mitteilungen hatte durch gehen wollen. Hoffentlich war Koichi ihm nicht böse. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)