One-Shots 2020 von Zaje (Projektsammlung) ================================================================================ Kapitel 1: Hogwarts at Night ---------------------------- Es war schon spät, als er sich auf den Weg zurück in den Gemeinschaftsraum der Ravenclaws machte. Sein Blick war nicht besonders klar; alles verschwamm langsam zu ein paar undefinierbaren Flecken. Marcus befand sich in einer Art Fresskoma; es fehlte nur noch sein weiches Bett, dann wäre alles perfekt. Vielleicht hätte er das letzte Dessert nicht mehr essen sollen, aber es war einfach so lecker gewesen. Es hatte wirklich nur Vorteile im Slug-Club zu sein, auch wenn er das anfangs nicht gedacht hätte. Taumelnd navigierte er mehr schlecht als recht durch die Korridore und wusste schon bald nicht mehr, wo er sich eigentlich befand. Es war, als wäre auf einem Rausch; auf einem Zuckerrausch. Und trotzdem war er glücklich. Mit einem seligen Lächeln auf den Lippen stieß er die nächste Tür auf und stolperte hindurch. In der Annahme er würde dahinter einen Geheimgang in den siebten Stock finden, ging er weiter und bemerkte erst in der Mitte des Raumes, dass etwas nicht stimmte. Hier waren keine Stufen. Weder nach oben, noch nach unten. Marcus versuchte sich zu konzentrieren, erleuchtete mit seinem Zauberstab den Raum und sah sich um. »Pokalzimmer«, sagte er nur und kratzte sich am Kopf. »Wie geht denn das?« Währenddessen schlug Draco Malfoy vier Stockwerke höher verärgert eine Tür hinter sich zu. Es war beinahe Mitternacht, als er den Raum der Wünsche verließ. Er hatte einen Auftrag zu erledigen, doch bisher gestaltete sich das schwieriger, als er gedacht hatte. Es war ein einziges Desaster und wenn er könnte, würde er alles hinschmeißen. Doch er konnte nicht. Der Dunkle Lord war … zu mächtig. Er würde es ihm nie verzeihen. Draco versuchte nicht länger an sein eigenes Versagen zu denken und konzentrierte sich stattdessen auf den Weg vor ihm. Er musste schnellstmöglich in den Slytherin Gemeinschaftsraum zurückkehren ohne erwischt zu werden. Filch oder sonst irgendeinem Volltrottel über den Weg zu laufen konnte er gar nicht gebrauchen. Als er im dritten Stock angelangt war, entschied er sich - wie immer - für den Weg durch das Pokalzimmer. Es war zwar nicht unbedingt eine Abkürzung, aber die Auszeichnungen ehemaliger Hogwartsschüler hatten eine fast beruhigende Wirkung auf ihn. Und nach so einem Abend konnte er etwas Ruhe gebrauchen. Draco kannte inzwischen jeden schattigen Winkel, in dem man sich verstecken konnte, doch im Pokalzimmer gab es kein Versteck, in das er sich im Falle eines Notfalls zurückziehen konnte. Vielleicht war es genau das, was ihn immer wieder in diesen Raum trieb. Leise öffnete er die Tür und schob sich hindurch. Sein Herz rutschte ihm in die Hose, als er ein fahles Licht in der Mitte des Raumes ausmachte. Irgendjemand war hier. Und es konnte nicht Filch sein, denn der Versager war ein Squib, wie er im Buche stand. Gerade als er wieder umkehren und einen anderen Weg einschlagen wollte, knarrte die Tür und schon wurde Draco von dem Licht geblendet. Wie automatisch beschleunigte sich sein Herzschlag. Er kniff die Augen zusammen und hielt schützend einen Arm hoch; ein Fehler, der ihm nicht unterlaufen sollte. »Wer ist da?«, krächzte eine Stimme, die Draco im ersten Moment nicht zuordnen konnte. Zumindest schien keine Gefahr von Wem-auch-immer auszugehen, sodass sich Draco seine fehlende Verteidigung schnell verzieh. »Und wer bist du?«, fragte Draco zurück und vermied es weiter in den Raum einzutreten. Stattdessen griff er endlich nach seinem Zauberstab und schloss seine Finger fest um ihn; immer bereit zum Einsatz. »M … Marcus. Marcus Belby«, stotterte die Stimme und Draco atmete einmal tief durch. Hatte er wirklich Panik vor einem Loser wie Belby gehabt? Dracos Herzschlag normalisierte sich wieder und ein dreckiges Grinsen umspielte seine Lippen, als er das Pokalzimmer vollständig betrat. »Na, Belby, hast dich wohl verirrt und findest nach dem Schleimer-Club-Treffen nicht mehr zurück in den Gemeinschaftsraum, was?«, ätzte er und ließ die Tür hinter sich zufallen. Er zog seinen Zauberstab und keine Sekunde später begann auch die Spitze seines Stabes zu leuchten. Sämtliche Farbe wich aus Marcus´ Gesicht, als er erkannte, wer ihm da gegenüber stand. Schlimmer hätte es ihn nicht treffen können. Selbst Filch wäre noch eine bessere Alternative gewesen! Zwar war Marcus ein Jahr älter als Draco, doch selbst wenn er zwanzig Jahre älter gewesen wäre, hätte er alles Menschenmögliche unternommen, um ihm aus dem Weg zu gehen. »Draco!« Etwas besseres fiel ihm nicht ein. Langsam wich er einige Schritte zurück und hoffte, dass er bald die Türklinke in seinem Rücken spüren würde. Er musste so schnell wie möglich hier weg. »Also … schön dich zu sehen, wir sehen uns dann … Gute Nacht!« Marcus machte auf dem Absatz kehrt, nahm die Beine in die Hand und lief in die Richtung aus der er gekommen war. Er konnte die Tür schon sehen, sie war nur wenige Armlängen entfernt, doch er würde sie nie erreichen. Draco verdrehte genervt die Augen. Baby-Belby ergriff die Flucht, als würde es ihm etwas bringen. Mit einer lässigen Bewegung schwenkte er seinen Zauberstab und im nächsten Moment stürzte Belby zu Boden. Er ließ ein erschrockenes Quieken hören, das Ähnlichkeit mit einem Schwein hatte; Draco lachte auf. Lächerlich. Wie hatte der Trottel es überhaupt geschafft seine ZAGs zu bestehen? »Also, Baby-Belby, willst du es auf die harte oder die weiche Tour?« Erneut schwang Draco seinen Zauberstab und schon befand sich der Ravenclaw in einer Ganzkörperklammer. Draco rollte ihn mit seinem Fuß auf den Rücken, so dass Belby ihn ansehen konnte. »Von einem Zauberer davonzulaufen macht wenig Sinn, sollte es dir bisher keiner gesagt haben.« Seine Stimme triefte vor Sarkasmus. »Weißt du, wenn ich dich so hilflos auf dem Boden liegen sehe, siehst du noch mehr nach einem Baby aus, als sonst.« Erneut ließ er ein Lachen hören. »Aber heute ist dein Glückstag, Belby.« Draco ging in die Hocke und beugte sich vor, als würde er Marcus ein Geheimnis erzählen wollen. »Wir treffen uns genau im richtigen Moment, denn in den nächsten Wochen brauche ich genau so einen Trottel wie dich.« Draco hatte ohnehin vorgehabt sich einen Handlanger zu suchen, der die Drecksarbeit für ihn erledigte. Snape war ihm auf den Fersen und Draco konnte es nicht gebrauchen, dass er seine Aufmerksamkeit weiter erregte. Wenn Snape ihm dazwischenfunken würde, würde der ganze Plan platzen. »Also, ich sag dir jetzt, wie es läuft, ja? Ich werde dich jetzt aus deinem Gefängnis befreien und danach wirst du genau das machen, was ich will.« Belby riss panisch die Augen auf und Draco wusste genau was ihm dieser Blick sagen sollte: ›Das werde ich ganz bestimmt nicht!‹ Wenn er nur wüsste. Draco richtete seinen Zauberstab auf Baby-Belby und tat genau das, was er zuvor angekündigt hatte. Belby glaubte er würde Draco überlisten indem er sich so schnell wie möglich aufrappelte, um erneut davonzulaufen. Doch er stand noch nicht mal auf den Beinen, als Draco den nächsten Zauber sprach: »Imperio.« Es klang beinahe melodisch und im nächsten Moment war die Panik, die Marcus Belby verspürt hatte nur noch eine entfernte Erinnerung. Kapitel 2: Die Bagel Affäre --------------------------- Er hatte schon die halbe Welt bereist und doch war er noch nie in den Staaten gewesen. Warum? Tja, das wusste Noah selbst wohl am wenigsten. Doch wie seine Mutter immer sagte: Besser spät als nie. Der Kanadier hatte letzte Woche seine Sachen gepackt und war Hals über Kopf über die Grenze in die USA gefahren. Ganz spontan. So spontan, wie es sein Exfreund immer gewünscht hatte. Ob Noahs Affinität alles bis ins kleinste Detail zu planen zur Trennung geführt hatte? Er wusste es nicht. Aber es war inzwischen egal, denn während er spontan in die Staaten gefahren war, war Oliver in das nächstbeste Bett gesprungen. Nicht ganz so spontan. Immerhin vögelte er Bruce schon seit einem dreiviertel Jahr. Noah war fleißig damit beschäftigt seinen Instagram Account mit Bildern und Videos zu füllen, damit Oliver sah, wie gut es ihm nach der Trennung ging und wie spontan er wirklich sein konnte. Noah verfluchte sich selbst, dass es ihn so störte, aber er hatte Oliver geliebt. Heutzutage war das wohl nicht mehr genug. Während Noah auf die leuchtenden Reklamen am Times Square hinaufblickte und gar nicht wahrnahm, was dort geschrieben stand, wurde Nick Fury von einer älteren Dame angeschauzt, die ihm den Bagel nicht umtauschen wollte, nur weil er möglicherweise gesehen hatte, wie sie versehentlich draufgespuckt hatte. Sie schwang erneut ihre Zange und fragte mit einem schnippischen Ton, ob er nun einen zweiten Bagel zum selben Preis haben wollte, oder nicht. Nick verneinte dankend, aus Angst, sie würde über den Tresen springen und ihm den Hals umdrehen. Er war nicht leicht einzuschüchtern, doch selbst er wusste, dass man ältere Damen, die die Macht über Lebensmittel besaßen, nicht aufregen sollte. Und wenn er ehrlich war … er würde ihr sogar zutrauen, dass sie ihn vergiften würde, würde er sich einen zweiten Bagel bestellen. Er hob die Hand zum Abschied und verließ in Windeseile den Laden. Wer wusste schon, was diese Frau ihm sonst antun würde. Sein Magen knurrte und er warf einen skeptischen Blick auf den Bagel in seiner Hand. »Nicht mal, wenn ich sterben würde«, murmelte er und steckte den Bagel inklusive Papiertüte in die Innentasche seiner Jacke. Stattdessen setzte er den Kaffebecher an seine Lippen und trank einen großen Schluck. »Hoffentlich hat sie da nicht auch reingespuckt.« Angewidert verzog er das Gesicht und setzte seinen Weg über den Times Square fort. Am besten nicht allzu genau darüber nachdenken. Nick war in Gedanken immer noch bei seinem misslungenen Frühstück und achtete kaum auf den Weg vor ihn. Gerade überlegte er, ob er sich in ein Café setzen sollte, um ordentlich zu frühstückten, doch sein Geistesblitz wurde jäh unterbrochen, als er gegen einen jungen Mann lief, der sich mit einer schwungvollen Bewegung gerade umgedreht hatte. »Oh, Verzeihung, ich hab Sie nicht gesehen, tut mir leid!«, entschuldige sich der Fremde sofort und rückte seine Brille zurecht. Nick war kurz davor seinem Frust freien Lauf zu lassen, entschied sich dann aber im letzten Moment dagegen. Er seufzte auf und sagte: »Kein Problem, es ist ja nichts passiert.« Er sah sich kurz um und lächelte schwach. »So viel wie hier los ist, können Sie froh sein, dass sie nur gegen mich gelaufen sind.« Sein Gegenüber ließ ein unsicheres, beinahe hysterisches, Lachen hören. »Ja, da haben Sie wohl recht.« Er wippte kurz auf seinen Fußballen auf und ab und schien noch etwas sagen zu wollen, doch er tat es nicht. »Ist alles okay mit Ihnen?«, fragte Nick schon beinahe besorgt. Irgendetwas an dem jungen Mann war seltsam. Er sah aus wie ein klassischer Tourist, bewaffnet mit einer Kamera und einem Handy, während er einen riesigen Rucksack auf den Schultern trug. »Ähm.« Der junge Mann sah ihn etwas verwirrt an, blinzelte dann ein paar Mal und setzte ein Lächeln auf. »Ja, alles okay, danke.« Er wollte sich schon zum Gehen abwenden, da drehte er sich noch einmal um und sagte: »Wissen Sie wo der Stark Tower Complex ist?« Jetzt war es Nick, dem die Worte fehlten. »Ähm«, begann er und runzelte die Stirn. »Ja, natürlich weiß ich das«, fügte er schnell hinzu. »Was wollen Sie denn da, wenn ich fragen darf?« Noah zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich wollte ihn einfach mal sehen.« Er warf einen kurzen Blick auf die Reklamen in seinem Rücken. »Ich denke mal nachdem ich den Times Square gesehen hab und immer noch nicht verstehe wieso man ihn gesehen haben muss, kann ich mir jetzt Dinge ansehen, die mich wirklich interessieren.« Er drehte sich wieder zu Nick um und grinste. Nick ließ ein Lachen hören. »Glauben Sie mir, Sie sind nicht der einzige, der den Trubel um den Times Square nicht versteht. Aber der Kaffee ist gut«, meinte er, als bräuchte er eine Erklärung für seine Anwesenheit. Wie zum Beweis trank er einen Schluck und verzog sofort angewidert das Gesicht. »Außer er ist kalt.« Jetzt war es an Noah zu lachen. »Gut zu wissen.« Erneut wippte er auf seinen Fußballen auf und ab und wusste nicht recht was er sagen sollte. Eine komische Situation. »Na ja«, unterbrach Noah die Stille dann. »Danke jedenfalls. Ich denke ich werde dann schon hinfinden, sonst frage ich mich durch.« Belustigt hob Nick eine Augenbraue. »Ich habe Ihnen ja noch gar nicht gesagt wie Sie hinkommen.« »Ach ja. Stimmt. Da war noch was.« Noah lachte auf und kratzte sich am Kopf. Nick warf ihm einen fragenden Blick zu. »Ach ja!«, wiederholte Noah und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Etwas umständlich zog er eine Karte von New York City aus seiner Jackentasche. »Also, wir sind hier, oder?« Es war mehr eine rhetorische Frage, denn im nächsten Moment hatte er die Aufschrift ›Times Square‹ schon gefunden. »Genau.« Nick beugte sich näher und zog einen Stift aus seiner Tasche. »Und der Stark Tower ist hier.« Er deutete auf den Punkt der Karte und kringelte ihn ein. »Am besten nehmen Sie die Linie-« »Schon okay«, unterbrach Noah ihn. »Ich gehe zu Fuß, ich will ja etwas von der Stadt sehen. Danke für Ihre Hilfe!« Er schien sich wirklich zu freuen. »Kein Problem.« Nick erwiderte das Lächeln und wollte sich schon zum Gehen wenden, da fiel ihm etwas ein. »Wollen Sie zufällig einen Bagel?« Noah, der seinen Blick inzwischen wieder auf die Karte gerichtet hatte, sah ihn verwirrt an. »Ich hab mir zwei gekauft, aber nur einen gegessen. Und Sie sehen hungrig aus«, fügte Nick erklärend hinzu. »Sehr gerne, das ist wirklich freundlich von Ihnen. Ich hätte nicht gedacht, dass ihr New Yorker so nett seid!« Noah war begeistert. Nick holte die Papiertüte aus seiner Jackeninnentasche und reichte sie Noah. »Woher kommen Sie?« »Aus Kanada. In der Nähe von Little Buffalo. Vielen, vielen Dank, Sie haben mir heute wirklich den Tag gerettet!« Noah strahlte wie ein Honigkuchenpferd, hob die Hand zum Abschied und wandte sich zum Gehen. Noah war schon fast außer Sichtweite, da folgte eine erneute Kurzschlussreaktion seitens Nick. »Hey!«, rief er Noah hinterher und beschleunigte seine Schritte, um ihn einzuholen. »Wenn Sie länger in New York bleiben hätte ich vielleicht einen Job für Sie.« Er reichte ihm seine S.H.I.E.L.D. Visitenkarte, die Noah sofort in seine Jackentasche steckte, ohne sie anzusehen. »Danke, Sie sind wirklich sehr großzügig. Ich melde mich.« Er lächelte und Nick merkte an seinem Blick, dass er es ehrlich meinte. Auch wenn Nick den Kanadier nicht mal nach seinem Namen gefragt hatte, war er sich sicher, dass er perfekt in sein Team passen würde. Auf seine Menschenkenntnis hatte er sich schon immer verlassen können. Und vielleicht, aber nur vielleicht, würde er Noah irgendwann die Wahrheit über den angespuckten Bagel erzählen. Kapitel 3: Nachtspaziergang --------------------------- Wanda schlief tief und fest. So wie der Großteil der Menschheit, wenn es 01:00 Uhr nachts war. Nur dass Pietro Maximoff nicht zum Großteil der Menschheit gehörte. Er stellte die Zahnbürste in den dafür vorgesehenen Becher und schlich sich dann aus der Wohnung. In schlaflosen Nächten half es ihm, sich die Beine zu vertreten. Dass er dabei um die halbe Welt lief, musste man ja nicht unbedingt erwähnen. Vor allem nicht seiner Zwillingsschwester gegenüber. Sie machte sich im Moment ohnehin schon genug Sorgen. Er sollte ihr eine Figur einer Freiheitsstatue von seinem Spaziergang in New York City mitnehmen. Nachdem sie ihm die Figur nachgeworfen hätte, würde sie sich dann vielleicht darüber freuen. Seine Fähigkeit, die er HYDRA zu verdanken hatte, hatte ihm Möglichkeiten eröffnet, von denen er nicht zu träumen gewagt hätte. Gerade noch war er in Sokovia gewesen und einen Wimpernschlag später war er schon mitten im Trubel des Times Squares. Ein Grinsen legte sich auf seine Lippen. Er liebte es. In New York war es kurz nach 19:00 Uhr und doch war es so hell, als wäre es mitten am Tag. Von überall her blinkte und blitzte es. Pietro stand unter einer der riesigen Leuchtreklamen, stemmte die Hände in die Hüften und sah sich um. Fantastisch. Er schlenderte in die nächste Straße, kaufte eine kleine Freiheitsstatue für Wanda und hielt dann an, um sich eine Pizza zu besorgen. New Yorker Pizza war wirklich lecker. Vielleicht würde Wanda eine Pizza mehr zufriedenstellen als die Figur in seiner Tasche. Unterdessen verfluchte Pepper Potts alles und jeden. Nicht nur, dass Tony nicht erreichbar war, nein. Ihr Wagen war in der Werkstatt und der Absatz ihres Pumps war abgebrochen. Sie hatte ihn notdürftig mit Klebeband befestigt, doch richtig sicher fühlte sie sich nicht. Ab dem folgenden Tag würde sie definitiv ein Paar Sneakers in ihrem Büro aufbewahren. Nur für alle Fälle. Es nervte sie, dass sie nicht so schnell gehen konnte, wie sie es sonst tat. Während die Stadt um sie herum im Eiltempo weiterlebte, schien sie selbst nicht vom Fleck zu kommen. Es war zum Haareraufen. Ein frustriertes Schnauben entwich ihr. Pepper wackelte zur nächsten U-Bahn Station und war versucht sich einfach die Schuhe von den Füßen zu kicken, doch die Glasscherben am Boden ließen sie ihr Vorhaben überdenken. Sie zog ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und legte es auf das Geländer, um sich daran festzuhalten. Sie ekelte sich vor Treppengeländern und sie vermied es sie zu berühren. Wäre sie nicht darauf angewiesen, wäre alles leichter. Eine halbe Ewigkeit später kam sie unten an und hätte sich am liebsten hingesetzt, doch mit den Stühlen an öffentlichen Plätzen verhielt es sich genauso wie mit den Treppengeländern: Pepper hasste sie. Wie viele Leute die Sachen schon berührt hatten … und wer wusste, wann die sich das letzte Mal die Hände gewaschen hatten! Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken und sie unterdrückte ein Würgen. Ekelhaft. Pepper warf einen Blick zur Seite und erschrak. Ein junger Mann stand plötzlich neben ihr, der eine halbe Sekunde zuvor definitiv noch nicht da gewesen war. Sie musterte ihn skeptisch. Er starrte auf die gegenüberliegende Wand, als wäre sie das großartigste, das er je gesehen hatte. Immer wieder ließ er ein leises Schmatzen hören, während er sich viel zu große Bissen seiner Pizza in den Mund schob. Pepper verzog angewidert das Gesicht und wandte sich ab. Am liebsten würde sie sich von dem Mann entfernen, doch sie wollte ihren Schuhen nicht noch mehr abverlangen. Da musste sie wohl jetzt durch. Pepper zog ihr Handy heraus, um ihre Mail zu checken, doch sie konnte sich nicht darauf konzentrieren; das Schmatzen zu ihrer Rechten nahm einfach kein Ende. Sie steckte ihr Handy wieder weg und wollte gerade etwas zu dem Fremden sagen, da ertönte ein gellender Schrei. Pepper fuhr herum und sah eine Frau am Rande des Bahnsteigs stehen. Schnell erkannte sie das Drama: Der Kinderwagen war auf die Gleise gerollt und laut der Anzeige würde die nächste U-Bahn in einer knappen Minute eintreffen. Aus Reflex lief Pepper sofort nach vorne, kam aber nicht weit, da das Klebeband seinen Dienst quittierte, der Absatz sich erneut löste und Pepper der Länge nach hinfiel. Der Inhalt ihrer Tasche machte sich auf den Weg, um dem Kinderwagen Gesellschaft zu leisten. Aus Peppers Kehle löste sich ein Schrei, bevor sie es aufhalten konnte. Sie robbte Richtung Bahngleis, um der Frau mit ihrem Kinderwagen zu helfen, doch als Pepper den Blick nach vorne richtete, war der Kinderwagen schon verschwunden. Es war purer Zufall gewesen, dass Pietro zur U-Bahn gegangen war. Er hatte sich während seines Speed-Spaziergangs verlaufen und war vor einer Haltestelle zum Stehen gekommen, weshalb er beschlossen hatte, einmal quer durch die Stadt zu fahren, um die Menschen zu beobachten. Während die blonde Frau fiel, zog er den Kinderwagen in Windeseile von den Gleisen und brachte ihn samt Baby und dazugehöriger Mutter in Sicherheit. Dann wandte er sich der Frau am Boden zu und streckte ihr die Hand hin. »Alles okay?«, fragte er in gebrochenem Englisch und half ihr auf die Beine. Schnell erkannte er, warum sie gestürzt war: Ihr Absatz hatte sich vom Rest des Schuhs gelöst. Ohne auf eine Antwort zu warten, zog er sie auf die Beine und hörte im selben Moment, wie der Zug in die Haltestelle einfuhr. Ohne groß darüber nachzudenken, drehte er sich um und eilte mit Hilfe seiner Kräfte auf die Bahngleise, um den Tascheninhalt der Frau einzusammeln. Zu spät bemerkte er, dass er sie immer noch festhielt; der panische Schrei wenige Zentimeter neben seinem linken Ohr wies ihn aber freundlich darauf hin. »Keine Panik!«, rief er über die Schulter, doch er war sich ziemlich sicher, dass sie ihn nicht hörte. Peppers Fingernägel krallten sich in Pietros Unterarm und Handrücken und er war sich sicher, dass er von den Abdrücken länger etwas haben würde. Pietro warf sämtliche Gegenstände in die offene Tasche und beeilte sich dann, um aus der Haltestelle zu verschwinden. Mit einer eleganten Bewegung warf er sich die Frau inklusive Handtasche über die Schulter und lief von dem Zug weg. Erst als er weitere fünf Stationen hinter sich gelassen hatte, wurde er langsamer und hielt in einer Seitennische an. Sanft setzte er die Frau auf dem Boden ab und kratzte sich am Kopf. »Ups«, meinte er nur, als sie sich wegdrehte und lautstark übergab. Pietro verzog das Gesicht. »Was … wie?«, stotterte die Frau und sah ihn an, als käme er vom Mond. Pietro zuckte mit den Schultern. »Zu kompliziert«, meinte er nur. »Haben Sie sich verletzt?« Pepper schüttelte langsam den Kopf und starrte ihn immer noch entgeistert an. »Wo müssen Sie hin? Soll ich Sie nach Hause bringen?« Man merkte, dass ihr der Gedanke nicht unbedingt gefiel, doch im U-Bahn-System New Yorks zurückzubleiben war auch keine Alternative, weshalb sie langsam nickte. »Warten Sie … werde ich mich wieder übergeben?« Pietro zuckte mit den Schultern. »Vermutlich.« Und im nächsten Moment flitzten die beiden auch schon wieder von einem U-Bahn Schacht in den nächsten, bis Pietro Pepper direkt vor ihrer Haustür absetzte. Während Pepper sich ausgiebig in den nächsten Rhododendronbusch übergab, aß Pietro seine kalte Pizza auf und blickte sich um. Eine nette Gegend. »Vielen Dank«, ertönte eine schwache Stimme neben ihm und er wandte sich zu Pepper um, die aussah, als hätte man sie durch den Fleischwolf gedreht. »Gerne. Bis zum nächsten Mal!«, verabschiedete sich Pietro und schon war er verschwunden. Nur eine kleine Sandwolke deutete darauf hin, dass jemand hier gewesen war. »Hoffentlich nicht«, murmelte Pepper und schleppte sich in ihre kleine Wohnung. Was für ein Tag. Pietro war ganz zufrieden mit seinem kleinen Spaziergang und er war sich sicher, dass er jetzt noch ein paar Stunden Schlaf finden würde. Er kam vor dem Wohnhaus zum Stehen, stopfte sich den letzten Bissen Pizza in den Mund, warf den Karton in den Müll und raste dann nach oben, um so leise wie möglich die Tür zu öffnen. Als er die Wohnung betrat, stellte er zufrieden fest: Wanda schlief tief und fest. Kapitel 4: Mitten im Krieg -------------------------- Chaos. Um mich herum herrscht nichts als Chaos. »Lavender? Alles okay? Du bist verletzt!« Parvatis Stimme dringt nur dumpf an mein Ohr. Wie mechanisch setze ich einen Fuß vor den anderen, ohne zu wissen wo ich hingehe. »Lavender?!« Parvatis Stimme erstirbt; vermutlich bringt sie sich in Sicherheit, weil sie nicht zu mir durchdringen kann. Aber das ist egal. Im Augenblick ist alles egal. Und wir würden uns später sehen. Ich fühle mich, als würde ich ersticken. Staub kratzt in meinen Atemwegen. Glassplitter bohren sich in meine Haut und lassen sie bluten. Meine Wade schmerzt; ich glaube, dass ich sie mir gequetscht habe, doch ich kann mich nicht daran erinnern. Meine Beine tragen mich nach draußen, wo das Chaos, die Zerstörung und der Schmerz noch viel größere Ausmaße angenommen hat, als ich mir je hätte vorstellen können. Das Hogwarts, wie ich es kenne, gibt es schon lange nicht mehr. Und jetzt … jetzt wird es bis auf seine Grundmauern zerstört. Ich weiß nicht, was mich dazu veranlasst, doch ich gehe in die Richtung des Verbotenen Waldes. Weg von den Schreien, den Hilferufen und dem unendlichen Leid. Ich bin hier um zu helfen, doch ich kann nicht mehr. Ich bin mit meiner Kraft am Ende. Ich brauche nur etwas Ruhe … ein paar Minuten. Ich muss zuerst mir selbst helfen, bevor ich anderen helfen kann. Es dauert lange, bis ich mich im Schatten des Waldes verstecken kann. Langsam beginnt auch mein Hirn wieder zu arbeiten … oder eher zu verarbeiten. Es ist schierer Wahnsinn, was hier gerade passiert. Vor wenigen Stunden noch war ich der festen Überzeugung, dass die Gefahr gebannt sei. Dass Harry Potters Rückkehr nach Hogwarts uns alle retten würde. Wie sehr ich mich doch geirrt habe. Ich atme ein paar Mal tief durch, lasse mich auf den feuchten Waldboden sinken und schließe fest die Augen. Bilder verfolgen mich. Bilder von toten und verletzten Freunden. Bilder, die nie mehr aus meinem Kopf verschwinden werden. Bevor ich sie aufhalten kann, laufen heiße Tränen über meine Wangen. Meine Hände beginnen unkontrolliert zu zittern. Ich kenne die Geschichten vom ersten Krieg, doch es fühlte sich immer so unwirklich an; als wären es nur Märchen. Und jetzt sitze ich mitten drin. Mitten in einer Schlacht, die keiner gewinnen kann. Das Knacken eines Astes lässt mich hochfahren. Mein Herz pocht hart gegen meine Brust und ich kann nur schwer einen Schrei oder ein leises Wimmern unterdrücken. Ich presse mir die Hände auf den Mund, um ja kein Geräusch zu machen, doch ich bin mir sicher, dass mich mein donnernder Herzschlag verrät. Meine Augen suchen die Umgebung ab, doch ich kann niemanden entdecken. Vielleicht habe ich mir alles nur eingebildet? Langsam nehme ich die Hände wieder von meinem Mund, doch da höre ich das Knacken erneut. Mir wird heiß und kalt zugleich. Ich beiße mir in die Hand, um ja keinen Laut von mir zu geben und senke den Kopf in die Richtung meiner Knie, um mich so klein wie möglich zu machen. Vielleicht ist es nur ein wildes Tier, das sich gleich wieder verzieht. Oder mich auffrisst. Der Gedanke daran treibt mir den Schweiß ins Gesicht und lässt mein Herz nur noch schneller schlagen. »Ich weiß, dass du hier bist.« Eine krächzende Stimme dringt an mein Ohr, die mir gefährlich bekannt vorkommt. Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken und sofort wird mein Körper mit einer Gänsehaut überzogen. »Ich kann deine Angst riechen, Schätzchen.« Ich spüre, wie mir die Galle hochsteigt. Ein saurer Geschmack breitet sich in meinem Mund aus. Schnell presse ich mir die Hände wieder auf den Mund, um mich nicht zu verraten. »Komm raus, Liebes.« Bellatrix Lestrange. Mein Herz setzt einen Schlag aus und kurzzeitig bin ich mir nicht sicher, ob es je wieder schlagen wird. Das ist mein Ende. Wenn sie mich findet, bin ich tot. Die Galle droht mich zu ersticken. Schnell lehne ich mich zur Seite und übergebe mich. »Ach, Darling, du musst mir doch nicht gleich entgegenkotzen.« Ihr schrilles Lachen fährt mir durch Mark und Bein. Tränen laufen mir unaufhaltsam über die Wangen. Mein Kopf schreit und fleht mich an zu fliehen, doch mein Körper weigert sich. »Schätzchen, langsam verliere ich wirklich die Geduld.« Bellatrix Lestrange ist nicht mehr weit von mir entfernt und ich bin mir sicher, dass sie mich gleich schnappen wird. Noch nie in meinem Leben habe ich solche Ängste ausgestanden. Wieso nur bin ich überhaupt erst in den Wald gelaufen? Äste knirschen und zerbrechen unter ihren Füßen und ich weiß, dass mein Leben nun vorbei ist. Plötzlich versiegen meine Tränen und ich spüre eine innere Ruhe. Ja, mein Leben ist gleich vorbei; vielleicht ist es so das beste. Dann muss ich nicht zurück in den Kampf. Dann muss ich nicht sehen, wie weitere Freunde von mir sterben oder verwundet werden. Ich fühle mich, als würde sich ein beruhigender Schleier über mich legen, der mich von der Außenwelt abschirmt. Leiser Singsang dringt an mein Ohr und ich habe keine Ahnung woher er kommt. Ich summe die Melodie mit, als würde ich sie mein Leben lang kennen. Langsam stehe ich auf und drehe mich ein paar Mal um mich selbst. Ich schließe meine Augen und wiege mich sanft hin und her, als würde mich der Wind schaukeln und beruhigen wollen. Als ich die Augen wieder öffne, blicke ich in Bellatrix Lestranges kalte Augen. Ihr höhnisches Lachen erreicht mich nicht, doch ich sehe es und das reicht, um mir Angst einzujagen. Doch irgendwie … irgendwie hält mich die Angst nicht so fest im Griff, wie sie es sollte. Und da fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Ich stehe unter einem Imperius-Fluch. Bellatrix Lestrange hat mich unter Kontrolle. Es dauert einige lange Momente, bis ich unter dem wabernden Nebel einen klaren Gedanken fassen kann. Imperius-Fluch. Viertes Schuljahr. Professor Moody. Er hat uns gelehrt, wie wir uns dem Imperius-Fluch entziehen können. Damals habe ich es nie geschafft den Fluch zu brechen. Jetzt muss ich es schaffen. Ich konzentriere mich, rufe mir seine Worte in Erinnerung und strenge mich so sehr an, wie noch nie in meinem Leben. Ich merke es sofort als der Fluch von mir abfällt. Die Angst kriecht meinen Nacken hoch und das Lachen der Todesserin schmerzt in meinen Ohren. Bevor ich überhaupt über irgendetwas nachdenken kann, laufe ich um mein Leben. Raus aus dem Wald in die Richtung des brennenden Schlosses, das so lange mein zu Hause war. Bellatrix Lestranges Lachen klingelt in meinen Ohren, während mein Kopf immer und immer wieder ihre letzten Worte an mich wiederholt: »Diese Nacht überlebst du ohnehin nicht, Schätzchen!« Kapitel 5: Sonnenuntergangsgedanken ----------------------------------- Noah rückte seine Brille zurecht, starrte auf den Ozean und vergrub seine Zehen in dem heißen Sand. Rio de Janeiro. Was sein Exfreund Oliver wohl dazu sagen würde? Er hatte immer gesagt, dass Noah nichts wagen und etwas Spontaneität ihre Beziehung auffrischen würde und solchen Kram. Im Endeffekt hatte Oliver nur nach Ausreden gesucht, um die Beziehung zu beenden, da war Noah sich sicher. Ein leises Seufzen entwich ihm. Er warf einen Blick über die Schulter und schüttelte den Kopf. Bruce Banner saß im Schneidersitz auf einer Sonnenliege, da er - nach eigener Behauptung - unfähig war am Boden zu sitzen. Er kaute auf einem Kugelschreiber und studierte irgendwelche Unterlagen, von denen Noah vermutlich ohnehin nichts verstehen würde. Noahs Sachen lagen auf einem Haufen am Boden neben der Liege und waren voll Sand. Noah drehte sich wieder um. Bald würde die Sonne untergehen; er liebte diesen Anblick. Zaghaft setzte er einen Fuß vor den anderen und blieb erst dann stehen, als das Wasser seine Knöchel umspülte. In den letzten vier Wochen war so viel passiert, dass er gar nicht wusste, wo ihm der Kopf stand. Nachdem er in New York City zufällig Nick Fury über den Weg gelaufen war, hatte sich sein Leben komplett geändert. Nick Fury hatte ihm seine Karte zugesteckt und ihm einen Job angeboten. Noch am selben Abend, nachdem Noah den Stark Tower Complex besucht hatte, hatte er ihn angerufen. Inzwischen wusste er auch, dass es nicht mehr Stark Tower, sondern Avengers Tower hieß. Und er hatte ihn mehr als einmal von innen gesehen. Denn wie sich herausgestellt hatte, hatte Nick Fury ihn, Noah Clairmont, rekrutiert um für ihn zu arbeiten. Für S.H.I.E.L.D.. Oder die Avengers. So ganz sicher war sich Noah noch immer nicht. Die Sonne näherte sich immer weiter dem Horizont und Noah zog sein Handy heraus. Den dritten Tag in Folge hielt er den atemberaubenden Anblick fest, um ihn später auf Instagram zu posten. Oliver hatte die letzten beiden Bilder sogar geliked und mit einem Herzaugen-Emoji kommentiert. Noah hatte es ignoriert und er war verdammt stolz auf sich. »Ein wahnsinnig schöner Anblick nicht wahr?« Bruce Banners ruhige Stimme riss Noah aus seinen Gedanken und er erschrak leicht. »Ja, das stimmt.« Die beiden standen eine Weile so da und starrten auf das Meer hinaus, bis die Musik in der Discothek am Strand so laut aufgedreht wurde, dass die ganze Stimmung dahin war. Bruce wandte sich ab und kehrte zu seinem Platz zurück. Noah folgte ihm nur wenige Momente später. Er setzte sich neben seine Sachen in den noch warmen Sand. Obwohl die Sonne inzwischen vollständig versunken war, um am anderen Ende der Welt wieder aufzugehen, war es hell hier am Strand. Die Disco, sowie einige Strandbars, versorgten ihre Umgebung mit ausreichend Licht. »Was machen Sie da eigentlich?«, fragte Noah nach einer Weile und löste seinen Blick vom Meer, um Dr. Banner einen Blick zuzuwerfen. Bruce hob die Augenbrauen und erwiderte seinen Blick. »Ich lese.« Ein Schmunzeln umspielte seine Lippen. »Ein paar Forschungsunerlagen«, fügte er hinzu. »Mehr Details?« Noah schüttelte den Kopf und grinste schief. »Ich denke davon verstehe ich ohnehin nichts.« Schweigen umhüllte die beiden und sie hingen wieder ihren eigenen Gedanken nach. Man hatte Noah auf diese Reise geschickt, um Dr. Banner zur Seite zu stehen und zu helfen, doch Noah kannte keinen Menschen, der weniger Hilfe gebrauchen könnte, als Bruce Banner. Vielleicht konnte man Noah im Stark … Avengers Tower nicht mehr gebrauchen. Anders konnte er sich das nicht vorstellen. Ein leises Seufzen entwich ihm. War es vielleicht doch die falsche Entscheidung gewesen den Job anzunehmen? »Woran denken Sie?« Bruce spürte die aufkeimende Unruhe, die von dem jungen Mann ausging. Es machte ihn nervös. Nicht so nervös, dass er grün wurde, aber so nervös, dass er sich nicht weiter auf seine Unterlagen konzentrieren konnte. Noah starrte weiterhin aufs Meer hinaus und zuckte mit den Schultern. »Ich frage mich, ob es die richtige Entscheidung war den Job anzunehmen.« »Wieso?« »Ich weiß nicht … ich weiß nicht mal was ich hier tun soll.« Bruce lächelte. »Nun, Sie sollen mir helfen.« Noah wandte sich zu ihm und hob eine Augenbraue. »Sie brauchen keine Hilfe und das wissen wir beide.« »Wissen Sie, Noah, Sie haben im Normalfall eine sehr ruhige und angenehme Ausstrahlung und Nick Fury …« Er hielt inne und kaute kurz auf seinem Stift, bevor er fortfuhr. »Er vertraut mir nicht zur Gänze und hat Angst, dass ich die Kontrolle verliere. Also haben Sie einen sehr wichtigen Job.« So hatte Noah das noch nie betrachtet. Vor allem, weil er sich nicht als jemand sah, der eine ruhige und angenehme Ausstrahlung hatte. So ganz konnte er sich das nicht vorstellen »Das heißt mich will keiner loswerden?« »Nein, ich denke nicht.« Bruce räusperte sich. »Was wäre denn Ihre Alternative?« Noah lachte auf. »Sie meinen mit Alternative das Kaff in der Nähe von Little Buffalo, in dem auch mein Exfreund und seine Affäre wohnen, und den Job den ich gekündigt habe?« »Okay, also keine Alternative.« Bruce lachte leicht. »Dann haben Sie ja nichts zu verlieren, wenn Sie sich auf die nächsten Wochen einlassen.« »Wie meinen Sie das?« »Sie haben Angst, dass man Sie loswerden will, glauben nicht an die Wichtigkeit Ihres Jobs und überlegen, ob sie gleich alles hinschmeißen sollen.« Noah verzog das Gesicht. »Sie sind wirklich klug.« Erneut ließ Bruce ein Lachen hören. »Danke. Ich habe einfach ein Gespür für Leute. Und das hat Nick Fury übrigens auch. Er hätte Ihnen den Job nicht angeboten, wenn er Ihnen nicht vertrauen würde.« »Hm«, machte Noah und schob seine Unterlippe nach vorne. Vielleicht hatte Dr. Banner ja recht. Er sollte wirklich an sich arbeiten und sich besser auf Situation einlassen; vielleicht war es das, was Oliver immer bemängelt hatte. Ohne einen genauen Plan funktionierte in Noahs Leben nichts, doch man konnte nicht alles planen. Das musste er noch lernen. »Sie sollten mal eine Weile mit Tony Stark arbeiten, da lernen Sie spontan zu sein«, meinte Bruce, als hätte er seine Gedanken gelesen. »Mal sehen was auf mich zukommt. Wer weiß, vielleicht werde ich ja zu einem echten S.H.I.E.L.D.-Agenten«, scherzte Noah. »Ja, vielleicht«, erwiderte Bruce nicht ganz so scherzhaft und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. Der Junge wusste wirklich nicht, was in ihm steckte und wie hoch seine Chancen waren tatsächlich ein S.H.I.E.L.D.-Agent zu werden. Kapitel 6: Kaffeepause ---------------------- Lange Sitzungen mit dem ganzen Team im Avengers Tower erforderten auch lange Pausen. Zumindest war Tony Stark dieser Ansicht, weshalb er gerne mal zu spät in den Konferenzraum zurückkehrte. Steve würde ohnehin die ersten zehn Minuten den letzten Teil der Sitzung rekapitulieren, da verpasste er nicht viel. Tony ging von der Dachterrasse nach drinnen in die kleine Kaffeeküche. Seit kurzem hatten sie eine neue Kaffeemaschine. Ein richtiges Hightech-Gerät. Zugegeben, Tony hatte die Maschine nur gekauft, weil Steve ihm ständig damit in den Ohren gelegen war, welch leckeren Kaffee seine rostige Maschine aus dem Jahre 54 vor Christus gemacht hatte. Der alte Mann hatte einfach keine Ahnung. Tony holte sich eine Tasse aus dem Schrank über der Spüle und drückte auf den Einschaltknopf der Kaffeemaschine. Die machte kein Geräusch, was Tony etwas stutzig machte. Bisher hatte er sie noch nicht getestet, aber normalerweise sprang jede ausgeschaltete Maschine an, wenn man auf den On/Off-Knopf drückte. Eine seiner Augenbrauen wanderte nach oben und er blickte skeptisch auf das schnittige Maschinchen vor ihm. Erneut drückte er auf den Knopf, doch nichts geschah. Er drückte alle anderen Knöpfe, checkte den Wassertank und klopfte einmal oben drauf. Nichts. »Was ist das denn für ein Mist«, grummelte er und sein Blick verfinsterte sich. Tony konnte sich nicht länger mit der nicht funktionierenden Maschine beschäftigen, da die Tür aufgerissen wurde und eine gehetzte Maria Hill hereinkam. »Tony!«, rief sie überrascht aus. »Ich dachte schon, ich komme zu spät zurück. Ich war beim Bäcker am Ende der Straße«, fügte sie erklärend hinzu, als Tony ihr einen fragenden Blick zuwarf. »Ach so. Hast du mir etwas mitgebracht?«, scherzte Tony und hob überrascht die Augenbrauen, als Maria ihm tatsächlich eine kleine Papiertüte hinhielt. »Schokodonut«, meinte sie nur und zuckte mit den Schultern. »Willst du auch einen Kaffee?«, fragte sie, als sie den Schrank über der Spüle öffnete. »Ja, gerne. Meine Tasse steht sogar schon startbereit.« Er deutete auf die rote Tasse neben der Kaffeemaschine und holte seinen Donut aus der Tüte. »Der isch wirklisch lecker!«, schmatzte er begeistert und beobachtete Maria, wie sie den Stecker der Kaffeemaschine in die Steckdose steckte. Augenblicklich verschluckte Tony sich an dem köstlichen Gebäck. Schnell wandte er sich ab und hustete, als ginge es um sein Leben; was es ja irgendwie auch tat. Unter Tränen griff er nach einem Glas Wasser und trank gefühlt die Wasserleitung leer, bis es ihm wieder besser ging. »Alles okay?«, fragte Maria und klopfte ihm auf den Rücken. »Geht wieder«, keuchte er und wischte sich über die Augen. »Du hättest mir auch vorher sagen können, dass das ein Mordanschlag war«, meinte er halb belustigt und deutete auf das restliche Stück Donut, das er mit Vorsicht genießen würde. »Tut mir leid, aber wo wäre da der Spaß gewesen?« Maria grinste, reichte ihm seine Kaffeetasse und gemeinsam gingen sie in den Konferenzraum, wo Steve Rogers gerade seine Zusammenfassung der letzten Einheit beendete. Der Kaffee schmeckte hervorragend und Tony bereute keinen Cent, den er für dieses Maschine bezahlt hatte. Genüsslich leckte er sich über die Lippen und grinste vor sich hin. Sein Handy leuchtete - nachdem Steve sich schon mehr als einmal über das Vibrieren von Tonys Handy beschwert hatte, hatte er den Ton komplett ausschalten müssen - als eine Nachricht einging. Es lag auf der offenen Mappe auf dem Tisch und Tony zog beides heran und lehnte die Mappe so an den Tisch, dass Steve ihn nicht wieder dabei erwischen konnte, wie er mit seinem Smartphone spielte. Tony öffnete die Nachricht. Sie war von Maria. ›Grins nicht so, ernstes Thema. Der Captain schmeißt dich sonst raus. ;-)‹ Es fiel ihm nur schwer ein Lachen zu unterdrücken. Er warf einen Blick über den Tisch hinweg, wo Maria ganz konzentriert nach vorne starrte. ›Dein Anblick bringt mich einfach zum Lächeln, was soll ich machen?‹ ›Volltrottel.‹ »Können wir uns jetzt alle wieder konzentrieren?« Steves Blick fixierte Tony, der ihn anstrahlte. »Steve, mein Freund, wir sind alle total dabei. Keiner von uns wagt es nach fünf Stunden, mit einer zehnminütigen Pause dazwischen, sein Hirn abzuschalten.« Steve seufzte auf und verdrehte die Augen. »Ich kann mich gut daran erinnern, dass es deine Idee war, das an einem Tag durchzuziehen.« Er zuckte mit den Schultern und schloss seine Mappe. »Aber dann machen wir einfach morgen weiter«, meinte er leichthin, nahm seine Mappe und verließ dicht gefolgt von Natascha das Konferenzzimmer. Tony sah ihm verwirrt hinterher, schüttelte den Kopf und stand dann auf. »Da hast du ihn aber ganz schön verärgert«, meinte Maria und warf ihm einen gespielt tadelnden Blick zu. »Ach, er ärgert sich sowieso immer, wenn ich etwas sage oder mache.« »Da ist was dran.« Maria lachte und verabschiedete sich von Tony. »Wir sehen uns dann morgen.« Am nächsten Tag ging es genauso langweilig weiter, nur dass Steve noch schneller sprach als am Vortag; Tony war sich sicher, dass er irgendetwas geschluckt hatte. Dafür hatte seine Bemerkung vom Vortag Früchte getragen, denn für den heutigen Tag war eine halbe Stunde Pause angesetzt, die Tony - natürlich - bis zur letzten Minute auf der Dachterrasse verbrachte. Von dort aus hatte er einen atemberaubenden Blick über New York. Tony ging zurück in die Kaffeeküche und tat es wie Maria am Vortag: Er steckte den Stecker der Kaffeemaschine in die Steckdose. Wieso wurde das Ding überhaupt ausgesteckt? Egal. Er drückte auf den On/Off-Knopf, doch wie schon am Tag zuvor geschah nichts. Er wiederholte sämtliche Handlungen des gestrigen Tages, inklusive das Draufklopfen, doch nichts passierte. Nicht mal ein kleiner Pieps. »Was zur Hölle? Was mach ich den falsch?!« Hinter ihm ertönte ein schallendes Lachen und beinahe hätte Tony die Tasse in seiner Hand quer durch den Raum geworfen. »Was machst du denn da?«, presste Maria ihre Frage hervor; sie bekam kaum noch Luft. Der große Tony Stark, Iron Man höchstselbst, war überfordert mit seiner eigenen Kaffeemaschine. Dass sie das noch erleben durfte! »Vielleicht war es doch nicht die beste Idee gewesen, das Ding nur zu kaufen, um Steven eins auszuwischen?«, zog sie ihn auf und schob ihn zur Seite. »Waaas? Das war doch gar nicht der Grund«, meinte er scheinheilig. »Sag mir einfach, wie das blöde Ding funktioniert. Ohne Kaffee überstehe ich den restlichen Tag nicht.« Maria schüttelte belustigt den Kopf. »Ernsthaft Tony, du hast Unmengen an Iron Man Anzügen gebaut, Unzählige andere Sachen, darunter auch dieses Lebensretter-Ding, das du dir in die Brust gesetzt hast, aber du schaffst es nicht eine einfache Kaffeemaschine zu bedienen? Langsam frage ich mich, ob du der richtige bist, um unsere Welt zu beschützen«, zog sie ihn auf. Während sie sprach suchte sie das Ende des Kabels, dessen eine Seite Tony schon professionell in die Steckdose gesteckt hatte. Als sie es fand befestigte sie es hinten an der Kaffeemaschine und drückte siegessicher auf den On/Off-Knopf. »Bitte, es freut mich, dass ich dir auch noch etwas beibringen konnte.« Tony ließ beinahe seine Tasse fallen. »Wieso steckt man den Mist auch aus? Das ist total unnötig«, grummelte er verärgert. »Wenn du den Mist getestet hättest, wie du es zu Beginn eigentlich wolltest, dann wüsstest du, dass das Kabel an beiden Enden einfach nur scheiße hält.« Tony grummelte etwas Unverständliches und nahm seine volle Tasse von Maria entgegen. »Erzähl das ja niemandem«, ermahnte er sie. Maria ließ ein Lachen hören. »Oh, das werde ich, glaub mir. Wir werden in zwanzig Jahren noch darüber lachen.« Und genau das taten Maria und die anderen auch. Kapitel 7: Frohe Weihnachten, Tom --------------------------------- Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem ich mich in sie verliebte. Ich fuhr sie nach Ripon zur Schneiderin, um ihr neues Kleid abzuholen. Sie war ganz aufgeregt es ihrer Familie zu zeigen. Offensichtlich war es etwas Extravagantes; ihre hellblauen Augen strahlten wie immer, wenn sie sich für etwas begeisterte. Sie hätte sich das Kleid schicken lassen können, doch dafür hatte sie nicht die Geduld. Auf dem Rückweg redete sie ununterbrochen davon, dass ihre Familie vermutlich den Schock ihres Lebens bekommen würde, doch das kümmerte sie nicht im Geringsten. Langsam begann ich mich dann doch zu fragen, was an diesem Kleid so besonders sein sollte, doch sie wollte es nicht verraten. An diesem Abend tat ich etwas, was ich normalerweise nicht tun würde: Ich schlich um das große Haus herum, um einen Blick in den Salon zu werfen. Und da stand sie. In einem blauen Kleid, das eigentlich kein Kleid war, denn statt eines wallenden Rockes hatte es Hosenbeine. Sie trug ein stolzes Lächeln auf den Lippen und strotzte vor Selbstbewusstsein, während die alte Lady Grantham vermutlich gerade vom Stuhl fiel. Doch auf die Reaktion ihrer Familie achtete ich gar nicht; ich hatte nur Augen für sie. Das war der Tag an dem ich mich in Lady Sybil Crawley verliebte. Heute, einige Jahre später, liebe ich sie immer noch, darf sie sogar meine Frau nennen. Und Gott weiß, wie glücklich es mich macht. Jeden Tag, wenn ich die Augen aufschlage, ist ihr Gesicht das erste was ich sehe. Jeden Abend, wenn wir zu Bett gehen, ist ihr Gesicht das letzte was ich sehe. Und manchmal treffe ich sie sogar in meinen Träumen. Das sind die besten Nächte. Ich liebe sie jeden Tag mehr und mein Herz platzt beinahe vor Glück und Liebe, wenn sie mich anlächelt. Es ist kurz vor Weihnachten und ich bin mir fast sicher, dass Sybil nach Downton zurückkehren will. Auch wenn sie es nicht sagt, aber ich sehe, wie ihr ihre Familie fehlt. Ich kann es verstehen, doch sie hätten nie akzeptiert, dass ihr - ehemaliger - Chauffeur mit ihnen am Tisch sitzt. Wir mussten das Land verlassen. Nur zu gut erinnere ich mich an Lord Granthams Reaktion, als Sybil ihnen von unsere Plänen berichtete. Ja, er hatte uns am Ende seinen Segen gegeben, doch das hieß noch lange nicht, dass er mit mir einverstanden war. Als ich an dem Abend vom Büro nach Hause gehe, fallen die ersten Schneeflocken vom Himmel. Unwillkürlich schleicht sich ein Lächeln auf meine Lippen. Weiße Weihnachten kündigen sich an. Als ich in unsere Wohnung komme, steht Sybil lächelnd am Fenster und bewundert das immer dichter werdende Schneetreiben. »Sieh nur, Tom. Ist es nicht wunderschön?« Sie strahlt mich an. »Wunderschön, Liebste«, bestätige ich und lege Mantel und Hut ab. Die nassen Schuhe stelle ich auf den Teppich, bevor ich in meine Hausschuhe schlüpfe. »Genauso schön wie du«, murmele ich in ihr Ohr, bevor ich sie herumdrehe und küsse. Sie zu küssen reißt mir jedes Mal wieder den Boden unter den Füßen weg. Die Welt um uns beginnt sich schneller zu drehen und ein Kribbeln erfüllt mich. Wie damals in Downton, als sie mir den ersten heimlichen Kuss schenkte. Sybils Wangen färben sich rot. »Hast du Hunger?«, fragt sie mich, drückt mir einen Kuss auf die Wange und tänzelt davon in die Küche. »Ich habe etwas Neues ausprobiert«, erzählt sie stolz. Sie öffnet den Mund, um noch etwas zu sagen, doch sie tut es nicht. »Natürlich habe ich Hunger.« Grinsend folge ich ihr. Es ist schön zu sehen, wie Sybil aufblüht. Vor dem Krieg konnte sie nicht mal Tee kochen und jetzt zaubert sie die besten Gerichte auf den Tisch. Wenn ihre Eltern das wüssten! »Ist das Licht kaputt?«, frage ich, als Sybil die dunkle Küche betritt und das Licht nicht einschaltet. »Nein«, erwidert sie glücklich, kommt zu mir zurück und zieht mich hinter sich her, weil ich ihr offenbar nicht schnell genug bin. »Was ist denn heute los mit dir?« Ich muss lachen. Sybil ist einfach ein Fall für sich. »Das siehst du gleich, komm einfach mit«, kommt es ungeduldig von ihr, doch das Grinsen will nicht aus ihrem Gesicht verschwinden. Wir betreten die dunkle Küche und sofort fallen mir die brennende Kerzen auf, die im Raum verteilt worden waren. »Was ist denn hier los?«, frage ich überrascht. »Habe ich irgendeinen Feiertag vergessen?« Das wäre nicht so unwahrscheinlich. »Nein hast du nicht. Aber ich dachte mir, ich überrasche dich.« Sybil drückt mir erneut einen Kuss auf die Wange und schiebt mich auf meinen Platz. »Setz dich und lass dich bedienen.« »Lass das ja nicht deinen Vater hören«, scherze ich, wofür ich mir einen tadelnden Blick einfange. Sybil geht zum Ofen und holt selbstgebackene Brötchen heraus. Sie scheint etwas nervös zu sein und ich will aufstehen um ihr zu helfen, doch sie ermahnt mich mit einem »Bleib ja sitzen!« Ihr fällt der Brotkorb hinunter und bevor ich überhaupt aufspringen kann, ruft sie schon: »Bleib!« Überrascht sehe ich sie an, doch ich sage nichts. Langsam bekomme ich Angst, sie könnte mir den Kopf abreißen. Ich darf nicht vergessen, dass sie immer noch mit der alten Lady Grantham verwandt ist; und die hat in ihrem Leben bestimmt schon den ein oder anderen Kopf rollen lassen. Nach ein paar Minuten, in denen Sybil immer noch aufgeregt herumhantiert, unterbreche ich die Stille und sage: »Liebste, was ist denn heute los mit dir?« Ihre Unruhe erfüllt den Raum und macht mich nervös. Ich stehe auf und gehe zu ihr, um ihr das Brötchen aus der Hand zu nehmen, bevor sie es mit ihren zarten Fingern zerquetscht. »Gar nichts«, versucht sie sich mit einer viel zu hohen Stimme rauszureden, gibt aber unter meinem forschenden Blick nach. »Na gut. Aber ich sag dir nur, so war das nicht geplant!«, ruft sie trotzig aus und schiebt ihre Unterlippe nach vorne, wie ein schmollendes Kind. Dann allerdings bildet sich ein breites Lächeln auf ihren Lippen. »Tom, Schatz, es gibt einen Grund weshalb ich Weihnachten nicht nach Downton zurück will.« »Ja?« Langsam weicht meine Nervosität der Verwirrung. »Ich wollte dich heute mit einem besonderen Abend überraschen, weil … weil …« Sie hadert mit sich, weiß nicht was sie sagen soll. »Mein Schatz, ich bin schwanger!« Mir klappt der Mund auf und das Brötchen fällt mir aus der Hand. Ich bin sprachlos. »Nein!« »Doch. Wir erwarten ein Baby!« Tränen der Freude stehen in ihren Augen und in dem Moment zerspringt mein Herz beinahe vor Liebe, die ich für sie empfinde. »Liebste, das sind die großartigsten Nachrichten, die ich je erhalten habe. Ich liebe dich so sehr.« Auch mir steigen die Tränen in die Augen. Schnell ziehe ich sie an mich heran und küsse sie bevor ich sie fest an mich drücke. »Ich liebe dich auch. Frohe Weihnachten, Tom«, flüstert sie in mein Ohr. Kapitel 8: Raum der Wünsche --------------------------- Ein Schniefen entwich ihm. Heute war so gar nichts nach Plan gelaufen. Nur weil er seinen Zauberstab falsch geschwungen und eine Silbe verschluckt hatte, hätte der Tisch in Verwandlung nicht gleich in Flammen aufgehen müssen. Die ganze Klasse hatte ihn ausgelacht und Professor McGonagall hatte ihm dreißig Punkte für Gryffindor abgezogen. Seamus war sofort danach in den Gryffindorturm geeilt um sich im Schlafsaal zu verstecken. Ruhe fand er dort allerdings nicht, denn sein Unfall sprach sich schnell herum. Er entschloss sich den Gemeinschaftsraum zu verlassen, um auf den Ländereien spazieren zu gehen. Erst als das Portrait der Fetten Dame hinter ihm zufiel, fiel ihm ein, dass er nicht nach draußen gehen konnte. Oder eher nicht wollte. Die Dementoren waren immer noch auf der Suche nach Sirius Black und er hatte keine große Lust einem davon über den Weg zu laufen. Seufzend ging der den Gang entlang. Gäbe es doch nur einen Rückzugsort, an dem ihn niemand finden konnte. Am besten irgendetwas, wo er sich die nächsten drei Tage verstecken könnte, dann wäre hoffentlich jemand anderes in eine peinliche Situation und sein Fauxpas in Vergessenheit geraten. Erneut seufzte er und lief weiter hin und her, bevor er an einem kleinen Fenster stehen blieb um nach draußen zu blicken. Am liebsten würde er nach Hause. Normalerweise fühlte er sich sehr wohl in Hogwarts, doch in solchen Momenten hasste er das Internatsleben. Draußen begann es zu regnen und Seamus war sich sicher, dass das Wetter seine Stimmung repräsentierte. Er wandte sich ab und wollte sich auf den Weg in die Bibliothek machen, da bemerkte er eine Tür, die zuvor sicher noch nicht da gewesen war. Es war eine schwere Tür, die gerade langsam wieder zurück ins Schloss fallen wollte, doch Seamus war schneller. Er flitzte quer über den Korridor und schob sich durch den Spalt. Hinter der Tür lag ein Raum, den er in seinen etwas mehr als zwei Jahren in Hogwarts noch nie gesehen hatte. Erstaunt sah er sich um. Der Raum war so verwinkelt, dass er der perfekte Ort für ein Versteckspiel wäre. Neugierig ging Seamus weiter und fand bald eine gemütliche Ecke, in der ein kleines Sofa stand, auf das er sich gleich setzte. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich sofort wohl, als hätte er seine Probleme und Sorgen draußen gelassen. Seamus zog eine flauschige Decke zu sich heran, legte sich hin und schlief innerhalb von Sekunden ein. Der Raum der Wünsche war schon zu Schulzeiten einer seiner Lieblingsräume gewesen und daran hatte sich bis heute nichts geändert. Wie Sirius es unentdeckt nach Hogwarts reingeschafft hatte, wusste er immer noch nicht genau, aber er war froh hier zu sein. Nur bevor er weiter nach Pettigrew Ausschau hielt, brauchte er eine Pause. Einen Rückzugsort, an dem ihn niemand finden konnte. Was würde sich hier besser anbieten als der Raum der Wünsche? Richtig. Nichts. Sirius lief in eine Ecke des Raumes, wo er sich zurückverwandelte und einmal durchstreckte. Es war anstrengend ein Hund zu sein. Gerade als er es sich auf einer kleinen Couch gemütlich machte, hörte er leise Schritte. Sein Herz begann unwillkürlich schneller zu schlagen. Hatte er sich das nur eingebildet? Er lauschte. Nichts. Er atmete aus und merkte erst da, dass er die Luft angehalten hatte. Etwas entspannter setzte er sich und legte die Füße hoch. Ein kleines Schläfchen konnte nicht schaden. Gerade als er die Augen schloss, schreckte er wieder hoch. Da war ein Quietschen, ganz sicher! Sirius spitzte die Ohren und umklammerte den Zauberstab, den er irgendwo geklaut hatte. Sein eigener war immer noch im Besitz des Zaubereiministeriums; wie sehr er ihn doch vermisste. Sirius schlich Richtung Ausgang, denn er war sich sicher, dass das Geräusch von da gekommen war. Er drückte sich an die Wand und hielt den Zauberstab erhoben, immer zum Angriff bereit. Oder zur Verteidigung, je nachdem. Langsam schob er sich vorwärts und warf einen Blick um die Ecke. Beinahe hätte er laut aufgelacht, doch dann hätte er den kleinen Jungen geweckt, der dort auf der Couch lag und schlief. Er sah beinahe friedlich aus, wäre da nicht sein furchtbar trauriges Gesicht. Sirius´ Mitgefühl wurde geweckt. Er erkannte das Wappen der Gryffindors und er schätzte den Jungen in Harrys Alter. Vielleicht ein Jahr jünger. Sirius kannte diese Art Schlaf: Etwas Schreckliches war passiert und der Junge suchte ein Versteck, wo ihn niemand finden konnte. Früher war es Sirius oft so gegangen; wenn seine Mutter ihre Ausraster hatte, hatte er sich auch immer versteckt und war mit dem selben Ausdruck im Gesicht eingeschlafen. Manchmal auch mit der ein oder anderen Träne in den Augen. Ein trauriges Lächeln legte sich auf seine Lippen und er zog sich zurück. Der Kleine hatte sich die Ruhe mehr verdient als er. Sirius suchte nach einer zweiten Decke und legte sie vorsichtig über den Jungen. Ihm war in solchen Situationen immer kalt gewesen. Wie gerne würde er dem Jungen Mut zusprechen, doch er wusste genau was passieren würde, würde der ihn erkennen: Er würde schreien, nach Hilfe rufen und binnen weniger Minuten würde Sirius von einem Dementoren geküsst werden. Dabei wollte er nur helfen. Ein leises Seufzen entwich ihm, als er den Gryffindor beobachtete. Dann zog er sich zurück, setzte sich an die Wand gelehnt auf den Boden und wartete. Es dauerte nicht lange, bis Sirius das Quietschen erneut hörte. Der Junge war wach und setzte sich vermutlich gerade auf. »Was ist das denn?«, hörte er die zarte Stimme murmeln und lächelte leicht. »Ist hier jemand?«, rief der Junge und Sirius war sich sicher, dass er sein Herz schlagen hören konnte. »Ja«, antwortete Sirius. »Bist du gefährlich?« »Nein.« Stille. Dann hörte Sirius ein leises Schluchzen und es zerriss ihm beinahe das Herz. »Ist alles okay bei dir?«, fragte er vorsichtig und wartete lange auf eine Antwort. »Nein«, gestand der Junge und es brachen alle Dämme bei ihm. »Willst du es mir erzählen?« »Ja.« Erneut dauerte es, bis er weitersprach, doch Sirius drängte ihn nicht. Er hatte ohnehin alle Zeit der Welt. Dann plötzlich prasselten die Informationen auf ihn ein, wie ein Wasserfall und Sirius brauchte einen Moment, um alles zu verstehen, so schnell sprach der Gryffindor. Aha, ein kleiner Tollpatsch also, der dafür ausgelacht wurde. Jetzt tat er ihm noch mehr leid. Als der Junge seine Geschichte beendete weinte er nicht mehr, wirkte aber immer noch ziemlich erschöpft. »Lass dich von den anderen nicht unterkriegen, von denen ist auch keiner perfekt«, begann Sirius. »Jeder macht Fehler, deine sind halt etwas feuriger, als die der anderen.« »Hm«, machte Seamus und zuckte mit den Schultern, auch wenn die unbekannte Stimme das nicht sehen konnte. »Und glaub mir, morgen ist das schon wieder vergessen. Wahrscheinlich ist irgendjemandem gerade etwas total Peinliches passiert und an dein brennendes Pult denkt niemand mehr.« »Meinst du?« »Ganz bestimmt.« Sirius lächelte. »Du darfst das nicht an dich ran lassen. Aber wenn du trotzdem wieder eine Auszeit brauchst, dann komm einfach wieder her.« »Aber wie? Ich habe den Raum bisher nie gesehen.« »Der Raum ist nur hier, wenn du willst, dass er hier ist.« Bevor das Kind eine Frage stellen konnte, erklärte Sirius, wie der Raum der Wünsche funktionierte. »Wenn ich wiederkommen sollte, bist du dann auch wieder hier?« »Ich denke nicht.« »Das ist schade«, sagte er mit einer traurigen Stimme. »Treffen wir uns irgendwann wieder?« »Vielleicht.« Erneut schlich sich ein Lächeln auf Sirius´ Lippen. Die Unschuld eines Kindes … ein Phänomen. »Das reicht mir.« Man hörte das Lächeln in der Stimme. Seamus war aufgestanden und ging Richtung Tür. Bevor er den Raum verließ hielt er noch einmal inne und wandte sich um und sagte: »Vielen Dank. Du bist wirklich nett.« Und mit diesen Worten verschwand er nach draußen. Sirius lehnte seinen Kopf an die Wand. »Danke«, sagte er leise, als der Junge schon lange weg war und wischte sich eine flüchtige Träne aus seinem Augenwinkel. Kapitel 9: Checkmate, Loki -------------------------- Wanda schlief tief und fest. Vision stand am Fenster und blickte hinaus in die dunkle Nacht. Der Android war nachts besonders aufmerksam, damit Wanda zur Ruhe kommen konnte, was seit Sokovia ohnehin ein schwieriges Unterfangen war. Das Knarzen des Holzfußbodens ließ ihn hellhörig werden und sich schnell umdrehen. Wanda stand nur mit ihrem Nachthemd bekleidet und verstrubbelten Haaren vor ihm und lächelte schwach. »Gut, du bist da«, sagte sie erleichtert und kam zu ihm. »Bleibst du bei mir?« Vision erwiderte ihr Lächeln und war innerhalb eines Blinzelns an ihrer Seite. »Ich bringe dich ins Bett«, antwortete er nur und führte sie zurück ins Schlafzimmer. Er setzte sich neben sie und hielt ihre Hand. »Hast du schlecht geträumt?« Wanda nickte schwach und seufzte tief. »Das tut mir leid. Ich muss gleich verschwinden. Aber dir passiert nichts, versprochen.« Er beugte sich vor und küsste ihre Stirn. »Mhm«, murmelte Wanda nur und war innerhalb weniger Sekunden wieder eingeschlafen. Vision lächelte, betrachtete sie noch einen kurzen Moment, bevor er sich von dem Anblick löste und das Schlafzimmer verließ. Es fiel ihm nur schwer Wanda schutzlos zurückzulassen, doch er hatte einen Auftrag zu erledigen. Loki war eine Bedrohung und Vision musste die Chance nutzen, um ihn endlich zur Rechenschaft zu ziehen. Der Gott des Schabernacks hatte so viele Unschuldige auf dem Gewissen; Vision musste sie einfach rächen. Es dauerte nicht lange, bis Visions Körper eins mit der sternenklaren Nacht wurde. Sein Informant schickte ihn in eine Militärlager und Vision fragte sich, was Loki dort vor hatte. Wollte er sich eine Armee aufbauen? Wozu? Und die wichtigste Frage von allen: Wie konnte man ihn aufhalten? So viel Zeit um darüber nachzudenken hatte Vision nicht, denn schneller als erwartet flog er über die Tundra und erreichte sein Ziel. Vision ließ sich auf einem dicken Ast nieder und scannte die Umgebung. Irgendetwas stimmte hier nicht und sofort fragte sich der Android, was Loki wohl getan haben mochte. »Keine Sorge, es sind keine Menschen hier«, hörte er plötzlich die Stimme Lokis durch den Wald schallen. Es dauerte einen Moment, bis Vision ihn ausmachte; seinen Stab schwingend und pfeifend spazierte Loki auf einem Platz, der vermutlich den Schießübungen diente, auf und ab und grinste bis über beide Ohren. Vision beschloss, sich nicht zu zeigen. Vermutlich wusste der Gott ohnehin schon wer wo auf ihn wartete. »Keine Menschen hier«, ertönte Lokis Singsang. »Was hast du mit ihnen gemacht?« Vision schwebte von seinem Platz hinunter an Lokis Seite, der endlich stehen blieb. Das dreckige Grinsen verschwand allerdings nicht von seinem Gesicht. »Was soll ich mit wem gemacht haben?«, fragte Loki dümmlich. Vision verdrehte die Augen, wie er es schon so oft bei Tony Stark gesehen hatte, und sagte mit seiner ruhigsten Androiden-Stimme: »Du weißt welche Menschen ich meine, Loki.« Ein theatralisches Seufzen entwich dem Gott. »Es macht wirklich keinen Spaß mit dir.« Er wandte sich von Vision ab und tänzelte in die Richtung eines Gebäudes. »Hier sind schon seit Jahren keine Menschen mehr gewesen, Schlaumeier.« Vision folgte ihm nach drinnen und jetzt wurde ihm endlich bewusst, was hier nicht stimmte: Das Lager war nicht nur menschenleer, es war verlassen … ausgestorben. Doch nichts deutete darauf hin, dass die Menschen, die hier gewesen waren, geordnet aufgebrochen waren. Viel mehr sah es so aus, als hätten sie flüchten müssen: Die verschiedensten Dinge lagen über den Boden verstreut, dick mit Dreck und Staub bedeckt und mit Glassplittern verziert. Unter Lokis Füßen knirschte es bei jedem Schritt, den er tätigte. Interessanterweise schien ihn das nur noch glücklicher zu machen. Vision wurde wirklich nicht aus ihm schlau. »Wieso bist du hier?« Loki zuckte mit den Schultern. »Vielleicht wollte ich einfach nur wissen, wie lange es dauert, bis mich einer von euch findet.« Er warf Vision einen belustigten Blick zu, setzte wieder sein dümmliches Grinsen auf und führte Vision durch das Quartier. Der Android hatte immer noch keine Ahnung, was Loki vor hatte, doch er würde ihn definitiv nicht aus den Augen lassen. Loki begann eine außergewöhnliche Melodie zu pfeifen, die in Visions Augen keinen Sinn ergab. Vielleicht lag es an der ungewöhnlichen Musik, dass Vision nicht bemerkte, wohin Loki ihn führte. Erst als der Gott sich auf den Boden setzte und sagte: »Ich warte schon eine Weile auf einen Gegner wie dich« widmete sich Vision wieder der Situation. Er war zum Angriff bereit, doch Loki saß harmlos am Boden und stellte schwarze und weiße Figuren auf ein Schachbrett. »Was?« Loki sah auf und grinste schief. »Du bist doch ziemlich schlau, oder? Was ist daran so schwer zu verstehen?« Loki machte eine ausschweifende Handbewegung, bevor er die restlichen Figuren aufstellte. »Na los, setz dich endlich.« Vision zögerte einen Augenblick und setzte sich dann. So skurril die Situation auch war, auf eine spannende Partie Schach konnte er schlecht verzichten. Und so wie er den Gott einschätzte, würde es eine sehr spannende Partie werden. »Weiß beginnt«, meinte Loki gut gelaunt, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich dann gegen eine Kiste, die hinter ihm stand. Vision fixierte die Figuren und ohne sie zu berühren, führte er einen der Bauern auf seinen neuen Platz. »Oooooh, das wird grandios!«, freute sich Loki und rieb sich vergnügt die Hände. »Ich gebe es nicht gerne zu, aber …« Vision hielt inne, um über seinen nächsten Zug nachzudenken. »… aber ich denke du hast Recht.« Lokis Grinsen wurde immer breiter. Er öffnete den Mund und wollte etwas sagen, doch da verschwammen seine Züge plötzlich und ein lauter Schrei ertönte. Wanda schlief tief und fest. Vision stand am Fenster und blickte hinaus in die dunkle Nacht. Der Android war nachts besonders aufmerksam, damit Wanda zur Ruhe kommen konnte, was seit Sokovia ohnehin ein schwieriges Unterfangen war. Ein lauter Schrei aus ihrem Schlafzimmer ließ ihn hellhörig werden. Eine Millisekunde später stand er schon an ihrer Seite und strich ihr die verschwitzten Haare aus dem Gesicht. »Gut … du bist da«, keuchte sie und er konnte hören, wie sich ihr Herzschlag etwas beruhigte. »Hast du schlecht geträumt?« Vision setzte sich neben sie und legte ihr einen Arm um die Schultern. Wanda ließ ein Schnauben hören. »Ein Albtraum der besonderen Art«, murmelte sie und schüttelte immer wieder den Kopf. »Du gehst heute Nacht nicht mehr weg, oder?« Vision schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht.« Er drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel. »Willst du mir erzählen, was du geträumt hast?« Wanda schien sich langsam wieder zu beruhigen und sank zurück in ihr Kissen. »Morgen … vielleicht … das wirst du mir nie glauben.« Vision konnte sich zwar nichts darunter vorstellen, aber er wollte es ihr mal glauben. Die Frau in seinen Armen war schnell wieder eingeschlafen und als er vorsichtig aufstand, um zu seinem Platz am Fenster zurückzukehren, hörte er sie deutlich murmeln: »Schachmatt, Loki.« Vision hielt inne und warf Wanda einen Blick zu. Vielleicht hatte sie recht … diese Geschichte würde er bestimmt nicht glauben. Kapitel 10: Listen to Your Heart -------------------------------- Sein Blick wanderte immer wieder zu der brünetten Schönheit. Ein ungewohntes Kribbeln breitete sich in seiner Magengegend aus. Ein Gefühl, das er schon lange nicht mehr gespürt hatte. Ein Gefühl, das so fehl am Platz war wie noch nie. Sam Evans hatte nie gedacht, dass er sich je in Rachel Berry verlieben würde. Ihr Blick fing seinen auf und ihr wurde sofort heiß und kalt zugleich. Was machte er nur mit ihr? Solche Gefühle hatte sie nie wieder zulassen wollen. Nicht nachdem was mit Finn … Sie schluckte schwer. Rachel Berry hatte nie gedacht, dass sie sich je in Sam Evans verlieben würde. xxx Es war immer noch ein seltsames Gefühl wieder an der High-School zu sein. Sam liebte seine Arbeit hier, keine Frage, aber die meiste Zeit fühlte er sich immer noch als Schüler. Den Kaffee im Lehrerzimmer zu trinken half dabei nicht wirklich. Er sah in die Tasse und seufzte tief. Nachdem er endlich den Schock überwunden hatte, dass Sue ihn tatsächlich hypnotisiert hatte, musste er jetzt mit der nächsten Tatsache klarkommen: Und zwar, dass sein Herz sofort schneller schlug, sobald Rachel in sein Sichtfeld trat. Sie waren in den letzten Wochen zu guten Freunden geworden und langsam konnte er verstehen, was Finn in ihr gesehen hatte. Nichts für ungut, sie war immer noch lästig, redete wie ein Wasserfall und sollte den Filter zwischen Hirn und Mund öfter benutzen, aber da war noch etwas ganz anderes, das er bisher nie in ihr gesehen hatte: Sie war ehrlich, hilfsbereit und ja, auch empathisch. Sam hatte nicht gewusst, dass man diese Wörter in Zusammenhang mit ihrem Namen verwenden konnte. Aber es war so. Und aus irgendeinem Grund hatte er ihr gegenüber einen Beschützerinstinkt entwickelt. In ihren jungen Jahren hatte sie schon so viel durchmachen müssen und er wollte alles Unheil von ihr abwenden. Erneut seufzte er. Wahrscheinlich würde ihn jeder für verrückt erklären, würde er das laut aussprechen. »Alles klar bei dir? Du starrst schon seit zehn Minuten in deine Kaffeetasse, ich bin mir sicher, dass er schon kalt ist«, riss ihn da Rachels Stimme aus den Gedanken. Sie stand neben ihm, ein paar Notenblätter in der Hand und ein breites Lächeln im Gesicht. »Weißt du, ich habe mir was überlegt«, sagte sie und setzte sich. Rachel begann über die bevorstehende Hochzeit von Santana und Brittany zu reden und welche Lieder der Glee-Club zum Besten geben könnte, doch Sam hörte ihr gar nicht zu. Er sah nur, wie sich ihre Lippen bewegten und fand, dass es die schönste Bewegung der Welt war. »Und was meinst du?«, fragte sie ihn. »Sam? Alles okay?« Er blinzelte ein paar Mal, räusperte sich und sagte: »Tut mir leid. Ich bin heute nicht ganz da. Aber ich bin mir sicher, deine Idee kommt gut an.« Dann stand er auf und fuhr sich einmal durch die Haare. »Tut mir leid, ich muss jetzt los.« Und schon war er verschwunden. Rachel sah ihm verwirrt hinterher. Was war er nur für ein Arsch. Am liebsten würde er sich selbst eine Ohrfeiger verpassen. Ein paar Stunden später hasste sich Sam immer noch selbst. Er wusste nicht wieso er sich so komisch verhielt, wenn sie da war. Hoffnungslos blickte er auf das gerahmte Trikot, das in der Umkleide hing. »Weißt du, er würde es verstehen«, sagte da die Stimme von Coach Beiste. Sam blinzelte ein paar Mal und sagte dann: »Hm?« »Ach, komm schon, Sam, ich bin zwar unter extremer Hormonbelastung, aber nicht blind. Ich weiß doch, dass du in Rachel verschossen bist.« Sheldon, wie Coach Beiste sich inzwischen nannte, grinste breit und Sam merkte, wie er rot wurde. »Coach, ich weiß einfach nicht was ich machen soll.« Erneut warf er einen Blick auf Finns Trikot. »Es fühlt sich an, als würde ich ihn verraten«, murmelte er und senkte den Kopf. Coach Beiste setzte sich auf die Bank und klopfte auf das Holz, damit er sich dazusetzte. »Weißt du, ich kannte Finn vielleicht nicht so gut wie manch anderer, aber was ich weiß ist, dass er immer nur das beste für seine Freunde und vor allem für Rachel wollte. Er hat sie sogar verlassen, damit sie nach New York gehen kann!« Sheldon hielt inne und legte Sam einen Arm um die Schultern. »Ihr tut einander gut. Du tust ihr gut. Ich habe sie schon lange nicht mehr so oft lachen sehen, seit Finn tot ist. Weißt du, das Leben muss für euch beide weitergehen und wenn das einer verstanden hätte, dann Finn. Ja, meine Fresse, ich bin mir sicher, er hätte sich nichts besseres wünschen können, als dass einer seiner besten Freunde auf sein Mädchen Acht gibt!« »Meinen Sie wirklich, Coach?« Sam schniefte. Aus irgendeinem Grund hatte er Tränen in den Augen. »Darauf würde ich das fetteste Schwein in ganz Ohio verwetten! Und jetzt geh und lad sie ein!« Coach Beiste klopfte ihm auf den Rücken und stieß ihn beinahe zur Umkleide raus. Sam lief ein paar Schritte in die Richtung des Chorraums, bevor er sich noch einmal umdrehte und rief: »Danke, Coach!« Sheldon lächelte Sam hinterher, bevor er sich umdrehte und das Trikot an der Wand selbst musterte. »Werdet einfach glücklich.« xxx Das Tüten in der Leitung machte sie nervös. Sie hoffte, dass am anderen Ende bald jemand rangehen wür… »Hallo?« Die vertraute Stimme ließ sie lächeln. »Mum?« »Rachel?« Shelbys Stimme nahm sofort einen freundlicheren Ton an und Rachel konnte das bezaubernde Lächeln vor ihrem inneren Auge sehen. »Wie geht es dir? Ist etwas passiert? Du rufst nie außerplanmäßig an«, fragte sie besorgt nach. Die beiden hatten sich angewöhnt jeden zweiten Freitag miteinander zu telefonieren, um sich anzunähern und es hatte gut funktioniert; Rachel hatte in ihr endlich die weibliche Bezugsperson gefunden, die sie jahrelang gesucht hatte. »Es ist alles in Ordnung, keine Sorge. Also eigentlich … eigentlich nicht«, sagte sie und seufzte tief. Rachel ließ sich auf ihr Bett fallen und starrte an die Decke. »Weißt du es geht um … um Finn«, murmelte sie. »Ach, Schätzchen.« Shelbys Stimme nahm einen mitfühlenden Ton an und Rachel wünschte sich nichts lieber, als ihre Umarmung zu spüren. »Was ist denn passiert?« Rachel zögerte einen Moment, wusste nicht wo sie beginnen sollte. »Ich dachte … nach Finns Tod dachte ich, dass ich mich nie mehr verlieben könnte. Weißt du, er war einfach der beste Mann auf dieser Welt und der einzige für mich. Ich wusste, wie unsere Zukunft aussehen würde. Er wusste es auch und uns war klar, dass wir miteinander alt werden würden.« Eine einsame Träne kullerte über Rachels Wange. »Ich wollte mich nie mehr in jemanden verlieben, immerhin ist Finn … ich … weiß nicht mehr weiter«, stotterte sie und sofort brachen alle Dämme bei ihr. Niemals hätte sie gedacht in so eine Situation zu gelangen. Sie war gerade mal zwanzig Jahre alt, hatte die Liebe ihres Lebens verloren und Angst sich neu zu verlieben. Hinzu kam ihr New York Traum, der im Moment auf Eis lag. Das war einfach zu viel für sie. Dabei hätte das ruhige Leben in Lima wieder für Ordnung sorgen sollen. Doch das tat es nicht. Nicht so, wie sie es sich gewünscht hätte. »Ach, Liebes«, hörte sie die Stimme ihrer Mutter am anderen Ende. Shelby fühlte sich hilflos und würde ihre Tochter am liebsten fest in die Arme schließen. Ihr war klar, dass Rachel erwachsen war und sie eigentlich nicht brauchte, doch in solchen Momenten war sie und würde immer ihr kleines Mädchen bleiben. Seit Finns Tod hatten sie oft solche Gespräche geführt, während denen Rachel einfach nur geweint hatte und sie sie gelassen hatte. Doch jedes Mal hatte sie sich noch ein bisschen hilfloser gefühlt, weil sie so weit weg war. »Weißt du, nur weil du dich in jemand anderen verliebst heißt das doch nicht, dass du Finn vergisst.« »Aber es fühlt sich an, als würde ich ihn betrügen«, schluchzte Rachel. »Ich will doch sein Andenken bewahren.« »Rachel, Schatz, du kannst sein Andenken auch bewahren, indem du glücklich wirst. Ich bin mir sicher, dass er nicht gewollt hätte, dass du dein Leben aufgibst. Er hat immer nur das beste für dich gewollt und hätte bestimmt nicht gerne gesehen, dass du ihm bis an dein Lebensende hinterher trauerst.« Sie hielt inne und ließ Rachel weiterschluchzen. »Außerdem wie willst du ohne Mann je Kinder bekommen, die du alle Finn nennen kannst?«, versuchte sie ihre Tochter aufzuheitern und tatsächlich hörte sie am anderen Ende der Leitung etwas, das sich nach einem Lachen anhörte. »Du hast ja recht.« »Das weiß ich doch.« Shelby lächelte und warf einen Blick auf Beth, die am Boden herumturnte. »Weißt du, du bist so eine starke Frau. In deinen jungen Jahren hast du schon mehr mitgemacht als manche in ihrem ganzen Leben. Und wenn ich eines über dich weiß, dann dass du immer wieder aufstehst. Wenn nicht jetzt, wann dann? Es ist Zeit nach vorne zu blicken, mein Schatz. Und das heißt ja nicht, dass du gleich heiraten oder Finn aus deinem Leben streichen musst. Du musst nur wieder damit beginnen zu leben.« Es wurde still in der Leitung, nur ein leises Schniefen war zu hören. »Danke, Mum.«, sagte Rachel nach einer Weile. »Immer gerne, Liebes. Und jetzt erzähl mir von dem Mann, der dein Herz erobert hat. Es ist aber nicht Puck, oder?«, fragte Shelby sogleich. Rachel lachte. »Nein, es ist nicht Puck.« Und so erzählte sie ihr von Sam, von dem Kuss unter der Hypnose und davon wie gut sie sich inzwischen verstanden. Shelby schaffte es die richtigen Fragen zu stellen und Rachel von ihren besorgten Gedanken abzulenken. »Du musst ihn mir unbedingt näher vorstellen, wenn ich das nächste Mal in Lima bin. Ich freu mich schon darauf.« »Ich mich auch. Und Mum?« »Ja, Rachel.« »Danke. Für alles.« »Dafür bin ich doch da, Liebes. Ich will nur, dass du glücklich bist.« Kapitel 11: O Christmas Tree ---------------------------- Es war Heiligabend geworden. Woher ich das wusste? Nun, die Reihen neben mir waren schon fast leer und die wenig Übriggebliebenen würden heute noch von den Menschen mitgenommen werden, die hektisch über den Platz liefen. Es stimmte mich nicht traurig. Es war nicht mein erstes Jahr auf dem Platz. Und es würde auch nicht mein letztes sein. Neben mir wuchs eine wunderschöne Nordmanntanne. Groß und gerade und dicht und gut riechend. Ich war doch etwas verwundert, dass sie immer noch neben mir stand und sie noch niemand mitgenommen hatte. Lange würde es wahrscheinlich nicht mehr dauern. Es machte mir nichts aus auf dem Platz zu stehen. Tagsüber schien die Sonne und hielt mich warm und einer der Menschen versorgte mich regelmäßig mit Wasser, wenn es mal länger nicht regnete. Also alles in allem ging es mir ganz gut hier. Nur an solchen Tagen wie heute wünschte ich mir … etwas mehr. Eine Familie steuerte direkt auf die Nordmanntanne neben mir zu. Verständlich. Ich war kein schöner Anblick. In einem Wohnzimmer würde ich mich genauso schlecht machen wie in einer Küche oder einem Schlafzimmer. In einen Keller würde ich vielleicht ganz gut passen, aber da blieb ich lieber auf dem Platz stehen. »Mama, wieso können wir nicht den neben?«, fragte eine piepsige Mädchenstimme. Eine kleine Hand strich über einen meiner Äste. »Ach, Schatz, der ist doch ganz krumm und schief. Außerdem ist er oben schon ganz kahl.« Die Mutter ging an mir vorbei, dabei verfing sich einer meiner dünnen Äste in der Kapuze ihrer Jacke und brach ab. Autsch. »Wir können keinen Baum aufstellen, der keine Äste und lauter Löcher hat. Wo sollen wir denn da die Kugeln aufhängen?« Sie lachte über ihren eigenen Witz. »Aber wir könnten doch ganz viel Lametta draufhängen, oder nicht? Und mit Lichtern würde er bestimmt schöner aussehen«, mischte sich nun auch das zweite Kind ein. »Tommi hat recht! Aber keine echten Kerzen, in der Schule haben wir nämlich gelernt, dass…« Weiter kam das Mädchen nicht, denn die Mutter schnitt ihm das Wort ab. »Davon will ich jetzt wirklich nichts mehr hören. Wir haben heute noch viel zu tun. Diese Nordmanntanne hier ist schön, die kaufen wir«, sagte sie bestimmt. Ich spürte, wie sich ihre Schritte entfernten. Erneut legte sich eine kleine Hand auf meinen Stamm. »Na gut«, antwortete die Tochter traurig. »Tut mir leid, Bäumchen, mir gefällst du«, flüsterte sie mir zu. »Mir auch«, stimmte ihr Bruder zu. »Na kommt, Kinder, gehen wir.« Der Vater der Kinder zog die Kinder von mir weg und ich konnte hören, wie das Mädchen zu weinen begann. »Papa, wir wollen den Baum haben«, versuchte der Junge seinen Vater zu überreden. Ihre Stimmen wurden immer leiser und ich konnte nicht mehr verstehen was sie sagten, aber ich war gerührt, dass sich diese kleinen Wesen so für mich einsetzten. Einen kurzen Moment hatte ich sogar Hoffnung, doch ich musste mich selbst daran erinnern, dass auf einen kurzen Moment Hoffnung meist ein langer Moment Enttäuschung folgte. Langsam wurde es dunkel und die Nordmanntanne neben mir stand immer noch an ihrem Platz. Die Familie hatte sich entfernt und schien heftig miteinander zu diskutieren. Das Mädchen weinte, der Junge rief irgendwelche unzusammenhängenden Dinge und die Mutter verlor langsam, aber sicher die Nerven. »Wenn ihr euch jetzt nicht sofort zusammenreißt, dann gibt es in diesem Jahr weder einen Baum noch Weihnachten, verstanden?«, rief die Mutter und das Weinen des Mädchens hörte sofort auf. »Melanie, das kannst du nicht machen«, redete der Vater auf sie ein. Eine erneute Diskussion entbrannte zwischen den beiden Erwachsenen, bis der Junge sie unterbrach und rief: »Hört endlich auf zu streiten, es ist Weihnachten!« Er kam wieder näher und nun war es seine Hand, die meinen Stamm berührte. »Und genau aus diesem Grund sollten wir diesen Baum hier mitnehmen. Er soll nicht als einziger hier bleiben. Ich bin mir sicher er ist sehr traurig, wenn er an Weihnachten allein sein muss.« »Tommi hat recht! Wir können ihn schön machen und er wird es gut bei uns haben!«, quietschte das Mädchen aufgeregt. Es brauchte nicht mehr viel an Überzeugungsarbeit; die Kinder hatten die richtigen Worte gefunden und nun steckte der Vater gerade einen Stern auf meine schiefe Baumspitze. Ich fühlte mich so schön wie noch nie. Kugeln und Lametta schmückten meine Äste, Lichter brachten mich zum Strahlen und Geschenke lagen dort, wo wenige Stunden zuvor noch matschiger Schnee gelegen hatte. Niemals hätte ich gedacht, dass ich das noch erleben durfte; lange musste ich auf diesen Moment warten, doch die glitzernden Kinderaugen, die mich anhimmelten, als wäre ich der schönste Baum auf der Welt, waren all die langen Jahre des Wartens wert. Kapitel 12: It all started with a big bang ------------------------------------------ Sheldon und Amy hatten tatsächlich den Nobelpreis gewonnen. Penny freute sich unglaublich für die beiden, doch realisieren? Davon war sie weit entfernt. Es fühlte sich an wie ein Traum. Genauso wie das Stäbchen in ihren Händen. »Das kann nicht wahr sein«, murmelte sie und schlug sich die Hand vor den Mund. Tränen sammelten sich in ihren Augen. Tränen der Freude und des Schocks. Klar, in den letzten Wochen und Monaten hatte sie immer wieder betont, dass sie keine Kinder wollte, aber das war reiner Selbstschutz gewesen. Wenn sie ehrlich war, hatte sie die Befürchtung gehabt, keine Kinder bekommen zu können. Sie hatte Leonard nie etwas davon erzählt, weil sie die Enttäuschung in seinem Gesicht ertragen hätte. Sie hätte gedacht, wenn sie ihn vor vollendete Tatsachen stellen und ihm sagen würde, dass sie einfach keine Kinder wollte, dann wäre es nicht so schlimm. Im Nachhinein betrachtet war das eine dumme Idee gewesen, aber gut. Und jetzt saß sie hier am Badezimmerboden und starrte auf den positiven Test in ihren Händen. Das konnte nicht wahr sein. Penny wischte sich über die Augen, doch sie konnte nicht aufhören zu weinen. Ihr Herz machte einen Salto. Sie war schwanger. Sie würde ein Baby bekommen. Leonard und sie würden Eltern werden! Freude durchströmte ihren Körper und am liebsten würde sie sofort hinausstürmen und es ihm erzählen, aber er war arbeiten. Penny rappelte sich vom Boden auf und wusch sich das Gesicht. Dann kam die Panik. Waren sie überhaupt bereit dafür? Ihre Wohnung war alles andere als kindersicher. Erst letzte Woche war Halley über die kleine Stufe gestolpert, die Richtung Badezimmer führte. Sollten sie eine Rampe einbauen? Außerdem wohnte Sheldon nebenan, er würde sie nicht nur in den nächsten Monaten in den Wahnsinn treiben; wer wusste schon, wie viele heimliche Experimente er an ihrem Kind durchführen würde. Panisch betrachtete sich Penny im Spiegel. »Atmen, Penny, atmen«, forderte sie sich selbst auf. Es brachte überhaupt nichts, sich darüber Gedanken zu machen. Alles würde so kommen, wie es sollte, da war sie sich sicher. Zumindest redete sie sich das vorerst ein. Ändern konnte sie es schließlich ohnehin nicht. Penny rief bei der Arbeit an und bat um einen spontanen Urlaubstag, bevor sie bei ihrer Ärztin anrief. Bevor sie Leonard etwas erzählte, wollte sie auf Nummer sicher gehen und sich die Bestätigung ihrer Ärztin holen. Glücklicherweise bekam sie sofort einen Termin und keine halbe Stunde später, saß sie schon im Auto und fuhr durch die Stadt. Beinahe hätte sie eine rote Ampel überfahren und vor lauter Schreck, trat sie so fest auf die Bremse, dass sie nach vorne in ihren Gurt fiel. Wo war sie nur mit ihrem Kopf? Tausende Gedanken spielten in ihrem Hirn Fangen und lenkten sie ab. Vielleicht hätte sie sich doch fahren lassen sollen. Aber die Auswahl war nicht die beste: Sheldon hätte es nach dem ersten Häuserblock geschafft sie beide umzubringen, Amy würde von nichts anderem mehr reden, außer dass sie sich auch ein Baby machen lassen würde, damit sie gemeinsam schwanger sein könnten, Howard würde nur dumme Witze reißen - und ganz ehrlich, bevor sie alleine zu ihm ins Auto steigen würde, würde sie zu Fuß laufen - und Bernadette würde komplett durchdrehen. Außerdem würde sie die Klappe nicht halten können und die Gruppe würde schon von der Schwangerschaft wissen, bevor Penny es selbst sicher wissen würde. Und Raj? Nun, der würde mit ihr nicht zum Frauenarzt, sondern direkt zu Ikea fahren, um das Kinderzimmer einzurichten. Oder aber - und diese Vorstellung war sogar noch schlimmer - er würde direkt mit in das Behandlungszimmer kommen und der Ärztin sagen, wie sie den Ultraschallstab zu führen hatte. O Gott … wenn sie genauer darüber nachdachte, dann hatte sie wirklich die schrägste Ansammlung von Freunden, die es gab. Aber trotzdem liebte sie sie, wie ihre Familie. Dass sie es heil zur Arztpraxis schaffte, glich einem Wunder. »Ich muss mich echt beruhigen.« Und mit den Selbstgesprächen aufhören. Sie warf einen Blick auf die Uhr und steuerte direkt auf das Gebäude zu. »Okay, Penny Hofstadter, jetzt reiß dich mal zusammen«, sagte sie sich selbst, als sie ihr bleiches Spiegelbild im Aufzug sah. Und dann setzte sie ihr bestes Pokerface auf und betrat die Praxis. Keine Stunde später stand sie wieder draußen auf der Straße, hatte sie einen Haufen Broschüren in ihrer Handtasche, definitiv ein Baby im Bauch und ein seltsames Gefühl noch dazu. Sie wollte schreien, weinen und lachen gleichzeitig. Ein Gefühlstornado tobte in ihr. Penny atmete ein paar Mal tief durch, bevor sie über die Straße in den Donutladen ging und sich eine ganze Packung verschiedener Donuts zusammenpacken ließ. Im Auto aß sich Penny erstmal durch die Hälfte der Donuts. Jetzt durfte sie immerhin, sie aß schließlich für zwei! Anschließend fuhr sie zur Mall und ohne es eigentlich zu wollen, führte sie ihr erster Weg in einen Babyladen. Die kleinen Klamotten waren so winzig und sie konnte sich nicht vorstellen, dass darin ein Mensch Platz hatte. Eine Puppe vielleicht, aber ein Mensch? »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte die freundliche Verkäuferin und strahlte sie an. Penny ließ den Body beinahe fallen, hängte ihn schnell zurück und sagte: »Nein, danke. Ich sehe mich nur um.« Die Verkäuferin warf ihr ein verschmitztes Grinsen zu, das Penny nicht deuten konnte und zog wieder von dannen. Was sollte das denn? Die Blondine schüttelte den Kopf und sah sich weiter um. Sie wollte irgendetwas kaufen. Einfach aus Prinzip. Und wenn sie es hübsch verpackte und Leonard vor die Nase stellte, dann müsste sie sich auch nicht großartig überlegen, wie sie es ihm sagen sollte. Instinktiv griff sie nach einem Body auf dem stand: ›world´s best daddy‹. Das war perfekt. Er würde ein guter Vater werden. Nein - nicht nur ein guter Vater. Er würde ein großartiger Vater werden. Nach allem, was er durchmachen hatte müssen, würde er der beste Vater aller Zeiten werden, da war sich Penny sicher. Liebevoll sah sie auf den Body, hängte ihn dann aber doch zurück. Sie ging zu der Verkäuferin von vorhin und tippte ihr auf die Schulter. »Entschuldigen Sie, bitte. Ich denke ich bräuchte doch Ihre Hilfe.« Die Verkäuferin strahlte sie an und fragte, was sie brauchte. »Nun ja. Ich habe gerade erfahren, dass ich schwanger bin«, begann Penny leise und beugte sich etwas vor, damit nicht der ganze Laden hörte, was sie sagte. »Oh, herzlichen Glückwunsch! Das freut mich sehr für Sie«, quietschte die Verkäuferin aufgeregt und drückte ihre Hand. »Also, wie kann ich Ihnen helfen?« Pennys Hände zitterten, was sie erst merkte, als die Dame ihre Hand drückte. Sie war froh über diese beruhigende Geste, das machte es alles irgendwie leichter. »Nun, wissen Sie, ich habe meinem Mann noch nichts davon erzählt und würde ihm gerne etwas schenken und ihn überraschen.« »Das ist eine wunderbare Idee!« Die Frau klatschte begeistert in die Hände. »Sie hatten vorhin ja schon diesen süßen Body in den Händen …« Die Frau watschelte an Penny vorbei und grabschte nach dem entsprechenden Kleidungsstück in der richtigen Größe. »Und dazu passt …« Sie schob sich wieder an Penny vorbei, die ihr nur einen verwirrten Blick hinterherwarf. Am Ende landeten der Body, eine Mütze, dazu passende Socken und eine Packung Schnuller in Pennys Einkaufskorb. An der Kasse fand sie noch ein Paar Sneaker, die Leonard immer trug und so groß waren, dass sie gerade mal ihren großen Zeh hineinstecken hätte können. Völlig angetan von den süßen Dingern, packte sie sie noch dazu, bedankte sich bei der Verkäuferin und suchte dann im nächsten Laden nach einer hübschen Geschenkbox. Als sie wieder zu Hause war, packte sie alles in die Box, und legte einen Papierbogen darüber. Den Body hatte sie ganz oben draufgelegt, damit es das erste wäre, das Leonard sehen würde, sobald er die Box öffnen und das Papier zurückschlagen würde. Sie platzierte die Box in der Mitte des Couchtischs und machte sich dann daran ein leckeres Abendessen zu kochen. Sie hatte Leonard inzwischen bescheid gegeben, dass sie heute Abend allein essen würden und er den anderen absagen sollte. Er hatte zwar herumgejammert, dass irgendeine neue Folge einer Serie im Fernsehen lief, aber das hatte sie gekonnt ignoriert. Wie jede Woche. Fünf Mal. Mindestens. Pünktlich, als Leonard die Tür zu ihrem Appartement aufstieß, hatte Penny Kerzen für eine romantische Atmosphäre verteilt und holte gerade die Lasagne aus dem Ofen. »Was ist das alles hier?«, fragte Leonard verwirrt, aber erfreut über die Überraschung. »Na ja, ich dachte mir, ich überrasche meinen Mann mal mit einem romantischen Abend«, erwiderte Penny strahlend und lief um die Kücheninsel herum, um Leonard fest zu umarmen und zu küssen. »Habe ich schon wieder unseren Jahrestag vergessen?«, fragte er grinsend, bevor er sie erneut küsste. Penny lachte auf. »Nein, ausnahmsweise nicht.« Sie hielt inne und überlegte kurz. »Nein.« Lachend schüttelte sie den Kopf. »Setz dich. Das Essen ist gerade fertig geworden.« »Soll ich dir beim Anrichten helfen?«, bot Leonard an, doch Penny schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Setz dich einfach und entspann dich, du hattest sicher einen harten Tag.« Leonard hob skeptisch die Augenbrauen. »Hast du etwas kaputt gemacht?« Penny warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. »Haha. Nein, habe ich nicht. Ich will meinen Mann einfach mal verwöhnen«, wiederholte sie. »Und jetzt halt die Klappe und setz dich auf Sheldons Platz.« »Uuuuuuh, du willst es heute wirklich wissen, was?« Leonard grinste breit. »Setz dich«, lachte Penny und schüttelte den Kopf. Manchmal war er wirklich ein Idiot. In Windeseile richtete sie die Lasagne an, bevor sie sich neben ihren Mann auf die Couch setzte. Es war immer noch komisch dieses Wort für ihn zu verwenden. Sie kannten sich jetzt schon so lange und … »Was ist?«, unterbrach Leonard ihren Gedankengang. »Du schaust so komisch. Bin ich todkrank?«, scherzte er. Penny verdrehte die Augen und boxte ihn auf den Oberarm. »Trottel. Ich bin einfach froh dich zu haben.« Sie küsste ihn auf die Wange. »Lass es dir schmecken.« Leonard berichtete von seinem Tag an der Uni, und dass Sheldon beinahe aus dem Fenster seines Büros gefallen wäre, weil er versucht hatte einen Marienkäfer zu verscheuchen. Während des Essens verfielen die beiden in Schweigen und Penny musste sich zusammenreißen, um ihre Neuigkeiten nicht laut in den Raum zu brüllen. Dann aber hielt sie es wirklich nicht mehr aus und stellte ihren Teller ab. Leonard hielt sofort in der Bewegung inne, da er wusste, dass jetzt das kam, das sie ihm beichten wollte. Er liebte Penny zwar, aber er kannte sie auch lange genug, dass er wusste, dass sie keine romantische Geste ohne Hintergedanken machte. »Leonard, ich muss … ich habe etwas für dich«, entschied sie sich um und nahm das Paket vom Tisch, das dort immer noch stand. Leonard schien es gar nicht aufgefallen zu sein. Er stellte seinen Teller ab und nahm die Geschenkbox entgegen. »Was ist das?« »Öffne es.« Penny grinste ihn aufgeregt an und würde es ihm am liebsten aus den Händen reißen, um es ihm so schnell wie möglich zu zeigen. »Muss ich Angst haben?«, fragte er und kicherte unsicher. Man wusste ja nie bei dieser Frau. »Nein. Und jetzt beeil dich«, forderte sie ihn nervös auf. Leonard hob den Deckel der Box und legte ihn beiseite. Bevor er das Papier zur Seite schlug, und auf den Body blickte. Es dauerte einen langen Moment, bis er zu realisieren schien, was er da vor sich hatte. Langsam nahm er den Body aus dem Paket und entdeckte dann die anderen Sachen in der Box. Penny konnte sehen, wie sich Tränen in seinen Augen bildeten. »Das ist …«, begann er, verwarf die Worte doch gleich wieder. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Sein Mund war aufgeklappt und er starrte auf den Body, als würde der ihm die Geheimnisse des Universums verraten. »Ist das dein Ernst?«, stammelte er dann nach einer ganzen Weile und wandte sich Penny zu. Seine Augen glitzerten und schwammen in Tränen. Penny selbst konnte sie bei diesem Anblick nicht mehr zurückhalten. Sie hatte nach heute Morgen nicht mehr weinen wollen, aber ihren Mann so gerührt und glücklich zu sehen, brachte sie dazu all ihre Vorsätze über Bord zu werfen. »Ja.« Mehr brachte sie nicht heraus. Sie nickte nur und legte sich die Hand auf den Mund, um ein Schluchzen zu unterdrücken. »O mein Gott, Penny.« Leonard stellte die Box auf den Boden und kaum hatte er beide Hände wieder frei, umarmte er Penny so fest er nur konnte. »Ich kann es nicht glauben.« »Ich auch nicht.« Die beiden drückten einander so fest und wünschten sich, sich nie mehr loslassen zu müssen. »Ich liebe dich, Leonard.« »Und ich liebe dich, Penny. Danke, dass du mir das schönste Geschenk auf der Welt machst.« Er drückte sie leicht von sich, um sie liebevoll zu betrachten und besiegelte ihr neu gewonnenes Glück mit einem Kuss, in dem so viel Liebe steckte, wie in keinem ihrer Küsse bisher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)