One-Shots 2020 von Zaje (Projektsammlung) ================================================================================ Kapitel 4: Mitten im Krieg -------------------------- Chaos. Um mich herum herrscht nichts als Chaos. »Lavender? Alles okay? Du bist verletzt!« Parvatis Stimme dringt nur dumpf an mein Ohr. Wie mechanisch setze ich einen Fuß vor den anderen, ohne zu wissen wo ich hingehe. »Lavender?!« Parvatis Stimme erstirbt; vermutlich bringt sie sich in Sicherheit, weil sie nicht zu mir durchdringen kann. Aber das ist egal. Im Augenblick ist alles egal. Und wir würden uns später sehen. Ich fühle mich, als würde ich ersticken. Staub kratzt in meinen Atemwegen. Glassplitter bohren sich in meine Haut und lassen sie bluten. Meine Wade schmerzt; ich glaube, dass ich sie mir gequetscht habe, doch ich kann mich nicht daran erinnern. Meine Beine tragen mich nach draußen, wo das Chaos, die Zerstörung und der Schmerz noch viel größere Ausmaße angenommen hat, als ich mir je hätte vorstellen können. Das Hogwarts, wie ich es kenne, gibt es schon lange nicht mehr. Und jetzt … jetzt wird es bis auf seine Grundmauern zerstört. Ich weiß nicht, was mich dazu veranlasst, doch ich gehe in die Richtung des Verbotenen Waldes. Weg von den Schreien, den Hilferufen und dem unendlichen Leid. Ich bin hier um zu helfen, doch ich kann nicht mehr. Ich bin mit meiner Kraft am Ende. Ich brauche nur etwas Ruhe … ein paar Minuten. Ich muss zuerst mir selbst helfen, bevor ich anderen helfen kann. Es dauert lange, bis ich mich im Schatten des Waldes verstecken kann. Langsam beginnt auch mein Hirn wieder zu arbeiten … oder eher zu verarbeiten. Es ist schierer Wahnsinn, was hier gerade passiert. Vor wenigen Stunden noch war ich der festen Überzeugung, dass die Gefahr gebannt sei. Dass Harry Potters Rückkehr nach Hogwarts uns alle retten würde. Wie sehr ich mich doch geirrt habe. Ich atme ein paar Mal tief durch, lasse mich auf den feuchten Waldboden sinken und schließe fest die Augen. Bilder verfolgen mich. Bilder von toten und verletzten Freunden. Bilder, die nie mehr aus meinem Kopf verschwinden werden. Bevor ich sie aufhalten kann, laufen heiße Tränen über meine Wangen. Meine Hände beginnen unkontrolliert zu zittern. Ich kenne die Geschichten vom ersten Krieg, doch es fühlte sich immer so unwirklich an; als wären es nur Märchen. Und jetzt sitze ich mitten drin. Mitten in einer Schlacht, die keiner gewinnen kann. Das Knacken eines Astes lässt mich hochfahren. Mein Herz pocht hart gegen meine Brust und ich kann nur schwer einen Schrei oder ein leises Wimmern unterdrücken. Ich presse mir die Hände auf den Mund, um ja kein Geräusch zu machen, doch ich bin mir sicher, dass mich mein donnernder Herzschlag verrät. Meine Augen suchen die Umgebung ab, doch ich kann niemanden entdecken. Vielleicht habe ich mir alles nur eingebildet? Langsam nehme ich die Hände wieder von meinem Mund, doch da höre ich das Knacken erneut. Mir wird heiß und kalt zugleich. Ich beiße mir in die Hand, um ja keinen Laut von mir zu geben und senke den Kopf in die Richtung meiner Knie, um mich so klein wie möglich zu machen. Vielleicht ist es nur ein wildes Tier, das sich gleich wieder verzieht. Oder mich auffrisst. Der Gedanke daran treibt mir den Schweiß ins Gesicht und lässt mein Herz nur noch schneller schlagen. »Ich weiß, dass du hier bist.« Eine krächzende Stimme dringt an mein Ohr, die mir gefährlich bekannt vorkommt. Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken und sofort wird mein Körper mit einer Gänsehaut überzogen. »Ich kann deine Angst riechen, Schätzchen.« Ich spüre, wie mir die Galle hochsteigt. Ein saurer Geschmack breitet sich in meinem Mund aus. Schnell presse ich mir die Hände wieder auf den Mund, um mich nicht zu verraten. »Komm raus, Liebes.« Bellatrix Lestrange. Mein Herz setzt einen Schlag aus und kurzzeitig bin ich mir nicht sicher, ob es je wieder schlagen wird. Das ist mein Ende. Wenn sie mich findet, bin ich tot. Die Galle droht mich zu ersticken. Schnell lehne ich mich zur Seite und übergebe mich. »Ach, Darling, du musst mir doch nicht gleich entgegenkotzen.« Ihr schrilles Lachen fährt mir durch Mark und Bein. Tränen laufen mir unaufhaltsam über die Wangen. Mein Kopf schreit und fleht mich an zu fliehen, doch mein Körper weigert sich. »Schätzchen, langsam verliere ich wirklich die Geduld.« Bellatrix Lestrange ist nicht mehr weit von mir entfernt und ich bin mir sicher, dass sie mich gleich schnappen wird. Noch nie in meinem Leben habe ich solche Ängste ausgestanden. Wieso nur bin ich überhaupt erst in den Wald gelaufen? Äste knirschen und zerbrechen unter ihren Füßen und ich weiß, dass mein Leben nun vorbei ist. Plötzlich versiegen meine Tränen und ich spüre eine innere Ruhe. Ja, mein Leben ist gleich vorbei; vielleicht ist es so das beste. Dann muss ich nicht zurück in den Kampf. Dann muss ich nicht sehen, wie weitere Freunde von mir sterben oder verwundet werden. Ich fühle mich, als würde sich ein beruhigender Schleier über mich legen, der mich von der Außenwelt abschirmt. Leiser Singsang dringt an mein Ohr und ich habe keine Ahnung woher er kommt. Ich summe die Melodie mit, als würde ich sie mein Leben lang kennen. Langsam stehe ich auf und drehe mich ein paar Mal um mich selbst. Ich schließe meine Augen und wiege mich sanft hin und her, als würde mich der Wind schaukeln und beruhigen wollen. Als ich die Augen wieder öffne, blicke ich in Bellatrix Lestranges kalte Augen. Ihr höhnisches Lachen erreicht mich nicht, doch ich sehe es und das reicht, um mir Angst einzujagen. Doch irgendwie … irgendwie hält mich die Angst nicht so fest im Griff, wie sie es sollte. Und da fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Ich stehe unter einem Imperius-Fluch. Bellatrix Lestrange hat mich unter Kontrolle. Es dauert einige lange Momente, bis ich unter dem wabernden Nebel einen klaren Gedanken fassen kann. Imperius-Fluch. Viertes Schuljahr. Professor Moody. Er hat uns gelehrt, wie wir uns dem Imperius-Fluch entziehen können. Damals habe ich es nie geschafft den Fluch zu brechen. Jetzt muss ich es schaffen. Ich konzentriere mich, rufe mir seine Worte in Erinnerung und strenge mich so sehr an, wie noch nie in meinem Leben. Ich merke es sofort als der Fluch von mir abfällt. Die Angst kriecht meinen Nacken hoch und das Lachen der Todesserin schmerzt in meinen Ohren. Bevor ich überhaupt über irgendetwas nachdenken kann, laufe ich um mein Leben. Raus aus dem Wald in die Richtung des brennenden Schlosses, das so lange mein zu Hause war. Bellatrix Lestranges Lachen klingelt in meinen Ohren, während mein Kopf immer und immer wieder ihre letzten Worte an mich wiederholt: »Diese Nacht überlebst du ohnehin nicht, Schätzchen!« Hosted by Animexx e.V. 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