Ein Jahr für Fünf von Augurey (Kalender 2020) ================================================================================ Kapitel 7: 7. Kalenderwoche ---------------------------   Schuld, Lehrerbüro, Melodie  ~*~   Die Welt stand still, ausgebremst von Worten. Bedeutungsvoll sanken sie, schwer wie Blei, in die Ruhe des kreisrunden Büros, in das Schweigen zwischen zwei Menschen.   Das frühe Morgenlicht fiel fast waagrecht durch die Scheiben der Bogenfenster, blendete Hermine so, dass sie blinzeln musste. Sie schaute ihren Schulleiter an, blickte ihm direkt ins Gesicht. Er hatte geweint, das konnte sie sehen. Tränen glitzerten noch in seinen Augen. Was an der langen Unterregung zwischen ihm und Harry diese Tränen ausgelöst hatte, das vermochte sie nicht zu sagen und sie wagte auch nicht, darüber zu spekulieren. Nur Gesprächsfetzen hatte sie belauscht, draußen in ihrem Versteck zwischen der fahrenden Wendeltreppe und dem Greifenklopfer. Fetzen, die sie unruhig gestimmt hatten. Fetzen, die sie nicht hatte überhören können. Fetzen, die sie hatten anklopfen lassen, weil sie einfach etwas unternehmen musste. Zu den Lehrern gehen, sich ihnen anvertrauen, mit ihnen reden, das war ihre Taktik. Etwas anderes wäre ihr gar nicht in den Sinn gekommen. Und da stand sie nun und sah ihm in die alten Augen, blau und voller Reue. Ein Anblick, der ihr durch Mark und Bein ging. Nie hatte sie ihren Schulleiter, zu dem sie aufblickte, vor dem sie Respekt hatte, auch wenn sie manche seiner Entscheidungen mit Skepsis betrachtete, so schwach, so niedergeschlagen, so hilflos erlebt. Stimmte, was er ihr erwidert hatte? War er im Recht und sie im Unrecht? Hermine wäre gar nicht geblieben, hätte sich gar nicht versteckt und das Gespräch belauscht, wäre Harry nicht so aufgelöst gewesen, dass sie es als ihre Pflicht angesehen hätte, für ihn zu sorgen. Als sie schließlich beschlossen hatte, Dumbledore aufzusuchen, mit ihm zu reden, hatte sie nur freundlich sein wollen. Sie hatte die Gallionsfigur des Widerstands gegen Voldemort nur ein wenig aufmuntern wollen. Doch nun nagten Zweifel an ihr. Sie konnte ihm nicht widersprechen, es wäre eine Lüge gewesen. In seinen Worten lag eine bittere Wahrheit. Eine Wahrheit, die ihr die Zunge lähmte, ihr die Sprache verschlug. Und so schwieg Hermine Granger.    Allein  Fawkes, der Phönix‘ sang in der Stille, flötete seine traurige Melodie, ein Hauch nur von Trost und Hoffnung.   Und so schwieg Albus Dumbledore. Einen Augenblick lang lauschte er noch traurig dem Lied seines treuen, gefiederten Gefährten und wandte sich mit einem tiefen Seufzen ab, musterte jedes seiner zahllosen Geräte, das Harry in seinem gerechten Zorn, in seiner Trauer und Wut zerstört hatte . Die Morgensonne brannte ihm im Rücken wie ein Vorbote des Fegefeuers und in seiner Kehle schwoll ein Kloß, der sie rau und heiser werden ließ. Das Krächzen des Sünders, wenn er zu Kreuze kroch. Denn was war er mehr als ein Büßer im Büßergewand? Gewiss hatte es Miss Granger nur gut mit ihm gemeint. Doch er konnte ihr nicht weiter in die Augen sehen. Diese unschuldigen, liebevollen Worte mehrten seinen Schmerz nur noch. Er hatte diesen Trost aus dem Munde eines jungen Mädchens, fast noch Kindes, nicht verdient. Was wusste eine, wenn auch sehr kluge Jugendliche schon davon, die magische Welt durch einen Krieg zu lotsen? Was wusste eine Schülerin davon, Kapitän eines Boots in einer stürmischen See zu sein, in der es eine Gewissheit war, dass irgendwann Männer von Bord gehen würden? Entscheidungen zu treffen, die Leben kosten konnten? Albus Herz‘ wurde schwer wie Blei. Worte wie ein Lufthauch, Worte die seine Finsternis nicht durchdrangen. Sie sah in ihm, was alle sahen: Den berühmten Albus Dumbledore, Bezwinger Grindelwalds, Widersacher Voldemorts, größter weißer Magier der Gegenwart, der beste Schulleiter, den Hogwarts je hatte. Doch in Wahrheit, in Wahrheit war er ein Mann, der zutiefst versagt hatte. Der einen Anvertrauten, dessen Leben er wahren wollte, zum Tode verurteilt hatte, weil er einen Jungen, den er liebte wie einen Sohn, ebenfalls vor allen Gefahren schützen wollte. Albus blinzelte, schloss die Lider, sich der Blicke des Mädchens bewusst. Tränen rannen auf seine Hakennase, perlten hinab und tropften zu Boden, wo sie im Teppich versickerten - wie der Tod, für alle Zeit.   Die Welt stand still, ausgebremst von Worten. Bedeutungsvoll sanken sie, schwer wie Blei, in die Ruhe des kreisrunden Büros, in das Schweigen zwischen zwei Menschen.   „Es ist nicht Ihre Schuld, Professor Dumbledore, Bellatrix Lestrange hat ihn ermordet!“   „Doch, Miss Granger, es ist meine Schuld. Ich hätte es besser wissen müssen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)